Protokoll:
3053

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 53

  • date_rangeDatum: 11. Dezember 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:39 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 53. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1958 Inhalt: Glückwunsch zum 71. Geburtstag des Abg. Nieberg 2909 A Erweiterung der Tagesordnung 2909 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Frenzel, Dr. Böhm, Dr. Dehler u. Gen.) (Drucksache 706) — Erste Beratung — . 2909 C Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 (Drucksache 650) — Fortsetzung der ersten Beratung —, Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern vom Rechnungsjahr 1958 an (Drucksache 703) — Erste Beratung — Schoettle (SPD) . . . . . . . . 2909 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 2920 B Lenz (Trossingen) (FDP) 2929 B Niederalt (CDU/CSU) 2933 B Dr. Schild (DP) . . . . . . 2938 A Etzel, Bundesminister 2942 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 484); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 690) — Zweite und dritte Beratung — Seuffert (SPD) 2943 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Änderung und Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 366); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 695); Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (FDP) (Drucksache 631) — Erste Beratung — Zühlke (SPD) 2944 C Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . 2945 B Kuntscher (CDU/CSU) . . . . 2945 D Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des § 64 des Landbeschaffungsgesetzes (Drucksache 601); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 700) — Zweite und dritte Beratung — Eilers (Oldenburg) (FDP) . . . . 2946 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes (Drucksache 705) — Erste, zweite und dritte Beratung — 2947 B Entwurf eines Gesetzes zu den internationalen Betäubungsmittel-Protokollen von 1946, 1948 und 1953 (Drucksachen 453, zu 453) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache 701) — Zweite und dritte Beratung — 2947 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vierten Zusatzabkommen vom 1. 11. 1957 zum Zollvertrag mit der Schweizerischen Eid- II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 genossenschaft (Drucksache 524); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 689) — Zweite und dritte Beratung — 2947 D Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 523); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 688) Junghans (SPD) . . . . . . . 2948 B Entwurf einer Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Durchführung und Ergänzung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Drucksache 655) ; Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 714) 2948 C Antrag des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betr. Veräußerung bundeseigener Grundstücke im Bereich Alter Postplatz, Rotebühl- und Fritz-Elsas-Straße in Stuttgart an die Stadt Stuttgart (Drucksache 694) . . . . 2948 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Kriegsopferversorgung (Drucksache 621) . . 2948 D Nächste Sitzung 2948 D Anlagen 2949 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2909 53. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Altmaier 13. 12. Frau Beyer (Frankfurt) 11. 12. Birkelbach 12. 12. Frau Dr. Bleyler 13. 12. Brand 13. 12. Cramer 13. 12. Dr. Dittrich 31. 12. Dr. Eckhardt 12. 12. Frau Eilers (Bielefeld) 31. 12. Engelbrecht-Greve 12. 12. Even (Köln) 11. 12. Faller 11. 12. Fuchs 13. 12. Dr. Furler 12. 12. Heinrich 31. 12. Höfler 13. 12. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Kalbitzer 12. 12. Keuning 11. 12. Kiesinger 12. 12. Kramel 31. 12. Kriedemann 31. 12. Kühn (Köln) 11. 12. Leber 12. 12. Lohmar 31. 12. Dr. Maier (Stuttgart) 13. 12. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 13. 12. Margulies 13. 12. Mengelkamp 15. 12. Müser 13. 12. Neubauer 12. 12. Dr. Preiß 31. 12. Pütz 13. 12. Reitzner 31. 12. Richarts 12. 12. Scheel 13. 12. Scheppmann 13. 12. Dr. Schmidt (Gellersen) 11. 12. Schneider (Hamburg) 12. 12. Dr. Schneider (Saarbrücken) 31. 12. Schultz 13. 12. Frau Dr. Steinbiß 12. 12. Storch 12. 12. Frau Strobel 12. 12. Dr. Wahl 13. 12. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 16. 12. Winkelheide 11. 12. Wullenhaupt 11. 12. Anlage 2 Umdruck 194 Änderungsantrag der Abgeordneten Seuffert, Scharnberg, Zühlke und Dr. Lindenberg zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (2. ÄndG ASpG) (Drucksachen 484, 690). Der Bundestag wolle beschließen: In § 1 Nr. 5 wird Buchstabe c (Einfügung in § 5 Abs. 4 des Altsparergesetzes) gestrichen. Bonn, den 11. Dezember 1958 Seuffert Scharnberg Zühlke Dr. Lindenberg Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Pohle zu dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kriegsopferversorgung (Drucksache 621). Die tiefe Enttäuschung, die sich in den Kreisen der Kriegsopfer nach den Erklärungen des Herrn Bundesministers Blank über seine Vorstellungen zur Neuordnung der Kriegsopferversorgung gezeigt hat, ist in diesem Jahr nicht mehr zu beheben. Es ist seitens der Bundesregierung weder der Versuch gemacht worden, im Wege einer Überbrückungszahlung dem veränderten Preisgefüge seit Verabschiedung der 6. Novelle zum BVG zu begegnen, noch kann mit der Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung in nächster Zeit gerechnet werden. Unter diesen Umständen muß der Bundestag initiativ werden. Mit der Vorlage des Antrages Drucksache 621 soll bewirkt werden, daß der Bundestag die Regierung auffordert, eine Vorlage über eine Überbrückungszahlung einzubringen. Der Termin, der in dem Antrag gesetzt ist, wird nicht innegehalten werden können, doch erwarten meine Freunde, daß der Kriegsopferausschuß und der Bundestag sich mit einem Termin bis spätestens 30. Januar 1958 einverstanden erklären. Die Bundesregierung ist in der dritten Legislaturperiode jetzt über ein Jahr im Amt. Nach der Regierungserklärung soll das Werk der Sozialreform fortgeführt werden. Ein Jahr hindurch hat man wirklich Zeit und Gelegenheit gehabt, für das Gebiet der Kriegsopferversorgung innerhalb der Sozialreform Gedanken und Vorstellungen zu entwickeln, die jetzt in einer Gesetzesvorlage ihren Niederschlag finden müssen. Diese Vorlage erwarten wir spätestens zum Ausklang des ersten Vierteljahres 1959. Wir hoffen zuversichtlich, daß sich der Bundestag in seiner Mehrheit diesen unseren Vorstellungen anschließt. In Kriegsopferfragen bedarf es keiner großen Worte. Es bedarf der menschlichen Anteilnahme mit unserem leidenden Bruder, der Hilfe für die Witwen und die Waisen. Wir haben hier die Hilfsmöglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen. Diesem Ziele dient der Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Ich bitte um Ihre Zustimmung, daß er dem Kriegsopferausschuß überwiesen wird.
Gesamtes Protokol
Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0305300000
Die Sitzung ist eröffnet.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich im Namen des Hohen Hauses den Abgeordneten Nieberg zu seinem 71. Geburtstag beglückwünschen.

(Beifall.)

Ich habe bekanntzugeben, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Tagesordnung für den 11. und 12. Dezember erweitert werden soll um die Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern vom Rechnungsjahr 1958 an (Länderfinanzausgleichsgesetz 1958), (Drucksache 703), um die Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 631), um die Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frenzel, Dr. Böhm, Dr. Dehler und Genossen eingebrachten Entwurfs ,eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Drucksache 706) und schließlich um die Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Kriegsopferversorgung (Drucksache 621).
Eis soll so verfahren werden, daß die Debatte über das Länderfinanzausgleichsgesetz zusammen mit der Debatte über dein Haushalt 1959 geführt wird.
Der Entwurf zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes soll gemeinsam mit Punkt 6 behandelt werden.
Das Zweite Gesetz zur Änderung deis Bundesrückerstattungsgesetzes soll heute als erster Punkt behandelt und ohne Debatte an den Ausschuß für Wiedergutmachung überwiesen werden. Die zweite und dritte Beratung sollen morgen folgen.
Abgesetzt werden soll Punkt 8 der Tagesordnung Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (Drucksachen 680, 349).
Außerdem darf ich noch bekanntgeben, daß die Berichte des Vermittlungsausschusses — Punkt 12, 13 und 14 ,dar Tagesordnung — morgen zu Beginn der Sitzung behandelt werden sollen.
Ist das Haus mit diesen interfraktionellen Vereinbarungen ,einverstanden? — Ich höre kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischem Bericht aufgenommen:
Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 9. Dezember 1958 den Entwurf eines Gesetzes über das Apothekenwesen, der als Drucksache 35 verteilt worden ist, im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 zurückgezogen. Das diesbezügliche Schreiben wird als Drucksache 723 verteilt.
Ich rufe auf die
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frenzel, Dr. Böhm, Dr. Dehler und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Drucksache 706).
Hierzu ist vorgeschlagen, auf Begründung und Aussprache zu verzichten und die Vorlage an den Ausschuß für Wiedergutmachung zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die der vorgeschlagenen Überweisung an den Ausschuß für Wiedergutmachung zustimmen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, ist das einstimmig beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung auf:
Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 (Haushaltsgesetz 1959) (Drucksache 650)
und dazu die
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern vom Rechnungsjahr 1958 an (Länderfinanzausgleichsgesetz 1958) (Drucksache 703).
Auf eine mündliche Begründung des Finanzausgleichsgesetzes hat die Bundesregierung verzichtet. Wir können also gleich in die Debatte eintreten. Ich erteile dem Abgeordneten Schoettle als erstem Redner das Wort.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0305300100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß meine Ausführungen mit einer scheinbar technischen Bemerkung beginnen, die der Herr Bundesfinanzminister mit den einleitenden Sätzen in seiner Rede vom Dienstag herausgefordert hat. Es ist richtig, daß der Haushaltsentwurf in diesem Jahr nicht wie im vergangenen — und hier muß ich mich eigentlich schon korrigieren; es war gar nicht das vergangene, es war das Frühjahr dieses
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Schoettle
Jahres — erst nach Beginn des neuen Haushaltsjahrs vorgelegt wird. Aber daraus zu schließen, daß er uns „vorzeitig" zugeleitet worden sei, ist doch ein etwas starkes Stück; ich muß das offen sagen.
Der 5. Januar, den die Reichshaushaltsordnung als äußersten Termin für die Einbringung des Haushalts bezeichnet, stammt — das muß man auch im Bundesfinanzministerium wissen, das ja wohl für diese Formulierung in erster Linie verantwortlich ist, weniger der Herr Minister — aus einer längst vergangenen Zeit, aus einer Zeit, als die Reichshaushalte nicht nur erheblich bescheidener, sondern auch weniger kompliziert waren als das, was wir uns heute in der Bundesrepublik leisten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Müssen!)

— leisten müssen, meinetwegen. Der Lorbeer, den sich Herr Etzel und sein Haus in diesem Punkte schon etwas frühzeitig aufs Haupt gelegt hat, bedeutet für das Parlament einen Zeitdruck, der schließlich zu einer absolut oberflächlichen Beratung des Haushalts führen müßte, wenn wir ihm nachgäben.

(Beifall bei der SPD.)

Eine wirkliche Beratung, wie sie der Aufgabe des Bundestags entspräche, ist in der Zeit zwischen der ersten Januarwoche und der ersten Märzwoche gar nicht möglich. Denn das Haus muß ja auch für die zweite und dritte Beratung im Plenum Zeit haben, und auch der Bundesrat wird nicht auf die ihm durch das Grundgesetz gegebenen Fristen völlig verzichten wollen.
Wenn man also im Bereich der Wirklichkeit bleiben will, dann muß, soll die Haushaltskontrolle des Parlaments nicht völlig zur Farce werden, schon heute damit gerechnet werden, daß auch dieser Haushalt nicht zu Beginn des Haushaltsjahrs in Kraft treten wird. Ich halte es für notwendig, schon bei diesem Punkt etwas Wasser in den Wein des Herrn Bundesfinanzministers zu gießen, damit die mit Recht so beliebte Optik nicht zu Lasten des Parlaments und womöglich des Haushaltsausschusses verschoben wird.

(Beifall bei der SPD.)

Die Regierungsbank hatte ja während der Rede des Herrn Bundesfinanzministers eine merkwürdig dünne Besetzung. Der Herr Bundeskanzler war entschuldigt, weil er sich erkältet hatte — in Berlin.

(Heiterkeit bei der SPD.)

— Entschuldigen Sie, ich habe das völlig ohne jede böse Absicht gesagt.

(Erneute Heiterkeit bei der SPD.)

Aber auch die anderen Herren Minister haben zu einem erheblichen Teil durch Abwesenheit geglänzt. Ich finde das einigermaßen merkwürdig angesichts der Tatsache, daß es sich auch um ihre Haushalte handelte, also um eine Sache, die sie angeht. Nun, wir sind ja Kummer gewohnt. Aber ich habe es für richtig gehalten, das bei dieser Gelegenheit noch einmal zu sagen. Vielleicht ergibt sich im Laufe der Jahre doch eine gewisse Besserung, auch was die Teilnahme der Regierung an diesen Beratungen betrifft. Von der Teilnahme der
Abgeordneten zu reden ist hier, glaube ich, überflüssig.

(Abg. Dr. Dresbach: Herr Schoettle, sehen Sie mal die Bank auf der anderen Seite! Da sitzen doch Ihre Freunde!?)

— Herr Kollege Dresbach, dieselbe Unterhaltung haben wir schon vor zwei Jahren gehabt mit demselben Hinweis auf den Bundesrat und mit meiner Retourkutsche; die will ich mir aber in diesem Augenblick sparen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die sollten es auch langsam lernen!)

— Die sind so mit sich selber beschäftigt, daß man eigentlich nicht erwarten kann, daß sie auch noch hier ihre Zeit zubringen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann wollen wir sie entschuldigen!)

Der Herr Bundesfinanzminister hat also zu Beginn seiner Rede am Dienstag einen Rückblick auf das Programm gehalten, das er bei seinem Amtsantritt verkündet hat, und er hat mit einer gewissen Genugtuung festgestellt, daß ihm die Erfüllung dieses Programms wenigstens teilweise gelungen sei, so etwa bei der Begrenzung der Ausgaben im neuen Haushalt. Ich und meine Freunde sind gern bereit, das insoweit anzuerkennen, als der Gesamtumfang des Haushalts tatsächlich nicht, wie befürchtet werden mußte — vor allem nach den Anforderungen der Ressorts — die 40-Milliarden-Grenze weit übersteigt.
Eine andere Sache ist es freilich, daß dieses Ergebnis nicht ohne gewisse Kunststücke erreicht worden ist, wie sie der Herr Bundesfinanzminister in seiner Dienstag-Rede für die Vergangenheit gerügt hat. Denn das Wort „Kunststück" ist ja in einem Zusammenhang gefallen, wo man es als eine deutliche negative Verbeugung vor der Vergangenheit unserer Finanzpolitik betrachten mußte.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Überlegen Sie sich mal, was negative Verbeugung ist; ich kann es Ihnen nicht genau definieren. Mag sein, es ist nur eine façon de parler.
Man muß die Frage stellen, ob das Ergebnis der Bemühungen um die Niedrighaltung der Ausgabenseite des Bundeshaushalts nicht doch in erster Linie optischer Natur ist und ob es nicht erreicht wurde um den Preis des Übersehens und Beiseiteschiebens unausweichlich an den Bundeshaushalt herankommender Anforderungen und wichtigster Aufgaben, deren Vernachlässigung oder Zurückstellung uns schließlich teuer zu stehen kommen wird.
Der zweite Programmpunkt des Herrn Bundesfinanzministers, auf dessen Erfüllung er stolz ist, lautete: Steuersenkungen durch niedrigere Ausgaben — in diesem Haushalt zum erstenmal — und Vermeidung von Steuererhöhungen. In diesem Punkt möchte ich der bescheidenen Meinung Ausdruck geben, daß man den Tag nicht vor dem Abend loben und auch sich selber nicht schon in einem Zeitpunkt zufrieden auf die Schulter klopfen sollte, wo manches doch noch im Dunkeln liegt. Denn die
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Frage ist offen, meine Damen und Herren, ob die Steuersenkungen dieses Frühjahrs, so erwünscht sie auch politisch sein mochten, unter finanzpolitischen Gesichtspunkten auf lange Sicht in allen Teilen richtig waren. Gewisse Passagen in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers, auf deren Bedeutung ich noch in einem anderen Zusammenhang zurückkommen muß, lassen überdies den Schluß zu, daß bestimmte Steuerbefreiungen bei der Einkommen- und Lohnsteuer mit dem Hintergedanken an eine anderweitige Belastung der so Befreiten vorgenommen worden sind.
Daß der Herr Bundesfinanzminister selbst nicht ganz an die Vermeidung von Steuererhöhungen glaubt, ging schließlich aus einer Bemerkung hervor, die sich auf erhöhte Einnahmeerwartungen bei der Mineralölsteuer bezog, und es ist ja kein Geheimnis, daß er selbst im heftigen Ringen mit dem Bundeswirtschaftsminister ebenfalls um steuerliche Neubelastungen kämpft, die zweifellos von den Belasteten an die Verbraucher weitergegeben würden.
In einem Punkt hat der Herr Bundesfinanzminister selbst etwas resigniert festgestellt, daß seine ursprünglichen Absichten nicht voll verwirklicht werden konnten. Er sprach von den Überbewilligungen und von der Restewirtschaft, deren Ursachen ja wohl ziemlich eindeutig in einem bestimmten Teil des Bundeshaushalts zu suchen sind, nämlich im wesentlichen im Verteidigungshaushalt. Der Komplex Rüstung ist in der Tat das Element im Bundeshaushalt, das am meisten Verwirrung stiftet und zu jener Unübersichtlichkeit und, wie wir glauben, zu jener falschen Gewichteverteilung im Bundeshaushalt führt, gegen die wir ankämpfen, weil sie zwangsläufig zur Vernachlässigung wichtiger Aufgaben von allgemeiner Bedeutung führt. Denn schließlich, meine Damen und Herren, waren es die grotesken Fehlplanungen im Bereich des Verteidigungshaushalts, deren Zeugen wir nun seit einer Reihe von Jahren sein müssen, die unter Herrn Blank angefangen haben und deren etwas robusterer Erbe der gegenwärtige Herr Bundesverteidigungsminister ist.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Etzel hat in seiner Rede nichts Überzeugendes gesagt, was die Befürchtungen entkräften könnte, daß das Spiel mit den überhöhten Verteidigungskosten, die dann 'infolge von. Umplanungen oder sonstigen veränderten Verhältnissen nicht konsumiert werden können, lustig weitergehen wird: spricht man doch jetzt schon davon, daß auch die Haushaltsansätze des neuen Haushalts wie die des laufenden nur zur Hälfte ausgegeben werden können. Nun, der Herr Bundesfinanzminister hat selbst seine Erklärungen, daß eine Bildung neuer Ausgabenreste nicht wahrscheinlich sei, sofort relativiert durch einen Hinweis darauf, wie sehr alles im Bereich der Rüstung im Fluß sei. Das ist in der Tat eine Erfahrung, die wir in den letzten Jahren gemacht haben und von der ich fürchte, daß sie uns auch in der nächsten Zeit nicht erspart bleiben wird.
Hieran muß ich eine Bemerkung über die Bedeutung des Haushalts überhaupt anknüpfen. Hat der
Bundeshaushalt, den dieses Haus Jahr um Jahr verabschiedet, überhaupt noch jenen Grad von Verbindlichkeit, der ihm mindestens für ein Haushaltsjahr den Charakter eines finanziellen Grundgesetzes verleihen könnte? Es gibt eine Reihe von Tatsachen, die gegen eine solche Annahme sprechen. Der Herr Bundesfinanzminister selbst hat am 13. März dieses Jahres in diesem Hause in dieselbe Richtung gewiesen, als er sagte, in konjunkturpolitischen Zusammenhängen über mehrere Jahre komme der Entwicklung der öffentlichen Kassenverhältnisse, den öffentlichen Guthaben und den öffentlichen Kreditaufnahmen eine größere Bedeutung zu als dem mehr programmatischen Sinn der Haushaltspläne. Man muß diese Bemerkung einmal auf ihre tiefere Bedeutung hin prüfen. Ich möchte hinzufügen: wer die Entwicklung der überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben, d. h. der im Haushalt nicht veranschlagten Ausgaben, in den letzten Jahren verfolgt hat, der weiß, daß sich hinter der Kulisse deis Haushalts Verschiebungen vollziehen, die dessen Gesicht so verändern, daß es in manchen Fällen kaum wiederzuerkennen ist.
Wie hoch die über- und außerplanmäßigen Ausgaben im laufenden Haushaltsjahr sein werden, kann man heute noch nicht sagen, aber eine Vorstellung davon mögen die Zahlen für 1956 und 1957 geben. Es sind in jedem Jahre runde 5 Milliarden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Herr Conring, auch wenn Sie bedächtig das Haupt schütteln, es bleibt dabei. Sie haben es in den Nachweisungen des Bundesfinanzministeriums doch selber festgestellt und gelegentlich bei der Mitwirkung des Haushaltsausschusses miterlebt, Welche Summen auf dem Wege über über- und außerplanmäßige Ausgaben gefordert werden. Damit Sie beruhigt sind, will ich aber noch einige Sätze hinzufügen; ich sage nichts Revolutionäres, beileibe nicht. Diese 5 Milliarden pro Haushaltsjahr in 1956 und 1957 beziehen sich auf Haushaltsvolumina von 35 bzw. 37,4 Milliarden. Sie können sich also die Relation zum tatsächlichen Umfang des Haushalts selber ausrechnen, die in diesen Verschiebungen zum Ausdruck kommt. Natürlich ist dadurch das Volumen des Haushalts nicht gesprengt worden — Herr Conring, hier haben Sie Ihre Beruhigungspille —, dafür bürgen nämlich die Minderausgaben vor allem im Verteidigungshaushalt. Man kann also Verschiebungen innerhalb des Haushalts vornehmen, ohne daß dadurch die Dinge über den Plafond hinausgehen, den das Haus durch seine Beschlüsse zum Haushalt selber gesetzt hat. Natürlich wurde auch der Haushaltsausschuß des Bundestages zugezogen und um seine Zustimmung ersucht, nicht selten, wie mir die Kollegen aus dem Haushaltsausschuß bestätigen können, nach vollbrachter Tat. Aber das Faktum bleibt, daß die Haushaltsgesetzgebung des Parlaments auf diese Weise so durchlöchert wird wie ein wohlgeratener Schweizer Käse.
Ebenfalls in die Richtung der Beschränkung der Haushaltshoheit des Parlaments weist eine andere Erscheinung, die der Haushaltsausschuß in den letzten Wochen aus gegebener Veranlassung be-
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sprochen hat: die Finanzwirtschaft der europäischen Behörden. Was darüber berichtet wurde, geht, bei voller Anerkennung besonderer Lebensbedingungen in einzelnen europäischen Hauptstädten, über das hinaus, was man mit gutem Gewissen vertreten kann. Vielleicht interessiert es die Damen und Herren, daß ich wegen des Beschlusses des Haushaltsausschusses, der eine Empfehlung an die Bundesregierung darstellte, von den maßgebenden Herren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, d, h. der Kommission — Sie können sich denken, wer es war —, anläßlich eines Zusammentreffens in Stuttgart gekeilt worden bin und daß sie mir dort sozusagen die Hölle heiß gemacht haben, weil wir hier weit über das Ziel hinausgeschossen, und dargelegt haben, daß doch alles so verständlich und so vernünftig und gar nicht aus dem Rahmen fallend sei. Ich sage das hier zur Abrundung des Bildes. Man wird sich zu gegebener Zeit damit zu beschäftigen haben. Auf alle Fälle ist es so, daß die Finanzwirtschaft der europäischen Behörden selbst über das weit hinausgeht, was wir im Bundestag von den Bundesbehörden gewohnt sind.
Hinzu kommt, daß die Finanzwirtschaft der europäischen Institutionen weder von den ihnen nach den Verträgen zugeordneten parlamentarischen Versammlungen beeinflußt oder kontrolliert noch von den nationalen Parlamenten mitbestimmt werden kann. Wir hier sind in diesem Falle darauf angewiesen, daß die Repräsentanten der Bundesregierung, die im Ministerrat sitzen, das mehr oder weniger Richtige tun und sich in gegebenen Situationen eben einfach in eine Entscheidung fügen, die man entweder mit Mehrheit oder einstimmig trifft, ohne daß dieses Parlament noch zum Umfang der Belastungen, die uns daraus entstehen, wirklich ernsthaft Stellung nehmen kann; denn Sie wissen auch, daß bei der Ratifizierung von Verträgen keine Änderungen der Verträge vorgenommen werden können, sondern daß das Parlament zu den Ratifizierungsgesetzen nur ja oder nein sagen kann.
Ich will diese Dinge nicht überbewerten, möchte aber gerade im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung darauf hinweisen, daß da ein Element der Auflösung der parlamentarischen Demokratie gegeben ist. Solche Betrachtungen und Beobachtungen könnten einen überzeugten Verfechter der parlamentarischen Demokratie etwas trübsinnig stimmen, wenn die ihnen zugrunde liegenden Tatbestände als der Ausdruck eines fast naturgesetzlich sich vollziehenden Vorgangs, nämlich der Entmachtung des Parlaments in der modernen Gesellschaft, angesehen werden müßten. Wer sich aber darüber klar ist, daß die Wurzel des Parlamentarismus in der Durchsetzung der Budgethoheit der Volksvertretung lag, müßte eine solche Entwicklung entschieden bekämpfen, ganz gleich, wo er politisch steht.
Im übrigen waren weite Teile der Rede des Herrn Bundesfinanzministers eine scharfe Kritik an der bisherigen Politik der Bundesregierung und der Regierungskoalition; denn die Erscheinungen, die
Herr Etzel kritisierte und zu deren Beseitigung er auch an die — ich zitiere ihn — „Verantwortung des Parlaments für das Gesamtwohl" appellierte, sind ja nicht Ergebnisse des blinden Zufalls gewesen. Sie sind schließlich die Folge von politischen Konzeptionen, von denen man kaum sagen kann, daß sie völlig überwunden seien. Die Stichworte für die Kennzeichnung dieser Konzeptionen kann man ohne Ausnahme aus der Budgetrede des Herrn Bundesfinanzministers entnehmen. Ich zitiere sie so, wie sie mir gerade in den Sinn kommen: Die Finanzpolitik aus dem Vollen, der Juliusturm, überhöhte Bewilligungen, falsche Planungen, auf denen dann falsche Haushaltsansätze aufgebaut wurden, falsche, zum Teil politisch bedingte Schätzungen, Bindungsermächtigungen, die weit über das hinausgingen, was in einer geordneten Finanzwirtschaft unter diesem Begriff zu verstehen ist, nämlich Anschlußfinanzierung für das nächste Jahr, Verschleierung der Haushaltswirklichkeit und schließlich Kapitulation vor den Interessentenforderungen ohne Maß, um auch hier mit dem Herrn Bundesfinanzminister zu sprechen.
Wer, meine Damen und Herren, wagt im Ernst heute schon zu behaupten, daß Herr Etzel im Kampf gegen die Hydra der Interessentenwünsche, die man ja gelegentlich auch als die „Herrschaft der Verbände" bezeichnet hat, Sieger bleiben und die Mehrheit dieses Hauses ihm dabei helfen wird? Das wird vielleicht bei gewissen Sozialaufgaben der Fall sein, über die an anderer Stelle noch zu reden sein wird.

