Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 149. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Luetkens, Görlinger, Dr. Greve, Giencke, Huth, Mayer , von Aretin und Cramer. Für längere Zeit sticht um Urlaub nach der Abgeordnete Morgenthaler, und zwar für zwei Wochen wegen Krankheit.
Die amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Mai 1951 die Anfrage Nr. 165 der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und und Genossen betreffend Verwendung von Besatzungskosten, Bau' einer Kegelbahn in Garmisch-Partenkirchen durch die amerikanische Besatzungsmacht — Drucksache Nr. 1989 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2317 vervielfältigt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 7. Juni 1951 die Anfrage Nr. 181 der Fraktion der SPD betreffend Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten — Drucksache Nr. 2188 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2318 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, wir hatten uns gestern darüber verständigt, daß heute die Punkte 6 und 7 der gestrigen Tagesordnung erledigt werden sollten und daß wir um 11 Uhr die beiden Abstimmungen, die wir gestern zurückgestellt hatten, vornehmen wollten.
Ich darf also zunächst den Punkt 6 der gestrigen Tagesordnung aufrufen:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend deutsche Hilfe gegen die Hungerkatastrophe in Indien .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit, falls sie benötigt werden sollte, von 40 Minuten vor.
Zur Begründung des Antrags hat Frau Abgeordnete Meyer-Laule das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag auf Drucksache Nr. 2265 könnte bei oberflächlicher Betrachtung angesichts der Millionen Deutscher, für die die Not noch nicht überwunden .ist, auf Widerspruch stoßen. Es ist aber eine alte Erfahrung aus der Sozialarbeit, daß der Ärmste immer das größte Verständnis für die Not des andern Armen hat. Unser Volk weiß wie kaum ein anderes, wie weh der Hunger tut, und weiß auch, daß nur die Humanität und Nächstenliebe den Hunger in Deutschland bezwungen haben. Menschen in aller Welt haben sich unser erbarmt, und viele deutsche Mütter verdanken die Erhaltung ihrer Kinder der Großzügigkeit und Liebe fremder Mütter, die geholfen haben, diese furchtbare Not zu überwinden. Wir haben den Spendern immer Dankgesagt, und heute wollen wir ihn durch ein Opfer bekunden.
Wir wissen, daß die indische Regierung die durch eine Naturkatastrophe entstandene Krise überwinden wird; und nur aus dem Solidaritätsgedanken der Notgemeinschaft ist unser Antrag ent-
standen. Wir können auch nicht zum täglichen Brot der indischen Bevölkerung beitragen. Wir können nur versuchen, durch Lieferungen von Medikamenten — ich denke dabei auch an Traubenzucker — die in Indien entstandene von Hunger und Elend begleitete Krise überwinden zu helfen. Wenn unser Beitrag auch nicht ausreicht, allen Anforderungen gerecht zu werden, wäre es für uns doch beglückend, au wissen, daß eine deutsche Medikamentenhilfe einigen Tausend indischer Kinder Heilung gebracht hat.
Ich hoffe und wünsche, meine Damen und Herren, daß ich auch in Ihrem Namen spreche, wenn ich die Regierung bitte: Gebt rasch, so gebt ihr doppelt!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pfleiderer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich begrüßen den Antrag, der von der Fraktion der SPD eingebracht worden ist. Ich würde wünschen, daß alle Parteien dieses Hohen Hauses in diesem Punkte einer Meinung wären.
Wenn wir von Indien sprechen, dann werden bei uns ja nicht nur verstandesmäßige Überlegungen ausgelöst, sondern auch sehr starke Gefühle, und zwar zunächst einmal Gefühle der Bewunderung für den politischen Weg, den Indien im Laufe der letzten Jahre durchmessen hat. Gefühle der Bewunderung werden für die außerordentlichen Persönlichkeiten geweckt, die das neueIndien geschaffen haben. Ich brauche nur den Namen Gandhi oder die Namen des Präsidenten Prasad oder des Ministerpräsidenten und Außenministers Nehru zu nennen, Männer, die alle ihre Namen in das Buch der Geschichte eingeschrieben haben.
Das neue Indien ist von dem Augenblick an, in dem es seine Selbständigkeit erlangt hatte, vor große Probleme gestellt worden, zunächst einmal vor Probleme außenpolitischer Art als Mittlerin zwischen Ost und West, als die zentrale Macht Asiens, die durch unendlich viele Bande, auch durch die Zugehörigkeit zum britischen Commonwealth, mit Europa verbunden ist. Und Indien ist vor soziale Probleme ganz außerordentlicher Art gestellt worden, die sich durch den raschen Zuwachs der Bevölkerung ergeben haben, durch das Flüchtlingsproblem, für das wir nur zu viel Verständnis aufbringen, und durch schwere Naturkatastrophen.
Die indische Regierung und mit ihr das ganze Commonwealth haben heroische Anstrengungen gemacht, um diesen schweren Problemen zu begegnen. Ich brauche hier nur an den Colombo-Plan zu erinnern. Ich glaube, die Antragsteller haben nicht geglaubt, daß sich das, was wir tun könnten, mit den großen Anstrengungen messen könnte, die hier von indischer Seite und von seiten des Commonwealth gemacht worden sind.
Darum handelt es sich auch nicht, sondern es handelt sich darum, einen Ausdruck einer menschlichen Solidarität zu finden. Was wir geben können, wird mehr oder weniger symbolischen Charakter tragen müssen. Aber wir haben umgekehrt festgestellt, daß in den indischen Beziehungen zur Bundesrepublik vom ersten Augenblick an ein Element der Aufmerksamkeit, der Achtung und der menschlichen Wärme enthalten war, das uns zu erwiderndem Dank verpflichtet. Ich möchte hier an die außerordentlich freundliche Aufnahme erinnern, die die deutsche Wirtschaftsdelegation im letzten Jahre in Indien gefunden hat. Ich möchte daran erinnern,
daß Indien das erste Land war, das den Kriegszustand mit Deutschland für beendet erklärt hat, so daß wir uns seit dem 1. Januar dieses Jahres mit Indien im Friedenszustand befinden. Ich möchte daran erinnern, daß Indien das erste Land war, das nach der kleinen Revision des Besatzungsstatuts die diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik aufgenommen hat, und ich möchte schließlich an den ehrenvollen Besuch erinnern, den der indische Vizeaußenminister Dr. Keskar am 29. November vorigen Jahres dem Bundestag abgestattet hat.
So stellen sich die politischen Beziehungen den wirtschaftlichen würdig an die Seite, die sich in den letzten Jahren außerordentlich befriedigend entwickelt haben. Ich glaube, die Bundesrepublik Deutschland ist berufen, einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der indischen Industrie zu leisten. Diesen politischen und diesen wirtschaftlichen Beziehungen stellen sich ebenfalls würdig an die Seite die kulturellen Beziehungen, die stets zu den stolzesten Beziehungen unseres Geisteslebens gehört haben, seit den Zeiten eines Humboldt, eines Goethe und eines Rückert bis zu den großen Indologen der Gegenwart, einem Herrn von Glasenapp und Herrn von Veltheim, der in seinen Berichten kurz vor dem Kriege noch einmal den Reichtum Indiens vor seinen deutschen Freunden ausgebreitet hat. In der Zukunft werden diese kulturellen Beziehungen wohl auch darin bestehen, daß indische Studenten und Gelehrte zu uns kommen, um hier zu studieren. Ich darf hier wohl in aller Namen versichern, daß diese Herren in der Bundesrepublik stets willkommen sein werden.
Es war ein guter Gedanke von den Antragstellern, daß wir gerade Arzneimittel nach Indien schicken könnten. Denn diese Industrie ist für uns ja nicht nur eine Industrie unter Industrien, sondern sie ist für uns eine Art nationale Institution, an der wir alle lebendigen Anteil haben. In dieser Industrie hat das Genie der Forscher in Deutschland seine höchste Stufe erreicht: dort der Weitblick der Unternehmer, dort der Fleiß und das Geschick und die hohe Intelligenz unserer Arbeiter! Für uns ist diese Industrie ein Industrie gewesen, die Millionen leidender Menschen Befreiung von Schmerz und Befreiung von Krankheit gebracht hat. Das wollen wir gegenüber der so oft versuchten Diffamierung dieser Industrie zum Ausdruck bringen. Es wird unsere Freude und unser Stolz sein, hier eine Gabe nach Indien zu geben als einen Beitrag zu den menschlichen und humanitären Beziehungen unserer Bundesrepublik zu einer großen und befreundeten Nation.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Steinbiß.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Lassen Sie auch mich zu diesem Antrag etwas sagen. Meine Partei steht mit ihren Gedanken und ihren Wünschen absolut hinter dem Antrag der SPD. Aber etwas muß doch überlegt werden, und ich habe im Auftrag meiner Fraktion eine Änderung des Antrags vorzuschlagen, die ich nun vorlesen möchte:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Möglichkeit einer Hilfe für Indien zu prüfen und dem Bundestag darüber zu berichten.
Meine Herren und Damen von der SPD und von der FDP! Keineswegs soll dem Antrag der SPD der ihm innewohnende Schwung genommen werden.
Aber ich glaube, es sind doch vor allen Dingen zwei Punkte zu beachten. Einmal haben wir den Wunsch, die Regierung nicht so festzulegen, wie das in diesem Antrag geschieht. Die Regierung muß erst prüfen: Was kann ,gewährt werden? und — meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch das. sagen —: Wie weit reichen unsere Mittel? Ich sage noch einmal: das darf nicht etwa so ausgelegt werden, daß nun nichts gegeben werden soll. Aber jedes Land kann nur 'im Rahmen des ihm Möglichen geben. Es ist auch schon im SPD-Antrag ausgeführt, daß es hier insbesondere auf die Lieferung von Medikamenten und Ambulanzen — wohl nicht Ambulatorien, wie Sie gesagt haben — hinauskommen soll. Es muß also geprüft werden: Welche Möglichkeiten hat die Regierung? Und 'da möchten wir, daß die Regierung — und das wird sie bestimmt tun; ich bedaure, daß Herr Innenminister Lehr nicht da ist —
sofort prüfen soll, was 'ist, und uns darüber Vorschläge macht.
Zum zweiten wäre noch ein Gesichtspunkt zu erörtern: Seit Mai dieses Jahres haben wir die Freude, in der Weltgesundheitsorganisation wieder als stimmberechtigter Partner mitzuwirken und ich glaube, es wäre nur loyal, wenn wir uns mit der Weltgesundheitsorganisation, die ja in Genf ihren ständigen Sitz hat, darüber beraten würden: Wie gehen die anderen europäischen Länder vor, was tun sie — vielleicht haben sie auf diesem Gebiete schon gewisse Erfahrungen — und wie könnten sie uns da Rat erteilen?
Nur aus diesen beiden Gesichtspunkten, meine Herren und Damen, möchte ich Sie, besonders die Herren und Damen von der FDP und vor allen Dingen auch von der SPD bitten, diesem Abänderungsantrag, der ja inhaltlich nichts anderes besagt als Ihr eigener Antrag, der aber doch der Regierung die Möglichkeit gibt, einmal zu prüfen, zu erwägen und uns dann Vorschläge zu machen, Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Meyer-Laule.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte nur in ganz kurzen Worten den Damen und Herren der Fraktion, die sich diese Indienhilfe so sehr überlegt haben, zu bedenken geben: Wenn die anderen Nationen alle miteinander sich so sehr überlegt hätten, wie sie uns helfen können, dann allerdings wären große Teile der Bevölkerung in Deutschland verhungert!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen, der von der Frau Abgeordneten Dr. Steinbiß hier vertreten worden ist.
Der Antrag lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Möglichkeit einer Hilfe für Indien zu prüfen und dem Bundestag darüber zu berichten.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 2265. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Hilfsmaßnahmen für Ostbayern .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Kohl!
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Kommunistischen Partei 'hat mit diesem Antrag versucht, dem Bundestag in konkreter Form Vorschläge zu unterbreiten, die über, die Grenzen hinausgehen, die bisher im allgemeinen hier im Bundestag für Notstandsgebiete galten. Wir ließen uns bei der Stellung dieses Antrages von der Erwägung leiten, daß mit rein platonischen Erklärungen der Bevölkerung im Grenzgebiet nicht geholfen ist und daß ihr ebensowenig geholfen ist, wenn wir für eine Reihe von Notstandsgebieten, so wie es im Bundestag geschehen ist, insgesamt nur die Summe von 100 Millionen DM zur Verfügung stellen. Es kommt uns vielmehr darauf an, mit dem Aufzeigen bestimmter konkreter Vorschläge den Weg klar erkenntlich zu machen und sicherzustellen, der bei der Behandlung dieses ganzen Fragenkomplexes unter Zugrundelegung wirtschaftlicher sowohl wie finanzieller Betrachtung real möglich ist.
Wenn wir in diesem Antrag Hilfsmaßnahmen für Ostbayern verlangen, so wissen wir, daß sich die Gebiete des Bayrischen Waldes in einer Situation befinden, die durch die koloniale Abhängigkeit Westdeutschlands, durch die Tatsache bedingt ist, daß die Bundesregierung ohne Genehmigung der Hohen Kommissare weder Verträge mit der Tschechoslowakei abschließen noch solche Verträge realisieren kann.
Entscheidend ist hierbei — und das muß man feststellen! — nicht das deutsche Interesse, sondern das politische Interesse der Amerikaner, die neben ihrer politischen Abgrenzung noch eine wirtschaftliche Drosselung und die Durchführung bestimmter wirtschaftlicher Maßnahmen als nötig erachten. Daß sich die Bundesregierung diesen Wünschen des Petersbergs nur allzu willfährig fügt, liegt in ihrer ganzen politischen Haltung begründet. Wir haben schon einmal im Bundestag Gelegenheit gehabt, einen Antrag einzubringen, der damals einstimmig angenommen worden ist und nach dem- die Bundesregierung beauftragt werden sollte, in Verhandlungen mit der Hohen Kommission die Lieferung tschechoslowakischer Kohle gerade für das bayerische Grenzgebiet sicherzustellen. Die Antwort des Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer an dieses Haus spricht eindeutig davon, daß die deutsche Regierung keine Möglichkeit dazu hat, daß die Bestimmungen der Alliierten Kommission derartige Lieferungen verbieten, daß die Embargobestimmungen verschärft worden sind und damit zwangsläufig die Möglichkeit genommen worden ist, mit der Tschechoslowakei wieder in normale Handelsbeziehungen einzutreten. Die Folge davon ist im bayerischen
- Das bestimmen wir!
Herr Abgeordneter Kohl, damit kein Irrtum entsteht: Sie bestimmen nicht, wann Schluß gemacht wird, sondern das laus setzt hier auf Vorschlag des Ältestenrats die Redezeit fest, und ich führe diesen Beschluß durch.
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Kollegen von der Kommunistischen Partei afis Stuttgart, dem Herrn Kohl, stelle ich die Frage, und ich beantworte sie zugleich: Herr Kohl, ist das alles, was Sie für den Bayrischen Wald und für das Notstandsgebiet in Ostbayern zu sagen haben? Und die Antwort heißt: Herr Kohl, Ihr Antrag und die Formulierung Ihres Antrages entsprangen nur dem Bedürfnis des kommunistischen Agitators;
und wenn Sie in so netten Tönen die Not des Bayrischen Waldes zu schildern versucht haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das Volk im Bayrischen Wald, im Böhmerwald und in Ostbayern hat Ihrer Partei weder bei den Bundestagswahlen noch bei den Wahlen zum bayrischen Landtag im Vorjahr ein Mandat zur Verfügung gestellt.
Ich habe schon erwähnt und betone nochmals, daß ich Ihren Antrag — und ich habe hier die Zustimmung meiner Parteifreunde von der CDU und CSU — als einen reinen Agitationsantrag ansehe und daß wir diesen Antrag deshalb ablehnen. Ich begründe diese Feststellung aus der Tatsache, daß der Kollege Kohl nicht weiß, welche Hilfsmaßnahmen der Deutsche Bundestag nach eingehender Beratung durch seinen Grenzlandausschuß zur Sanierung der ostbayerischen Gebiete bereits getroffen hat, und daß ihm nicht bekannt ist, welche Maßnahmen in einem gesonderten Sanierungsprogramm der Bundesregierung und der bayerischen Regierung für diese Gebiete geplant sind.
Ich darf mir erlauben, darauf hinzuweisen, daß der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen durch ein Rundschreiben vom 10. April 1951 für Ostbayern zur Förderung kultureller Bestrebungen im bayerischen Grenzgebiet die Summe von 122 900 DM in diesem Etatsjahr zur Verfügung gestellt hat. Von bayerischer Seite war der Betrag von 1 Million DM erbeten worden; es konnte aber leider nur die eben erwähnte Summe zur Verfügung gestellt werden.
Wenn ich den Antrag der Kommunistischen Partei überlese, so finde ich, daß er sich mit fünf Forderungen befaßt. Ich darf mir zunächst erlauben, darauf hinzuweisen, daß auf dem Gebiet der geforderten Frachterleichterung das Erreichbare bereits geschehen ist und daß es uns in gemeinsamer Arbeit gelungen ist, eine sogenannte Verkehrs-, Fracht-und Tarifhilfe für eine Anzahl von Industrieprodukten aus Ostbayern zu erzielen.
Nach einem Spezialprogramm der bayerischen Forstverwaltung wird seit zwei Jahren die Wiederaufforstung abgeholzter Waldgebiete des Böhmerwaldes und des Bayrischen Waldes fach- und sachgemäß durchgeführt. Es hätte nicht bedurft, den Deutschen Bundestag auf diese Frage hinzuweisen. In Gesamtdeutschland, nicht nur in Bayern, ist man sich des materiellen Werts der zum größten Teil im Staatsbesitz befindlichen Waldgebiete in Ost-
bayern bewußt, und die Verwaltung der staatlichen Forstämter in diesem Grenzgebiet gilt und galt von jeher als mustergültig.
In einem besonderen Memorandum des bayerischen Finanzministers Dr. Zorn vom 20. Februar 1951 ist ein großzügiges Sanierungsprogramm für das gesamte Ostbayern ausgearbeitet worden. Aus diesem Programm möchte ich dem Hause besonders klarlegen, daß beispielsweise das bayerische Ministerium der Finanzen auf Grund des vierten, fünften und sechsten Gesetzes über Sicherheitsleistungen .des bayerischen Staates ermächtigt wurde, für Flüchtlingsproduktivkredite die Bürgschaften zu übernehmen, und man war bemüht, dabei die Grenzgebiete besonders zu berücksichtigen.
Ich darf an dieser Stelle den Herren der Kommunistischen Partei entgegenhalten, daß Bayern allein für die eben genannte Refinanzierung 37 Millionen DM für Flüchtlingsbetriebe zur Verfügung gestellt hat und daß diese Summe bereits jetzt voll in Anspruch genommen wurde. Die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, die Schließung der Verkehrslücken in Ostbayern ist seit Jahrzehnten eine besondere Sorge des zuständigen Landesparlaments, des bayerischen Landtags, gewesen, und ich darf den Herrn Kohl doch daran erinnern, daß im Jahre 1930 alle Parteien des bayerischen Landtags sich für den Bau einer großzügigen Autostraße von Regensburg das Regental entlang bis zur tschechischen Grenze entschlossen hatten und daß alle demokratischen Parteien des damaligen bayerischen Landtags hierfür die nach vielen Millionen zählenden Mittel genehmigten.
Bei der Vergebung von Staatsaufträgen an die Industrieunternehmungen, nicht nur in der Oberpfalz, sondern auch in der Passauer Ecke, hat nach einem gemeinsam erarbeiteten Notstandsprogramm, das einen bestimmten Teil und eine bestimmte Anzahl der dortigen Landkreise als sogenannte Notstandskreise deklariert, die Bundesregierung seit ihrem Bestehen nicht gegeizt. Ich darf mir erlauben, heute schon darauf hinzuweisen, daß ich mich bemühen werde, daß auch ein Teil der westlichen Oberpfalz als Notstandsgebiet anerkannt wird und daß man den Begriff Notstandsgebiet nicht mit dem Lineal der Bundesgrenze entlang der Tschechoslowakei abgrenzen kann und darf. Die wirtschaftliche Notlage in den Landkreisen Neumarkt, Parsberg, Riedenburg, Beilngries und Sulzbach ist ebenso kraß wie in den Landkreisen entlang der bayerisch-deutschen Ostgrenze.
Besonders liegt uns allen am Herzen, daß in diesem kulturell und nicht nur wirtschaftlich bedrohten Grenzgebiet die Behebung der Volksschulnot eine gemeinsame Sorge von uns allen sein muß. Ich meine, daß nicht nur ein Teil der Mittel des sogenannten Grenzlandfonds der Bundesregierung für rein schulische Zwecke verwendet werden soll, sondern daß man auch Kindergärten, Schülerheime und dergleichen berücksichtigen müsse.
Wenn der kommunistische Antrag ein Bundesgesetz verlangt, um, wie es in der Drucksache Nr. 2269 heißt, die Förderung des sozialen Wohnungsbaues voranzutreiben, so wende ich als Sprecher meiner Parteifreunde ein, daß im Jahre 1951 bereits eine Binnenumsiedlung in Bayern geplant wurde und daß es möglich war, arbeitslose Arbeitskräfte aus diesem Grenzgebiet an Standorte umzusiedeln, an denen eher eine Arbeitsmöglichkeit bestand. Der soziale Wohnungsbau ist in diesen besonders stark mit Heimatvertriebenen belegten Grenzgebieten mit 'in erster Linie davon abhängig,
ob gleichzeitig eine Arbeitsmöglichkeit gegeben ist, und das ist leider in vielen Fällen zu verneinen. Durch die begonnene Binnenumsiedlung sind im letzten Jahr 12 Millionen DM aus den Mitteln des Soforthilfefonds zur Verfügung gestellt worden, um zusätzlich Wohnungen zu bauen.
Als Kenner der bayerischen Ostgebiete mache ich den Antragstellern noch den folgenden Vorhalt: Aus ihrem Antrag geht hervor, daß sie einen Fragenkomplex umreißen und auf die Notlage eines Gebietes hinweisen, das uns allen in seiner wirtschaftlichen, in seiner sozialen und kulturellen Not in Bayern und auch hier auf der Bundesebene hinreichend bekannt ist. Dieses Grenzgebiet war von jeher arm. Es hat für die Landwirtschaft karge Böden, es ist aber landschaftlich außerordentlich schön. Die bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung haben in gemeinsamer Arbeit ein sogenanntes Notstandsprogramm oder Sanierungsprogramm ausgearbeitet, dessen , erste Erfolge ich Ihnen bereits aufzeigen konnte.
Der Grenzlandausschuß unseres Bundestages hat den Antrag gestellt und die Forderung erhoben, es möchten für das laufende Etatsjahr für alle anerkannten deutschen Grenzlandnotstandsgebiete loo Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Bis jetzt konnten durch die überhöhten Ausgaben der Bundeskasse im ordentlichen Haushält 1951 nur 25 Millionen DM eingebaut werden.
— Bitte, hören Sie, was noch kommt; dann werden Sie von selbst schweigen.
Diese Summe ist meines Erachtens — und ich werde hier die Meinung des größten Teiles des Hohen Hauses vertreten — zu gering, um eine endgültige Hilfsmaßnahme zu schaffen. Ich darf aber die Hoffnung aussprechen, daß es vielleicht doch gelingt, in einem außerordentlichen Etat noch die größere Restsumme von 75 Millionen DM zu realisieren. Ich weiß, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer bestimmt nicht nur für Ostbayern, sondern für alle deutschen Notstandsgebiete ein offenes Herz hat,
zumal er ja doch selbst Abgeordneter eines Notstandsgebietes ist.
Und nun, meine Herren von der Kommunistischen Partei, wird Ihnen das Lachen vergehen; nun kommt die letzte Karte, die ich Ihnen vorzuzeigen habe.
Es ist der Kommunistischen Fraktion und ihren Antragstellern anscheinend entgangen, daß ihre Parteigänger in der deutschen Ostzone und in der Tschechoslowakei durch ihre Maßnahmen mit in erster Linie dazu beigetragen haben, daß Ostbayern heute so hart und schwer um seine wirtschaftliche Existenz ringen muß.
Die Verkehrsverbindungen durch 'den Bayrischen Wald und durch den Böhmerwald sind größtenteils abgeschnitten und zerrissen. Die oberpfälzische Industrie, die einmal in der günstigen • Lage war, aus dem Braunkohlengebiet Halle einen Großteil
ihres Kohlebedarfs decken zu können, ist heute auf den Bezug der weit entfernten Ruhrkohle angewiesen.
Der Export unserer Industrieprodukte kann nicht mehr den nahen Weg durch Mitteldeutschland nehmen, sondern muß auf dem Umweg über den deutschen Westen nach dem deutschen Norden oder nach Übersee erfolgen. So hat der Satellitismus, der auf den Grenzkämmen des Böhmerwaldes und des Bayrischen Waldes steht, mit dazu beigetragen, daß Ostbayern nicht nur ein wirtschaftliches Notstandsgebiet, sondern in erster Linie auch ein politisches Notstandsgebiet geworden ist.
Ich spreche die Erwartung aus, daß es uns in einer gemeinsamen Arbeit auf der parlamentarischen Ebene in Bonn gelingen wird, die letzten finanziellen Reserven auszuschöpfen und zu erfassen, um vielleicht in einem sich über Jahre erstreckenden Programm einmal endgültig allen deutschen Notstandsgebieten und damit auch dem bayerischen Notstandsgebiet erfolgreiche Hilfe zu verschaffen.
In Anbetracht der Hilfsmaßnahmen, die Bayern und der Bund gemeinsam durchführen werden, bezeichne ich den Antrag der Kommunistischen Partei, die weder bei den Bundestagswahlen noch bei den Landtagswahlen von der bayrischen Bevölkerung ein Mandat erhielt; als einen plumpen Agitationsantrag.
Nicht der Kommunistischen Partei,
sondern uns und allen demokratischen Parteien hier im Hause steht es zu, im vollen Bewußtsein unserer Verantwortung auf dem Wege der Gesetzgebung dem ostbayerischen Notstandsgebiet das Leben zu erhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Höhne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den eigentlichen Gegenstand der Beratung eingehe, d. h. auf die Behandlung des Antrags Drucksache Nr. 2269, möchte ich eine notwendige Bemerkung machen. Ich habe nicht nur durch persönliche Gespräche mit Abgeordneten dieses Hauses, sondern auch bei der Behandlung bayerischer Angelegenheiten den Eindruck erhalten, als ob man glaube, daß Bayern Sonderinteressen verfolgen wollte und als ob Bayern nicht die erforderliche würdige Vertretung in diesem Hause hätte. Die Vorgänge der letzten Zeit waren allerdings geeignet, Bayern und seine Bevölkerung auf das schwerste zu diffamieren. Wir anderen Abgeordneten des Landes Bayern distanzieren uns auf das schärfste von den Leuten, die Bayern in eine solche Schmach gestürzt haben, so daß es aussieht, als ob es in Bayern lauter Korruptionserscheinungen und dergleichen gäbe. Das bayerische Volk rückt von diesen Korruptionserscheinungen auf das schärfste ab und bedauert, daß Abgeordnete dieser Qualitäten das Interesse Bayerns hier im Bundestage vertreten.
Und nun, meine sehr verehrten Anwesenden,
zum Antrag Drucksache Nr. 2269. Wer die besondere Lage von Ostbayern kennt, der muß
empört sein über die Frechheit der Kommunistischen Partei,
einen Antrag zur Hilfe für Ostbayern einzureichen. Wer hat denn dieses ostbayerische Elend verschuldet, und wer versucht, dieses ostbayerische Elend zu verewigen?
Wer dieses Gebiet vom Augenschein her kennt und sieht, daß die westdeutschen Bewohner mit ihrem Anwesen bis hart an die Zonengrenze reichen und dann über die Grenze hinaus in totes Gebiet mit zerstörten Ortschaften, brachliegender Landwirtschaft bis tief in das tschechische Land hineinsehen,
und zwar in einer Breite von 5 km von Passau bis nach dem Norden ein totes Land, das wie nichts anderes geeignet ist, aufzuzeigen, wer denn die Trennung Ost- und Westdeutschlands will; wer dann die daraus resultierende Not sieht, der ist einfach empört über diese schaumschlägerische Art, Propanganda zu machen.
Wer noch dazu weiß, daß Menschen, die aus dem
Osten evakuiert sind oder flüchten mußten, in
Sichtweite ihrer alten Heimat leben und des
Nachts versuchen müssen, aus ihren verlassenen
und zerstörten Häusern noch einen Balken zu
retten; wer weiß, daß diese Menschen Leib und
Leben riskieren — z. B. in Bernau bei Tirschenreuth sind drei Flüchtlinge, die versucht haben, aus
ihren alten Häusern noch Dachbalken zu retten,
von den Kommandotürmen der tschechoslowakischrussischen Grenzposten aus erschossen worden —,
wer diese erschütternden Tatsachen aus eigener Anschauung kennt, der weiß, daß etwas anderes notwendig ist, als hier in diesem Bundestage durch die Kommunistische Partei einen Antrag betreffend Hilfe für das ostbayerische Gebiet loszulassen.
