Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Der Deutsche Bundestag trauert um sein langjährigesMitglied, den früheren Bundesminister für wirtschaft-liche Zusammenarbeit, Parlamentarischen Staatssekre-tär im Auswärtigen Amt und Staatsminister im Bundes-kanzleramt, Hans-Jürgen Wischnewski, der gesternAbend nach einem langen, erfüllten Leben im Alter von82 Jahren verstorben ist.Hans-Jürgen Wischnewski wurde 1922 im ostpreußi-schen Allenstein als Sohn eines Zollinspektors geborenund wuchs in Berlin auf, wo er 1941 sein Abitur absol-vierte. Von 1940 bis 1945 war Wischnewski wie so vieleseiner Generation Soldat. Nach dem Krieg kam er nachkurzer Zeit in amerikanischer Kriegsgefangenschaftnach Berlin zurück, wo er im Ostteil der Stadt wohnenddie gewaltsame Errichtung der kommunistischen Herr-schaft durch die sowjetische Besatzungsmacht miterle-ben musste. Dieses Ereignis prägte seine ablehnendeHaltung gegenüber dem Kommunismus und führte imFrühjahr 1946 dazu, dass er Berlin verließ und nachBayern ging, wo er als Metallarbeiter beschäftigt war.PSSdIrwmwaFtWszZbvmSRedetDie Erfahrungen in Berlin und sein persönlicher Le-bensweg haben seine politische Haltung und sein Han-deln wesentlich beeinflusst, sodass er bereits 1946 derSPD und der IG Metall beitrat. Nach einer Ausbildung inArbeits- und Sozialrecht wurde er als Gewerkschafts-sekretär zur Betreuung von Betriebsräten nach Köln ent-sandt.1957 wurde er SPD-Vorsitzender des KreisverbandesKöln. Im selben Jahr wurde er zum ersten Mal in denDeutschen Bundestag gewählt. 33 Jahre – bis 1990 – warer stets direkt gewählter Abgeordneter seines KölnerWahlkreises.In den Jahren nach 1957 übernahm HWischnewski wichtige Führungspositionenseiner Partei, darunter den Bundesvorsitz derlisten. Er wurde Mitglied des Parteivorstand
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– Drucksache 15/4067 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 15/4952 –Berichterstattung:Abgeordnete Dirk ManzewskiAndrea Astrid VoßhoffHans-Christian StröbeleSibylle LaurischkNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundes-ministerin Brigitte Zypries das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Her-ren! In der letzten Legislaturperiode hat die Bundes-regierung die Initiative „Bund-Online 2005“ aufgelegt.Diese Initiative verfolgt das Ziel, bis zum Ende diesesJahres alle internetfähigen Dienstleistungen, die derBund anbietet, Bürgerinnen und Bürgern sowie vor allenDingen der Wirtschaft online bereitzustellen. Mit demJustizkommunikationsgesetz, das Sie heute verabschie-den wollen, leistet der Deutsche Bundestag einen wichti-gen Beitrag, um das Ziel der Initiative „Bund-Online2005“ zu erreichen.Justiz ist ohne Kommunikation nicht vorstellbar. Ge-richtliche Verfahren bestehen in allererster Linie ausKommunikation. Die Verfahrensbeteiligten präsentierenden Streitgegenstand dem Gericht. Das Gericht erörtertmit den Beteiligten den Streitgegenstand und das Ergeb-nis dieses Kommunikationsprozesses ist die Erledigungdes Rechtsstreites, und zwar entweder durch Vergleichoder durch Entscheidung. Mit einer Reihe von Dienst-leistungen ist die Justiz bereits mitten auf dem Weg ineine elektronische Kommunikationsgesellschaft. Ihnenallen ist sicherlich das inzwischen vorhandene elektro-nische Mahnverfahren in Deutschland bekannt. Hand-werker und andere Gewerbetreibende haben die Mög-lichkeit, von zu Hause aus Mahnbescheide zubeantragen.In vielen Gerichten gibt es inzwischen elektronischePostfächer, sodass Anwältinnen und Anwälte ihreSrSZviDapwPnDsKuKirfwVlkAAgomssbmtggbaneMmeBnwDArrsvdetd
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Ich erteile das Wort Kollegin Andrea Voßhoff, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem zu-nehmenden elektronischen Informations- und Geschäfts-verkehr im Alltag von Unternehmen und Bürgern mussauch die Justiz gerecht werden. Deshalb ist es ebensoklar wie notwendig, dass sich die Justiz als Dienstleisterfür den Rechtsuchenden den Entwicklungen und Verän-derungen der Gesellschaft, insbesondere im Bereich dermodernen Kommunikation, anpassen muss. Eine mo-derne und vor allem effiziente Justiz ist aber nicht nurfür den rechtsuchenden Bürger, sondern insbesondereauch für die Wirtschaft ein wichtiger Standortfaktor.Wenn das Medium Papier im Alltag der Bürgerinnenund Bürger und insbesondere der Wirtschaft zunehmenddurch elektronische Dateien ersetzt wird, dann kann sichdie aktenschwere Justiz dem nicht verschließen.sJiAttSisrpnBsddd2vfJmrJrhhwgBfssGUsJktdevZsawGsp
Der elektronische Rechtsverkehr und die elektroni-che Aktenführung innerhalb der Gerichte und in derustiz insgesamt sind deshalb auszubauen. Auszubauenst aber auch die elektronische Kommunikation mit derußenwelt, also mit Verfahrensbeteiligten, mit Anwäl-en und anderen. Dazu ist nicht nur erforderlich, die Jus-iz in Bund und Land weiterhin mit moderner Hard- undoftware auszustatten; von grundsätzlicher Bedeutungst es im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechts-chutzes auch, unsere bestehenden Rechts- und Verfah-ensordnungen und damit auch das Bundesrecht anzu-assen.Dem ist Rot-Grün bisher aber leider nur schleppendachgekommen. Es war noch die CDU/CSU-geführteundesregierung, die bereits 1997 mit dem Signaturge-etz die rechtlichen Voraussetzungen für die Verwen-ung der digitalen Signatur in Deutschland als einemer ersten Länder geschaffen hat.Damals war Deutschland noch Vorreiter im Bereicher elektronischen Kommunikation. Aber erst im Jahr001 hat dann Rot-Grün unter anderem mit dem Form-orschriftenanpassungsgesetz und dem Zustellungsre-ormgesetz die ersten kleinen Schritte zur Öffnung derustiz für den elektronischen Rechtsverkehr unternom-en.Es mussten weitere vier Jahre vergehen, bis dieot-grüne Bundesregierung mit dem heute vorliegendenustizkommunikationsgesetz endlich das Schließen einerechtlichen Lücke auf dem Weg zum – wie es so schöneißt – elektronischen Workflow bei Gericht veranlasstat.In Österreich – so der Deutsche EDV-Gerichtstag –erden beispielsweise bereits 60 Prozent aller Zivilkla-en elektronisch erhoben, und zwar, wie wir in einemerichterstattergespräch vom BMJ erfahren haben, of-enbar auch reibungslos. Vielleicht ist das österreichi-che Beispiel für die Justizministerin wenigstens ein An-porn, nun zügig den schon lange angekündigtenesetzentwurf oder mindestens Referentenentwurf zurmsetzung der EU-Richtlinie SLIM IV zum elektroni-chen Handelsregister – deren Umsetzung wird bis zumahr 2007 gefordert – vorzulegen.Mit dem heute zu verabschiedenden Justizkommuni-ationsgesetz sollen der Zivil-, der Arbeits-, der Verwal-ungs-, der Finanz- und der Sozialgerichtsprozess sowieas Ordnungswidrigkeitenverfahren umfassend für denlektronischen Rechtsverkehr geöffnet werden. Wiron der CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßen diesesiel und werden dem vorliegenden Gesetzentwurf zu-timmen. Er war nicht nur lange überfällig, sondern er istuch notwendig.Um was geht es? Die Verfahrensbeteiligten, also An-älte und Betroffene, sollen in allen Bereichen dererichtsbarkeit die Möglichkeit erhalten, elektroni-che Kommunikation parallel zur herkömmlichenapiergebundenen Schriftform oder mündlichen Form
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Andrea Astrid Voßhoffrechtswirksam zu nutzen. Selbstverständlich könnenrechtsuchende Bürger ihre Schriftstücke nach wie vor inPapierform bei den Gerichten einreichen.Im Bereich des Strafverfahrens wird zunächst ledig-lich die Möglichkeit geschaffen, elektronisch zu kom-munizieren. Eine elektronisch geführte Akte ist vorerstnoch nicht vorgesehen. Aber auch da, denke ich, müssenwir, wie es so schön heißt, am Ball bleiben.Das Gesetz regelt unter anderem die Voraussetzungenfür die Onlineakteneinsicht der Verfahrensbeteiligten bishin zur elektronischen Beglaubigung durch Notare.Auch enthält es Regelungen hinsichtlich der Anforde-rungen an elektronische Dokumente; denn auch daselektronische Dokument – die Klage, das Urteil, derSchriftsatz – muss authentisch sein. Das heißt, es musssichergestellt sein, dass es auch tatsächlich von dem Ver-fasser stammt und nicht verändert worden ist, dass alsoelektronische Dokumente nicht manipuliert werden kön-nen.Dazu soll nach dem Justizkommunikationsgesetz diequalifizierte elektronische Signatur in den Verfahrens-ordnungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und derFachgerichte immer dort eingesetzt werden, wo nachbisheriger gesetzlicher Regelung die handschriftlicheUnterzeichnung notwendig ist. Die technischen Sicher-heitsanforderungen hinsichtlich der Authentizität derqualifizierten elektronischen Signatur sind allerdingsaußerordentlich komplex. Das Sicherungsverfahren beider qualifizierten elektronischen Signatur mittels so ge-nannter Hash-Algorithmen in allen Einzelheiten zu ver-stehen, bedarf fast schon eines Studiums und ist – das ge-stehe ich freimütig ein – dem einen oder anderen Juristennicht so ohne weiteres zugänglich. Derzeit ist nach dentechnischen Erkenntnissen aber wohl von einem ausrei-chenden Schutz vor Manipulation der mit dieser Signa-tur versehenen Dokumente auszugehen.Angesichts des technischen Wandels wird es insbe-sondere für die Archivierung der elektronischen Aktenotwendig sein, die dauerhafte Lesbarkeit auch tech-nisch sicherzustellen. Das, denke ich, ist ein Problembzw. ein Thema, das uns noch das eine oder andere Malbeschäftigen wird.Mit dem Justizkommunikationsgesetz wird auch dieBeweiskraft sowohl von originär elektronisch erstelltenUrkunden als auch von Urkunden, die aus der Papier-form in ein elektronisches Dokument transferiert wordensind, geregelt. Es wird sich in der Anwendung und Pra-xis zeigen müssen, inwieweit die Beweisregeln elektro-nischer Dokumente der Rechtssicherheit und demRechtsschutz genügen. Ich sage dies insbesondere imLichte der letzten Änderung des Signaturgesetzes, indem zur besseren Akzeptanz der elektronischen Unter-schrift bei den Bürgerinnen und Bürgern die Barrierenund Hemmnisse sinnvollerweise abgebaut wurden.Ob der medienbruchfreie Erwerb einer Signaturkarte,also die komplette Antragstellung per Internet – das ist jadas Ziel – auch eine zuverlässige Identifizierung desSignaturkartenantragstellers zweifelsfrei sicherstellt,wird zu beobachten sein. Insbesondere im Lichte der imJrfmmZfRflFtzveIdddAjALwtatmdeMGdrdAhKh–H
eine Damen und Herren Rechtspolitiker von SPD undrünen, es ist ja mehr als bedauerlich und bezeichnend,ass der Rechtsausschuss in dieser Frage nicht federfüh-end ist. Deswegen appelliere ich an Sie, bremsen Sieiese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwälte undrbeitsgerichte.
Auch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass wireute mit dem Justizkommunikationsgesetz auch eineorrekturregelung zur Bewilligung von Prozesskosten-ilfe beschließen werden.
Das war kein Flop. – Im Rahmen der Gesetzgebung zuartz IV Ende 2003 hat es Rot-Grün versäumt, mit den
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Andrea Astrid VoßhoffÄnderungen im Sozialhilferecht die notwendigen An-passungen im Bereich der Prozesskostenhilfe vorzuneh-men. Dadurch ist es faktisch zu einer untragbaren Aus-dehnung des Kreises der Berechtigten gekommen, denenbei relativ hohem Einkommen eine PKH-Bewilligungzuzugestehen wäre. Selbstverständlich war daher eineentsprechende Korrekturregelung vorzunehmen. So wirddas Parlament zur Reparaturwerkstatt von Rot-Grün.
Da die Korrekturen inhaltlich im Ergebnis an die biszum Jahresende 2004 geltende Regelung wieder anknüp-fen, diese sogar noch leicht aufgestockt wird, ist die Kor-rektur sachgerecht. Inakzeptabel bleibt dennoch, dasserst ein Jahr vergehen musste, bis Rot-Grün dieses Ver-säumnis erkannt und korrigiert hat.
Abschließend darf ich mich noch für die konstrukti-ven Berichterstattergespräche im Rahmen des Gesetzge-bungsverfahrens bei den Kollegen und bei den Mitarbei-tern des BMJ ganz herzlich bedanken.
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-ChristianStröbele, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Guten Morgen, Herr Präsident! Verehrte Kolleginnenund Kollegen, auch Ihnen sage ich: Guten Morgen! Ichhabe in den letzten Wochen mühsam gelernt, was dasGesetz bedeutet.
Als ich vor fast 40 Jahren angefangen habe, alsRechtsanwalt tätig zu werden, da gab es
zwar schon Bleistifte, aber noch keine Kopiergeräte undauch nicht die kleinen handlichen Diktiergeräte. All dasgab es damals nicht.
Wenn ich Akteneinsicht nehmen wollte, bin ich zum Ge-richt gefahren, habe mir die Akten vorlegen lassen undhabe dann viele Stunden gesessen, um ein Exzerpt anzu-fertigen. Bei besonders gut ausgestatteten Anwaltskanz-leien nahm man einen Mitarbeiter bzw. meistens eineMitarbeiterin mit, die dann stenografiert und so mög-lichst viele Teile der Akten übertragen hat.DAatMSATSdeSsrzPgoZewhbtuzwmwzfpsltIncrShwkkts
anach kamen die Kopierer. Die Folgen waren nicht nurrbeitserleichterung und bessere Möglichkeiten, sichuf Verfahren vorzubereiten, sondern auch, dass die Ak-en immer dicker wurden.
an konnte sie bald nicht mehr tragen. In größerentrafprozessen brauchte man Hilfspersonal, um all seinekten überhaupt mit zu Gericht nehmen zu können.echnische Neuerungen haben also immer mehrereeiten. Die Diktiergeräte haben die Mitarbeiterin oderen Mitarbeiter ersetzt, die bzw. der zum Diktat im Bürorschien. Auch da ist viel persönlicher Kontakt auf dertrecke geblieben. Das muss man einfach einmal so fest-tellen.
In Zukunft muss ich offenbar gar nicht mehr zum Ge-icht oder zur Staatsanwaltschaft gehen, um Akten ein-usehen, weil es dort ja irgendwann gar keine Akten inapierform mehr geben wird und – das ist viel wichti-er – weil ich sie zu Hause von meinem Schlafzimmer
der vom Büro aus, aus dem Hotelzimmer oder aus demug heraus aufrufen kann. Also immer dann, wenn mirtwas einfällt, wenn ich denke, dass da noch etwas war,as ich vergessen habe, oder wenn ich noch einmal se-en möchte, was in einem bestimmten Dokument stehtzw. was in einem Schriftsatz falsch oder richtig vorge-ragen worden ist, ist Akteneinsicht möglich. Das, wasns da bevorsteht, stellt in der Tat eine Revolution be-üglich der Arbeitsweise der Justiz und der Rechtsan-älte dar.Das wird aber, wie ich denke, so schnell nicht kom-en; denn das soll jetzt erst einmal angeschobenerden. Es werden zunächst die rechtlichen Vorausset-ungen dafür geschaffen, dass die elektronische Akten-ührung Realität werden kann. Wir alle werden davonrofitieren. Es ist in Zukunft nämlich nicht mehr nötig,eine Schriftsätze erst zu diktieren, sie dann schreiben zuassen, sie sich dann vorlegen zu lassen, sie dann zu un-erschreiben, sie dann eintüten und abschicken zu lassen.rgendwo passiert bei dieser Kette ja häufig, dass Fristenicht eingehalten werden. Auch die beliebten abendli-hen Treffen der Anwälte am Nachtbriefkasten des Ge-ichts, wo sie zehn Minuten vor Fristablauf noch einenchriftsatz einzuwerfen haben, der fristgebunden ist, ge-ören dann gänzlich der Vergangenheit an. All das wirdegfallen.Man kann bedauern, dass dabei ein Stück Kommuni-ationskultur verloren geht, es besteht aber überhauptein Zweifel, dass es auch eine ganz erhebliche Erleich-erung darstellt, wenn das einmal funktioniert. Deshalbind wir natürlich für dieses Gesetz. Wir haben auch
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Hans-Christian Ströbeleökologische Gründe, weil in Zukunft wesentlich wenigerPapier verbraucht wird und mehr Bäume erhalten blei-ben.
Wir werden alles elektronisch abwickeln, wenn wir esdenn können. Für mich war bei diesem Gesetz ganz be-sonders wichtig, dass – Frau Ministerin hat darauf hinge-wiesen – es jetzt nicht zwingend eingeführt wird – auchnicht für den Rechtsanwalt Ströbele –, sondern dass ichgenügend Zeit habe, alles zu lernen, bis ich es kann. Ichdenke, es geht vielen Rechtsanwälten, aber auch Recht-suchenden so, dass sie die technischen Voraussetzungenerstens nicht zu Hause haben, zweitens nicht beherr-schen und dass drittens alles noch so fehleranfällig ist,dass man es nicht von einem Jahr aufs andere einführenkann.Deshalb ist es richtig, dass es für die Anwälte undRechtsuchenden nach wie vor die Möglichkeit gibt, vorallen Dingen auch in Strafverfahren auf der Papierformzu beharren, dass sie nach wie vor ihr Urteil in Papier-form bekommen und dass sie ihren Schriftsatz sowieihre Beschwerden in Papierform einreichen können. Dasbleibt erhalten.Ich habe darüber nachgedacht, ob vielleicht die Rich-ter ungerecht behandelt werden. Denn die Richter müs-sen diese Aktenführung nutzen, wenn sie über die Lan-desjustizverwaltung eingeführt wird. Auch da gibt essicher den einen oder anderen, der schon älter ist undProbleme mit der Technik und mit der Software hat.Aber auch in diesem Fall habe ich mich eines Besserenbelehren lassen. Es gibt Übergangsfristen, also dieMöglichkeit, zunächst einmal zu lernen, zu studierenund zu schauen.Nach fünf Jahren soll das Ganze evaluiert werden.Dann werden wir uns das Ergebnis ansehen. Ich bin si-cher, dass dann das eine oder andere nachgebessert wer-den muss. Dazu ist dann der Deutsche Bundestag beru-fen. Aber lassen Sie uns heute dieses Gesetzverabschieden. Soweit ich das sehen kann, ist es einheit-lich gewollt, und zwar sowohl von den Vertretern derRechtsanwälte als auch von den Vertretern der Gerichte.Alle haben es befürwortet. Wir haben das in einem Be-richterstattergespräch vorgelegt bekommen. Ich denke,wir sollten diesen Versuch wagen. Den Zug der Zeit kön-nen wir nicht einfach sausen lassen, sondern auch ichund wir alle müssen aufspringen.
Ich erteile das Wort Kollegin Sibylle Laurischk, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bera-ten heute das Justizkommunikationsgesetz, das der Ver-einfachung und der Entbürokratisierung der Justiz die-nen soll. Frau Justizministerin hat ja darauf hingewiesen,dukotIwdsllswsmAsdnwsAhghddcskIgWlvzhliNZgZtKkDtDk
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Ich erteile das Wort Kollegen Dirk Manzewski, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe an-wesende Freunde der Rechtspolitik!
