Rede von
Gertrud
Strohbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion protestiere ich gegen die Methode, daß Preiserhöhungen für so lebensnotwendige Dinge wie Milch und Butter, Erhöhungen, die also eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zu tragen haben wird, auf dem Wege der Verordnung vom Bundesrat und von der Bundesregierung der Bevölkerung aufdiktiert werden sollen. Wir sind der Meinung, daß eine solche Angelegenheit Sache des Deutschen Bundestages wäre. Aber ich möchte dazu auch sagen, daß wir es außerordentlich eigenartig finden, daß gerade die Kreise in diesem Hause, die so sehr auf die freie Marktwirtschaft pochen und die das sogar „soziale Marktwirtschaft" nennen möchten, immer wieder dazu übergehen, auf dem Wege von Gesetzen und Verordnungen die Preise in ihrem Sinne zu regulieren ,und der Bevölkerung, ganz besonders den kleinen Leuten, dauernd neue Lasten aufzuerlegen, was dann zu ihrem Vorteil ausschlägt. Es ist doch absolut unnatürlich — und dabei muß ich meiner Vorrednerin durchaus beipflichten —, daß ausgerechnet in einer Zeit der Milchschwemme, wenn die Bauern und die Milchverwertungsgesellschaften gar nicht wissen, wohin sie mit der vielen Milch sollen, Preiserhöhungen in Kraft treten sollen, die doch eine neue Einschränkung des Verbrauchs zur Folge haben würden.
Meine Damen und Herren! Von dieser angekündigten Preiserhöhung sind in allererster Linie die Kinder betroffen, die Kinder, die die Milch als das tägliche Brot brauchen und für die wir auch reichlich Butter zur Verfügung haben sollten. Ich muß Ihnen sagen, daß ich mir eigentlich vorgenommen hatte, an Sie zu appellieren, daß Sie doch unter keinen Umständen eine solche Maßnahme durchführen sollten, die sich zum Schaden gerade der Kinder auswirken muß. Allerdings, nach den verschiedenen Abstimmungen des heutigen und der vergangenen Tage und der erbarmungslosen Haltung der Regierungsparteien, die jedes Verständnis
für die großen Schwierigkeiten der sozial schwachen Bevölkerungsteile in Deutschland vermissen lassen,
wage ich diesen Appell nicht mehr.
Ich darf dabei noch folgendes bemerken. Ich erinnere mich, daß uns eine Aufforderung vorgelegt wurde, einige Millionen D-Mark für die Einlagerung solcher Lebensmittel wie Butter usw. zur Verfügung zu stellen. Wenn man darauf hinweist, daß der Landwirtschatf geholfen werden müsse, — gut! wir sind auch einverstanden; aber nicht auf dem Umwege über die Belastung gerade der sozial Schwächsten in unserer Bevölkerung,
nicht auf dem Umwege über den Entzug der Milch für unsere Kinder!
— Den .werde ich Ihnen gleich vorschlagen. Wenn Sie der Meinung sind, 'daß man den Bauern helfen müsse, dann schlage ich Ihnen vor: helfen Sie den vielen Tausenden Bauern in Westdeutschland, indem sie verhindern, daß man diesen Bauern Hunderte von Quadratkilometern fruchtbares Land wegnimmt
und noch Millionenbeträge hinterdreinwirft, damit aus diesem Land Flugplätze und Truppenübungsplätze gemacht werden.
Geben Sie diese Millionenbeträge lieber den Bauern und dem Teil der Landwirtschaft, der das Geld wirklich braucht. Dann könnten wir darauf verzichten, unserer Bevölkerung fortgesetzt solche neuen Belastungen aufzuerlegen, wie sie hier mit der Erhöhung der Milch- und Butterpreise geplant sind.
Ich möchte zum Schluß noch feststellen: während bei Kriegsende ein Liter Vollmilch 22 Pfennig gekostet hat
und heute 30 Pfennig kostet, soll ,es also nach dem Willen des Bundesrates und der Regierung künftig 42 Pfennig kosten.
Während die Butter bei Kriegsschluß 3,60 DM das Kilogramm kostete und heute 5,84 DM kostet, soll der Preis nach dem Willen der Regierung auf 6,34 DM erhöht werden. Immer wieder wird gesagt, daß es sich hier nur um „geringfügige Erhöhungen" handele. Solche geringfügige Erhöhungen werden jetzt am laufenden Band vorgenommen, und für den Geldbeutel einer Arbeiterfrau sind 20 und 50 Pfennig eine ganze Menge Geld.
Deshalb beantragen wir, daß der Bundesregierung untersagt wird, diese Erhöhung der Milch-und Butterpreise in Kraft zu setzen.