Warum, so frage ich, sind denn unsere Menschen dort so hoffnungslos? — Nicht allein wegen der wirtschaftlichen Not, sondern weil dieser Status verewigt werden soll! Warum haben Sie, meine Herren Kommunisten, nicht Ihren Beitrag zur Einheit Deutschlands geleistet, indem Sie die freien und geheimen Wahlen auch da drüben in Ihren Freundeskreisen mit propagiert haben?
Es ist billig, hier Anträge zu stellen und auf der anderen Seite das Elend verewigen zu lassen. Wir sind der Meinung, daß sich die Kommunistische Partei mit ihrem Antrag an die falsche Adresse gerichtet hat;
denn wenn ein echter Beweis für den Willen zur Vereinigung Deutschlands und damit für die Linderung der Not der Grenzlande erbracht werden sollte, dann müßte dieser Antrag doch an die Grotewohl und Genossen in der DDR gesandt werden.
Vielleicht kämen wir dann, wenn Sie solchermaßen geschlossen an der Herstellung einer echten Einheit Deutschlands mitarbeiten würden, zu einem besseren Erfolge.
Wir beantragen deshalb, weil dieser Antrag nicht ernst zu nehmen ist, Übergang zur Tagesordnung.
Meine Damen und Herren! Damit ist das Problem aber nicht gelöst. Wir, die wir gezwungen sind, in diesem Rest-Westdeutschland zu leben, und die wir gezwungen sind, allen Menschen Arbeit und damit Einkommen zu verschaffen, haben alle Veranlassung, jede Situation nach Möglichkeit auszunützen, um den verkehrsfernen Grenzgebieten hilfreich unter die Arme zu greifen. Wir haben also die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um denen, die aus den politischen Verhältnissen der Vergangenheit heraus ins Elend gestürzt worden sind, eine wirkliche Hilfe angedeihen zu lassen; denn das Gespenst der Dauerarbeitslosigkeit weist auf ein furchtbares Erbe. Wir müssen entsprechende Maßnahmen treffen, um diese Dauerarbeitslosigkeit zu beseitigen, und nicht nur das, sondern wir müssen auch Hoffnungen für die Zukunft erwecken.
Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen sage, daß in dem Gebiete Ostbayern nicht nur neue Industrieansätze nicht zustande kommen, sondern daß aus diesem Gebiet, hervorgerufen durch die aussichtslose Lage, nun dort seit langem bestehende Industriebetriebe wegziehen, so werden Sie zugeben, das sind Alarmzeichen. Es zieht dort weg: die altbekannte Firma Witt, Weiden, die es auf Grund der Verkehrsferne und der damit verbundenen Tarifschwierigkeiten als 'wirtschaftlich unerträglich bezeichnet, dort noch weiter zu wirken; es entfernen sich aus diesem Gebiete die Farbglaswerke Zwiesel, Maizena in Regensburg. Meine Damen und Herren, sind das nicht Alarmzeichen? Wollen wir nach dem Muster in Ostdeutschland, eine tote Zone zu schaffen, daß durch die Entindustrialisierung unseres Gebietes auch ein wirtschaftlich totes Land geschaffen wird? — Hier Einhalt zu gebieten und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten, ist allerhöchste Zeit. Wir haben in unserem Gebiet Braunkohle liegen, aufgeschlossene Braunkohle, die nur abgebaut werden müßte. Es fehlen die Mittel dazu. Wenn wir bedenken, daß die Kohlennot doch gerade in unserem verkehrsfernen Gebiet besonders in Erscheinung tritt, dann ergibt sich doch, daß uns daraus die Verpflichtung erwächst, hier schnellstens einzugreifen, um diese wertvolle Kohle dort der Bevölkerung und der Wirtschaft zugänglich zu , machen.
Es müßte noch etwas anderes in Erwägung gezogen werden, und zwar gerade jetzt, wo wir daran sind, Sanierungsprogramme für die Notstandsgebiete auszuarbeiten. Die Forderungen des Bundestages sind von der Regierung bisher insofern erfüllt worden, als nun ein Sanierungsprogramm für die Notstandsgebiete des gesamten Bundes ausgearbeitet wird. Ich möchte dringend empfehlen, daß gerade die Nutzbarmachung von Rohstoffvorkommen in dieses Sanierungsprogramm so mit eingebaut wird, daß schnell und nachhaltig geholfen wird. Wenn wir dieses Sanierungsprogramm mit allem Ernst der Stunde bearbeiten und durchführen, dann ist diesem Notstandsgebiet Ostbayern, glaube ich, geholfen. Es bedarf aber mehr als nur deklamatorischer Zusicherungen. Wir haben eine Reihe von Anträgen durch den Bundestag gehen sehen — sie sind auch angenommen worden —, fünf an der Zahl, in denen von dieser strukturellen Not die Rede war. Daneben laufen Dutzende einzelner Kleinanträge, bei denen es aber zum größten Teil bei Wünschen geblieben ist.
Wenn nun das Sanierungsprogramm tatsächlich einen Erfolg haben soll, dann darf es nicht bei den 25 Millionen DM bleiben, die das Finanzministerium zur Verfügung stellen will. Der Bundestag hat erst vor kurzem, und zwar am 12. April 1951, für diese Notstandsgebiete 100 Millionen DM aus dem ordentlichen Haushalt gefordert. Wir sind der Meinung, daß derartige ernste Forderungen auch entsprechend ernst genommen werden müssen.
Wir können es nicht hinnehmen, daß aus den 100 beschlossenen Millionen auf dem Verwaltungswege 25 gemacht werden. Wenn wir helfen wollen, und zwar aus eigener Kraft, die uns in Westdeutschland zur Verfügung steht, helfen wollen, dann müssen wir schnell helfen, und wir müssen alles daransetzen, um dieses Sanierungsprogramm so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.
Deshalb bitte ich Sie, den Antrag vom 12. April 1951 zu erneuern und mit allem Nachdruck in die Wirklichkeit umzusetzen.
Herr Abgeordneter Höhne, Sie haben zu dem Antrag der Kommunistischen Partei Übergang zur Tagesordnung beantragt.
Darf ich Sie fragen: Wollen Sie den Antrag stellen mit dem Ziel einer sofortigen Abstimmung über diesen Antrag?
Herr Abgeordneter Höhne, darf ich fragen: Wollen Sie den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung, der ja nach, § 76 jederzeit gestellt werden kann, mit dem Ziel einer sofortigen Abstimmung darüber stellen, oder wollen Sie den Antrag gegen Schluß der Beratung stellen?
— Es wird Widerspruch gegen den Übergang zur Tagesordnung erhoben. Wer wünscht dagegen zu sprechen? — Herr Abgeordneter Renner!
Meine Damen und Herren! Wir widersprechen diesem Antrag. Ich mache gleichzeitig darauf aufmerksam, auf welche Art und Weise, d. h. auf welches gute Zureden von seiten des Herrn Präsidenten hin dieser Antrag von dem SPD-Sprecher erst richtig verstanden worden ist.
Herr Abgeordneter Renner, ich weise das zurück. Ich habe keine sachliche Veranlassung, mich mit Ihnen auf Auseinandersetzungen einzulassen. Wenn ich nach der Geschäftsordnung verfahren würde, hätte ich die Befugnis, über jeden Antrag auf Übergang zur Tagesordnung, der jederzeit gestellt werden kann, sofort abstimmen zu lassen. Wenn ich diese Frage gestellt habe, so war das nur ein Entgegenkommen gegenüber den Parteien, die in der Diskussion noch nicht zu Worte gekommen sind, um die Frage zu klären, ob sie noch dazu sprechen wollen, nichts anderes! Ich verwahre mich dagegen, daß Sie in dieser Weise meine Maßnahmen kritisieren.
'
Wenn das Ihre Absicht war, dann werden Sie ja wohl jetzt dem Hause, nachdem ich fertig bin, mit derselben Überzeugungsfreude zureden, daß man die Aussprache weitergehen lassen soll. Herr Kahn hat hier gegen unseren Antrag Behauptungen aufgestellt, die nicht neu für uns sind..
Herr Abgeordneter Renner, Sie sprechen lediglich gegen den Antrag, den Übergang zur Tagesordnung zu beschließen. Ich bitte, sich darauf zu beschränken.
Danke, schön! Das habe ich auch nur vor.
In Abwehr dieses Antrages sind von dem Abgeordneten Kahn die üblichen, für uns nicht neuen Behauptungen aufgestellt worden, daß es sich hier um Propagandaanträge handle.
Herr Abgeordneter Renner, Sie sprechen zur Sache; ich entziehe Ihnen das Wort.
Wer wünscht für den Antrag zu sprechen?
— Gegen den Antrag hat der Abgeordnete Renner gesprochen. Nach § 76 darf nur einer gegen den Antrag sprechen. Wer wünscht für den Antrag zu sprechen? — Offenbar niemand.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag, über den Antrag Drucksache Nr. 2269 zur Tagesordnung überzugehen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der Antragsteller ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung genehmigt.
Herr Abgeordneter Höhne, Sie wollten einen andern Antrag aufnehmen. Ich nehme an, daß die Sache damit erledigt ist.
— Herr Kollege Höhne, das ist außerordentlich schwer. Wir haben noch kein geschäftsordnungsmäßiges Verfahren, nach dem erledigten Anträgen mehr Nachdruck verliehen werden kann.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen zur heutigen Tagesordnung. Der erste Punkt der Tagesordnung ist die
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Erste Beratung: 123. Sitzung; zweite Beratung: 147. Sitzung).
Meine Damen und Herren, ich eröffne zunächst die Gesamtbesprechung der dritten Beratung. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß diese Besprechung im Rahmen der vom Ältestenrat vorgeschlagenen Gesamtredezeit von 90 Minuten stattfindet. — Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter Lausen!
Es wird seit einiger Zeit aus diesem Hause heraus, und zwar von einigen Abgeordneten der Regierungsparteien der Versuch gemacht, eine Art von Legende zu bilden, die man mit einigen wenigen dürren Worten etwa so wiedergeben kann: die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zeichne sich dadurch aus, daß sie in diesem Parlament sehr tapfer Forderungen stelle, daß sie aber immer sehr bescheiden sei, wenn es darum gehe, die Realisierung dieser Forderungen durch Bewilligung von Mitteln sicherzustellen.
Wir haben um so mehr Ursache, diesem Versuch einer Legendenbildung entgegenzutreten, als diese dichterischen Phantasien, die sich in letzter Zeit gezeigt haben, vermutlich noch eine Bestärkung erfahren werden, wenn unsere Ablehnung der heutigen Vorlage weiteres Material für das Bemühen um Legendenbildung liefern wird, zumal wir in letzter Zeit aus der Presse erfahren mußten, daß man gern so tun möchte, als ob die bisher immer noch nicht zustande gekommene Erhöhung der Sozialrenten von der Bewilligung der Umsatzsteuererhöhung abhängig sei.
Dazu ist einiges zu sagen. Das Bemühen um eine solche Legendenbildung entspringt dem schlechten Gewissen einer ganzen Reihe von Abgeordneten der Regierungsparteien. Ich will hier keine weiteren Ausführungen über die Problematik der Umsatzsteuer machen. Eine Bemerkung, die ich vor einiger Zeit irgendwo gelesen habe, trifft, glaube ich, den Kern. Es hat dort geheißen, die Umsatzsteuer sei nichts weiter als die Generalakzise der absolutistischen Staaten
Wir hätten erwarten können, daß der Herr Bundesfinanzminister, wenn er üherhaupt schon nach dieser Seite operieren wollte, uns zum mindesten einmal Vorschläge gemacht hätte, die gegenwärtige Umsatzsteuer in ihren Grundzügen zu ändern. Wir hätten erwarten können, daß er Vorschläge meinetwegen in der Richtung gemacht hätte, die nicht kumulative Allphasen-Umsatzsteuer vorzuschlagen, durch die nur die jeweilige Wertschöpfung versteuert wird. Wir hätten erwarten können, daß er uns meinetwegen die Phasenpauschalierung, die doch immerhin in Osterreich praktiziert wird, vorgeschlagen hätte. Der Herr Finanzminister hat uns erklärt, er sei durch die Notwendigkeiten des Tages bisher daran gehindert gewesen, zu irgendwelchen grundlegenden Reformen zu kommen. Ich möchte ihm sagen: wenn er sich im vorigen Jahre die sehr umfangreiche Arbeit zur Einkommensteuernovelle gespart hätte, dann hätte er vermutlich genügend Zeit gehabt, sich mit einer grundlegenden Steuerreform zu beschäftigen.
Um unseren Standpunkt zu dieser Vorlage etwas deutlicher zu präzisieren, möchte ich bei dieser Gelegenheit eine Außerung des Herrn Bundesfinanzministers aus der Plenarsitzung vom 7. März 1951 mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren. Er sagte damals:
Ich muß das Hohe Haus bitten, es zu würdigen, daß die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung
— nämlich zu dem Bundesratsvorschlag, die Grundnahrungsmittel wenigstens auf 3% zu halten — vorschlägt, keinem Abänderungsvorschlag zuzustimmen, nachdem unsere Kalkulation ohnehin auf des Messers Schneide steht.
Und nun frage ich Sie: Wenn die Kalkulation 1 zum Etat wirklich auf des Messers Schneide steht, woher kommt dann diese eigentümliche Wendung, die wir in den letzten Wochen erlebt haben? Damals und im Finanzausschuß hat uns der Herr Bundesfinanzminister auf Anfrage eines Kollegen einer Regierungspartei, ob in seine Kalkulation auch die Erhöhung der Sozialrenten eingeschlossen sei, vorgetragen: Diese kostet mindestens eine Milliarde, und ich weiß nicht, wo ich dieses Geld holen soll. Damals hat er uns gesagt: Ich brauche die Sonderumsatzsteuer; sie macht fast 600 Millionen aus. In den letzten Tagen erfuhren wir aus der Presse, daß es auf einmal sogar ohne die Sonderumsatzsteuer geht und daß offenbar keine großen Schwierigkeiten mehr bestehen, die nun- mehr endlich beabsichtigte Erhöhung der Sozialrenten durchzuführen.
Ich muß schon sagen: ich bewundere die Wendigkeit unseres Herrn Bundesfinanzministers. Ich bewundere seine Fähigkeit, der deutschen Öffentlichkeit Zauberkunststücke vorzuführen. Ich habe allerdings die Befürchtung, daß die 1,5 bis 2 Milliarden, die in der letzten Zeit aus der Etatbesprechung verschwunden sind, eines Tages in Form eines Nachtragsetats wieder auftauchen werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat uns die grundsätzliche Wendung in seiner Einkommen-und sonstigen Steuerpolitik einmal durch ein Bild darzustellen versucht. Dieses Bild war gezeichnet unter dem Stichwort Korea. Er sagte: Wenn ich nach Korea meinen Wintermantel abgelegt habe — und jetzt möchte ich in diesem Bilde weitersprechen und sagen: um entsprechend den derben Sitten seines Landes die Krachlederne anzuziehen, dann muß man, wenn man ein solches Kleidungsstück, das für die Hitze gut ist, haben will, als einfacher und armer Mann zunächst tüchtig sparen, d. h. man muß sich auf eine solche Situation vorbereiten; sonst kann es passieren, Herr Bundesfinanzminister, daß man plötzlich, wenn der heiße Sommer anbricht, in der Unterhose dasteht, und das wäre peinlich.
Um aus dem Bild zu steigen, ist zu sagen, daß die Regierung, wenn sie sich auf alle Unbilden des politischen Klimas, der politischen Entwicklung wirklich vorbereiten wollte, alles hätte tun müssen, um das Volk gut zu ernähren, damit es diesen Unbilden gewachsen wäre. Das heißt auf gut deutsch: die Regierung und die Koalitionsparteien hätten versuchen müssen, den sozialen Fundus zu sichern, den Unterbau der Einkommenpyramide so solide herzustellen, daß sie nicht bei jedem Erdstoß ins Wackeln kommt. Nur wenn die breiten Schichten der Bevölkerung erträglich leben können, kann die Gefahr der Infektion durch die faschistischen und bolschewistischen Ideologien abgewehrt werden. Man hätte also alles tun müssen, um den Massenkonsum zu fördern und den volkswirtschaftlich uninteressanten Konsum einzuschränken. Statt dessen hat man durch die Freigabe der Preise mit der Tendenz zu einem Verkäufer-Markt und durch die Steuerpolitik die großen Einkommen gestärkt. Man hat damit weiter erreicht, daß die Produktionskapazitäten überflüssiger Konsumgüterindustrien ausgeweitet wurden; und durch die Konsumdrosselung bei den breiten Massen unserer Bevölkerung wurde für eine relativ kleine Schicht die Freiheit der Konsumwahl gerettet. Hierin sehen wir also das Ergebnis dieser Politik. Die Regierung und die sie
stützenden Parteien haben ihre Politik auf die Zufälligkeiten der Kriegs- und Nachkriegszeit, auf die damals zufällig vorhandenen Vermögen und Erwerbsquellen aufgebaut, haben diese Zufälligkeiten zur Grundlage genommen und eine volkswirtschaftliche Entwicklung herbeigeführt, die wir als verderblich ansehen. Diese Regierung und die Regierungsparteien haben weder die historische noch die geographische Position Westdeutschlands begriffen; sie haben auch nicht begriffen, daß wir uns in einer Revolution größten Ausmaßes befinden und daß uns in unserer historischen und geographischen Situation nur die eine Aufgabe gestellt ist, die sittlichen Werte der persönlichen Freiheit und die Kulturwerte des Abendlandes in einen neuen Abschnitt der Geschichte hinüberzuretten.
— Das hat mit der Umsatzsteuer sehr viel zu tun. Wenn man die Aufgabe erfüllen will, die ich herausgestellt habe, muß man Haare lassen. Die Erfüllung ist nur durch tiefe Eingriffe in alte, liebgewordene und vertraute Gewohnheiten und Bequemlichkeiten möglich.
Die Regierung will aber in ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik nur das Bestehende konservieren.
Wir geben zu, daß der Herr Finanzminister gelegentlich einige Erleuchtungen und Anwandlungen in der Richtung zum Sozialen hat. Wir bestätigen ihm zumindest die gute Absicht, mit dem Vorschlag der Sonderumsatzsteuer, gleichgültig wie deren Auswirkungen sind, den Ansatz in dieser Richtung gesucht zu haben. Wir bestätigen ihm, daß er in der D Frage des Spesenunwesens den Ansatzpunkt gefunden hat, ohne daß er allerdings dazu gekommen ist, die Konsequenzen zu ziehen. Er ist auch von der alten Auffassung, kuriert, daß man die Steuerunmoral nur durch Senkung der Steuern beseitigen könnte. Aber immer wieder folgt dieser Herr Bundesfinanzminister den Spuren seines Kollegen vom Wirtschaftsressort.
Es wäre vielleicht ganz gut, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie das alte deutsche Sprichwort „Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht!" etwas besser beachtet hätten.
Die Einkommensteuerausschöpfung ist ein Problem, das ich heute nicht noch einmal anschneiden möchte; aber Sie sind selbst schuld daran, daß wir den alten Herrn Cato immer wieder aus dem Hades rufen und in die Gegenwart hineinstellen müssen; denn Sie haben bisher nichts getan, um der Opposition in diesem Punkte endgültig den Schnabel zu stopfen. Die Regierungsparteien hätten mit dem Finanzminister schon vor einem Jahr, wenn sie gewollt hätten, das machen können, was man jetzt allmählich einsieht, daß man nämlich der Steuerhinterziehung ernsthaft nur über § 106 Abs. 3 entgegentreten kann.
Meine Damen und Herren, Ihr Verhalten bei der Beratung der Einkommensteuervorlage in der vorigen Woche hat uns gezeigt, daß bei Ihnen auch heute noch kein echter Wille vorhanden ist, den Spesenrittern wirklich ernsthaft auf den Leib zu rücken, daß bei Ihnen noch kein echter Wille vorhanden ist, zu der notwendigen stärkeren Nivellierung unserer hohen Einkommen zu kommen, und daß Sie sich bis heute hinsichtlich der Offenlegung der Steuerlisten immer noch um die Entscheidung herumdrücken, und zwar mit sehr interessanten ethischen Grundsätzen, die Sie damals in die Debatte geworfen haben. Ethische Prinzipien sind in Raum und Zeit unteilbar, wenn sie Wert haben sollen. Wo bleibt die Ethik jetzt bei dieser Steuer, von der wir zu sprechen haben, wenn man Leute Steuern zahlen lassen will, die heute bereits unter ihrem Existenzminimum leben müssen? Wo bleiben diese ethischen Prinzipien, wenn man selbst Sozialrentnern, die weit unter dem Existenzminimum leben, eine Erhöhung ihrer Ausgaben um 3 bis 4 % zumuten will? Und wo bleibt die Ethik, wenn man die kleinen Lohnsteuerpflichtigen auf Heller und Pfennig ihre Lohnsteuer zahlen läßt, ohne der anderen Seite entsprechend entgegenzutreten?
Die Regierung und ihre Parteien können nach dem Buchstaben des Grundgesetzes die heute zur Diskussion stehende Vorlage zum Gesetz erheben. Wir können dagegen nichts machen, obwohl wir wissen, daß die Mehrheit, die sich heute im Parlament zeigt, eine Fiktion ist. Aber die Geschichte hat auch ihre moralische Seite. Wenn man sich eine Vorlage wie die heutige von der Seite der Moral aus anschaut, dann muß man Ihnen mit allem Ernst und in aller Eindringlichkeit sagen: Solange die gegenwärtige Regierung und die gegenwärtige Mehrheit dieses Parlaments nicht gewillt sind, mit ihrer bisherigen Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik radikal zu brechen, solange spricht die sozialdemokratische Opposition dieser Regierung und dieser Mehrheit die moralische Legitimation ab, dem Volke ein Gesetz mit einer solchen unsozialen Belastung zuzumuten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für das Gesetz, das wir heute beschließen sollen, werden eine ganze Reihe von Gründen vorgetragen. Bei seiner Einbringung wurde zunächst behauptet, es handele sich um eine Kaufkraftabschöpfung durch die Umsatzsteuer, und diese Kaufkraftabschöpfung müsse wegen der gestiegenen Sozial- und Kriegsfolgelasten in Kauf genommen werden. Eine Kaufkraftabschöpfung durch diese Steuer ist aber tatsächlich nicht möglich. Sie wäre nämlich nur dann denkbar, wenn die Einnahmen aus dieser Steuer nicht sofort wieder ausgegeben würden. Da unser Finanzbedarf aber so groß ist, bedeutet diese Steuer nichts anderes, als daß Geld auf der einen Seite eingenommen und auf der anderen Seite wieder ausgegeben wird. Die Gesamtmasse an Kaufkraft bleibt also völlig die gleiche. Außerdem ist aber die Kaufkraftabschöpfung auch längst über die Preise erfolgt. Die Preissteigerung hat seit Oktober vorigen Jahres bis zum April dieses Jahres 14 Punkte, also rund 10 % betragen. Wenn wir davon ausgehen, daß der private Verbrauch im Jahre 1950 insgesamt 58 Milliarden DM betrug, so hat allein die Preissteigerung eine Einschränkung des privaten Verbrauchs in Höhe von 6 Milliarden DM herbeigeführt. Das Gleichgewicht ist inzwischen im wesentlichen wiederhergestellt. Der letzte Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums weist aus, daß die Preisrückgänge die Preiserhöhungen im letzten Monat überstiegen haben. Also mit diesem Argument für die Umsatzsteuer ist es nichts.
Es wird ferner das Argument verwandt, daß die Umsatzsteuererhöhung einen Zahlungsbilanzausgleich herbeiführen solle. Auch dieses Argument ist keineswegs zutreffend. Es ist nämlich nicht so, daß der Devisenanteil der Verbrauchsgüter etwa höher sei als der Devisenanteil der Investitionsgüter. Im Gegenteil, die Verteuerung, die durch diese Steuer eintreten muß, muß notwendigerweise neue Importanreize schaffen, weil nämlich dann die ausländischen Güter billiger sind als die inländischen. Die Verteuerung muß daher die Exportindustrie in ihrer Fähigkeit, ihre Güter auf dem Weltmarkt abzusetzen, stark behindern, erreicht also genau das Gegenteil von dem, was wir volkswirtschaftlich erreichen sollten. Schon aus diesem Grunde ist das Argument unzutreffend; gerade das Gegenteil ist richtig.
Außerdem muß die zusätzliche Teuerung, die als Folge der Umsatzsteuererhöhung eintreten muß, notwendigerweise einen Entsparungsvorgang nach sich ziehen. Es ist eine alte Erfahrung: sobald die Preise steigen, holt jeder den letzten Pfennig aus der Tasche oder von der Sparkasse und fängt an zu kaufen. Dieser Entsparungsvorgang ist genau das Gegenteil von dem, was wir gebrauchen ' können. Die Umsatzsteuererhöhung führt also volkswirtschaftlich zu einer Kapitalverschwendung statt zu einer Kapitalbildung.
Nun hat man uns gesagt, die Umsatzsteuer sei in Deutschland sozial tragbar. Man hat die Theorie vom armen Volk aufgestellt. Deutschland könne als besonders armes Volk nicht um die Umsatzsteuererhöhung herumkommen, weil es bei uns ja keine wohlhabenden und keine reichen Leute gebe. Was ist an dieser Theorie vom armen Volk denn richtig?
Wir können unser Umsatzsteueraufkommen in drei Steuergruppen aufteilen. Die erste Gruppe bilden die Verbrauchsteuern, denen sich jeder entziehen kann, die Tabak-, Kaffee-, Spirituosen- und Biersteuer. Diese Steuern sollen nach dem Steuervoranschlag des Bundesfinanzministeriums im kommenden Jahr 3,4 Milliarden DM erbringen. Die zweite Steuergruppe ist die Gruppe, die zwangsläufig jeden trifft, ob arm, ob reich, ob ein Kind, keine Kinder oder zehn Kinder vorhanden sind. Diese Steuergruppe, die man tatsächlich als unsozial bezeichnen muß, umfaßt Zölle, Mineralölsteuer, Beförderungsteuer und Umsatzsteuer und soll nach den Schätzungen des Bundesfinanzministeriums im kommenden Jahr 8,4 Milliarden erbringen. Und dann kommt die letzte Gruppe der Steuern, die die Wohlhabenden proportional mehr treffen als die Armen und nicht Begüterten: Notopfer Berlin, Lohnsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und eventuell auch noch Kraftfahrzeugsteuer, obwohl man da zweifeln kann. Diese Steuern erbringen 7,7 Milliarden. Wir sehen also, daß die Belastung der wohlhabenden Schichten oder nicht einmal der wohlhabenden Schichten mit dieser proportionalen Steuer 7,7 Milliarden beträgt, während die Belastung mit zwangsläufigen Verbrauchsteuern, denen sich niemand entziehen kann, 8,4 Milliarden und die Belastung mit Verbrauchsteuern, denen man sich entziehen könnte, 3,4 Milliarden betragen soll. Dieses Verhältnis ist ungewöhnlich ungünstig. Wenn wir es mit den Verhältnissen in irgendeinem anderen Lande vergleichen, werden wir sofort sehen, daß dieses Verhältnis gegenüber Amerika und England in der Tat außerordentlich ungünstig ist. Muß es aber so sein?
Meine Damen und Herren, in den letzten Monaten und Wochen sind die Bilanzen zahlreicher Gesellschaften veröffentlicht worden. Wer sich die Mühe gemacht hat, auf der einen Seite die erzielten Gewinne und auf der anderen Seite die versteuerten Gewinne miteinander zu vergleichen, weiß, daß infolge des Unterschiedes zwischen den fiktiven Steuergewinnen und der realen Reichtumsvermehrung die Besteuerung gerade der hohen Gewinne in Deutschland außerordentlich niedrig ist. Man kann damit rechnen, daß in zahlreichen Bilanzen — ich habe persönlich vielleicht so zehn Bilanzen durchgearbeitet, mehr Zeit hatte ich nicht — die effektive Besteuerung zwischen 20 und 40 % der Reichtumsvermehrung gelegen hat. Das bedeutet aber doch, daß für die Besteuerung der Bezieher großer Einkommen in Deutschland nicht die Steuertarife maßgebend sind, sondern daß unter Berücksichtigung des gesamten Steuersystems, nämlich der Möglichkeit, Absetzungen und Abschreibungen vorzunehmen, die Gesamtsteuerbelastung des Rohgewinns in Deutschland sehr niedrig ist. Hier wäre durch die Hinzurechnung von Abschreibungen, wie sie beispielsweise der Plan des Präsidenten Abs vorgesehen hat, ohne weiteres die Möglichkeit gegeben, entsprechend erhöhte Einkommensteuern zu erzielen.