Am heutigen Tag debattieren wir hier abschließend überdas so genannte Justizkommunikationsgesetz der Bun-desregierung. Ziel dieses Gesetzes ist es, künftig dierechtlichen Rahmenbedingungen bei den Gerichten sozu regeln, dass Schriftsätze – das ist schon gesagt wor-den – in Zukunft statt in Papierform auch elektronischeingereicht werden können.Es lässt sich leider nicht leugnen, dass der technischeFortschritt auch vor der Justiz nicht Halt machen kann.Die ersten Schritte zu einer Öffnung der Justiz für einenelektronischen Geschäftsverkehr sind ja auch bereits ge-gangen worden, zum Beispiel mit dem Gesetz zur An-passung der Formvorschriften des Privatrechts und ande-rer Vorschriften zur Anpassung an den modernenRechtsgeschäftsverkehr. Ich erinnere zudem daran, dasses – die Justizministerin hat es schon angesprochen – be-reits seit geraumer Zeit möglich ist, zum Beispiel beimBundesgerichtshof und beim Bundespatentamt Doku-mente elektronisch einzureichen.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll nun derzweite Schritt folgen und der Zivilprozess und die Fach-gerichtsbarkeiten sowie das Bußgeldverfahren für diegesamte elektronische Aktenbearbeitung geöffnetwerden. Es ist dabei sicherlich richtig, dass es sowohl fürdie Anwaltschaft als auch für die Gerichte selbst Berei-che im Rahmen der Verfahrensabläufe geben kann, fürdie der elektronische Rechtsverkehr äußerst attraktiv ist.Die Anwaltschaft – auch das ist schon erwähnt worden –könnte es leichter haben, selbst fristwahrende Schrift-sätze noch kurz vor Beginn der Verhandlung aus demBüro zum Gericht zu senden. Der mühsame Weg – derKollege Ströbele hat es angesprochen – zum Gerichts-nachtbriefkasten könnte entfallen, wobei ich sehr inte-ressiert zur Kenntnis genommen habe, dass das für Sieeine Art der Kommunikation darstellt. Ich stelle mir vor,wie das in Berlin aussieht, wenn sich die Kolleginnenund Kollegen kurz vor Mitternacht
vor dem Amtsgericht in Charlottenburg treffen und dortdiskutieren. Es könnte aber durchaus weiterhin die Mög-lichkeit bestehen, Kollege Ströbele, das eine oder anderenoch vor Ort zu regeln.Die entsprechende Eingangsbestätigung würde umge-hend kommen und Akteneinsichtsgesuchen könnteschneller und unproblematischer entsprochen werden.ÜttuslEtmcdPTdEBokttdRUvdeGSlgugADNdwnrHramGNehmnbbd
nd wenn eine entsprechende flächendeckende Versor-ung der Gerichte erfolgt. Ich weiß, dass das nicht Ihreufgabe ist, wie fälschlicherweise kolportiert wurde.as ist vielmehr Aufgabe der Justizbehörden der Länder.ur wenn dies geschieht, wird sich für die Anwaltschaftie Anschaffung von entsprechender Hard- und Soft-are, insbesondere der teuren Signaturkarte, lohnen.In diesem Zusammenhang ist es nicht angebracht, ei-en Vergleich mit Österreich zu ziehen. Denn in Öster-eich gibt es insgesamt nur so viele Anwälte wie allein inamburg. Dort ist die Umstellung einfacher zu realisie-en gewesen, weil es zwischen den Ländern eine ganzndere Kompetenzaufteilung gibt. Auf diesem Gebietuss bei uns noch einiges passieren.Die Kosten für Hard- und Software werden derrund sein, warum meiner Auffassung nach Ottoormalverbraucher auf absehbare Zeit noch nicht amlektronischen Rechtsverkehr teilnehmen wird. Wie oftaben die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes schonit dem Gericht zu tun? Für sie werden sich die hierfürotwendigen Anschaffungen einfach nicht rentieren. Dasedeutet natürlich, dass viele Verfahren wie bisher in derewährten Schriftform geführt werden müssen. Unterem Aspekt dieser doppelten Aktenführung vermag ich
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Dirk Manzewskizumindest bei Gerichten der ersten Instanz – jedenfallsauf absehbare Zeit – kein Einsparpotenzial zu erkennen.Lassen Sie mich noch kurz eine weitere Anmerkungmachen. Vor meiner Zeit als Bundestagsabgeordneterbin ich als Richter tätig gewesen. Eines meiner letztenVerfahren betraf eine komplizierte Wiedervereinigungs-problematik im Bereich der Landwirtschaft mit einemAktenberg von mehreren Hundert Seiten. Wenn ich mirvorstelle, dass ein Richter einen solchen Aktenberg nichtmehr quer lesen und keine Vermerke mehr einfügen,sondern nur noch am Bildschirm bearbeiten kann, dannbin ich nicht sicher, ob die gewünschten Erfolge eintre-ten. Ich kann mir vorstellen, dass es bei umfangreichenVerfahren für die Richter und natürlich auch für die An-wälte sehr problematisch ist, mit dem elektronischenRechtsverkehr zu arbeiten.Gleichwohl gilt: Allein aufgrund der zuerst genanntenUmstände werden wir nicht umhinkommen, dem Ge-setzentwurf zuzustimmen. Wir sollten deshalb positiv andie Sache herangehen. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnenund Kollegen, uns dies gleichzutun.Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Justizkommu-
nikationsgesetzes, Drucksache 15/4067. Der Rechtsaus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 15/4952, den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung einstimmig angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
zu dem Antrag der Abgeordneten
Johannes Singhammer, Karl-Josef Laumann,
Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Arbeitsmarktstatistik aussagekräftig gestal-
ten – Ausmaß der Unterbeschäftigung ver-
deutlichen
– Drucksachen 15/3451, 15/4463 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Klaus Brandner
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ie haben uns dafür in populistischer Weise beschimpft.iese Bundesregierung hat Schluss gemacht mit denricksereien von vorgestern, die Sie vorgenommen ha-en.
Ja, natürlich. Sie haben unter der Regierungszeit Kohlie ABM und die Schulungsmaßnahmen in der Statistikn der Form bewertet, dass Sie gesagt haben: Das isticht unter Arbeitslosigkeit abzubuchen.
Sie als Opposition versuchen – Sie, Herr Niebel, be-onders –, eine unglaubliche Arbeitslosenkampagne zuachen, um die Menschen in unserem Land zu verunsi-hern.
ie behaupten demagogisch, dass mehr Menschen ar-eitslos sind als vorher. Das ist falsch. Das wissen auchie; aber Sie wiederholen es ständig.Was die Zahl der Arbeitslosen angeht, gibt es natür-ich nichts zu beschönigen. Es gibt niemanden in der Re-ierungskoalition, der das tut. Uns ist das Schicksal derenschen wichtig. Deshalb kümmern wir uns darum.
Ich sage Ihnen aber auch: Es ist unseriös, unglaub-ürdig und unverantwortlich, wenn Sie den Eindruckermitteln, es gebe in unserem Land mehr Menschen,
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Karin Roth
die jetzt von Arbeitslosigkeit betroffen sind, als vorher.Das stimmt nicht.
Richtig ist, dass die erwerbsfähigen Sozialhilfe-empfänger – das sind mehr als 1 Million; das wissenauch Sie –, die bisher keine Chance auf Eingliederung inden Arbeitsmarkt hatten, seit Januar durch unsere Ar-beitsmarktpolitik endlich die Möglichkeit haben, Hilfezur Arbeit zu erhalten, und zwar systematisch und, ge-rade was die Jugendlichen angeht, besonders wirkungs-voll.
Die Langzeitarbeitslosen werden nämlich zum erstenMal qualifiziert und auch vermittelt. Das ist der ent-scheidende Punkt. Allein für die Eingliederung – Siemögen es nicht hören wollen, aber es ist so – stellt derBund 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Das gab esvorher so nicht.
Die aktivierenden Maßnahmen, mit denen die Men-schen gefördert werden und die ihnen eine Lebens-perspektive geben sollen, finanziert ausschließlich derBund. Hinzu kommen die Leistungen für die Hilfe zurArbeit und für die Kosten der Unterkunft. Auch diesezahlt der Bund. Damit entlasten wir die Kommunen jähr-lich mit 2,5 Milliarden Euro. Das haben wir getan, umdie Finanzkraft der Kommunen zu stärken und um vorallen Dingen im Westen den Ausbau der Kinder-betreuung voranzubringen. Denn der ist bitter nötig,wenn wir die Frauen in Arbeit bringen wollen. Eine feh-lende Kinderbetreuung darf kein Hindernis mehr für dieArbeitsaufnahme sein. Wir brauchen die Vereinbarkeitvon Beruf und Familie. Deshalb ist die Kinderbetreuungdringend notwendig. Dafür setzen wir uns vor Ort einund dafür soll das Geld ausgegeben werden.
Im Osten wird jedes Jahr 1 Milliarde Euro mehr fürInvestitionen zur Verfügung gestellt. Auch das fördertdauerhaft die Schaffung von Arbeitsplätzen, die wirdringend brauchen.
Wir haben die nötigen Voraussetzungen geschaffenund wir haben vor allen Dingen den Unternehmen neueAnreize geboten, Langzeitarbeitslose einzustellen.Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber, eine erleichterteExistenzgründung, Zusatzjobs und Qualifizierungsange-bote, das sind keine überflüssigen Wohltaten für die Be-troffenen, sondern manchmal das Einzige, was hilft, umdie Menschen wieder in Arbeit zu bringen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposi-tion, jetzt vorschlagen, den Beitrag zur Arbeitslosen-versicherung um 1,5 Prozentpunkte zu reduzieren, dannfanDgvOacOuBDu1wuZurs1ntUdiddBs9Anww
enn entweder gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit. Dannibt es keinen Spielraum, den Betrag zur Arbeitslosen-ersicherung zu senken; das wissen auch Sie.
der Sie wollen die Maßnahmen, die für die Langzeit-rbeitslosen dringend notwendig sind, schlichtweg strei-hen und einstellen.
der wollen Sie den Betrag von 11 Milliarden Euro, derns im Haushalt der Bundesagentur fehlen würde, zumeispiel durch Schuldenaufnahme ausgleichen?
as geht doch wohl auch nicht. Was Sie machen wollen,m den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um,5 Prozent zu reduzieren, bleibt Ihr Geheimnis.
Es ist wahr, Sie haben nichts anzubieten. Was Sieollen, ist einfach: Sie wollen den Kündigungsschutznd die Maßnahmen für die Eingliederung abschaffen.ur Förderung wirtschaftlichen Wachstums ist das aberntauglich; auch wenn es Ihnen nicht passt, das zu hö-en.Wir dagegen haben allein die Unternehmen durch un-ere Steuerreform Jahr für Jahr entlastet, und zwar um8 Milliarden Euro. Jetzt geht es darum, dass die Unter-ehmen ihre Gewinne wieder investieren und das Kapi-al nicht schamlos ins Ausland verlagern. Wir haben dienternehmen entlastet, damit sie hier und nicht an-erswo Arbeitsplätze schaffen.
Es geht auch darum, eine gemeinsame Anstrengungm Bereich Forschung und Entwicklung zu organisieren,amit neue Produkte entstehen können und dadurch wie-erum neue Dienstleistungen und Arbeitsplätze. Dieundesregierung unternimmt diese Anstrengung, indemie zum Beispiel im Bereich Forschung und EntwicklungMilliarden Euro zur Verfügung stellt. Damit werdenrbeitsplätze geschaffen. Das müssen Sie zur Kenntnisehmen.
Nicht zufällig ist Deutschland international wettbe-erbsfähig. Trotz eines starken Euros sind wir Export-eltmeister. Das belegt auch die steigende Integration
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Karin Roth
der deutschen Wirtschaft in den Welthandel. Deutsch-land ist aufgrund seiner geographischen Lage in derMitte Europas in einer hervorragenden Position.Deutschland ist die Drehscheibe für zahlreiche Markt-partner. „Made in Germany“ gilt in dieser Welt etwas,und zwar aufgrund der Leistungsfähigkeit des deutschenMittelstandes.Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposi-tion, sollten Sie den Wirtschaftsstandort Deutschlandnicht ständig schlechtreden. So kommen keine Investi-tionen ins Land.
Auch Sie haben eine Verantwortung. Lamentieren Sienicht ständig über fehlendes Wirtschaftswachstum, wennIhnen nichts Besseres einfällt, als den Kündigungsschutzabzuschaffen. Das ist wahrlich ein untaugliches Mittel,um Wirtschaftswachstum zu erreichen.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Lohnstückkostenin Deutschland stabil sind und wir deshalb im internatio-nalen Wettbewerb preislich konkurrenzfähig sind.
Wirtschaftswachstum entsteht durch Nachfrage vonGütern und Dienstleistungen. Das ist eine alte volkswirt-schaftliche Grundregel. Deshalb genügt der Exportalleine nicht, deshalb brauchen wir natürlich auch dieBinnennachfrage. Die Binnennachfrage haben wir zumBeispiel durch steuerliche Entlastungen der Bürgerinnenund Bürger in Höhe von 42 Milliarden Euro gestärkt.Wir unterstützen den Mittelstand, indem wir die Kredit-aufnahme für Investitionen erleichtern. Das gilt imÜbrigen auch für die Kommunen.In unserer Regierungszeit sind die Ausgaben für For-schung und Entwicklung um 20 Prozent gestiegen. Dassind für uns wichtige Beiträge zur Förderung des Wirt-schaftswachstums. Meine Damen und Herren von derOpposition, wenn Sie Wirtschaftswachstum wollen,dann müssen Sie auch dafür eintreten, dass wir die Zu-kunftsaufgaben finanzieren können. Das heißt mehr In-vestitionen in Forschung und Entwicklung. Die 3-Pro-zent-Quote müssen wir erreichen. Das erreichen wirallerdings nur, wenn wir beispielsweise bereit sind, dieEigenheimzulage abzuschaffen. Das tun Sie aber nicht.Dazu sind Sie nicht mutig genug. Sie blockieren.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
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Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn
ie bereit sind, mit uns wirtschaftliches Wachstum zu in-
tiieren, dann tun Sie das. Reden Sie nicht ständig über
ie Arbeitslosenstatistik! Das hilft den Menschen in die-
em Land nicht. Wir brauchen Arbeitsmarktreformen.
ie setzen wir um. In Zukunft blockieren Sie die Ar-
eitsmarktreformen hoffentlich nicht mehr.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Johannes
inghammer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Wer den Überblick über die tatsächlichen Verhält-isse in Deutschland, wer den Überblick über das Aus-aß der Beschäftigungslosigkeit verloren hat, kann dierbeitslosigkeit in unserem Land natürlich auch nichtielgenau bekämpfen.
Nur eine schonungslose Diagnose erlaubt den Einsatzer richtigen Heilmittel.Alle Bemühungen um mehr Klarheit und Wahrheit,err Staatssekretär Andres – das sage ich, weil Sie la-hen –,
ersucht die Bundesregierung seit Monaten als Polemiknd Schlechtreden herabzuwürdigen. Sie selbst sind da-ür ein gutes Beispiel. Weil Sie mich gerade reizen, sagech Ihnen eines: Sie haben in der Sitzung vom3. September vergangenen Jahres gesagt – ich zitiere –:Die Arbeitslosenzahl wird dann auf 5 Millionen,6 Millionen oder 7 Millionen aufgeblasen. Wer hatnoch mehr zu bieten? Ich habe mich gewundert,dass hier noch niemand 8 Millionen gesagt hat.
as haben Sie erklärt.
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Johannes SinghammerJetzt kommt die schlichte und schlimme Wahrheit ansLicht: Anfang dieses Monats waren 5,037 Millionen Men-schen beschäftigungslos; dem stehen nur 268 000 offeneStellen gegenüber.
Bundeswirtschaftsminister Clement erklärt,
dass zu diesen ohnehin dramatischen Zahlen noch1,4 bis 1,5 Millionen hinzukommen.
Im „Morgenmagazin“ des ZDF hat er am 2. Februar die-ses Jahres gesagt:Wir haben 6,5 Millionen Menschen mit teilweisedramatischen Problemen am Arbeitsmarkt; das istdramatisch hoch und das müssen wir jetzt runter-bringen.Jawohl, da hat er Recht. Aber seine Einsicht kommt zuspät. Zuerst hat die Bundesregierung den FlächenbrandArbeitslosigkeit als eine Ansammlung einiger Lager-feuer angesehen. Jetzt kommt sie mit ihrer Brandbe-kämpfungskonzeption nicht voran; denn tatsächlich ha-ben wir den Stand von 8 Millionen Menschen, die ohneBeschäftigung sind und über die Sie sich lustig gemachthaben, bereits erreicht.
Reiht man 8 Millionen Menschen aneinander, ist daseine 4 000 Kilometer lange Kette.
Stellt man sich alle Menschen, die arbeitslos sind, in ei-ner Kette aneinandergereiht vor, entspricht das viermalder Entfernung Flensburg-Garmisch.Der Sachverständigenrat bringt die verdeckte Arbeits-losigkeit in allen Einzelheiten ans Licht. Es gibt1 Million Vorruheständler, darunter bis zu 400 000 über58-Jährige. 670 000 Menschen befinden sich aufgrundvon Arbeitslosigkeit in Altersrente. 136 000 Menschennehmen an Weiterbildungsmaßnahmen teil. Es gibt165 000 subventionierte Beschäftigungsverhältnisse,69 000 Teilnehmer an ABM, 239 000 Ich-AGs und27 500 staatliche PSAs.
Hinzu kommen 600 000 1-Euro-Jobs – das wollen Sieangeblich noch in diesem Jahr erreichen – und die stilleReserve, die, eine vorsichtige Betrachtung der Expertenzugrunde gelegt, ein Volumen von mindestens 1 MillionMenschen hat. Deshalb gibt selbst der gegenwärtige ka-tastrophale Höchststand der Arbeitslosigkeit, der EndedtBatgwwCdhIsNnfnwgAgzIngMaHlHssigvtrnAveMnlsd
ch sage Ihnen: Das ist schäbig und schändlich; denn tat-ächlich sind die ausgewiesenen Zahlen viel zu gering.ach Angaben der Bundesagentur für Arbeit fehlenoch rund 30 000 bis 40 000 Arbeitslosengeld-II-Emp-änger, welche die optierenden Gemeinden noch garicht gemeldet haben; sie müssen also hinzugerechneterden. Es ist nicht so, dass die Bürgermeister, Oberbür-ermeister und Landräte ständig neue Höchststände derrbeitslosigkeit erfinden. Vielmehr ist diese Bundesre-ierung der Treibsatz dafür, dass sich die Arbeitslosen-ahl Tag für Tag um 1 000 erhöht.
Wenn Sie uns nicht glauben, sollten Sie wenigstenshren Genossen in den Kommunen glauben. Beispielhaftenne ich den Sozialreferenten Graffe, SPD, aus derrößten deutschen Kommune, der Landeshauptstadtünchen. Er sagt: „Einen Verschiebebahnhof kann ichusschließen.“ Sie sollten einmal mit ihm reden.Für die Fehler, die zu den finanziellen Problemen beiartz IV führen, ist der Wirtschaftsminister verantwort-ich. Bis zu 6,5 Milliarden Euro mehr als erwartet sollartz IV in diesem Jahr kosten. Der einzige und ent-cheidende Grund sind die falschen Prognosen des Wirt-chaftsministeriums. Der Deutsche Städtetag hat bereitsm Mai vergangenen Jahres mit 2,4 Millionen Empfän-ern von Arbeitslosengeld II gerechnet. Sie selbst sindon 2,1 Millionen ausgegangen. 300 000 weniger bedeu-en natürlich eine entscheidende Mehrung der Ausgaben.
Schuld daran sind Ihre frisierten Zahlen gewesen. Sieechnen immer alles schön und wollen die Wahrheiticht zur Kenntnis nehmen. Die Ablehnungsquote fürnträge auf Arbeitslosengeld II wurde mit 23 Prozentiel zu hoch angesetzt. Tatsächlich wurden bis jetzt nurtwa 10 Prozent zurückgewiesen. Das wird sich mitehrausgaben zu Buche schlagen. Es zieht sich bei Ih-en wie ein roter Faden durch alle Politikbereiche: Zah-ensalat produzieren, schönrechnen,
ich der Realität verweigern und dann den Kommunenie Schuld in die Schuhe schieben – das, Herr Kollege
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Johannes SinghammerAndres, nenne ich eine Fischerisierung der Wirtschafts-politik.
Das Vorzeigeprojekt „Virtueller Arbeitsmarkt“wird in einem Bericht des Bundesrechnungshofs nieder-schmetternd beurteilt. Die Einsparprognosen von angeb-lich 1,1 Milliarden Euro
werden als eine Luftbuchung bezeichnet. Dafür steigendie Kosten dieses virtuellen Arbeitsmarktes auf fast dasDoppelte, auf etwa 100 Millionen Euro. Und wer sichmit diesem neuen Modell eine Vermittlung herbeiklickenwill, der klickt mit der Maus ins Leere, weil das Systemnach wie vor große Mängel hat
und die Vermittlungsleistung tatsächlich nicht gesteigertwerden konnte.Deshalb sage ich an dieser Stelle eindringlich: Stop-pen Sie dieses Programm, vor allem was den Bereich derVermittlung betrifft! Überlegen Sie, wie Sie die Sache inden Griff bekommen können – ob das überhaupt mach-bar ist –, und prüfen Sie, wie das weitergeht!
Alles andere wäre ein sorgloser Umgang mit den Beiträ-gen der Versicherten.Ich sage Ihnen auch: Nehmen Sie unseren Antragernst! Wir wollen Klarheit in der Unübersichtlichkeit derStatistiken schaffen und schlagen vor, zunächst ein Zah-lenpaar voranzustellen: die positive Zahl, die Zahl dersozialversicherungspflichtig Beschäftigten, und die Zahlderjenigen, die keine Beschäftigung haben. Dieses Zah-lenpaar ermöglicht eine präzise Einschätzung des Zu-stands in Deutschland. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten geht zurück; das ist so. Sie liegt zurzeitbei etwa 26 750 000. Daran wird die Krise der sozialenSicherungssysteme klar. Ein Beispiel: Derzeit erhaltenetwa 19,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner eine Al-tersrente. Die Zahl der Beschäftigungslosen liegt bei an-nähernd 8 Millionen oder sogar darüber. Wenn Sie dasmit der Zahl der überhaupt noch sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigten in Verbindung bringen, sehenSie, dass mittlerweile ein Beschäftigter – eine Kranken-pflegerin oder ein Busfahrer – mit seinen Beiträgen fastfür eine beschäftigungslose Person aufkommen muss.Das zeigt die Problematik in ihrer ganzen Schärfe.Ich warne an dieser Stelle vor weiteren Vernebelungs-versuchen mit der so genannten ILO-Statistik. Die ILO-Statistik, die Sie einführen wollen, um die Vergleichbar-keit mit europäischen Nachbarländern herzustellen, magdurchaus die eine oder andere zusätzliche Erkenntnisbringen. Nun soll diese ILO-Statistik zunächst parallelmit der bisherigen Statistik geführt werden. Wenn dasaber dazu führen würde, dass die nach der ILO-StatistikulnwmmWssl–D51Wsd1NscaigFNhn3Ssnvht1Fwpb
Da gibt es nichts zu lachen.
ie Weltwirtschaft ist im vergangenen Jahr um mehr alsProzent gewachsen, die deutsche Wirtschaft um,7 Prozent.
ir haben nur ein Drittel des Wachstums der Weltwirt-chaft erreicht. Damit sich am Arbeitsmarkt etwas än-ert, bräuchten wir ein Wachstum von mindestens,9 Prozent.
ach den Vorhersagen aller Institute werden wir in die-em Jahr leider kein Wachstum von 1,9 Prozent errei-hen. Das bedeutet, dass die Zahl der Arbeitslosen leideruch in diesem Jahr zunehmen wird. So bitter und brutalst die Wahrheit.