(Beifall bei der SPD.)

Während der Rede des Herrn Ministers am Dienstag konnte man hier im Plenarsaal und draußen in der Wandelhalle die betretenen Gesichter vieler Mitglieder des Hauses betrachten, denen die Ankündigung des Herrn Bundesfinanzministers, daß er die Subventionen im Bundeshaushalt aufs Korn nehmen wolle, sichtlich aufs Gemüt geschlagen war.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Es wäre nicht fair, die Herren hier beim Namen zu nennen. Aber der Katalog, den der Herr Minister —sicher nicht ohne Absicht — aus dem Bereich des Grünen Plans zusammengetellt hatte, mag den Mitgliedern dies Hauses das dreimalige Raten ersparen.

(Beifall bei der SPD. — Lachen in der Mitte.)

Ich muß gestehen, ich und meine politischen Freunde haben diesen Teil der Rede des Bundesfinanzministers mit großer Aufmerksamkeit angehört; er erschien uns als ein Programm, dessen Verwirklichung dem Kampf der Götter gegen die Titanen gleichen würde. Würde dieses Programm in Angriff genommen werden — und wir glauben, daß das nötig ist —. dann könnte man sicher sein, daß auch in diesem Falle, um im Bilde zu bleibien, die Titanen, d. h. die Interessenten, den Pelion auf den Ossa türmen würden; und keineswegs sicher wäre es, daß sie nicht schließlich, zumal wenn es wieder auf Wahltermine zuginge, mit der Bundesgenossenschaft eines hochbetagten Zeus selbst den Olymp eines Herrn Etzel erstürmen und ihre Interessenwünsche durchsetzen würden.

(Beifall bei der SPD.)

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Schoettle
Wir haben ja auch in diesem Bereich Erfahrungen, wie plötzlich irgendwoher, sei es aus Rhöndorf, sei es aus dem Palais Schaumburg, ,ein Donnerkeil ins Haus geflogen kommt und alle zusammentreibt, die man zu bestimmten „Behufen" braucht.

(Lachen.)

Übrigens, Subventionen und Subventionen sind nicht immer das gleiche. Man wird auch hier das Kind nicht mit dem Bade ausschütten dürfen. Vor allem dürfte man unter dem Stichwort „Abbau der Subventionen" nicht die Lebenshaltung der breiten Schichten der Bevölkerung mit daraus sich ergebenden Preiserhöhungen belasten. Auch das ist eine Gefahr, die vielleicht in dem steckt, was d er Herr Bundesfinanzminister — etwas allgemein
als einen Versuch, die Subventionen im Bundeshaushalt abzubauen, angekündigt hat. Ich gebe gern zu, daß die Subventionen ein unerträgliches Ausmaß angenommen haben; im Interesse aller müssen sie auf das richtige Maß zurückgeführt werden, schon damit endlich auch alle diejengen, die es angeht, winsen, daß bestimmte Dinge eben nicht ohne eigene Anstrengungen, ohne eigene Leistungen erreicht werden können. Auf jeden Fall werden wir die Entwicklung ,auf diesem Gebiet mit wachem Interesse verfolgen. Der Herr Bundesfinanzminister kann unserer Sympathie bei seinen Bemühungen, soweit sie isich rechtfertigen lassen, gewiß sein.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich bei der Betrachtung des Haushalts 1959 selbst. Zunächst einige Bemerkungen zum Haushaltsgesetz. Es hält sich mit einer Ausnahme im wesentlichen an das Schema früherer Jahre. Der § 17 des Haushaltsgesetzes bringt zum erstenmal Vorschriften über die Förderung von Kapitalanlagen im Ausland, insbesondere zur Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Entwicklungsländern. Wir begrüßen diese Neuerung, müssen uns aber vorbehalten, bei der praktischen Durchführung eigene Vorschläge zu bringen und Anregungen zu geben, bei denen nicht nur die privatwirtschaftlichen, sondern auch die politischen Gesichtspunkte eine Rolle spielen müssen. Denn schließlich sind die finanziellen und die wirtschaftlichen Beziehungen der Bundesrepublik zu den Entwicklungsländern nicht nur eine Frage von privatwirtschaftlichem Interesse, sondern sie sind auch eine politische Aufgabe, die die Bundesrepublik sich setzen muß und zu deren Erfüllung sie bestimmte Leistungen erbringen muß.
Ich will hier nicht auf die Details eingehen. Es ist wahr, daß wir heute schon — und das ist viel zu wenig bekannt - im Wege der Bürgschaftsübernahme, der Garantien für bestimmte Auslandsaufträge in einem hohen Maße Leistungen erbringen, die zum Teil auch materiell zu Buche schlagen, von denen man im allgemeinen nichts weiß und die man einmal in einer Summe sehen müßte, um zu wissen, welchen Umfang das bereits angenommen hat. Das ist wahr, das muß anerkannt werden, und niemand kann daran vorbei.
Ein anderer Punkt im Haushaltsgesetz behagt uns weniger. Wir finden es sehr bedauerlich, daß die
Bundesregierung auch in diesem Jahr wieder durch
den § 6 des Haushaltsgesetzes die Anwendung des
§ 75 Satz 1 der Reichshaushaltsordnung suspendiert. Um Ihnen klarzumachen, was das bedeutet, muß ich Ihnen diesen Satz zur Kenntnis bringen. Denn ich kann nicht annehmen, daß er jedermann bekannt ist. Er lautet:
Bleibt in einem Rechnungsjahr im ordentlichen Haushalt der Gesamtbetrag der Einnahmen hinter dem Gesamtbetrage der Ausgaben zurück, so ist der Fehlbetrag spätestens in den Haushaltsplan für das zweitnächste Rechnungsjahr als ordentliche Ausgabe einzustellen.
Die Einhaltung dieser Vorschrift der Reichshaushaltsordnung bedeutet für den Herrn Bundesfinanzminister gewiß eine Erschwerung des Haushaltsausgleichs. Sie ist ja auch nicht erfunden worden, um ihm das Leben unbedingt zu erleichtern, sondern sie hat ihre guten Gründe in den langen Erfahrungen, die man im Laufe der Entwicklung des Haushaltsrechts gemacht hat. Ihre Nichtbeachtung ist ein Stück jener Haushaltsverschleierung, die wir im ganzen beklagen und die auf die Dauer unerträglich ist. Man muß sich ernsthaft überlegen, ob man mit diesem nun seit Jahren geübten Brauch einfach so fortfahren kann, weil es bequemer ist, davon abzusehen, Haushaltsdefizite, soweit sie entstanden sind, in den Haushalt des übernächsten Jahres einzustellen.
Zum Haushalt selbst! Der Ausgleich des Haushalts ist ebenso wie die Reduzierung der Endsumme auf 39,1 Milliarden DM das Ergebnis von an sich sehr durchsichtigen Manipulationen, die alles andere als erfreulich sind und in der Hauptsache wieder einmal einen Tribut an die berühmte Optik darstellen. Wem will man eigentlich, so frage ich, Sand in die Augen streuen, wenn man z. B. den Einzelplan 14 von 10 auf 11 Milliarden DM erhöht und gleichzeitig im Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung 2 Milliarden DM Minderausgaben veranschlagt, deren Zusammenhang mit dem Verteidigungshaushalt noch nicht einmal schamhaft geleugnet wird? Ich meine, auch andere Leute können Zahlen lesen. Es ist ja kein Geheimnis, daß sowohl bei den 11 Milliarden DM wie bei den 2 Milliarden DM in der Allgemeinen Finanzverwaltung die hohe Politik eine Rolle gespielt hat, die sie eigentlich gar nicht spielen müßte, wenn man davon ausginge, daß es den Bundesgenossen der Bundesrepublik viel weniger darauf ankommt, was schwarz auf weiß auf einem unverbindlichen Papier gedruckt ist, als auf das, was die Bundesrepublik im Bereich ihrer eigenen Verteidigungsanstrengungen tatsächlich leistet. Dafür soll sogar Herr Spaak als Kronzeuge gegolten haben. Aber man hat es dann, als des Kanzlers reitender Bote aus Paris angerückt kam und darauf drückte, daß man diesmal etwas höher gehen müsse als im letzten Haushaltsjahr, vorgezogen, den Verteidigungshaushalt optisch auf 11 Milliarden DM zu erhöhen, um hinterher das Kunststückchen zu machen, das der Herr Bundesfinanzminister an anderer Stelle seiner Haushaltsrede als verboten gerügt hat, das Kunststückchen, die 2 Milliarden DM hinten wieder abzusetzen. Ich frage also, wem
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will man eigentlich damit Sand in die Augen streuen?
1,2 Milliarden DM entnimmt der Herr Bundesfinanzminister aus dem Rückstellungskonto bei der Bundesbank, ein letztes Mal, wie es heißt. Es ist wohl gestattet, gerade diesem „letzten Mal" eine gewisse Skepsis entgegenzusetzen. Die Versuchung, den Haushaltsausgleich auch im nächsten Jahr auf diese Weise zu bewerkstelligen, wird um so größer sein, als mit Sicherheit anzunehmen ist, daß der Verteidigungshaushalt auch im Jahre 1959 noch eine ganze Menge Fett übriglassen und damit Raum für „letztmalige" Transaktionen geben wird. Warum ist das so? fragt eine der Regierung so wohlgesinnte Zeitung wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die sich auch mit dieser Frage beschäftigt hat; und sie antwortet selbst — ich könnte die Antwort nicht besser geben —: „Einfach deshalb, weil es nicht gelingt, die Verteidigungsausgaben so rasch zu erhöhen, wie es der Bundesregierung aus politischen Gründen lieb ist." Man kann dieser Charakterisierung des Tatbestandes durchaus zustimmen, auch wenn man die Gründe der Bundesregierung nicht billigt; und wir Sozialdemokraten billigen sie, wie bekannt, nicht.
Ein anderes Mittel des Ausgleichs, dem wir mit geteilter Sympathie gegenüberstehen, ist die Verlagerung wesentlicher Positionen in den außerordentlichen Haushalt, wo ihre Deckung auf die keineswegs ganz sichere Grundlage von Anleiheaufnahmen gestellt wird. Wir akzeptieren den Grundsatz, den der Herr Bundesfinanzminister in seiner Rede vom Dienstag aufgestellt hat und der auch den Prinzipien der Haushaltsordnung entspricht: daß nämlich öffentliche Investitionen, in diesem Falle mehr als vorher, durch öffentliche Anleihen und nicht durch Steuern finanziert werden sollen. Es muß aber auch sicher sein, daß die Mittel für die Bedeckung der wichtigsten Ausgabeposten im außerordentlichen Haushalt im Anleiheweg aufgebracht werden können. Wenn das nicht der Fall ist, bleiben solche Haushaltsansätze entweder leere Versprechungen, oder sie müssen trotzdem, wie bisher, aus laufenden Einnahmen bestritten werden; und das geht bekanntlich nur, wenn Geld an anderer Stelle im ordentlichen Haushalt nicht ausgegeben wird.
Der Haushaltsausgleich ist, das möchte ich zusammenfassend sagen, zwar gelungen; aber er steht keineswegs auf ganz soliden Beinen.
Hier gleich noch ein Wort zu einem anderen Problem, zu den Anforderungen der Bundesregierung für neue Planstellen und Stellenhebungen. Meine Freunde und ich haben in den vergangenen Jahren gerade bei diesem im Bewußtsein der Öffentlichkeit neuralgischen Punkt stets die Auffassung vertreten, daß man nicht in Bausch und Bogen zu solchen Anforderungen nein sagen, sondern die sachliche Berechtigung in jedem Falle prüfen müsse. Wir werden es auch diesmal so halten. Auf der anderen Seite aber ist die oft besprochene Aufblähung der Verwaltung ja nicht ein bloßes Schlagwort oder eine böswillige Erfindung. Das berühmte Parkinsonsche Gesetz, wonach sich die öffentliche Verwaltung beinahe gesetzmäßig im Wege der Zellteilung vergrößert, ist leider auch in unseren Zonen und im Bereich der Bundesverwaltung da und dort wirksam. Wir behalten uns vor, im Ausschuß dieser Frage unser Augenmerk zuzuwenden, und wir werden da sicher mit größter Sachlichkeit Forderungen entgegentreten, die nicht durch die Sache, durch neue Aufgaben oder ähnliche Verpflichtungen, bestimmt sind, sondern einfach aus dem Wunsche entstehen, da und dort eben etwas mehr Personal zu haben, die Dinge etwas leichter zu machen, als sie bisher gewesen sind.
Nun komme ich zu einem für uns Sozialdemokraten entscheidenden Gesichtspunkt für die Betrachtung dieses Bundeshaushalts. Das ist die Verteilung der Gewichte im Haushalt.
Der Herr Bundesfinanzminister hat leider auch in seiner diesjährigen Haushaltsrede das alte Spiel fortgesetzt, durch Summierung der verschiedenartigsten, der heterogensten öffentlichen Aufwendungen unter dem Titel „soziale Sicherung" die Tatsache abzuschwächen, .daß der Aufwand für die Rüstung der Bundesrepublik das beherrschende Element des Bundeshaushalts ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Man soll nicht immer wieder kommen mit den Vergleichen mit anderen NATO-Ländern einschließlich der Vereinigten Staaten, die bis zu 10 % des Sozialprodukts für Verteidigungs-, für Rüstungskosten aufwenden.
Man sollte auch hier in unserem eigenen Interesse klarmachen, daß die Bundesrepublik eine ganze Menge Lasten zu tragen hat, die in jedem Sinne auch in die Kategorie „Verteidigung der Freiheit, Verteidigung der Demokratie" gehören.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja geschehen! Weitere Zurufe.)

Man sollte nicht denjenigen, die an dein Bundeshaushalt Anforderungen stellen, welche über das tragbare Maß hinausgehen, noch Argumente dadurch liefern, daß man unsere 5 1/2 % in Vergleich setzt mit den 10 %, die die Amerikaner aus einer ganz anderen Situation heraus sich in ihrem eigenen Haushalt leisten.

(Beifall bei der SPD. Zuruf von der CDU/CSU: Hat er ja gesagt! — Abg. Niederalt: Dies ist deutlich ausgesprochen in der Haushaltsrede! — Weitere Zurufe.)

— Lassen Sie mich doch ausreden, Herr Niederalt; Sie sind jaauch noch dran! Ich habe gegen niemanden polemisiert als gegen den, den es angeht.

(Abg. Niederalt: Wir polemisieren überhaupt nicht, Herr Kollege Schoettle!)

— Das möchte ich denn doch bestreiten, Herr Kollege Niederalt,

(Beifall bei der SPD Abg. Niederalt: Sachliche Diskussion!)

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daß Sie in Bayern nicht politisieren.

(Abg. Niederalt: „Polemisieren" habe ich gesagt!)

— Dann war das ein falscher Zungenschlag, oder habe ich falsch zugehört?

(Abg. Dr. Aigner: Bayern ist kein Kollektivbegriff, Herr Kollege! — Heiterkeit.)

— Da kann ich Ihnen nur zustimmen, Herr Dr. Aigner.

(Erneute Heiterkeit.)

Meine eigenen Freunde möchte ich allerdings nicht unbedingt in ein Kollektiv mit einem von Ihnen bringen!

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe.)

