Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion hat bereits bei der zweiten Lesung des Gesetzes über die Umsatzsteuer und Beförderungsteuer durch Vorlegen von zwei Anträgen ihre grundsätzliche Haltung zu dem gesamten Problem gekennzeichnet. Die Beratung des einen Antrags wurde leider von seiten des Herrn Präsidenten mit der Begründung abgelehnt, daß ein Deckungsvorschlag fehle. Sie werden uns gestatten, daß wir bei der dritten Beratung die in ,der zweiten Lesung abgelehnten Anträge erneut einbringen. Wir haben in der Zwischenzeit den den bereits zitierten Antrag mit einer Deckungsvorlage versehen.
Es dürfte der Bundesregierung nicht unbekannt sein, daß mit der Annahme dieses Gesetzes eine ungeheure Verteuerung der Lebenshaltung des gesamten Volkes Platz greift, durch die vor allen Dingen die Sozialrentner, die Arbeitslosen, die Kriegsopfer und alle die Kreise betroffen werden, die über ein außerordentlich niedriges Einkommen verfügen. Aber ebenso klar ist es, daß durch die neueren Preissteigerungen, die beispielsweise bei Zucker und Butter, aber auch bei einer Reihe anderer Produkte im Zusammenhang mit der Annahme dieses Gesetzes durch die Mehrheit dieses Hauses signalisiert sind, eine Situation eintritt, die nicht verantwortet werden kann und die nach unserer Auffassung zu einer katastrophalen Lage in vielen, vielen Hunderttausenden von Familien führen wird.
Wir sind der Auffassung, daß die „Welt der Arbeit" recht hatte, als sie eine Zusammenstellung der Lebenshaltungskosten und der in der letzten Zeit in Erscheinung getretenen Preissteigerungen skizzierte, die nach Mitteilung dieser Zeitschrift bei
zirka 45 bis 50% liegen. Wenn Sie nun die durch die Verabschiedung dieses Gesetzes bedingten weiteren Erhöhungen der Lebenshaltungskosten hinzurechnen, so- erklären wir als kommunistische Fraktion, daß wir eine solche katastrophale Finanz-und Steuerpolitik ablehnen, die letzten Endes ihre Ursache darin hat, daß sie weniger dem sozialen Frieden dienen soll als vielmehr der Vorbereitung eines amerikanischen Krieges gegen die Sowjetunion.
Der Herr Bundesfinanzminister wird nicht bestreiten wollen, daß bereits 82% der Bundeseinnahmen durch die Massen der Bevölkerung aufgebracht werden müssen. Wenn wir die authentischen Zahlen des Jahres 1950 zugrunde legen, so ergibt sich, daß von den insgesamt aufgebrachten Steuern in Höhe von 15 546 000 000 DM allein die Lohnsteuer mit zirka 1,7 Milliarden DM daran beteiligt war. Die Umsatzsteuer ist mit weit über 41/2 Milliarden DM — also eine indirekte Steuer —, die Tabaksteuer mit weit über 2 Milliarden DM, Zölle und Verbrauchsteuern mit zirka 41/2 Milliarden DM eingesetzt worden. Praktisch heißt das also: 82% der Einnahmen, die aus den Taschen der arbeitenden Menschen gezogen worden sind, werden zum großen Teil für die Kriegsvorbereitung verwendet, ohne Rücksicht auf die damit verbundene Teuerungswelle, die zwangsläufig dazu führt, daß neue Massensteuern aus dem Volk her-ausgepreßt werden.
Es ist dabei nicht uninteressant, die Vorpostengefechte des Herrn Bundesfinanzministers mit seiner eigenen Fraktion, der CDU/CSU, bei der Suche nach neuen Massensteuern zu beobachten und dort einmal die Meinungen über die Behandlung der Frage der Einführung einer Sonderumsatzsteuer festzustellen. Man kam dort zu dem weisheitsvollen Beschluß, eine Kommission einzusetzen, die alle Möglichkeiten prüfen soll, um neue Steuerquellen zu erwägen—ich zitiere hier die „Welt" —, die den sogenannten Sicherheitsbeitrag finanziell untermauern sollten, und daß an eine Erhöhung der Mineralölsteuer, die Einführung einer Produktionssteuer und einer sogenannten Einkaufsteuer nach englischem Muster bereits gedacht war. Charakterisiert werden die Verhandlungen dadurch, daß dieselbe Kommission — und diese Auffassung wird erhärtet durch eine Reihe von Reden der Herren Minister dieser Bundesregierung und einer Reihe entscheidender Abgeordneter dieser Regierungskoalition — die Meinung vertreten hat, daß die Zielsetzung in erster Linie darauf gerichtet sein muß, die sogenannten überflüssigen Renten abzubauen, und daß man dem Statistischen Amt in Wiesbaden bereits den Auftrag erteilt hat, die dafür notwendigen karteimäßigen Voraussetzungen zu schaffen.