Wachstum kann mit einer anderen Politik und mit klu-en politischen Rahmenbedingungen generiert werden.rau Kollegin Roth, ich nenne Ihnen nur ein Beispiel:ehmen Sie den Bereich der Energiewirtschaft. Eonat vor kurzem erklärt, sie würden in den nächsten Mo-aten damit beginnen, Investitionen in Höhe vonMilliarden Euro zu tätigen. Rauch würde aus denchornsteinen aufsteigen und Arbeitsplätze würden ent-tehen. Warum tut Eon das doch nicht? – Sie tun esicht, weil Sie mit dem Energiewirtschaftsgesetz nichtorankommen und die Bedingungen nicht klar sind. Sieatten versprochen, dass das Gesetz bis zum 1. Juli letz-en Jahres fertig sein sollte. Danach sollte es bis zum. Januar dieses Jahres fertig sein. Jetzt sollte es bis Endeebruar fertig sein. Es ist kein Ende in Sicht. Deshalbird das vorrätige Geld nicht in die Hand genommen. Esassiert nichts. Sie kommen nicht voran und neue Ar-eitsplätze werden nicht geschaffen.
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Johannes SinghammerIch komme zu einem anderen bitteren Kapitel, näm-lich den Dienstleistungen.
Die Dienstleistungsrichtlinie ist das eine, das eigentlicheProblem – lassen Sie mich das sagen – ist aber dieDienstleistungsfreiheit, die Grundlage des Ganzen. Wa-rum verlieren plötzlich 10 000 bis 20 000 Schlachter ih-ren Arbeitsplatz und werden durch Billigarbeiter ersetzt?– Das geschieht, weil Sie die Ausnahmen entgegen unse-ren Ratschlägen damals nicht richtig gefasst haben. Dasist der entscheidende Grund.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle abschließend: BevorSie die illegale Einreise von Arbeitskräften durch einelaxe Visapraxis zulassen,
sollten Sie sich lieber um die legalen Arbeitsplätze inDeutschland und den Schutz derjenigen, die ein legalesArbeitsplatzverhältnis haben, kümmern.
Ich erteile das Wort Kollegin Thea Dückert, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Singhammer, wir nehmen Ihren Antrag ernst. Dasgehört sich so im parlamentarischen Verfahren. Ichnehme aber auch Ihre Rede ernst. Ihre Rede war wirklichein beredetes Beispiel dafür, wie überflüssig und unsin-nig Ihr Antrag ist.
Am Anfang Ihrer Rede haben Sie zur Beschreibungdes Arbeitsmarktes eine Zahl nach der anderen zitiert.Woher haben Sie diese Zahlen genommen, HerrSinghammer? Haben Sie sie selbst geschrieben? – Nein.Sie haben sie aus den beklagten Statistiken genommen.Ich will damit sagen: All die Punkte, die Sie in IhremAntrag einfordern – Ausweisung der Arbeitsbeschaf-fungsmaßnahmen, der Trainingsmaßnahmen usw. –, sindin den Statistiken enthalten.
Sie werden dokumentiert und Sie haben die Zahlen ge-nutzt, um die Arbeitsmarktsituation zu beschreiben.Nein, dieser Vorwurf der Verschleierung durch die Bun-desregierung, der in Ihrem Antrag enthalten ist, istschlicht und einfach unverfroren.dfRdhZSdbmWAszupRetdtlngnasdRdSSrsgILsblz
Sie haben ein wirklich merkwürdiges Kurzzeitge-ächtnis. Vor sechs Wochen haben wir Hartz IV einge-ührt. 150 000 bis 200 000 Menschen sind dadurch zuecht als Arbeitslose in die Statistik aufgenommen wor-en. Diese Langzeitarbeitslosen waren über Jahrzehnteinweg in den Statistiken überhaupt nicht zu sehen; ihreahl wurde verschleiert. Noch viel schlimmer ist – dietatistiken sind das eine, wie es den Menschen geht, istas andere –, dass diese Menschen mit einer aktiven Ar-eitsmarktpolitik überhaupt nicht in Berührung gekom-en sind.
ir haben sie in die Statistik und vor allem in die aktiverbeitsmarktpolitik aufgenommen. Darum geht es.
Sie leiden unter einem kollektiven Gedächtnis-chwund und haben vielleicht sogar selbst den Versuchur systematischen Manipulierung von Datenmaterialnternommen. Ihr Verhalten hängt immer von der Pers-ektive ab, die Ihnen gerade recht ist. Perspektive deregierung Kohl zu Oppositionszeiten: Es wurden malben 150 000 Wahlkampf-ABM aufgelegt und Sie wuss-en sehr wohl – das haben Sie ja selbst bewirkt –, dassie Teilnehmer an diesen Maßnahmen nicht in der Statis-ik auftauchten.Perspektive Opposition unter Frau Merkel: Sie ver-angen von uns, die stille Reserve in die Statistik aufzu-ehmen. Die Daten bezüglich der stillen Reserve, die Sieerade genannt haben, waren allerdings ein bisschenach oben gerechnet,
ber egal. Die Daten sind dokumentiert, auch wenn daschwierig ist. Heute ist es Ihnen genehm, dies zu for-ern. Allerdings stellt sich mir dann, wenn Sie die stilleeserve in die Statistik aufnehmen wollen, die Frage, woie 5 Millionen Arbeitsplätze zu finden sind, die derchwarzarbeit zuzuordnen sind. Darüber reden Sie nicht.ie machen hier eine unseriöse Hin- und Herinterpretie-erei.
Ihre Forderungen sind auch deshalb dreist, weil Sieelber mit Zahlen, Daten und Fakten in einer Weise um-ehen, die zum Teil wirklich unappetitlich ist. Ich willhnen dafür ein aktuelles Beispiel nennen. Herraumann hat sich vor kurzem zur Schwarzarbeit im Zu-ammenhang mit der Visavergabe geäußert. Was wirdehauptet? Es wird verkündet, dass durch die Visaer-asse 600 000 Schwarzarbeiter aus den GUS-Staatenu uns gekommen seien,
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Dr. Thea Dückert
wodurch pro Jahr ein Schaden von mehreren MilliardenEuro entstanden sei. Dabei beruft sich Herr Laumann aufUntersuchungen von Professor Friedrich Schneider.Die Untersuchungen von Professor FriedrichSchneider besagen Folgendes:Erstens. Wir haben in den letzten Jahren nachhaltigund nachweisbar einen Rückgang der Schwarzarbeit inDeutschland zu verzeichnen.
Zweitens. Er belegt, dass dieser Rückgang ein Erfolgder Reformpolitik dieser Bundesregierung ist, sowohl imBereich des Arbeitsmarktes – beispielsweise Minijobsoder Existenzgründungen – als auch bei der Bekämp-fung der illegalen Schwarzarbeit durch unsere Gesetze.Wir sind bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit erfolg-reich.Drittens. Herr Schneider zeigt auf, dass der größteTeil der Schwarzarbeit von Inländern gemacht wird unddass von den etwa 5 Millionen „Vollzeitstellen“ in derSchwarzarbeit etwa 100 000 von ausländischen Kräftenbesetzt werden.Laumann behauptet in dieser Woche, dass600 000 Menschen über die GUS-Staaten eingereistseien. Er behauptet auch, dass dadurch der Volkswirt-schaft ein Schaden in Höhe von über 10 Milliarden Euroentstanden sei. Das, was er verbreitet, ist eine unglaubli-che Unwahrheit.
Gleichzeitig entsteht dadurch ein politischer Schaden;denn damit werden die Bürgerinnen und Bürger aus denGUS-Staaten, die zu uns reisen, unter Kollektivverdachtgestellt.
Zu Recht hat sich Herr Schneider gestern an diePresse gewandt und Herrn Laumann aufgefordert, seineDaten und wissenschaftlichen Untersuchungen nichtmehr für seine politischen Parolen zu missbrauchen. Siereden hier über eine Neugestaltung der Statistiken, aberSie sind diejenigen, die Zahlen, Daten und Fakten soauslegen, wie es Ihnen in Ihr politisches Konzept passt.
Reden wir einmal über Menschen, die nicht als Ar-beitslose in der Statistik auftauchen, nämlich Zahlen be-treffend die Ich-AGs. Erste Ergebnisse liegen vor:80 Prozent der Menschen befinden sich auch nach einemJahr noch in einer Ich-AG.SWwsbinwmdhedWfteleuwdgJedmzhüDzdtiddUteesAdkIf
ie behaupten, dass diese Projekte fehlgeschlagen sind.
ir wissen heute, dass etwa 10 Prozent der Menschenieder arbeitslos werden. Wir wollen, dass die Men-chen in Deutschland gerade in einer so schwierigen ar-eitsmarktpolitischen Situation den Mut haben, den Weg die Selbstständigkeit anzutreten. Deswegen fördernir sie durch Ich-AGs und bei Existenzgründungen. Wasachen Sie mit Daten, die statistisch nachweisen, dassiese Projekte gut laufen? Sie interpretieren sie um. Ichabe keine Lust, mit Ihnen vor diesem Hintergrund nochinmal über statistische Klarheit und Wahrheit zu reden.
Was wir machen müssen, ist, die Chance zu nutzen,ie uns die Hartz-IV-Reformen bringen; das ist richtig.ir müssen mithilfe der Arbeitsmarktpolitik verstärktördern, beraten und helfen, die Menschen wieder zu in-grieren. Ich sage es noch einmal: Die Arbeitsmarktzah-n – sie liegen auf dem Tisch, Herr Singhammer – sindnbefriedigend; das ist völlig klar. Aber – auch das istahr – wir haben mit unseren Arbeitsmarktreformenarauf reagiert und wir werden die Chancen, die sich er-eben, nutzen, zum Beispiel mit der Jugendhilfe, die denugendlichen vor Ort mit verstärkten Anstrengungen undiner besseren Kooperation Perspektiven eröffnet. Auchie Binnenkonjunktur ist noch schwach.Deswegen ist es wohl an der Zeit, dass wir den Kom-unen zum Beispiel über die KfW helfen, Investitionenu tätigen. Ich bin aber nicht dafür – das betrifft auch dieeutige Debatte –, nach sechs Wochen Hartz IV schonber Detailänderungen zu reden.
as aber fordern Sie ein und auch die Gewerkschaftenum Beispiel fordern das ein.Ich habe gestern mit Erstaunen gelesen, dass vor Än-erungen im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpoli-k gewarnt wird. Es wird davor gewarnt, dass wir beien Zuverdiensten Verbesserungen einführen. Ich halteas für einen völlig falschen Weg der Gewerkschaften.nsere Arbeitsmarktpolitik ist auf Integration ausgerich-t. Wenn heute Langzeitarbeitslose keinen Job auf demrsten Arbeitsmarkt finden, selber aktiv werden und sichelber einen Zuverdienst suchen, dann ist es nach meinernsicht nicht gerecht, dass jemand von einem Zuver-ienst von beispielsweise 400 Euro nur 57 Euro behaltenann.
ch glaube, dass das nicht weiterhilft. Ich bin übrigensroh, dass Frau Merkel Herrn Koch und Herrn Wulff von
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Dr. Thea Dückertder Bremse geholt hat; denn dass das heute so ist, habenSie von der Union zu verantworten, weil Sie im Vermitt-lungsausschuss auf der Bremse standen. Wir wollten et-was anderes machen, weil wir auf Integration setzen.Ich komme zum Schluss. Der Zuverdienst ist auch fürdie Menschen, die keine Beschäftigung auf dem erstenArbeitsmarkt haben, ein wichtiger Baustein. Für meineBegriffe hat das mit Detailänderungen nichts zu tun; dasist vielmehr die Verstärkung dessen, was wir wollen. Wirwollen den Menschen Brücken bauen und ihnen in denersten Arbeitsmarkt verhelfen. Das wollen wir durcheine fortschrittliche Wirtschaftspolitik flankieren.Danke schön.
Ich erteile das Wort Kollegen Dirk Niebel, FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Arbeitslosenstatistik ist über die Jahr-zehnte hinweg, übrigens unabhängig davon, wer regierthat, zum politischen Kampfmittel verkommen. Wofürbrauchen wir denn eigentlich eine Arbeitsmarktstatistik?Sie sollte uns doch normalerweise das Ausmaß der Un-terbeschäftigung in einem Land aufzeigen, damit wir aufdieser Grundlage die richtigen politischen Entscheidun-gen treffen können. Sie sollte uns eine Hilfestellung da-für geben, entscheiden zu können, welche politischenMaßnahmen eingeleitet werden müssen, um Unterbe-schäftigung abzubauen und Beschäftigung aufzubauen,um Investitionen und Wachstum zu ermöglichen und da-durch auch die Einnahmen der sozialen Sicherungssys-teme zu verbessern.
Nichts von alledem macht die jetzige Arbeitslosensta-tistik. Ich will nicht die Zahlen wiederholen, die der Kol-lege Singhammer genannt hat. Aber das Ausmaß derUnterbeschäftigung in Deutschland ist höher als die An-zahl der registrierten Arbeitslosen. Das weiß auch jeder.Auch weiß jeder, dass derjenige, der in einer Trainings-maßnahme ist, zum Beispiel in einem vierzehntägigenBewerbertrainingsseminar, selbstverständlich immernoch arbeitslos ist. Jeder weiß, dass eine Arbeitsbeschaf-fungsmaßnahme kein reguläres sozialversicherungs-pflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist, selbst wenn derMensch, der in dieser Maßnahme ist, individuell das Ge-fühl hat, einen Arbeitsplatz zu haben. Es ist aber keinwirklicher Arbeitsplatz. Es besteht auch während einerderartigen Maßnahme immer noch der Vorrang der Ver-mittlung, sodass man nach Recht und Gesetz jederzeiteine Maßnahme abbrechen müsste, um einen ungeför-derten regulären Arbeitsplatz anzunehmen. Daher ma-chen wir uns mit den Zahlen, die hier regelmäßig vorge-legt werden, schlichtweg etwas vor. Sie bilden keineanständige Entscheidungsgrundlage für politischeWdvdbMgIeetsddAssHgwesdAgmwPddeßinwdadcrdmIdfrst
ass wir das nicht geschafft haben, weil keine einheitli-he Trägerschaft zustande gekommen ist. Diese Regie-ung hat verhindert, dass die Trägerschaft einheitlich beien Kommunen liegt und keine Verschiebebahnhöfeehr entstehen können.Jetzt versteckt sich der Minister hinter Ausflüchten.m letzten Monat hat er noch darauf hingewiesen, dassie Statistik nun aber wirklich ehrlich sei. Jetzt stellt erest, dass sich die hohe Zahl von 5 037 142 als arbeitslosegistrierten Einzelschicksalen aus Komakranken, Quer-chnittsgelähmten, Drogensüchtigen und Beinamputier-en zusammensetzt.
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Dirk Niebel
Wenn sich der Minister hinter derartigen Ausflüchtenvor seiner Verantwortung versteckt, dann ist das einSkandal! Das ist schäbig!
Der Minister hat doch selbst die Kriterien für Er-werbsfähigkeit festgelegt. Nach der rentenrechtlichenRegelung ist das derjenige, der drei Stunden am Tag ar-beiten kann. Das kann auch der HIV-Infizierte sein,wenn die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist, Kolle-gin Dückert. Das kann auch ein Mensch sein, dem beideOberschenkel amputiert wurden, wenn auch nicht alsLangstreckenläufer. Auch jemand, der krank ist oder aneiner Substitutionstherapie teilnimmt, kann arbeiten.Derartige Therapien sehen Arbeit sogar als Bestandteilder Therapie an. Aber der Minister tut so, als ob die Zah-len, die er zu verantworten hat, durch die Bösartigkeitder Kommunen zustande kämen. Das ist ein Skandal.
Ein weiterer Skandal besteht darin, dass der Ministerimmer noch nicht in der Lage ist, die Bundesagentur inden Griff zu bekommen.
Herr Weise schlägt vor, dass 55-Jährige und Ältere nichtmehr vermittelt werden sollen. Das erinnert mich massivan das Vermittlungsverfahren Ende 2003, an dem auchSie beteiligt waren, Frau Roth. Erinnern Sie sich noch,welches Kriterium Herr Gerster hinsichtlich der Fragevorgeschlagen hat, wer erwerbsfähig ist? Er hat das Kri-terium der Arbeitsmarktnähe bzw. -ferne vorgeschlagen.Ein älterer, kranker oder schlecht qualifizierter Menschist arbeitsmarktferner als ein junger, gesunder oder gutqualifizierter. Dass Herr Weise jetzt dasselbe Kriteriumin Bezug auf ältere Menschen in Ostdeutschland vor-schlägt, stellt den Versuch dar, die Statistik durch dieHintertür wieder zu entlasten, indem ganze Bevölke-rungsgruppen aus den Vermittlungsaktivitäten der öf-fentlichen Hand ausgegrenzt werden. Das ist unsozial,dreist und nichts anderes als Trickserei.
Eine solche Trickserei hat auch der Minister betrie-ben, um seinen Haushalt noch einigermaßen verfassungs-konform erscheinen zu lassen, indem er beim ALG II dieZahlen der Ablehnungsquote hochgerechnet und die derHilfeempfänger heruntergerechnet hat. Denn er wusstesmwrdnAnHnbIshKsfaKt–ePkFnwmke
Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Gerd
ndres das Wort.
G
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Verehrter Herr Kollege Niebel, ich empfehle Ih-en dringend, Ihre Begriffswahl und Ausdrucksweise einisschen abzurüsten.
ch nenne das schäbig, was Sie Minister Clement unter-tellt haben.
Vergangenen Freitag war ich in Heidelberg, wo Sieerkommen. Dort hat mir der AOK-Landesvertreter imreishaus eine Liste von Personen überreicht, die inzwi-chen als arbeitsfähig angesehen werden. Darunter be-indet sich beispielsweise der tragische Fall eines bein-mputierten Dialysepatienten, der gegenwärtig in einerlinik liegt. Sie werden doch nicht allen Ernstes behaup-en, dass ein solcher Mensch arbeitsfähig ist.
Bleiben Sie ganz ruhig! Ich sage Ihnen offen: Es gibtine ganze Menge solcher Fälle, über die auch in derresse berichtet wird. Wir werden mit den Vertretern derommunalen Spitzenverbände darüber reden, dass dieseälle nicht in die Statistik gehören und dass die Betroffe-en nicht als erwerbsfähig registriert werden können,eil sie es nun einmal nicht sind. Das hat im Übrigenit der rentenrechtlichen Definition der Erwerbsfähig-eit, wonach jemand, der drei Stunden arbeiten kann, alsrwerbsfähig gilt, zunächst einmal gar nichts zu tun.
