Rede von
Karl
Kahn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Kollegen von der Kommunistischen Partei afis Stuttgart, dem Herrn Kohl, stelle ich die Frage, und ich beantworte sie zugleich: Herr Kohl, ist das alles, was Sie für den Bayrischen Wald und für das Notstandsgebiet in Ostbayern zu sagen haben? Und die Antwort heißt: Herr Kohl, Ihr Antrag und die Formulierung Ihres Antrages entsprangen nur dem Bedürfnis des kommunistischen Agitators;
und wenn Sie in so netten Tönen die Not des Bayrischen Waldes zu schildern versucht haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das Volk im Bayrischen Wald, im Böhmerwald und in Ostbayern hat Ihrer Partei weder bei den Bundestagswahlen noch bei den Wahlen zum bayrischen Landtag im Vorjahr ein Mandat zur Verfügung gestellt.
Ich habe schon erwähnt und betone nochmals, daß ich Ihren Antrag — und ich habe hier die Zustimmung meiner Parteifreunde von der CDU und CSU — als einen reinen Agitationsantrag ansehe und daß wir diesen Antrag deshalb ablehnen. Ich begründe diese Feststellung aus der Tatsache, daß der Kollege Kohl nicht weiß, welche Hilfsmaßnahmen der Deutsche Bundestag nach eingehender Beratung durch seinen Grenzlandausschuß zur Sanierung der ostbayerischen Gebiete bereits getroffen hat, und daß ihm nicht bekannt ist, welche Maßnahmen in einem gesonderten Sanierungsprogramm der Bundesregierung und der bayerischen Regierung für diese Gebiete geplant sind.
Ich darf mir erlauben, darauf hinzuweisen, daß der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen durch ein Rundschreiben vom 10. April 1951 für Ostbayern zur Förderung kultureller Bestrebungen im bayerischen Grenzgebiet die Summe von 122 900 DM in diesem Etatsjahr zur Verfügung gestellt hat. Von bayerischer Seite war der Betrag von 1 Million DM erbeten worden; es konnte aber leider nur die eben erwähnte Summe zur Verfügung gestellt werden.
Wenn ich den Antrag der Kommunistischen Partei überlese, so finde ich, daß er sich mit fünf Forderungen befaßt. Ich darf mir zunächst erlauben, darauf hinzuweisen, daß auf dem Gebiet der geforderten Frachterleichterung das Erreichbare bereits geschehen ist und daß es uns in gemeinsamer Arbeit gelungen ist, eine sogenannte Verkehrs-, Fracht-und Tarifhilfe für eine Anzahl von Industrieprodukten aus Ostbayern zu erzielen.
Nach einem Spezialprogramm der bayerischen Forstverwaltung wird seit zwei Jahren die Wiederaufforstung abgeholzter Waldgebiete des Böhmerwaldes und des Bayrischen Waldes fach- und sachgemäß durchgeführt. Es hätte nicht bedurft, den Deutschen Bundestag auf diese Frage hinzuweisen. In Gesamtdeutschland, nicht nur in Bayern, ist man sich des materiellen Werts der zum größten Teil im Staatsbesitz befindlichen Waldgebiete in Ost-
bayern bewußt, und die Verwaltung der staatlichen Forstämter in diesem Grenzgebiet gilt und galt von jeher als mustergültig.
In einem besonderen Memorandum des bayerischen Finanzministers Dr. Zorn vom 20. Februar 1951 ist ein großzügiges Sanierungsprogramm für das gesamte Ostbayern ausgearbeitet worden. Aus diesem Programm möchte ich dem Hause besonders klarlegen, daß beispielsweise das bayerische Ministerium der Finanzen auf Grund des vierten, fünften und sechsten Gesetzes über Sicherheitsleistungen .des bayerischen Staates ermächtigt wurde, für Flüchtlingsproduktivkredite die Bürgschaften zu übernehmen, und man war bemüht, dabei die Grenzgebiete besonders zu berücksichtigen.