Die Verteilung der Gewichte! Der Herr Bundesfinanzminister hat, nachdem er das Generalkapitel „Soziale Sicherung" aufgeschlagen hatte, das von ihm mit 40 % ausgestattet worden ist, schließlich doch unterschieden zwischen dem vagen Begriff der sozialen Sicherung, in den er alles hineinpackte, was überhaupt hineinzupacken war, und den Sozialleistungen im engeren Sinne. Aber die Konfrontierung eines angeblichen Sozialaufwands von 40 % des Gesamthaushalts mit den 30 % für Verteidigungsausgaben hatte doch einen so eindeutigen und fatalen Beigeschmack, daß man dagegen entschieden protestieren muß, weil es einfach nicht der Wahrheit entspricht.

(Beifall bei der SPD.)

Übrigens hat ein Herr aus dem Ministerium des Herrn Bundesfinanzministers im Bulletin der Bundesregierung vor kurzem eine Rechnung aufgemacht, wonach der wirkliche Sozialhaushalt der Bundesrepublik insgesamt 10 Milliarden DM, d. h. rund 27 % des gesamten Haushaltsvolumens, betragen soll. Das ist zwar auch noch etwas nach oben frisiert; aber es kommt der Wirklichkeit erheblich näher, als dies bei den generellen 40 % der Fall ist, die der Herr Bundesfinanzminister am Dienstag hier genannt hat.
Ich habe zu Beginn meiner Rede davon gesprochen, daß die Niedrighaltung der Ausgaben des Bundeshaushalts möglicherweise erreicht worden sei um den Preis des Übersehens von unausweichlich an den Bundeshaushalt herantretenden Anforderungen und wichtigsten Aufgaben, deren Vernachlässigung oder Zurückstellung uns schließlich teuer zu stehen kommen wird. Unter dem Gesichtspunkt der Verteilung der Gewichte im Bundeshaushalt sind gerade hier einige Bemerkungen grundsätzlicher Art zu machen. Der Herr Bundesfinanzminister mag sich darauf berufen, daß er in seinem Entwurf nur diejenigen Aufwendungen veranschlagt habe, für die z. B. im Bereich des Sozialhaushalts eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Es dürfte aber weder ihm noch der Bundesregierung ein Geheimnis gewesen sein, daß die Anpassung der Renten und die Verbesserung der Kriegsopferversorgung unausweichlich auf den Bundeshaushalt zukommt. Gewiß ist der Umfang dieser Maßnahmen heute noch nicht bekannt, und gewiß wird er schließlich Gegenstand der parlamentarischen Auseinandersetzung sein müssen. Aber ebenso gewiß ist es, daß der Bundeshaushalt in gewissem Umfange belastet werden wird, und dafür hätte der Entwurf mindestens auch in einer gewissen Höhe Vorsorge treffen müssen. Daß er das nicht getan hat, scheint mir ein Fehler, ein Versäumnis zu sein, und es ist kein Zweifel, daß das im Laufe der Haushaltsberatungen, wenn nicht vielleicht sogar später — das hängt vom Gang der Verhandlungen in diesem Hause ab —, eine Korrektur erfahren muß. Im übrigen läßt sich, wenn man die Statistiken nicht zu zweifelhaften Propagandazwecken mißbraucht, feststellen, daß die sozialen Leistungen im engeren Sinne — d. h. im wirklichen Sinne — verstanden im Verhältnis zum Gesamthaushalt eine rückläufige Tendenz haben. Parallel damit läuft auch eine wachsende Beitragsbelastung der Sozialversicherten. Dahinter steht die Tendenz, den Bundeshaushalt möglichst vor Soziallasten zu schützen, und darüber hinaus auf Grund des oft widerspruchsvollen Sozialrechts sogar noch die Chance, Einsparungen zu erzielen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Allein auf G rund ,der Anrechnungsbestimmungen warden durch die verbesserten Sozialversicherungsrenten in der Kriegsopferversorgung und so weiter eine halbe bis eine Milliarde D-Mark jährlich gespart. Bei der Vorbereitung der Krankenversicherungsreform hebt sich ebenfalls deutlich die Tendenz ab, den Versicherten durch eine zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Behandlung im Kranheitsfall neue Beitragslasten aufzubürden. Wir können nur sagen, daß wir uns diesen Bemühungen entschieden widersetzen werden.
Bei der Kriegsopferversorgung ,sind in diesem Jahr 240 Millionen DM weniger veranschlagt mit der Begründung, ,daß solche Einsparungen durch den natürlichen Rückgang der Zahl der Versorgungsberechtigten möglich 'seien. Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, daß ich die Auffassung vertrete, daß jeder Rückgang in der Zahl der Versorgungsberechtigten sich automatisch im Wege der Neuverteilung, also sozusagen einer positiven Umlage, als Leistungserhöhung für die Übriggebliebenen auswirken müsse. Das ist nicht meine Auffassung; ich möchte das ausdrücklich betonen. Aber die Verbesserung der Versorgung der Kriegsopfer ist unausweichlich.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

Darüber kann gar kein Zweifel bestehen, und das ist auch in Ihren Kreisen bekannt. Rückstellungen dafür hätten (auch von dieser Regierung mindestens im Rahmen der 240 Millionen DM erwartet werden dürfen.

(Beifall bei der SPD.)

Vielleicht sind diese 240 Millionen DM auch ein Element des Haushaltsausgleichs geworden.
In diesem Zusammenhang darf ich mir die Frage gestatten, wie sich die Bundesregierung eigentlich zu den Beschlüssen des Bundestags stellt, die wäh-
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rend der Haushaltsberatungen 1958 einstimmig gefaßt worden sind. Im Juli dieses Jahres — ich selber war damals nicht anwesend, habe mir aber die Akten geben lassen — wurde ein kombinierter Antrag von CDU, DP und SPD vom Hause einstimmig angenommen, in dem die Bundesregierung ersucht wurde — ich habe mir die beiden Anträge, die nachher kombiniert worden sind, noch einmalangesehen, in beiden war diese Verpflichtung für die Bundesregierung ausdrücklich enthalten —, schon im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1959 einen angemesseenen Teilbetrag zur Abdeckung der Verpflichtungen des Bundes gegenüber den Trägern der Rentenversicherung einzustellen. Das mehr als bescheidene Ergebnis dieses einstimmigen Beschlusses des Parlaments, der sich auf rund 2 Milliarden DM bezog, ist die Einstellung von sage und schreibe 1 Million DM in dien Haushalt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das kann man noch nicht einmal als leine erste Rate bezeichnen; wenigstens würde ich das nicht tun.
Die Gewichtsverteilung im Bundeshaushalt, so wie sie im Entwurf vorgesehen ist, läßt auch eine andere wichtige öffentliche Aufgabe ziemlich abseits liegen: die Verkehrsprobleme. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich in seiner Haushaltsrede mit diesem Thema länger befaßt. Man kann aber nicht sagen, daß er dabei wesentlich Neues mitgeteilt hätte, wenn man davon absieht, daß er den Entwurf eines Straßenbaufinanzierungsgesetzes noch vor Ende dieses Rechnungsjahres angekündigt hat. Daß er in diesem Zusammenhang auch entgegen seinen vorher verkündeten Antipathien gegen Steuererhöhungen — die wir übrigens teilen; wer teilte sie nicht! — eine Mehreinnahme an Mineralölsteuer von mehreren hundert Millionen D-Mark noch für das Rechnungsjahr 1959 in Aussicht gestellt hat, läßt doch wohl vermuten, daß er Steuererhöhungen durchaus für richtig und möglich hält, wenn sie nicht direkt, sondern auf Umwegen den Verbrauch belasten.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Denn daß die Mineralölsteuer auch auf den Verbrauch abgewälzt werden wird, ist so ziemlich sicher.
Der Verkehrshaushalt im übrigen ist um ganze 50 Millionen DM gestiegen. Das ist angesichts der Lage im Verkehrswesen, vor allem beim Straßenverkehr, geradezu grotesk. Der Herr Bundesminister Seebohm, der für den Verkehr zuständig ist, hat — es ist schon lange her! — Pläne für die Verkehrsfinanzierung entwickelt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat vor längerer Zeit ein Verkehrsfinanzierungsgesetz in diesem Hause eingebracht. Es ist still geworden sowohl um den Plan des Herrn Seebohm als auch um die Behandlung unserer eigenen Vorschläge für die Finanzierung der Verkehrsprojekte. Der Vorgänger des jetzigen Bundesfinanzministers, Herr Schäffer, hat die Finanzierungspläne seines Kollegen vom Verkehr immer beiseite geschoben,

(Sehr wahr! bei der SPD)

und es scheint fast so, als ob Herr Etzel in diesem Punkte den Spuren von Herrn Schäffer folgen wollte. Man hört ja so gewisse Kulissengespräche, daß der Stuhl des jetzigen Herrn Bundesverkehrsministers etwas wackele und daß man eine andere Besetzung in Aussicht genommen habe. Ob das damit zusammenhängt, daß er mit seinen Finanzierungsplänen nicht reüssiert hat, oder ob andere Gründe für ein solches Revirement vorliegen, weiß ich nicht. Ich kann auch nicht beurteilen, wieviel Realität hinter diesen Gesprächen steckt. Aber immerhin ist es doch interessant, daß man darüber spricht, und so am Rande darf man ja wohl ein solches Couloirgespräch auch hier im Hause einmal erwähnen. Vielleicht denken einige darüber nach, vielleicht sogar Kandidaten für das Amt. Wer weiß?

(Heiterkeit bei der SPD.)

Dabei — um zum Ernst der Sache zurückzukommen — ist allen, die sich mit den Fragen des Verkehrs befassen, klar, daß nicht nur die Bundesbahn, deren Tarifpolitik sich als ein Fehlschlag erwiesen hat, dringend der Hilfe bedarf, sondern daß auch im Bereich des Straßenbaues weit über die Bundesautobahnen und über die Bundesstraßen hinaus die Landstraßen und die Kreisstraßen ohne eine weitreichende Leistung des Bundes nicht auf jene Höhe gebracht werden können, die der sich ständig steigernde Verkehr erfordert. Es ist witzlos, gute Bundesstraßen und gute Autobahnen zu haben, wenn man die jenseits dieser Verkehrswege liegenden Ziele nur über teilweise miserable oder sogar halsbrecherische Straßen erreichen kann.
Auch ich weiß natürlich, daß diese Probleme nicht in einem Jahreshaushalt des Bundes bewältigt werden können. Aber was wir jetzt vor uns haben, ist noch nicht einmal ein bescheidener Ansatz.
Im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt sind auch wirtschaftspolitische Überlegungen anzustellen. Ich muß sie auf ein Minimum beschränken. Schließlich ist die öffentliche Hand sowohl im Nehmen wie im Geben ein beträchtliches Stück der Gesamtwirtschaft. In den letzten drei Jahren ging es darum, daß vom öffentlichen Haushalt keine vermeidbaren Impulse zur Steigerung der Konjunkturerhitzung ausgingen. Darum gingen bekanntlich mehrere Konjunkturdebatten in diesem Hause, die eine davon in Berlin.
Heute stehen wir vor einer etwas anderen Lage. Die jetzige Konjunkturlage kann nicht von vornherein als schlecht bezeichnet werden. Immerhin sollten die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen nicht versuchen, die spürbaren Abschwächungstendenzen und Krisenerscheinungen in unserer Wirtschaft mit übertriebenem Optimismus zu umschreiben oder etwa mit moralischen Spritzen bewältigen zu wollen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ohne auf Einzelheiten einzugehen, muß ich doch auf die besonders alarmierende Lage in einem Industriezweig hinweisen, nämlich im Kohlenbergbau. Die Kohlenhalden sind mit 13 Millionen t zur Zeit größer als je vorher. Bisher wurden 1,9 Millio-
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nen Feierschichten gefahren. Der Rückgang in der Stahlerzeugung bedeutet Kurzarbeit für rund 50 000 Stahlarbeiter. Auch in der Textil- und in der Lederwarenindustrie machen sich Stagnation und Rückgang des privaten Verbrauchs besonders stark bemerkbar.
Die Bundesregierung sollte nach unserer Meinung nicht warten, bis es zu einem allgemeinen Konjunkturrückschlag kommt. Heute kann sie die negativen Tendenzen noch durch wirtschaftliche Maßnahmen der leichten Hand auffangen. Vom Export ist ein Auftrieb zur Zeit nicht zu erwarten. Deshalb müßte über eine Belebung des Verbrauchs ein ernster Versuch gemacht werden, die gegenwärtige Stagnation zu überwinden. Eine rechtzeitige Anpassung der Renten wäre in diesem Zusammenhang nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung sozialen Unrechts, sondern auch zur Belebung der Binnenkonjunktur nötig gewesen.

(Beifall bei der SPD.) Sie ist leider bisher nicht erfolgt.

Der Bundeshaushalt selbst kann wesentlich dazu beitragen, den wirtschaftlichen Abschwächungstendenzen entgegenzutreten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Debatte, die in diesem Hause vor kurzem stattgefunden hat und die sich mit der Verbesserung der Lage in der Bauwirtschaft befaßte. Darin hat mein Kollege Dr. Deist zahlreiche Ansatzpunkte für eine Beeinflussung des gesamten Wirtschaftsablaufs von der Bauwirtschaft her aufgezeigt.
) Der Herr Bundesfinanzminister hat — worauf ich schon hingewiesen habe — in seinen Ausführungen über die Subventionspolitik vor allem auch auf die landwirtschaftlichen Subventionen abgehoben. Leider ist infolge der Gesetzeslage der Grüne Plan stets eine Art Nachzügler des Bundeshaushalts; man wird also bei dessen Beratungen erneut die Fragen aufgreifen müssen, die Herr Etzel am vergangenen Dienstag aufwarf. Ich will hier ganz allgemein für die sozialdemokratische Fraktion folgendes sagen. Wir werden sowohl bei der Beratung des Bundeshaushalts wie auch bei der des Grünen Plans selber — für den ja im Haushalt die gleiche Summe wie im Vorjahr angesetzt ist — keine höheren Beträge verlangen; aber wir werden uns entschieden für eine Umschichtung der Verwendung einsetzen. Wir glauben nämlich nicht, daß die Art der Verwendung dieser Mittel in den letzten Jahren der Weisheit letzter Schluß gewesen sein kann.

(Beifall bei der SPD.)

Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht sagen.
Eine Bemerkung zur Frage der Eingliederung der vertriebenen Bauern sei mir noch gestattet, und zwar sowohl in bezug auf die Höhe der Mittel als auch auf deren Verweisung in den außerordentlichen Haushalt. Das letztere steht übrigens im Gegensatz zur Behandlung aller anderen Positionen des Grünen Plans. Die Behandlung der ganzen Fragen, die ich iin diesem einen Satz angedeutet habe, steht aber auch in auffallendem Gegensatz zu dem, was der Herr Bundeskanzler auf dem Ostdeutschen Bauerntag in Bad Godesberg erklärt hat, wie ja
überhaupt manchmal öffentliche Deklamationen und Deklarationen in einem sehr starken Gegensatz zur Praxis der Bundesregierung stehen.

(Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)

Ich bin im allgemeinen nicht als boshaft bekannt, Herr Bundesfinanzminister; hier aber kann ich mir eine boshafte Frage an Sie nicht ganz verkneifen, nämlich die Frage, was Sie eigentlich beabsichtigt haben, als Sie die im Manuskript Ihrer Rede gestrichene Stelle über die Entstehung eines Zuckerberges im Zusammenhang mit der Erhöhung des Zuckerrübenpreises dem Parlament so einfach mit zwei blauen Strichen quer hindurch zuleiteten.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich weiß nicht: Wenn ich nicht boshaft bin — sind Sie ,es vielleicht gewesen? Man muß ja in diesem Zusammenhang doch daran erinnern, daß in der zweiten Legislaturperiode, unmittelbar vor den Wahlen 1957 — der Termin ist nicht ganz bedeutungslos —, in diesem Hause eine Entschließung angenommen worden ist, die die Bundesregierung aufgefordert hat, entgegen ,den Empfehlungen des Haushaltsausschusses die Preiserhöhung für die Zuckerrüben 'trotzdem vorzunehmen. Der Rest wurde dann von der Regierung und den ihr nahestehenden Parteien im Bundesrat auf dem Weg über eine Verordnung besorgt. Der gestrichene Absatz der Rede des Herrn Etzel ist immerhin für alle, die ihn gelesen haben, und darüber hinaus vielleicht für manchen andern außerordentlich aufschlußreich gewesen.
Der Verteidigungshaushalt wäre wert, in einer besonderen Rede alleinabgehandelt zu werden. Ich muß mich im Rahmen dieser Haushaltsrede j edoch auf wenige Bemerkungen beschränken, nachdem ich bereits verschiedentlich über dais Verhältnis dieses Haushalts zum Gesamthaushalt und zu anderen Größenordnungen im Haushalt gesprochen habe. Sicher ist eines: die in diesem Hause heftig bestrittenen Behauptungen der sozialdemokratischen Redner in vergangenen Debatten, z. B. in den Debatten über die Rüstungskosten Frühjahr dieses Jahres, daß im Verteidigungshaushalt eine große Marge für Manipulationen und für nicht auszugebende Dinge vorhanden sei, ist durch die Tatsachen mehr als bestätigt worden. Dabei sind wir mit unseren Schätzungen noch hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben.
Vermerkt werden muß auch — ich tue dais ausdrücklich unter Betonung aller haushaltsrechtlichen Bedenken —, daß in den 11 Milliarden DM, die nominell in dem Einzelplan 14 eingesetzt sind, rund 4 Milliarden DM als neue Deckung für Haushaltsreste aus früheren Jahren ,enthalten sind, wobei die Deckungsmittel inzwischen für andere Zwecke verwendet wurden. Mir scheint, daß Fallein dieses Verfahren noch einer genaueren Prüfung bedarf.

(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

Ob es möglich ist, Mittel, die schon ausgegeben worden sind — das ist auch in der Begründung für diese Ansätze klar gesagt —, noch einmal einzusetzen, ist eine offene Frage. Ich bin geneigt, sie zu verneinen. Auf alle Fälle ist das Problem der
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Haushaltsreste und ihrer Behandlung in den Haushalten .kommender Jahre, eventuell sogar ihrer wirklichen Abtötung — um einen Fachausdruck zu gebrauchen — gerade im Zusammenhang mit dem Verteidigungshaushalt erneut gestellt.
Eine Frage kann ich, so kurz ich mich auch hier bei der Behandlung des Verteidigungshaushalts fassen möchte, nicht ganz unterdrücken. Im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Luftwaffe und dem Ankauf von Flugzeugen im Ausland ist der Gedanke aufgetaucht, ob nicht im weiteren Verlauf der Entwicklung zum Lizenzbau der im Ausland erworbenen Flugzeugtypen in Deutschland übergegangen werden soll. Der Herr Bundesverteidigungsminister scheint stark in dieser Richtung zu drängen. Und es ist ihm durchaus zuzutrauen, daß er sich damit auch im Schoße der Regierung durchsetzt.
Ich möchte aber die Aufmerksamkeit des Hauses und der Regierung auf die möglichen Konsequenzen des Aufbaus einer deutschen Luftfahrtindustrie und vor allem auf die Gefahren hinweisen, die sich daraus, d. h. von den möglichen Investitionsbedürfnissen her für die Wirtschaft, für den Arbeitsmarkt und für den Bundeshaushalt ergeben könnten. Ich glaube, die Frage sollte ernsthaft geprüft werden, ob wir uns in der Bundesrepublik in unserer Situation und angesichts der allgemeinen Möglichkeiten und Notwendigkeiten eine solche Entwicklung leisten können. Wir jedenfalls — das möchte ich heute schon sagen — werden uns in diesem Punkt mit besonderer Vorsicht verhalten, weil wir nicht wollen, daß industrielle Fehlinvestitionen auf dem Wege über den öffentlichen Haushalt, der für sie ja doch einmal in Anspruch genommen werden muß, wettgemacht werden. Denn eine Flugzeugindustrie dieser Art wird niemals aus eigener Kraft in vollem Umfang rentierlich sein, zumal nicht in unserem Bereich.
Ein ganz anderes, meine Damen und Herren — um nicht zu sagen: ein konkurrierendes —, Element des Bundeshaushalts sind die kulturellen Aufgaben. Für sie sind im Bundeshaushalt summa summarum rund 500 Millionen DM eingesetzt, und darin ist vermutlich alles enthalten, was überhaupt nur irgendwie unter das Stichwort „kulturelle Aufgaben" gebracht werden kann. Ich habe im Augenblick nicht die Möglichkeit gehabt, nachzuprüfen, inwieweit auch Institutionen des Bundes für bestimmte sachliche Zwecke unter diesem Rubrum erscheinen. Aber lassen wir das einmal dahingestellt.
Wir Sozialdemokraten glauben jedenfalls, daß diese Summe von 500 Millionen DM weit hinter den Erfordernissen zurückbleibt, die sich aus der Lage unseres Volkes, aus unserer kulturpolitischen Situation und aus den Bedürfnissen der Zukunft ergeben. Meine Partei hat seit Jahren auf diesem Gebiet Vorstöße unternommen, um den Ausbau unserer Bildungseinrichtungen von der Volksschule über das Berufsschulwesen und die technischen Lehranstalten bis hin zu den Universitäten ebenso wie die Förderung der Wissenschaften als eine
nationale Notwendigkeit nicht nur ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu bringen, sondern dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel zu mobilisieren. Das ist bisher nur in bescheidenem Umfang gelungen. Es ist richtig, die Leistungen des Bundes sind erhöht worden. Aber sie stehen in keinem Verhältnis zu den Aufgaben.
Wir sind überzeugt, daß das Problem nicht damit abgetan werden kann, daß man es als eine Aufgabe der Länder von sich abschiebt, weil nach dem Grundgesetz die Kulturhoheit bei den Ländern liegt. Die Aufwendungen, die nötig sind, um den tatsächlichen Bedarf zu decken, können nur durch eine gemeinschaftliche Anstrengung von Bund und Ländern aufgebracht werden.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sind überzeugt, meine Damen und Herren, daß ein sachliches Gespräch über dieses Problem zwischen Bund und Ländern unausweichlich ist und daß es auch zu einer Lösung führen würde, die für alle beteiligten Kostenträger vertretbar ist, zumal wenn man davon ausgeht, daß die Verwirklichung eines langfristigen Programms in den Anlaufjahren weit geringere Mittel erfordern würde, als sie sich aus einer bloßen arithmetischen Teilung des zu errechnenden Gesamtaufwandes durch die Zahl der Jahre ergeben könnten. Die Aufgabe muß gelöst werden. Ich kann ihren Umfang hier nur andeuten.
Untrennbar hängt mit diesem Problem ein anderes zusammen, nämlich der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede eine Rechnung aufgemacht, aus der hervorgeht, daß Länder und Gemeinden angeblich weit besser gestellt seien als der Bund. Ich gestatte mir mit allem Respekt vor dem Herrn Minister zu behaupten, daß diese Rechnung zweckbestimmt ist und im ganzen nicht aufgeht.