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Parl. Staatssekretär Gerd AndresDamit sind wir beim zweiten Problem. Wir diskutie-ren zum zweiten Mal über einen Antrag, den man lautKollegin Dückert ernst nehmen sollte. Aber jeder, derden Antrag liest, wird an der Ernsthaftigkeit relativschnell zweifeln. Wir haben schon im September ver-gangenen Jahres lange Zeit damit zugebracht, über die-ses wunderbare Schriftstück gemeinsam zu diskutieren.Herr Kollege Singhammer, ich weise Ihre Behauptungentschieden zurück, ich hätte mich über 8 Millionen Ar-beitslose lustig gemacht. Lustig mache ich mich überIhre Ausführungen in den Debatten
und über manches, was Sie kühn vertreten.Sie haben mich mit den 8 Millionen Arbeitslosenrichtig zitiert. Das möchte ich betonen; denn alles anderehilft nichts. Ich möchte Ihnen einmal sagen – das istwährend Ihrer Regierungszeit beschlossen und von unsmitgetragen worden; das ist unumstritten –, wen wir ge-genwärtig als arbeitslos registrieren. Arbeitslos ist nachSGB III, wer zur sofortigen Arbeitsaufnahme verfügbarist, sich bei einer Agentur für Arbeit gemeldet hat undgleichzeitig keiner Erwerbstätigkeit nachgeht oder aberweniger als 15 Stunden pro Woche arbeitet. Derjenige,auf den diese Definition zutrifft, wird als arbeitslos re-gistriert, wenn er denn die versicherungsrechtlichen Vo-raussetzungen erfüllt. Natürlich können Sie nun alle auf-listen.Mein Minister hat – um der Debatte den Wind zu neh-men – selbst gesagt: Es ist richtig, dass im letzten Monat5,037 Millionen Arbeitslose registriert worden sind. Ei-gentlich muss man noch viele hinzurechnen, die in Maß-nahmen stecken. Ein Beispiel: 330 000 Personen sind inder Existenzgründungsförderung. Diese gründen eineIch-AG oder nehmen Überbrückungsgeld in Anspruch,weil sie sich selbstständig machen. Hätten Sie es gerne,wenn wir diese in der Arbeitslosenstatistik aufführten?Ein weiteres Beispiel: Im Januar dieses Jahres haben88 000 Menschen, die einer geregelten achtstündigenArbeit nachgehen, Lohnkostenzuschüsse erhalten. Sol-len diese Menschen als arbeitslos registriert werden,obwohl sie beschäftigt sind? Können Sie mir einmal er-klären, warum Sie eine solche Unsinnsdebatte herauf-beschwören?Ich habe den Eindruck, dass hier Anträge gestellt wer-den, nur um irgendwelche Diskussionen vom Zaum zubrechen, die gar nicht hierher gehören. Die in dem An-trag der CDU/CSU aufgeführten Gruppen an Personen,deren Zahl zu der bisherigen Zahl der Arbeitslosen ad-diert werden soll, sind regelmäßig nicht verfügbar, weilsie entweder verrentet sind, im Vorruhestand oder inWeiterbildungsmaßnahmen sind oder weil sie einer Er-werbstätigkeit nachgehen. Auch Menschen, die in einerArbeitsbeschaffungsmaßnahme sind, die also regelmä-ßig jeden Tag zur Arbeit gehen, kann man nicht als ar-beitslos registrieren. Was wollen Sie eigentlich?msjeDbuirhdeszAg–rbmUbmUdwgcsbSgBizNzJdeteDwöp
Herr Niebel hat behauptet – auch hier empfehle ichehr Sachlichkeit und Abrüstung –, nun werde nach dentatistischen Kriterien der ILO gezählt und danach gelteder, der nur eine Stunde arbeite, als nicht arbeitslos.arf ich Sie darauf hinweisen, dass viele unserer Nach-arländer das genauso machen
nd dass die Zählung nach ILO-Kriterien völlig richtigst. Wir haben in der Zwischenzeit die statistischen Vo-aussetzungen verändert, und zwar – entgegen der Be-auptung von Herrn Niebel – mit Zustimmung des Bun-esrates. Wir werden künftig die Arbeitslosigkeit nachinem anderen Verfahren messen, wonach 30 000 Men-chen befragt werden. Am 1. März dieses Jahres werdenum ersten Mal die mithilfe dieses Verfahrens ermittelterbeitslosenquote und Arbeitslosenzahl öffentlich mit-eteilt. Damit sich niemand aufregen muss, werden wirwir sorgen für Transparenz, damit klar ist, worüber wireden – die bisher übliche Statistik neben der ILO-Erhe-ung veröffentlichen. Wir bieten also zwei Parameter an,it denen man das Problem der Arbeitslosigkeit und dernterbeschäftigung sowie die Beschäftigung genauerewerten kann. Ich sage ausdrücklich, dass Herr Niebelit seinen Einleitungsbemerkungen Recht hat:
m das Problem vernünftig lösen zu können, muss manie Tatbestände kennen.Damit komme ich zum dritten Problem. Unsinniger-eise wird von uns gefordert, endlich die Erwerbstäti-en in den Mittelpunkt der Statistik zu stellen. Herzli-hen Glückwunsch! Das habe ich in der letzten Debattechon Herrn Fuchs gesagt. Herr Singhammer, Sie ent-löden sich nicht, das hier zu wiederholen. Jeder, der dietatistik anschaut, stellt fest, dass sie die Erwerbstäti-enzahlen enthält; man kann sie also da nachlesen. Dieundesregierung sorgt jetzt sogar dafür – das wiederholech ausdrücklich –, dass die Erwerbstätigenzahlen früherur Berechnung der Statistik herangezogen werden.ach dem bisherigen Verfahren wurden sie immer mitwei- oder dreimonatiger Verspätung berücksichtigt.etzt wird umgestellt: Die jeweils aktuellen Zahlen wer-en nach einem Monat in der Statistik enthalten sein.In dieser Debatte über die Arbeitsmarktstatistik gehts Ihnen um etwas ganz anderes: Sie haben diesen An-rag eingereicht, damit in der Kernzeit eine Debatte zuinem bestimmten Thema geführt wird.
a wird zwar nichts Neues gesagt und auch die Faktenerden nicht zur Kenntnis genommen; aber man kannffentlich über das diskutieren, was einem gerade soasst.
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Parl. Staatssekretär Gerd Andres
Ich sage Ihnen ganz offen: Ich glaube, dass Sie dieZustimmung der Bürgerinnen und Bürger zur Politik mitdieser Vorgehensweise nicht vergrößern; dadurch nimmtsie vielmehr ab.Zu den Zwischenrufen möchte ich sagen: Wir, dieseBundesregierung, haben die Zusammenlegung vonArbeitslosenhilfe und Sozialhilfe durchgesetzt.
Wir zählen jetzt richtig und ordentlich. Sozialhilfeemp-fänger werden in die Arbeitslosenstatistik aufgenommen– wir haben das durchgesetzt –: Im letzten Monat warenes über 200 000 Menschen mehr, die in der Arbeits-losenstatistik erscheinen. Aber damit ist – auch das mussklar sein – die Arbeitslosigkeit nicht gestiegen; vielmehrgelten jetzt Menschen in der Statistik als arbeitslos, dieschon vorher arbeitslos waren. Was wollen Sie eigent-lich? Sie haben die Kraft, das zu machen, doch über-haupt nicht aufgebracht.
Wir machen das. Wir halten das für richtig und wir ste-hen auch dazu.Es ist völlig richtig, dass dieser Antrag keine Mehr-heit bekommt und abgelehnt wird; denn ihn anzunehmenwäre eine zusätzliche Verhöhnung derjenigen, über diewir hier diskutieren. Das, was wir als Bundesregierungmachen, kann sich sehen lassen und wir stehen auchdazu.Schönen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
diskutieren heute über den Sinn oder Unsinn von Statis-
tiken. Konkret geht es um die registrierten Arbeitslosen.
Sie kennen das berühmte Zitat, wonach nur Statistiken
zu trauen ist, die man selbst gefälscht hat. Deshalb inte-
ressiert mich die Statistikdebatte nur zweitrangig.
Für die PDS im Bundestag sind das Schicksal und die
Zukunft der 5 bis 9 Millionen von Arbeitslosigkeit Be-
troffenen wichtiger als ihre Erfassung.
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Ich erinnere mich noch sehr gut an Vorwürfe aus der
DU/CSU, wonach die Arbeitslosigkeit in den neuen
undesländern auch deshalb so hoch sei, weil die Frauen
m Osten gleichberechtigte Arbeit begehrten, während
ie Frauen im Westen wohltuend abstinent seien. Das
eigt nur, wie ideologisch mit Statistiken gespielt wird.
Die Arbeitslosenstatistik von Rot-Grün ist ehrli-
her. Sie kommt der Wahrheit näher, allerdings ohne sie
irklich zu erfassen. In einem der reichsten Länder die-
er Welt, in einem der wirtschaftlich stärksten Länder
ieser Welt und in einem der ehrgeizigsten Länder dieser
elt nehmen Arbeitslosigkeit und Armut dramatisch zu.
as ist ein Widerspruch. Die Statistik belegt ihn und das
st gut. Aber die Politik befördert diesen Widerspruch
nd das ist schlecht.
Im Gegensatz zu Rot-Grün habe ich für die PDS
chon im Jahr 2002 gesagt: Die ganze Hartz-Prahlerei
ird nicht weniger Arbeitslose bringen, sondern mehr
rme Arbeitslose nebst Angehörigen. Die aktuelle Statis-
ik und meine alltägliche Erfahrung geben mir – leider –
echt. Deshalb wiederhole ich: Wer den Binnenmarkt
chwächt, wer reiche Unternehmen aus der Sozialpflicht
ntlässt, der handelt sozial ungerecht und wirtschaftlich
nsinnig.
Das sage ich übrigens auch mit Blick auf die CDU/
SU. Wer unentwegt längere Arbeitszeiten und niedri-
ere Löhne fordert, der bekämpft die Arbeitslosigkeit
icht, sondern er befördert sie. Wer eine Steuerpolitik
ordert, bei der Wohlhabende entlastet und die Kommu-
en belastet werden, mindert nicht die Arbeitslosigkeit,
ondern gibt ihr neue Nahrung.
Aus all diesen Gründen lehnt die PDS den vorliegenden
ntrag ebenso ab wie die Agenda 2010 nebst Hartz IV.
ir werben stattdessen für eine „Agenda Sozial“.
Ich erteile Kollegen Wolfgang Meckelburg, CDU/
SU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Ich kann mir auch diesmal nicht verkneifen, etwasnzumerken, Herr Staatssekretär. Ich möchte übrigensast sagen „Regierung Andres“; denn Sie sind bei dem
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Wolfgang Meckelburgwichtigen Thema auf der Regierungsbank richtig allein.Auch angesichts dieses Alleinseins finde ich: Wenn Siehier reden, geht immer so ein starker Hauch von Arro-ganz und Besserwisserei durchs Plenum.
Das ist meines Erachtens dem Thema nicht angemessen.Warum kann man nicht einmal sachlich über ein paarPunkte reden?
Sie treten hier als Besserwisser auf. Das ist nicht dieArt, die die Menschen draußen erwarten. Sie unterneh-men den Versuch, alles schönzureden, und sagen: Allesist in Ordnung; das kann sich sehen lassen. – So habenSie es gerade wörtlich gesagt. Angesichts dessen frageich mich, warum Sie die letzten zehn Landtagswahlennacheinander verloren haben. Die Menschen draußenscheinen das anders zu sehen. Das Thema Arbeitslosig-keit ist das Thema Nummer eins und müsste auch für dieBundesregierung, die hier so voll präsent ist, ThemaNummer eins sein. Vielleicht geben Sie das an das Kabi-nett weiter, Herr Staatssekretär.
Wir reden hier über die Arbeitslosenstatistik. Es gehtum die Frage, ob wir miteinander über registrierte Ar-beitslosigkeit, verdeckte Arbeitslosigkeit, stille Reserve,von mir aus auch Schwarzarbeit reden können. Es gehtdarum, das einmal zusammen in den Blick zu nehmen,weil es da ja Gemeinsamkeiten gibt. Die Betroffenensind nicht im richtigen Markt, weil sie Schwarzarbeitmachen, oder sie sind nicht im richtigen Markt, weil siein Maßnahmen sind, oder sie sind nicht im richtigenMarkt, weil sie sich nicht trauen, sich zu bewerben, weilsie keine Chancen sehen; das ist die stille Reserve. Einpaar davon, so sage ich einmal – zurzeit sind es5,037 Millionen –, sind statistisch registriert. Das ist dasEinzige, was die Betroffenen unterscheidet. Es ist dochwohl angezeigt, sich einmal darüber zu unterhalten, obdas alles so sinnvoll ist.
Wir führen hier eine Statistikdiskussion, während dieArbeitslosigkeit, auch die registrierte Arbeitslosigkeit,den Höchststand in der Geschichte der BundesrepublikDeutschland erreicht hat, Frau Roth.
Es sind 435 000 mehr als im selben Monat des Vorjah-res. Es sind 573 000 mehr als im letzten Jahr. Sie könnendas alles nicht mit der Umsetzung von Hartz IV erklären.
– Natürlich nicht! Die Zahlen wären auch so nach obengegangen. Es sei Ihnen aber zugestanden, dass das hin-zukommt.SmCedIJBdADtAmBzwCdMlHdiczSdVWdßAuan
ie haben durch das, was da passiert, auf dem Arbeits-arkt – den Eindruck habe ich jedenfalls –, ein totaleshaos angerichtet.
Spätestens an der Stelle muss man den Mut haben,infach einmal zurückzublicken und zu fragen, wie denner Bundeskanzler Gerhard Schröder hier angetreten ist.n der Regierungserklärung 1998, zu Beginn der sechsahre, die wir jetzt hinter uns haben, hieß es:Wir wollen uns jederzeit daran messen lassen …, inwelchem Maße wir zur Bekämpfung der Arbeitslo-sigkeit beigetragen haben.ei diesem Höchststand habe ich nicht den Eindruck,ass Sie einen großartigen Beitrag zur Bekämpfung derrbeitslosigkeit geleistet haben.
ann gab es die Aussage, dass man zum Ende der letz-en Legislaturperiode hin bei 3,5 Millionen registriertenrbeitslosen sein wollte. Auch daran muss man doch zu-indest erinnern können.Die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit hat derundeskanzler längst abgegeben. Die Sache scheint ihmu heiß geworden zu sein. Er hat den Mantel der Verant-ortung in die Garderobe von Wirtschaftsministerlement gehängt und ausdrücklich gesagt: Du bist füren Arbeitsmarkt und für Hartz IV zuständig.
an muss sich das einmal vorstellen: Der Bundeskanz-er der Bundesrepublik Deutschland ist nicht bereit, dieauptverantwortung dafür zu übernehmen, dass sich aufem Arbeitsmarkt endlich etwas bewegt. Das müsste fürhn Thema Nummer eins sein. Er müsste bei einer sol-hen Debatte hier sein.
Herr Clement hat zu Beginn dieses Jahres zur Umset-ung der Hartz-Reform, also der Zusammenführung vonozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, gesagt: Jetzt kommtie Wahrheit ans Licht. Die Zeit der Dunkelziffern underschiebebahnhöfe ist vorbei. – Es ist drei, vier, fünfochen her, dass er das gesagt hat. Ich habe im Momenten Eindruck: Die Dunkelziffer wird wieder etwas grö-er.
ngesichts des Streits mit den Kommunen
nd der Diskussion darüber, ob man ältere Langzeit-rbeitslose in Ostdeutschland mit etwas anderem bedie-en soll, habe ich nicht den Eindruck, dass die Zeit der
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Wolfgang MeckelburgVerschiebebahnhöfe vorbei ist. Hier ist wieder Verschie-berei in großem Maße im Gange.
Lassen Sie mich auch zum eigentlichen Thema nocheinige Sätze sagen. Wir wollen ja hier über die Statistikreden,
auch wenn wir bisher über alles Mögliche geredet haben,was den Arbeitsmarkt betrifft: Was spricht denn dage-gen, dass man sich einmal ernsthaft die Mühe macht– das ist der Kernpunkt unseres Antrages –, die wirkli-che Unterbeschäftigung festzustellen?
Sicherlich findet man viele Zahlen. Ich habe mich in denletzten zwei Tagen immer dann, wenn ich Zeit hatte, mitden Statistiken auseinander gesetzt. Wir haben so vieleZahlen, dass keiner mehr weiß, welche richtig und wich-tig sind.
Ich will damit nicht sagen, dass die nicht alle notwendigsind. Warum bringen wir aber nicht die Kraft auf, einmalwirklich über das Thema Unterbeschäftigung zu reden
und hierbei nicht nur über die Kategorie registrierter Ar-beitsloser, sondern auch über die Menschen in Maßnah-men? Selbst der Sachverständigenrat redet ja davon,dass es sich hierbei um eine Form verdeckter Arbeits-losigkeit handelt.Lassen Sie uns also auch einmal darüber reden, stattin diesem Bereich nur mit Verschiebebahnhöfen zu ar-beiten. Gerade im letzten Jahr haben Sie Menschen, dieTrainingsmaßnahmen absolvieren, also klassische Maß-nahmen, durch die man auf den Eintritt in den ersten Ar-beitsmarkt vorbereitet wird, aus der Statistik herausge-nommen. Dabei suchen diese Menschen natürlichArbeit. Sie bereiten sich ja gerade darauf vor, wiedereine Arbeit aufzunehmen. Sie aber sagen, weil sie sich ineiner Maßnahme befinden, zählen sie nicht. Es mussendlich damit aufgehört werden, mit einer solchen Artvon Verschiebebahnhöfen zu arbeiten.Noch einige Stichworte zu den Zahlen. Ich habe mirhier die Frage aufgeschrieben: Haben wir schon eine Un-terbeschäftigung in einer Größenordnung von 9 Millio-nen?
– Sehen Sie, das habe auch ich mir gedacht. – Sie findeninzwischen aber solche Aussagen, weil wir nicht denMut haben, einmal alle Zahlen zusammenzuführen. Siefinden in dieser Woche in der „Welt“ unter der Über-ssa–wIrgzwliimggsZsla–5amSWNS5b64dtrwrgg
ch habe das Gefühl, der Etikettenschwindel besteht da-in, dass Sie nicht die Kraft aufbringen, einmal mit unsemeinsam eine Statistik aufzustellen, in der alle Zahlenusammengebracht werden. Dann würden wir wissen,ie hoch die Unterbeschäftigung in Deutschland wirk-ch ist. Sie liegt wesentlich höher als die Zahl, die uns Zusammenhang mit registrierten Arbeitslosen ständigenannt wird.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auchleich eine Frage unterbringen, die vorhin eine Rolle ge-pielt hat. Es geht um die Visaproblematik. In demeitraum, wo Visa sehr locker ausgegeben worden sind,ind immerhin 5,6 Millionen Menschen nach Deutsch-nd gekommen. Glauben Sie wirklich, Frau DückertSie haben das Thema ja angesprochen –, dass diese,6 Millionen Menschen, die über Kiew, Moskau undndere Stellen eingereist sind, nach Deutschland gekom-en sind, um den Kölner Dom zu besichtigen oder imchwarzwald Urlaub zu machen?
enn Sie das wirklich glauben, zeugt das von sehr vielaivität. Hierdurch ist auch ein großer Schaden durchchwarzarbeit entstanden.
Wir diskutieren das heute vor dem Hintergrund vonMillionen registrierten Arbeitslosen. Schauen Sie da-ei einmal in den Bereich der Jugendlichen:35 000 Jugendliche unter 25 sind arbeitslos und10 000 junge Menschen befinden sich in Maßnahmener BA. Allein schon das Verhältnis von 635 000 regis-ierten Jugendlichen zu denjenigen, die nicht registrierterden, weil sie sich in Maßnahmen befinden, ist inte-essant. Insgesamt kommen wir auf über 1 Million jun-er Menschen, die nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt an-ekommen sind. Das ist die Realität in Deutschland.
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Wolfgang MeckelburgLassen Sie mich eine weitere wichtige Zahl in denVordergrund rücken. Sie haben es sich in der letzten Zeitangewöhnt, besonders auf die Zahl der Erwerbstätigenhinzuweisen. Ich glaube, die wichtigere Zahl ist die dersozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Hierbei handelt es sich um die Arbeitsverhältnisse, dieich nach wie vor als typisch für Arbeitnehmer ansehe,Frau Dückert. Schauen Sie sich einmal die Entwicklungin diesem Bereich an: Im September 2001 gab es davon28,2 Millionen, 2002 27,8 Millionen, 2003 27,2 Mil-lionen und 2005, also ganz aktuell, 26,7 Millionen. Dassind 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäf-tigte weniger und damit auch 1,5 Millionen Arbeits-plätze weniger. Hier sieht man das Problem, das wir ha-ben: Es gibt zu wenig Arbeitsplätze, um die Leute ausder Arbeitslosigkeit herauszuholen. Das ist das zentraleThema, dem Sie sich doch endlich einmal widmen soll-ten.
Ich will noch einige Sätze zu Hartz sagen, weil das jader große Wurf sein sollte.
– Wir haben nicht allen Teilen von Hartz zugestimmt; esgibt ja immerhin Hartz I bis Hartz IV.Da gibt es zum Beispiel die PSA, die Personal-Service-Agenturen. In diesem Zusammenhang sind jähr-lich 350 000 neue sozialversicherungspflichtige Jobsversprochen worden.
Realität zum Stand Januar: Es sind 27 500.Bei der Ich-AG, dem großen neuen Instrument – ichwürde auch erst einmal abwarten, wie das zweite Jahrder Ich-AGs aussehen wird –, sind jährlich 500 000 Jobsversprochen worden; bis jetzt sind es 240 000 geworden.Das Programm „Kapital für Arbeit“, der so genannteJob-Floater, war so erfolgreich, dass Sie es bereits imFrühjahr letzten Jahres eingestellt haben.
Es hat viel Geld gekostet und statt der jährlich 120 000neuen Jobs jährlich 12 800 gebracht.Auch über Hartz, so muss man feststellen, sind dieMenschen nicht nur in den ersten Arbeitsmarkt gekom-men, sondern auch in Bereiche, die der Sachverständi-genrat zu der verdeckten Arbeitslosigkeit rechnet. Dasmuss an der Stelle einmal gesagt werden.FldzaPdcdIutmsuhWubKhfdAAdAdhäMSupdrap
arallel dazu läuft die Diskussion darüber, wie man miten älteren Arbeitslosen umgehen soll. Der Vorstands-hef der Bundesagentur für Arbeit hat diese Frage ja inieser Woche angesprochen.
ch sage Ihnen ganz deutlich: Es geht nicht an, dass wirns überlegen, diese Personen aus der Arbeitsmarktsta-istik und den entsprechenden Zahlungen herauszuneh-en, sodass mit einem Schlag wieder 181 000 Men-chen aus den entsprechenden Leistungen herausfielennd auf der Straße stünden.Mit dem Punkt, den Herr Weise angesprochen hat,
at er genau den Finger in die Wunde gelegt.
ir können arbeitsmarktpolitische Maßnahmen auflegennd Statistikzählereien machen, wie wir wollen – esleibt dabei, dass wir uns der Frage stellen müssen, diearl-Josef Laumann in der letzten Woche aufgeworfenat: Wir müssen uns ganz verstärkt – das gilt auch nochür die Zeit, die Sie haben, bis Sie abgewählt werden –er Frage zuwenden, wie wir Menschen in den erstenrbeitsmarkt bringen, wie wir Arbeitsplätze im erstenrbeitsmarkt generieren können, wie wir alle Politikfel-er auf das Ziel orientieren können, das da lautet: Arbeit,rbeit, Arbeit. Denn das hilft allen Systemen, das hilften Menschen und das würde notfalls sogar Ihnenelfen, wiedergewählt zu werden. Wenn Sie sich nichtndern, werden Sie bei einer der nächsten Wahlen Ihreehrheit verlieren. Das kann ich Ihnen garantieren.