Nach unserer Auffassung wäre es viel zweckmäßiger gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister in seiner Begründung zu diesem Gesetzentwurf auch auf die Frage der Höhe der Besatzungskosten eingegangen wäre. Denn meines Wissens hat weder der Bundestag noch irgendeine andere Stelle den Herrn Bundesfinanzminister autorisiert, in Form einsamer Entschlüsse auf dem Petersberg über die Frage der Erhöhung oder Herabsetzung der Besatzungskosten zu verhandeln. Nach den Mitteilungen des Herrn Bundesfinanzministers in der von mir bereits in der zweiten Beratung erwähnten Kabinettssitzung am 1. Juni soll der gesamte Betrag der Besatzungskosten, der bisher 9,3 Milliarden DM betragen sollte, auf 5 Milliarden DM vermindert, der darüber hinausgehende Bedarf durch Kreditgebung gedeckt werden. Dabei ließ man durchblicken, daß neben der ungeheueren Steigerung der steuerlichen Belastung, die mit der Verabschiedung ,dieses Gesetzes Wirklichkeit wird, zugleich eine Steigerung des Sozialprodukts um 10% eingesetzt wird, wodurch eine weitere, erhöhte Steuereinnahme von 300 Millionen DM erreicht werden soll. Darin kommt also eindeutig zum Ausdruck, daß man die werktätige Bevölkerung nicht nur mit erhöhten steuerlichen Belastungen bedenkt, sondern darüber hinaus von ihr eine weitere Steigerung ihrer Arbeitsleistung verlangt, ohne an die ernährungsmäßigen, lohnpolitischen und sozialen Voraussetzungen zu denken, die an ein solches Verlangen gebunden sind.
Wir haben kein Verständnis dafür, daß gerade
der Herr Bundesfinanzminister in der Begründung
dieses Gesetzentwurfs vor dem Bundestag die Notwendigkeit dieser Sicherheitsleistungen besonders
herausstellte und die Verabschiedung dieses Gesetzes als einen zwingenden Teil davon bezeichnete.
Er sprach sehr viel von der Verteidigung der Freiheit, und der Existenz des deutschen Volkes. Aber
angesichts dieser Fragestellung stellen wir die konkrete Gegenfrage: Was hat die deutsche Arbeiterschaft eigentlich zu verteidigen? Hat sie einen bescheidenen Lohn zu verteidigen? Die Rentner
haben ein Einkommen zu verteidigen, das zum
Leben zu wenig und zum Sterben noch etwas zu viel ist, die Arbeitslosen vielleicht die gnädigst gewährte 10 %ige Erhöhung ihrer Unterstützung. Und wenn der Herr Kollege Lausen vorhin etwas von Moral und Ethik sagte, so sind wir der Meinung, daß in den Kreisen, die von dem Gesetz in erster Linie betroffen werden, Fragen der Moral und der Ethik nebensächliche Dinge ,sind, die nach meiner Auffassung an sich mit dem Umsatzsteuergesetz auch verdammt wenig zu tun haben. Meine Damen und Herren! Was Sie mit dem erhöhten Sicherheitsbeitrag verteidigen wollen — und dazu brauchen Sie diese Mittel —, das sind die 200 neuen Millionäre, die seit der Währungsreform hier bereits wieder vorhanden sind, das sind die Riesengewinne der westdeutschen Industrie! Ich glaube, die Hereinnahme weiterer Truppen nach Deutschland, die von Herrn Dr. Adenauer so herzlich begrüßt worden sind, und die Tatsache ,des Ausbaues Westdeutschlands zu einem internationalen Schieß- und Exerzierplatz, das sind die wahren Gründe auch für die Vorlage dieses Gesetzes. Wenn der Herr Bundesfinanzminister im Ausschuß einmal die Meinung vertreten hat, daß er sich in seiner politischen Grundhaltung immer als Sohn des Volkes gefühlt habe, dann glaube ich, hat er hiermit unter Beweis gestellt und illustriert, wie ein Sohn des Volkes, nämlich ein wirklicher Sohn des Volkes, nicht handeln sollte.
Wir gestatten uns also, zur dritten Lesung den Antrag einzubringen, die Grundnahrungsmittel, die wir hier katalogmäßig aufgestellt haben, von der Umsatzsteuer generell zu befreien, zweitens dieses Gesetz abzulehnen, und drittens die Erhebung der Umsatzsteuer mit sofortiger Wirkung generell einzustellen. Wir ersuchen Sie, diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.