(Beifall bei der SPD.)

Die Aufgaben, die nach dem Grundgesetz den Ländern zufallen und zu denen auch die finanzielle Teilausstattung der Gemeinden über Ausgleichsstocks und ähnliche Einrichtungen gehört, ist beim gegenwärtigen Stand der Dinge und bei der jetzigen Verteilung der Finanzmasse nicht zu lösen.
Der Bundesrat hat vor kurzem eine Kommission eingesetzt, die aus dem Herrn Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, dem Herrn Finanzminister von Hessen und dem Herrn Kultusminister von Schleswig-Holstein besteht. Sie hat die Aufgabe, die Probleme eines neuen Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern zu prüfen und darüber auch mit der Bundesregierung in Verhandlungen einzutreten. Der Herr Bundesfinanzminister wird sich darauf einrichten müssen, daß auf diesem Gebiet sehr ernste Fragen an ihn herangebracht werden. Es wird nicht möglich sein, sich auf die Dauer mit Aushilfen oder sogar mit Bemerkungen zu helfen, wie sie der Herr Bundesfinanzminister leider auch in seiner Haushaltsrede gegenüber den Gemeinden und Gemeindebürgern gebracht hat.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

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Schließlich ist die wahre Lage doch so, daß der Bund in den letzten Jahren im Bereich der Steuergesetzgebung immer wieder als Wohltäter gegenüber den Steuerzahlern aufgetreten ist, wobei die Hauptkosten dieser Wohltäterei infolge der Verteilung der Steuereinkünfte auf die Länder und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch auf die Gemeinden entfallen sind.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Der Bund hat sich gegenüber einzelnen Ländern sogar als Bankier betätigen können. Die Gemeinden aber haben sich — ohne daß ich das auf alle erstrecken will - in einem Grade verschuldet, der für viele von ihnen bis hart an die Grenze der Belastungsmöglichkeit und bei einer ganzen Reihe schon über diese Grenze hinausgegangen ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat es für richtig gehalten, den Gemeinden die Einführung einer neuen Steuerquelle in Gestalt der Gemeindeeinwohnnersteuer oder eine allgemeine Erhöhung der Grundsteuer zu empfehlen, und dabei Formulierungen gebraucht, die in die Zeit des Kommunalfreisinns zurückführen, als man das Mitspracherecht in der Gemeinde an die Steuerleistung binden wollte. So geht es nicht, Herr Bundesfinanzminister!

(Beifall bei der SPD.)

Sie können nicht so tun, als hätten diejenigen, die bei der letzten Steuerreform von der Einkommensteuerverpflichtung befreit worden sind, überhaupt keine öffentlichen Lasten zu tragen. Das stimmt nicht, das ist einfach nicht wahr.

(Beifall bei der SPD.)

Diese Personengruppe trägt durchaus an den öffentlichen Lasten mit, und sei es nur über die Belastung durch die überhohen Verbrauchsteuern.
Sie können also nicht auf der Bundesebene Steuersenkungen oder Vermeidung von Steuererhöhungen predigen, aber allen anderen Trägern der öffentlichen Haushalte den schwarzen Peter zuschieben, der da heißt: Steuererhöhungen und Belastungen der Gemeindebürger.

(Beifall bei der SPD.)

Schließlich noch einige abschließende Bemerkungen, die sozusagen unter das Stichwort „Alle Jahre wieder" gehören. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Haushaltsrede die Möglichkeit einer Jahressteuergesetzgebung angedeutet. Eine außerordentlich wichtige Angelegenheit! Er hat davon gesprochen, daß das Haushaltsjahr an das Kalenderjahr angepaßt werden müsse. Er hat nicht davon gesprochen, wie es mit der seit langem in Arbeit befindlichen und in der letzten Zeit eigentlich in der Versenkung verschwundenen Reform des Haushaltsrechts steht. Ich möchte die Frage aufwerfen, Herr Bundesfinanzminister: Wann wird eigentlich mit all diesen Dingen ernst gemacht? Sie sind wichtig, sie sind notwendig, seit Jahren reden wir davon; aber endlich möchte man doch auch einmal einen Schritt in der richtigen Richtung getan sehen, vor allem was die Anpassung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr angeht, weil das eine Reihe von Konsequenzen auch für die Finanzgebarung der
öffentlichen Haushalte hat und namentlich für die Mittel, die aus den öffentlichen Haushalten in die Wirtschaft fließen. Hier sollten wir tatsächlich einmal ernst machen und nicht immer nur den Mund spitzen, sondern auch wirklich zu pfeifen beginnen.
Ich kann mich nicht von diesem Entwurf eines Bundeshaushalts für 1959 verabschieden, ohne auch etwas gesagt zu haben über die sozialdemokratische Gesamthaltung zu diesem Haushalt und zu der Regierung, die ihn einbringt. Ich glaube, es bedarf nach den Erfahrungen dieser Jahre keiner besonderen Betonung des Umstandes, daß meine Freunde an der Erarbeitung der konkreten Daten des Haushalts, an der Durchdringung des Dickichts der Haushaltsansätze, an ihrer Korrektur womöglich, nach sachlichen Gesichtspunkten stets mitgearbeitet haben und es auch in Zukunft tun werden. Aber wir können nicht von dem Umstand absehen — und das bestimmt unsere Stellungnahme schließlich zum Gesamthaushalt —, daß es der Haushalt einer Regierung ist, die von einem Manne geführt wird, der es in all den Jahren und gerade in den letzten Jahren systematisch darauf angelegt hat, die politischen Kräfte, die in der Sozialdemokratie repräsentiert werden, in der Bundesrepublik in die Ecke zu drängen, ihnen die Möglichkeit der politischen Wirksamkeit abzuschneiden und sie, so oft er konnte, auch politisch in einer Weise zu diffamieren, die manchen von uns die Frage vorgelegt hat, ob hier Altersstarrsinn, böser Wille

(Pfui-Rufe von der CDU/CSU)

oder schlechtweg Unverständnis am Werke sei.

(Beifall bei der SPD.)

— Ja, manchmal muß man auch ein deutliches Wort gebrauchen.

(Zuruf von der SPD: Er hat sich sogar sehr vornehm ausgedrückt!)

Sie sind ja gelegentlich auch etwas auf die Zehen getreten von der Art, wie der Chef Ihrer Regierung in der Öffentlichkeit umgeht,

(erneuter Beifall bei der SPD)

und ich bin gewiß ein rücksichtsvoller Mann; aber es gibt Situationen, in denen sogar unsereinem der Kragen platzt. Wir können auch nicht davon absehen, daß es der Haushalt einer Regierung ist, deren Innenminister gerade in der letzten Zeit betont eine Tendenz in der Richtung auf — na, sagen wir einmal — reichlich autoritäre Vorstellungen vom Wesen des Staates und von der Stellung der Regierung im Staate an den Tag gelegt hat.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich brauche Sie nur an die berühmte Stuttgarter Rede des Herrn Bundesinnenministers zu erinnern, die er heute wahrscheinlich nicht in diesem Sinne gehalten haben möchte, und doch ist bekannt, daß daran eine ganze Menge Wahres ist. Wir können nicht davon absehen, daß diese Regierung einen Justizminister hat wie Herrn Schäffer, der für politische Vergehen die Todesstrafe wünscht, wobei die Frage aufzuwerfen wäre, ob er nicht einer der ersten wäre, die nach dem Standard, der hier in der politischen Auseinandersetzung in den letzten Jah-

Schoettle
ren von Ihnen gesetzt worden ist, selber unter dieses Verdikt fallen würde.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: Das glauben Sie ja selber nicht!)

Wir können auch nicht davon absehen, daß die innenpolitische Atmosphäre in der Bundesrepublik sich im Laufe der Jahre in einer Weise verdichtet hat, von der man nicht sagen kann, sie habe sich in der Richtung zu einem echten demokratischen Gemeinschaftsleben weiterentwickelt.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Die Schuld liegt nicht zuletzt bei denen, die in diesen Jahren die politische Verantwortung getragen haben und deren Gesamtverhalten schließlich dazu geführt hat, daß eine ganze Menge der Ewiggestrigen und Vorgestrigen in dieser Bundesrepublik wieder das Haupt erheben kann, sehr zum Schaden unseres Volkes und unseres Landes, Leute, von denen jeder, der hier im Hause sitzt, weiß, was sie in der Vergangenheit sich auf das Gewissen geladen haben und was sie in der Zukunft tun würden, wenn sie die Möglichkeit hätten, wieder einmal politisch wirksam zu werden.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will hier nicht eine Schuldenrechnung für diese Dinge aufmachen, aber, meine Damen und Herren, klopfen Sie sich einmal an die eigene Brust und fragen Sie sich, wie weit diese Entwicklung nicht auch zu einem Teil auf das Konto der Politik geht, die die Regierung getrieben hat, in deren Auftrag Herr Bundesfinanzminister Etzel am vergangenen Dienstag den Bundeshaushalt 1959 vorgelegt hat.
Ich habe diese Bemerkungen gemacht, weil ich sie für notwendig hielt, um die Stellung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion und der Sozialdemokratischen Partei zu diesem Bundeshaushalt nicht nur von der sachlichen, sondern auch von der politischen Seite her eindeutig darzutun.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0305300200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0305300300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der Worte, die wir am Schluß der Ausführungen meines verehrten Vorredners hörten, möchte ich entsprechend einer traditionellen guten Sitte dieses Hauses folgendes sagen. Wir haben uns gefreut, daß Herr Kollege Schoettle in alter Frische, in Gesundheit und auch mit Witz nach seiner schweren Krankheit hier wieder erschienen ist. Wir haben in dieser Arena stets einen fairen Kampf geliebt und wir werden uns auch in Zukunft daran halten. Ich möchte also noch einmal sagen, Herr Kollege Schoettle: vor allem die Mitglieder des Haushaltsausschusses freuen sich, daß Sie hier den Beweis der völligen Wiederherstellung Ihrer Gesundheit geliefert haben, besonders in Ihren Schlußworten.

(Beifall.)

Mein Vorredner hat zu Anfang seiner Rede gesagt, es sei kein ausgesprochenes Verdienst des Bundesfinanzministers, den Haushalt rechtzeitig vorgelegt zu haben. Demgegenüber möchte ich hervorheben, daß wir mit Freude und Genugtuung anerkennen, daß der Haushalt in diesem Jahre zum normalen Zeitpunkt, d. h. im Dezember, vorgelegt worden ist und in erster Lesung diskutiert werden kann. Wir wissen, welch große Leistung seitens der führenden Beamten des Bundesfinanzministeriums, vor allen Dingen auch des Leiters der Haushaltsabteilung, dahintersteht, und wir zögern nicht, ihnen dafür hier unsere Anerkennung auszusprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Jedes Jahr wird uns dabei ein dicker Band in Gestalt der Allgemeinen Vorbemerkungen vorgelegt. In diesem Jahr ist die Ausgestaltung dieser Allgemeinen Vorbemerkungen mit einer Reihe von statistischen Aufstellungen, insbesondere über die Sozialleistungen, meines Erachtens besonders anerkennenswert. Auch die Darstellung der Vermögenswerte des Bundes hat sichtbare Fortschritte gemacht. Wir haben z. B. auch einiges mehr erfahren über die Zusammensetzung der Aufsichtsräte und der Vorstände sowie über ihre Bezüge. Auch hier sind Fortschritte zu verzeichnen, und ich glaube, daß sie sich gut auswirken werden. Bei der Aufspaltung der Arbeit des Parlaments durch die Beratung so vieler Spezialgesetze und Großer Anfragen über alle möglichen Probleme ist es nützlich, daß man an einer Stelle einmal den Versuch eines Gesamtüberblickes macht. So ist wohl die Frage durchaus berechtigt: wo stehen wir jetzt am Ende des Jahres 1958?
Der bisherige Ablauf des Bundeshaushalts erlaubt gewisse Rückschlüsse auf den kommenden Verlauf. Die Vorausschau für das Jahr 1959 baut auf einem Produktivitätszuwachs von 5,5 % auf. Wird diese Ziffer erreicht werden, oder wird sie nicht erreicht werden? Das laufende Haushaltsjahr steht auf einem Produktivitätszuwachs von 7,5 %. Menschlicher Voraussicht nach werden wir wahrscheinlich knapp 6 % erreichen. Wenn wir das erreichten, liegt dieser Produktivitätszuwachs immer noch 2 bis 3 % über dem, was man von einem normalen Konjunkturverlauf erwartet. Ich glaube, daß die Schätzungen des Finanzministers, die nicht nur auf den Steuereingängen und Steuerberechnungen und dem Produktivitätszuwachs beruhen, sehr solide fundiert sind. Wir werden tatsächlich mit 5,5 % rechnen können.
Wir haben einen Zustand der Vollbeschäftigung erreicht, um den uns manche andere Länder beneiden. Ich möchte keineswegs in den Fehler verfallen, die Entwicklung in der Bundesrepublik inmitten der allgemeinen europäischen Entwicklung als besonders rasant darzustellen. Wir sollten keineswegs aus dem Auge verlieren, daß der Produktivitätszuwachs in Frankreich, in Belgien, in der Schweiz, vor allen Dingen aber auch in dem benachbarten Österreich und in Italien sich nicht vor den deutschen Leistungen zu verstecken braucht; in diesen Ländern sind zum Teil noch höhere Leistungen zu verzeichnen. Wir sollten also nicht die Augen vor
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den Fortschritten unserer Nachbarländer verschließen. Im allgemeinen neigen wir dazu, die deutschen wirtschaftlichen Erfolge etwas zu sehr in den Himmel zu heben. Wenn wir uns auch bemühen wollen, das nicht zu tun, so können wir doch dafür dankbar sein, daß es gelungen ist, in Deutschland die Vollbeschäftigung zu erreichen und zu halten, ohne in diesem Jahr eine nennenswerte Steigerung des Preisniveaus verzeichnen zu müssen. Ich glaube, daß dieser Zusammenhang das Entscheidende ist. In sehr vielen Ländern ist das nicht in dem Ausmaße geglückt wie bei uns. Meine Freunde und ich erkennen dankbar an, daß wir in diesem Jahr im allgemeinen von Streiks verschont geblieben sind. Durch die Disziplin der Sozialpartner und durch das Aushandeln von Tarifen sind volkswirtschaftliche Schäden größeren Ausmaßes nicht eingetreten.
Eines möchte ich hier anfügen. Mein verehrter Vorredner hat eine Rentenanhebung als Konjunkturstimulans empfohlen. Ich möchte hier zur Vorsicht mahnen. Wohl kann ich mir vorstellen, daß eine Regierung durch gesteigerte Bautätigkeit, sei es im Tiefbau oder im Hochbau, etwas zu erreichen versucht; sie hat auch noch andere Möglichkeiten. Aber das durch eine allgemeine Anhebung der Renten zu bewirken, indem man Steuergelder an einen größeren Personenkreis verteilt, das scheint mir volkswirtschaftlich kein guter und vertretbarer Weg zu sein.
Der sichtbare Ausdruck des Fortschritts, den wir in diesen vergangenen elf Monaten zu verzeichnen haben, ist sicher der Devisenüberschuß, den unsere Außenhandelsbilanz bis jetzt gezeigt hat. Menschlicher Voraussicht nach werden wir einen Überschuß von zirka 6 Milliarden erreichen. Das IfoInstitut hat vorgestern eine Schätzung veröffentlicht, aus der hervorgeht, daß wir auch im kommenden Jahr mit mindestens der gleichen Summe rechnen können. Es mag etwas drollig klingen, wenn ein Redner hier von der Tribüne des Bundestagesangesichts eines solchen Ausfuhrüberschusses Besorgnis äußert. Wir sind keineswegs so restlos glücklich über diesen sehr großen, meiner Überzeugung nach sogar übergroßen Exportüberschuß. Er beschwört unweigerlich gewisse inflatorische Gefahren herauf, denen die Bundesbank bis jetzt durchihre Offenmarktpolitik erfolgreich begegnen konnte; sie hat aber bei den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bereits die Grenze erreicht. Auch das wird ein neues Problem werden, wie man die zu erwartenden Exportüberschüsse des nächsten Jahres zu bändigen gedenkt, damit daraus keine Inflationsgefahren erwachsen.
Der Hauptträger unserer Konjunktur ist auch in diesem Jahr wieder die Bauwirtschaft gewesen; sie wird es im nächsten Jahr voraussichtlich auch sein. Das Bauvolumen wind, was ,die Zahl der fertiggestellten Wohnungen betrifft, sicher an das des vergangenen Jahres heranreichen, soweit es die Güte und Größe der Wohnungen angeht, das des vergangenen Jahres bestimmt übertreffen. Die Summen, die dafür angesetzt worden sind, sind do ch sehr erheblich; sie übertreffen die des Vorjahres noch urn 300 Millionen DM. Beil der allgemeinen Entwicklung des deutschen Kapitalmarkts können wir -auf einen ungestörten und diesmal reibungsloseren und schnelleren Ablauf der Baukonjunktur im kommenden Frühjahr wie überhaupt im kommenden Jahr rechnen.
Ich möchte auf ein besonderes Phänomen in diesem Jahr hinweisen, dais jeden, der volkswirtschaftlich denkt, mit großer Freude erfüllen muß; dais ist die erstaunliche Steigerung der Spartätigkeit der deutschen Bevölkerung. In den drei Quartalen des Jahres 1958, die wir bis jetzt überblicken können, ist ein Zuwachs von 4,64 Milliarden DM gegenüber nur 1,5 Milliarden DM in der gleichen Zeit des Jahres 1957 zu verzeichnen. Das ist also mehr als eine Verdreifachung. Ich glaube, wir haben allen Grund, den breitesten Schichten der deutschen Bevölkerung unseren Dank für diese Disziplin auszusprechen.

(Beifall.)

Denn hier ist etwas geschehen, was meiner Überzeugung nach für die künftigen Jahre von ausschlaggebender Bedeutung in der Behauptung der freien Welt gegenüber der kommunistisch regierten Welt sein wird. Dort wird durch Zwangssparen das notwendige Investitionskapital herausgepreßt. Hier hat die deutsche Bevölkerung — übrigens spart sie nicht ,allein; die englische spart genauso, das muß ich hervorheben — in einer freiwilligen Anstrengung dais notwendige Investitionskapital zusammengebracht, damit der Wettbewerb der freien Welt gegen über der dirigistischen Welt des Ostens aufrechterhalten wird.

(Beifall in der Mitte.)