Ich darf an dieser Stelle den Herren der Kommunistischen Partei entgegenhalten, daß Bayern allein für die eben genannte Refinanzierung 37 Millionen DM für Flüchtlingsbetriebe zur Verfügung gestellt hat und daß diese Summe bereits jetzt voll in Anspruch genommen wurde. Die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, die Schließung der Verkehrslücken in Ostbayern ist seit Jahrzehnten eine besondere Sorge des zuständigen Landesparlaments, des bayerischen Landtags, gewesen, und ich darf den Herrn Kohl doch daran erinnern, daß im Jahre 1930 alle Parteien des bayerischen Landtags sich für den Bau einer großzügigen Autostraße von Regensburg das Regental entlang bis zur tschechischen Grenze entschlossen hatten und daß alle demokratischen Parteien des damaligen bayerischen Landtags hierfür die nach vielen Millionen zählenden Mittel genehmigten.
Bei der Vergebung von Staatsaufträgen an die Industrieunternehmungen, nicht nur in der Oberpfalz, sondern auch in der Passauer Ecke, hat nach einem gemeinsam erarbeiteten Notstandsprogramm, das einen bestimmten Teil und eine bestimmte Anzahl der dortigen Landkreise als sogenannte Notstandskreise deklariert, die Bundesregierung seit ihrem Bestehen nicht gegeizt. Ich darf mir erlauben, heute schon darauf hinzuweisen, daß ich mich bemühen werde, daß auch ein Teil der westlichen Oberpfalz als Notstandsgebiet anerkannt wird und daß man den Begriff Notstandsgebiet nicht mit dem Lineal der Bundesgrenze entlang der Tschechoslowakei abgrenzen kann und darf. Die wirtschaftliche Notlage in den Landkreisen Neumarkt, Parsberg, Riedenburg, Beilngries und Sulzbach ist ebenso kraß wie in den Landkreisen entlang der bayerisch-deutschen Ostgrenze.
Besonders liegt uns allen am Herzen, daß in diesem kulturell und nicht nur wirtschaftlich bedrohten Grenzgebiet die Behebung der Volksschulnot eine gemeinsame Sorge von uns allen sein muß. Ich meine, daß nicht nur ein Teil der Mittel des sogenannten Grenzlandfonds der Bundesregierung für rein schulische Zwecke verwendet werden soll, sondern daß man auch Kindergärten, Schülerheime und dergleichen berücksichtigen müsse.
Wenn der kommunistische Antrag ein Bundesgesetz verlangt, um, wie es in der Drucksache Nr. 2269 heißt, die Förderung des sozialen Wohnungsbaues voranzutreiben, so wende ich als Sprecher meiner Parteifreunde ein, daß im Jahre 1951 bereits eine Binnenumsiedlung in Bayern geplant wurde und daß es möglich war, arbeitslose Arbeitskräfte aus diesem Grenzgebiet an Standorte umzusiedeln, an denen eher eine Arbeitsmöglichkeit bestand. Der soziale Wohnungsbau ist in diesen besonders stark mit Heimatvertriebenen belegten Grenzgebieten mit 'in erster Linie davon abhängig,
ob gleichzeitig eine Arbeitsmöglichkeit gegeben ist, und das ist leider in vielen Fällen zu verneinen. Durch die begonnene Binnenumsiedlung sind im letzten Jahr 12 Millionen DM aus den Mitteln des Soforthilfefonds zur Verfügung gestellt worden, um zusätzlich Wohnungen zu bauen.
Als Kenner der bayerischen Ostgebiete mache ich den Antragstellern noch den folgenden Vorhalt: Aus ihrem Antrag geht hervor, daß sie einen Fragenkomplex umreißen und auf die Notlage eines Gebietes hinweisen, das uns allen in seiner wirtschaftlichen, in seiner sozialen und kulturellen Not in Bayern und auch hier auf der Bundesebene hinreichend bekannt ist. Dieses Grenzgebiet war von jeher arm. Es hat für die Landwirtschaft karge Böden, es ist aber landschaftlich außerordentlich schön. Die bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung haben in gemeinsamer Arbeit ein sogenanntes Notstandsprogramm oder Sanierungsprogramm ausgearbeitet, dessen , erste Erfolge ich Ihnen bereits aufzeigen konnte.