Deshalb ist es nicht richtig, wenn bei uns immer wieder die Theorie vom armen Volk vorgebetet wird, obwohl es tatsächlich möglich wäre, steuerlich gerechter zu arbeiten. Die Investitionen haben im letzten Jahre 18,7 Milliarden betragen, die Lagervermehrung hat im gleichen Zeitraum einen Wert von über 3 Milliarden erreicht. Dabei sind in der Lagervermehrung nur die Werte angesetzt worden, die die Läger zu Anfang des Jahres hatten, während die erhöhten Preise, die sich infolge der Weltmarktpreisbewegung in den Lägern hätten widerspiegeln müssen, noch nicht einmal berücksichtigt sind. Wir haben also eine effektive Vermehrung an Maschinen und Waren von über 20 Milliarden ohne die Reserve, die noch darin steckt. Diese Vermehrung an Anlage- und Warenwerten hätte wesentlich stärker zur Einkommen- und Körperschaftsteuer herangezogen werden können als mit den nur geringen Beträgen, die die Einkommen-und Körperschaftsteuer bisher erbracht haben.
Von seiten der Industrie ist vorgeschlagen worden, insbesondere die Übergewinne zu besteuern. Der Herr Bundesfinanzminister hat dagegen eingewandt, eine Übergewinnsteuer sei nicht denkbar, weil sie technisch so außerordentlich schwierig sei und weil außerdem die Höchstgrenzen bereits erreicht seien. Diese Erreichung der Höchstgrenzen kommt aber dann nicht in Frage, wenn ich die Übergewinnsteuer auch auf die Hinzurechnung von Abschreibungen und Absetzungen erstrecke, denn in dem Augenblick würde ich praktisch ein außerordentlich verstärktes Aufkommen an proportionalen Steuern bekommen.
Ferner wird uns erklärt, die Umsatzsteuer sei volkswirtschaftlich unschädlich. Meine Damen und Herren, dies ist, glaube ich, der entscheidendste Gesichtspunkt gerade gegen das heutige Gesetz. Die Umsatzsteuererhöhung ist volkswirtschaftlich schädlich, wie kaum eine andere Maßnahme schädlich sein könnte. Es handelt sich praktisch — wenn ich einen Vergleich gebrauchen darf — um die Einführung von Binnenzöllen. Ich darf Sie daran erinnern, daß vor der Schaffung des Deutschen Zollvereins die Waren den Weg durch die verschiedenen Länder scheuen mußten, weil, wenn sie nur ein Land zu passieren hatten, entsprechend
weniger Zoll zu zahlen war. Deshalb wurde der Warenweg nicht nach der kürzesten Entfernung, also nach rationalen Gesichtspunkten, gesucht, sondern danach, wie die Zollbelastung am niedrigsten gehalten werden konnte.
Bei der Umsatzsteuer von heute ist es genau so. Die Umsatzsteuer zwingt die Unternehmungen, sich Vorstufen und Nachstufen anzugliedern, um auf dem Wege über die Ersparnis von Umsatzsteuern zusätzliche Gewinne zu erzielen. Es wird also privatwirtschaftlich lohnend, sich Produktions-und Verarbeitungsvorgänge anzuschließen, während es volkswirtschaftlich außerordentlich schädlich sein kann und eine volkswirtschaftliche Leistung damit überhaupt nicht verbunden ist. Wir zerstören mit einer solchen Umsatzsteuer tatsächlich die Konkurrenzverhältnisse. Wir bringen einen Zwang zur Konzernierung in das Steuerrecht hinein und benachteiligen die Arbeitsteilung, die uns überhaupt erst die Möglichkeit gegeben hat, ein so zahlreiches Volk auf einem so kleinen Gebiet zu ernähren. Damit tun wir genau das Gegenteil dessen, was die Freihändler im vorigen Jahrhundert wollten, die durch die Einführung des Freihandels tatsächlich den ungeahnten Wirtschaftsaufschwung herbeigeführt haben. Durch die Erhöhung der Umsatzsteuer lähmen wir diesen Wirtschaftsaufschwung, weil wir die rationellste Form der Warenverteilung und der Arbeitsteilung innerhalb der Industrie behindern. Deshalb ist diese Umsatzsteuer volkswirtschaftlich so außerordentlich schädlich.
Es kommt hinzu, daß man ja andere Wege hätte. Wir hätten die Möglichkeit, beispielsweise auf dem Wege, den die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft gehen will, durch die Einführung einer Nettoproduktionssteuer alle diese volkswirtschaftlichen Schäden zu beseitigen. Wenn wir die Umsatzsteuer nur auf die Werteschaffung im einzelnen Betrieb legten, würde jeder Unternehmer bestrebt sein, möglichst billig zu produzieren, um die Last der Umsatzsteuer nach Möglichkeit zu verringern, und würde darüber hinaus auch bestrebt sein, seinen Betrieb fortschrittlich einzurichten. Das wäre eine Steuer, die die privatwirtschaftlichen Interessen und die volkswirtschaftlichen Interessen koordinierte, während diese Umsatzsteuer es privatwirtschaftlich lohnend macht, was volkswirtschaftlich gesehen schädlich ist, weil es die Arbeitsteilung zerreißt.
Nun, man wird sagen, wenn wir die Umsatzsteuer heute ablehnen, bekommen wir eine Verzögerung, die wir nicht tragen können. Meine Damen und Herren, das ist nicht zutreffend. Das Gesetz über die Investitionshilfe liegt dem Bundeskabinett bereits vor. Wenn wir diesen Gedanken selber durchführen und dabei auch 14 Tage oder 3 Wochen verlieren würden, so wäre das nicht schlimm. Als das Umsatzsteuergesetz eingebracht wurde, hat der Bundesfinanzminister von drän-, gender Finanznot gesprochen. Er hat auch davon gesprochen, daß er fast 4 Milliarden DM Defizit habe. Durch die Verzögerung, die die Finanzgesetze erfahren haben, haben wir glücklicherweise — glücklicherweise, muß ich sagen — die Entdeckung gemacht, daß das Defizit viel geringer ist. Wir hätten also vor zwei oder drei Monaten, als das Gesetz eingebracht wurde, viel zuviel Steuern beschlossen. Es ist somit nur gut, daß sich diese Verzögerung noch eingeschlichen hat.
Ich habe bereits damals gesagt, daß in dem Etat des Bundesfinanzministeriums erhebliche Reserven seien. Jetzt gibt der Bundesfinanzminister auch zu, daß diese Reserven, die ich damals aufgezeigt hatte,
tatsächlich vorhanden gewesen sind. Wir sind ferner der Ansicht, daß wir diesen von der Bundesregierung gemachten Vorschlag nur als eine Maßnahme betrachten können, die bequem ist; es kann aber nicht diejenige sein, die notwendig ist.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie deshalb, sich das Argument, daß die Umsatzsteuer jetzt erhöht werden müsse und daß wir nicht noch vierzehn Tage warten könnten, um eine andere und bessere Form für die Einhebung der Steuer zu finden, nicht zu eigen zu machen, sondern wirklich zu überlegen, ob wir nicht den andern Weg gehen sollen, um Preiserhöhungen, die hier eintreten müssen, zu vermeiden. Wenn wir damit rechnen, daß die Umsatzsteuer eine Preiserhöhung von 12% im Durchschnitt bringt, und wenn wir davon ausgehen, daß der private Verbrauch im letzten Jahr 58 Milliarden DM betrug, dann bedeutet die Umsatzsteuer zusätzlich zu der Teuerung eine Preiserhöhung von über 6 Milliarden DM. Das bedeutet entweder, daß die Preise bezahlt werden können, oder, wenn sie nicht bezahlt werden' können, bedeutet es einen erheblichen Schock für die gesamte Wirtschaft, eine erhebliche Erschwerung der gesamten Wirtschaftstätigkeit, die wir uns ebenfalls nicht leisten können.
Ich bitte Sie deshalb, diesem Gesetz Ihre Zustimmung nicht zu geben.
Meine Damen und Herren, darf ich an Sie appellieren, bestimmte offenbar wichtige Besprechungen vielleicht außerhalb dieses Saales abzuhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion hat bereits bei der zweiten Lesung des Gesetzes über die Umsatzsteuer und Beförderungsteuer durch Vorlegen von zwei Anträgen ihre grundsätzliche Haltung zu dem gesamten Problem gekennzeichnet. Die Beratung des einen Antrags wurde leider von seiten des Herrn Präsidenten mit der Begründung abgelehnt, daß ein Deckungsvorschlag fehle. Sie werden uns gestatten, daß wir bei der dritten Beratung die in ,der zweiten Lesung abgelehnten Anträge erneut einbringen. Wir haben in der Zwischenzeit den den bereits zitierten Antrag mit einer Deckungsvorlage versehen.
Es dürfte der Bundesregierung nicht unbekannt sein, daß mit der Annahme dieses Gesetzes eine ungeheure Verteuerung der Lebenshaltung des gesamten Volkes Platz greift, durch die vor allen Dingen die Sozialrentner, die Arbeitslosen, die Kriegsopfer und alle die Kreise betroffen werden, die über ein außerordentlich niedriges Einkommen verfügen. Aber ebenso klar ist es, daß durch die neueren Preissteigerungen, die beispielsweise bei Zucker und Butter, aber auch bei einer Reihe anderer Produkte im Zusammenhang mit der Annahme dieses Gesetzes durch die Mehrheit dieses Hauses signalisiert sind, eine Situation eintritt, die nicht verantwortet werden kann und die nach unserer Auffassung zu einer katastrophalen Lage in vielen, vielen Hunderttausenden von Familien führen wird.
Wir sind der Auffassung, daß die „Welt der Arbeit" recht hatte, als sie eine Zusammenstellung der Lebenshaltungskosten und der in der letzten Zeit in Erscheinung getretenen Preissteigerungen skizzierte, die nach Mitteilung dieser Zeitschrift bei
zirka 45 bis 50% liegen. Wenn Sie nun die durch die Verabschiedung dieses Gesetzes bedingten weiteren Erhöhungen der Lebenshaltungskosten hinzurechnen, so- erklären wir als kommunistische Fraktion, daß wir eine solche katastrophale Finanz-und Steuerpolitik ablehnen, die letzten Endes ihre Ursache darin hat, daß sie weniger dem sozialen Frieden dienen soll als vielmehr der Vorbereitung eines amerikanischen Krieges gegen die Sowjetunion.
Der Herr Bundesfinanzminister wird nicht bestreiten wollen, daß bereits 82% der Bundeseinnahmen durch die Massen der Bevölkerung aufgebracht werden müssen. Wenn wir die authentischen Zahlen des Jahres 1950 zugrunde legen, so ergibt sich, daß von den insgesamt aufgebrachten Steuern in Höhe von 15 546 000 000 DM allein die Lohnsteuer mit zirka 1,7 Milliarden DM daran beteiligt war. Die Umsatzsteuer ist mit weit über 41/2 Milliarden DM — also eine indirekte Steuer —, die Tabaksteuer mit weit über 2 Milliarden DM, Zölle und Verbrauchsteuern mit zirka 41/2 Milliarden DM eingesetzt worden. Praktisch heißt das also: 82% der Einnahmen, die aus den Taschen der arbeitenden Menschen gezogen worden sind, werden zum großen Teil für die Kriegsvorbereitung verwendet, ohne Rücksicht auf die damit verbundene Teuerungswelle, die zwangsläufig dazu führt, daß neue Massensteuern aus dem Volk her-ausgepreßt werden.
Es ist dabei nicht uninteressant, die Vorpostengefechte des Herrn Bundesfinanzministers mit seiner eigenen Fraktion, der CDU/CSU, bei der Suche nach neuen Massensteuern zu beobachten und dort einmal die Meinungen über die Behandlung der Frage der Einführung einer Sonderumsatzsteuer festzustellen. Man kam dort zu dem weisheitsvollen Beschluß, eine Kommission einzusetzen, die alle Möglichkeiten prüfen soll, um neue Steuerquellen zu erwägen—ich zitiere hier die „Welt" —, die den sogenannten Sicherheitsbeitrag finanziell untermauern sollten, und daß an eine Erhöhung der Mineralölsteuer, die Einführung einer Produktionssteuer und einer sogenannten Einkaufsteuer nach englischem Muster bereits gedacht war. Charakterisiert werden die Verhandlungen dadurch, daß dieselbe Kommission — und diese Auffassung wird erhärtet durch eine Reihe von Reden der Herren Minister dieser Bundesregierung und einer Reihe entscheidender Abgeordneter dieser Regierungskoalition — die Meinung vertreten hat, daß die Zielsetzung in erster Linie darauf gerichtet sein muß, die sogenannten überflüssigen Renten abzubauen, und daß man dem Statistischen Amt in Wiesbaden bereits den Auftrag erteilt hat, die dafür notwendigen karteimäßigen Voraussetzungen zu schaffen.
Nach unserer Auffassung wäre es viel zweckmäßiger gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister in seiner Begründung zu diesem Gesetzentwurf auch auf die Frage der Höhe der Besatzungskosten eingegangen wäre. Denn meines Wissens hat weder der Bundestag noch irgendeine andere Stelle den Herrn Bundesfinanzminister autorisiert, in Form einsamer Entschlüsse auf dem Petersberg über die Frage der Erhöhung oder Herabsetzung der Besatzungskosten zu verhandeln. Nach den Mitteilungen des Herrn Bundesfinanzministers in der von mir bereits in der zweiten Beratung erwähnten Kabinettssitzung am 1. Juni soll der gesamte Betrag der Besatzungskosten, der bisher 9,3 Milliarden DM betragen sollte, auf 5 Milliarden DM vermindert, der darüber hinausgehende Bedarf durch Kreditgebung gedeckt werden. Dabei ließ man durchblicken, daß neben der ungeheueren Steigerung der steuerlichen Belastung, die mit der Verabschiedung ,dieses Gesetzes Wirklichkeit wird, zugleich eine Steigerung des Sozialprodukts um 10% eingesetzt wird, wodurch eine weitere, erhöhte Steuereinnahme von 300 Millionen DM erreicht werden soll. Darin kommt also eindeutig zum Ausdruck, daß man die werktätige Bevölkerung nicht nur mit erhöhten steuerlichen Belastungen bedenkt, sondern darüber hinaus von ihr eine weitere Steigerung ihrer Arbeitsleistung verlangt, ohne an die ernährungsmäßigen, lohnpolitischen und sozialen Voraussetzungen zu denken, die an ein solches Verlangen gebunden sind.
Wir haben kein Verständnis dafür, daß gerade
der Herr Bundesfinanzminister in der Begründung
dieses Gesetzentwurfs vor dem Bundestag die Notwendigkeit dieser Sicherheitsleistungen besonders
herausstellte und die Verabschiedung dieses Gesetzes als einen zwingenden Teil davon bezeichnete.
Er sprach sehr viel von der Verteidigung der Freiheit, und der Existenz des deutschen Volkes. Aber
angesichts dieser Fragestellung stellen wir die konkrete Gegenfrage: Was hat die deutsche Arbeiterschaft eigentlich zu verteidigen? Hat sie einen bescheidenen Lohn zu verteidigen? Die Rentner
haben ein Einkommen zu verteidigen, das zum
Leben zu wenig und zum Sterben noch etwas zu viel ist, die Arbeitslosen vielleicht die gnädigst gewährte 10 %ige Erhöhung ihrer Unterstützung. Und wenn der Herr Kollege Lausen vorhin etwas von Moral und Ethik sagte, so sind wir der Meinung, daß in den Kreisen, die von dem Gesetz in erster Linie betroffen werden, Fragen der Moral und der Ethik nebensächliche Dinge ,sind, die nach meiner Auffassung an sich mit dem Umsatzsteuergesetz auch verdammt wenig zu tun haben. Meine Damen und Herren! Was Sie mit dem erhöhten Sicherheitsbeitrag verteidigen wollen — und dazu brauchen Sie diese Mittel —, das sind die 200 neuen Millionäre, die seit der Währungsreform hier bereits wieder vorhanden sind, das sind die Riesengewinne der westdeutschen Industrie! Ich glaube, die Hereinnahme weiterer Truppen nach Deutschland, die von Herrn Dr. Adenauer so herzlich begrüßt worden sind, und die Tatsache ,des Ausbaues Westdeutschlands zu einem internationalen Schieß- und Exerzierplatz, das sind die wahren Gründe auch für die Vorlage dieses Gesetzes. Wenn der Herr Bundesfinanzminister im Ausschuß einmal die Meinung vertreten hat, daß er sich in seiner politischen Grundhaltung immer als Sohn des Volkes gefühlt habe, dann glaube ich, hat er hiermit unter Beweis gestellt und illustriert, wie ein Sohn des Volkes, nämlich ein wirklicher Sohn des Volkes, nicht handeln sollte.
Wir gestatten uns also, zur dritten Lesung den Antrag einzubringen, die Grundnahrungsmittel, die wir hier katalogmäßig aufgestellt haben, von der Umsatzsteuer generell zu befreien, zweitens dieses Gesetz abzulehnen, und drittens die Erhebung der Umsatzsteuer mit sofortiger Wirkung generell einzustellen. Wir ersuchen Sie, diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.
Liegen noch Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache vor? — Bitte, Herr Abgeordneter Mensing..
Herr Präsident! 'Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte nur kurz folgendes zum Ausdrck bringen. Heute schauen nach hier Millionen deutsche Mittelständler, die kein Verständnis dafür hätten, wenn der Bundestag seine Zustimmung dazu geben würde, daß die sogenannte Warenhaussteuer fällt.
— Verehrter Herr Professor Carlo Schmid; wenn Sie meinen politischen Werdegang kennen würden,
dann wüßten Sie, daß ich mit der NSDAP in meinem Leben nichts zu tun gehabt habe.
Ich möchte also zum Ausdruck bringen, daß sich die Erhöhung der Umsatzsteuer, die wir heute vornehmen, soweit es sich um große Teile des Handwerks handelt, einseitig zu ungunsten des Handwerks auswirken wird, und zwar deshalb, weil eine ganze Anzahl Sparten des Handwerks nicht in der Lage sind, die erhöhte Umsatzsteuer auf die Verbraucherschaft abzuwälzen. Sie wird sich daher zu einer einseitigen Belastung des Handwerks auswirken müssen. Ich beweise dieses mit dem Hinweis darauf, daß ein Teil der handwerklichen Sparten übersetzt ist, daß wir einen Warenüberhang zu verzeichnen haben und die übergroße Konkurrenz es daher gar nicht zulassen wird, die erhöhte Umsatzsteuer abzuwälzen. Und dann denken Sie bitte auch daran, daß diese vielen gewerblichen Mittelständler und die Einzelhändler — sie stellen doch schließlich Millionenmassen dar — auch ein Recht darauf haben, sich im Leben eine bescheidene Lebensrente zu verdienen; sie haben kein Verständnis dafür, daß
man die Erhöhung der Umsatzsteuer vornimmt und im selben Atemzuge die Warenhaussteuer fallen läßt und damit nahezu 100 Millionen Mark den Großbetrieben als Geschenk serviert. Das bedeutet für diese Kreise, daß die Großbetriebe durch die Ersparnis dieser Summe in die Lage versetzt werden, wenigstens 100 neue Warenhäuser zu bauen. So sieht der gewerbliche Mittelständler diese Dinge an, und er fordert daher auch von der Verwaltung, nicht nur des Bundes, — —
— Den freien Wettbewerb haben wir ja heute!
— Wir wünschen aber den freien Wettbewerb hinsichtlich der handwerklichen Sparten, den freien Wettbewerb unter den Fachleuten, und wünschen nicht, daß jederman, der über keine handwerkliche Ausbildung verfügt, einen handwerklichen Beruf ausüben kann.
Ich möchte zum Schluß zum Ausdruck bringen, daß diese Massen des Mittelstandes vom Staat größte Sparsamkeit verlangen. Sie sehen, wie die Behörden verfahren; ich habe hier eine ganze Liste, die ich Ihnen vorlesen kann, von neuen Arbeitsämtern und Versorgungsanstalten, die gebaut werden. Sie haben kein Verständnis dafür, wenn für solche Zwecke Geld verwandt wird und auf der anderen Seite der gewerbliche Mittelstand erleben muß, daß eine Steuer, die einmal geschaffen wurde, um den gewerblichen Mittelstand vor der Aufsaugung und Vernichtung zu schützen, hier beseitigt werden soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
— Der Abgeordnete Loritz ist offenbar nicht im Saal.
— Er kommt bereits!
Damit Sie sich trösten, Herr Zwischenrufer: Gerade vor einer Minute war ich beim Herrn Präsidenten, und ich war die ganze Zeit im Sitzungssaal, wie der Herr Präsident bestätigen wird.
— Der Herr Präsident sagte soeben, er bestätige mir das gern. Ich danke ihm.
•Vielen Dank für Ihre freundliche Unterstützung, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch kurz zu dieser neuen Steuererhöhung einiges sagen. Bereits in der zweiten Lesung haben wir erklärt, daß wir diese Steuererhöhung unter allen Umständen ablehnen müssen. Mein Herr Vorredner hat auch in diesem Sinne gesprochen. Ich bin ihm sehr dankbar, daß wir hier auch von dieser Seite des Hauses eine kleine Unterstützung finden, wenigstens von einigen Herren.
Diese Steuer ruiniert den Mittelstand, nicht die Großen! Die großen Unternehmer werden nicht ruiniert, aber der Mittelstand, an dem soviel hängt. Diese Steuer schlägt dem Arbeiter noch mehr von seinem sauer verdienten Lohn aus der Hand, als die letzten Preiserhöhungen auf allen Gebieten das sowieso schon getan haben. Diese Steuererhöhung wird eine Kettenreaktion von weiteren Preissteigerungen auslösen; denn es gibt keine einzige Warengattung, die nicht mehrfach auf dem Wege von der Erzeugung über die Bearbeitung zum letzten Endverbraucher mit Umsatzsteuer belegt wird. Und so werden Preiserhöhungen kommen nicht um 1 % der betreffenden Waren und Gebrauchsgüter, sondern um mindestens 5% und 10% und noch mehr. Es liegen eingehende Berechnungen von Wirtschaftsämtern und Statistiken darüber vor, wie diese Erhöhung der Steuer sich auswirken wird.
Aus all diesen Gründen werden wir gegen dieses Gesetz stimmen; wir lehnen dieses Gesetz schärfstens ab! Ich habe letzthin schon erklärt, welche anderen Möglichkeiten dem Herrn Finanzminister zur Verfügung gestanden hätten, um Geld in seine leeren Kassen hineinzubringen.
Dieses Gesetz ist ein Unglück für unser Volk und unsere ganze Volkswirtschaft!
Meine Damen und Herren!
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine
Aussprache und schlage Ihnen vor, daß wir jetzt,
bevor wir in die Einzelbesprechung eintreten, die
gestern zurückgestellten Abstimmungen zu Punkt 3
der gestrigen Tagesordnung vornehmen; das ist die
Fortsetzung der Beratung des Berichts des
Untersuchungsausschusses gemäß Antrag der Fraktionen der Bayernpartei,
CDU/CSU, SPD, FDP, DP, WAV und des Zentrums in Verbindung mit
a) der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Subventionen an die Industrie ,
b) der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Zahlungen der
Industrie an politische Fonds .
Ich stelle fest, daß zur Abstimmung stehen: einmal der Antrag des Untersuchungsausschusses in der Drucksache Nr. 2274. '
Meine Damen und Herren, darf ich jetzt bitten, die allgemeine Unterhaltung etwas zu unterbrechen, damit wir uns konzentrieren können! — Antrag des Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 2274 auf der letzten Seite:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der vom Untersuchungsausschuß vorgelegte Bericht wird genehmigt.
Weiterhin liegt unmittelbar zu dem Untersuchungsausschußbericht der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 214 und der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2315 vor; ferner der Antrag der CDU/CSU Drucksache Nr. 2319, von der ich vermute, daß sie noch nicht verteilt worden ist.
Es handelt sich um den gestern von Herrn Abgeordneten Solleder eingebrachten Antrag; ich darf ihn zur Klärung noch einmal verlesen:
1. Die Bundesregierung wird ersucht, in dem Entwurf eines Parteiengesetzes gemäß Art. 21 des Grundgesetzes eine Bestimmung vorzusehen, wonach Abgeordnete keine Spende für ihre Partei annehmen dürfen, wenn die Hingabe
- Herr Abgeordneter Loritz, ich bitte Sie, mich
nicht zu unterbrechen, während ich vorlese — dieser Spende mit Bedingungen verbunden ist, die mit den verfassungsrechtlichen Pflichten eines Abgeordneten unvereinbar sind;
2. bei der Beratung des Strafrechtsänderungsgesetzes eine Bestimmung vorzusehen, wonach Abgeordneten-Bestechung zum strafbaren Tatbestand erklärt wird;
3. die Beratung des Strafrechtsnderungsgesetzes, in dem auch die politische Lüge bereits als strafbarer Tatbestand vorgesehen ist, beschleunigt abzuschließen.
Weiterhin liegt vor ein Antrag der Fraktion der WAV:
Der Bundestag empfiehlt den Abgeordneten Aumer, Freiherr von Aretin, Mayerhofer und Volkholz, ihre Mandate niederzulegen.
— Meine Damen und Herren! Es ist Ihnen vollkommen zutreffend aufgefallen, daß zum Unterschied vom Antrag der SPD der Name Schmidt hier fehlt.
Dann stehen zur Abstimmung die Anträge der Fraktion des Zentrums, die mit der Beratung dieses Ausschußberichts verbunden sind, Drucksachen Nrn. 1594 und 1595. Ich beabsichtige, über diese beiden Anträge dann abstimmen zu lassen, wenn über den Ausschußbericht und die dazu gestellten Anträge abgestimmt worden ist.
Zu dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 214 I, „Wahrung des Artikels 21 des Grundgesetzes", hat der Abgeordnete Reismann Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. Trifft das zu, Herr Abgeordneter?
Ich bitte die Damen und Herren, die einer Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Überweisung ist erfolgt.
Wir kommen zum Antrag der Fraktion der SPD
Umdruck Nr. 214 II, „Vorlage eines Gesetzes über
die Registrierungspflicht von Interessenvertretern".
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Ich beantrage, auch diesen Teil des Antrags an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
Sie haben den Antrag des Abgeordneten Dr. Wellhausen gehört, auch diesen Teil des Antrags dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Überweisung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt.
Wir kommen zu Umdruck Nr. 214 III, „Mißbilligung der politischen Geldvermittlung an Abgeordnete seitens des Bundesfinanzministers". Ein Überweisungsantrag liegt nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der SPD Drucksache Nr. 2315:
Der Bundestag empfiehlt den Abgeordneten Aumer, Freiherr von Aretin, Mayerhofer, Schmidt und Volkholz, ihre Mandate niederzulegen.
Dazu wünschen die Abgeordneten Schröter und Dr. Seelos eine Erklärung abzugeben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU beantragt, auch diesen Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seelos.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Ich beantrage, über die in dem Antrag enthaltenen Namen getrennt abzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich schieße mich diesem `Antrag an. Sie müssen das Protokoll genau gelesen haben und müssen unterscheiden zwischen denen, die Todsünden und denen, die läßliche Sünden begangen haben.
Zunächst ist beantragt, den Antrag Drucksache Nr. 2315 auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
— Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden,
daß über 'die Namen einzeln abgestimmt wird. —
Zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will mich nicht zu den Herren Aumer und Schmidt, die nicht unserer Partei angehören, äußern, aber ich bitte doch, die Abstimmung über die Herren Freiherr von Aretin und Volkholz so lange auszusetzen, bis das Gerichtsverfahren, das sie selbst beantragt haben, durchgeführt ist. Bis dahin soll man den Herren empfehlen, sich von einer Tätigkeit im Bundestag zurückzuhalten. Die nötigen Schritte können dann immer noch erfolgen. Das ist wohl der objektiv richtige Weg. Den Namen Mayerhofer bitte ich zu streichen.
Meine Damen und Herren, der Antrag auf Streichung des Namens Mayerhofer würde ja praktisch damit erledigt sein, daß über den Namen Mayerhofer abgestimmt wird. Hinsichtlich der Namen Freiherr von Aretin und Volkholz hat der Abgeordnete Dr. Seelos beantragt, die Abstimmung über diesen Antrag zurückzustellen, bis das von den Herren beantragte Strafverfahren durchgeführt ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Aussetzung der Abstimmung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; die Aussetzung ist abgelehnt.
Ich lasse zunächst darüber abstimmen — und damit wird gleichzeitig ja über den Antrag der Fraktion der WAV abgestimmt —, diese Empfehlung hinsichtlich des Abgeordneten Aumer auszusprechen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Empfehlung hinsichtlich des Abgeordneten Aumer zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei drei Enthaltungen ist der Antrag von allen Mitgliedern .des Hauses angenommen.