Ich kann es mir ersparen, über die Rekordzahlen in der Unterbringung festverzinslicher Wertpapiere in diesem Jahr zu sprechen; es hat sich fast eine Verdoppelung der Vorjahresanlagen ergeben. Eines aber kann ich mir bei dieser Gelegenheit doch nicht verkneifen, Ihnen nämlich einige Ziffern vor Augen zu führen, die zeigen, inwieweit der Konsum in Deutschland gestiegen ist, und zwar nicht nur der gehobenen Schichten, sondern der breiten Massen. Das Masseneinkommen in Deutschland hat — immer von 1953 auf 1957, das letzte überschaubare Jahr — eine Steigerung um 55 % erfahren. Die Verbrauchsausgaben sind um 43 %, der Spareinlagenbestand um 156 % in diesen letzten drei Jahren von 11,5 Milliarden DM auf 29,4 Milliarden DM gestiegen.
Aber nun darf ich noch einzelne besonders interessante Zahlen nennen. Die Kleinverkaufswerte für Tabakwaren sind von 4,575 Milliarden DM auf 5,984 Milliarden DM innerhalb dieser wenigen Jahre gestiegen, die für Kaffee um 96 % von 787 Millionen DM auf 1,546 Milliarden DM. Der Bierausstoß schließlich - er ist immer ein Kennzeichen nicht nur des Durstes eines Volkes, sondern auch, wie ich glaube, seines Wohlstandes — hat sich von 28 Millionen hl auf über 43 Millionen hl um 53 % gesteigert. Und jetzt nenne ich noch eine Ziffer, befürchte allerdings, daß das zu einem neuen Antrag des Vereins zur Bekämpfung der Suchtgefahren führen kann: Der Branntweinkonsum in Deutschland ist leider in noch höherem Maße, näm-
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Dr. Vogel
lich von 517 auf 845 000 hl, d. h. um 63 %, gestiegen. Sogar der Sektkonsum in Deutschland, der sich neuerdings ebenfalls als Massenkonsum darstellt, ist innerhalb der letzten vier Jahre um 140 % angewachsen.
Lassen Sie mich noch ein paar andere Zahlen nennen. Der Bestand an Mopeds ist um 317 % gestiegen, der an Rundfunkgeräten um 21 %. In der Produktion von Fernsehempfängern besteht eine Riesenkonjunktur, wie Sie alle wissen, ebenso bei Kühlschränken und elektrischen Wirtschaftsmaschinen. Diese Zahlen sind Ihnen allen bekannt.
Ich kann auch nicht umhin, meine Freunde in der Landwirtschaft zu beglückwünschen, daß auch das landwirtschaftliche Einkommen im vergangenen Jahr eine nicht unwesentliche Steigerung — ich folge hier den Ausführungen unseres Bundesernährungsministers — von 15,7 auf 17,4 Milliarden DM erfahren hat, während die Betriebsausgaben nur von 11,9 auf 12,8 Milliarden DM gestiegen sind, so daß Gott sei Dank eine Steigerung des Überschusses von 3,8 auf 4,6 Milliarden DM zu verzeichnen ist. Ich finde, das ist ein sichtbarer Beweis dafür, daß der „Grüne Bericht" in Deutschland tatsächlich einen Erfolg zu verzeichnen hat. Das sollte man auch anerkennen und es nicht verschweigen.
Bei dieser Gelegenheit können wir auch eine andere Zahl heranziehen, nämlich die der Umsatzsteigerung bei den Raiffeisengenossenschaften. Allein die Zunahme des Warenumsatzes auf 13,7 Milliarden DM um rund 1 Milliarde DM gleich 7,9 % im letzten Jahre liegt wesentlich über der allgemeinen Produktivitätssteigerung von nicht ganz 6 %.
Hier sollten wir auch durchaus anerkennen, was überall an Fortschritten und an allgemeiner Wohlstandszunahme zu verzeichnen ist.
Aber, meine verehrten Damen und Herren, haben wir als Folge einer derartigen Steigerung des Konsums, von der ich noch nicht sage, daß sie vielleicht das wünschenswerte Maß erreicht hat — das möchte ich ausdrücklich gesagt haben —, auch eine gesteigerte Zufriedenheit in Deutschland, oder müssen wir nicht auf der ganzen Linie mit einem steigenden Druck von Interessentengruppen rechnen, der sich auch in diesem Hause nicht gerade sehr erfreulich bemerkbar macht?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich spreche hier ganz offen und freimütig Zustände an, von denen ich glaube, daß sie für die Fortentwicklung des Parlamentarismus nicht von Vorteil sind. Wenn sich Verbände aller Art nicht scheuen, zu versuchen, den Abgeordneten auch in seinem Wahlkreis unter Druck zu setzen

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch Gewerkschaften!)

— da sind Gewerkschaften genauso vertreten wie alle möglichen Verbände, die ich hier gar nicht der Reihe nach aufzählen möchte —, dann scheint mir das doch das Maß des Zumutbaren bei weitem zu überschreiten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man sollte in Deutschland endlich auch ein wenig zu der Überzeugung gelangen, daß nicht jede Ortsgruppe irgendeines Vereins den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises zu irgendeiner Versammlung herbeizwingen kann. Man nimmt nicht einmal mit nur einem Abgeordneten vorlieb, sondern möchte nach Möglichkeit 3, 4, ein halbes Dutzend dort versammelt haben.

(Abg. Wehner: Vorsicht!)

- Ich glaube, Herr Wehner, wenn Sie das erlebten, was man in einem ländlichen Wahlkreis heute erleben kann, dann würden Sie wahrscheinlich graue Haare bekommen. Hier handelt es sich um ein Problem, das an die Wurzeln unseres parlamentarischen Systems reicht. Wenn weiter wie bisher Minister, Abgeordnete und leider in steigendem Maße auch die leitenden Beamten der Ministerien von dieser Überzahl von Verbänden für ihre unzähligen Tagungen und Konferenzen beansprucht werden, dann wird nicht nur die physische Widerstandsfähigkeit der Betroffenen in Mitleidenschaft gezogen, sondern dann werden auch die wertvollsten Beamten in unseren Ressorts ihrer eigentlichen Arbeit in einer Weise entzogen, die nicht mehr zu verantworten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir brauchen uns dann nicht zu wundern, wenn ein Qualitätsrückgang in den Gesetzentwürfen die unweigerliche Folge sein wird. Ich bin so freimütig, auch dieses Haus hier von bestimmten Sünden nicht auszunehmen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es scheint mir so zu sein, daß auch die Nebeneinanderberatung sehr vieler Entwürfe in allzu vielen Ausschüssen zu einer Beanspruchung der Beamtenschaft geführt hat, die einfach zeitlich nicht mehr vertretbar ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf ein anderes Problem hinweisen, das sich gerade bei diesem Haushalt deutlich gezeigt hat und noch mehr bei kommenden zeigen wird. Sollten wir uns nicht gemeinschaftlich vielleicht etwas mehr als bisher auch mit der Regierung über eine gewisse Koordinierung aller unserer Wünsche auf sozialem Gebiet, aber auch bei Bauten und Verkehrsvorhaben einigen? Wir erleben doch immer wieder das Schauspiel, daß es irgendeiner Gruppe gelingt, vorzusprechen, einen gewissen Erfolg nach Hause zu tragen, und daß dann eine Kettenreaktion auf allen anderen benachbarten Gebieten die Folge ist.
Das Ende einer solchen Spirale kann doch für unser Haus und die Zukunft der deutschen Demokratie keineswegs wünschenswert sein. Ich glaube, keiner von uns kann es sich ernsthaft leisten, an den Vorgängen auch im benachbarten Frankreich vorüberzugehen. Keiner von uns wird leugnen können, daß auch dort mangelnde Disziplin mit die Folge der Entwicklung war, die wir dort zu verzeichnen haben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2923
Dr. Vogel
Das Beispiel Finnland hat ja in der deutschen Presse eine erstaunlich geringe Beachtung gefunden. Dabei ist doch dort einmal deutlich klargemacht worden, wohin eine bestimmte „Indexanpassung von Löhnen, Gehältern", von allen möglichen Staatsausgaben automatisch führen muß. Wenn dort in einem Staatswesen, einem sehr tapferen Staatswesen, mit dem uns so alte und traditionelle Beziehungen verbinden und das als Sportnation immer die besondere Achtung des deutschen Volkes und, wie ich glaube, aller Völker der Welt genossen hat, sich in diesen Tagen Massendemonstrationen zur Erzwingung einer kommunistischen Mitbeteiligung an der Regierung ereignen, dann sind das Warnungssignale, und keiner von uns sollte unberührt an ihnen vorbeisehen.
Wir sind dem Bundesfinanzminister dankbar für seinen Mut, auch einmal heiße Eisen anzugreifen und Gefahren aufzuzeigen, die er kommen sieht. Ich glaube, ein Finanzminister, der dies versäumte, wäre gar nicht recht an seinem Platz. Wir haben immer den Freimut zu schätzen gewußt, mit dem er manche Dinge hier angesprochen hat. Das war schon im vergangenen Jahr der Fall; in diesem Jahr ist es noch mehr der Fall gewesen.
Zum erstenmal hat er — das kann man nicht verkleinern und sollte man auch nicht verniedlichen — den Mut gehabt, einen zentralen Angriff auf die Haushaltsreste und die Bindungsermächtigungen zu unternehmen. Wir hätten gern, Herr Bundesfinanzminister, in den Vorbemerkungen eine detailliertere Aufstellung über die Haushaltsreste in den einzelnen Ressorts gesehen; denn sie könnte die Arbeit des Haushaltsausschusses im kommenden Jahr wesentlich erleichtern. Aber wenn es gelingt, durch die im Haushaltsplan vorgesehenen Transaktionen vor allem die Reste im Verteidigungshaushalt auf ein vertretbares Maß herunterzubringen, dann werden wir alle im Haushaltsausschuß und darüber hinaus das ganze Hohe Haus darüber sicher sehr erfreut sein.
Kassensorgen werden den Bundesfinanzminister meiner Schätzung nach und ich stimme darin sowohl mit der Bundesnotenbank wie mit Herrn Grüneberg in dem sehr lesenswerten Artikel im „Deutschen Volkswirt" überein - bis in die Mitte des Jahres 1959 hinein wohl kaum bedrücken. Ich darf hier — mit Erlaubnis. des Herrn Präsidenten — den uns vorgestern ausgelieferten November-Bericht der Deutschen Bundesbank zitieren, der — auf Seite 19 — einige Sätze enthält, die für uns alle sehr wichtig sind:
Inwieweit die kassenmäßige Entwicklung im kommenden Rechnungsjahr den Haushaltsplanungen entsprechen wird, bleibt auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre allerdings abzuwarten. Die Begebung von Bundesanleihen oder von mittelfristigen Bundespapieren in Höhe von über 3 Milliarden DM ist allenfalls noch keineswegs sicher. Vor allem aber dürfte für den ersten Teil des Rechnungsjahres, in dem sich der Bund noch auf die im laufenden Jahre nicht verausgabten Kassenreserven wi rd stützen
kennen, mit einer stärkeren Beanspruchung des
Marktes durch en Bund kaum zu rechnen sein.
Vom währungspolitischen Standpunkt verdient weiter Beachtung, daß ein erheblicher Teil der Ausgaben wieder auf Auslandszahlungen entfallen wird. Die Inlandsausgaben können daher aller Voraussicht nach voll durch ordentliche Einnahmen gedeckt werden und dürften, soweit diese nicht ausreichen sollten, nur verhältnismäßig geringe Kreditmittel erfordern.
Eine Feststellung von einer so kompetenten Seite scheint mir überaus tröstlich.
Ich muß Ihnen gestehen, meine Damen und Herren, daß ich der Voraussage des Bundesfinanzministers, er werde unter Umständen mit 3 Milliarden an dein Kapitalmarkt gehen müssen, mit einiger Besorgnis gefolgt bin. Wenn der Kapitalmarkt in ,den Monaten Oktober und November infolge einer Überbeanspruchung schon wieder deutliche Kennzeichen einer gewissen Verknappung zeigt, ist das kein Wunder; man hat allein in einem Monat über 1 Milliarde DM für öffentliche Anleihen herausgenommen. Vielleicht wird das Lieblingskind unseres Herrn Bundesfinanzministers, dais Sparprämiengesetz, dem Kapitalmarkt noch etwas Lukutate zuführen. Ob sich jedoch ,dieser gerade wieder genesene Patient einen Aderlaß von 3 Milliarden im nächsten Haushaltsjahr wird leisten können, wage ich zu bezweifeln. Ich bin deswegen glücklich, daß hier die Bundesnotenbank die Voraussage wagt — und ich ,stimme mit ihr überein daß wir wahrscheinlich nicht in dieser Höhe an den Kapitalmarkt zu gehen brauchen.
Eines sollte man bei dieser Generaldebatte unter keinen Umständen unter den Tisch fallen lassen. Wir wollen hier die Ausweitung der zivilen Ausgaben deis Bundeshaushalts um nicht weniger als 1,5 Milliarden DM klar im Auge behalten. Selbst wenn der Bundesfinanzminister gegenüber dem Ansturm der anderen Ressorts in einer Größenordnung von 6 Milliarden DM mit seinem Rotstift einige Erfolge erzielen konnte, bleibt immerhin noch die Tatsache, daß der ordentliche Haushalt für die zivilen Ausgaben gegenüber dem vergangenen Jahr um 1,5 Milliarden DM erhöht worden ist, d. h. die Ausweitungstendenz hält nach wie vor, wenn auch verlangsamt, an. Was zu ,den in diesem Jahr erstaunlich umfangreichen Stellenanhebungen zu sagen eist, wird ,mein Freund Niederalt nachher mit gewohnter Gründlichkeit zu sagen haben.
Einige allgemeine Worte zu der Stellung der Haushaltsreferenten. Die Stellung der Haushaltsreferenten ist etwas, was dem Hohen Hause, wie ich glaube, zu einem großen Teil völlig unbekannt ist. Trotzdem hat, glaube ich, gerade das Parlament ein zwingendes Interesse daran, daß in allen Ressorts — ich betone: in „allen" Ressorts! - auch die bindenden Anweisungen der Vorschriften der Reichswirtschaftsordnung in den §§ 22 bis 24 streng beachtet werden, d. h. daß das Mitzeichnungsrecht der Haushaltsreferenten nicht unter den Tisch fällt, sondern daß bei allen Ausgaben, vor allem den überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben, auch der Haushaltsreferent gebührend gehört wird.
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Dr. Vogel
Ich glaube, der Bundesfinanzminister würde sich bei künftigen Anforderungen anderer Ressorts wesentlich leichter tun, wenn durch eine solche Einschaltung der Haushaltsreferenten in den einzelnen Ressorts bereits Vorarbeit geleistet worden wäre.
Herr Kollege Schoettle hat bereits eine Lücke im Kontrollsystem der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — nicht in unserem Kontrollsystem — angesprochen. Die einmütige Stellungnahme des Haushaltsausschusses, der vor bestimmten Ausweitungen bei den europäischen Behörden und bei den Fonds gewarnt hatte, hat, wie ich glaube, in manchen Nachbarländern ,eine falsche Auslegung gefunden. Meine Freunde im Haushaltsausschuß und ich, wir nehmen für uns in Anspruch, überzeugte Anhänger der Idee der europäischen Einigung zu sein. Wir haben niemals einen Zweifel daran offengelassen. Aber auch für die neu in Europa entstehenden Behörden und Fonds können die für eine geordnete Demokratie notwendigen Kontrollen der Haushaltsgebarung, vor allen Dingen hinsichtlich der Stellenplanungen und der Einstufungen, niemals entbehrt werden.

(Abg. Hilbert: Sehr wahr!)

Wir sind darum äußerst erstaunt, daß ein so legitimes Anliegen des Parlaments wie der Wunsch, deutsche Beiträge für supranationale Behörden unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit zu prüfen, in Europafeindschaft umgemünzt werden kann. Wir hoffen, daß man so unbegründete Vorwürfe in der Zukunft nicht mehr erhebt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir kennen den Herrn Bundesfinanzminister als einen besonders kampfbereiten Verteidiger der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Er hat sich darum auch mit der Offenheit und dem Freimut, die ihn auszeichnen, in einem besonderen Abschnitt seiner Rede mit dem Problem der Subventionen im Bundeshaushalt auseinandergesetzt. Uns scheint, daß neben der Aufzählung bestimmter Subventionen an die Landwirtschaft ein sehr entscheidender Satz in seiner Rede ein wenig übersehen worden ist. Dieser Satz lautete:
Der andere unsichtbare Teil der Subventionen, der nicht weniger bedeutend und in seiner finanziellen Auswirkung noch viel größer ist, besteht aus den vielfältigen Steuererleichterungen, den Tarifermäßigungen und den sonstigen Vergünstigungen des Abgabewesens... Es gibt einschließlich der kleinen Vergünstigungen mehr als hundert verschiedene Formen solcher unsichtbaren Subventionen in den Steuergesetzen.

(Abg. Dr. Deist: Die Ausgleichsabgabe für Erdöl war vergessen!)

Gerade auf Grund seiner Tätigkeit in der Montanunion weiß Herr Etzel um die außerordentlichen Schwierigkeiten der kommenden Eingliederung der deutschen Agrarwirtschaft in den Gemeinsamen Markt. Das ist auch einer der Gründe, weswegen er, wie er selbst sagte, in diesem Haushalt genau die gleiche hohe Summe für den Grünen Bericht
eingesetzt hat wie im vergangenen Jahr. Wir sind uns alle darüber im klaren — auch der Herr Bundesfinanzminister selbst —, daß das Ausland durch bestimmte Stützungsmaßnahmen für seine eigene Produktion uns auch in Deutschland zwangsläufig in bestimmte Stützungsmaßnahmen hineingetrieben hat, die wir an sich — ich glaube hier auch im Namen meiner bäuerlichen Freunde sprechen zu können — gar nicht gern gesehen haben.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Greifen wir einmal ein Beispiel heraus. Solange vor allen Dingen Holland nach authentischen Unterlagen auf seinen guten Käse — ich muß hier einmal etwas sagen, was vielleicht ein wenig profan klingt — entsprechende Subventionen pro Kilogramm für den Export gewährt, sind wir natürlich gezwungen, mit ähnlichen Maßnahmen aufzuwarten. Selbst die Schweiz hat Exporte mit entsprechenden Zuschüssen in die Wege geleitet, die mit den eigenen Erzeugungspreisen überhaupt nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Wenn das richtig gesehen wird, werden auch die Worte des Bundesfinanzministers richtig verstanden und gewertet werden.
Noch einige andere Punkte aus der Rede des Bundesfinanzministers sind meiner Überzeugung nach mißverständlich ausgelegt worden. Aus einer Reihe von Fachzeitschriften konnte man herauslesen, daß der Bundesfinanzminister die Umsatzsteuerreform völlig unter den Tisch fallen lassen wollte. Das ist in einigen Zeitungen sogar offen behauptet worden. Wir alle sind erfreut darüber, daß gestern das Bundeskabinett die neue Denkschrift über die Umsatzsteuerreform verabschiedet und der Öffentlichkeit zugeleitet hat mit der Aufforderung, diese enorm wichtige Vorlage öffentlich zu diskutieren, um auf diese Weise zu einer neuen Gesetzesvorlage zu gelangen.

(Abg. Dr. Dresbach: Sie liegt bereits im Postfach!)

— Ich habe sie leider noch nicht gelesen, aber ich freue mich, daß wir sie jetzt in Händen haben; denn es geht hier um eine Frage, die an den Kern des Bundeshaushalts herangeht. Bei einem Umsatzsteuerertrag von 14 Milliarden DM ist jede Änderung der Umsatzsteuergesetzgebung von einschneidender Bedeutung für künftige Bundeshaushalte. Allzu große Experimente können wir uns hier nicht leisten, wenn auch unbedingt — schon im Interesse des deutschen Mittelstandes — erreicht werden muß, daß die Umsatzsteuer wettbewerbsneutral gestaltet wird.
Man hat dem Bundesfinanzminister nach seinen Ausführungen über die Finanzprobleme der Gemeinden unterstellt, der Minister habe die Einführung einer Einwohnersteuer gefordert. Wer sich den betreffenden Absatz der Rede des Herrn Bundesfinanzministers einmal genau durchliest, der wird, weiß Gott nicht, behaupten können, daß da von einer Forderung die Rede war. Der Bundesfinanzminister hat lediglich eine Reihe von Möglichkeiten nebeneinandergestellt, wie den Gemeindefinanzen geholfen werden kann, wobei er sicher
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Dr. Vogel
auch gar keinen Zweifel darüber hat lassen wollen, daß man niemals allgemein von Gemeindefinanzen sprechen kann, sondern daß es sich hier um ein ungeheuer differenziertes Gebilde handelt.