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Werner Bertl,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Ich habe in meiner schon ziemlich langenolitischen Arbeit drei Punkte gelernt, nämlich erstensie Opposition ernst zu nehmen, zweitens mich mit An-egungen und Vorstellungen der Opposition ernsthaftuseinander zu setzen und drittens grundsätzlich der Op-osition nicht schlechte Absichten zu unterstellen. Ich
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Hans-Werner Bertlfand diese Grundsätze immer gut; auch ich war mal inder Opposition.
Ich wäre auch gern mit Ihrem Antrag so verfahren. Al-lerdings ist es zu offensichtlich, dass es Ihnen schon beiAntragstellung, am 29. Juni letzten Jahres – in Kenntnisder Tatsache, dass die Systematik in der Statistik mitWirkung zum 1. Januar dieses Jahres geändert werdenwürde –, ausschließlich darum ging, den Eindruck zuvermitteln, dass alle Daten, die in Deutschland über denArbeitsmarkt erhoben werden, Lug und Trug seien unddass das einzige Ziel einer bundesweiten Sammlung vonDaten sei, den Menschen die tatsächliche Situation zuverschleiern. An dieser Stelle wird – das sage ich Ihnenganz ehrlich, meine Damen und Herren – Opposition fürmich fragwürdig.
Ich sage Ihnen noch etwas: Noch haben nicht alle hierin diesem Land vergessen, wie Sie 1998 die Statistik ver-bogen und frisiert, 400 000 Menschen in Wahl-ABM ge-schoben und so die Menschen getäuscht haben.
Im Gedächtnis ist übrigens auch, dass Arbeitslosengeld-bezieher in vorruhestandsähnlichen Maßnahmen – § 428SGB III – seit 1986, als diese Regelung eingeführtwurde, nicht mehr mitgezählt werden.Es ist nicht falsch, sondern richtig, eine gute Daten-lage zu fordern, da nur in Kenntnis der realen SituationInstrumente wirkungsvoll entwickelt und auf dem Ar-beitsmarkt eingeführt werden können. Da haben Sievollkommen Recht; ich glaube, da können wir uns fin-den.
Kollege Bertl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich versuche, hier fertig zu werden.
Ich wäre einverstanden, meine Damen und Herren,wenn die Opposition die Idee eines Statistiksystemshätte, welches uns mit Erkenntnissen versorgen würde,von denen Sie behaupten, wir hätten sie nicht.Der nächste Vorwurf, den ich Ihnen machen muss.Entweder haben Sie noch nie aufmerksam die ersten vierSeiten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit gelesen
onLvMttDta1bhSbPbsMwmW5KnsndAnernzAA2gdzmSkb
Eigentlich – ich bin ganz froh, dass einige von Ihnenoch hier sind – wäre Ihr Antrag gar nicht nötig gewe-en, wenn Sie sich einmal die Mühe gemacht hätten, sichur vier Seiten dieser Statistik – ich finde das für Bun-estagsabgeordnete sehr attraktiv – anzusehen.
uf Seite 1 dieser Statistik erhalten Sie – das dauert garicht lange; das kann man während einer Sitzung malben machen – eine Übersicht über alle sozialversiche-ungspflichtig Beschäftigen in unserem Land im Mo-atsschnitt. Sie sehen den Zugang an Arbeitslosen, undwar differenziert nach vorheriger Erwerbstätigkeit oderusbildung. Sie bekommen Informationen, wie hoch dernteil der Frauen und der Männer ist, wer jünger ist als5 Jahre usw. Sie erfahren die Arbeitslosenquote bezo-en auf abhängige zivile Erwerbspersonen, Empfängeres Arbeitslosengeldes II und, seit diesem Jahr, des So-ialgeldes. Gemeldete Stellen werden genannt, Teilneh-er aktiver Arbeitsmarktpolitik.Das heißt: Alles, was Sie reklamieren und von demie behaupten, da werde etwas verdeckt und man habeeinen Überblick mehr, finden Sie hier aufgeführt:erufliche Weiterbildung, Trainingsmaßnahmen, PSA,
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Hans-Werner BertlArbeitsgelegenheiten, Existenzgründungsschutz, Über-brückungsgeld –
all das steht in dieser Statistik, meine Damen und Her-ren. Das Ganze wird dann auch noch schön aufbereitetund bezogen auf Westdeutschland und Ostdeutschlanddargestellt, das heißt, auch in dieser Hinsicht kann einVergleich vorgenommen werden.Außerdem lohnt sich für Sie die Seite 4, denn dort be-kommen Sie die Informationen wirklich sehr dezidiert:Wie viele Menschen befinden sich in beruflichen Quali-fizierungsmaßnahmen, in Vollzeitmaßnahmen? Wieviele behinderte Menschen befinden sich in Maßnah-men? Wie viele befinden sich in Wiedereingliederungs-maßnahmen? Auch der ganze Bereich der beschäfti-gungsbegleitenden Systeme ist mit aufgenommenworden.
– Mein lieber Herr Hinsken, die Zahlen, die Sie in IhremAntrag fordern, liefert uns die Bundesagentur für Arbeitauf den ersten vier Seiten ihrer Statistik. Diese Zahlenumfassen sogar den Bereich der Arbeitsteilzeit und dernicht arbeitslosen Leistungsempfänger. Ich muss dahersagen: Sie vermitteln den Menschen den Eindruck, alswürde in diesem Land gelogen und betrogen
und als könnte kein Mensch wissen, wie die Situationauf dem Arbeitsmarkt ist.
Die Wahrheit ist aber: Jeden Monat erhält jeder von Ih-nen diese Statistik. Sie brauchen nur vier Seiten darauszu lesen und haben einen umfassenden Überblick überdie Situation auf dem Arbeitsmarkt.Es gibt noch etwas Neues, was zumindest für diejeni-gen interessant ist, die sich ab und zu mit der Statistikder Bundesagentur für Arbeit beschäftigen. Auf denSeiten 60 und folgende findet jeder die entsprechendenDaten für seine Stadt bzw. seinen Kreis. Man muss alsodeswegen nicht mehr mit dem Leiter der örtlichen Ar-beitsagentur sprechen. Auf diesen Seiten gibt es auch diegenauen Zahlen zu den Arbeitslosengeld-II-Beziehern.
Herr Andres hat es eben schon gesagt: Die ILO-Sta-tistik ist kein Ersatz für die BA-Statistik. Wir werdenvielmehr beide Statistiksysteme nebeneinander stellen.Die ILO-Statistik hat einen großen Vorteil: Sie wird in123 Staaten und auch bei der OECD angewandt.
UedsmmlidteEedWtetesdbGt–EeabeaCkdDBhmS
ir können Ihren Antrag nicht umsetzen, weil die Da-n, die Sie fordern, Ihnen jeden Monat auf über 60 Sei-n zugestellt werden.
Ich kann Ihnen nur empfehlen: Bitte beschäftigen Sieich mit dieser Statistik und bitte versuchen Sie nicht,en Menschen Sand in die Augen zu streuen, indem Sieehaupten, Arbeitsmarktpolitik würde nur noch aufrundlage falscher Daten betrieben!
Bevor wir uns über die Fragen streiten, welches Sta-istiksystem sinnvoller ist und ob alle Daten vorliegenich behaupte: sie liegen vor –, empfehle ich Ihnen:ntwickeln Sie mit uns Hartz IV weiter – Sie haben ininigen Bereichen schon mitgemacht und Blockadenufgehoben –, damit wir die Arbeitslosigkeit wirksamekämpfen können!Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-mpfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeituf Drucksache 15/4463 zu dem Antrag der Fraktion derDU/CSU mit dem Titel „Arbeitsmarktstatistik aussage-räftig gestalten – Ausmaß der Unterbeschäftigung ver-eutlichen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag aufrucksache 15/3451 abzulehnen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-altungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-en von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen dietimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
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Präsident Wolfgang ThierseIch rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. PeterPaziorek, Dr. Maria Flachsbarth, Marie-LuiseDött, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUREACH als Chance für einen Paradigmen-wechsel nutzen – Alternativmethoden stattTierversuche– Drucksache 15/4656 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kol-legin Maria Flachsbarth, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undKollegen! Im Oktober 2003 legte die EU-Kommissionauf Grundlage des im Februar 2001 erarbeiteten Weiß-buchs „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpoli-tik“ einen Verordnungsentwurf namens REACH zurChemikaliensicherheit vor.Es besteht fraktionsübergreifender Konsens: Wir be-grüßen das Ziel der Chemikalienpolitik auf europäischerEbene, die Sicherheit für Mensch und Umwelt beimUmgang mit Chemikalien zu erhöhen. Auch die Zusam-menführung von fast 40 Verordnungen und Gesetzen imBereich der europäischen Chemikalienpolitik ist zu be-grüßen. Doch ob das mit einem Entwurf von mehr als1 200 Seiten gelungen ist, ist fraglich.Aus deutscher Sicht, aus Sicht eines Standorts, der einDrittel der europäischen Chemieindustrie mit mehr als450 000 Arbeitsplätzen vor allem in mittelständischenUnternehmen beheimatet, stelle ich fest: Der Umgangmit Chemikalien – auch mit Altchemikalien, mit solchenalso, die vor 1981 auf den Markt gekommen sind – istbereits in hohem Maße sicher.
Dafür sorgen das Chemikaliengesetz, die Chemikalien-Verbotsverordnung, die Bodenschutz-, Wasserschutz-und Immissionsschutzgesetze, das Arbeitsschutzgesetz,die Gefahrstoffverordnung usw. Daher ist der Eindruck,der von der rot-grünen Bundesregierung und von denRegierungsfraktionen erweckt wird, nämlich dass unmit-telbare Gefahr im Verzug sei, irreführend.In der Vergangenheit ist bereits mehrfach auf diestarke Zunahme der Zahl der Tierversuche hingewiesenworden, die durch die neue europäische Chemikalien-politik verursacht werden könnte. Diese Gefahr wurdea8tsmcDiv1svRaüdrdvviPslAotgbsrrgEtt1dEdEqSsrimhn1
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Im Übrigen entspräche eine deutliche Erhöhung desForschungsetats einer Forderung weiter Teile der Bevöl-kerung in Deutschland und Europa. Im September letz-ten Jahres wurde der Europäischen Union eine Petitionder „europäischen Koalition zur Beendigung von Tier-versuchen“ mit mehr als 500 000 Unterschriften überge-ben.Neben dem Ausbau von Alternativmethoden muss dieChemikalienverordnung in Richtung einer möglichst ge-ringen Anzahl vorgeschriebener Tierversuche um-strukturiert werden. Deshalb ist in unserem Antrag, derheute zur Debatte steht, auf Schwachpunkte in demKommissionsvorschlag bei der gemeinsamen Nutzungvon Prüfdaten hingewiesen worden, die es zu beseitigengilt. Das entspricht im Übrigen auch einer Forderung desBundesrates vom Juni letzten Jahres.Von großer Bedeutung ist des Weiteren, die Idee „onesubstance – one registration“ – OSOR – durchzusetzen.Ein entsprechender britisch-ungarischer Vorschlag hatbereits breite Unterstützung quer durch alle politischenFraktionen gefunden. Dieser Grundgedanke entspricht§ 20 a des deutschen Chemikaliengesetzes, das es übri-gens seit 1990 gibt. Er sieht vor, dass jeder chemischeStoff nur einmal registriert wird, und zwar unabhängigdavon, wie viele Produzenten es gibt.
Das muss aber auch so ausgestaltet sein – das ist ganzwichtig –, dass es auch tatsächlich funktioniert und dieGeschäftsgeheimnisse der beteiligten Unternehmen ge-wahrt werden, wie es im deutschen Recht seit langem er-folgreich praktiziert wird.
Mit genau diesem Modell sollte die Bundesregierung inEuropa vorstellig werden.
Der Verband der Chemischen Industrie, der VCI, hatzusammen mit dem europäischen Chemikalienverband,CEFIC, jüngst einen Vorschlag zur Ausgestaltung deseuropäischen Chemikalienrechts vorgelegt, in demOSOR sehr gut integriert ist, da eine frühzeitige Koope-ration möglich wird. Er sieht verschiedene Stufen vor.Stufe 1: die Vorregistrierung und die Meldung allerStoffe über 1Tonne, danach die Meldung von Kern-informationen zu diesen Stoffen. Stufe 2: risikobezogenePriorisierung anhand von Stoffeigenschaften sowie Ver-wendungs- und Expositionskategorien. Stufe 3: Re-gistrierung. Das bedeutet die Festlegung von Prüfungs-agcnSbüpwtbabwsZgVCaWvdshWsdNnfDcsAsGrmknlnS
ugleich versucht er, kleine und mittlere Unternehmenegen große Chemiekonzerne auszuspielen. Das ist einersuch, der keiner sachlichen Beurteilung des VCI/EFIC-Vorschlags standhält.
Damit ignoriert die Bundesregierung – ich will das inller Deutlichkeit sagen – die Sorgen des Mittelstandes.er wissen möchte, was der derzeitige Kommissions-orschlag für den Mittelstand bereithält, braucht nur inas Protokoll der Anhörung im Deutschen Bundestag zuchauen.Bleibt der Kommissionsvorschlag unverändert beste-en, könnte das massiv negative Auswirkungen auf dieirtschaft und auf die Arbeitsplätze haben; zu ent-prechenden kritischen Einschätzungen kommen auchie Untersuchungen der Bundesländer Niedersachsen,ordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Dabei isticht nur die chemische Industrie betroffen, vielmehr er-assen die Auswirkungen nahezu jede Branche ineutschland; denn Stoffpolitik bestimmt fast alle Bran-hen.Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei einerorgfältigen Ausgestaltung von REACH lassen sich dienliegen des Verbraucherschutzes und des Umwelt-chutzes mit den Interessen der Wirtschaft vereinbaren.enau das ist Nachhaltigkeit. Wenn die Bundesregie-ung es mit nachhaltiger Entwicklung wirklich ernsteint, sollte sie sich für diese Forderungen in Europaonsequent einsetzen. Lassen Sie uns die Chance für ei-en Paradigmenwechsel in der europäischen Chemika-ienpolitik und in der europäischen Tierversuchspolitikicht verpassen!Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Heinz Schmitt von derPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! FrauFlachsbarth, herzlichen Dank für die Beschreibung IhresAntrags. Sie haben erneut Gesprächsbedarf zu REACHangemeldet. Der Tierschutz steht dabei im Vordergrund,wir haben es gehört. Vor gut einem Jahr stand das ThemaTierschutz schon einmal auf unserer Tagesordnung, des-halb freue ich mich, dass wir uns über diesen wichtigenAspekt von REACH mittlerweile grundsätzlich einigsind.Es gab Zeiten, in denen Ihre Fraktion REACH gene-rell infrage gestellt und als das Ende der Chemikalien-politik in der Volkswirtschaft unseres Landes bezeichnethat. Mittlerweile gibt es erfreulicherweise eine Akzep-tanz. Wir sind uns einig – wir haben lange dafür ge-kämpft, dass der Tierschutz ins Grundgesetz aufgenom-men wurde –,
dass der Tierschutz bei uns hohe Priorität genießt. Wirwollen REACH so umsetzen, dass möglichst wenigeTierversuche durchgeführt werden.Ich frage mich allerdings, ob Sie die Argumente, dievor einem Jahr zur Sprache kamen, überhaupt gehörtund sie in Ihrem jetzigen Antrag berücksichtigt haben.Mir scheint, dass dies nicht der Fall ist.
In Ihrem Antrag geistern bezüglich der Anzahl der fürVersuche benutzten Tiere immer noch Zahlen aus demJahre 2001 herum. Sie führen aus, es handele sich hier-bei laut einer britischen Studie um 12 Millionen Tiere.Da das Ergebnis dieser Studie, wie Sie wissen, längstüberholt ist, ist die Zahl, die Sie nennen – 12 Millio-nen –, ganz kalter Kaffee. Wir können Ihrem Antrag al-lein deshalb, weil er solche falschen Angaben enthält,leider nicht zustimmen.
Auch andere Punkte werden nicht dadurch richtiger,dass Sie sie ständig wiederholen. Sie sagen zum Bei-spiel, die Bundesregierung habe die Mittel für Alter-nativmethoden reduziert; auch das ist falsch. Sie wis-sen: In diesem Bereich wurden lediglich weniger Mittelabgerufen, als bereitgestellt worden waren.
Die Statistik spiegelt das nicht wider. Wenn mehr Mittelbenötigt werden, werden sie bereitgestellt. Im Übrigensage ich Ihnen: Die Gewinnsituation in der Chemiebran-che ist so gut, dass auch sie Geld bereitstellen kann, mitdem Alternativen zu Tierversuchen entwickelt werdenkönnen. Nicht alles muss die öffentliche Hand machen.
MRSrsszgwdSgRgoswnhlmtsntMGurWskwnKdzaHwhWdMehed
o gesehen kann als Erfolg gemeldet werden, dass be-eits viel getan wurde, um die Forderungen, die sich tat-ächlich mit der Vermeidung von Tierversuchen befas-en, zu erfüllen.Betrachtet man Ihre Forderungen allerdings im Ein-elnen – Sie haben in Ihrem Antrag zehn Forderungenestellt –, stellt man fest, dass nur einige von ihnen et-as mit dem Thema Tierversuche zu tun haben. Ich habeen Eindruck: In Ihrem Antrag schreiben Sie zwar, dassie Tierversuche vermeiden wollen, aber er enthält eineehörige Portion Verband der Chemischen Industrie.Es geht wieder einmal um die Frage, wie manEACH weitgehend umgehen kann. Dafür gibt es sehrut klingende Schlagworte wie „Risikoorientierung“der, wenn es um die Erhebung von Daten geht, „Expo-itionskriterien“. Eines möchte ich vorausschicken: Wirehren uns grundsätzlich nicht gegen intelligente Alter-ativen zur jetzt vorliegenden Fassung von REACH. Esat sich auch schon sehr viel verändert. Die verantwort-ichen Politiker in unserem Lande haben sich darum be-üht, die Anzahl der Regelungen, durch die die Indus-rie zu stark belastet würde, zu minimieren. Es ist alsochon sehr viel getan worden. Wenn uns sinnvolle Alter-ativmethoden präsentiert würden, wären wir die Letz-en, die sich dagegen sperren.„Praktikabel“ heißt für uns auch, dass man mit diesenethoden die Ziele des Schutzes der menschlichenesundheit, des Arbeits- und Verbraucherschutzesnd des Schutzes der Umwelt ohne Wenn und Aber er-eicht.
enn Sie also die bereits hinreichend bekannten Vor-chläge des VCI wiederholen und vorgeben, dadurchönnten angeblich unnötige Tierversuche vermiedenerden, dann müssen wir uns die Situation schon ge-auer ansehen.Der jetzige Entwurf von REACH basiert auf einerombination aus Mengen- und Risikokriterien, ausenen sich relativ einfach Prüf- und Nachweispflichtenur Beurteilung eines Stoffes und seiner Gefährlichkeitbleiten lassen. Es gibt klare Regeln. Ab bestimmtenerstellungs- bzw. Importmengen von Chemikalienerden Tests vorgeschrieben; je höher die Menge, destoöher die Testanforderungen.Bei diesem Verfahren geht man davon aus, dass dieahrscheinlichkeit eines Kontaktes von Menschen miter Chemikalie steigt, je mehr davon produziert wird.it einigem Recht wird auch darauf hingewiesen, dasss sich hierbei nur um ein grobes Raster handelt. Des-alb klingt die Initiative der Chemiebranche zunächstinmal charmant, nur noch dann Tests zur Bestimmunger Gefährlichkeit chemischer Stoffe durchzuführen,
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Heinz Schmitt
wenn überhaupt ein bestimmter Kontakt mit Mensch undUmwelt, also eine bestimmte Exposition, zu fürchten ist.Des Weiteren wird versucht, je nach Art und Häufig-keit des Kontaktes so genannte Expositionskategorienzu bestimmen, aus denen sich die Notwendigkeit be-stimmter Untersuchungen ergibt. Während man demersten Gedanken, den ich erwähnt habe, ohne weitereszustimmen kann, wird es bei den so genannten Exposi-tionskategorien problematisch. Wenn es sich zum Bei-spiel um einen Stoff mit einer Produktionsmenge von100 Jahrestonnen handelt, werden schnell 100 oder mehrverschiedene Anwendungsgebiete erreicht, die auf allemöglichen Expositionen überprüft werden müssten. Jemehr Anwender, desto mehr Tests sind nötig, und daherwird das Ziel, das Sie beschrieben haben, nicht erreicht.Vielmehr wird das Verfahren eher komplizierter. Wir sa-gen: Egal, wie viel Nachfrage nach einem Stoff und wieviele Abnehmer es gibt, gilt er, wenn er einmal getestetist, als beurteilt. Durch das Aufteilen nach Expositions-kategorien wird das Gegenteil erreicht; allein schon da-durch wird die Praktikabilität des Modells der chemi-schen Industrie infrage gestellt.
Herr Kollege Schmitt, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Frau Kollegin Flachsbarth?
Gern.
Bitte schön, Frau Flachsbarth.