Ich stelle dieselbe Frage hinsichtlich des Abgeordneten Freiherrn von Aretin. Ich bitte die Damen und Herren, die diese Empfehlung bei dem Abgeordneten Freiherrn von Aretin aussprechen wollen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag angenommen.
Ich stelle dieselbe Frage hinsichtlich des Abgeordneten Mayerhofer. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, diese Abstimmung ist unklar.
— Wir wollen den Versuch machen, uns den Hammelsprung zu sparen. Ich bitte also noch einmal die Damen und Herren, die der Empfehlung hinsichtlich des Abgeordneten Mayerhofer zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite ist nach übereinstimmender Auffassung des Sitzungsvorstandes die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle dieselbe Frage hinsichtlich des Abgeordneten Schmidt . Ich, bitte die Damen und Herren, die die Empfehlung hinsichtlich des
Abgeordneten Schmidt aussprechen wollen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
Enthaltungen bitte! — Bei. einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich stelle die gleiche Frage hinsichtlich des Abgeordneten Volkholz. Darf ich um Ihr Handzeichen bitten. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist hinsichtlich des Abgeordneten Volkholz diese Empfehlung ebenfalls ausgesprochen.
- Herr Abgeordneter Fisch! Zur Geschäftsordnung oder zur Abstimmung? Wozu?
— Zur Abstimmung!
Meine Damen und Herren! Ich hatte gestern beantragt, die Liste der Personen, die aufgefordert werden sollen, ihr Mandat niederzulegen, zu erweitern, und zwar um den Abgeordneten Fritz Schäffer, den Abgeordneten Franz Joseph Strauß und den Abgeordneten Dr. Pferdmenges.
Herr Abgeordneter Fisch, nach der Geschäftsordnung müssen Anträge schriftlich eingereicht werden. Ich habe von Ihnen keinen schriftlichen Antrag bekommen.
Meine Damen und Herren! Ich lasse in Fortsetzung der bisherigen Abstimmung — ich nehme an, daß auch über die in Ergänzung genannten Namen einzeln abgestimmt werden soll — über den Abgeordneten Schäffer abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abgeordneten Schäffer empfehlen wollen, sein Mandat niederzulegen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen gegen, wenige Stimmen abgelehnt.
Ich stelle die Frage hinsichtlich des Abgeordneten Strauß. Ich bitte um Ihr Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Ich stelle die gleiche Frage hinsichtlich des Abgeordneten Dr. Pferdmenges. Ich bitte um Ihr Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU. Ich nehme an, daß der Umdruck Drucksache Nr. 2319 inzwischen verteilt ist. Ich darf über den Antrag insgesamt abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag Drucksache Nr. 2319 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag angenommen worden.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2274 auf der letzten Seite. Ich bitte die Damen und Herren, die den Ausschußbericht genehmigen wollen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des Zentrums Drucksache Nr. 1594. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag —
— Subventionen an die Industrie! Ich nehme an, daß dieser Antrag sämtlichen Damen und Herren , vorliegt und bekannt ist.
— Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen!
Meine Damen und Herren! Ich empfehle, auch diesen Antrag dem Ausschuß zu überweisen.
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen, darf ich fragen, ob Sie diesen Antrag, der sich mit wirtschaftspolitischen Fragen befaßt, an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen wissen wollen.
— Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik beantragt worden.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Überweisung ist erfolgt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 1595. — Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen wünscht noch einen Antrag zu stellen.
Meine Damen und Herren, ich beantrage, auch diesen Antrag an einen Ausschuß zu überweisen. Ich bitte, mir zu gestatten, eine halbe Minute zu überlegen, an welchen Ausschuß.
Ich bitte, auch diesen Antrag an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen.
Herr Abgeordneter Renner, Sie würden dem Hause das Verfahren erleichtern, wenn Sie nicht Anträge stellen, die Sie selbst auch nicht ernst nehmen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zuzustimmen wünschen,. eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich komme zur Abstimmung über den
Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Aufhebung der Immunität von Abgeordneten (Nr. 2076 [neu] der Drucksachen),
der gestern abend von Herrn Abgeordneten Ritzel
begründet und besprochen worden ist. Ich bitte die
Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
— Es handelt sich um die Delegierung von Befugnissen des Parlaments in Bagatellsachen an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen ist der Antrag angenommen worden.
Damit ist die gestrige Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf zur Einzelbesprechung der
dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes .
Ich rufe zunächst auf § 1. Dazu liegt ein Antrag des Herrn Abgeordneten Neuburger auf eine Einfügung vor Ziffer 1 a vor.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben bei der zweiten Lesung den § 7 Abs. 3 — das ist § 1 Ziffer 3 — geändert, und zwar in der Form, daß wir hinzugefügt haben „oder die Lieferungen im Großhandel eine Million deutsche Mark überschritten haben". Eine entsprechende Bestimmung enthält bei dem Kapitel über Steuerbefreiungen — das ist der § 4 — die Ziffer 4. Wir müssen daher bei dieser Ziffer 4 den gleichen Zusatz hinzufügen, also ebenfalls den Zusatz: „b. oder die Lieferungen im Großhandel eine Million Deutsche Mark überschritten haben". Diese Änderung ergibt sich also zwangsläufig auf Grund der Änderung, ,die wir bei der zweiten Lesung für § 7 Abs. 3 beschlossen haben. Ich möchte bitten, mir zu erlassen, die ganze Ziffer 4 im Wortlaut zu verlesen. Er ist vollkommen der gleiche geblieben und erhält nur den Zusatz: „oder die Lieferungen im Großhandel eine Million Deutsche Mark überschritten haben".
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag zur Kenntnis genommen. Wünscht jemand dazu das Wort zu nehmen? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den eben von Herrn Abgeordneten Neuburger bekanntgegebenen Änderungsantrag, eine Ziffer — nennen wir sie zunächst 1 aa, um klarzustellen, wo sie stehen muß — einzuschieben. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wunschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Ziffer la. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 222 Ziffer 1 vor.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Lausen!
Ich brauche zu der prinzipiellen Seite dieses Antrags keine Ausführungen mehr zu machen, weil sie in der vorgestrigen Sitzung gemacht worden sind. Wir haben aber erfahren, daß eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, auch der Regierungsparteien, etwas Bedenken gehabt hatte, unseren Antrag abzulehnen. Wir haben deshalb unseren Antrag jetzt materiell eingeschränkt und ihn lediglich auf kommunale bzw. Krankenhäuser öffentlich-rechtlicher Körperschaften beschränkt. Wir haben außerdem, um uns nicht wieder von dem Herrn Finanzminister aus formellen Gründen
in die Parade fahren zu lassen, auch formell eine Änderung vorgenommen insofern, als wir die in unserem Antrag auf Umdruck Nr. 222 unter Ziffer 1 beantragte Fassung als Ziffer 12 c bezeichnen und beantragen, daß die bisherige Ziffer 12 c nunmehr 12 d wird. Damit sind, glaube ich, auch die formellen Bedenken beseitigt, und ich bitte Sie, dem Antrag in dieser Form nunmehr zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Neuburger!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag auch in dieser einschränkenden Form abzulehnen. Es ist "beim letzten Mal im wesentlichen darauf hingewiesen worden, daß die Krankenhäuser, die durch die öffentliche Hand geführt werden, ebenfalls nicht auf ihre Kosten kommen. Das ist zweifellos richtig; aber es darf doch nicht übersehen werden, daß dann eben die Fehlbeträge zwangsläufig durch die Steuererträge abgedeckt werden müssen.
Die Krankenanstalten, die von den anerkannten Wohlfahrtsverbänden geführt werden, sind zur Abdeckung ihres Defizits auf Almosen, d. h. auf Spenden angewiesen, und es ist zweifellos so, daß dann, wenn diese Spenden nicht eingingen, eben die öffentliche Hand mit diesen Ausgaben belastet würde. Gerade um dem vorzubeugen, soll eben der Staat auch dadurch einen gewissen Beitrag leisten, daß er auf die Umsatzsteuer für diese Tätigkeit verzichtet. Insoweit liegt eben doch — und zwar vom Bedarfsträger her gesehen — ein wesentlicher Unterschied vor, und mit Rücksicht auf diesen Unterschied bitten wir auch um die unterschiedliche Behandlung. Daher bitte ich, den gestellten Erweiterungsantrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu 1 a. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 222 unter Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis ist unsicher. Ich muß Sie bitten, das Ergebnis im Wege des Hammelsprungs zu klären.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen und die Abstimmung zu beschleunigen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen! —
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen.
— Ich hatte bereits gebeten, die Abstimmung zu schließen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag der Fraktion der SPD haben gestimmt: 157 Abgeordnete, dagegen 135, Enthaltungen: 20. — Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Ziffer 1 a unter Berücksichtigung der eben beschlossenen Abänderung. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 1 a unter diesen Umständen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um
die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 1 b. — Keine Wortmeldungen. — Ziffer 2. — Keine Wortmeldungen.
— Ich lasse einzeln abstimmen, zunächst über
. Ziffer 1 b. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 1 b zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig ohne Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Ziffer 2 ist angenommen.
— Enthaltungen? — Ja. Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf: Ziffer 2 a. Dazu liegt der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 222 unter Ziffer 2 vor, dann ein weiterer handschriftlicher Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Mensing, in § 7 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes hinter „Zucker" einzufügen: „Fleisch und Wurstwaren",
und ein weiterer Antrag des Herrn Abgeordneten Neuburger.
Wer wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen mit unserem Antrage auf Umdruck Nr. 222 Ziffer 2 auf den § 7 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes zurück, der sich mit den Nahrungsmitteln beschäftigt. Bedauerlicherweise ist die Fassung, die der Ausschuß mit heißem Bemühen erarbeitet hatte, bei der Abstimmung in der zweiten Lesung — wenn ich so sagen darf — in die Wurstmaschine geraten und hat ein gräßliches Ende gefunden.
Wir möchten nun gern erreichen, daß dieses furchtbare Ende dieser Ausschußfassung wenigstens etwas Gutes gehabt hat, und wir möchten Sie fetzt bitten, meine Damen und Herren, daß wir diesen Antrag, die Umsatzsteuer für alle Grundnahrungsmittel auf 11/2 % zu senken, nicht wiederholen und uns doch nunmehr dazu entschließen, den Antrag anzunehmen, wie ihn der Bundesrat uns vorgeschlagen hat.
- Ohne die Wurst, Herr Kollege Horlacher. Sie
finden in der Drucksache Nr. 1983 die Formulierung des Bundesrates. Unser Antrag lautet entsprechend, die Steuer auf 3 vom Hundert zu ermäßigen für die Lieferungen und den Eigenverbrauch von Frischmilch, Butter, Butterschmalz,
Margarine, Konsumspeise- und Plattenfett, pflanzlichen Olen und Zucker. Das, meine Damen und
Herren, sind die preisgebundenen Artikel, die wir
schon in unserem ersten Antrag aufgeführt hatte.
Wir beantragen nunmehr, diese Nahrungmittel zu
ergänzen, um die Teigwaren, die Eier, die Kartoffeln, die Fische und die Fischwaren, entsprechend der Formulierung des Bundesrates.
Meine Damen und Herren! Wir hatten uns bei der Begründung unseres Antrages, die Umsatzsteuer auf 11/2% zu ermäßigen, auf den Lebens-
haltungsindex berufen. Da warf mir der Kollege Neuburger entgegen, wie es sich denn nun mit dem Lohnindex verhalte. Ich habe erwidert, wenn der Lohnindex auch gestiegen sein mag, so ist er bestimmt nicht so gestiegen, daß er auch diese Steuererhöhung, die Sie eben beschlossen haben, tragen kann. Heute morgen nun ging uns von der Pressestelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes ein Auszug aus einem Schreiben zu, das der Deutsche Gewerkschaftsbund an den Herrn Bundeskanzler geschrieben hat und in dem es heißt:
In den verschiedenen Besprechungen mit den zuständigen Ministerien haben wir gegen die geplanten Erhöhungen der Verbraucherpreise schon Einspruch erhoben und darauf hingewiesen, daß dadurch der Lebensstandard der Arbeitnehmerschaft stark beeinträchtigt wird. Die in den letzten Monaten eingetretenen erheblichen Preissteigerungen konnten durch die inzwischen durchgeführten Lohn- und Gehaltserhöhungen nur teilweise aufgefangen werden.
Meine Damen und Herren, Sie kennen die Diskussionen, die zur Zeit wegen der allgemeinen Lohnerhöhungen, die von den Anregungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes ausgegangen sind, schweben. Ich möchte hier nur eine einzige Ziffer wiederholen, nämlich die, die das Finanzwissenschaftliche Institut der Universität Köln errechnet hat. In jedem Verbraucherpreise stecken im Durchschnitt 8 bis 12 % Umsatzsteuer bei 3% Umsatzsteuer.
Wenn wir also die Umsatzsteuer um 1% erhöhen, dann kann sich jeder an den Fingern ausrechnen, daß dann die Verbraucherpreise im Durchschnitt um etwa — lassen Sie mich grob rechnen — 3 bis
5 % steigen müssen. Ich glaube, diese Preissteigerung, die wir nach der Erhöhung der dreiprozentigen Umsatzsteuer nicht mehr aufhalten können, sollten wir aufzuhalten versuchen, indem wir diesem Antrage zustimmen und diese wichtigsten Grundnahrungsmittel — ich darf noch einmal wiederholen: Teigwaren, Butter, Butterschmalz, Margarine, Konsumspeise- und Plattenfett, Pflanzenöle, Eier, Frischmilch, Kartoffeln, Fische und Fischwaren — in Zukunft mit einem Steuersatz von 3 % besteuern. Ich glaube, dagegen wird auch der Herr Finanzminister nicht viel einwenden können, denn diese 3% stellen ja nunmehr den alten Satz dar, den wir bisher gehabt haben. Stimmen Sie darum bitte unserem Antrag zu.
Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, daß inzwischen ein Antrag des Herrn Abgeordneten Neuburger — ich nehme an, für die Fraktion — eingegangen ist, in Ziffer 2 a die Ausschußfassung mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß in Abs. 2 Ziffer 1 hinter dem Wort „Zucker" die Worte „Grieß und, Teigwaren" eingefügt werden.
Ich darf zur geschäftsordnungsmäßigen Klärung der Zulässigkeit des Antrags des Herrn Abgeordneten Mensing die Frage stellen: Wird dieser Antrag, „Fleisch- und Wurstwaren" einzufügen, von 10 Abgeordneten unterstützt? — Es haben sich inzwischen 10 Abgeordnete gefunden, die den Antrag unterstützen. Der Antrag ist hinreichend unterstützt.
Zunächst hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte, das Hohe Haus daran erinnern zu dürfen, daß diese Gesetzesvorlage eine Deckungsvorlage ist und der Bundesregierung die Möglichkeit geben soll, die Ausgaben, die sie zu leisten hat, auch durch Einnahmen decken zu können. Ich bitte, bei allen Anträgen doch an diesen Grundsatz zu denken. Wir haben eben einen Antrag angenommen, der einen Ausfall Von ungefähr 50 Millionen DM für den Bundeshaushalt bedeuten wird.
Wir haben jetzt neue Anträge vorliegen.
Ich brauche auf den Begriff „sozialkalkulierte Lebensmittel" nicht mehr einzugehen. Ich brauche nicht daran zu erinnern, was ich in der zweiten Lesung gesagt habe. Ich darf aber darauf hinweisen, daß es wohl einen Sinn hat, wenn man den bisherigen Satz von 3 % bei den Artikeln festhält, bei denen feste Preise bestehen, da in diesen festen Preisen die bisherige Umsatzsteuer einkalkuliert ist. Darüber in beträchtlichem Maße hinauszugehen, ist weder wirtschaftlich noch sonst-wie begründet und bringt unter Umständen ungeahnte Ausfälle. Ich bin nicht in der Lage z. B. abzuschätzen, was der weite Begriff „Fleisch- und Wurstwaren" für einen Ausfall bringen würde. Ich kann nur das eine sagen, daß der Ausfall sehr hoch sein wird und bei der Fassung, wie sie jetzt gewählt ist, auch Artikel enthalten würde wie — um nur ein Beispiel zu nennen — Pommersche Gänsebrust etc., die man wirklich nicht mehr als „sozialkalkulierte" Lebensmittel bezeichnen kann.
Meine Damen und Herren, ich bitte daher, über das Maß, das der Antrag Neuburger hält, der die Wiederherstellung des Ausschußantrages will, unter keinen Umständen hinauszugehen.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Dr. Koch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, mir zu erlauben, daß ich meine Ausführungen nur ganz kurz noch um einen Punkt ergänze, den ich darzustellen vergessen habe. Wir hatten ebenfalls das Nahrungsmittel Grieß aufgenommen. Sie finden das in unserem Antrag unter Ziffer 2 b. Wir waren davon ausgegangen, daß Grieß als ein Produkt aus Getreide eigentlich bei der Umsatzbesteuerung mit unter den Prozentsatz von 11/2 gehört und ebenso zu behandeln ist wie Mehl und andere Getreideprodukte.
Zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers nur ein ganz kurzes Wort. Ich bitte Sie, zu bedenken, daß, wenn wir von Umsatzsteuerausfällen reden, die hier rechnerisch ermittelt worden sind, ja mindestens 50 bis 60% aller dieser Ausfälle wieder hereinkommen, weil die Umsatzsteuer als Betriebsausgabe gerechnet wird und aus diesem Grunde sich die Einkommen- und Körperschaftsteuer entsprechend erhöht.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß aus der Tatsache, daß das Wort Grieß auf dem Umdruck Nr. 222 mit ß und auf dem Antrag Neuburger mit Schluß-s steht, keine Folgerungen gezogen werden.
Herr Abgeordneter Dr. Horlacher!
Meine Damen und Herren! Wenn ich auch oft in der Frühe in das Haus hineingehe und denke, ich habe mit der Tagesordnung nichts zu tun, so werde ich doch immer wieder veranlaßt, etwas zu der Tagesordnung zu sagen.
Zum Thema „Fleisch und Wurst" folgendes. Es wird für kein Gramm eine Verbilligung für die Bevölkerung eintreten;
denn die Viehmärkte schwanken ständig, so daß hierin schon die Marge liegt, um die erhöhte Umsatzsteuer vom Gewerbe selber tragen lassen zu können.
Dann die andere Frage: Grieß. Es hat sich einmal folgende Begebenheit ereignet — daran bin ich heute wieder erinnert worden —: Da hat es in Bayern im ersten Weltkrieg einmal einen Bezirksamtmann gegeben. Zu dem haben die Bauern gesagt: Es ist Grießmangel! Da hat er gesagt: Ja, die Geschichte ist so: Wenn ihr zu wenig Grieß habt, dann müßt ihr einen anbauen; die Sache ist nämlich so: der Grieß gehört zu den Getreideprodukten!
Das Wort hat der Abgeordnete Mensing.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, meinen Antrag noch einmal zu begründen, da meine Gedankengänge dem Hause bekannt sind; aber die Ausführungen des Kollegen Horlacher veranlassen mich, hier eine Feststellung zu treffen.
Die Erklärung des Kollegen Horlacher konnte den Eindruck erwecken — und ich glaube sagen zu dürfen, daß er diesen Eindruck auch erreichen wollte, indem er seine Auffassung in einer nicht mißzuverstehenden Form zum Ausdruck brachte —, daß eine Ermäßigung der Preise doch nicht eintreten würde. Sie wollten, Herr Kollege Horlacher, mit anderen Worten gesagt, damit ausdrücken, daß mein Berufsstand und die Fleischwarenindustrie den Anlaß der Umsatzsteuererhöhung zu unberechtigten Preiserhöhungen ausnützen würden.
Diese Auffassung, verehrter Herr Kollege Horlacher, lehne ich namens dieser Berufsstände auf das entschiedenste ab.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung.
Ich darf noch einmal rekapitulieren. Es liegen folgende Anträge vor: der wiederaufgenommene Antrag der Fraktion der KPD aus der zweiten Beratung, der Ihnen ja von dorther bekannt ist: „Von der Umsatzsteuer ausgenommen sind sämtliche Grundnahrungsmittel, . . . Bekleidung und Hausrat." Ich brauche ihn wohl im einzelnen nicht mehr zu verlesen. Weiter liegen vor der Antrag der Fraktion der SPD, der Antrag des Abgeordneten Neuburger und Fraktion der CDU und der Antrag des Abgeordneten Mensing.
Ich darf zunächst über den weitestgehenden Antrag, den der Fraktion der KPD, abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Der nächstweitestgehende Antrag ist der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 222 Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Mensing, hinter dem Wort „Zucker" die Worte „Fleisch- und Wurstwaren" einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Neuburger, die Ausschußfassung unter Hinzufügung der Worte „Grieß und Teigwaren" wiederherzustellen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Wiederherstellung der Ausschußfassung der Ziffer 2 a unter Berücksichtigung dieser Veränderung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist Ziffer 2 a erledigt.
Ich rufe die Ziffer 3 auf. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Keine Wortmeldung? — Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 3 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe Ziffer 4 auf. Dazu liegt ein Antrag der Fraktion des Zentrums Umdruck Nr. 221 vor.
Der Herr Abgeordnete Dr. Bertram wünscht dazu das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich habe diesen Antrag schon in der zweiten Lesung wiederholt. Ich will mich deshalb kurz fassen und Ihnen nur die wesentlichen Gründe noch einmal darlegen, die für die Beibehaltung der sogenannten Warenhaussteuer, d. h. der Steuer, die die Großbetriebe des Einzelhandels betrifft, sprechen.
Zunächst einmal ist zu sagen, daß es sich um ein ganz erhebliches steuerliches Objekt handelt. Der Umsatz der betreffenden Steuerpflichtigen, den sie selbst ermittelt haben, betrug im Jahre 1947 6,7 Milliarden RM. Wir müssen damit rechnen, daß bei diesen Betrieben im laufenden Finanzjahr ein Umsatz von wenigstens 9 Milliarden DM erreicht wird. Bei Aufrechterhaltung der gleichen Spanne, wie sie bisher zwischen der allgemeinen Umsatzsteuer und der Großbetriebsumsatzsteuer bestand, nämlich der Spanne von 3 zu 33/4 % — jetzt also 4 zu 5 % — würde sich ein Steuerausfall in einer Größenordnung von über 100 Millionen DM ergeben.
Es handelt sich also um einen ganz erheblichen Betrag.
Es wird eingewendet, diese Steuer führe dazu, daß Preissenkungen nicht möglich seien. Dieser Einwand trifft in keiner Weise zu, wie die bisherige Preisgestaltung der betroffenen Wirtschaftskreise bewiesen hat. Es ist einfach nicht wahr, daß durch eine Veränderung des' Verhältnisses zwi-
sehen Steuern des allgemeinen Einzelhandels und denen der hier betroffenen Warenbetriebe auch nur der geringste Einfluß in Richtung auf eine sozialere Preisgestaltung herbeigeführt würde; ganz im Gegenteil: diese Steuer hat sich durch zwanzig Jahre hindurch eingespielt und ein gewisses wirtschaftliches Gleichgewicht herbeigeführt. Bei einer Aufhebung — denn darum handelt es sich — würde dieses eingespielte wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten der Großkapitalbetriebe im Einzelhandel verändert werden. Das Gleichgewicht würde also gestört werden. Wir haben keinerlei Veranlassung, durch eine solche Steuerermäßigung einen volkswirtschaftlichen Zustand des Gleichgewichts zu stören.
Die Konsumgenossenschaften weisen darauf hin, daß auch sie unter diesen erhöhten Steuersatz fallen. Dagegen ist zunächst zu sagen, daß die Konsumgenossenschaften diesen Steuersatz bisher bezahlt und trotzdem floriert haben. Zweitens ist zu sagen, daß in dieser neuen Umsatzsteuervorlage den Konsumgenossenschaften insofern ein ganz erheblicher Vorteil geboten ist, als die sozialkalkulierten Lebensmittel, die bisher mit 33/4 % zu versteuern waren, in Zukunft nur noch mit 11/2 % und 3 % zu versteuern sind. Wenn also die Konsumgenossenschaften einen Umsatzanteil von 45 % an sozialkalkulierten Lebensmitteln haben und diese Steuern von 33/4 auf 11/2 bzw. 3% herabgesetzt werden, so ergibt sich nach der von uns vorgeschlagenen Fassung- gegenüber dem bisherigen Zustand bereits jetzt ein erheblicher Vorteil für die Konsumgenossenschaften.
Meine Damen und Herren, das Entscheidende ist ja immer, daß die Umsatzsteuer ein bestimmtes volkswirtschaftliches Gleichgewicht herbeigeführt I hat. Jede Änderung bedeutet eine Störung dieses Gleichgewichts. Glauben Sie bitte nicht, daß eine Änderung im Sinne der Regierungsvorlage irgend etwas für die Preisentwicklung Günstiges hervorrufen würde. Ich habe Ihnen in der letzten Lesung die Bilanz der Karstadt-AG. vorgetragen und habe darauf hingewiesen, daß diese beispielsweise den ausgewiesenen Rohgewinn — das ist sicherlich nur ein ganz kleiner Teil des effektiven Rohgewinns — von 1949 bis 1950 von 110 000 auf 3,4 Millionen DM hat steigern können und dann noch freie Rücklagen in einer Größenordnung von 8 Millionen DM gemacht hat. Das beweist eindeutig, daß die Preisgestaltung dieser Betriebe nicht von der Umsatzsteuer her erfolgt, sondern daß die Preise sich danach ausgerichtet haben, welche Gewinne erzielt werden konnten. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Ich bitte Sie deshalb, nicht durch den Fortfall einer solchen Steuer den Mittelstand in größte Bedrängnis zu bringen, ohne daß tatsächlich für die gesamte Konsumpreisbildung etwas erreicht werden würde.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Freudenberg.
Meine Damen und Herren! Ich habe mich im Frühjahr — oder war es im letzten Herbst? — bei der Beratung des Umsatzsteuergesetzes auf den Standpunkt gestellt, daß man die Streichung der 3/4 % zurückstellen solle, bis die Frage der Umsatzsteuer schlechthin geklärt sei. Die Ausführungen des Kollegen Mensing, aber auch die des Kollegen Dr. Bertram — diese allerdings weniger — zeigen mir, daß in diesem Punkt die Meinungen außerordentlich auseinandergehen.
Die sogenannte Warenhausumsatzsteuer, Herr Kollege Mensing, bedeutet gar nichts anderes als eine Sonderumsatzsteuer für Unternehmungen mit einer gewissen Größenordnung. Die ernste Frage, die wir uns hier eigentlich vorzulegen haben, ist die, ob wir bei der Umsatzsteuer entsprechend der Größe der Unternehmungen Staffelsteuern einführen sollen oder nicht. Ich könnte mir denken, Herr Kollege Mensing, daß eine ganze Reihe Schlachtermeister der Meinung sind, schon ein Umsatz von 100 000 DM sei so hoch, daß alle Umsätze über 100 000 DM höher besteuert werden sollten als die Umsätze kleinerer Betriebe.
Der wesentliche Punkt, um den es hier geht, liegt auf einem ganz anderen Feld, nämlich auf dem Gebiet der sogenannten Stufenbesteuerung. Es ist ganz selbstverständlich, daß, je höher die Umsatzsteuer wird, die volkswirtschaftliche Frage desto wichtiger wird, ob die Umsatzsteuer in der Höhe von 4 % keine volle Umstellung unseres wirtschaftlichen Aufbaus in der. Richtung bringen kann, daß die Wirtschaft aus steuerlichen Gründen gezwungen wird, sich vertikal zu gliedern. Das aber, scheint mir, muß unter allen Umständen vermieden werden. Ich möchte gerade als Anhänger und als starker Befürworter des vertikalen Aufbaues die vertikal gegliederten Unternehmen davor warnen, sich das wirtschaftlich und technisch Richtige dadurch unmöglich zu machen, daß sie sich nachsagen lassen könnten, der vertikale Aufbau werde nur aus steuerlichen Gründen angestrebt. Ich hoffe, daß' es Ihnen ganz klar ist, was ich sagen will.
Aus den angeführten Gründen darf ich Ihnen den Antrag der FDP-Fraktion vorlegen, der folgendermaßen lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend
von der Ermächtigung des § 8 des Umsatz-
, Steuergesetzes Gebrauch zu machen. Waren, die in einem Unternehmen mehrere Wirtschaftsstufen durchlaufen, sind für die Hauptstufen, soweit es unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und organisatorischen Verhältnisse möglich und soweit es nicht branchenüblich ist, grundsätzlich so zu besteuern, als wenn diese Waren zwischen selbständigen Unternehmen umgesetzt worden wären. Dies' gilt insbesondere für die Wirtschaftsstufen zwischen Fabrikation, Groß- und Einzelhandel.
Ich glaube, daß wir damit viel richtiger das treffen, was wirklich zum berechtigten Schutz der Einzelunternehmen und damit des Mittelstandes zu geschehen hat, nämlich dem vertikalen Aufbau die Gründe steuerlicher Bevorzugung zu nehmen.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Stücklen.