(Zustimmung des Abg. Dr. Dresbach,)

Herr Etzel hat hier bestimmte, schon lange und sehr oft in der Öffentlichkeit diskutierte Auswege aus der Finanznot mancher Gemeinden aufgezählt, und niemand, der sich ernstlich um eine verantwortungsbewußte Mitarbeit aller Angehörigen einer Gemeinde bemüht hat, niemand, der am Wohl und Wehe des Heimatortes interessiert ist, kann an der Problematik einer Mitbeteiligung des einzelnen Gemeindeangehörigen ohne weiteres vorbeisehen. Es ist etwas unbestreitbar Wahres an der Wortprägung meines Freundes August Dresbach, wenn er in einer Gemeinde eine Art Genossenschaft der wahlberechtigten Gemeindeeinwohner sieht.
Aber wozu eigentlich jetzt schon in diesem Zusammenhang etwas in voller Größe ausbreiten, was überhaupt nur mit einer Grundgesetzänderung begonnen werden kann? Und wir sind uns doch alle darüber im klaren, daß eine solche Grundgesetzänderung im Augenblick nicht erreichbar ist.
Etwas anders ist es mit den Wünschen, die die kommunalen Spitzenverbände jetzt hinsichtlich einer Beteiligung an den Wegelasten der einzelnen Kreise in stärkerem Maße an uns herangetragen haben. Auch hier muß ich allerdings sagen: mein verehrter Herr Kollege Schoettle hat wohl etwas übertrieben. In unserem eigenen Heimatland fahren wir auch auf den Nebenstraßen, ohne uns das Genick zu brechen. Bei Überschreiten der bayerischen Grenze ist es manchmal etwas anders. Aber auch dort sind die Verhältnisse immerhin noch einigermaßen erträglich. Ich glaube, daß der größte Teil der deutschen Länder ganz vernünftige Kreisstraßen hat, wenn auch hier wieder die Unterschiede von Kreis zu Kreis sehr erheblich sind. Der eine Kreis meines Wahlkreises hat ein tadelloses Straßennetz, der zweite Kreis, der allerdings ein dreimal so großes Straßennetz hat, klagt sehr darüber, daß er nicht so begünstigt sei wie der andere Kreis. Man kann hier die Dinge nicht in einen Topf werfen.
Lassen Sie mich — auch an Hand eines Beispieles — einmal von dem sprechen, was in den einzelnen Ländern getan wird, um die Differenzen zwischen den einzelnen Gemeinden noch zu steigern, statt daß man sie überbrückt. In meinem eigenen Land haben wir jüngst ein Schulgesetz beschert erhalten, das die bisherige Beteiligung des Landes von Fall zu Fall nach der Bedürftigkeit der Gemeinde aufgehoben hat. Man hat dort generell eine Beteiligung des Landes an Schulbauten in Höhe von 20 % festgesetzt. Was ist die Folge davon? Nur die reichen Gemeinden können noch Schulen bauen. Für die ärmeren Gemeinden fällt es völlig aus. Wenn die Länder mit solchem Beispiel vorangehen, brauchen wir uns natürlich nicht zu wundern, wenn die Differenzen zwischen den einzelnen Gemeinden hinsichtlich Wohlstand und Leistungsfähigkeit immer noch größer werden. Auch dieses Verhältnis
zwischen Bund und Ländern wird, glaube ich, mein Freund Niederalt noch besonders behandeln.
Unverkennbar rücken die Ausgaben für den Sozialhaushalt immer stärker an die erste Stelle. Ich kann meinem Freunde Schoettle einfach nicht folgen, wenn er sagt, die Verteidigungslasten seien das Beherrschende dieses Bundeshaushalts. Sie sind es nur nominell in dem Soll, aber nicht in dem Ist. Das wissen wir alle. Die Ausgaben auf dem Gebiet der Verteidigung haben bis jetzt noch keineswegs eine mit den Soziallasten irgendwie vergleichbare Höhe erreicht. Daran können wir nicht vorübergehen. Sie finden eine ganz ausgezeichnete Darstellung dieses Verhältnisses in den sehr aufschlußreichen Statistiken auf den Seiten 73 bis 86 der Allgemeinen Vorbemerkungen, die ich Ihrem bebesonderen Studium empfehle. Es ist bei der Größe und der steigenden Tendenz dieser Ausgaben meiner Überzeugung nach völlig müßig, darüber zu streiten, ob bestimmte Ausgaben hier in eine Ziffer wie 40 % hineingerechnet werden sollen oder nicht. Das spielt hier keine Rolle. Es kommt hier auf die generelle Linie an, und unverkennbar haben wir die Sozialausgaben in den letzten Jahren unverhältnismäßig viel höher gesteigert, als das bei den Verteidigungsausgaben überhaupt jemals der Fall sein konnte.
Ich möchte dazu noch etwas sagen. Welche Regierung könnte es wohl riskieren, im Sozialhaushalt jetzt schon für bestimmte Zwecke Summen einzusetzen, wenn weder eine Gesetzesvorlage dafür da ist noch einigermaßen Klarheit über die Höhe der Forderungen besteht? Ich glaube, es heißt wohl eine Regierung etwas überfordern, jetzt von ihr zu verlangen, daß sie jetzt schon in Voraussicht bestimmter Dinge, die vielleicht einmal kommen, die und die Summen einsetzt. Die Regierung würde sich damit von vornherein festlegen in einem Streit, der innerhalb des Parlaments noch gar nicht durchgefochten worden ist. Es sind in diesem Hause auch noch keine entsprechenden Anträge in der und der Größenordnung ausdiskutiert worden. Wenn also die Regierung diese Summen noch nicht eingesetzt hat, so tut sie damit nach meinem Dafürhalten haushaltsrechtlich nichts weiter als ihre Pflicht.
Lassen Sie mich auch hier mit aller Entschiedenheit darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß die Existenz der großen Kassenbestände in den bisherigen Haushalten das eigentliche Problem der Deckung in den Bundeshaushalten bis jetzt verschleiert hat. Ab Mitte des nächsten Jahres wird diese Deckungsfrage in schonungsloser Härte vor uns allen sichtbar werden, und die Probleme werden ganz anders als bisher vor uns hintreten. Dann wird das Ringen um das, was innerhalb dieses Haushalts möglich ist, wahrscheinlich zwangsläufig viel schärfere Formen annehmen als bisher. Wir haben uns bis jetzt relativ leicht getan. Aber wenn man nachher allen Ernstes gefragt wird: Bist du bereit, wenn du den und den Antrag stellst, auf der anderen Seite auch die entsprechende notwendige Steuererhöhung zu verlangen, wird die Sache etwas ernster als bisher.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

2926 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den. 11. Dezember 1958
Dr. Vogel
Ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit auf das Problem der Rüstungsausgaben hinweisen. Herr Kollege Schoettle hat vorhin gesagt, wir hätten eine Summe von 11 Milliarden DM eingestellt. Auch er hat anerkannt, daß hier von seiten des Herrn Bundesfinanzministers etwas getan worden ist, was in der Form sicher nicht besonders geglückt erscheint, was aber aus besonderen Rücksichten wahrscheinlich notwendig war.
Ich möchte die verklungene Debatte der vergangenen Jahre über die Notwendigkeit eines „Juliusturms" nicht von neuem aufwärmen; aber ich bin heute mehr denn je davon überzeugt, daß diese Politik der Rückstellungen zwangsläufig war und daß sie schlechthin nicht zu vermeiden war. Das einzige, was man dazu sagen könnte, ist, daß man mit diesen Rückstellungen vielleicht hätte glücklicher operieren können, als es der Fall gewesen ist. Mir scheinen diese Rückstellungen zwangsläufig gewesen zu sein, und ich freue mich, daß in die Allgemeinen Vorbemerkungen auch ein entsprechendes Zitat eines sehr bekannten Finanzwissenschaftlers zur Verteidigung dieser These eingefügt worden ist.
In dem neuen Haushaltsplan werden zum erstenmal die mit Sicherheit zu erwartenden realen Ausgaben für Verteidigung deutlich umrissen. Daß sie in Zukunft nicht kleiner, sondern wachsend größer sein werden, weiß jeder von uns, vor allem schon im Hinblick auf die in jüngster Zeit getroffenen Entscheidungen über die Flugzeugausrüstungen. Aber
auch hier muß ich etwas einflechten; denn mein Herr Vorredner hat auf den Aufbau einer Luftfahrtindustrie Bezug genommen. Er weiß allerdings nicht aus seiner Erinnerung — denn er war in der betreffenden Sitzung nicht anwesend —, daß wir, die Mehrheit dieses Hauses, für uns in Anspruch nehmen können, die Folgenschwere dieser Entscheidung des Aufbaues einer eigenen Luftfahrtindustrie in vollem Umfang diskutiert und herausgestellt zu haben. Wir waren uns in einer gemeinsamen Entschließung darüber im klaren, daß eine Luftfahrtindustrie in begrenztem Ausmaß absolut notwendig ist. Wir waren uns aber ebenso klar darüber, daß eine unnütze Aufblähung dieser Industrie vermieden werden sollte. Diese Entschließung ist, wie ich zu meiner Freude feststellen kann, von uns einmütig gefaßt worden.
Meine Freunde und ich stellen mit einer gewissen Befriedigung fest, daß sich in den Reihen der Opposition im Laufe dieses Jahres offenbar eine positivere Einstellung zur Bundeswehr gezeigt hat. Ich bin niemals müde geworden, bei der Einbringung des Haushalts in den vergangenen Jahren zu unterstreichen, für wie dringend notwendig nicht nur ich selber, sondern auch meine Freunde eine gemeinsame Bejahung der Verteidigungsanstrengungen des deutschen Volkes halten. Ich habe auch immer wieder erklärt, daß wir uns sehr gefreut hätten, wenn sich die Opposition nicht nur zu einer Bejahung der Verteidigungsnotwendigkeit durchgerungen hätte, sondern von ihrer Seite aus bündig und bindend auch einen Plan darüber vorgelegt hätte, wie hoch sie sich die Kosten einer Bundeswehr vorstellt, wie die Bewaffnung aussehen soll und welche Lasten sie bereit ist, im Bundeshaushalt von sich aus positiv zuzugestehen. Ich glaube, hier besteht immer noch eine sehr große Kluft zwischen dem, was wir von prominenten Sprechern der Opposition zuweilen hören, und dem, war wir landauf landab in Versammlungslokalen, in den Betrieben etc. vorgehalten bekommen. Ich würde mich freuen, wenn Sie hier zu einer einheitlichen Auffassung gelangen würden.
Lassen Sie mich noch einige Einzelprobleme streifen, die im Bundeshaushalt eine keineswegs unerhebliche Rolle spielen. Da ist zunächst der ERP-Haushalt, der in zunehmendem Maße als eine Art von Feuerwehr für den Bundeshaushalt dient. Meine Damen und Herren, wenn man sieht, wie sich die Dinge innerhalb des letzten Jahres gewandelt haben, kann man sich eines gewissen Schmunzelns nicht erwehren. Noch vor zwei Jahren — ich erinnere mich — wurden stets unsere Anfragen, ob nicht diese oder jene Ausgabe in den ERP-Haushalt verwiesen werden könnte, mit beiden Händen abgewehrt. ,Ein interministerieller Ausschuß hatte sich wie einasiatischer Racheengel vor den Ausgang des ERP-Fonds gestellt und verwehrte uns den Eintritt. Es wurde gesagt: Ihr kommt zu spät, über alles ist längst verfügt; und wir hatten gar keine Möglichkeit, neue Wünsche zu berücksichtigen.
Seitdem Herr Minister Lindrath 'Sein neues Haus gebildet hat, hat sich ein völliger Wandel, ich muß sagen: ein uns durchaus erfreulich scheinender Wandel, angebahnt. Mit einem Mal ,sehen wir, was mit dem ERP-Haushalt alles gemacht werden kann und welche Möglichkeiten diese 7,1 Milliarden DM mit ,den jährlichen Rückflüssen und Zinsen in Höhe von fast 1 Milliarde DM in sich bergen. Nehmen wir uns als Beispiel nur die letzte Maßnahme der Bundesregierung etwas unter die Lupe; ich meine die Bewilligung einer Kreditaktion von 500 Millionen DM für die Deutsche Bundesbahn, um die Stahlaufträge an die deutsche Stahlindustrie entsprechend zu vergrößern, wo man Mittel in einer Größe von über 200 Millionen DM aus dem ERP-Pott herausnehmen konnte. Dazu muß ich sagen, daß sich hier doch gewisse Möglichkeiten ergeben haben, die uns früher die Lösung manchen Problems im Haushaltsausschuß erleichtert hätten, wenn wir nicht daran gehindert worden wären, hier mitzuwirken, und wenn wir unsere Wünsche in einem stärkeren Maße hätten durchsetzen können.
Ich darf übrigens meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, daß diese 500 Millionen DM innerhalb des Landes geblieben sind und daß dieses sagenhafte Argentinien-Geschäft nicht zustande gekommen ist. Denn ich hätte mir nichts davon versprochen, daß man einem Land, das his jetzt nicht in der Lage war, die sehr hohen Schulden an uns auch nur in etwa zu regeln, noch einen solchen Riesenbetrag von über 600 Millionen DM von neuem vorgeschossen hätte.
Ich darf hier eine allgemeine Bemerkung anfügen. Geschäfte derart zu machen, daß man draußen abschließt, nach Möglichkeit den Gewinn einstreichen möchte, das volle Risiko aber auf den deut-
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2927
Dr. Vogel
schen Steuerzahler abwälzt, scheint mir nicht die richtige Praxis für die Zukunft zu sein.

(Zustimmung des Abg. Dr. Dresbach.)

Eine solche Exportausweitung würde keinesfalls unseren Beifall finden. Die von der Bundesregierung angedeutete neue Garantie über 1 Milliarde DM sollte auch die deutsche Wirtschaft nicht zu Experimenten verführen, die einzig und ,allein auf dem Rücken des deutschen Steuerzahlers ausgetragen werden.

(Abg. Dr. Deist: Wem sagen Sie das, Herr Vogel?)

— Herr Dr. Deist, wir sind uns über diesen Punkt stets im klaren gewesen. Aber auch Ihnen nahestehende Leute haben, glaube ich, in dieser Beziehung etwas abweichende Ansichten geäußert.
Ich darf noch auf etwas anderes zu sprechen kommen, nämlich auf die wachsende und von uns nicht mehr zu übersehende Problematik des Haushalts der Bundesbahn. Gestatten Sie mir hier mal ein Wort zuvor. Als der Deutsche Bundestag vor sehr vielen Jahren das Bundesbahngesetz schuf und die Sondervermögen der Bundesbahn und der Bundespost begründete, hatten wir, glaube ich, eine andere Vorstellung von den Kontrollfunktionen der in diese Gremien entsandten Mitglieder des Hoheit f Man muß feststellen, daß sich die als Kontrollgremien gedachten Beratungsausschüsse in zunehmendem Maße mehr oder weniger in Aufsichtsräte verwandelt haben.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Die Entwicklung war also bezüglich der Delegierung der Kontrollfunktionen dieses Hohen Hauses an diese Gremien nicht ganz glücklich.
Ich halte eine Revision des Bundesbahngesetzes für beinahe unausweichlich, nicht nur wegen des genannten Punktes, sondern auch weil wir zu einer strafferen Rationalisierung innerhalb der Bundesbahn wahrscheinlich nur mit Hilfe einer solchen Änderung des Bundesbahngesetzes kommen werden. Mit einem Tagesdefizit von rund 2,5 Millionen DM ist die Bundesbahn heute ein solches Sorgenkind geworden, daß sie, wenn nicht eine grundsätzliche Sanierung durchgeführt wird, in allen Haushalten eine überragende Rolle spielen wird.
Wir haben der Bundesbahn gewiß immer Wohlwollen entgegengebracht. Ich persönlich fühle mich da völlig frei von allen Ressentiments. Ich war es ja auch, der im vergangenen Haushaltsjahr den entsprechenden Antrag auf die Bewilligung von 500 Millionen DM gestellt hat, dessentwegen ich so beschimpft worden bin. Ich glaube aber, die Bundeshahn wird erkennen müssen, daß sie nicht mehr die Monopolstellung hat, die sie in früheren Jahren einmal gehabt hat, und daß sie aus dem Wandel des Verkehrs auch ihrerseits bestimmte Konsequenzen ziehen muß. Sie wird ebenso Konsequenzen ziehen müssen, wie sie unter Umständen auch die Ruhrkohleindustrie ziehen muß, die ebenfalls nicht mehr wie ehedem eine Monopolstellung innerhalb der deutschen Volkswirtschaft hat.
Ich möchte hier noch einen Appell an das gesamte Hohe Haus richten: Wenn die Bundesbahn hier und da einmal den verzweifelten Ansatz machte zu rationalisieren, sind wir selber als Abgeordnete ihr häufig genug in den Rücken gefallen. Wenn es sich darum handelte, eine längst unrentabel gewordene Teilstrecke stillzulegen oder ein nicht mehr rentables Betriebswerk zusammenzulegen, kamen die kommunalen Verbände in Bewegung, beschritten die Industrie- und Handelskammern den Kriegspfad, und die Folge war meist, daß die Bundesbahn unter dem Druck dieser Körperschaften des öffentlichen Rechts den Rückzug antreten mußte und ihre Rationalisierungspläne ins Wasser fielen. Wir werden uns darüber klar sein müssen, daß es, wenn wir ernstlich eine Ermäßigung des Bundesbahnzuschusses wollen, nicht ohne Streckenstillegungen, nicht ohne Rationalisierungen in den Betrieben abgeht; das muß in Kauf genommen werden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich noch etwas generell zum Verkehrsproblem sagen. Wir vermissen schon seit geraumer Zeit einen vom Bundesverkehrsminister aufzustellenden allgemeinen Verkehrsplan. Wir wären sehr dankbar, wenn dieser Plan, der uns schon öfter angekündigt worden ist, den wir aber noch nicht in Händen haben, zu einer wirklichen Koordinierung der Verkehrsbedürfnisse in Deutschland führte. Wir haben bis jetzt immer wieder Einzelvorstöße erlebt, die unangenehme Rückwirkungen auf andere Verkehrsträger hatten. Ich darf ein Problem besonders herausgreifen und möchte dabei meine Hamburger Freunde bitten, nicht gleich auf die Palme zu gehen. Ich möchte offen sagen, daß mir die Forcierung des Plans, einen Nord-Süd-Kanal mit einem Kostenaufwand von 700 bis 800 Millionen DM jetzt, wo wir unter dem Zwang stehen, die Mosel zu kanalisieren, zu bauen, deplaciert erscheint.

(Abg. Wehner: Was hat der Moselkanal mit jenen anderen Dingen zu tun?)

Entschuldigen Sie, Sie können doch nicht ein Kanalprojekt von einer solchen Größenordnung in Angriff nehmen, wenn Sie sich durch internationale Verträge verpflichtet haben, mit einem Kostenaufwand von einer Viertelmilliarde die Mosel zu kanalisieren.

(Abg. Wehner: Das ändert nichts an der Bedeutung des Nord-Süd-Kanals!)

— Das ändert nichts daran? Aber es muß doch überhaupt einmal geprüft werden, ob Kanäle noch die Bedeutung haben wie früher.

(Zuruf des Abg. Wehner.)