Herr Kollege Schmitt, wir streiten uns immer wieder
über Zahlen. Letztendlich geht es doch darum, ob es tat-
sächlich notwendig ist, immer mehr Tiere zu verbrau-
chen, um Daten zu gewinnen, die eigentlich schon vor-
liegen.
Würden Sie mir zustimmen, dass eine Studie des BfR
aus dem August letzten Jahres ein Worst-Case-Szenario
enthalten hat – auch wenn das wohl nicht eintreten
wird –, dass bis zu 45 Millionen Tierversuche notwendig
sein werden? Dabei würde – als untere Grenze – eine
Zahl von unter 10 Millionen Tierversuchen reichen, al-
lerdings nur, wenn genug Mittel für Ersatz- und Ergän-
zungsmethoden zur Verfügung stünden. Würden Sie mir
deshalb zustimmen, dass der Ansatz von 2,8 Mil-
lionen Euro für die Förderung von Ersatz- und Ergän-
zungsmethoden wesentlich zu gering ist? Würden Sie
mir weiter zustimmen, dass es zwar Bemühungen der
Europäischen Kommission gibt, Tierversuche zu verhin-
dern, dass wirksame Instrumente aber nicht in dem er-
forderlichen Umfang existieren? Firmen werden dazu
aufgefordert, sich zusammenzuschließen und bezüglich
der vorliegenden Daten zu kommunizieren. Wenn sie das
aber nicht tun, haben wir letztlich keine rechtliche Hand-
habe. Würden Sie mir von daher zustimmen, Kollege
Schmitt, dass die Gefahr, dass die Anzahl der Tierver-
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Frau Flachsbarth, würden Sie mir zustimmen, dassei einem Jahresumsatz der chemischen Industrie ineutschland von über 200 Milliarden Euro 2 oder 3 Mil-onen Euro relativ wenig sind und eigene Anstrengun-en durchaus begründet sein können?
s kann doch nicht angehen, dass auf der einen Seiteute Erlöse – berechtigte Erlöse – eingefahren werden,ie öffentliche Hand aber wieder einmal die Risiken tra-en soll.
Ja, das könnte man sagen. – Da muss man schon genauinschauen und die Zahlen vergleichen.Ich denke, wenn pro Anwendungsgebiet ein eigenerersuch gemacht werden muss, wird der Aufwand eheröher und das Ziel, das Sie und wir alle erreichen wollen weniger Tiere zu verbrauchen –, nicht erreicht.
Ich habe mich dafür eingesetzt, den Tierschutz imrundgesetz zu verankern. Aber bevor Stoffe, die nichteprüft sind, mit Menschen in Verbindung kommen,üssen eben – leider – Tierversuche stattfinden. Da kön-en wir noch so hehre Ziele haben; in diesem Fall hater Menschenschutz vor dem Tierschutz ganz klar Prio-ität.
Wenn wir Ihren Antrag – der sich zunächst gut an-ört – einer realistischen Belastungsprobe unterziehen,üssen wir also feststellen: Er hält den Anforderungenicht stand, zumindest dann nicht, wenn die Schutzzieleon REACH bzw. die, die von der Industrie selbst ge-teckt werden – weniger Bürokratie und mehr Mittel-tandsfreundlichkeit zu erreichen –, ernst genommenerden sollen. Schon daher kann man nicht davon aus-ehen, dass ein expositionsorientierter Ansatz die Zahler notwendigen Tierversuche verringern würde, wasnser aller Ziel ist; ich habe es ja gesagt. Das Gegenteilst aus heutiger Sicht der Fall. Wir sollten uns gemein-am anstrengen, Lösungen zu finden, wie wir die Zahler Tierversuche minimieren können. Leider geht es
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Heinz Schmitt
beim vorliegenden Ansatz mehr um die Umgehung vonREACH-Vorgaben als um Tierschutz.
– Das kann man aus Ihren zehn Forderungen eindeutigableiten.Wir sind uns in der Zielrichtung durchaus einig: Wirwollen in Europa beim Umgang mit Chemikalien einenbesseren Schutz für die menschliche Gesundheit undfür die Umwelt – und dies mit möglichst wenigen Tier-versuchen. Aber Ihr Antrag enthält zu viele inhaltlicheFehler, als dass wir ihm zustimmen könnten. Deswegenmüssen wir ihn heute leider ablehnen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirhaben über das in Europa diskutierte REACH-System,bei dem es um die Registrierung, Evaluierung undGenehmigung von Chemikalien und die Frage geht,wie das innerhalb Europas organisiert werden soll, schonmehrfach ausgiebig gesprochen, auch hier im Plenum.In der Begründung der EU-Kommission steht, dass esdarum geht, mehrere Ziele gleichzeitig zu verwirklichen,nämlich zum Ersten den Schutz der menschlichen Ge-sundheit und der Umwelt, zum Zweiten die Wahrungund Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der chemi-schen Industrie in der EU und zum Dritten die Förde-rung von Testmethoden ohne Verwendung von Tie-ren. Im 34. Erwägungsgrund sagt die EU-Kommissionganz eindeutig, mit diesem REACH-System solle auchdie Zahl der Tierversuche reduziert werden. Ich möchtehier ganz klar betonen: Die FDP unterstreicht all dieseZiele. Das Problem ist nur, dass die EU-Kommission ih-rem eigenen Entwurf und ihrer eigenen Zielsetzung inkeinem einzigen Punkt gerecht wird.
Das gilt auch für die im Moment vorliegende überarbei-tete Fassung.Herr Schmitt, ich kann nur sagen: Ich wundere michein wenig über das, was Sie hier gesagt haben. Ich habemir noch einmal die Beschlussempfehlung zu dem letz-ten Antrag mit dem Titel „Tierversuche in der europäi-schen Chemikaliengesetzgebung auf ein Minimum be-grenzen“ herausgesucht. Dabei ging es bereits um das,was jetzt in dem Antrag der CDU/CSU steht. In diesenAntrag der CDU/CSU sind ein paar neue Untersu-chungsergebnisse aufgenommen worden. An sich ist dasAnliegen aber exakt das gleiche. Insofern muss ich sa-gen, dass Sie sich wenigstens weiterentwickelt haben;denn ausweislich der Beschlussempfehlung, die Siesd–dsdHzmvhmmzdsDwmdssltetadlGDHGggdaMszhRs
Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: REACH führtu mehr Tierversuchen und zu mehr Bürokratie, ohneass dem ein höheres Maß an Umwelt- und Gesundheits-chutz gegenübersteht. Das ist unsere Kritik.
eswegen sage ich ganz klar: Wir sollten schauen, dassir hier eine einheitliche Meinung finden, die wir ge-einsam vertreten können. Das sind wir dem Anliegenes Tierschutzes schuldig.
Nun stellt sich die Frage, wie man unnötigen Tierver-uchen bei REACH entgegenwirken kann.Erster Punkt. Für die Sicherheit der menschlichen Ge-undheit und der Umwelt beim Umgang mit Chemika-ien sind die Risiken bei der Herstellung, der Verarbei-ung und der Anwendung maßgeblich. Ich komme zuinem ganz einfachen praktischen Beispiel: Ein Toilet-enreiniger ist nicht zum Trinken geeignet. Das wirduch niemand tun; denn jeder weiß das. Es geht also umie Anwendung einer Chemikalie, nicht um die Herstel-ung oder Verarbeitung einer Chemikalie.
enau das ist das Problem des europäischen Ansatzes.ort wird von einer Produktionsmengenschwelle inöhe von einer Jahrestonne geredet und nichts über dieefährlichkeit und Beherrschbarkeit eines Stoffes aus-esagt. Deswegen sage ich Ihnen: Wir brauchen einerundsätzliche Umstellung des Verordnungsansatzes,amit sich die Informations- und die Prüfanforderungenuf die Exposition und das Risiko, aber nicht auf dieenge eines Stoffes richten. Dadurch würden wir einer-eits ein hohes Schutzniveau und andererseits eine Redu-ierung der Anzahl der Tierversuche erreichen.
Zweiter Punkt. Darüber hinaus müssen wir die vor-andenen Daten besser nutzen. Wir haben eine ganzeeihe von Daten über verschiedene Stoffe in den unter-chiedlichsten Bereichen. Wir verfügen über Sicher-
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Birgit Homburgerheitsdatenblätter und arbeitsmedizinische Datenblätterfür bestimmte Stoffe. Es gibt eine ganze Reihe von toxi-kologischen und pharmakologischen Erkenntnissen undUntersuchungen. Die Verwertung der Erkenntnisse ausdiesen Altstudien, die im deutschen Chemikaliengesetzvorgesehen ist, muss unbedingt dafür genutzt werden,die Anzahl der Tierversuche, die bei REACH durchge-führt werden soll, zu verringern.
Diesen Ansatz sollte man dringend auch auf europäi-scher Ebene einbringen. Das hat die Bundesregierungbisher verschlafen.
Den Ansatz von Großbritannien und Ungarn – eineSubstanz, eine Registrierung – finde ich diskussionswür-dig. Aber ich sage auch – das kommt in Ihrem Antragzum Ausdruck –, dass man sehr gut aufpassen muss, zugewährleisten, dass die berechtigten wirtschaftlichenInteressen eines Unternehmens gewahrt werden und dieErkenntnisse, die man durch eigene Untersuchungen ge-winnt, der Firma zur Verfügung stehen. Die Forschungnach Ersatz- und Ergänzungsmethoden muss intensi-viert und verstärkt werden. Vor allen Dingen müssen allebestehenden Methoden in REACH zugelassen werden.Auch das ist noch nicht der Fall.Es gibt eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten.Das, was Sie heute für die SPD-Fraktion gesagt haben,Herr Schmitt, ist eine Bewegung in die richtige Rich-tung. Ich hoffe deshalb, dass wir es im Rahmen der Aus-schussberatungen schaffen, in diesem zentralen undwichtigen Punkt zu einem gemeinsamen Antrag allerFraktionen des Deutschen Bundestages zu kommen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Antje Vogel-Sperl vomBündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! GestattenSie mir eine Eingangsbemerkung. Am Mittwoch dieserWoche haben wir im Umweltausschuss des DeutschenBundestages den Nachhaltigkeitsbericht erörtert. An die-ser Stelle möchte ich ganz klar betonen, dass die Not-wendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung von allenFraktionen unterstrichen und anerkannt wurde. MeineDamen und Herren von der Opposition, die heutige De-batte zeigt dennoch einmal mehr, dass bei Ihnen Redenund Handeln leider sehr weit auseinander gehen.
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arüber haben wir in diesem Haus und in den Ausschüs-en bereits ausführlich beraten. Ich möchte mich deshalbn dieser Stelle auf einige aus unserer Sicht wichtigeunkte beschränken und auf diese kurz eingehen.Erstens. Das Thema Tierschutz ist gerade für unsrüne auch im Zusammenhang mit der europäischenhemikalienverordnung von ganz besonderer Bedeu-ung.
ir sehen und begreifen REACH als die Chance, tier-ersuchsfreie Testmethoden international zu etablieren.
ch verweise hier nur auf unseren Antrag zur europäi-chen Chemiepolitik vom März 2004,
en wir im vergangenen Jahr beschlossen haben. Ichmpfehle Ihnen dringend, liebe Kolleginnen und Kolle-en von der Opposition, ihn einmal zu lesen.
r ist allerdings etwas umfangreicher als Ihrer.
ber das ist angesichts der immensen Bedeutung vonEACH mehr als angemessen.
In diesem Antrag heißt es ganz klar und unmissver-tändlich – ich zitiere –:Zur Verhinderung unnötiger Wirbeltierversuchemüssen verbindliche Regelungen für Prüfverfahrengetroffen werden. Das Ziel muss sein, doppelteWirbeltierversuche zu verhindern, eine gemein-same Nutzung von Daten seitens der Unternehmenvorzuschreiben und die Anwendung alternativertierversuchsfreier Testmethoden verbindlich zu eta-blieren.
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Dr. Antje Vogel-Sperl
Weiter heißt es:Die Forschungsmittel für die Entwicklung und Vali-dierung alternativer Testmethoden müssen sowohlauf europäischer Ebene als auch auf nationalerEbene gesichert werden.
– Dazu komme ich noch. – Die Bundesregierung ist beiden Verhandlungen im Rat in der Arbeitsgruppe längstaktiv geworden und hat die notwendigen Vorschläge ein-gebracht. Das sollte auch Ihnen eigentlich bekannt sein.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ichkomme nun auf den entscheidenden Punkt Ihres Antragszu sprechen und will an dieser Stelle in aller Deutlichkeitsagen – da kann ich Herrn Kollegen Schmitt nur aus-drücklich unterstützen –: Sie geben vor, sich für denTierschutz einzusetzen. Tatsächlich aber benutzen Siedas Tierschutzargument, um den grundsätzlichen Ansatzdes Verordnungsentwurfes aufzuweichen und infrage zustellen.
Der grundsätzliche Ansatz lautet: Risikobeurteilung nurauf einer fundierten Datenbasis für eine Erkennung vonRisiken für Umwelt und Gesundheit bereits im Vorfeld.
Ich möchte auf meinen zweiten Punkt eingehen, dieexpositionsabhängigen Registrierungsanforderungen.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,Sie bemühen sich, hier den Eindruck zu erwecken, alssei der vorliegende Entwurf starr und unflexibel. Bei ge-nauer Lektüre des Kommissionsentwurfs dürfte aberauch Ihnen nicht entgehen, dass die Prüfanforderungenbereits jetzt eine Kombination aus mengen- und risiko-bezogenen Elementen vorsehen.
Das heißt, es wird sichergestellt, dass einerseits zur Er-mittlung des jeweils notwendigen Prüfbedarfs fundierteInformationen vorliegen und andererseits zugleich eineÜberbelastung der Hersteller kleiner Stoffmengen ver-mieden wird.
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uf Kosten der kleinen und mittelständischen Unterneh-en entlastet werden. Das muss man in diesem Hauseoch auch einmal sagen.
enn die konkreten Verwendungen und Expositionenennt der Hersteller in der Regel nicht. Er kann daherxpositionsbedingungen und Abschneidekriterien vor-eben, die ihn von Stoffprüfungen entlasten, für dereninhaltung vor Ort aber die Downstream-User verant-ortlich sind.
as bedeutet unter dem Strich: Vom Hersteller einge-parte Tests müssen nachgeholt werden, einschließlicher Tierversuche. Der bürokratische Aufwand ist we-entlich höher. Das heißt, die Lasten liegen beimownstream-User und nicht beim Stoffhersteller derhemischen Industrie.Meine Damen und Herren von der Opposition, im Ge-ensatz zu Ihnen meinen wir es tatsächlich ernst, wenns darum geht, den Mittelstand in unserem Land zutärken. Auch dass sich mittlerweile die Union in ihremntrag unserer Argumentation „ein Stoff – ein Dossier“ so unser Antrag – angeschlossen hat, dazu kann manur sagen: besser spät als nie. Daraus wird aber aucheutlich, wer sich mit welcher Intensität tatsächlich umie kleinen und mittelständischen Unternehmen küm-ert. Das Thema REACH ist bei uns wirklich in denesten Händen.
Nun komme ich zum dritten Bereich, zu Innovationnd Arbeitsplätzen. Voraussetzung für eine zukunftsfä-ige wirtschaftliche Entwicklung ist Innovation. Dasestehende Chemikalienrecht ist – ich denke, da sind wirns einig – äußerst innovationshemmend, indem es dieeuentwicklung von Stoffen gegenüber der Verwendunger vorhandenen Altstoffe behindert. Das hat dazu ge-ührt, dass in den vergangenen 20 Jahren kaum neuetoffe entwickelt wurden. REACH schafft sowohl miter Harmonisierung als auch mit der Zulassungspflichtür gefährliche Stoffe endlich Anreize, neue, ungefähr-che Stoffe zu entwickeln.
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Dr. Antje Vogel-Sperl– Das gefällt Ihnen jetzt nicht, aber manchmal ist das somit der Wahrheit.
Darauf haben wir immer wieder hingewiesen und da-rauf werden wir immer wieder hinweisen. Für uns istklar: Ökologie und Ökonomie gehören zusammen. Dasheißt, wer den Erhalt und die Entstehung neuer, zukunfts-fähiger Arbeitsplätze will, der muss auch REACH wol-len. Wir sind der festen Überzeugung, REACH wirdnicht zuletzt auch global neue Standards setzen; dennEuropa ist der weltgrößte Markt für Chemikalien.
Wer auf diesem Markt in Zukunft noch präsent sein will,der muss sich den Anforderungen dieses Marktes anpas-sen. Vor diesem Anpassungsdruck steht dann auch dieWeltwirtschaft, auch die amerikanische Industrie. Das istder Grund, warum die USA so intensiv versuchen,REACH zu verhindern.Zum letzten Punkt: Umwelt und Gesundheit. Innova-tion im Bereich der Entwicklung neuer Stoffe ist geradeauch vor dem Hintergrund des Umwelt- und Gesund-heitsschutzes dringend notwendig. Um ein aktuelles Bei-spiel anzuführen: Perfluortenside, klassische Altstoffe.Das sind oberflächenaktive Substanzen, die weltweit inTextilien, in Teppichen, in Farben, in Reinigungsmittelnusw. vorkommen. Verbraucher sind von Produkten, diePerfluortenside enthalten, alltäglich umgeben. Weltweitwurden im Jahr 2000 circa 3 665 Tonnen dieser Stoffeproduziert, obwohl Bioakkumulation und toxische Eigen-schaften nachgewiesen wurden.Hier haben wir ein schönes Beispiel, warum wirREACH brauchen. Festzuhalten ist auch: Heute leiden inEuropa dreimal so viele Kinder an Asthma wie vor30 Jahren. Stoffe, die den Hormonhaushalt verändern,finden sich in der Muttermilch. Stoffe werden fernab ih-res Anwendungsbereichs in der Arktis wiedergefunden.Das sind persistente Stoffe.
Und damit will ich abschließend sagen: Wenn wir nichternsthaft versuchen, diese Probleme anzugehen, dannhaben wir in der Politik nichts verloren.Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin
Birgit Homburger das Wort.
Frau Kollegin Vogel-Sperl, Sie haben hier einen be-merkenswerten Auftritt hingelegt und Dinge behauptet,die einer Überprüfung in keiner Weise standhalten. Sieaber haben erklärt, das sei die Wahrheit, wir hingegenhätten völlig daneben gelegen.wdsstnDaElBndsDdufeuEdwMpmbaGDSsvtvtt
Die Anhörung, die wir durchgeführt haben, hat das,as wir vorgetragen haben – das gilt auch für Zahlen,ie Frau Kollegin Flachsbarth genannt hat –, absolut be-tätigt. Offensichtlich werden alle angehörten Sachver-tändigen und diejenigen, die dieselbe Auffassung ver-reten, für Idioten gehalten;
ur Sie haben die Wahrheit mit Löffeln gefressen.
as geht doch wohl nicht an.
Was den effektiven Schutz für Mensch und Umweltngeht, sind uns allen die Gefahren bekannt, die Sie amnde Ihrer Rede zu Recht beschrieben haben. Wir wol-en ein hohes Schutzniveau. Im Übrigen gibt es in derundesrepublik Deutschland bereits ein hohes Schutz-iveau. In dieser Frage kommt es aber nicht auf die pro-uzierten Jahresmengen an; es geht vielmehr um die Ri-iken, die mit dem jeweiligen Stoff verbunden sind.eswegen wollen wir eine entsprechende Umstellung.
Wenn Sie feststellen, es bestehe kein Änderungsbe-arf, es seien schon wesentliche Schritte unternommennd die Bedenken seien aufgenommen worden, dannrage ich Sie, warum sich Kommissar Verheugen fürine Überarbeitung der Chemikalienverordnung einsetzt,m die Regelungen zu entbürokratisieren.
r wird sich schließlich etwas bei diesem Vorschlag ge-acht haben.
Was Ihre Bemerkung angeht, Deutschland sei dereltgrößte Markt für Chemikalien und wer auf diesemarkt vertreten sein wolle, müsse sich entsprechend an-assen, kann ich Sie nur auffordern: Seien Sie vorsichtigit dem, was Sie hier tun! Die Anpassung könnte darinestehen, dass Chemikalien produzierende Betriebe inndere Länder abwandern, in denen der Umwelt- undesundheitsschutz um Längen schlechter ist als bei uns.
as kann nicht in unserem Interesse liegen, weder ausicherheits- und Umweltschutzgründen noch aus ge-undheitlichen Gründen.Deshalb schlagen wir vor: Lassen Sie uns auf eineernünftige Regelung auf europäischer Ebene hinarbei-en, statt durch unsinnige Regelungen die Abwanderungon Betrieben in andere Länder herbeizuführen.Ich komme zum letzten Punkt. Bei der Kostenbelas-ung geht es besonders um die kleinen und mittleren Be-riebe, die mit wenigen Chemikalien arbeiten. Es geht
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Birgit Homburgerweniger um die Großbetriebe, die wahrscheinlich vielender vorgeschriebenen Regelungen gerecht werden kön-nen. Das gilt für die kleinen und mittleren Betriebe abernicht. Wenn Sie diese kaputtmachen, dann zerstören SieArbeitsplätze und sorgen dafür, dass es in Deutschlandweiter bergab geht. Das wollen wir nicht.Wir setzen uns für eine Einheit aus Umwelt- und Ge-sundheitsschutz und der Wirtschaft ein. Das erwartenwir auch von der Bundesregierung, zumal sie diese Ziel-setzung wie eine Monstranz vor sich herträgt.
Zur Erwiderung Frau Vogel-Sperl.