In der vorjährigen Debatte des Deutschen Bundestages über die gleiche Materie sind ungefähr dieselben Argumente und Gegenargumente geltend gemacht worden wie bei der diesjährigen Beratung. Trotzdem hat sich der Bundestag in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit für die sogenannte Warenhaussteuer entschieden, und zwar deshalb, weil aus Verantwortungsbewußtsein und aus der Anerkennung der schwierigen Finanzlage des Bundes heraus diese Entscheidung so getroffen werden mußte. Und nun stelle ich ganz logisch fest: Die Mehrheiten des Deutschen Bundestages sind die gleichen geblieben, die Argumente und Gegenargumente sind die gleichen
geblieben. Jetzt fragt sich nur, ob sich die Finanzlage des Bundes so günstig entwickelt hat, daß der Herr Bundesfinanzminister auf die Millioneneinnahmen aus der Warenhaussteuer verzichten kann. Wenn das der Fall wäre, dann allerdings: ja. Aber vor wenigen Minuten sprach der Bundesfinanzminister hier davon, daß ihm gerade durch diese Abstimmung in der dritten Lesung wiederum ungefähr 50 Millionen durch die Lappen gegangen sind. Als besonderer und persönlicher Freund des Bundesfinanzministers möchte ich ihm daher nun neue Steuern bringen in Form der Warenhaussteuer.
Der Kollege Bertram, dessen Antrag ich unterstütze, hat hier erklärt, daß die erneute Begünstigung der Warenhäuser und ähnlicher Betriebe nicht dem Konsumenten zugute komme, sondern daß lediglich die Dividende der Karstadt-, der Kaufhof-AG usw. steigen würde.
Wer also die Steigerung der Dividende dieser Leute haben will, der stimme gegen die Warenhaussteuer. Wer aber ein Herz und Sinn für eine Mittelstandspolitik hat, der stimme für die Warenhaussteuer.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann
mich auf einen einzigen Satz beschränken. Unter Bezugnahme auf die Erklärungen, die ich in der zweiten Lesung abgegeben habe, erkläre ich noch einmal, daß die Durchführungsverordnung zu § 8 des Umsatzsteuergesetzes bereits in Ausarbeitung ist und daß ich bestimmt hoffe, diese Durchführungsverordnung noch vor den Parlamentsferien bekanntgeben zu können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pelster.
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unseren Händen befindet sich der Umdruck Nr. 223, der an zweiter Stelle von Herrn Kollegen Stücklen unterschrieben worden ist und einen ganz anderen Inhalt hat als das, was er soeben vorgetragen hat. Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen.
Ich möchte aber auch die von ihm gestellte Frage beantworten: Was hat sich geändert? An den Finanzen der Bundesregierung hat sich in der Tat nichts geändert. Geändert hat sich aber die Auffassung der, wie ich annehme, Mehrheit dieses Hauses, auf welchem Wege am besten Mißbräuchen, denen die Warenhaussteuer zum Teil abhelfen sollte, in Zukunft vorgebeugt werden kann, sofern diese Steuer aufgehoben wird. Dieser bessere Weg ist der § 8, denn er übernimmt nicht ohne weiteres diese Äpfel-und-Birnen-Aufstellung des § 7 Abs. 4: Konsumgenossenschaften, 2) Warenhäuser, 3) Filialbetriebe, 4) Einzelhändler über eine Million Umsatz, sondern durch ihn ist der Bundesfinanzminister auf Grund dieser Ermächtigung in der Lage, die verschiedenen Gruppen tatsächlich so zu behandeln, wie es ihrer Eigenart entspricht.
Wenn hier immer gesagt wird, man müsse eine Sicherheit haben, dann muß ich Ihnen darauf erwidern: Der Finanz- und Steuerausschuß — und das darf ich als Berichterstatter nachholen, wenn ich es noch nicht gesagt haben sollte — hat den sicheren Eindruck gewonnen, daß der Bundesfinanzminister von diesem § 8, und zwar aus höchst eigensüchtigen Gründen, einen sehr hinreichenden Gebrauch machen wird. Deswegen bitte ich Sie, wie das mein Kollege Freudenberg schon. getan hat, nachher der Entschließung zuzustimmen, dagegen die Anträge sowohl des Kollegen Bertram wie des Kollegen Stücklen abzulehnen.
Herr Abgeordneter Pelster wünscht noch das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Abgeordnete Wellhausen den Umdruck Nr. 223 erwähnt hat, sehe ich mich genötigt, doch noch das Wort zu nehmen. Wir sind mit dieser Fassung einverstanden und sind auch mit den Mitgliedern des Hohen Hauses, die diese Entschließung unterschrieben haben, dahin einig geworden, daß dem Abs. 2 ein Zusatz angefügt wird in der Form:
es sei denn, daß es sich um Lebensmittel handelt, deren Herstellung und Verkauf an den
letzten Verbraucher in einer Stufe üblich ist. Ich möchte diesen Zusatzantrag zu der Entschließung auf Umdruck Nr. 223, nachdem der Herr Kollege Wellhausen darauf hingewiesen hat, dem Herrn Präsidenten übergeben und darf das Hohe Haus bitten, ihm zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Es ist zunächst abzustimmen über den Abänderungsantrag der Fraktion des Zentrums Umdruck Nr. 221. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über die Ziffer 4 der Vorlage. Wer dieser Ziffer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Nunmehr ist über eine Reihe von Entschließungen abzustimmen.
Zur Abstimmung hat das Wort der Abgeordnete Neuburger.
— Ich bitte um Entschuldigung, ich habe diesen Platz soeben erst eingenommen. Bitte, Herr Abgeordneter Schmücker!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die verschiedenen Entschließungsanträge sind hier bereits erwähnt worden. Wir hatten Ihnen einen Antrag vorgelegt, der leider mit den Worten, beginnt: „Nach Streichung des § 7 Abs. 4." Es liegen mehrere ähnlich lautende Anträge vor.
Ich möchte noch einmal betonen, daß es unser Ziel gewesen ist — wir haben das auch in der Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 210 gesagt —, die Wettbewerbsbedingungen gleich zu gestalten und damit auch eine wenigstens annähernd gleiche Steuerbelastung zu erzielen. Dieses Ziel verfolgen wohl auch die verschiedenen Entschließungsanträge, die zwar ein verschiedenes Alter, aber doch sehr viel Verwandtschaft haben.
Ich möchte Sie bitten, all diese Anträge dem Ausschuß zu überweisen, weil dann doch auch noch die Möglichkeit besteht, mit dem Herrn Finanzminister, der uns schon erfreuliche Zusagen gemacht hat, Einzelheiten durchzusprechen. Ich möchte also bitten, alle Entschließungen zur Ausschußberatung zu überweisen, und zwar dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Povel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Umdruck Nr. 216, einem Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, wird das Ziel verfolgt, die Entschlüsse, die der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen gefaßt hat, in die Tat umzusetzen. Ich darf vielleicht vorausschicken, daß diese Entschlüsse, die zu § 8, also zur Frage der Umsatzsteuer für die verschiedenen Stufen eines Betriebes — —
— Ich spreche zur Entschließung, genau wie Herr Schmücker.
Die Aussprache über diesen Entschließungsantrag ist bereits geschlossen; es wird jetzt über die Entschließung abgestimmt.
— Es hat sich niemand zum Wort gemeldet. (Abg. Neuburger: Das geht doch alles an den Ausschuß! Da können Sie noch reden,
Herr Povel!)
— Herr Abgeordneter, Sie können nur zur Abstimmung sprechen. Wird das Wort zur Abstimmung noch gewünscht?
— Aber nur zur Abstimmung! Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schließen uns der Anregung — oder richtiger dem Antrag — der CDU/CSU an und bitten Sie, alle Entschließungsanträge, die jetzt noch vorliegen, also die Anträge Umdrucke Nrn. 223, 220 und 216 — diesen letzteren wollte uns eben Herr Abgeordneter Dr. Povel noch erklären — und den uns nicht vorliegenden Antrag der Freien Demokratischen Partei an den Finanzausschuß und an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen, wobei der Finanzausschuß federführend zu sein hätte.
Herr Neuburger!
Angesichts dieser Ausführungen erübrigt sich, daß ich noch spreche.
Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse zunächst über den Antrag auf Überweisung sämtlicher Entschließungsanträge an die beiden soeben genannten Ausschüsse abstimmen, wobei der Ausschuß für Finanzpolitik federführend sein soll. Es handelt sich um die Umdrucke Nrn. 216, 220 und 223, dazu um den soeben überreichten Zusatzantrag Pelster und Genossen und um einen Antrag der FDP-Fraktion, der noch keine Umdrucknummer hat. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend von der Ermächtigung des § 8 Umsatzsteuergesetz Gebrauch zu machen usw.
Wer für die Überweisung dieser Entschließungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dann rufe ich Ziffer 5 auf. Zu dieser Ziffer sind zwei Anträge angekündigt, nämlich ein Antrag- der SPD Umdruck Nr. 222 Ziffer 3 und ein Antrag Neuburger und Genossen. Wer begründet Ihren Antrag?
Herr Abgeordneter Koch!
Meine Damen und Herren, es sollte sich hier um die Wiederherstellung der Ausschußfassung handeln, es erübrigt sich aber, weil diese Fassung in der letzten Sitzung schon beschlossen wurde.
Herr Abgeordneter Neuburger!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten zu der zweiten Fassung der Ziffer 5 den Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsfassung gestellt gehabt, und zwar deswegen, weil der § 2 a seinerzeit abgelehnt wurde. Ich hatte nun den Antrag gestellt und wiederhole ihn hiermit, Ziffer 5 in der Fassung des 11. Ausschusses wiederherzustellen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, die Fassung des 11. Ausschusses wiederherzustellen, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Ziffer 6, — Ziffer 7. — Keine Wortmeldungen.—
Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 1 a, — § 2, — Abschnitt II § 3. — Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Zu § 4 ist ein Abänderungsantrag des Kollegen Neuburger angekündigt .Wollen Sie den Antrag begründen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In § 4 steht noch das Datum: „31. Mai 1951". Es war eingesetzt in der Annahme, daß das Gesetz mit dem 1. Juni in Kraft tritt; es kann aber nun frühestens mit dem 1. Juli in Kraft treten. Deshalb ist das Datum in „30. Juni 1951" zu ändern.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich lasse abstimmen. Wer für diese Änderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wer für den § 4 in der neuen Fassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Abschnitt III § 4 a, — § 5, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Damit ist die Einzelberatung abgeschlossen. Ich lasse nunmehr abstimmen über die Annahme des Gesetzes im ganzen. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Darf ich um Wiederholung bitten. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer dagegen ist! - Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist angenommen.
Nunmehr haben wir noch zu beschließen, die Petitionen, die zu dieser Materie eingegangen sind, für erledigt zu erklären. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes . (Erste Beratung: 84. und 88. Sitzung; zweite Beratung: 147. Sitzung.)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß es sich hierbei um die Genehmigung oder Nichtgenehmigung von etwa 800 Millionen DM handelt und eine entsprechende Aufmerksamkeit unter Umständen von Nutzen sein könnte.
Die sozialdemokratische Fraktion hat dem Hause eine Entschließung vorzulegen, die ich Ihnen zunächst vorlesen möchte:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundestag stellt fest, daß die Zölle des neuen Zolltarifs, mit Ausnahme der Finanzzölle, wie sie im Zolltarifentwurf bis jetzt von der Bundesregierung gefordert sind , nur aus wirtschaftspolitischen Erwägungen erhoben werden, fiskalische Gründe für die Erhebung ausscheiden und daß bei Inkraftsetzung des neuen Zolltarifs keine weiteren Konsumbelastungen durch Zollerhöhungen eintreten sollen.
Wie Sie daraus ersehen, haben wir aus der Abstimmung nach der zweiten Lesung insofern die Konsequenzen gezogen, als wir uns überzeugt haben, daß die Mehrheit dieses Hauses eindeutig dafür eintritt, daß die Zölle für exotische Gewürze, Kakaobohnen, Mineralöle usw. als Finanzzölle erhoben waren. Obwohl wir dagegen sind, werden wir diese Frage nicht erneut zur Abstimmung stellen, sondern bitten Sie nur, über diese Liste hinausgehend in Zukunft keine weiteren Finanzzölle zu erheben. Wir möchten Ihnen vor allen Dingen den Mitarbeitern des Zolltarifausschusses, damit die Möglichkeit geben, ihrer bisherigen Meinung, daß das Ganze ein wirtschaftspolitisches und kein fiskalisches Gesetzeswerk sei, hierdurch Nachdruck zu verleihen.
Es kommt bei diesem Zolltarif darauf an, ihn der Labilität der gegenwärtigen Weltwirtschaftspolitik anzupassen, d. h. ihn in der zeitweiligen oder dauernden Herabsetzung einzelner Positionen absolut beweglich zu halten.
Dazu dient der § 4 des Gesetzes. Dies war die einmütige Meinung des Zolltarifausschusses, und insofern bestand bis vor wenigen Tagen die Aus-. Sicht, daß das Haus das Gesetz mit großer Mehrheit annehmen würde. Die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Hartmann in der zweiten Lesung haben unser Zutrauen allerdings völlig erschüttert. Unsere Bedenken gehen dahin, daß Herr Hartmann und mit ihm die ganze Bundesregierung dieses Gesetz mißbrauchen wird zur Deckung fiskalischer Defizite.
Diese Vermutung wird besonders dadurch verstärkt, daß es der Herr Staatssekretär trotz wiederholter Aufforderung ablehnte, genaue Zahlen über das vermutliche Mehraufkommen zu nennen, und zwar mit der Behauptung, er könne keine nennen. Ich möchte darauf hinweisen, daß das bundesstatistische Amt hierüber bereits Nachforschungen angestellt hat, wobei ich zugebe, daß exakte Zahlen nicht zu erreichen sind, wohl aber Schätzungen, die die Größenordnung und ihre Bedeutung durchaus klarstellen. Die Schätzungen gehen nämlich darauf hinaus, daß man, will man den neuen Zolltarif ohne irgendwelche Begünstigungen in Kraft setzen, eine . Mehrbelastung von etwa 800 Millionen DM im Jahr errechnen könne. Das' bedeutet, daß man hier mit einem Trick — nicht durch eine Steuerhöhung, sondern durch eine Zollerhöhung — den Ausgleich des Staatshaushalts durchführen will.
Es wird Ihnen aufgefallen sein, daß der Herr Finanzminister von seinem ursprünglichen Plan der Sonderumsatzsteuer, der noch vor wenigen Wochen bestand, Abstand genommen und daß er ebenso von seinem ursprünglichen Plan, die Umsatzsteuer auf 41/2% zu erhöhen, abgegangen ist und 1/2 % wieder nachgelassen hat. Diese „Nachlässe," die also eine Nichterhöhung der Steuerbelastung bedeuten sollen, werden hier auf dem Umweg über neue Zollbelastungen doch wieder zu einer Bürde für die Konsumenten. Ich meine, daß wir es uns wirtschaftspolitisch — und darauf möchte ich besonderen Nachdruck legen — nicht leisten können, den Zolltarif fiskalisch zu betrachten. Denn wenn wir die Zolltarife fiskalisch festlegen, so können wir natürlich bei wirtschaftspolitischer Notwendigkeit diese Zölle nicht senken, eben weil wir im Etat auf die Einnahmen angewiesen sind. Damit wird das Instrument wirtschaftlich völlig stumpf, und ich gebe wiederholt der Hoffnung Ausdruck, der Herr Bundeswirtschaftsminister werde dagegen Front machen, daß man ihm sein eigenes wirtschaftspolitisches Instrument aus der Hand nimmt, indem man es — entschuldigen Sie — „fiskalisch notzüchtigt."
Wir sind also gegen diese Entwicklung der fiskalischen Festlegung der Zölle und haben es durchaus mit Sympathie gehört, als die Herren Vertreter der Regierungsparteien in der zweiten Lesung mit uns der Meinung waren, wir wollten es beim Zolltarif als einem wirtschaftspolitischen Instrument belassen, daß sie sich also gegen diese fiskalische ,Umdeutung des Gesetzes entscheiden würden. Leider haben die Herren sich bisher nicht zu der Konsequenz bereit finden können, diesem Antrag, der ihre Beteuerung noch einmal vor die Öffentlichkeit festlegen würde, auch ihre Unterstützung
zu geben. Ich muß ganz offen sagen: Wenn sich die Regierungsparteien nicht dazu verstehen können, das, was von ihrer Seite in der zweiten Lesung hier im Plenum geäußert wurde, durch eine Entschließung zu akzeptieren, dann können wir unsererseits nicht das Zutrauen haben, daß diese Beteuerungen wirklich ernst gemeint sind. Wir müssen vielmehr mit Nachdruck darauf hinweisen, daß hier in der dritten Lesung eine Zollerhöhung ihren Anfang nimmt, die dahin führen muß, daß der Konsum ungeheuer belastet wird. Das ist eine Belastung, die natürlich genau wie die Umsatzsteuererhöhungen, die vorher hier auf der Tagesordnung standen, zu weiteren Preissteigerungen führen wird, so daß nicht eine Befriedung der PreisLohn-Verhältnisses, wie sie dringend notwendig ist, erreicht wird, sondern an der Preis-Lohn-Spirale weiter nach oben hin gedreht wird.
Deshalb unser Antrag — unter Hintanstellung unserer Auffassung, daß auch die bisher festgelegten Finanzzölle nicht erhoben werden sollten —, um den Regierungsparteien die Gelegenheit zu geben, ihrer Auffassung, wie sie hier bisher bekundet wurde, durch Zustimmung zu unserer Entschließung Nachdruck zu verleihen.
Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Serres.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde bitte ich Sie, dieser soeben von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließung nicht Ihre Zustimmung zu geben.
Wir sind der Auffassung, daß eine Durchführung dieser Entschließung praktisch überhaupt nicht möglich ist. Wir verweisen darauf, daß die Grenze zwischen den handelspolitischen Zöllen und den Fiskalzöllen sehr flüssig ist, daß eine strenge Unterscheidung überhaupt nicht zu machen ist und daß vor allen Dingen auch durchaus die Möglichkeit besteht, daß ein zunächst handelspolitischer Zoll später ein Fiskalzoll wird und umgekehrt. Aus diesen Gründen glauben wir nicht, daß es zweckmäßig ist, diese Grenze aufzuzeigen, wie das hier von der SPD gewünscht wird, sondern wir sind der Meinung, daß das Gesetz unverändert in der Fassung der zweiten Lesung angenommen werden muß.
Auch was den letzten Satz der Entschließung der Fraktion der SPD angeht, so sind wir der Meinung, daß hier ebenfalls eine Festlegung nicht erfolgen kann. Wir alle können nicht voraussehen, wie sich das neue Zolltarifgesetz auswirken wird. Sie wissen, daß wir hier eine bedeutungsvolle Änderung insofern herbeiführen, als wir den bisherigen Bülowschen Tarif vom Jahre 1902 in einen Wertzolltarif umgestalten. Wie sich diese Wertzölle in Zukunft auswirken werden, läßt sich nicht sagen.. Wir wissen nicht, ob damit eine Steigerung der Einnahmen des Bundesfinanzministeriums verbunden ist, und müssen zunächst einmal die nächste Entwicklung abwarten.
Im übrigen gestatte ich mir, darauf hinzuweisen, daß wir für notwendig werdende Korrekturen, etwa im Sinne der Anträge der SPD, auch eine Möglichkeit haben. Gemäß § 4 des Zolltarifgesetzes
kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages Rechtsverordnungen erlassen, so daß die notwendigen Korrekturen vorgenommen werden können.
Ich darf meine Ausführungen zusammenfassen und Sie bitten, dem Zolltarifgesetz in der Fassung der zweiten Lesung unverändert zuzustimmen, die Entschließung der SPD aber abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Das vorliegende Zolltarifgesetz ist nicht von den' Verhandlungen und den Abschlüssen in Torquay zu trennen. Man sprach während der zweiten Lesung davon, daß es sich bei diesem Zolltarifgesetz um ein autonom, in deutscher Zuständigkeit zu verabschiedendes Gesetz handele. In Wirklichkeit ergibt sich aber aus der Begründung dieses Gesetzes, aus der Vorlage des Ausschusses, daß dieses Zolltarifgesetz identisch ist mit den wesentlichen Grundsätzen der Konferenz von Torquay. Diese Konferenz entsprach den Wünschen des amerikanischen Finanzkapitals auf handels- und zollpolitischem Gebiet. Der westdeutsche Handel unterliegt dem Diktat der Marshall-Plan-Behörde in Paris, der ECA, die von amerikanischen Finanzkapitalisten gesteuert wird. Infolgedessen handelt es sich nicht um ein freies, vom Bundestag autonom zu beschließendes Zolltarifgesetz, sondern um ein Zolltarifgesetz, das eben dem amerikanischen Handel und den amerikanischen Freibeutern dient. Das ergibt sich auch schon aus der Tatsache, daß man die Liberalisierung fortsetzt. In dem Zolltarifgesetz werden nicht etwa schwere Schädigungen für unsere Landwirtschaft verhindert; im Gegenteil, ganz deutlich sagt man, daß diese Unsicherheitsmomente eben hingenommen werden müssen.
Des weiteren ist an diesem Zolltarifgesetz sehr interessant, daß es — wie auch im Ausschußbericht gesagt wurde — keinen Zoll für die Einfuhr von Kriegsgerät vorsieht. In dem Bericht des Ausschusses heißt es nämlich:
Die Regierungsvorlage hatte entgegen dem Vorschlage des Regierungsausschusses für Kriegsgerät Zollfreiheit vorgesehen. Die Unterkommission Zolltarif des Bundestages war der Meinung, daß hier wesentliche politische Gesichtspunkte hineinspielen und es richtig sei, wenn das Parlament eine Entscheidung überhaupt ablehnte.
Wir sehen also, daß die Adenauer-Regierung für die Einfuhr von Angriffswaffen gegen die Völker des Ostens und von Waffen für das Unterdrükkungsinstrument, nämlich ihre Bereitschaftspolizei, Zollfreiheit will. Es ist sehr bedauerlich, daß sich der Unterausschuß Zolltarif diesen Gedanken der Regierung nicht widersetzte. Das ist um so bedauerlicher, als — wie bereits bekannt — in dieser Kommission auch Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei tätig waren.
Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen dieses Zolltarifgesetz, weil es nicht den Interessen des deutschen Volkes und der Wahrung unserer wirtschaftlichen Entwicklung dient, sondern den kriegerischen Absichten des amerikanischen Monopolkapitals und den reaktionären volksfeindlichen Absichten der Adenauer-Regierung. Mit diesem Zolltarif und mit den Verhandlungen über die
Handelspolitik der Bundesrepublik sind die handelspolitischen Sperrmaßnahmen gegen den Han-
del mit den Völkern des Ostens und mit der Deutschen Demokratischen Republik verbunden. Die Bundesregierung hat sich auch in dieser Frage willfährig den Befehlen des amerikanischen Finanzkapitals gebeugt. Sie hat das Warenembargo einfach hingenommen und sogar von sich aus noch Maßnahmen getroffen, die den Handel mit unseren Schwestern und Brüdern in der Deutschen Demokratischen Republik und mit den Völkern des Ostens restlos abschnüren sollen. Das geschieht, obschon es Handelsvereinbarungen gab, die von der Bundesregierung bindend unterzeichnet wurden.
Wie diese von den Amerikanern uns aufgezwungene Handelssperre selbst von bürgerlicher Seite beurteilt wird, zeigt ein Artikel in der „Deutschen Wirtschaftszeitung". Dort wird gesagt:
Die bisherige Entwicklung hat das bestätigt. Die Kontrolle der deutschen Ausfuhr nach dem Osten erfolgte bisher weniger unter dem Gesichtswinkel einer Stärkung des Rüstungspotentials der Oststaaten, sondern vielmehr in der Absicht, unliebsame Konkurrenten von diesen Märkten auszuschalten und niederzuhalten.
Weiter wird in dem Artikel gesagt:
Anderen westeuropäischen Ländern mag es leicht fallen, mit Exporten nach Westeuropa kurzzutreten, vor allem nachdem sie mit Erfolg Deutschland auf diesen Märkten aus dem Felde geschlagen haben.
In diesem Artikel, den nachzulesen ich jeden bitte, ist an Hand von Tatsachen bewiesen, wie sich England, Amerika und Frankreich aktiv in den Osthandel eingeschaltet haben und wie man andererseits einen Druck ausübt, um diesen Handel Westdeutschlands mit Ostdeutschland und mit den östlichen Völkern zu unterbinden Diese Handelspolitik ist es, gegen die wir uns auch im Rahmen der Debatte über diesen Zolltarif wehren. Das deutsche Volk braucht einen Handel mit den Völkern des Ostens. Westdeutschland braucht einen ungehinderten innerdeutschen Handel. Es liegt nicht im Interesse des deutschen Volkes, wenn deutsche Politiker sich bereit finden, den Wünschen und Befehlen des Petersbergs in dieser entscheidenden Lebensfrage _ unseres Volkes einfach nachzukommen. Deutschland ist auf die Märkte des Ostens angewiesen. Der kapitalistische Weltmarkt ist übersetzt. Seien Sie sich darüber im klaren: Wenn der Rüstungs-Boom zu Ende geht, dann werden die Wirtschaft und der Handel Westdeutschlands gefährliche Rückschläge erleben. Wenn es bestimmte Leute in Westdeutschland gibt, die glauben, durch die wahnsinnige Rüstungspolitik, die in den Atlantikpaktstaaten betrieben wird, diese Verluste ausgleichen zu können, dann irren sie. Sie leisten unserem Volke einen Bärendienst, schädigen das Gesamtinteresse unseres Volkes und gefährden damit gleichzeitig den Frieden.
Die sozialen Auswirkungen dieses Zolltarifs wurden bereits behandelt. Wenn der Vertreter der CDU während der Debatte in der zweiten Beratung dieser Gesetzesvorlage erklärte, es handle sich bei diesem Zolltarifgesetz um Festsetzungstarife, die Vertragstarife sähen ganz anders aus, dann muß ich Ihnen dazu folgendes sagen: Die in diesem Zolltarif festgelegten Zollsätze sind Richtsätze, die auch bei den kommenden Verhandlungen mit anderen Staaten in der Frage des Handels zugrunde gelegt werden. Aus diesem Grunde muß man sich auch aus sozialen Gesichtspunkten gegen
diese Gesetzesvorlage wehren. Ich wundere mich allerdings über die Inkonsequenz der sozialdemokratischen Fraktion, die in der dritten Lesung ihre Anträge aus der zweiten Lesung nicht wieder aufgenommen hat. Sie hat durch ihre Entschließung versucht, eine Brücke zur Adenauer-Regierung zu bauen. Damit beweist sie wiederum, daß ihre Oppositionspolitik
keine grundsätzlich den Interessen der Arbeiterschaft und des werktätigen Volkes entsprechende
Oppositionspolitik ist, sondern daß hier nur eine
Scheinopposition betrieben wird. In den Grundsatzfragen geht, wie auch dieser Fall wieder beweist,
die sozialdemokratische Fraktion mit den Regierungsparteien konform. Wir als Kommunistische
Partei, das kann ich hier erklären, lehnen den Zolltarif ab, weil er nicht den Interessen unseres Volkes, sondern den amerikanischen Freibeutern dient.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fink.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entgegen meiner ursprünglichen Absicht, nur einige kurze Sätze zu sagen, ist es nach den Ausführungen meines Vorredners vielleicht doch nötig, sich etwas näher mit den Dingen zu beschäftigen.
Herr Abgeordneter, es ist Ihnen unbenommen, bei Ihrer ursprünglichen Absicht zu verbleiben.
Ich werde mich so kurz wie möglich fassen. —
Deutschland war nie in der Lage — und ist es heute weniger als je —, ein wirtschaftliches Eigenoder Sonderdasein zu führen. Die Autarkiebestrebungen, wie wir sie z. B. aus der Zeit des Dritten Reiches noch kennen, haben sich bitter genug gerächt. Wir müssen deshalb dankbar alles begrüßen, was uns, wenn auch langsam, so doch schrittweise und sicher wieder zu einer Eingliederung in die europäische und die Weltwirtschaft führt, der politisch heute allerdings auch noch bedeutende Schranken gesetzt sind. Diesen Eingliederungsbestrebungen trägt auch der dem Parlament nunmehr vorliegende Zolltarifgesetzentwurf Rechnung, genau so wie das, was in den Verhandlungen in Torquay beschlossen worden ist.