Ich sehe weiter neue Wolken — Wolken im buchstäblichen Sinne des Wortes - im Luftverkehr. Wenn wir die steigenden Anforderungen im Bundeshaushalt betrachten, die für die Lufthansa benötigt werden, wenn wir weiter sehen, daß die Flugsicherung sehr erhebliche neue Beträge beansprucht, sollten wir ein wenig nachdenklicher werden. Sie kennen ja meine alte Ansicht zum Projekt Lufthansa. Ich habe damals das Hohe Haus gebeten,
2928 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958
Dr. Vogel
eine Entschließung anzunehmen - und es ist mir einmütig gefolgt —, nach Möglichkeit zu einem europäischen Verkehrspool zu kommen. Nach den letzten Informationen, die wir haben, bahnen sich sehr entscheidende Wandlungen im internationalen Luftverkehr an. Ich hoffe, daß jetzt vielleicht etwas zustande kommt, was wir uns vor Jahren hier gemeinschaftlich vorgenommen haben.
Eine Frage in Zusammenhang mit der Verkehrspolitik ,an den Bundesfinanzminister, die er vielleicht am Schluß beantworten kann. Wie hoch sindeigentlich die in diesem Haushaltsjahr zu erwartenden Reste beim Straßenbau? Wir wissen ja, daß im vergangenen Jahr ganz erhebliche Summen übriggeblieben sind, und wenn ich die Briefe und die Denkschriften sehe, mit denen wir fortgesetzt von einer bestimmten Organisation bombardiert werden, ist die Klärung dieser Frage überaus nützlich. Wir hatten im vergangenen Jahr bereits eingewandt, daß, solange noch Reste in einer derartigen Größenordnung da sind, offenbar die Länder gar nicht in der Lage sind, mehr zu verkraften, als ihnen angeboten worden ist. Wenn wir z. B., wie ich aus der Presse entnehme, bei Ablauf dieses Jahres — die Saison ist ja im allgemeinen vorüber — mit neuen Resten in der Größenordnung von vielleicht 200 Millionen DM werden rechnen müssen, sollte man mit Forderungen an den Bundeshaushalt etwas vorsichtiger sein, neue Riesenbeträge dem ordentlichen Haushalt zu überweisen.
In vielen Artikeln ist das Problem der Bindungsermächtigung in Höhe von 400 Millionen DM für den Straßenbau lang und breit abgehandelt worden. Das ist keine direkte Ausgabe. Aber sicherlich wird damit dem Straßenbau doch eine wesentliche Hilfe zuteil, und sicherlich kann der Straßenbau auch die gefährliche Lücke überbrücken, die sich jedes Jahr im Frühling für ihn ergibt, wenn er diese 400 Millionen DM rechtzeitig verplanen kann und er sicher ist, daß er im kommenden Haushalt diese Summen zur Verfügung haben wird. Daß diese Summen nicht kleiner werden, ich glaube, davon können wir überzeugt sein. Denn der Bundesfinanzminister hat bereits entsprechende Andeutungen gemacht, wie er mit den zu erwartenden neuen Mineralölsteuereinnahmen zu verfahren gedenkt. Ich persönlich bin keineswegs glücklich darüber, daß wir zu neuen Zweckbindungen kommen. Zweckbindungen sind auf die Dauer — das wollen wir offen aussprechen — eine Entmachtung des Parlaments und eine Einschränkung seiner finanziellen Bewegungsfreiheit.
Wir sind dankbar für eine Reihe von Ausweitungen auf dem Gebiet der Forschung, auf dem Gebiet der Ausgaben auch für die Studentenförderung usw. Die systematische Entwicklung dieser Fonds scheint mir sinnvoller zu sein als das plötzliche Aufstocken um sehr große Summen, von denen man weiß, daß man sie doch derartig schnell nicht ohne weiteres verausgaben kann.
Nun noch ein Wort über die vielleicht neu erwachsende Belastung des Bundeshaushalts durch die Garantie, die ich bereits ansprach, in einer Größenordnung von 1 Milliarde DM für politische Risiken in unserer Ausfuhr. Eine ganze Reihe von Möglichkeiten werden durch diese 1 Milliarde nicht gedeckt werden. Ich denke z. B. an ein Spezialproblem. Im Irak haben deutsche Baufirmen in den vergangenen fünf Jahren Objekte in einer Größenordnung von 600 Millionen DM abgewickelt. Auch in Zukunft werden da sehr erhebliche Bauvorhaben an uns herangetragen werden. Wenn aber eine Regierung wie die neue irakische Regierung von diesen Firmen neuerdings verlangt, daß sie den Gegenwert von 20 0/o des Bauvolumens bar bei der Nationalbank von Irak einzahlen, gibt es keine deutsche Baufirma, die finanziell in der Lage ist, eine solche Bedingung zu erfüllen. Aber auch diese 1 Milliarde DM wird nach dem, was wir darüber gehört haben, ein solches Vorhaben nicht decken können. Wir werden uns also den Kopf zerbrechen müssen, wie wir diese Dinge noch elastischer gestalten können und wie wir größere Schädigungen unseres Exports und unserer Bauten im Ausland verhindern können.
. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zum Schluß auf einige Probleme zu sprechen kommen, die auch mein Vorredner gestreift hat. Er hat sich gewundert, warum die Bundesregierung nicht für bestimmte Zwecke mehr Geld eingesetzt und hier vorausgeplant hat. Keiner von uns weiß, was in Verfolg der Erpressungsnote von Chruschtschow über Berlin hereinbrechen kann und inwieweit wir alle hier in die Lage versetzt werden, ganz andere Summen, als sie bis jetzt für die Aufrechterhaltung der Freiheit Berlins im Bundeshaushalt stehen, zusätzlich in den Haushalt einstellen zu müssen. Ich hoffe, daß das nicht der Fall zu sein braucht, aber keiner von uns weiß es. Es gibt genug dunkle Wolken am Horizont.
Eines sollten wir mit aller Energie tun. Wir sollten ganz andere Anstrengungen als bisher unternehmen, um die Weltöffentlichkeit, vor allen Dingen die sogenannten „non committed"-Länder draußen, über den Tatbestand des geteilten Berlins aufzuklären.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Denn nicht nur Millionen von Menschen, sondern auch führende Politiker im Ausland sind mit dieser Tatsache noch niemals konfrontiert worden. Sie wissen darüber nichts. Aber es ist nicht nur meine Überzeugung, sondern auch die Überzeugung vieler anderer Kenner, daß das Berlin-Problem möglicherweise einmal auf die UNO zukommen wird. Dann wird es sehr gut sein, wenn möglichst viele Länder, auch die Länder des sogenannten neutralen Blocks, über diesen bevorstehenden Rechtsbruch in Kenntnis gesetzt sind und genau wissen, was in Berlin für die freie Welt auf dem Spiel steht.
Meine Freunde verschließen sich auch nicht — das möchte ich ausdrücklich sagen — bestimmten anderen Forderungen, die an uns herantreten werden. Wir wissen, daß die Kriegsopfer bestimmte Wünsche haben und daß eine siebente Novelle in Vorbereitung ist. Wir wissen, daß diese Novelle keineswegs billig werden wird. Aber wir können der Regierung keinen Vorwurf daraus machen, daß sie dafür nicht schon bestimmte Beträge in den Haushalt eingesetzt hat. Wir wissen ferner von
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2929
Dr. Vogel
einer ganzen Reihe anderer Neubelastungen, die auf uns zukommen werden. Sicher werden die einzelnen Haushalte auch im kommenden Jahr immer wieder durch unvorhergesehene Ausgaben in einem Maße belastet werden, das für die Mitglieder des Haushaltsausschusses keineswegs etwa erfreulich ist.
Aufrichtig bedauert habe ich es, daß mein Herr Vorredner den Schluß seiner sonst so sachlichen Ausführungen dazu benutzt hat, einige Breitseiten gegen den Herrn Bundeskanzler abzufeuern, die nach meinem Dafürhalten durchaus fehl am Platze waren.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich möchte hier einmal ein Zitat vorbringen, das Ihnen zum Teil etwas merkwürdig erscheinen mag. Wenn Sie aber nachher den Autor erfahren haben werden, werden Sie sich vielleicht andere Gedanken machen. Das Zitat lautet:
Autokratisch soll überall regiert werden. Jede andere als eine autokratische Regierung ist machtlos und unfähig. Zu allen Zeiten haben Persönlichkeiten regiert und nicht Körperschaften. Vertrauen macht Autokratie möglich, Demokratie macht Vertrauen möglich.
Diese Worte stammen nicht von mir, sondern von Walter Rathenau, der, glaube ich, völlig außerhalb des Verdachtes steht, etwa nicht demokratisch gedacht zu haben. Wir wollen uns doch über eines im klaren sein, meine Damen und Herren: ohne die Schaffung eines großen Vertrauens zu unseren führenden Staatsmännern kann dieses deutsche Volk in den kommenden Monaten vor der freien Welt im Kampf um die Behauptung Berlins überhaupt nicht bestehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sind uns ebenso völlig darüber im klaren, daß es des Einsatzes der vollen Summe des inzwischen angesamelten Vertrauens bedarf, um ein wachsendes Mißtrauen im Ausland gegenüber bestimmten deutschen Absichten niederzuhalten oder zu zerstreuen. Darüber hinaus wird es eines gesteigerten Vertrauens in Männer bedürfen, um diesen Testfall, der der schwerste Testfall der Nachkriegszeit für das deutsche Volk werden kann, zu bestehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb sind wir — das kann ich für meine Freunde sagen — glücklich, daß es gelungen ist, in den vergangenen Jahren eine solche Summe an Vertrauen im Ausland zum Nutzen des deutschen Volkes in der Gestalt des Bundeskanzlers anzusammeln.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0305300400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenz (Trossingen).

Hans Lenz (FDP):
Rede ID: ID0305300500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat am vergangenen Dienstag den Haushalt eingebracht und analysiert. Wir erkennen an, daß der
Zeitpunkt der Einbringung des Haushaltes so liegt, daß wir im neuen Jahr sofort mit den Beratungen beginnen können.
Die Analyse des Budgets bezog sich, so will mir scheinen, Herr Bundesfinanzminister, doch zu einem großen Teil auf schwebende Randfragen unserer Finanzpolitik; sie galt nicht ausschließlich dem Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Es fällt mir schwer, das zu sagen; aber ich meine in der Tat, man sollte nicht allzuviel Aufhebens von diesem Haushalt 1959/60 machen. Er ist, erlauben Sie mir bitte das Wort: ein Routinehaushalt, um in der Sprache der Fachleute zu bleiben. Routinehaushalt, das will sagen, daß er keine grundsätzlich neuen Wege beschreitet.
Man kann vielleicht auch sagen, daß man alle Routine aufgeboten und benutzt hat, keinen solchen Weg ernsthaft ausfindig zu machen. Das ist vielleicht ein hartes Wort; bitte, es soll kein böses Wort sein an den Finanzminister, an eine Persönlichkeit, der auch in unserer Fraktion große menschliche und fachliche Achtung entgegengebracht wird und die sogar Wohlwollen genießt und an deren Wirken sich Hoffnungen, zum Teil sehr große Hoffnungen knüpfen. Aber gerade deshalb, weil das so ist und weil auch ich persönlich glaube, daß der Finanzminister ein Mann ist, dem Verantwortung, Tatkraft und Mut nicht abgesprochen werden können, muß ich sagen, daß die diesjährige Rede zum Haushalt uns zu den großen anstehenden Problemen nur gesagt hat, daß man es eigentlich hätte anders machen sollen, daß man es anders machen müßte und daß es so, wie es gekommen ist, nicht glücklich war und daß sich Entwicklungen zeigen, die wir mit Sorge ansehen müssen, und daß man dies oder jenes eigentlich nicht hätte tun dürfen. Nur hat man, Herr Finanzminister, aus diesem Wissen, aus diesen Einsichten, aus diesen zum Teil sehr überzeugenden Argumenten keine wirklichen Konsequenzen gezogen. Man hat es bei der Mahnung, man hat es bei der Predigt, man hat es beim erhobenen Zeigefinger belassen. Deshalb ähnelt dieser neue Haushalt seinem sehr geschätzten Vorgänger, dem Bundeshaushalt von 1958, wie ein Ei dem anderen. Man soll es doch ganz offen aussprechen: wesentliche Opfer sind von den Ressorts nicht gebracht worden. Kaum eine Streitfrage ist, wie man hört — manchmal dringt ja aus dem spannungsreichen Innenleben der Bundesregierung auch etwas nach außen —, ins Kabinett gelangt, und nicht einmal die berühmten Personalien haben es nur in einem einzigen Fall zur höchsten, obersten Verhandlungsebene gebracht.
Bei solcher Einmütigkeit der Beurteilung fällt es sehr schwer, sich nicht ebenfalls gleich anzuschließen und diesen neuen Haushalt als einen ebenbürtigen Bruder in der großen Familie zu begrüßen und ihn gleich zum Vollzug zu geben. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sagen: allzuviel wird 1959 nicht passieren; alles wird seinen geordneten Gang weitergehen. Es wird sich weder ein großes Defizit noch ein großer Überschuß einstellen. Alles wird wie bisher gespannt in die finanzielle Zukunft blicken, in der es dann irgendwann einmal passieren muß und passieren wird. Passieren wird dann aller-
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Lenz (Trossingen)

dings nur, daß wir - ohne Routine - einer grundlegend neuen Situation gegenüberstehen.
Ein Punkt, Herr Finanzminister, hat mich persönlich etwas betrübt; ich sage das ganz offen. Ich blikke nur ein paar Wochen zurück. Dort hat der Redner vom Dienstag, der Herr Bundesfinanzminister, vor dem deutschen Fernsehpublikum das gewaltige Wort gesprochen, daß es erstmals gelungen sei, das Gesetz von den wachsenden Staatsausgaben zu durchkreuzen. Zum erstenmal, so hieß es, stiegen die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr nicht an. Verehrter Herr Bundesfinanzminister, wollen Sie den alten Fuhrleuten des Haushaltsausschusses wirklich zumuten, das zu glauben? Gewiß, das Soll von 1959 liegt nur 400 Millionen DM über dem Soll von 1958. Aber das Soll von 1958 ist doch nicht mit den Ausgaben von 1958 gleichzusetzen. Inzwischen weiß doch das letzte Schulkind, daß die Verteidigungsausgaben das Klassenziel wieder nicht erreichen und an die 3 Milliarden DM hinter den Ermächtigungen zurückbleiben. Wenn Sie nun diese 3 Milliarden DM vom Soll 1958 absetzen, dann steht das Soll 1959 turmhoch über den Ausgaben 1958, und es ist nichts mit der „geschichtlichen Einmaligkeit", mit der berühmten Durchbrechung des berühmten Gesetzes von den wachsenden Staatsausgaben und Staatsaufgaben. Warum denn also am Dienstag wieder dieses Gefecht vor dem Spiegel? Warum diese Bemühungen in einem Vokabularium, das wirklich für andere und außerdem richtige Dinge vorgesehen ist?
Wir rutschen 1959 wieder, und zwar ein ganz schönes Stück, auf der Aufgabenleiter nach oben. Wir sollten ja nicht glauben, daß wir es diesmal geschafft hätten, auf der gleichen Sprosse zu bleiben. Es kann auch gar nicht anders sein! Jene berühmten 3 Milliarden DM aus der Kasse, die wir schon öfter aufs Korn genommen haben, die dem Haushalt 1958 gewissermaßen den Goldglanz gegeben haben, sind ja noch da. Sie werden auch jetzt wieder — ich weiß schon nicht mehr, zum wievielten Male — als Deckungsmittel — irgendwie zauberhaft und wunderbar — eingestellt.
Vor einem Jahr sollte ja auch ein neuer historischer Abschnitt beginnen, die berühmte „Gratwanderung am Rande des Defizits". Wir wandern heute immer noch und haben den gleichen prall gefüllten Geldbeutel auf dem Buckel wie damals, und ich weiß wirklich nicht, ob am Ende des neuen Haushaltsjahrs der Rand des berühmten Defizits nicht doch nur noch mit großen Feldstechern gesehen werden kann. Die Begründung für diese Annahme ist einfach. Dieses Jahr sind nicht einmal die ganzen Kassenreserven als Deckungsmittel eingestellt, sondern nur ein Teil; der Rest bleibt vorerst weiter als Reserve in Reserve.
Hier zeigt isich allerdings gleich eine weitere dünne Stelle der Konzeption an, auf die ich zunächst mit einem kleinen Rückblick eingehen darf. Was hat man nicht alles im Vorjahr zur Notwendigkeit von Anleihen gesagt! Soll ,eis hier wirklich wiederholt werden? Noch vor drei Monaten hieß es aus sehr kompetentem Munde, daß man im Februar mit den Bundesanleihen beginnen müsse. Und heute? Heute sollte man sich umgekehrt ernsthaft fragen,
welche Darlehen der Bundesfinanzminister nicht aufnehmen, sondern geben kann, und zwar ganz einfach deshalb, weil sich alle Voraussagen über die Kassenebbe als unrichtig erwiesen haben.
Ich bekenne im übrigen ganz offen, daß ich persönlich darüber gar nicht so sehr unglücklich bin und daß ich mit einer gewissen Freude, um nicht zu sagen Schadenfreude, den jetzigen Bundesfinanzminister mit den Pfründen seines Vorgängers wuchern sehe. Aber was meine politischen Freunde nun gar nicht gern hören, ist, daß man sagt, man sehe aus Gründen ,,der Schonung der Wirtschaft" von Anleihen ab. Ich sehe diese Anleihen auch für 1959 noch nicht vor mir. Wir sollten darüber sehr froh sein. Es ist gar nichts dagegen zu sagen, nur sollten wir die Dinge beim richtigen Namen nennen.
Es ist also alles schon dagewesen, was in diesem neuen Haushalt steckt. Wenn sich der Haushaltsausschuß im nächsten Vierteljahr Woche für Woche mit den einzelnen Ansätzen beschäftigen und dem Hohen Hause den Haushalt zur Annahme ,empfehlen wird, dann wird sich auch wieder nichts Wesentliches geändert haben; wir werden ein wenig an den Ansätzen herumgeritzt haben.
Auf dien Punkt, der diese Äußerungen vielleicht äußerlich Lügen zu strafen scheint, will ich aus wohl erwogenen Gründen nicht eingehen; es ist der Verteidigungsansatz. Wie Sie , verehrter Finanzminister. die Sache mit den riesenhaften Verteidigungsresten einmal haushaltsrechtlich ins Lot bringen wollen, ist mir völlig unklar. Ich verstehe nicht viel davon. Immerhin haben Herr Kollege Vogel und ich uns damals als Berichterstatter für den Einzelplan 14 bemüht, einige Vorschläge zur haushaltsmäßigen Bereinigung dieser Reste zu machen. Ich meine in mein em beschränkten Laienverstand immer wieder, daß eine neue Veranschlagung des tatsächlichen Bedarfs die einzig richtige Lösung gewesen wäre. Nicht sehr erfreulich — um einmal die Einnahmepolitik der Bundesregierung kurz zu behandeln — war der Ausfall gegenüber den früheren Fehlschätzungen bei den Steuern. Auch hier kann man nur sagen: Wenn man erst zugeben muß, sich um rund 1 Milliarde DM verschätzt zu haben, sollte man mit ,seinem bescheidenen Vorgänger vielleicht etwas weniger streng ins Gericht gehen. Da hört man so schöne Ausdrücke; man möchte „zuverlässig" und „wahrhaftig" sein. Nun, meine Damen und Herren, ich denke, daß man das in der Bundesregierung immer gewesen ist, auch im Vorjahr. Und dennoch bleiben jetzt 1 Milliarde DM Steuereinnahmen einfach aus! In einer abfallenden Wirtschaft könnte das der Anfang vom Ende sein. Wir melden jedenfalls auch jetzt und für dieses Mal unsere Bedenken gegen die Steuerschätzungen an. Wir meinen, daß man noch eine gewisse Zeit abwarten muß, ehe man die künftige Einnahmeentwicklung wirklich zuverlässig beurteilen kann.
Zu den Einnahmen gehören auch die vorhin genannten Anleiheerlöse, von denen wir wiederum nicht glauben, daß sie im kommenden Jahr überhaupt nötig sind. Was aber ihr veranschlagtes Volumen angeht, können wir tatsächlich wieder einmal nur den Kopf schütteln — ich kann das etwas
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2931
Lenz (Trossingen)

pointierter sagen als Sie, Herr Kollege Vogel — über die Vorstellung, daß man sich bei dem Investitionsbedürfnis von Wirtschaft, Landwirtschaft, Ländern und Kommunen über 3 Milliarden DM am Kapital- oder am Geldmarkt holen könne. Das Spielen mit dem Geldmarkt scheint mir überhaupt eine noch nicht ganz durchdachte Sache zu sein. Jedenfalls wird auf Deutschlands Hohen Schulen gelehrt, daß Geldmarktmittel keine Deckungsmittel, sondern nur Betriebsmittel sind. Ich wüßte nicht, daß sich daran etwas geändert hat.
Zur Einnahmeseite gehört der Blick auf die permanente Steuerreform. Wir haben auch hier wieder viele goldene Worte gehört, von „Durchforstung" und dem „unverständlichen" Deutsch unserer Steuergesetze. Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor! Wie oft ist uns dieser Apfel schon gezeigt worden, und immer dichter wurde das Gestrüpp. In diesem Jahr der vielen Steuererklärungen wurde der Widerwille gegen den Wust von steuerrechtlichem Kauderwelch in der ganzen Bevölkerung geradezu elementar.

(Beifall bei der FDP.)

Woher sollte, darf ich fragen, auf einmal der Mut und das Vermögen kommen, zu sagen, daß das anders wird? Hoffentlich versprechen Sie uns hier nicht zuviel, Herr Minister. Verstehen Sie mich bitte recht: Wir begrüßen alles das, was Sie gesagt haben. Wir sind alle mit Ihren Grundsätzen einig. Aber sprechen wir uns in einem Jahr wieder! Sie werden sehen, an der Gesetzessprache und an der Gesetzesinflation wird sich nichts geändert haben.
Nur ein kurzer Blick auf das, was Sie, Herr Kollege Vogel, vorhin angesprochen haben, auf die Umsatzsteuerreform, ein besonders wichtiges Beispiel des Versprechens. Wie las man es vor der Kirche? Da war die grundlegende Umgestaltung dieser wirtschaftsunfreundlichen Steuer geradezu selbstverständlich. „Freut euch, ihr Mittelständler", hat es geheißen, „freut euch, die Umsatzsteuerknechtschaft hat ein Ende."

(Abg. Dr. Dresbach: 'Herr Lenz, weder der frühere noch der jetzige Finanzminister haben eine Systemänderung versprochen; sie ist nur in Erwägung gezogen worden! Was einzelne von uns gewollt und verlangt haben, das spielt keine Rolle!)

— Die allgemeine Tendenz, Herr Kollege Dresbach, ist gewesen, daß diese Steuer umgebaut werden soll, vor allem zugunsten des Mittelstandes, sie sollte wettbewerbsneutral werden usw. Und heute steht fest, daß die Regierung keine Abkehr vom bisherigen System und keine Einbuße an Volumen vorschlagen wird.

(Abg. Dr. Dresbach: Ich für meine Person bin bereit, ihr zu folgen!)

Welche Wendung durch wessen Fügung?

(Abg. Dr. Dresbach: Nee, nee, nee!)

Also wieder keine Reform! Kleine Vergünstigungen
wird es geben, kleine Niedlichkeiten, kleine Reparaturen; aber keine wirkliche Reform. Es ist immer von einer Reform gesprochen worden, Herr Kollege Dresbach.

(Zustimmung bei der FDP.)

Ich möchte hier eine Prophezeiung wagen: Die Reparaturen werden sehr viel schwerer sein als eine Systemänderung; und zum Schluß, bin ich überzeugt, wird wahrscheinlich das Ganze in einer Herabsetzung des Steuersatzes enden, weil es eine andere Heilung der aufgerissenen Wunden und der vielen Berufungen nicht mehr geben wird.

(Abg. Dr. Dresbach: Herr Lenz, ist Ihnen bekannt: der Vater dieses Umsatzsteuersystems, Popitz, hat immer als beste Reform die Senkung des Satzes bezeichnet!)

— Dann fangen wir mit der Senkung des Satzes an, aber nicht mit den Reparaturen!

(Abg. Dr. Dresbach: Wenn wir eine Senkung des Satzes erreichen! — Zurufe und Gegenrufe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0305300600
Meine Damen und Herren! Die Diskussion in diesem Hause ist immer erlaubt, und solange der Abgeordnete nicht an das Mikrophon tritt, ist es ein Zwischenruf.

(Abg. Dr. Dresbach: Es sind so wenig Leute hier, da kann man sich doch nett unterhalten! — Heiterkeit.)

— Herr Abgeordneter Dresbach, Sie haben völlig recht. Es ist beklagenswert. Aber ich komme mir geradezu lächerlich vor, bei jeder Haushaltsberatung das alte Klagelied zu singen: Wo sind die Herren Kollegen?

(Zurufe: Sehr richtig!)

Also diskutieren Sie ruhig weiter; vielleicht kommen dann mehr.

(Große Heiterkeit und Beifall.)