Frau Kollegin Homburger, ich möchte kurz auf die
Prüfanforderungen eingehen. Würden Sie mir zustim-
men, dass die Wirkung von Chemikalien mithilfe solcher
Vergröberungen wie dem Vorschlag von VCI und
CEFIC, dass die Prüfanforderungen grundsätzlich nur
expositionsbezogen sein sollten, äußerst schwer zu er-
mitteln ist und dass auch bestimmte Mindestdaten, die
hinsichtlich der akuten Wirkung erhoben werden müs-
sen, nur schwer zu ermitteln sind? Stimmen Sie mir auch
zu, dass belastbare Einschätzungen der Spätfolgen einer
Chemikalienexposition wie eine Krebs erregende Wir-
kung, die Veränderung des Erbguts, die Verursachung
von Missbildungen im Mutterleib sowie die schädigende
Wirkung der Organe wie Leber und Niere aufgrund der
Mindestdaten nicht möglich sind?
Damit will ich noch einmal deutlich machen, worum
es geht und was künftig notwendig ist, damit REACH
entlang der Kette auch zu den Ergebnissen führt, die mit
seiner Konzeption angestrebt wurden. Diesen Punkt
halte ich für sehr wichtig.
Was die Anhörung im Umweltausschuss betrifft, ha-
ben Sie die Ergebnisse einseitig dargestellt. Die Kosten-
belastung hat Herr Schmitt bereits in seinen Ausführun-
gen erläutert. Deswegen möchte ich nicht mehr
ausführlich darauf eingehen. Aber lassen Sie mich eines
anmerken: Wir alle wollen keine unnötige Bürokratie,
aber wir wollen auch nicht das ursprüngliche Ziel von
REACH gefährden. Wir brauchen keinen Datenfriedhof.
Wir brauchen vielmehr belastbare und aussagefähige
Daten. Sonst können wir uns das ganze Unternehmen
sparen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Bleser von der
CDU/CSU-Fraktion.
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Damit zeigt sich deutlich, wie bei Ihnen Anspruch undWirklichkeit divergieren.
Als tierschutzpolitischer Sprecher meiner Fraktionmuss ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Ein völligerVerzicht auf Tierversuche ist aus heutiger Kenntnis lei-der nicht möglich.
Herr Kollege Bleser, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Vogel-Sperl?
Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende brin-
gen.
Keine Zwischenfrage.
Ich werde Ihnen alles im Laufe meines Vortrages er-klären.Ein völliger Verzicht auf Tierversuche ist – ich sagees noch einmal – nicht möglich. Wir tragen die Verant-wortung, ihre Anzahl auf ein Minimum zu reduzieren.Wir haben uns für die verstärkte Förderung von Alter-nativmethoden ausgesprochen. Unsere Fraktion stelltfolgende vier Forderungen.
Erstens. Die Tierversuche in Bezug auf schon vor1981 in Umlauf befindliche so genannte Altstoffe sind inden meisten Fällen unnötig. Sie sind besonders grausam,weil sie sinnlos sind. In der Regel liegen in der Praxisausreichende Erkenntnisse über die Wirkung dieserStoffe vor.lTaaAUsmttmddwmcvrAduEve–hüdkgKmmT
Drittens. Die Forschung mit dem Ziel, zuverlässigeethodische Alternativen zu Tierversuchen zu entwi-keln, muss intensiviert werden, um die Anzahl der Tier-ersuche wie zu unserer Regierungszeit in den 90er-Jah-en zurückzuführen. Unter Ihrer Verantwortung ist diesenzahl nämlich gestiegen.
Viertens. In einer gemeinsamen Erklärung der Bun-esregierung, des Verbandes der Chemischen Industriend der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie,nergie zur Chemikalienpolitik der Europäischen Unionom August 2003 kommt das Wort „Tierschutz“ keininziges Mal vor.
Ja, jetzt kommen Sie so langsam dahin. Aber wie langeat es denn gedauert, bis diese Bundesregierung dasberhaupt erkannt hat?
Damit wird deutlich, wie die Bundesregierung die Be-eutung des Tierschutzes im Rahmen dieser EU-Chemi-alienverordnung einschätzt. Wir fordern die Bundesre-ierung, insbesondere die dafür zuständige Ministerinünast, auf, die Tierschutzfragen im Zusammenhangit der europäischen Chemikalienpolitik in der Kom-ission aufzugreifen und ein „Massenmassaker“ vonieren zu vermeiden.
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Peter BleserIch appelliere deshalb an Ihr Gewissen: Stimmen Sieunserem Antrag zu! Dann wäre ein erster Schritt fürmehr Tierschutz in der Europäischen Union gemacht.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wilhelm
Priesmeier von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Peter Bleser, ich habe die ganze Zeit ver-sucht, bei dir einen Heiligenschein zu entdecken; aberbei Scheinheiligen ist das offensichtlich nicht möglich.
Ich kann von dieser Stelle aus natürlich nicht nach-vollziehen, in welcher Art und Weise die berechtigtenAnliegen des Tierschutzes und auch die berechtigtenAnliegen all derer, die sich für den Tierschutz aktiv ein-setzen, in dieser Debatte missachtet werden. Man solltenormalerweise nicht so argumentieren, wie Sie es heuteMorgen hier tun.
Ich glaube, im Grundsatz sind wir uns alle in diesemHause über den Stellenwert des Tierschutzes einig.
Ich möchte diese Debatte jetzt nicht dadurch beleben,dass ich an Ihr Verhalten erinnere, als wir den Tierschutzals Staatsziel im Grundgesetz verankert haben.Ihr Anliegen ist natürlich berechtigt. Ich teile IhreEinschätzung, dass die Ansätze in diesem Haushalt zugering sind, gerade wenn man berücksichtigt, dass dieEvaluation von Ersatz für aktuelle Tierversuche natür-lich einer gewissen Zeit bedarf.
Das Entwickeln von Alternativen dauert im Regelfallvier bis fünf Jahre. Bis zur Evaluation dauert es viel-leicht noch länger, bis zu acht Jahre.
Das wissen auch Sie, Frau Kollegin Flachsbarth. Sie sindals Fachkollegin sehr in der Materie.
Es ist letztlich das Verdienst der ZEBET – sie istbeim BfR angesiedelt –,duws–AsuVtgtgnzT2BtsdWnILnEsiPIBDtsr–imo
ass wir in Deutschland in dem Bereich führend sindnd auch in Europa einen wesentlichen Beitrag leisten,odurch schon viele Tierversuche überflüssig gewordenind.
Das ist auch unbenommen. Das ist eine grundsätzlicheusrichtung, die man nur unterstützen kann. Sie habenie gegründet. Wir führen das Ganze erfolgreich fort
nd stellen auch die entsprechenden Haushaltsmittel zurerfügung, damit dort weiter zielgerichtet Forschung be-rieben werden kann.Unbestritten ist auch, dass die Ansätze, die zum Tra-en kommen, und die Größenordnungen, die hier vorge-ragen worden sind, was die Zahl der Tierversuche an-eht, zumindest in dem Bereich, der hier interessant ist,ämlich dem Bereich der Toxikologie, zunächst einmalu relativieren sind. Im Jahr 2002 waren es 2,2 Millioneniere, die in Versuchen eingesetzt worden sind. Im Jahr003 waren es 2,1 Millionen. Davon sind für denereich der Toxikologie – da ist die gesamte Arzneimit-eltoxikologie eingeschlossen – im Rahmen von Zulas-ungsverfahren 178 000 Versuchstiere eingesetzt wor-en.Für die Toxikologie ist es natürlich in besonderereise interessant, auch aus Gründen der Kostenerspar-is, neue Modelle zu entwickeln.
n vielen Bereichen gibt es bereits neue Modelle. DerD-50-Test – das ist Ihnen ja ein Begriff – wird heuteicht mehr angewandt. Die OECD erkennt da bestimmtergebnisse nicht mehr an. Damit ist dieser Test überflüs-ig geworden. Der Draize-Test – Sie kennen ihn; auchch kenne ihn noch aus meiner Praxis im Bereich derharmakologie – ist ebenfalls überflüssig geworden.
n der ZEBET sind bahnbrechende Entwicklungen imereich des Tierversuchsersatzes geleistet worden.
as muss man hier auch einmal würdigen. Für die Leis-ung, die dort erbracht worden ist, muss man den For-chern und der Spitze der ZEBET Dank sagen.
Die Strategie des Tierversuchsersatzes ist zielge-ichtet fortzuführen. Gerade was den Tierschutz angehtda liegt Ihr Antrag gar nicht einmal so weit daneben –,st ein unter Umständen bahnbrechender Ansatz der, mitathematisch-statistischen Verfahren Strukturanalysender entsprechende Wirkungs- bzw. Risikoanalysen
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 161. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2005 15121
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Dr. Wilhelm Priesmeiernachzuvollziehen, die zunächst einmal in der Lage sind,den einen Bereich der Chemikalien von dem anderen zutrennen, nämlich dem Bereich der Chemikalien, dienicht so umweltrelevant und toxikologisch nicht so rele-vant sind,
und letztlich nur die Substanzen einer ausführlichen to-xikologischen Prüfung, auch mittels Tierversuch, zu un-terziehen, die wirklich umweltrelevant und wirklich to-xikologisch relevant sind. Dass Sie sich hier aber zumVertreter der Interessen der chemischen Industrie ma-chen
und das mit dem Anliegen des Tierschutzes verknüpfen,halte ich nicht für richtig.
Wir brauchen für jede Substanz, die produziert wird,auch in Abhängigkeit von ihrem Produktionsvolumen,einen Grunddatensatz. Auf der Grundlage diesesGrunddatensatzes ist dann zu entscheiden, wie man wei-ter verfährt, ob in dieser Substanz ein Risiko steckt, dasweiter geprüft werden muss.Wenn ich das nur expositionsbezogen tue, dann mussich zunächst einmal erfassen – das ist heute Morgenschon vielfach dargestellt worden –: Wer ist überhauptexponiert? Wenn man diesen Ansatz fährt, der unter Um-ständen nicht ganz so irrelevant ist, wenn es um Einzel-substanzen geht, vor allem um Substanzen, die in gerin-geren Mengen produziert werden als die, die nach denbisherigen Kriterien zu prüfen sind, vor allem wenn sieunter Verbraucherschutzaspekten relevant sind, ist da-rauf hinzuweisen, dass es in diesem Bereich meiner Ein-schätzung nach bei den bisherigen Vorgaben vonREACH unter Umständen noch die eine oder andere Lü-cke gibt.
Das werden auch Sie natürlich aus den Stellungnahmendes BfR zur Kenntnis genommen haben.In der Studie, die das BfR vorgelegt hat, geht es umGrößenordnungen von maximal 45 Millionen und mini-mal 7,5 Millionen. Das ist die Aussage.
– Das ist die Aussage des BfR, was die Zahlen und Grö-ßenordnungen angeht. Andere Studien kommen zu ande-ren Ergebnissen. Insgesamt kann man sagen, dass dieStudie, was die Aussagekraft bezüglich der Versuchs-tiere angeht, bis zu einem gewissen Grade, aber nicht inGänze belastbar ist. Niemand ist heutzutage in der Lage,aufgrund der Vorgaben eine konkrete Angabe darüber zumswvwzFIAcmwetrZDsDfvsAFss
Dass REACH von Ihnen nicht mehr infrage gestelltird, ist eine Entwicklung, die wir hier in diesem Hauseon unserer Seite in besonderer Weise begrüßen. Icharne davor, den Tierschutz in diesem Zusammenhangu missbrauchen.
ühren Sie also bitte hier keine Stellvertreterdebatte imnteresse der chemischen Industrie.
Ich glaube, wir brauchen zielgerichtete Ansätze. Allelternativmethoden sparen nämlich Kosten in erhebli-hem Umfang. Da ist es angezeigt, im Zusammenwirkenit der chemischen Industrie und mit den vorhandenenissenschaftlichen Instituten, dem BfR und der ZEBET,ine gemeinsame Strategie zu verfolgen und durch Un-erstützung entsprechender Modelle die Forschung vo-anzubringen. Das spart zum einen beiden Seiten Kosten.um anderen erspart es den Versuchstieren viel Leid.as ist ein konkreter Ansatz, den auch Sie unterstützenollten.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 15/4656 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungo beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten GudrunKopp, Rainer Brüderle, Dr. Andreas Pinkwart,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPAnpassungsgeld für Arbeitnehmer des Stein-kohlenbergbaus an die vergleichbaren Rege-lungen der Arbeitnehmer anderer Branchenangleichen– Drucksache 15/3722 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieDP fünf Minuten erhalten soll. Gibt es dagegen Wider-pruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be-chlossen.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsIch eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-nerin das Wort der Kollegin Gudrun Kopp von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Wir
sprechen heute wieder einmal über das Thema der mit
den Steinkohlensubventionen verbundenen Auswirkun-
gen. Wir wissen ja alle – die FDP-Bundestagsfraktion
hat das hier schon wiederholt bemängelt –, dass die rot-
grüne Bundesregierung eine Anschlussregelung für die
weitere Subventionierung eines Industriezweiges aus der
Vergangenheit, der auch in Zukunft nicht wettbewerbsfä-
hig sein wird, nämlich die Förderung der deutschen
Steinkohle, vereinbart hat. Von 2005 bis 2012 sollen
weitere 16 Milliarden Euro an Subventionen gezahlt
werden, und das vor dem Hintergrund der Haushaltslage,
der allgemeinen Wirtschaftslage und der dringend nöti-
gen Investitionen in Bildung und Innovationen. Das fin-
den wir in der Tat unmöglich.
Es kommt aber noch schlimmer. Im Rahmen der im
Zuge von Hartz IV beschlossenen Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe, der wir im Grundsatz zu-
gestimmt haben, gibt es eine weitere Privilegierung ei-
nes Berufszweiges, nämlich des Berufszweiges der
Bergleute. Während Hunderttausenden von Menschen
Einschnitte nach Hartz IV zugemutet werden, ist vorge-
sehen, eine Gruppe auszunehmen. Hier wird also ganz
klar Klientelpolitik gemacht. Auf der einen Seite hat die
Bundesregierung im Rahmen der Anpassungsmaßnah-
men im Zuge von Hartz IV die so genannte 58er-Rege-
lung aufgekündigt. Diese Vorruhestandsregelung sah
vor, dass Menschen jenseits der 58, die bereit waren, ge-
genüber der BA zu erklären, dass sie auf eine weitere
Jobvermittlung verzichten, garantiert wurde, dass sie Ar-
beitslosenhilfe bis zum Rentenbeginn bekommen. Die-
ser Personengruppe von ungefähr 400 000 Menschen
zum Beispiel werden nun schmerzliche Einschnitte zu-
gemutet. Auf der anderen Seite wird den von mir eben
genannten Bergleuten weiterhin aus staatlichen Kassen
ein Anpassungsgeld gezahlt: Zwei Drittel davon trägt
der Bund und ein Drittel davon tragen die Kohleländer
Saarland und NRW. Das stellt eine klare Ungleichbe-
handlung dar.
Allein für das Jahr 2004 ist im Haushalt von Minister
Clement hierfür ein Sollansatz von 120 Millionen Euro
vorgesehen. Hinzu kommen noch einmal Bundeszu-
schüsse an die Knappschaft, sodass es, bezogen auf das
Jahr 2003, einen Gesamtzuschuss des Bundes zulasten
der Steuerzahler in Höhe von 316 Millionen Euro gege-
ben hat.
Das, meine sehr geehrten Herren und Damen, nennen
wir als FDP weder gerechtfertigt noch gerecht.
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amit Sie diese Problematik besser nachvollziehen kön-en, will ich dabei einmal näher auf den kohlepoliti-chen Hintergrund eingehen.Im Rahmen der Anschlussfinanzierung der Steinkoh-enbeihilfen ab 2006 soll die Förderung von derzeit6 Millionen Tonnen auf 16 Millionen Tonnen in 2012bgesenkt werden. Dies ist mit einem Abbau von über
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 161. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2005 15123
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Wolfgang Grotthaus16 000 Arbeitsplätzen verbunden, und dies nur in einerbegrenzten Region, im Steinkohlenbergbau.
Um Sozialverträglichkeit sicherzustellen, sollen die Re-gelungen zum APG, also dem Anpassungsgesetz, bis2012 verlängert werden; dabei sollen die Frühverren-tungen der Bergleute an den allgemeinen Bedingungenausgerichtet werden. Darauf werde ich gleich noch nähereingehen. Dies ist aus Gründen der Sozialverträglichkeitnötig und auch aus energiepolitischen und rohstoffpoliti-schen Gründen sinnvoll.Das APG hat sich seit 1972 als Instrument bewährt;es dient der sozialen Flankierung des personellen Anpas-sungsprozesses im deutschen Steinkohlenbergbau. Eswurde im Übrigen nie – ich sage noch einmal: nie – in-frage gestellt, auch nicht von den FDP-Wirtschaftsminis-tern, etwa 1991 von Herrn Möllemann oder 1997 vonHerrn Rexrodt. Damals wurde die Geltungsdauer desAPG verlängert, und dies aus gutem Grund. Ich sageauch an die Adresse derjenigen Kolleginnen und Kolle-gen, die dieser Debatte aufmerksam zuhören: Politikmuss auch in den Zeiten, in denen man selber in der Op-position ist, verlässlich bleiben. Dies gilt insbesonderefür Sie, meine Damen und Herren von der FDP.
Darüber hinaus werden die neuen APG-Richtlinien ab2006 unter anderem auch Elemente enthalten, in denenbereits Forderungen nach einer Angleichung an die all-gemeinen Regelungen berücksichtigt werden.
Ich will dies hier nennen: Alle Änderungen, die sich ausder veränderten Rentengesetzgebung ergeben, fließenautomatisch in die Leistungsberechnung ein. Mit demGeburtsjahrgang 1952 ist eine Inanspruchnahme derRente ab dem 62. Lebensjahr nur noch mit 10,8 ProzentRentenkürzung möglich. Damit verschiebt sich für dieÜbertagebeschäftigten der Eintritt in das APG auf das57. Lebensjahr.Der Beitrag zur Krankenversicherung wird ab2006 für neue APG-Empfänger nicht mehr voll erstattet.Der Beitragspflichtige muss sich, wie andere auch, dannmit 50 Prozent am Krankenversicherungsbeitrag beteili-gen.Der Entwurf der APG-Richtlinie befindet sich zurzeitin der Ressortabstimmung und wird dann mit den Berg-bauländern beraten.
Die vorgesehenen Veränderungen werden von Arbeitge-ber- und Arbeitnehmerseite – hören Sie genau zu, FrauKopp – mitgetragen.sgRfmpbbSEkFavwllDürrnhbahsBdnAzukhvZdf
as scheint mir nicht zu Ende gedacht; denn ich binberzeugt, dass Ihnen die Entwicklungen auf den Welt-ohstoffmärkten durchaus bekannt sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, mit Ih-em Antrag verkennen Sie völlig, dass es sich beim APGicht um einen Bestandteil der Arbeitsmarktreformenandelt. Die Arbeitsmarktreformen sollen vorrangig Ar-eitslose wieder in Arbeit bringen. Dies trifft aber nichtuf die älteren Bergleute zu. Ich wiederhole: Beim APGandelt es sich um ein bewährtes Instrument, um einenozialverträglichen Personalabbau zu garantieren. Dieergleute sind nicht arbeitslos. Sie machen aus der Soli-arität für ihre Nachfolger – ihre Kinder, die junge Ge-eration – heraus ihre vom Grundsatz her sehr sicherenrbeitsplätze frei und verzichten auf erhebliche finan-ielle Mittel.Ich fasse zusammen: Ihr Antrag hält einer Prüfungnter den Gesichtspunkten sowohl der Sozialverträglich-eit als auch der Energiepolitik nicht stand und ist des-alb abzulehnen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Imusammenhang mit dem deutschen Steinkohlenbergbau,en die FDP in ihrem Antrag thematisiert, gibt es zwei-ellos viele Wahrheiten. Wahr ist, dass es für die aus dem
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Dr. Ralf BrauksiepeBergbau ausscheidenden Kumpel in unserem Land tradi-tionell gute Regelungen im Vergleich zu anderen Bran-chen gibt.
Wenn Sie aus einer Kohleregion stammen, dann wissenSie allerdings auch, dass zur Wahrheit gehört, dass diesseine guten Gründe hat; denn unsere Bergleute habennach dem Zweiten Weltkrieg durch ihre schwere Arbeitmit erheblichen gesundheitlichen Belastungen einen un-verzichtbaren, großen Beitrag zum Wiederaufbau unse-res Landes, und zwar nicht nur der Bergbauregionen, ge-leistet.
Wahr ist auch, dass man – entsprechend war die Poli-tik CDU/CSU-geführter Bundesregierungen – allein mitdem Hinweis auf Verdienste der Vergangenheit be-stimmte Strukturen natürlich nicht unendlich lange fort-bestehen lassen kann. In den Bergbauregionen hat es ei-nen Strukturwandel gegeben und wir als Union habenimmer gesagt, uns wäre es lieber, er wäre schneller vo-rangegangen; das ist uns auch für die Zukunft wichtig.Wahr ist aber auch, dass man vor diesem Hintergrundmit Recht die Frage stellen kann, ob die Bundesregie-rung gut beraten war, angesichts der durch ihre Politikherbeigeführten katastrophalen allgemeinen wirtschaft-lichen Lage noch im November 2003 einen Finanzrah-men für das Anpassungsgeld für Arbeitnehmer desSteinkohlenbergbaus in dem Umfang zuzusagen, in demsie es – trotz der von der FDP angesprochenen Regelun-gen für Arbeitnehmer anderer Branchen – getan hat.Genauso gehört zur Wahrheit, dass die rot-grüne Bun-desregierung diese Regelung nun einmal getroffen hatund dass bei allen auf die Zukunft gerichteten Überle-gungen der Satz gelten muss, dass einmal geschlosseneVerträge einzuhalten sind. Das gilt nicht nur für die spe-zielle Frage des Anpassungsgeldes für Bergleute, son-dern auch für die gesamte deutsche Steinkohlenpolitik.Vor diesem Hintergrund hat die Unionsfraktion auch im-mer zu den im Jahre 1997 im Steinkohlenkompromissgetroffenen Vereinbarungen gestanden.Wenn Wirtschaftspolitik einen Rahmen setzen soll– das ist genau das Credo der Ordnungspolitik –, dannmuss dieser Rahmen natürlich auch verlässlich sein,dann kann man ihn nicht bei der erstbesten Gelegenheit,kaum dass er verabredet worden ist, infrage stellen. Dasgilt für den Bergbau genauso wie für die Post oder fürandere Bereiche, in denen Anpassungsregelungen ein-mal vereinbart worden sind.