Wenn wir mit der ständig fortschreitenden Wiedergewinnung unserer staatlichen Souveränität nun gleichzeitig auch auf dem Weltmarkt Schritt halten, unsere Wirtschaft einerseits potentiell steigern wollen, andererseits internationalen Gegebenheiten und Notwendigkeiten anpassen wollen, dann muß heute manches, und zwar nicht nur aus den Zeiten des „Dritten Reiches", aus den hinter uns hegenden zwölf Jahren einer politischen und wirtschaftlichen Häresie, sondern auch sonst zeitlich Überholtes einer Revision unterzogen werden. Die derzeit geltenden Handels- und Zollabkommen in ihrer realen und zeitlichen Begrenzung können nur für ein Übergangsstadium gelten und müssen mehr und mehr durch wirkliche Handelsverträge abgelöst werden, die eine Ermäßigung des allgemeinen Zollniveaus und möglichst umfangreiche beiderseitige Zollherabsetzungen und
-bindungen zum Ziel haben. Schließlich und endlich — das muß auch betont werden — werden wir aber auch im europäischen Raum das Endziel nur in einer umfassenden Zollunion erblicken können, wie sie sich drüben in den Vereinigten Staaten von Nordamerika als eine so eminente Auftriebskraft für die Wirtschaft erwiesen hat.
Der Regierungsentwurf eines neuen Zolltarifgesetzes vom 28. August 1950 bildete das Rüstzeug und die Grundlage für die Beratungen des Außenhandelsausschusses bzw. dessen Zolltarifunterausschusses, der sich in wirklich eingehender, monatelanger Arbeit mit der ganzen Materie und ihrer Problematik, die manchmal sehr stark in Erscheinung getreten ist, befaßt hat. Dem Umstand, daß nicht nur von den Ausschußmitgliedern selber die Dinge beraten und beschlossen worden sind, sondern daß hier auch Fühlung mit Kreisen der Wirtschaft, des Handels und selbstverständlich auch mit Referenten und Sachverständigen der einzelnen Ministerien, und mit Mitgliedern der deutschen Delegation in Torquay genommen wurde, ist es zu verdanken, daß der Delegation in Torquay für ihre Verhandlungen Richtlinien mitgegeben werden konnten, die ihr sehr nützlich gewesen sind. Diesem Umstand ist auch zuzuschreiben, daß heute doch ein Ergebnis vorliegt, das man als etwas Brauchbares und als etwas Akzeptables bezeichnen kann, wenn naturgemäß auch da und dort einmal Opfer gebracht werden mußten und wenn selbstverständlich auch nicht alle Wünsche, die von da oder dort gekommen sind, erfüllt werden konnten. Das Erreichte ist aber zweifellos ein Erfolg und stellt einen weiteren Fortschritt auf dem Wege dar, der die Bundesrepublik auch auf dem Gebiete des Welthandels und unseres Außenhandels wieder als gleichberechtigten Partner in die Reihen der übrigen Nationen führen soll.
Die Europäische Zahlungsunion, das Genfer GATT, die Brüsseler Zollunionsarbeiten, der Schumanplan, der neue Zolltarif und die Ergebnisse von Torquay sind Meilensteine auf dem Weg zur Wirtschaftseinheit und zur wirtschaftlichen Freiheit der Völker Europas, die heute mehr denn je auf Zusammenarbeit angewiesen sind, ohne die w i r nicht leben können und die aber ohne uns auch nur einen wirtschaftlichen Torso darstellen. Diese Erkenntnis hat zweifelsohne auch bei den Zolltarifverhandlungen eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Daß Westdeutschland die Möglichkeit gegeben wurde, auf einer internationalen Konferenz wieder als gleichberechtigter Verhandlungspartner aufzutreten und seine eigenen Wünsche und Vorschläge vorzubringen, daß diese nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch beachtet worden sind, das, meine Damen und Herren, zeigt das zunehmende Vertrauen der Welt in uns und zeigt auch den Wunsch nach Zusammenarbeit.
Dabei darf nicht übersehen werden, daß der Zolltarif, der der deutschen Delegation als Verhandlungsbasis gedient hat, als Gesetz überhaupt noch gar nicht vorgelegen hat. Mit Befriedigung dürfen wir deshalb die Anerkennung des Zolltarifs buchen, ferner die Möglichkeit der Exportförderung, die uns durch 2694 Zollkonzessionen gegeben ist. 21 bilaterale Abkommen," die die Bundesrepublik abschließen konnte, sind ein weiterer unbestreitbarer Erfolgsbeweis, desgleichen das Faktum, daß Westdeutschland durch die Aufnahme als Mitglied des GATT seine zoll- und handelspolitische Selbständigkeit erhalten hat und in den Genuß der unbedingten Meistbegünstigung und der in Genf, Annecy und Torquay vereinbarten Zollherabsetzungen und Zollbindungen kommt. Die Bemühungen um den Abbau der Zölle sind um einen wesentlichen und positiven Schritt weitergekommen, wenn auch die Ergebnisse von Torquay und der neue deutsche Zolltarif noch lange nicht alles sind, selbstverständlich noch manche Unvollkommenheiten vorliegen und das Erreichte nur als ein Anfang betrachtet werden soll. Endziel, nicht zugleich aber auch Fernziel — dieser Hoffnung möchte ich ganz besonderen Ausdruck verleihen — ist und bleibt Paneuropa als politische und Wirtschaftseinheit auf förderativer Basis und damit die Überwindung der innereuropäischen Zollschranken überhaupt.
Ich habe entgegen den Ausführungen des Herrn Kollegen Paul das Positive herauszuheben versucht. Abschließend möchte ich idem Hohen Hause empfehlen, dem neuen Zolltarifgesetzentwurf zuzustimmen, möchte aber gleichzeitig bemerken, daß sich meine Fraktion den Ausführungen des Herrn Kollegen Serres anschließt und daß wir der Entschließung der SPD auf Umdruck Nr. 219 nicht beipflichten können,
da eine solche Einschränkung und Bindung uns nicht dienlich erscheint.
Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg.
Meine Damen und Herren! Ich will nicht grundsätzlich zu den Fragen des Zolltarifs sprechen, sondern möchte nur Ihnen, Herr Kalbitzer,
antworten.
Selbstverständlich ist das Zolltarifgesetz ein Wirtschaftsgesetz, und selbstverständlich ändert sich an unserem Standpunkt nichts,
daß dieses Zolltarifgesetz nicht fiskalisch mißbraucht werden darf, wie Sie sich ausgedrückt haben. Aber, Herr Kalbitzer, darüber waren wir uns, glaube ich, im Ausschuß klar, und jeder, der sich mit der Sache ernsthaft befaßt hat, mußte sich klar sein, daß jeder Zoll eine Verteuerung des Einfuhrgutes bringen muß, wenn er eine wirtschaftliche Wirkung haben soll. Wenn das nicht die wirtschaftliche Wirkung eines Zolls sein würde, dann brauchten wir j a Zolltarifgesetze schlechthin überhaupt nicht.
Deswegen können wir Ihrer Entschließung auf keinen Fall zustimmen, insbesondere nicht dem letzten Satz, der da sagt:
daß bei Inkraftsetzung des neuen Zolltarifs keine weiteren Kosumbelastungen durch Zollerhöhungen eintreten sollen.
— Nein, Herr Kollege Lange, darüber waren wir uns nicht klar, sondern wir waren uns vielmehr darüber klar, daß mit Inkrafttreten dieses neuen Zolltarifgesetzes eine sehr schmerzliche Lücke unserer Wirtschaftspolitik geschlossen wird. Es hat sich gerade in den hinter uns liegenden Monaten gezeigt, daß wir den Weg der Liberalisierung innerhalb Europas sehr viel ruhiger hätten gehen können, wenn wir ein wirkliches Zolltarifinstrument
— wirtschaftlich, nicht fiskalisch! — zur Hand gehabt hätten.
Zum Schluß darf ich noch folgendes sagen. Eines ist durch die ganzen Verhandlungen über den Zolltarif hindurchgeklungen: Wir und alle, die sich um die Ausarbeitung des Zolltarifgesetzes bemüht haben —auch die Interessenten —, waren einer Meinung: daß wir, nachdem wir nun ein gleichgeartetes Instrument der Wirtschaftspolitik auch für Deutschland haben, unsere Regierung auffordern sollten, an allen Bemühungen mitzuarbeiten, in internationalen Verhandlungen die Zolltarife abzusenken. Denn wir sind uns alle miteinander darüber klar — und Gott sei Dank auch mindestens die deutsche gewerbliche Wirtschaft in ihrer Gesamtheit —, daß letzten Endes nur durch Zollsenkungen mit dem Ziel voller Zollbefreiungen eines Tages der wirtschaftliche Zusammenschluß Europas gesichert sein kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.
Dem Herrn Abgeordneten Paul möchte ich zu der Frage der Kriegswaffen nur einen Satz vorlesen, und zwar die Zollposition Nr. 9302. Dort heißt es:
Kriegswaffen ... und Teile davon. Anmerkung. Die Einfuhr der Waren dieser Tarifnummer ist zur Zeit auf Grund eines Gesetzes der Alliierten Hohen Kommission verboten.
Also alles, was Herr Paul daran geknüpft hat, löst sich damit als unsinnig und nicht den Tatsachen entsprechend in nichts auf.
Noch klarer als mit dem Wort „verboten" kann es nicht zum Ausdruck gebracht werden.
Nun zu Herrn Dr. Serres. Herr Kollege Serres, Sie sagten, daß eine klare Trennung zwischen fiskalischen und handelspolitischen Zollen nicht zu erreichen sei. Ich glaube, schon der Entwurf der Regierung hatte einen besonderen Absatz über Finanzzölle und zählte sie ganz genau auf. Wir haben im Ausschuß nie einen Zweifel darüber gelassen, was wir als fiskalische und was wir als handelspolitische Zölle ansehen wollten. Wir haben darüber hinaus in den Verhandlungen des Ausschusses in etlichen Positionen Handelsvertragsmargen gelassen, d. h. wir sind uns klar darüber gewesen, daß wir an sich im Interesse der deutschen Konsumenten einen niedrigeren Zollsatz haben wollten, der auch für die deutsche Wirtschaft tragbar ist. Wir haben solche Margen trotzdem gelassen, weil wir auf der anderen Seite von Ihnen das Versprechen zu haben glaubten, daß Sie im Wege des § 4, also der Zollbegünstigungen, diese überspannten Zollsätze der gegenwärtigen Situation entsprechend herabsetzen würden. Ich muß Ihnen offen sagen.: ich bin sehr enttäuscht, daß Sie heute dieses Versprechen nicht durch Zustimmung zu unserer Resolution einzulösen gedenken. Ich kann daraus keine andere Schlußfolgerung ziehen als die, daß Sie die zollpolitischen Abmachungen, wie wir sie im Ausschuß getroffen haben, heute anders deuten als bisher. Herr Kollege Freudenberg hat völlig recht damit, daß ein Zoll natürlich nur dann Sinn hat, wenn er die betreffende Ware belastet. Aber es ist von unserer Seite immer völlig klargemacht worden, daß wir nicht darin ein-
willigen können, daß in der heutigen Lage eine allgemeine Konsumentenbelastung vorgenommen wird,
und darauf möchte ich den Ton legen. Das aber wird heute offenbar versucht. Die Regierung hat sich bemerkenswerterweise zu dieser Frage heute nicht wieder geäußert. Bis zum Beweis des Gegenteils sind wir leider gezwungen, zu vermuten, daß auf diesem Umweg über den Zolltarif genau das erreicht werden soll, was bei den Verhandlungen ursprünglich nicht erreicht werden sollte, daß man nämlich mit den Zöllen den Staatssäckel füllen will. Das ist wirtschaftspolitisch ein schweres Hemmnis für eine künftige Zollpolitik, und wir können deshalb unter diesen Umständen dem Zolltarifgesetz unsere Zustimmung nicht geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,-10,-11,-12,-13,-14,-15,-16,-17, — 18, — 18 a, — 19, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
Wer für die Annahme des Gesetzes einschließlich des Zolltarifs im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist so beschlossen.
Ich habe nunmehr den Entschließungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 219 zur Abstimmung zu stellen. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Letzteres war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Ausgabe von Verbilligungsscheinen ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verbot der Inkraftsetzung einer Verordnung über Preise für Milch und Butter .
Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Strobel.
Meine Herren und Damen!
Ich bitte um Ruhe.
Den Ihnen vorliegenden Antrag auf Drucksache Nr. 2151 betreffend Ausgabe von Verbilligungsscheinen haben wir am 12. April gestellt, als die Mitteilung durch die Presse ging, die Regierung habe beschlossen, die von ihr auf dem Ernährungssektor beabsichtigten Preiserhöhungen für die minderbemittelte Bevölkerung durch Verbilligungsscheine auszugleichen. Inzwischen ist ja, wie Sie alle wissen, die Inflation an Einzelplänen ins Stocken gekommen. Aber alles, was bisher an konkreten Beschlüssen des Kabinetts sichtbar geworden ist, sind leider Gottes neue
Massenbelastungen, denen man mit völlig unzureichenden kleinen Pflästerchen entgegentreten will. Aus den Verbilligungsscheinen ist inzwischen die Teuerungszulage geworden, die man allerdings dem Sozialrentner, kaum versprochen, bereits wieder aufgekündigt hat. Dieses gesamte traurige Kapitel steht aber heute nicht so sehr zur Debatte. Dazu wird bei anderer Gelegenheit mehr zu sagen sein.
Heute geht es uns — und das mögen Sie aus unserem Änderungsantrag ersehen — in erster Linie darum, die zum Teil bereits beschlossenen, zum Teil beabsichtigten Preiserhöhungen für so wichtige Nahrungsmittel wie Milch, Margarine, Zucker, Butter usw. überhaupt von der Bevölkerung abzuwenden; denn sie sind nicht nur für die Sozial-un terstützungsempfänger, sondern auch für die Masse der Lohn- und Gehaltsempfänger einfach unerträglich. Wir haben Ihnen deshalb den Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 215 vorgelegt, den ich hiermit begründen darf.
Milch, Brot, Fett und Zucker sind Grundnahrungsmittel. Wir alle müssen dafür sorgen, daß 'jeder Staatsbürger — vor allen Dingen die Kinder — sie in ausreichendem Maße bekommt. Schon heute sind leider Gottes viele Mütter gezwungen, am Verbrauch dieser wichtigen Nahrungsmittel zu sparen. Denken Sie nur an den Milchverbrauch. Seit Jahr und Tag wird Klage geführt, daß der Milchverbrauch pro Kopf zu gering ist. Millionen Mütter würden ihren Kindern gern mehr Milch geben, wenn es ihre Kaufkraft erlaubte. Die Milchpreiserhöhung ist bestimmt nicht der richtige Weg dazu, im Gegenteil: In einer Zeit der Milchschwemme wird diese Milchpreiserhöhung, wenn man sie nicht vom Verbraucher abwendet, unbedingt zu einem Bumerang für die Landwirtschaft werden. Das wollen Sie alle doch auch nicht.
Wenn man nun aber glaubt, diesen unerwünschten Folgen durch eine verstärkte Buttereinlagerung begegnen zu können, dann möchte ich Ihnen allerdings mit aller Deutlichkeit sagen: Die Hausfrauen haben von der letzten Butterwälzaktion noch genug; sie haben kein Verständnis für eine Maßnahme, bei der man ihnen zumutet, ranzige Butter abzunehmen, die eingelagert wurde, um den Preis hochzuhalten, sondern sie sehen in einer Wiederholung dieser Aktion — nach den damit gemachten schlechten Erfahrungen — geradezu eine Verschleuderung von Volksvermögen. Wenn wir Sozialdemokraten eine weitschauende, bessere Vorratspolitik verlangen, dann liegt die Betonung in erster Linie auf „bessere". Es dürfte andere Fette geben, die die Ein- und Auslagerung besser s ertragen als Butter.
Zur anderen Frage: Verteuerung des Konsumbrotes. Die Bevölkerung ist, der Not gehorchend — möchte ich sagen —, nicht dem eigenen Triebe, in einem hohen Maße zum Verbrauch von Konsumbrot übergegangen. Nun sollen die Subventionen dafür abgebaut werden. Erinnern Sie sich bitte, meine Herren und Damen, an die vielversprechenden Reden der Herren Minister im Vorjahre; erinnern Sie sich bitte auch daran, wie dankbar Sie auch immer dafür waren und diese Maßnahmen begrüßt haben, wie Sie sie verteidigten und als Beweis für das soziale Handeln Ihrer Regierung benutzt haben. — Wollen Sie dulden, daß dieses Brot nun um 15 Pfennig pro Kilogramm teurer wird?
Das gleiche gilt auch für Margarine. Margarine ist das Fett der kleinen Leute. Der Normalverbrauch, der nach amtlichen Mitteilungen im Monat
40 000 t beträgt, ist in den letzten Wochen erheblich zurückgegangen. Das beweist wieder einmal mehr, wie sehr die Kaufkraft gerade der kaufkraftschwachen Bevölkerungsschichten immer mehr und mehr absinkt. Und nun sollen auch diese , Subventionen zum allergrößten Teil fallen.
Man muß schon sagen: die Regierung hat sich den allerungeeignetsten Zeitpunkt für den Abbau der Verbraucher-Subventionen ausgesucht. Nachdem man nacheinander alle Wirtschaftszweige an große Gewinnmöglichkeiten herangeführt hat und der Verbraucher geradezu wie eine Zitrone ausgepreßt worden ist, nachdem die verzweifelten Anstrengungen der Betroffenen, das Absinken der Kaufkraft durch Erhöhung ihrer Einkommen auszugleichen, immer wieder durch neue Teuerungswellen illusorisch gemacht worden sind, tut die Regierung ein übriges und nimmt durch den Abbau der Subventionen und die angekündigten Preiserhöhungen dem Verbraucher auch noch die letzte Chance einer gesicherten Versorgung wenigstens mit den Grundnahrungsmitteln.
Sagen Sie bitte nicht, daß dies infolge der Finanzlage notwendig 'sei. Heute vor einer Woche haben Sie hier in diesem Hause das sogenannte Exportförderungsgesetz beschlossen. Dieses Gesetz sichert der Exportindustrie und dem Exporthandel rund 400 Millionen DM Steuervergünstigung für das bereits bestehende Exportvolumen, nicht für Exportausweitung. Was man also auf der einen Seite den Verbrauchern nimmt, schenkt man auf der anderen Seite Handel und Industrie. Wo und wie man das verantworten will, bleibt mir schleierhaft.
Beim Zuckerpreis ist es ähnlich. Man behaupte nicht, die Zuckerpreiserhöhung sei nicht beabsichtigt. Nach Mitteilung des Vertreters des Herrn Finanzministers erst vorgestern im Ernährungsausschuß sind ab 1. Juli 1951 im Haushalt keine Mittel mehr für Zuckersubventionen vorgesehen. Solange die Zuckersteuer besteht, kann man wohl überhaupt nicht von einer echten Subvention sprechen. Die Verbraucher bringen die für die Herabschleusung des Preises für eingeführten Zucker auf den Inlandspreis notwendigen Mittel durch die Zuckersteuer um ein Vielfaches wieder herein. Sogar die Rübenpreiserhöhung könnte noch in ihr laufgefangen werden. Aber mit der einen Hand zu nehmen, was man mit der anderen gegeben hat, das scheint ja nach und nach geradezu zum allgemeinen Brauch der Regierungspolitik zu werden. Ich darf Sie nur auf die momentane Situation in der Dieselkraftstoffverbilligung für die Landwirtschaft aufmerksam machen.
Die Folgen der beabsichtigten Preiserhöhungen für Lebensmittel, dazu die Auswirkungen der heute beschlossenen Umsatzsteuererhöhung, dazu die Auswirkungen der Zollgesetzgebung usw. sind schlechthin unabsehbar. Mein Fraktionsfreund Dr. Koch hat heute schon einen Brief des DGB an den Herrn Bundeskanzler verlesen, der sich mit den Folgen dieser beabsichtigten Erhöhungen befaßt. Sie haben, meine Herren und Damen, bis jetzt nicht verhindert, daß bei uns Produktion und Handel und ein groß Teil der liberalisierten Einfuhr nicht auf den berechtigten Bedarf der Bevölkerung, sondern auf den Gewinn der beteiligten Wirtschaftskreise abgestellt sind. Wenn Sie nun auch noch Ihre Hand zum Abbau der letzten Verbrauchersubventionen geben würden, dann müßten Sie sich allerdings die Feststellung gefallen lassen: Die Bundesregierung und die rechte Bundestagsmehrheit machen eine verbraucherfeindliche Preispolitik; sie regieren
gegen die Hausfrauen und ihre vornehmste Aufgabe, die bestmögliche Versorgung der Familien. Eine sichere Versorgung aller ihrer Angehörigen mit den wichtigsten Nahrungsmitteln ist dem größten Teil der Hiausfrauen einfach nicht mehr. möglich, wenn diese Preislawine über sie hereinbricht. Hätte die Bundesregierung die Eigenschaften einer guten Hausfrau, die vorsorgen, einteilen und sparsam wirtschaften muß, rechtzeitig in der Wirtschaftspolitik und vor allen Dingen im Außenhandel gezeigt, dann wären wir nicht in das gegenwärtige Dilemma hineingeraten.
Wir wehren uns aber mit aller Entschiedenheit dagegen, daß all die gemachten Fehler sowohl als auch alle Folgen der Weltmarktsituation ausschließlich auf dem Rücken des Verbrauchers ausgetragen werden sollen. Zum Schutze des Verbrauchers vor weiteren Preiserhöhungen haben wir den bereits genannten Änderungsantrag vorgelegt. Ich bitte Sie dringend, diesen Antrag an den Haushaltsausschuß und an den Ernährungsausschuß zu überweisen, ihn dort dann allerdings sofort zu behandeln.
Wer begründet den Antrag? — Das Wort hat Frau Abgeordnete Strohbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion protestiere ich gegen die Methode, daß Preiserhöhungen für so lebensnotwendige Dinge wie Milch und Butter, Erhöhungen, die also eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zu tragen haben wird, auf dem Wege der Verordnung vom Bundesrat und von der Bundesregierung der Bevölkerung aufdiktiert werden sollen. Wir sind der Meinung, daß eine solche Angelegenheit Sache des Deutschen Bundestages wäre. Aber ich möchte dazu auch sagen, daß wir es außerordentlich eigenartig finden, daß gerade die Kreise in diesem Hause, die so sehr auf die freie Marktwirtschaft pochen und die das sogar „soziale Marktwirtschaft" nennen möchten, immer wieder dazu übergehen, auf dem Wege von Gesetzen und Verordnungen die Preise in ihrem Sinne zu regulieren ,und der Bevölkerung, ganz besonders den kleinen Leuten, dauernd neue Lasten aufzuerlegen, was dann zu ihrem Vorteil ausschlägt. Es ist doch absolut unnatürlich — und dabei muß ich meiner Vorrednerin durchaus beipflichten —, daß ausgerechnet in einer Zeit der Milchschwemme, wenn die Bauern und die Milchverwertungsgesellschaften gar nicht wissen, wohin sie mit der vielen Milch sollen, Preiserhöhungen in Kraft treten sollen, die doch eine neue Einschränkung des Verbrauchs zur Folge haben würden.
Meine Damen und Herren! Von dieser angekündigten Preiserhöhung sind in allererster Linie die Kinder betroffen, die Kinder, die die Milch als das tägliche Brot brauchen und für die wir auch reichlich Butter zur Verfügung haben sollten. Ich muß Ihnen sagen, daß ich mir eigentlich vorgenommen hatte, an Sie zu appellieren, daß Sie doch unter keinen Umständen eine solche Maßnahme durchführen sollten, die sich zum Schaden gerade der Kinder auswirken muß. Allerdings, nach den verschiedenen Abstimmungen des heutigen und der vergangenen Tage und der erbarmungslosen Haltung der Regierungsparteien, die jedes Verständnis
für die großen Schwierigkeiten der sozial schwachen Bevölkerungsteile in Deutschland vermissen lassen,
wage ich diesen Appell nicht mehr.
Ich darf dabei noch folgendes bemerken. Ich erinnere mich, daß uns eine Aufforderung vorgelegt wurde, einige Millionen D-Mark für die Einlagerung solcher Lebensmittel wie Butter usw. zur Verfügung zu stellen. Wenn man darauf hinweist, daß der Landwirtschatf geholfen werden müsse, — gut! wir sind auch einverstanden; aber nicht auf dem Umwege über die Belastung gerade der sozial Schwächsten in unserer Bevölkerung,
nicht auf dem Umwege über den Entzug der Milch für unsere Kinder!
— Den .werde ich Ihnen gleich vorschlagen. Wenn Sie der Meinung sind, 'daß man den Bauern helfen müsse, dann schlage ich Ihnen vor: helfen Sie den vielen Tausenden Bauern in Westdeutschland, indem sie verhindern, daß man diesen Bauern Hunderte von Quadratkilometern fruchtbares Land wegnimmt
und noch Millionenbeträge hinterdreinwirft, damit aus diesem Land Flugplätze und Truppenübungsplätze gemacht werden.
Geben Sie diese Millionenbeträge lieber den Bauern und dem Teil der Landwirtschaft, der das Geld wirklich braucht. Dann könnten wir darauf verzichten, unserer Bevölkerung fortgesetzt solche neuen Belastungen aufzuerlegen, wie sie hier mit der Erhöhung der Milch- und Butterpreise geplant sind.
Ich möchte zum Schluß noch feststellen: während bei Kriegsende ein Liter Vollmilch 22 Pfennig gekostet hat
und heute 30 Pfennig kostet, soll ,es also nach dem Willen des Bundesrates und der Regierung künftig 42 Pfennig kosten.
Während die Butter bei Kriegsschluß 3,60 DM das Kilogramm kostete und heute 5,84 DM kostet, soll der Preis nach dem Willen der Regierung auf 6,34 DM erhöht werden. Immer wieder wird gesagt, daß es sich hier nur um „geringfügige Erhöhungen" handele. Solche geringfügige Erhöhungen werden jetzt am laufenden Band vorgenommen, und für den Geldbeutel einer Arbeiterfrau sind 20 und 50 Pfennig eine ganze Menge Geld.
Deshalb beantragen wir, daß der Bundesregierung untersagt wird, diese Erhöhung der Milch-und Butterpreise in Kraft zu setzen.
Die Anträge sind begründet. Ich eröffne die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Redezeit auf 90 Minuten zu begrenzen.
5978 DeutScher Bundestag — 149. und 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1951
— Ich betone: es ist ein Vorschlag auf Begrenzung der Redezeit, keine Aufforderung, diese 90 Minuten auch zu sprechen.
Das Wort hat zunächst Frau Abgeordnete Niggemeyer.
Meine Herren, meine Damen! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, der heute auf der Tagesordnung steht, trägt, wie bei der Begründung schon gesagt wurde, das Datum vom 12. April 1951. Dieser Antrag behandelt Probleme von einer Wichtigkeit, die niemand von uns bestreitet. Die Schwere der Probleme fühlt jeder von uns mit.
Als ich mir bei dem Auftrag, zu diesen Dingen zu sprechen, den Antrag angesehen habe, war ich der Überzeugung, ich könnte mit Fug und Recht heute sagen: dieser Antrag, dessen Dringlichkeit und dessen Schwere der Probleme wir anerkennen, ist inzwischen durch Maßnahmen der Regierung überflüssig geworden.
Die Tatsache, daß die sozialdemokratische Fraktion heute einen Änderungsantrag zu diesem Antrag stellt, trägt auch sicher dieser Überzeugung Rechnung, nämlich insofern, als — und ich glaube, das muß auch einmal gesagt werden, nachdem so harte Worte von meinen beiden Vorrednerinnen über die Regierung und ihre Maßnahmen gefallen sind — inzwischen von seiten der Regierung doch eigentlich gerade die Wege beschritten worden sind, die in dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion als die Richtwege angegeben worden waren, nämlich Erhöhung der Sozialrenten
und eine Teuerungszulage, die der echten Teuerung gerecht wird.
In diesem Antrag « der SPD ist allerdings eine Verwirrung der Begriffe bezüglich der Verbilligungsscheine und Teuerungszulagen aufgetreten; aber das spielt ja letzten Endes keine Rolle. Ich kann Ihnen sagen, daß über die Einführung dieser Teuerungszulage, die hier als Verbilligungsscheine von 3 DM vorgeschlagen wird, dem Bundesrat inzwischen ein Gesetzentwurf der Regierung zugegangen ist — ich glaube, der Bundesrat berät gerade heute über diesen Gesetzentwurf —, der festlegt, daß diese Teuerungszulage allen in Frage kommenden Gruppen gewährt werden soll, die nicht durch die 25 %ige Rentenerhöhung erfaßt sind.
Ich betone noch einmal: die Not der Gruppen, um die es hier geht, liegt mir wie allen hier im Hause am Herzen. Wenn ich nun trotzdem sage, daß — erwiesen durch statistische Berechnungen; nicht etwa eines Ministeriums, deren Stichhaltigkeit man vielleicht bezweifeln könnte, sondern Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften — diese Berechnungen ergeben, daß die Teuerung, die ab 1. Juli eintreten soll, durch diese Teuerungszulagen aufgefangen wird,
dann kann man, glaube ich, nicht von einem böswilligen Versagen der Regierung oder der Regierungsparteien sprechen.