Der Grenzlandausschuß unseres Bundestages hat den Antrag gestellt und die Forderung erhoben, es möchten für das laufende Etatsjahr für alle anerkannten deutschen Grenzlandnotstandsgebiete loo Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Bis jetzt konnten durch die überhöhten Ausgaben der Bundeskasse im ordentlichen Haushält 1951 nur 25 Millionen DM eingebaut werden.
— Bitte, hören Sie, was noch kommt; dann werden Sie von selbst schweigen.
Diese Summe ist meines Erachtens — und ich werde hier die Meinung des größten Teiles des Hohen Hauses vertreten — zu gering, um eine endgültige Hilfsmaßnahme zu schaffen. Ich darf aber die Hoffnung aussprechen, daß es vielleicht doch gelingt, in einem außerordentlichen Etat noch die größere Restsumme von 75 Millionen DM zu realisieren. Ich weiß, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer bestimmt nicht nur für Ostbayern, sondern für alle deutschen Notstandsgebiete ein offenes Herz hat,
zumal er ja doch selbst Abgeordneter eines Notstandsgebietes ist.
Und nun, meine Herren von der Kommunistischen Partei, wird Ihnen das Lachen vergehen; nun kommt die letzte Karte, die ich Ihnen vorzuzeigen habe.
Es ist der Kommunistischen Fraktion und ihren Antragstellern anscheinend entgangen, daß ihre Parteigänger in der deutschen Ostzone und in der Tschechoslowakei durch ihre Maßnahmen mit in erster Linie dazu beigetragen haben, daß Ostbayern heute so hart und schwer um seine wirtschaftliche Existenz ringen muß.
Die Verkehrsverbindungen durch 'den Bayrischen Wald und durch den Böhmerwald sind größtenteils abgeschnitten und zerrissen. Die oberpfälzische Industrie, die einmal in der günstigen • Lage war, aus dem Braunkohlengebiet Halle einen Großteil
ihres Kohlebedarfs decken zu können, ist heute auf den Bezug der weit entfernten Ruhrkohle angewiesen.
Der Export unserer Industrieprodukte kann nicht mehr den nahen Weg durch Mitteldeutschland nehmen, sondern muß auf dem Umweg über den deutschen Westen nach dem deutschen Norden oder nach Übersee erfolgen. So hat der Satellitismus, der auf den Grenzkämmen des Böhmerwaldes und des Bayrischen Waldes steht, mit dazu beigetragen, daß Ostbayern nicht nur ein wirtschaftliches Notstandsgebiet, sondern in erster Linie auch ein politisches Notstandsgebiet geworden ist.
Ich spreche die Erwartung aus, daß es uns in einer gemeinsamen Arbeit auf der parlamentarischen Ebene in Bonn gelingen wird, die letzten finanziellen Reserven auszuschöpfen und zu erfassen, um vielleicht in einem sich über Jahre erstreckenden Programm einmal endgültig allen deutschen Notstandsgebieten und damit auch dem bayerischen Notstandsgebiet erfolgreiche Hilfe zu verschaffen.
In Anbetracht der Hilfsmaßnahmen, die Bayern und der Bund gemeinsam durchführen werden, bezeichne ich den Antrag der Kommunistischen Partei, die weder bei den Bundestagswahlen noch bei den Landtagswahlen von der bayrischen Bevölkerung ein Mandat erhielt; als einen plumpen Agitationsantrag.
Nicht der Kommunistischen Partei,
sondern uns und allen demokratischen Parteien hier im Hause steht es zu, im vollen Bewußtsein unserer Verantwortung auf dem Wege der Gesetzgebung dem ostbayerischen Notstandsgebiet das Leben zu erhalten.