Wahr ist auch, dass es bei dem hier in Rede stehendenAnpassungsgeld der Arbeitnehmer des Steinkohlenberg-baus um eine Regelung geht, die es seit 1972 gibt. Die-ses Anpassungsgeld hat sich als Instrument zur sozialenFlankierung des Anpassungsprozesses im deutschenSteinkohlenbergbau im Grundsatz bewährt.enllwDiSBNlFhSwvnestIbnbNfLAgsidsNHWffdi
eitdem gehen die Produktion und die Beschäftigung imergbau zurück.
iemand hat seit 1958 in Deutschland länger regiert undänger Steinkohlenpolitik gemacht als Sie von der FDP-raktion. Das sage ich unabhängig davon, wie man in-altlich zu dieser Politik stehen mag.Es drängt sich natürlich schon der Eindruck auf, dassie sich ein wenig in der Rolle des Konvertiten, der,enn er erst einmal konvertiert hat, dann – getriebenom schlechten Gewissen – besonders radikale, abericht unbedingt sachgerechte Vorschläge macht.
Das waren meine Vorbemerkungen. Jetzt will ich aufinzelne Punkte eingehen, die Sie in Ihrem Antrag an-prechen.Sie sprechen beispielsweise davon, dass die Beschäf-igten des Steinkohlenbergbaus von den mit der Hartz-V-Reform verbundenen Einschnitten verschont blei-en. Ich will in diesem Zusammenhang nur daran erin-ern, dass wir Hartz IV nie als Instrument gesehen ha-en, um Menschen zu ärgern oder zu drangsalieren.atürlich haben wir uns durchgerungen, Menschen Op-er zuzumuten. Aber es ging uns bei Hartz IV in ersterinie darum, arbeitslose Menschen schneller wieder inrbeit zu bringen, als es bisher gelungen ist.Dass das seit dem In-Kraft-Treten der Reform nichtelungen ist, hängt natürlich mit der desaströsen Wirt-chafts- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierungnsgesamt zusammen. Diese Politik hat dazu geführt,ass sinnvolle Maßnahmen der letzten Jahre – wir habenie deshalb mitgetragen, weil für uns die Vorteile dieachteile überwogen haben; ich nenne als Stichwortartz II und Hartz IV – insgesamt durch eine falscheirtschaftspolitik konterkariert worden sind. Das ist ein-ach die Wahrheit im Zusammenhang mit Hartz IV.Nun ist natürlich auch richtig, dass das 1972 einge-ührte Anpassungsgeld für Bergleute nie in erster Linieem Zweck gedient hat, ausscheidende ältere Bergleuten eine andere Beschäftigung zu bringen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 161. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2005 15125
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Dr. Ralf BrauksiepeSie verwechseln hier ein wenig Äpfel mit Birnen.
Sie weisen in Ihrem Antrag darauf hin, dass die Bun-desknappschaft den Bergleuten Leistungen gewährt, diediese nur zum Teil über Sozialversicherungsbeiträgefinanzieren. Das ist nun in der Tat eine unbestreitbareAussage, die für die Knappschaftsrentner genauso gültigist wie für alle anderen Rentner, die aus der gesetzlichenRentenversicherung – es gibt einen hohen Bundeszu-schuss – Leistungen beziehen. Angesichts der Tatsache,dass auf einen aktiven Bergmann statistisch etwa fünfRentner kommen, ist selbstverständlich klar, dass dieserBergmann mit seinem Sozialversicherungsbeitrag nichtallein für diese Rentner aufkommen kann.Sie sagen in Ihrem Antrag auch, dass Sie zu einer so-zialverträglichen Regelung kommen wollen. Das ist na-türlich die Quadratur des Kreises. Sie stellen nämlich dieeinmal getroffenen Regelungen infrage und wollengleichzeitig neu verhandeln, um auf andere Weise zu ei-ner sozialverträglichen Regelung zu kommen. Sie müss-ten dazu nicht nur das Ei des Kolumbus finden, sondernes müsste Ihnen auch die bekanntermaßen unmöglicheQuadratur des Kreises gelingen.Ich will in diesem Zusammenhang nur noch daraufhinweisen, dass Änderungen, die sich aus der veränder-ten allgemeinen Rentengesetzgebung ergeben, mittler-weile automatisch in die Leistungsberechnung für dasAnpassungsgeld einfließen. Als Beispiel nenne ich denWegfall von Ausbildungsanerkennungszeiten oder will-kürliche Nullrunden bei der Rentenanpassung, die dieBundesregierung den Rentnern allgemein beschert hat.Von daher ist die Behauptung, dass die Bergleute vonden Folgen der allgemeinen katastrophalen rot-grünenWirtschaftspolitik ausgenommen werden, allenfalls be-grenzt richtig.
Um die Situation, dass man die Quadratur des Kreisesnicht erfolgreich schaffen kann, zu erkennen, genügt imÜbrigen ein Blick in die Presselandschaft dieser Tage.Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ sprach vorges-tern von einem neuen Kraftakt im Kohlenbergbau. Die„FAZ“, eigentlich bekannt dafür, ordnungspolitisch Kurszu halten, spricht in ihrer gestrigen Ausgabe von einem„beispiellosen Sozialpakt in der deutschen Steinkohle“.Sie weist darauf hin, dass durch den Verzicht der gesam-ten Belegschaft im deutschen Steinkohlenbergbau zu-nächst 1 300 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Zu diesemSozialpakt mit einem Volumen von insgesamt140 Millionen Euro, so schreibt die „FAZ“, würden al-lein die Mitarbeiter durch Lohnverzicht und andereMaßnahmen 110 Millionen Euro beitragen.
Dies dient der von Ihnen geforderten sozialverträglichenRegelung, die für den deutschen Steuerzahler im Übri-gsEdgZPddvrdbASfssulhddthtwhuE–LsiFsKEiDEvEcs
Ich habe zu Beginn meiner Rede darauf hingewiesen,ass mit dem Verweis auf Leistungen des Bergbaus iner Vergangenheit selbstverständlich nicht sämtlicheom Bergbau für die Zukunft gewünschten Hilfen ge-echtfertigt werden können. Deswegen hat sich geradeie CDU in Nordrhein-Westfalen auf einen Weg bege-en, der den Bergleuten keine populären, aber ehrlichentworten im Hinblick auf die Zukunft des deutschenteinkohlenbergbaus gibt.Dazu gehört für uns die Halbierung der Steinkohlen-örderung bis zum Jahre 2010. Die von Rot-Grün vorge-ehene geringere Kürzung der Förderung reicht aus un-erer Sicht nicht aus; denn die damit im Vergleich zunserem Vorschlag verbundenen zusätzlichen finanziel-en Belastungen sind mit den Grundsätzen einer nach-altigen Finanzpolitik nicht vereinbar und insbeson-ere der zukünftigen Generation nicht zumutbar. Auchas gehört zur Wahrheit: Es gibt in der Steinkohlenpoli-ik kein ausschließliches Schwarz-Weiß.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ichoffe sehr, dass es uns in Zukunft, gerade in den nächs-en Monaten, gelingt, die großen Gemeinsamkeiten, dieir auf dem großen Gebiet der Energiepolitik insgesamtaben, wieder in den Vordergrund zu stellen. Wir sindns ja einig, was die hauptsächlichen Probleme unserernergiepolitik sind.
Das Hauptproblem ist doch, dass wir es uns in einemand, in dem es zu Recht hohe Löhne und umfangreicheoziale Leistungen gibt, auch noch leisten, durch einedeologisch-motivierte und vollkommen überzogeneörderung erneuerbarer Energieträger, durch den Aus-tieg aus unserer Spitzentechnologie im Bereich derernkraft und durch viele andere Maßnahmen mehr dienergie in Deutschland künstlich teuer zu machen. Dasst doch das Hauptproblem in der Energiepolitik ineutschland.
s bringt uns, glaube ich, nicht weiter, wenn wir alleom Energiemix reden und sich jeder seinen eigenennergiemix gestaltet: Rot-Grün unter Stilllegung der si-hersten Kernkraftwerke der Welt, Sie mit einem Ab-turz im Bereich der Kohlepolitik, mit einer Tabula rasa
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15126 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 161. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2005
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Dr. Ralf Brauksiepegegenüber Regelungen, die niemand so lange politischgeprägt hat wie Sie selber. Das hat nichts mit einemsinnvollen Energiemix zu tun.Wir geben inzwischen für die Kohle weniger Geld ausals für die Förderung erneuerbarer Energien. Esspielt dabei gar keine Rolle, ob die Belastungen dieSteuerzahler oder die Verbraucher treffen. Dies alles sindletztlich Belastungen, die unsere Wirtschaft treffen, diedie wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land lähmenund die angesichts der unvermeidbaren Kostenbelastun-gen und der Wettbewerbsprobleme, die wir im Vergleichzum europäischen und außereuropäischen Ausland ha-ben, nicht zu rechtfertigen sind.Hinzu kommt natürlich, dass die Kostenbelastungen,die der Steinkohlenbergbau verursacht, unstrittig herun-ter- und nicht hinaufgehen. Die in anderen Bereichenideologisch-motivierte und total überzogene Förderpoli-tik, die die Energiepreise künstlich hochtreibt, sind dasHauptproblem unserer Energiepolitik. Kollege Laumannhat darauf in einer wirtschaftspolitischen Debatte in allerDeutlichkeit hingewiesen; daran kann ich nur noch ein-mal erinnern.
Herr Kollege Brauksiepe, erlauben Sie eine Zwi-
schenfrage der Frau Kollegin Kopp?
Bitte.
Bitte schön, Frau Kopp.
Herr Kollege, vielen Dank dafür, dass Sie diese Frage
zulassen. – Wir sind uns sicher einig darin, dass wir die
Kohle in Zukunft im Energiemix erhalten wollen. Das
will auch die FDP. Auch Sie wissen wahrscheinlich, dass
beispielsweise die heimische Braunkohle komplett wett-
bewerbsfähig ist.
Sind Sie bereit, mir zuzustimmen, wenn ich sage, dass
man vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die deut-
sche Steinkohle nicht wettbewerbsfähig ist, unsere Koh-
lekraftwerke mit Importkohle sehr viel kostengünstiger
befeuern kann? Ihre Argumentationslinie – Sie haben
ausgeführt, wir benötigten die teure, nicht wettbewerbs-
fähige deutsche Steinkohle, um unsere Kraftwerke mit
Steinkohle zu bestücken – ist nicht unser Argumenta-
tionsansatz. Natürlich brauchen wir die Steinkohle, aber
nicht die teure heimische. Wir wollen stattdessen Im-
portkohle, die nicht subventioniert wird und keine hohen
Kosten verursacht.
Ich bin zunächst Ihrer Meinung, dass zu einem Ener-
giemix in Deutschland auch die Braunkohle gehört. Ich
verkenne jedoch nicht die umweltpolitischen Probleme,
die damit verbunden sind. Es wird keinen Königsweg
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as ändert natürlich überhaupt nichts daran, dass wir
en sozialen Anpassungsprozess, den wir vor Jahrzehn-
en eingeleitet haben, fortführen sollten. Ich bestreite gar
icht, dass die deutsche Steinkohle auch bei den heute
ültigen Energiemarktpreisen teurer ist als Importkohle.
ie wissen, dass wir in Deutschland bereits Importkohle
erwenden. Genauso verwenden wir heimische Stein-
ohle. Das alles gehört zu einem sinnvollen Energiemix.
enn wir von einem sinnvollen Energiemix sprechen,
einen wir nicht nur einen Energieträger und schließen
ndere aus, sondern dann beziehen wir uns auf den ge-
amten Energiemix. Darin unterscheiden wir uns.
Unabhängig davon haben wir in der Energiepolitik, in
er Analyse der verheerenden Konsequenzen einer ideo-
ogisch verfehlten rot-grünen Energiepolitik sehr viel
bereinstimmung. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingen
ird, uns in den kommenden Wochen und Monaten die-
en Gemeinsamkeiten wieder verstärkt zuzuwenden. Ich
edanke mich für den Dialog, den wir fast während mei-
er gesamten Redezeit in diesem Kreis geführt haben.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Michaele
ustedt vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrrauksiepe, im Großen und Ganzen fand ich Ihre Redeehr gut; aber einen Punkt möchte ich herausgreifen. Derergleich zwischen den erneuerbaren Energien und dereutschen Steinkohle hinkte,
ie Steinkohle ist ein Energieträger der Vergangenheit,ie erneuerbaren Energien sind die Energieträger der Zu-unft. Das sieht sogar die von Ihnen zitierte „FAZ“ so,ie davon spricht, dass die Kosten, die bei den erneuer-aren Energien aufgebracht werden müssen, notwendigind, um zukunftsfähig zu werden. Das konnten Sie ges-ern in der „FAZ“ nachlesen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 161. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2005 15127
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Michaele HustedtFrau Kopp, es wäre besser gewesen, Sie hätten IhreRede zu Protokoll gegeben; am besten wäre es gewesen,Sie hätten Ihren Antrag zurückgezogen.
Es ist bekannt, dass die SPD und wir in der Frage, obes einen dauerhaften Steinkohlensockel geben soll odernicht, nicht einer Meinung sind. Ich halte auch die Koks-kohle nicht für wettbewerbsfähig, da man in Australiendie Kokskohle über Tage abbauen kann.
Das Problem liegt dabei nicht in der Förderung, sondernim Transport. Aber dieses Problem wird sich regeln las-sen.Darüber, dass wir einen sozial verträglichen Struktur-wandel wollen und auch zu gegebenen Versprechen ste-hen wollen, sind sich anscheinend mit Ausnahme IhrerFraktion alle Fraktionen hier im Hause einig. Sie stehenmit Ihrer Ansicht allein da. Natürlich muss man in Zei-ten, in denen man den Bürgern durch Hartz IV und an-dere Reformanstrengungen einiges zumutet, auch dieseRegelungen auf den Prüfstand stellen. Aber aufgewacht,liebe FDP, das haben wir auch gemacht. Das wurde hierbereits mehrfach ausgeführt.
Die Bedingungen der Frühverrentung werden sich zu-künftig an den allgemeinen Veränderungen orientieren.Das war Teil des Steinkohlenkompromisses,
den SPD und Grüne beschlossen haben. Die Regelung indieser Form wird keinen Bestand haben, stattdessen wirddie Richtlinie angepasst.Natürlich – das bezieht sich auf den aktuellen Haus-halt – kann man die Bedingungen nicht nachträglich fürdie Menschen ändern, die die Regelung in Anspruch ge-nommen haben. Schließlich haben sie ihren Arbeitsplatzaufgegeben und sind in Rente gegangen. Das ist dochvöllig klar. Das wäre doch unverantwortlich.
Natürlich muss man zwischen den Menschen, die un-ter Tage arbeiten, und denen, die in einem Büro als Sach-bearbeiter arbeiten, unterscheiden. Aber wir haben – daswurde schon gesagt – die Frühverrentungsregelungen fürbeide Gruppen im Sinne der allgemeinen Frühverren-tungsregelungen nach oben angepasst: für diejenigen,die unter Tage arbeiten, auf 52 Jahre, und für alle ande-ren auf 57 Jahre. Dann bekommen sie fünf Jahre langAnpassungsgeld, danach verminderte Rentenbezüge.Das haben wir analog zu allen anderen Branchen gere-gelt; hier gibt es keinen Unterschied.sBdsDdLWmKfnbKgrnlltazdcsofnwns–sBggkbmBv
ass ein Unterschied zwischen dem einen und dem an-eren System besteht, hat auch damit zu tun, dass wir dieeistungen in diesem Bereich radikal abgebaut haben.ährend im allgemeinen Rentensystem zwei Arbeitneh-er für einen Rentner zahlen, zahlt im System dernappschaft ein Arbeitnehmer für sechs Rentner.
Frau Kollegin Hustedt, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Lammert?
Ja.
Herr Lammert, bitte.
Frau Kollegin Hustedt, ist es nicht ein Gebot der Fair-ess gegenüber allen, die an diesem Thema Interesse ha-en – damit meine ich nicht nur die hier anwesendenolleginnen und Kollegen, sondern auch die in ver-leichbaren Branchen unmittelbar Betroffenen –, einzu-äumen, dass es für den Anpassungsprozess im Bergbaueben Regelungen, die analog zu allgemeinen gesetz-ichen Bestimmungen getroffen wurden, in der Tat privi-egierte Regelungen gibt, die mit hohen öffentlichen Mit-eln ermöglicht werden, dass wir diese Sonderregelungenber aus guten Gründen über viele Jahre hinweg finan-iert haben und wir uns vermutlich wünschen würden,ass der Strukturwandel in anderen Branchen auf ähnli-he Weise hätte flankiert werden können, wie es in die-em Bereich möglich war, und dass insofern die Frage,b wir dies im Kontext stattgefundener Veränderungenür eine nicht definierte Dauer in Zukunft fortsetzen kön-en, legitim ist?Unsere Position wäre glaubwürdiger, wenn wir sagenürden: Wir müssen an allen Stellen, auch an dieser, neuachdenken: nicht nur darüber, was wünschenswert ist,ondern auch darüber, was möglich ist. Aber in der Tatdas hat Kollege Brauksiepe gerade deutlich gemacht –ollte man nicht ausgerechnet in einer Phase, in der dieetroffenen ganz ungewöhnliche zusätzliche Anstren-ungen unternehmen und auf Einkommen und Versor-ungsansprüche verzichten müssen, einen solch bemer-enswerten Konsens, der auch für andere Brancheneispielhaft sein könnte, mutwillig gefährden, indeman sie mit der Botschaft konfrontiert, dass sich dieundesregierung in dieser Situation von ihren eigenen,erbindlichen Zusagen zurückzieht.
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15128 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 161. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2005
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Dr. Norbert Lammert
Ich kann Ihnen nur zustimmen. Wir stehen zur Anpas-
sungsregelung.
Wir haben gesagt – hier befinde ich mich mit meiner
Position, wie übrigens auch Sie, zwischen jener der FDP
und der Ihrer Partei –, dass wir nicht alles beim Alten
gelassen haben. Vielmehr haben wir, weil neue Zeiten
angebrochen sind, allen ein bisschen mehr zugemutet.
Dementsprechend haben wir auch die Regelungen zum
Anpassungsgeld verändert und zum Beispiel den Zeit-
punkt, ab wann jemand Anpassungsgeld bekommt, nach
hinten verschoben.
Wir machen hier zwar nicht Tabula rasa; aber wir haben
Veränderungen vorgenommen, die den neuen Rahmen-
bedingungen Rechnung tragen.
Von daher sage ich Ihnen: Teilweise stimme ich Ihnen
zu; aber teilweise sind wir in dieser Frage weiter als Sie.
Wir wollen gemeinsam mit der SPD modernisieren und
uns der Zeit anpassen.
Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass das, was
die FDP fordert, zum Teil schon geschehen ist. Dafür
kann ich Ihnen ein weiteres Beispiel nennen: die Kran-
kenversicherungsbeiträge. Künftig werden zum Kran-
kengeld Zuschüsse in Höhe von nur 50 Prozent nötig.
Auch die neuen Regelungen zum Zahnersatz und die
Anpassungen in der Pflegeversicherung werden eins zu
eins übernommen. Hier besteht überhaupt kein Unter-
schied zwischen den Kohlekumpels und allen anderen
betroffenen Bürgern.
Insgesamt muss man sagen: Wir reduzieren die Jah-
resproduktion bis zum Jahr 2012 von 26 Millionen Ton-
nen auf 16 Millionen Tonnen. Wir schließen fünf von
zehn Zechen,
darunter auch das Bergwerk Walsum. Erstmals werden
auch ökologische und volkswirtschaftliche Folgeschä-
den berücksichtigt. So haben wir eine Zeche, die sich un-
ter dem Rhein befand und in der gebaggert wurde, früher
geschlossen;
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Ja, natürlich: Wie gesagt, man kann Verträge nicht von
inem Tag auf den anderen auflösen,
ondern man muss es so machen, dass die Branche damit
mgehen kann. Das ist eigentlich eine Selbstverständ-
ichkeit in der Politik; alles andere wäre unverantwort-
ich.
ir sind auf dem Pfad des Ausstiegs aus der Subvention
er Steinkohle und wir werden diesen Pfad weiter be-
chreiten.
Danke schön.
Die Rede des Kollegen Rolf Hempelmann von der
PD-Fraktion wird krankheitsbedingt zu Protokoll ge-
ommen; ich denke, Sie sind damit einverstanden.1)
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/3722 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen
undestags auf Mittwoch, den 9. März 2005, 13 Uhr,
in.
Die Sitzung ist geschlossen.