Wenn ich jetzt zu dem neuen Antrag der SPD spreche, betone ich, daß die darin angeschnittenen Probleme es wert sind — bitte, lassen Sie mich das
auch sagen —, in der guten Atmosphäre der Ausschüsse besprochen zu werden.
Und da es sich um Fragen der Finanzen, um die
Frage der Deckung der Ausgaben handelt — lassen
Sie mich aber bitte zwischendurch noch einmal
sagen: es ist mir nicht bekannt, daß die Regierung
gesonnen war, alle Subventionen fallen zu lassen —,
so haben wir den Antrag auch dem Haushaltsausschuß zu überweisen und dort durchzusprechen. Die übrigen Probleme sind es wert, daß sie im Ernährungsausschuß besprochen werden.
Lassen Sie mich nun bitte noch eine andere Frage diskutieren. Gerade aus den Bemerkungen meiner Vorrednerin vor der Rednerin der KPD mußte der Eindruck entstehen, als ob die Erledigung dieser Angelegenheit nicht auch eine Frage der Rentabilität der Landwirtschaft wäre.
Auf der einen Seite wird betont — das ist auch von meinen Vorrednerinnen geschehen —, daß dem Berufsstand der Landwirtschaft und seinen wirtschaftlichen Belangen Rechnung zu tragen sei. Dann geht es aber auf der andern Seite nicht an, die Frage so zu beurteilen, als würde sie einseitig von einer Gruppe von Besitzern und Kapitalisten zuungunsten einer sozial schwachen Gruppe entschieden. Ich protestiere im Namen meiner Freunde energisch gegen diese Unterstellung
und betone noch einmal: Wir werden zustimmen, daß der Antrag der Sozialdemokratischen Partei den vorhin genannten Ausschüssen überwiesen wird. Über den Antrag der Kommunistischen Partei bitte ich zur Tagesordnung überzugehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gelegentlich der Generaldebatte bei Beratung des Haushaltsplans für das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe ich bereits darauf hingewiesen, daß es eine der vordringlichsten Aufgaben einer verantwortungsbewußten Staatsführung sein müßte, für die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Sorge zu tragen. Dazu ist erstens erforderlich, eine Agrarpolitik zu betreiben, die die Landwirtschaft in die Lage versetzt, die Erzeugung nicht nur zu halten, sondern noch zu steigern, zweitens, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, daß die Lebenshaltungskosten, insbesondere der Bevölkerungsschichten mit einem geringen Einkommen, in erträglichen Grenzen gehalten werden. Auf die produktionssteigernden Maßnahmen will ich in diesem Zusammenhange nicht mehr eingehen, da darüber wiederholt gesprochen worden ist und auch noch zu anderer Zeit Gelegenheit gegeben sein wird, Ausführungen zu machen.
Wie verhält es sich nun mit dem zweiten Punkt? Der beschrittene Weg — hier stimme ich mit den Ausführungen meiner Vorrednerin überein —, der Weg einer Generalsubventionierung bei einzelnen Grundnahrungsmitteln zugunsten aller Bevölkerungskreise ohne Rücksicht auf die jeweilige
Finanzkraft des einzelnen ist keineswegs der richtige gewesen. Wir sehen wahrhaftig nicht ein, daß Steuergroschen dafür Verwendung finden sollen, Nahrungsmittel auch für Bevölkerungsschichten zu verbilligen, die auf Grund ihres Einkommens in der Lage und durchaus bereit sind, der Weltwirtschaftslage Rechnung zu tragen und entsprechend zu zahlen.
Wir meinen allerdings auch, daß unbedingt etwas zugunsten derjenigen geschehen muß, die nur ein geringes Einkommen haben. Hierbei kann man zwei Wege beschreiten, entweder den Weg über die Erhöhung der Renten und Unterstützungssätze, der auch von meiner Vorrednerin herausgestellt worden ist, oder, wenn das nicht ausreicht, irgendeinen anderen Weg. Ein solcher anderer Weg ist nun einmal der über die Verbilligungsscheine. Ich sehe wahrhaftig nicht ein, daß dieser Weg, der in der Vergangenheit schon einmal mit Erfolg beschritten worden ist,
etwa diskriminierend sein soll. Im Gegenteil! Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung schnellstens 'ernsthaft in Erörterungen darüber eintreten sollte, ob dieser Weg nicht beschritten werden kann, und daß sie diesem Hohen Hause schleunigst entsprechende Vorschläge unterbreiten sollte. Ich stimme mit dem Vorschlag meiner Kollegin Frau Strobel überein, daß diese Angelegenheit dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Beratung überwiesen werden sollte.
Ich komme nun zu dem Antrag der KPD betreffend Verbot der Inkraftsetzung einer Verordnung über Preise für Milch und Butter. Die Bundesregierung hat am 8. Mai 1951 eine Verordnung über Preise für Milch und Butter erlassen, der der Bundesrat am 25. Mai 1951 zugestimmt hat. Heute haben wir den 8. Juni, und bis zum heutigen Tag ist weder diese Verordnung in Kraft getreten noch besteht Klarheit darüber, wie die Preisgestaltung nun endgültig sein soll. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß es sich bei dieser Verordnung nicht etwa, wie eben von der Kollegin der KPD herausgestellt worden ist, um eine Maßnahme zu Lasten der Verbraucher und zugunsten der Erzeuger handelt, sondern ich möchte nur auf die wirklich sehr ernste Situation hinweisen, in der wir uns auf dem Gebiete der Fettversorgung des deutschen Volkes nicht nur in diesem Jahre, sondern seit Jahren befinden. 60 % des gesamten Fettbedarfs haben wir in der Vergangenheit nur dadurch decken können, daß wir die Rohstoffe für die Margarineindustrie oder irgendwelche Fette aus dem Ausland eingeführt haben. Nur der geringere Prozentsatz konnte über die eigentlichen Fettquellen aus eigenem Grund und Boden der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen genau so gut wie ich, daß seit Korea die Bereitstellung von Rohstoffen aller Art auf dem Weltmarkt außerordentlich kritisch ist, und Sie wissen genau so gut wie ich, daß wir in Kürze vor einer Situation stehen werden, die uns die Versorgung der Bevölkerung mit Fett überhaupt außerordentlich schwierig gestalten läßt. Deswegen bin ich der Meinung, daß wir keinen Tag mehr zu verlieren haben, damit nicht der Augenblick eintritt, in dem gerade die Ärmsten der Armen nicht mehr in der Lage sein werden, irgendwelches Fett zu bekommen, da es nur zu Schwarzmarktpreisen erhältlich ist. Wir sollten schnellstens versuchen, das,
was von der Regierung in sehr richtiger Erkenntnis als notwendig angesehen worden ist, in die Tat umzusetzen.
Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich beantragen, über den Vorschlag der KPD zur Tagesordnung überzugehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Sprecherin der CDU hier sagte, es sei ja inzwischen eine Erhöhung den Rentenbezüge eingetreten, habe ich mir den Zwischenruf erlaubt, was sie damit meine, von welcher Rentenerhöhung sie spreche. Ich stelle fest: Die Renten der Sozialversicherten aus der Reichsversicherungsordnung haben ihre letzte Erhöhung im Zuge des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes erfahren. Die Renten der Kriegsopfer sind in ihrer Höhe, soweit die Umanerkennungen schon ausgesprochen worden sind, im Herbst des vorigen Jahres festgelegt worden. Die Bezüge der Erwerbslosen sind im Frühjahr dieses Jahres, ich, betone ausdrücklich: im Höchstfall etwa um 10 % erhöht worden. Wir haben den Zustand, daß sich die Bezüge der Knappschaftsder Invalidenpensionäre, die Bezüge sämtlicher Unfallbeschädigter seit der doch unbestreitbar eingetretenen Erhöhung der gesamten Lebenskosten überhaupt noch nicht verändert haben.
Zu diesen Tatsachen kommt noch eins hinzu: daß bei all denen, die neben ihrer Rente, weil diese unter dem Wohlfahrtsrichtsatz liegt, auf den Bezug kommunaler Wohlfahrtsunterstützung angewiesen sind, die wenigen vollkommen unzureichenden Rentenerhöhungen, die hier vorgenommen worden sind, praktisch gar nicht zu einer Erhöhung des tatsächlichen Einkommens geführt haben. Was Bonn in den zwei von mir genannten Fällen gegeben hat, das haben die Kommunen diesem Personenkreis, der nach Zugeständnis des Herrn Bundesarbeitsministers bei den Invaliden mehr als 40% aller Bezieher beträgt, wieder in Abzug gebracht. So liegen die Dinge. Wir haben also keine Erhöhung der Bezüge der Rentner erlebt.
Man hat uns erzählt, daß ab 1. Juli als Kompensation für den Wegfall der Subventionen für Margarine und Konsumbrot 3 DM Teuerungszulage bewilligt werden sollten. Das ist inzwischen von der Regierung für einen Teil, und zwar für die Sozialversicherungsberechtigten, soweit sie Invalidenrentner sind, wieder in der Linie korrigiert worden, daß man gesagt hat — die Frau Abgeordnete sprach auch davon —, es solle eine allgemeine Rentenerhöhung „bis zu 25 %" erfolgen. Dieses Gesetz, das heute oder in den nächsten. Tagen im Bundesrat beraten werden soll, ist vom DGB bereits als völlig ungenügend abgelehnt worden. Ich glaube, man darf doch dem DGB wenigstens so viel zutrauen, daß er die Auswirkungen eines Gesetzes beurteilen kann. Also dieses Gesetz ist bereits verurteilt, ehe es der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist.
Der DGB hat in der vorigen Woche festgestellt, daß die Kosten der Gesamtlebenshaltung im letzten Jahr um über 50 % in die Höhe gegangen sind. In den letzten Tagen hat der DGB uns gesagt, daß die Löhne weit hinter dieser Teuerung zurückgeblieben sind. Und nun erleben wir heute folgendes: Die CDU sagt zu unseren Anträgen: Übergang zur Tagesordnung! Die CDU macht also die Politik der Regierung mit, der vom Bundesrat ja bereits die Zustimmung gegeben worden ist, und ist damit für
die Tatsache verantwortlich, daß die Milch für unsere Kinder und daß die Butter für unsere Kinder diese neue ungeheuerliche Erhöhung des Preises erleben sollen.
Und da hören wir einmal mehr „Korea". Korea als Ursache für die Teuerung, das hören wir von denselben Leuten, die auf dem Boden Westdeutschlands auf allen Gebieten die Voraussetzung dafür schaffen, daß auch hier koreanische Zustände eintreten könnten.
Man soll uns nicht kommen und uns die Notwendigkeit der Erhöhung der Preise damit begründen, daß man sagt: weil in Korea irgendwo von denselben Machthabern, von denselben Interessenten, die den Krieg hier auf unserem Boden vorbereiten, Krieg geführt wird, müssen wir die Preise für Lebensmittel erhöhen und sollen unsere Arbeiter und Invaliden, Witwen und Waisen höhere Preise bezahlen. Diese Politik „Kanonen statt Butter", die Sie uns hier vorexerzieren, haben wir schon einmal erlebt — unter Hitler!
Das System der Verbilligungsscheine, diese Entwürdigung aller derjenigen Menschen, die gezwungen sind, die öffentliche Wohlfahrtspflege in Anspruch zu nehmen, statt sich ihres Rechtsanspruchs zu erfreuen, den sie sich in jahrzehntelanger Arbeit einmal durch Zahlung von Beiträgen erworben haben, diese entehrende Maßnahme, die dieser Personenkreis einmal einem Hitler verdankte, die wollen Sie heute im Zeichen Ihrer sogenannten christlichen und sozialen Politik wieder neu einführen. Wir sagen Ihnen: Diese Herabwürdigung der Menschen, die einen Rechtsanspruch auf ausreichende Rentenversorgung haben, machen wir nicht mit!
Wir werden den Sozialberechtigten draußen sagen, daß, die Regierung und die Koalitionsparteien, die hier die Macht in Händen haben, sich derselben Methode bedienen, die schon Hitler demselben Personenkreis gegenüber angewendet hat. Nein, keine Verbilligungsscheine, keine Erhöhung der Preise für Lebensmittel, aber ausreichende Renten und Schluß mit Ihrer Kriegsvorbereitungspolitik!
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher, der sich zu einer Begrenzung seiner Redezeit auf 3 Minuten verpflichtet hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Renner hat, wenn man persönlich mit ihm spricht, ein ganz ruhiges Gemüt.
Aber wenn er hier in das Ostzonenfeuer hineingerät, dann muß er der gehorsamste Diener derer sein, die auf seine Stimme Gewicht legen.
So ist die Lage! Das, was er uns erzählt, erzählen
seine Auftraggeber im Lande draußen ganz anders.
Im Lande draußen ist die Sache nämlich so: Da hören wir landauf, landab mit einem gewissen kommunistischen Unterton: Der Milchpreis muß erhöht werden! Das kommt, von d e r Seite hinein-
geschustert, dort zum Ausdruck, und hier wird das Gegenteil von dem behauptet, was man draußen vorgibt.
— Herr Scheringer und Genossen können sich nicht genug tun, die Verhältnisse so darzustellen; daß
— es zu einer Radikalisierung des Bauerntums kommt, und das wollen wir nicht.
— Wir sind der Meinung, Herr Kollege Renner: Wenn der Milchstrom in der Ostzone so fließen würde, wie er bei uns in den Westzonen fließt, dann würde die Ostzone außerordentlich zufrieden sein,
und wenn die Preiserhöhungen in der Ostzone
für Milch und Milchprodukte, insbesondere Butter,
so wären wie bei uns, würde sich die Ostzonenbevölkerung glücklich schätzen! Das ist die Lage!
Aber jetzt bin ich schon beinahe am Ende angelangt!
Die 3 Minuten sind auch zu Ende!
Bitte, jetzt habe ich mich selbst erschreckt, aber ich bin gleich am Ende.
Ich möchte nicht auf Details eingehen, sondern nur meiner Frau Kollegin Niggemeyer zustimmen; wir werden uns im Ausschuß über die Angelegenheit unterhalten. Über den Antrag der KPD, der eine reiner Agitationsantrag ist, bitte ich zur Tagesordnung überzugehen.
— Ach, mehr ist er doch nicht wert! Der ist doch nicht ernst zu nehmen, Herr Kollege Renner, denn er beweist die Zwiespältigkeit Ihrer Politik!
Es handelt sich hier um eine Milchpreiserhöhung von 2 Pfennig, und das andere ist ein Qualitätszuschlag für die Länder, deren Milch einen höheren Fettgehalt hat, wie das bei uns im Süden meistens der Fall ist. Ich bin selber für eine Begrenzung der Erhöhung des Butterpreises eingetreten, als es sich um die Regulierung des Milchpreises gehandelt hat, weil ich mir gesagt habe: eine gewisse Grenze können wir nicht überschreiten, weil es auf die Kaufkraft der Bevölkerung ankommt! Ich gehöre nämlich immer noch zu den vernünftigen Menschen, die die Kirche im Dorf lassen.
Wenn aber alles teurer wird, dann müssen die Verhältnisse auch bei der Landwirtschaft „entzerrt" werden, wie der schöne Ausdruck heißt. Dann müssen auch dort die Dinge an die Verhältnisse, wie sie sich nun einmal entwickelt haben, einigermaßen angeglichen werden.
Die Rednerliste ist erschöpft; ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung.
— Bitte, Herr Abgeordneter Kreyssig! Ich bitte um Entschuldigung; ich hatte Ihre Wortmeldung nicht bemerkt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer meiner Herren Vorredner hat hier von der „verantwortungsbewußten Regierung" gesprochen. Wir diskutieren heute das erstemal über die Verbilligungsscheine, eine Maßnahme, die von der Regierung als sozialpolitisch wichtig bezeichnet worden ist. Es ist aber dem Hohen Hause hoffentlich nicht entgangen, daß die gesamte Regierung den Saal in dem Augenblick verlassen hat
— Verzeihung, ich komme darauf! —, in dem diese so wichtige soziale Frage erörtert werden sollte.
Ich freue mich natürlich, daß ich meinen alten geschätzten Kollegen Niklas im Plenum finde, aber die Regierung sitzt oben, lieber Herr Niklas!
Für den Minister für Ernährung und Landwirtschaft genügt es aber nicht, unter seinen Kollegen im Plenum zu sitzen! Er tut es wahrscheinlich deshalb, weil er sich im Augenblick wieder einmal in einem großen Zwiespalt befindet. Er hat nämlich eine undankbare Aufgabe,
weil er der sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Ernährung zuständige Minister ist, der nun von den beiden Wünschen zerrissen wird und trotzdem schmunzelnd und auch sonst recht zufrieden hier im Plenum unter uns sitzt. Von der Regierung selbst ist nichts übrig geblieben als ein dickes Aktenbündel, das der Herr Finanzminister zurückgelassen hat. Das gibt mir Veranlassung, meine Damen und Herren, den vielen Argumenten, die wir hier gerade gehört haben, einige konkrete Zahlen gegenüberzustellen.
Die Kollegin Niggemeyer möchte ich darauf aufmerksam machen, daß unser Antrag gar nicht unklar ist, denn als der Antrag gestellt wurde, wußte die Regierung selbst noch nicht, wie sie das Kind richtig nennen solle. Inzwischen haben wir erfahren, was die Regierung plant, und haben unseren ergänzten Antrag demzufolge richtig formuliert. In den hinterbliebenen Akten wird der Herr Bundesfinanzminister das Ergebnis der Beschlüsse der letzten 8 oder 10 Tage verzeichnet haben: die Verteuerung von Konsumbrot, Zucker, Margarine, Butter und Milch. Falls ihm die entsprechenden Berechnungen nicht vorliegen, kann der Deutsche Gewerkschaftsbund sie ihm geben. Ja, er hat es sogar noch bequemer: er kann sich nämlich vom Herrn Bundeskanzler den Brief geben lassen, den der Deutsche Gewerkschaftsbund ihm am 5. Juni geschrieben hat. Aus dieser Verteuerung erwächst für die gesamte Bevölkerung eine Mehrbelastung des Verbrauchs in der Größenordnung von einer Milliarde Mark. Aus den Akten und aus dem, was wir vorhin in der dritten Lesung hier verabschiedet haben, ergibt sich, daß durch das neue Zollgesetz eine zusätzliche Belastung von 300 oder 400 Millionen für die Verbraucher entstehen wird.
Wir haben dann das Gesetz über die Erhöhung der Umsatzsteuer endgültig verabschiedet. Die Erhöhung auf 4 % ergibt nach zuverlässigen Schätzungen abermals eine Belastung in der Größenordnung von 1 bis 11/2 Milliarden. Das ist in einer Woche eine zusätzliche Belastung für die Bevölkerung voraussichtlich in der Größenordnung von 21/2 Millarden DM, und demgegenüber hat die Regierung — soweit es sich um das Thema handelt, von dem wir hier sprechen — nichts anderes vorzuschlagen, als pro Tag den Ärmsten 10 Pfennige zu geben. Diese 10 Pfennige pro Tag oder 3 DM im Monat waren überhaupt nur vorgesehen, um die Verteuerung des Konsumbrots abzufangen. Alle anderen' Verteuerungen, die jetzt nach dem Regierungsprogramm verwirklicht werden, werden mit dem Verbilligungsschein in keiner Weise getroffen.
Ich will mir versagen, auf den Lebenshaltungsindex und viele andere Dinge einzugehen, weil wir alle, glaube ich, wissen, wie wenig ein Lebenshaltungsindex beweiskräftig ist. Er wird berechnet nach den Preisen vieler Dinge, die sich gerade die arbeitende Bevölkerung gar nicht leisten kann. Ich möchte statt dessen einige Ziffern aus dem Material, das der Herr Bundeskanzler durch den Deutschen Gewerkschaftsbund bekommen hat, nennen, damit Sie sehen, in welchem rapiden Verschlechterungsprozeß wir uns befinden. Seit dem 15. Juni 1950 ist das Roggenbrot um 42 % — gegenüber dem Stand vom Anfang Mai dieses Jahres — teurer geworden, das Mischbrot um fast 40 %. Weizenmehl ist zwischen 40 und 46% teurer geworden. Viele andere lebenswichtige Produkte wie Haferflocken, Grieß und all die Dinge, die man als Grundnahrungsmittel gerade auch in Arbeiterfamilien findet, haben Preiserhöhungen sogar zwischen 50 und 60 %erfahren.
Warum ist man hier so verfahren? Wir wissen selbstverständlich — und kein vernünftiger Mensch wird das bestreiten können —, daß durch die Weltmarktentwicklung eine Preiserhöhung für die deutsche Wirtschaft eingetreten ist, die sich nicht hat vermeiden lassen. Hätte aber die Regierung die Subventionspolitik in einem richtigen und vernünftigen Ausmaß weitergeführt, dann wäre sie wahrscheinlich heute in der glücklichen Lage, Milliardenbeträge nicht ausgeben zu müssen, die sie jetzt infolge der durchaus unzulänglichen Erhöhung der Renten ausgeben muß, ohne daß die Verteuerung der Lebenshaltung dadurch ausgeglichen wird.
Wir haben außerdem doch die Situation zu verzeichnen, die wir einmal klar erkennen sollten, daß die Preispolitik in der Bundesrepublik, wenn man überhaupt von einer solchen sprechen will, ausschließlich darin besteht, daß die Preise frei und ohne Lenkung oder Hemmung nach oben fortlaufen können. Die Regierung hat in keiner Weise versucht, etwa durch eine energische Einflußnahme auf die Handelsspannen dafür zu sorgen, daß erhebliche Teile der Preisverteuerung von der Weltmarktseite her abgefangen werden. Wir haben nichts über irgendwelche Regierungsmaßnahmen gehört, durch Rationalisierung oder sonstige Maßnahmen den Preisaufstieg zu bremsen oder zu hindern. Nach wie vor wird in dieser Bundesrepublik vom Handel und von der Industrie nach der Möglichkeit der größten Gewinnspanne kalkuliert. Vor allem fehlt es — und das ist einer der entscheidendsten Vorwürfe, die man der Regierung angesichts ihrer Politik machen muß — an jeglicher, auch nur der leisesten Preiskontrolle.
Diese Entwicklung, die wir festzustellen haben, hat schon im Wirtschaftsrat nach der Währungsreform begonnen. Sie ist in diesem Hause und durch diese Regierung in keiner Weise geändert worden. Die Entwicklung ist ja immer dahin ge-
gangen, daß man alle Vergünstigungen, die sich aus der vermeintlich freien oder sogar womöglich sozialen Marktwirtschaft ergeben haben, auf die eine Seite wies, und alle Lasten, die sich als Folge dieser falschen Politik ergeben haben, dann der Arbeiterschaft und den Ärmsten des Volkes auferlegt hat. Es ist also meines Erachtens ein typischer Beweisfall, daß die Regierung hier nicht vertreten ist. Die Tatsache, daß sich der Herr Staatssekretär für Finanzen jetzt nach vorne gesetzt hat, ist ja kein sehr starkes Entlastungsmoment für die Abwesenheit der Regierung.
Das völlige Versagen oder Nichtvorhandensein einer Preispolitik, wie wir es erleben, ist die Konsequenz einer Entwicklung, die anscheinend wenigstens auf der Rechten des Hauses noch niemals richtig beachtet worden zu sein scheint. Ich meine nämlich die Tatsache, daß wir in der Bundesrepublik einen Bundeswirtschaftsminister haben, der keine Wirtschaftspolitik treibt, weil ihm die Befugnisse zum Teil genommen sind.
Wir haben gesehen, daß die Wirtschaftspolitik vom Bundesfinanzminister betrieben wird, der wiederum — mit dem ihm gar nicht einmal übelzunehmenden Kassenbewußtsein — selbstverständlich die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge nicht in dem Maße übersehen kann, wie sie der Bundeswirtschaftsminister eigentlich übersehen müßte.
Nachdem die Befugnisse des Bundeswirtschaftsministers — der somit keine Wirtschaftspolitik und auch keine Preispolitik machen kann — auf das Finanzressort übergegangen sind und beide Ressorts offenbar dennoch nicht die richtige, den Herrn Bundeskanzler zufriedenstellende Arbeit leisteten, hat dieser sich ein Wirtschaftsnebenministerium geschaffen, das nur ihm verantwortlich ist und über dessen Arbeit oder Entschlüsse vielleicht gelegentlich einmal der eine oder andere Ressortminister Ihrer Regierung erfährt.
So läßt sich die Politik nicht machen. Ähnlich ist es gegangen mit der so munteren Brotkarte, bei der Ihnen der Herr Bundeskanzler auch nicht gesagt hat, daß eigentlich Sie die Anfangenden sind;
und ebenso erfahren Sie nachher auch nicht vom Herrn Bundeskanzler, was ihm der Deutsche Gewerkschaftsbund schreibt. Also der Gewerkschaftsbund schreibt ihm, und zwar einmal ihm als Kanzler, der die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat — obwohl man sie nicht immer sieht —, und zweitens aber vielleicht auch, weil der ADGB auch gemerkt hat, daß es wenig Zweck hat, an Ressorts zu schreiben, weil man nie weiß, ob der Brief gerade an das Ressort kommt, wo die betreffende Frage bearbeitet wird. Auf diese Art und Weise also ist Politik nicht zu machen.
So sind wir in die Situation gekommen, daß wir immer wieder die peinlichen und betrüblichen Dinge erfahren müssen, die wir uns längst hätten ersparen können, wenn wir eine Wirtschaftspolitik hätten, selbst wenn es auch Ihre ist. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise der Wirtschaftsausschuß der Vereinten Nationen in Genf zu nennen. Er schreibt in einem seiner regelmäßigen Berichte über die Situation aller Länder, also auch über die der Bundesrepublik, in dem letzten Gutachten, daß der Wirtschaftskurs, der in der Bundesrepublik gehalten worden ist, zu den größten Bedenken Anlaß
gibt. Sie entsinnen sich vielleicht, daß die Bundesrepublik in dem Bericht der ECA in bezug auf die Lebenshaltung an vorletzter, schlechtester Stelle stand vor Österreich, daß diese Kommission dann feststellte, die Bundesrepublik sei durch eine fehlerhafte Politik oder durch das Nichtvorhandensein einer Politik, vor allem weil keine Kontrolle der Preisbewegung stattgefunden habe und die Investitionen nicht richtig kontrolliert worden seien, in eine äußerst gefährliche gesamtwirtschaftliche Position geraten. — Es gibt dann sehr leicht viele brave Deutsche, die sagen: Was mischen sich diese komischen Ausländer immer in unsere eigenen Angelegenheiten? Und es hat auch einmal, hin und wieder, Kritiken oder Arbeiten solcher Kommissionen gegeben, denen man nicht gerade nachsagen* konnte, daß sie sehr fundiert und sachlich waren. Aber allein die Tatsache, daß die nicht vorhandene Politik oder das, was hier in der Bundesrepublik als Wirtschaftspolitik bezeichnet wird, nachher zum Anlaß einer Kritik in den höchsten Gremien der Organisationen genommen wird, denen wir ja angehören oder denen wir demnächst angehören wollen, führt zu einem sehr schlechten Urteil über die Art, in der die Wirtschaftspolitik in der Bundesregierung geführt wird.
Meine Damen und Herren! Zur völligen Charakterisierung dieser Politik möchte ich auf eines hinweisen. Ich bin da in der sehr glücklichen Lage, das, was ich zum Schluß noch sagen möchte, aus einer derjenigen Zeitungen zu entnehmen, die Sie auf der Rechten alle sehr gut kennen, nämlich aus dem „Industriekurier". Dieser hat vor wenigen Tagen, Ende Mai, einmal eine kleine Kritik oder einen kleinen Kommentar gebracht und darin über die chronische Krise gesprochen, die im Wirtschaftsministerium herrscht. Diese chronische Krise — ich will mich jetzt nicht nach der personellen Seite auf die Dinge einlassen — führt der „Industriekurier" darauf zurück, daß einer der Chefs eines Ministeriums — und gemeint ist der Chef des Wirtschaftsministeriums —, der eben innerhalb seines Ressorts gar kein Chef mehr ist, weil er weggelaufen ist,
als frei, allzu frei schaffender Künstler bezeichnet wurde
und daß wegen dieses allzu frei schaffenden Künstlers diese Dinge — entscheidende, wichtige wirtschaftspolitische Maßnahmen — nicht im Ressort für Wirtschaftspolitik behandelt werden, sondern zum Teil entweder ausgehandelt werden mit dem Ernährungsministerium im Zusammenhang mit der Frage der Stützung der Preise im Sektor der Landwirtschaft oder aber — und das ist immer das entscheidende und letzte Wort — mit dem Herrn Bundesfinanzminister, der mit dem Inhalt der Kasse, die er hat, oder mit den Zahlen, mit denen er operiert, das Veto gibt, wie weit diese Dinge gemacht werden.
Wenn das, was ich gesagt habe, Sie wenigstens so weit nachdenklich macht, daß Sie sich vielleicht doch einmal überlegen, ob man auf die Dauer fortfahren kann, Wirtschaftspolitik so zu treiben, dann ist schon eine ganze Menge erreicht. Aber gegenüber den ungeheuren Belastungen, die die Verbraucherschaft bekommen hat, wirkt es beinahe schon wie
ein schlechter Witz, wenn man dann den Allerärmsten 10 Pfennig am Tag geben will, damit sie über die Härten dieser Preiserhöhung hinwegkommen. Da kann ich nur sagen: Das betrachte ich — und nicht nur ich allein! — als das völlige Fiasko einer Wirtschaftspolitik.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Besprechung.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Punkt 3 a. Hier ist Überweisung an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun zu Punkt 3 b. Hier ist zunächst Übergang zur Tagesordnung beantragt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen, zur Tagesordnung übergegangen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrages der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion des
Zentrums betreffend UKW-Programm
Westfalen .
Zu Punkt 4 b hat die antragstellende Fraktion gebeten, diesen Punkt vorläufig zurückzustellen; offenbar muß eine Vorfrage geklärt werden.
Ich eröffne die Besprechung des Punktes 4 a. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Matthes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich bei der Begründung des Antrages meiner Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegen die Vorgänge beim Nordwestdeutschen Rundfunk kurz fassen und möchte nur einige wenige Punkte ansprechen.
Über die Zuständigkeit des Parlaments, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, besteht kein Zweifel. Das Grundgesetz beinhaltet keinerlei Einschränkung dieses Rechtes unseres Hohen Hauses. Das Hohe Haus hat auch schon einmal ganz folgerichtig einen Untersuchungsausschuß eingesetzt anläßlich des bedauerlichen Unglücks auf der Zeche Dahlbusch bei Gelsenkirchen. Daher hat meine Fraktion keinerlei Bedenken gehabt, die Einsetzung eines solchen NWDR-Untersuchungsausschusses zu fordern, um so weniger, als die Vorwürfe gegen die Leitung des NWDR zu einem erheblichen Teil auch politischer Natur sind, die einer dringenden Aufklärung bedürfen.
Ich habe nicht die Absicht, auf die verschiedenen Angriffe, die teilweise von meinen Fraktionsvorsitzenden und meiner Fraktion und von anderen Stellen gegen den NWDR gerichtet wurden, heute sachlich einzugehen; sie zu klären, wird und soll eben die Pflicht dieses Untersuchungsausschusses sein, den wir heute konstituieren sollten. Im Auftrage meiner Fraktion habe ich Sie lediglich zu bitten, unserem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen. Meine Fraktion hat den Wunsch, daß die von ihr gegen den NWDR erhobenen Vorwürfe durch diesen Ausschuß überprüft werden, um festzustellen, ob diese
Vorwürfe berechtigt sind. Wir bitten Sie daher, unserem Antrag auch schon deshalb zuzustimmen, weil wir sonst gezwungen wären, die Wahrheit im NWDR auf einer anderen Basis zu finden.
Ich eröffne die Aussprache.
Nach dem Vorschlag des Ältestenrats sind an und für sich 60 Minuten vorgesehen.
— Sagen wir: 40 Minuten! Die Aussprachezeit ist auf 40 Minuten begrenzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen. Meine Fraktion lehnt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab. Ich darf darauf hinweisen, daß es überhaupt keine verfassungsrechtliche Handhabe gibt, daß der Bundestag in dieser Angelegenheit einen Untersuchungsausschuß einsetzt.
Ich darf mich dabei auf ein Gutachten berufen, das
der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungs-
recht am 31. Januar 1950 an den Präsidenten des
Bundestages gerichtet hat. Dieses Gutachten ist
im Namen des Ausschusses gezeichnet von unserem
verehrten Kollegen Herrn Professor Dr. Laforet,
und darin heißt es — ich darf das verlesen —:
Ein Untersuchungsausschuß kann nach § 49 der Geschäftsordnung von 10 Abgeordneten beantragt werden. Der Bundestag entscheidet über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Einsetzung des Ausschusses. Er kann einen Ausschuß nur einsetzen, wenn der Bundestag zur Sachbehandlung zuständig ist; denn jede Tätigkeit eines Ausschusses ist begrenzt durch die Zuständigkeit des Parlaments selbst, das ihn geschaffen hat.
Es gibt, meine Damen und Herren, keine Zuständigkeit des Bundestags über den NWDR, ebensowenig wie es eine Zuständigkeit des Bundestages über den Hessischen oder über den Bayerischen Rundfunk gibt.
Aus diesem Grunde lehnt die sozialdemokratische Fraktion die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab und bittet, gegebenenfalls den Antrag
1. dem Rechts- und Verfassungsausschuß, der einmal prüfen soll, ob dieser Untersuchungsausschuß berechtigt ist oder nicht, und
2. zur Beratung an den Ausschuß für Presse, Film und Rundfunk zu überweisen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Gröwel:
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Den Ausführungen des letzten Redners kann sich meine Fraktion nicht anschließen. Ich glaube, daß wir nach den Entwicklungen der gestrigen Debatte um des Wertes der Demokratie willen, an der wir doch alle wirklich brennend interessiert sein müssen,
es uns einfach nicht noch einmal zumuten wollen,
einen neuen Untersuchungsausschuß einzusetzen.
Ich meine, wir sollten ernstlich bemüht sein, die
Arbeit hier im Bundestag freizumachen von allen Dingen, die in sich nichts anderes tragen als Negationen und Dementis.
Wenn wir beim Rundfunk so gern von Überparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität reden, dann müssen wir uns, glaube ich, darüber klar sein, daß diese Begriffe eigentlich keinen Inhalt haben und auch keinen haben können, weil sie ja eine Negation darstellen.
Wir wünschen wirklich um derr Klärung dieser Begriffe willen keinen Untersuchungsausschuß; wir wünschen vielmehr sehr, daß wir endlich ein Rundfunkgesetz vorgelegt erhalten, in dem die Neuordnung des gesamten deutschen Rundfunkwesens festgelegt wird.
Ich bin der Meinung, daß das Grundgesetz genügend Raum läßt, um auch hier die viel umstrittene
Freiheit der Meinungsäußerung zu gewährleisten.
Diese Freiheit, das möchte ich mit allem Nachdruck sagen, bedingt natürlich eine sehr starke Veranwortung der Rundfunkleute und müßte für jede verantwortliche Tätigkeit im Rundfunk eine absolute Wahrheitstreue, ich möchte sagen, einen besonderen Takt, Lebenserfahrung und auch ein feines Einfühlungsvermögen voraussetzen. Ich erinnere an die Pfingstdebatte, die wir hier im Hause gehabt haben, und ich war eigentlich erstaunt, daß so wenig über die Kommentare und über die, ich möchte fast sagen, so schlichte Nachrichtenvermittlung gesagt worden ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich in allem Ernst die Frage stellen, ob gegenwärtig Persönlichkeiten mit eben diesen von mir genannten Akzenten in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Man darf nicht außer acht lassen — und das möchten wir auch in diesem Zusammenhang betonen —, daß der Rundfunkkommentar ja eine ganz andere Darstellung verlangt als der Pressekommentar. Den Pressekommentar kann man in seinem Zusammenbang nachlesen und wieder lesen; im Rundfunkkommentar aber steht, so könnte man sagen, eigentlich jeder Satz in seiner eigenen Verantwortung und in seiner eigenen Bedeutung. Schon die einfache Nachrichtenvermittlung ist ja so, daß sie auf eine politische Wirkung eingestellt ist. Es ist doch tatsächlich so, daß bei der Wirkung auf den Hörer schon die einfache Wortstellung, ja ich möchte fast sagen, die Verwendung des Konjunktivs oder des Indikativs oder die Nuancierung eines Attributs, ja eigentlich auch schon der Ton des Ansagers eine wichtige Rolle spielt. Darum kann man eigentlich doch mit Zeit und Stoppuhr nur die ganz plumpen Entgleisungen feststellen und doch nicht wirklich hinter die Dinge schauen.
Aber, meine Verehrten, ich frage Sie: Wo will man die Tatsache einreihen, wenn ausgerechnet die günstigsten Zeiten am Samstagnachmittag fast ausschließlich der Opposition zugestanden werden oder wenn — um an eine letzte Tatsache zu erinnern — bei der Übertragung der Bundestagsdebatte vom 31. Mai die Sendung mit der Rede des Herrn Ollenhauer schloß und die Erwiderung des Herrn Bundeskanzlers überhaupt nicht erwähnt wurde?
Ich meine, meine Herren und Damen, das bedeutet einfach eine Fälschung des Berichts.
Nicht einmal aus Zeitmangel; im Gegenteil, nach der Übertragung trat nämlich eine Sendepause von 4 Minuten ein.
Damit haben wir eigentlich den entscheidenden Punkt angeschnitten, der in dem neuen Rundfunkgesetz erörtert werden müßte, nämlich: Ist der jeweiligen Regierung als Trägerin der Exekutivgewalt — wir müssen die Stellung der Regierung hier im weiten Begriff dès Staates sehen — nicht eine Möglichkeit zu geben, durch den Rundfunk zu breiten Schichten zu sprechen? Diese Frage müßte ernstlich diskutiert werden. Ebenso müßte die Frage des allgemeinen Berichtigungszwanges beim Rundfunk diskutiert werden, weil die Verhältnisse hier ganz Anders liegen als bei der Presse.
Natürlich wollen wir — das möchte ich am Ende meiner Ausführungen sagen — unter keinen Umständen die Freiheit des Rundfunks beschneiden, sondern sie im Gegenteil unter allen Umständen gewährleistet wissen. Sie scheint uns aber nur dann gewährleistet, wenn die entscheidenden Posten des Generaldirektors, des Programmdirektors und des Leiters der Personalabteilung nicht einseitig besetzt werden. Die Freiheit im Rundfunk bedeutet auch — und das ist ein Wort, das wir auch an die Leute vom Rundfunk richten wollen — die Autonomie der Einzelpersönlichkeit. Ein solches autonomes Wirken wirklich freier Persönlichkeiten wäre nämlich in entscheidendem Maße eine Demonstration eines wirklich demokratisch geführten Parteienstaates. Es geht uns hier tatsächlich an erster Stelle um ein entscheidendes Stück im Kampf um die Meinungsfreiheit. Das ist unter keinen Umständen mit einem Untersuchungsausschuß zu lösen, sondern nur mit einer ganz klaren und juristischen Regelung der deutschen Rundfunkverhältnisse, die in einem Rahmengesetz festgelegt werden muß. Das wünschen wir, und das möchten wir auch im Interesse einer echten demokratischen Ordnung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion hat seinen Antrag, den von uns gestellten Antrag an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen, damit begründet, daß nach Ansicht seiner Fraktion die rechtliche Zulässigkeit der Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses nicht gegeben sei. Er hat sich dabei auf ein Gutachten des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht berufen, dem auch ich zugestimmt habe. Die Frage ist, ob der Gegenstand, über den wir einen Untersuchungsausschuß beantragt haben, zu einer Materie gehört, die vom Bundestag behandelt werden kann. Nach Auffassung meiner Fraktion gehört der von uns vor den Untersuchungsausschuß zu ziehende Gegenstand zur Zuständigkeit des Bundestages.
Meine politischen Freunde stimmen aber darin mit der sozialdemokratischen Fraktion überein, daß diese Rechtsfrage geprüft werden soll. Wir erklären uns auch deshalb mit dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion einverstanden,, die Angelegenheit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen, weil es im allgemeinen Interesse notwendig ist, die Frage der Abgrenzung der Zuständigkeit von Untersuchungsausschüssen für die Zukunft näher zu präzisieren.
Die Ausführungen der verehrten Vorrednerin richteten sich nicht gegen diese rechtliche Zulässigkeit, sondern auf Fragen der Zweckmäßigkeit. Wir halten es im Interesse der Öffentlichkeit und mit Rücksicht darauf, daß man sichere Grundlagen für ein künftiges Rundfunkgesetz findet, für erforderlich, die von uns erhobenen Vorwürfe einer objektiven Beweisfeststellung und Tatsachenprüfung .durch den Ausschuß unterziehen 'zu lassen. Hinsichtlich der von meiner verehrten Vorrednerin sachlich geäußerten Grundlinien der Erfordernisse, die wir an einen Rundfunk zu stellen haben, stimmen meine politischen Freunde dieser Auffassung zu.
Wir schließen uns also dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Altmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Herrn Kollegen von Merkatz erwidern, daß er mich mißverstanden hat. Ich habe hier ausdrücklich festgestellt, daß der Bundestag kein verfassungsmäßiges Recht hat, über den Nordwestdeutschen Rundfunk einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Im Auftrage meiner Freunde habe ich die Ablehnung dieses Antrages befürwortet. Falls jedoch unserem Antrag von diesem Hohen Hause nicht entsprochen werden sollte, liegt der Eventualantrag von uns vor, den Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte keine längere Debatte hier entfesseln, aber ich glaube, wir haben uns nicht mißverstanden. In dem Augenblick, wo Sie die Materie des Rundfunks zur Zuständigkeit des Bundestages rechnen, wäre nach unserer Auffassung die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses in Übereinstimmung mit dem Gutachten des erwähnten Ausschusses zulässig.
Meine Damen und Herren! Ich bin in Schwierigkeiten mit der Abstimmung. Nach den allgemeinen Regeln, die in diesem Hause gelten, ist zuerst über die Überweisung an den Ausschuß abzustimmen.
Wir haben bisher nie anders verfahren, und solange die Geschäftsordnung nicht geändert ist, werde ich nicht anders verfahren. Wenn Sie also wollen, daß zuerst oder überhaupt über die Frage der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abgestimmt wird, müssen Sie den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß zurückziehen.
— Dann lasse ich zunächst über die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Letzteres ist die Mehrheit.
Nun lasse ich über den Antrag als solchen abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Punkt 4b kann noch nicht aufgerufen werden. Die Zentrumsfraktion ist noch nicht an mich herangetreten.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung.
— Es ist geschellt worden!
— Meine Damen und Herren, ich stelle fest: der Schriftführer, der am Klingelhebel sitzt, ist selbst der Meinung, daß er zu spät geschellt habe. Ich lasse unter diesen Umständen die Abstimmung wiederholen.
— Es ist doch dauernd geschellt worden, Herr Kollege Kunze! Man kann nicht die ganze Zeit schellen; sonst nimmt es niemand mehr ernst, wenn geschellt wird!
— Zur Abstimmung Herr Kollege Mellies!
Meine Damen und Herren! Wenn auf diese Abstimmung ein solcher Wert gelegt wird, kann das Haus in dieser Besetzung meines Erachtens überhaupt nicht darüber entscheiden. Ich bezweifele die Beschlußfähigkeit des Hauses.
Das Haus ist nach übereinstimmender Meinung des Präsidiums nicht beschlußfähig. Nach der Geschäftsordnung muß ich, wenn die Beschlußunfähigkeit des Hauses festgestellt ist, die Sitzung aufheben und vertagen.
— Nach § 100 der Geschäftsordnung habe ich die Sitzung sofort aufzuheben und Zeit und Tagesordnung der nächsten Sitzung zu verkünden.
Ich hebe also diese Sitzung auf und berufe die
nächste Sitzung ein auf heute, 14 Uhr 15 Minuten.
150. Sitzung
Die Sitzung wird um 14 Uhr 18 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die inzwischen berufene 150. Sitzung des Deutschen Bundestages.
— Ich habe veranlaßt, daß draußen neue Listen aufgelegt 'werden.
Ich bitte die Damen und Herren, sich in die Listen einzutragen. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Damen und Herren, die sich nicht in die Listen eintragen, damit kundtun, daß sie nicht anwesend sind. Ich bitte Sie, von der Eintragungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
— Die Listen liegen auch zum Schluß der Sitzung auf, so daß Sie sich dann noch eintragen können.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung der 150. Sitzung ein, nämlich Fortsetzung der Beratung zu Punkt 4 der Tagesordnung der 149. Sitzung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses .
b) Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend UKW-Programm Westfalen .
Die Beratung des Antrages der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses war abgeschlossen; die Besprechung war beendet. Es stehen die Abstimmungen bevor. — Herr Abgeordneter Kunze, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren! Da der Antrag namens der Fraktion der CDU gestellt worden ist, darf unterstellt werden, daß er von 50 anwesenden Mitgliedern der Fraktion unterstützt wird.
— Ich vermute, daß der Antrag den gleichen Hintergrund hat wie die Auflegung der Listen.
Ich bitte die Damen und Herren, die für die namentliche Abstimmung sind, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen.
— Die namentliche Abstimmung ist beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die namentliche Abstimmung in der vereinfachten Form vorzunehmen, daß Sie die in Ihren Pulten befindlichen Zettel benutzen, auf denen Ja, Nein, Enthaltung steht. Ich werde die Herren Schriftführer bitten, mit den Urnen durch die Gänge zu gehen; und ich bitte jeden Abgeordneten, seinen Stimmzettel in die Urne zu werfen.
Herr Kollege Ewers?
— Meine Damen und Herren! Ich bin noch darüber unterrichtet worden — das war aus den Notizen hier nicht zu entnehmen —, daß Überweisung an den Ausschuß beantragt worden ist. — Ich darf fragen, wer für die Überweisung an den Ausschuß ist. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Ich bitte um Entschuldigung; das war nicht die Ausschußüberweisung, sondern der sachliche Antrag. Ich wollte nur den Fehler, den ich gemacht habe, berichtigen und- über den Überweisungsantrag vorher abstimmen lassen. Sind Sie damit einverstanden? — Also das letztere war die Mehrheit. Die' Überweisung ist abgelehnt.
— Herr Abgeordneter Dr. von Brentano zur Geschäftsordnung!
Ich glaube, daß wir über den Antrag auf Überweisung namentlich abstimmen müssen.
Die Überweisung an den Ausschuß kann nicht im Wege einer namentlichen Abstimmung beschlossen werden.
Also, wir kommen zur Entscheidung über den Sachantrag Drucksache Nr. 2234. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sind, den Stimmzettel mit der Bezeichnung Ja abzugeben, und zwar den Zettel, auf dem der Name des Abgeordneten gedruckt ist; wer dagegen ist, stimmt mit Nein, und bei Enthaltung ist ein weißer Zettel abzugeben. — Ich darf die Herren Schriftführer bitten, die Karten einzusammeln.
Meine Damen und Herren, Sie werfen also die Zettel mit Ja, Nein oder Enthaltung in die Urnen hinein; Sie werden nicht namentlich aufgerufen.
Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob noch Abgeordnete anwesend sind, die noch nicht ihre Stimme abgegeben haben und die wünschen, ihre Stimme noch abzugeben? — Ich bitte, das zu tun, damit die Verzögerung nicht zu groß wird.
Ich stelle fest, daß keine Abgeordneten mehr anwesend sind, die ihre Stimme abzugeben wünschen.
— Doch, Herr Kiesinger; dann warten wir noch eine Kleinigkeit. — Meine Damen und Herren, die Sitzung ist noch nicht beendet! — Es sind offenbar nur noch einige Abgeordnete hier.
Das .scheint mir doch die überzeugendste Bekundung der Anwesenheit zu sein. — Jetzt ist wohl aber kein Abgeordneter mehr da, der noch nicht abgestimmt hat. — Doch, Fürst zu Oettingen-Wallerstein. Also warten wir noch eine Kleinigkeit.
So, meine Damen und Herren, es haben alle Abgeordneten abgestimmt. Damit schließe ich die Abstimmung.
Darf ich vorschlagen, daß wir während der Auszählung mit der Tagesordnung fortfahren.
Ich sehe einen Vermerk, daß der Punkt 4b der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend UKW-Programm Westfalen zurückgestellt werden soll. Stimmt das?
Sie wollten eine Erklärung abgeben, wenn das Ergebnis feststeht?
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/
CSU betreffend Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Vorbereitung der Neugliederung des Bundesgebietes .
Es war in Aussicht genommen: ohne Debatte. Zur Begründung des Antrags hat der Herr Abgeordnete Wuermeling das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat am 8. März 1951 den Beschluß gefaßt, die Bundesregierung zu ersuchen, bei der Hohen Kommission für eine Freigabe der Handhabung des Art. 29 des Grundgesetzes betreffend Neugliederung des Bundesgebietes einzutreten. Durch diesen Antrag sollten die formellen Voraussetzungen für die Inangriffnahme der Neugliederung des Bundesgebietes geschaffen werden. Unser heutiger Antrag Nr. 2222 bezweckt, in materieller Hinsicht die Neugliederung des Bundesgebietes voranzutreiben, indem die Bundesregierung ersucht werden soll, einen Sachverständigenausschuß zur Erörterung und Planung einer den Erfordernissen des Art. 29 Rechnung tragenden Neugliederung des Bundesgebietes einzusetzen und den Bundestag über den Stand der Arbeiten auf dem laufenden zu halten.
Meine Damen und Herren, wir verfolgen mit unserem Antrag den Zweck, außerhalb des Parteienstreites und außerhalb von Parteiinteressen durch ein Gremium von Sachverständigen Vorschläge für eine vernünftige Neugliederung des Bundesgebietes als Gesamtplan ausarbeiten zu lassen. Bei dieser vorbereitenden Arbeit sollen die Grundsätze des Art. 29 des Grundgesetzes gewahrt werden, denen zufolge das Bundesgebiet „unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges" neu zu gliedern ist — ist ! das darf ich betonen —; es ist also eine Verpflichtung, die uns das Grundgesetz auf erlegt! „Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können."
Meine Damen und Herren, wenn solche Vorschläge einmal von einem unabhängigen, vor allem keinen parteipolitischen Bindungen unterliegenden Sachverständigenkreis ausgearbeitet werden, dann sollen diese Vorschläge den zuständigen politischen Instanzen zur politischen Entscheidung vorgelegt werden.
Wir wünschen in dieser Frage auch eine Initiative der Bundesregierung, die eine vernünftige und zweckmäßige Planung der Neugliederung des Bundesgebietes durch Schaffung der technischen Voraussetzungen für die Ausarbeitung des Planes ermöglichen soll. Deswegen der Gedanke eines Auftrages an die Bundesregierung, eines Auftrages, der natürlich niemand anderem die Zuständigkeit' oder das Recht, auf diesem Gebiete aktiv zu werden, nehmen soll, insbesondere auch nicht unserem Bundestagsausschuß für innergebietliche Neuordnung, der natürlich genau so gut das Recht hat, in dieser Angelegenheit initiativ und mitarbeitend tätig zu werden.
Ich hatte, ohne den Antrag, der von der FDP-Fraktion jetzt vorgelegt worden ist, zu kennen, ohnehin vor, hier zu bemerken, daß es vielleicht zweckmäßig wäre, wenn auch der Ausschuß für innergebietliche Neuordnung einmal eine stärkere Aktivität auf diesem Gebiet entfalten würde.
Ich sehe in der Tatsache, daß dieser Ergänzungs antrag — wie ich inzwischen berichtigend höre —, der von der FDP-Fraktion gestellt worden ist, vorliegt, in keiner Weise eine Beeinträchtigung der Absichten des von uns gestellten Antrages. Denn wenn sowohl seitens der Bundesregierung als auch seitens des zuständigen Ausschusses des Bundestages eine Initiative ergriffen wird, dann werden wir nachher allenfalls zwei Planungen vorliegen haben, die einander vielleicht befruchten können und die man bei der endgültigen Gesetzgebung auf eine Linie bringen kann, wie es des öfteren in diesem Hause zwischen Anträgen der Regierung und solchen aus dem Parlament in sehr zweckmäßiger Weise geschieht.-
Ich möchte mich also bei der Begründung des Antrages schon dafür aussprechen, daß das Hohe Haus den b e i d e n gestellten Anträgen, die an sich im Grunde das gleiche Ziel haben, es aber nur auf verschiedenen Wegen, die gleichzeitig gangbar sind, verfolgen wollen, zustimmen möge.
Nur noch eine kurze weitere Bemerkung, meine Damen und Herren. Der Wunsch nach Neugliederung des Bundesgebietes ist ein gemeinsames Anliegen der Bevölkerung des Bundesgebietes, ein Anliegen, das quer durch die Parteien geht. Denn bekanntlich sind doch nach 1945 verschiedene Landesgrenzen gezogen worden, die wirklich n u r auf zufällige militärische Gegebenheiten, nicht aber auf die berechtigten Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung zurückzuführen sind und die deshalb dringend der Änderung bedürfen. Man wird in den Fällen gewaltsamer Grenzziehung von 1946 zwar nicht gerade sagen können: „Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen!" Man wird aber jedenfalls in manchen Fällen sagen können: Was Napoleon verbunden hat, das hätte der General König nicht zu trennen brauchen!
— Lieber Kollege Strauß
— Kollege Horlacher! —, wir haben nicht die Absicht, in eine materielle Erörterung des Neugliederungsproblems bei der Behandlung dieses Antrages einzutreten; das ist nicht die Aufgabe am heutigen Tag. Wir wollen ja Sachverständigengremien mit der Aufgabe der materiellen Prüfung der Frage betrauen. Deswegen scheint mir der Zwischenruf im Augenblick etwas verfrüht. Es ist ja aber durchaus denkbar, Herr Kollege Horlacher, daß Sie auf die Dauer zum Ziele kommen.
Meine Damen und Herren, unser Grundgesetz verlangt die Neugliederung nach den im Art. 29 niedergelegten Grundsätzen, nach Grundsätzen, die auf Grund demokratischen Auftrags unseres Volkes vom Parlamentarischen Rat festgelegt wurden. Wir hoffen sehr, daß die Besatzungsmächte, die wir durch den Beschluß vom 8. Mai dazu aufgefordert haben, die Anwendung des Art. 29 nun wirklich auch bald freigeben; denn die gegenwärtige Verhinderung unserer demokratischen Selbstordnung erscheint doch wahrhaftig in keiner Weise mehr mit der heutigen staats- und völkerrechtlichen Lage der Bundesrepublik vereinbar. Wenn unser Volk zur Zeit mit schwersten Finanzsorgen fertigzuwerden hat, worüber wir ja noch heute morgen gesprochen haben, kann man ihm wirklich nicht mehr verwehren, auch durch die Gestaltung seiner inneren Gliederung Wege zu suchen, die ihm die Er-
füllung der schweren Gegenwartsaufgaben erleichtern.
Gewiß, meine Damen und Herren, die Ersparnisse, die durch eine Neugliederung des Bundesgebiets vielleicht erreicht werden können, werden im Lande draußen, was ihr Ausmaß betrifft, sicherlich von manchem prozentual überschätzt; aber schließlich sind wir uns doch alle darüber einig, daß jede Million und jede zehn Millionen DM, die wir durch eine vernünftige Gestaltung unserer inneren Ordnung dem Steuerzahler oder zugunsten der Notleidenden ersparen können, gespart werden müssen. Das ist ja auch mit ein Grund dafür, daß wir wohl alle den Gedanken einer baldigen gesunden Neugliederung bejahen.
Die Frage des Saargebiets und Ostdeutschlands scheint mir der Inangriffnahme dieses Problems und einer positiven Lösung keineswegs entgegenzustehen, weil die spätere Eingliederung dieser Gebiete in die Bundesrepublik durch eine solche Beschlußfassung innerhalb des Bereichs, über den wir jetzt verfügen können, in keiner Weise präjudiziert wird.
Meine Damen und Herren, wir wünschen, daß der Gesamtplan dieser Neugliederung vorwärtsgebracht wird, weil die Dinge in verschiedenen Ländern auf den Nägeln brennen. Wir wollen mit unserem Antrag keinen Einzelfall aufgreifen,
sondern eine möglichst schnelle und gute Gesamtlösung einleiten. Niemand in diesem Hause wird
sich der Forderung nach Neugliederung, die ja praktisch eine Ausführung des Grundgesetzes bedeutet, entziehen wollen. Deshalb bitte ich das Hohe Haus, den beiden gestellten Anträgen möglichst einmütig zuzustimmen, damit eine vernünftige Neugliederung auf der Grundlage des Art. 29 sich auch nach außen hin als ein echtes Anliegen des gesamten Volkes offenbart, an dessen baldiger Erfüllung wir alle interessiert sind.
Meine Damen und Herren, wir haben heute gerade die 150., also eine Jubiläumssitzung des Bundestags.
Das scheint mir eine besonders gute Gelegenheit zu sein, ein so wichtiges Anliegen des Volkes und damit auch des Bundestages zum Ausdruck zu bringen.
Meine Damen. und Herren, ich warne davor, die 150. Sitzung als eine besondere Jubiläumssitzung anzusprechen. Es hat sich nämlich in der Abstimmung herausgestellt, daß nur 189 Abgeordnete sich daran beteiligt haben. Das Haus ist nicht beschlußfähig.
Ich berufe die nächste, die 151. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 13. Juni 1951, 14 Uhr, und schließe die 150. Sitzung.