Hans Lenz (FDP):
Rede ID: ID0305300700
Ein weiterer Gesichtspunkt. Die „Finanzpolitik der Strenge und der Kargheit", wie man sie am letzten Dienstag selbst so schön genannt hat, könnte einem etwas Kummer verursachen, wenn man mit den Erfahrungen langjähriger Tätigkeit im Haushaltsausschuß die Ansätze auf der Ausgabenseite prüft. Eine Politik der Strenge und der Kargheit wäre weiß Gott auf vielen Gebieten gut. Wie wäre es, wenn wir einmal die Bezüge unserer Europa-Bediensteten „durchforsten" würden? Aber sie wird ja nur so verkündet; sie ist ja in Wirklichkeit gar nicht streng und karg. 3000 Stellenhebungen — wenn man richtig gezählt hat — sprechen eine mehr ,als deutliche Sprache, und auch die sonstige personelle Ausstattung deutet kaum auf eine große Strenge hin. Auch die Subventionen deuten, wie der Herr Finanzminister selber eingestanden hat, kaum auf Strenge und Kargheit hin.
Wie uns hier scheint, hat der Herr Bundesfinanzminister in seinen Ausführungen seinem Arger Luft gemacht, wie man es eben tut, wenn man sich nicht hat durchsetzen können. Nun, verehrter Herr Finanzminister: unsere Unterstützung haben Sie bei
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Lenz (Trossingen)

Ihren Bemühungen, solche verfälschenden Staatsleistungen zurückzuschieben.

(Beifall bei der FDP.)

Wir haben immer davon gesprochen — und zwar davon gesprochen, als es vielleicht noch Zeit gewesen wäre. Zu wem haben Sie hier in diesem Hohen Haus gesprochen?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir haben immer gewarnt. Auch unsere Landwirte haben immer bedauert, daß man an diese Probleme nicht vom kostendeckenden Preis her angegangen ist.

(Zustimmung bei der FDP.)

Und nun stecken wir mitten darin, mit all unseren Nachbarn in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, und nun kommen wir nicht mehr heraus, weil auch die anderen ihre Subventionen in einer Weise erhöht haben, daß sie damit sogar die Agrarprodukte für ihren Export subventionieren. So ist es zu einer gewissen Diskriminierung der Landwirtschaft gekommen — ich muß es schon einmal so nennen —, die nicht notwendig gewesen wäre.

(Zustimmung bei der FDP.)

Ich bin kein Agrarpolitiker und verstehe an sich von der Sache nichts. Aber sicher ist es ein Unrecht, nun hier Vorwürfe zu machen, anstatt einem ehrlichen Preisgefüge das Wort zu reden. Verehrter Herr Finanzminister, hier müssen Sie sich einmal zunächst in Ihrem eigenen Kollegenkreise durchsetzen. Unsere Unterstützung haben Sie dann.
Der Finger, der auf Vorratshaltung, Milch, Düngemittel, Bundesbahn gelegt wurde, scheint uns besonders wichtig. Wann endlich erhält unser wertvollstes Verkehrsmittel — ich sehe es ein wenig anders als Sie, Herr Kollege Vogel —, die Bundesbahn, eine klare Zielrichtung und die nötige Energie, sie auch bei sich selbst einzuführen? Daß die Bundesbahn sich bei ihren Einnahmen verschätzt hat, wollen wir ihr nicht so sehr übelnehmen. Sie befindet sich da in der besten Gesellschaft, nämlich der der Bundesregierung.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD.)

Sie hat eben denselben Optimismus gezeigt. Auch die Auswirkungen der Tariferhöhung und der Kohlenkrise gehören nicht unbedingt in ihr Stammbuch. Allein ihre Verkehrspolitik ist die Ursache für den allgemeinen Ärger, ihre Unklarheit, ihre Unentschlossenheit, das ständige Zuspätkommen wichtiger Maßnahmen. Ist es nicht eine Blamage für alle Organe der Bundesbahn, daß der berühmte Siebenerausschuß eingesetzt werden mußte? Hat nicht ihr Präsident seinerzeit gesagt, es gebe kein Unternehmen, das er zu leiten sich nicht zutraute?

(Sehr gut! bei der FDP.)

Nun, nicht die Bahn selbst, sondern die Kohle hat es geschafft, daß nun doch die halbe Milliarde Mark gegeben werden mußte, die zunächst verweigert wurde. Wir sind nicht dagegen, wir werden uns freuen, weil wir nur in einer hochleistungsfähigen, technisch und kaufmännisch hervorragend geleiteten Schienenbahn eine feste Stütze im Verkehrchaos
der Gegenwart und Zukunft sehen. Also Schluß mit den unrentablen Linien und den vielen sonstigen Anhängseln!
Von den Subventionen ganz allgemein kann man sagen, daß jeder in diesem Hohen Hause, daß alle fünf Fraktionen dieses Hauses gegen solche Subventionen sind.

(Zurufe.)

Ja, fünf! Sie vergessen, daß das Hohe Haus im nächsten halben Jahr fünf Fraktionen haben wird, nämlich auch die „Fraktion Haushaltsausschuß".

(Heiterkeit und Beifall.)

Der Abgeordnete ist für die Subventionen lediglich dann, wenn sie ihn, seinen Stand, seinen Wahlkreis oder sein Land betreffen. Damit möchte ich meine Meinung zu den Aussichten äußern, sie zu beseitigen. Aus den Bundessubventionen ist Niedersachsen ,ausgeschert, weil es im horizontalen Finanzausgleich saturiert ist. Die Mittel an Schleswig-Holstein sind stark dezimiert. Nun, meine Damen ,und Herren, wir werden uns in einigen Monaten wiedersehen, und wir werden sehen, was von den Versuchen einer Einschränkung übriggeblieben ist. Sofern ies sich um Darlehen handelt, die zusätzlich gegeben werden, muß man sich doch wirklich fragen, was es für einen Sinn haben soll, daß der Bund sich verschuldet, obwohl die Länder es am Kapitalmarkt unmittelbar tun können. Wir treten — ich glaube, das ist immer so gewesen — für gesunde, finanzkräftige Länder ein und sollten daher den Ländern geben, was sie brauchen, um gesund und finanzkräftig zu sein oder zu werden. Wir halten nichts von den Einzelhilfen, die immer wieder — das haben wir doch alle erlebt und werden es weiter erleben — Neid und Mißgunst säen. Alle sollten gleichmäßig an allem profitieren. Dieses Prinzip der Ausgewogenheit würde dem Ziel, daß alle Bürger dieselbe Chance haben sollen, eher gerecht als das jetzige System der Zuschüsse an arme Länder und der sogenannten gezielten Einzelhilfen.
Wir halten es auch für unverständlich, wenn man sagt, Millionen von Bürgern seien aus der Steuerpflicht entlassen und zusätzliche Steuern würden nicht erhoben, obwohl im gleichen Atemzug den Gemeinden die Einführung neuer Steuern empfohlen wird. Nun, darüber wird an anderer Stelle zu reden sein. Aber: wenn keine neuen Steuern, dann auch keine neuen Gemeindesteuern!

(Beifall bei der FDP und der SPD.)

Im Sozialhaushalt des neuen Entwurfs fällt das Fehlen der Kosten der bevorstehenden Kriegsopfernovelle auf. Jeder von uns weiß — Sie haben es ja angedeutet, Herr Dr. Vogel —, daß sie kommen wird. Der Herr Finanzminister hat gesagt, daß die Mittel besonders beschafft werden müßten. Die Vorstellung, daß irgendwo im Haushalt, sagen wir, eine viertel oder eine halbe Milliarde verborgen sein könnte, ist höchst merkwürdig. Denn wenn ich richtig unterrichtet bin, steht in der Verfassung, daß alle Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsplan stehen müssen.
Zum Schluß noch ein Appell an Sie, Herr Bundesfinanzminister. Bieten Sie Ihren ganzen Einfluß ,auf
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2933
Lenz (Trossingen)

und, soweit Sie ihn haben, dehnen Sie diesen Einfluß auf den Herrn Bundeskanzler aus, damit alles getan wird, um die Riesenzahl von Organisationen und Institutionen des neuen Europas einigermaßen sinnvoll zu koordinieren. Wir sind allein in Paris, wenn ich richtig unterrichtet bin, siebenmal vertreten. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft scheint sich kein Gewissen daraus zu machen, Grundsätze auf ihre Verwaltungen anzuwenden, gegen die ständig im Haushaltsausschuß und hier in diesem Hohen Hause anzukämpfen wir ehrlich bemüht sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)

Führen Sie eine Abklärung der sechs Haushaltsausschüsse in Brüssel herbei und lassen Sie den Aufbau der europäischen Verwaltungen nicht zu einem Chaos werden!
Meine Damen und Herren! Ich habe von dem Recht der Opposition, von der Pflicht der Opposition zur Kritik Gebrauch gemacht. Ich möchte noch einmal versichern, daß wir über die Grundsätze, die am vergangenen Dienstag hier vorgetragen worden sind, alles in allem einig sind. Wir haben nur eine starke Diskrepanz zwischen Wollen und Vollbringen aufzudecken versucht. Wir werden uns aber bemühen, diesen Grundsätzen im Haushaltsausschuß und später in den Beratungen dieses Hohen Hauses zum Durchbruch zu verhelfen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0305300800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Niederalt.

Alois Niederalt (CSU):
Rede ID: ID0305300900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einigen Haushaltsproblemen Stellung nehme, möchte ich mit ein paar Sätzen auf die Schlußbemerkungen eingehen, die Herr Kollege Schoettle über den Bundeskanzler und über Bundesminister Schäffer gemacht hat.
Es gibt keinen Zweifel, daß überall im Wahlkampf, hüben und drüben, harte Worte fallen. Da können wir aufrechnen, meine Damen und Herren. Das passiert überall. Mögen diese harten Formulierungen auf der Ebene zurückgewiesen werden, auf der sie gebraucht werden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Jedenfalls sollten sie nicht dazu führen, daß hier in bezug auf den Bundeskanzler von ,,Altersstarrsinn" gesprochen wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Ein hartes, ungutes und nicht gerade geschmackvolles Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Oho!-Rufe von der SPD.)

— Ein Wort, das von uns, der Fraktion der CDU/ CSU, zurückgewiesen wird; ein Wort, das aber auch zurückgewiesen wird — und darauf bitte ich doch etwas zu achten — von der ganzen Welt, die
die einmaligen physischen Leistungen dieses Mannes bewundert,

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

und nicht zuletzt zurückgewiesen wird und immer
wieder deutlich zurückgewiesen wurde vom deutschen Wähler. Das paßt Ihnen am allerwenigsten.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe von der SPD. — Abg. Metzger: Siehe die letzten Wahlen in Berlin!)

Desgleichen halte ich auch die Bemerkung über den Minister Schäffer für eine derart maßlose Übertreibung, daß sie sich selbst richtet. Kein Wort mehr darüber!

(Zuruf von der SPD: Weil Ihnen das nicht paßt!)

Nun zum Thema des heutigen Tages. In Ergänzung der Ausführungen des Kollegen Vogel und in teilweisem Eingehen auf die Kritik des Kollegen Schoettle und auch des Kollegen Lenz möchte ich einiges über die Methoden des Haushaltsausgleichs ausführen. Es besteht kein Zweifel, daß die Mittel, zu denen der Bundesfinanzminister in diesem Jahr zum Haushaltsausgleich greifen mußte, nicht ideal sind. Kein Haushaltsfachmann kann sich darüber freuen. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat daran keine Freude. Wer seine Haushaltsrede verfolgt hat und es etwas versteht, zwischen den Zeilen zu lesen, hat das wohl auch deutlich herausgefunden. Die gegebene Lage zwingt ihn eben dazu, diese Methode des Haushaltsausgleichs vorzuschlagen. Jede Schuld rächt sich auf Erden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

-- Ich höre gern Ihr „Sehr wahr!" und werde darauf zurückkommen. Die Schuld, die sich hier rächt, besteht darin, daß wir, der, Deutsche Bundestag, Kassenmittel zweckentfremdet haben, daß wir in den vergangenen Jahren Kassenmittel nicht für die von uns beschlossenen und bewilligten Ausgabepositionen, sondern anderen Zwecken zugeführt haben.
Nun zu Ihrem „Sehr wahr!", meine Damen und Herren von der SPD. Sie wissen das genausogut wie ich und haben da fest mit uns beschlossen. Wenn wir Ihren Anträgen gefolgt wären, wäre heute ein Haushaltsausgleich noch viel schwerer zu erreichen, ja ohne Steuererhöhung überhaupt unmöglich.
Der Ansatz von 11 Milliarden DM im Verteidigungshaushalt hat seinen guten Grund. Jedermann im Inland und im Ausland soll der volle Umfang unserer finanziellen Belastungen, die wir für unsere Verteidigung und damit für unsere Freiheit auf uns nehmen, deutlich sichtbar gemacht werden. Wir haben keinen Grund, mit diesem Betrag zurückzuhalten. Auch daß die 2 Milliarden DM nicht gleich im Einzelplan 14, sondern im Einzelplan 60 bei der Allgemeinen Finanzverwaltung ausgebracht sind, hat seine Berechtigung, weil wir nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre annehmen können, daß nicht bloß im Einzelplan 14, sondern auch

Niederalt
bei anderen Ressorts wiederum Ausgabereste anfallen, wie dies seit Jahren der Fall ist.

(Abg. Dr. Schäfer: Bei Einzelplan 60 ist nur vom Einzelplan 14 die Rede!)

— Das ist nicht richtig, Herr Kollege Schäfer. Da haben Sie ein Exemplar des Haushaltsplans, das einmal war. Lesen Sie das neueste Exemplar durch!

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.) .

— Nein, das ist das Exemplar, das die Mitglieder des Haushaltsausschusses vorweg bekommen haben.
Meine Damen und Herren, bei aller Kritik an der Methode des Haushaltsausgleichs, für die ich — das möchte ich ganz deutlich sagen — ein gewisses Verständnis aufbringe, sollte aber -- und das sage ich vor allem unserem verehrten Kollegen Lenz — ein wichtiges Positivum in diesem Haushaltsplan nicht übersehen werden. Mit dem Ansatz von 4 Milliarden DM im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums zur Neudeckung von Ausgaberesten beschreiten wir einen neuen Weg, der geeignet ist, aus der unglücklichen und verwirrenden Misere der Haushaltsreste herauszuführen. Dafür, daß dieser Weg beschritten wurde, müssen wir dem Bundesfinanzminister dankbar sein. Wir alle können die Bundesregierung nur dringend auffordern, diesen Weg in den nächsten Haushaltsjahren unbeirrt fortzusetzen.

(Abg. Dr. Schäfer: Die alten Fehler berichtigen!)

— Ich komme gleich darauf, Herr Kollege Schäfer. Ich habe insoweit die gleiche Auffassung wie Sie.
Wir befinden uns praktisch auf dem Weg, den guten alten § 75 unserer Haushaltsordnung wiederum zu Ehren kommen zu lassen, jenen Paragraphen, der bestimmt, daß das Defizit eines Haushalts spätestens im zweitnächsten Rechnungsjahr mit in den Haushalt aufgenommen werden muß. Nur auf diesem Wege kommen wir endlich einmal wieder zu jener Haushaltsklarheit, die wir brauchen und die jedem Abgeordnetem, auch dem, der sich nicht näher mit Haushaltsangelegenheiten befaßt, die Haushaltslage klipp und klar vor Augen führt.
Diese Haushaltsklarheit, deren Notwendigkeit auch der Bundesfinanzminister betont hat, ist Voraussetzung dafür, daß jeder Staatsbürger, jeder Interessenverband und auch jeder Abgeordnete endlich einmal wieder den Zusammenhang zwischen Ausgaben und Einnahmen sieht. Es muß klarwerden, daß, wenn jemand von uns eine Forderung von 100 oder 500 Millionen DM durchsetzen will, das nur bedeuten kann: entweder in der gleichen Höhe Steuererhöhung oder aber in der gleichen Höhe Abzweigung aus einem anderen Ressort. Diese selbstverständliche Binsenweisheit ist uns allen, meine Damen und Herren, wegen gewisser Haushaltsreste der vergangenen Jahre in der Praxis verlorengegangen.
Der Bundesfinanzminister hat erklärt, den Weg am Rande des Defizits der aber nicht ins Defizit führt — gehen zu wollen. Das ist eine schwierige Gratwanderung, bei der wir alle dem Bundesfinanzminister Hilfestellung leisten müssen.
Nun noch einiges zu den Ausführungen des Kollegen Schoettle. Er hat kritisiert, daß in die Sozialausgaben wieder alles Mögliche hineingerechnet werde, was mit Sozialausgaben nichts zu tun habe. Diese Kritik war überflüssig. Herr Kollege Schoettle hätte nur den nächsten Absatz der Haushaltsrede zu lesen brauchen. Da steht klipp und klar: Die Sozialausgaben im engeren Sinne betragen 10 Milliarden DM. Also insoweit war jede Kritik überflüssig.
Dann hat Herr Kollege Schoettle die Sonderlasten angesprochen, die wir im Nachkriegsdeutschland zu tragen haben, und gesagt, daß wir diese auch innerhalb der NATO angerechnet haben wollen. Das, meine Damen und Herren, ist auch unsere Auffassung, aber auch die Auffassung des Bundesfinanzministers. Auch das steht ganz klar und deutlich in der Haushaltsrede. Wenn Sie es nachlesen wollen — ich habe mir die Seitenzahl herausgeschrieben , es ist die Seite 27. Also auch insoweit liegt kein Anlaß zur Kritik vor.
Was nun die gesamte Kritik anbelangt, daß wiederum die Sozialausgaben zu gering seien und daß auf der anderen Seite zuviel ausgegeben werde — ja nun, meine Damen und Herren, das ist das, was wir alljährlich bei den Haushaltsberatungen erleben. Darauf können wir immer wieder nur erwidern, was wir schon in den vergangenen Jahren sagten: Uns ist die äußere Sicherheit genauso wertvoll, für uns ist sie genauso notwendig wie die innere Sicherheit, und wir können — ich glaube, daß es sich heute bei dem Gedanken an Berlin fast erübrigt, darüber auch nur einen Satz zu sagen —nicht stets erwarten, daß die Alliierten immer und ewig für uns die Kastanien aus dem Feuer holen, und wir stehen daneben.

(Abg. Dr. Menzel: Was heißt denn das?)

Nun zu einem leidvollen Kapitel, zur Frage der Personalverwaltung! Ich möchte hier über dieses Kapitel in diesem Jahre nicht allzu viel sagen. Sie wissen, daß wir, die CDU/CSU-Fraktion, im vergangenen Jahr, d. h. beim Haushalt 1958, dem Hohen Hause eine Entschließung vorgelegt haben, nach der eine Vermehrung der Personalstellen nur noch gestattet sein soll, wenn sie die unvermeidliche Folge neuer gesetzlicher Aufgaben ist und der Bedarf durch personelle Umbesetzungen nicht gedeckt werden kann. Außerdem wird in der Entschließung gefordert, daß Stellenhebungen künftig, falls nicht eine wesentliche Veränderung des Arbeitsgebiets eingetreten ist, überhaupt nicht mehr zuzulassen sind. Der Sinn dieser Entschließung war, endlich einmal mit den allmählich zur Mode gewordenen ständigen Stellenvermehrungs- und Stellenhebungswünschen Schluß zu machen. Ich hatte gehofft, in diesem und im kommenden Haushaltsjahr über die Personalverwaltung kein Wort mehr verlieren zu müssen.
Leider, leider ist dem nicht so. Der Haushaltsplan 1959 sieht — ohne die Bundeswehr — eine Mehranforderung von 1884 Stellen vor. Von diesen 1884 Stellen entfallen 650 auf die tarifliche Umgruppierung von bereits vorhandenen Arbeitern, so daß eine echte Stellenvermehrung um 1234
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Kräfte beantragt ist. Davon entfallen allein wiederum 250 Kräfte auf die Flugsicherung. Angesichts dieser Zahl wird von mir gern zugegeben, daß, offensichtlich unter dem Eindruck der Entschließung, hinsichtlich der Stellenvermehrungswünsche gegenüber den früheren Jahren eine Besserung eingetreten ist. Insoweit ist ein — allerdings mäßiger — Erfolg festzustellen, und wir werden im Haushaltsausschuß genau zu prüfen haben,

(Zuruf von der SPD)

inwieweit die neuen Stellen den Voraussetzungen unserer Entschließung entsprechen.
Sehr enttäuscht bin ich allerdings hinsichtlich der Anträge auf Stellenhebungen. In diesem Haushalt werden wiederum Wünsche auf Hebung von weit über 2000 Stellen präsentiert, und das, nachdem die Verbesserung der Besoldungsordnung längst durchgeführt ist, nachdem sich die Bundesverwaltung längst konsolidiert hat und keinerlei wesentliche Aufgabenveränderungen mehr vorliegen. Soweit nicht, wie etwa bei der Zollverwaltung, möglichen Stellenhebungen auch entsprechende Einsparungen auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen gegenüberstehen, werden wir nach meiner Meinung die Anträge ohne lange Debatte einfach zurückweisen müssen.

(Beifall.)

Unsere Zeit muß uns zu kostbar sein, als daß wir uns ewig mit diesen Forderungen aufhalten. Wenn man sieht, daß bei vielen Stellenhebungsanträgen immer wieder die alten Wünsche kommen, die wir schon des öfteren abgelehnt haben, so ist man versucht zu fragen: Quo usque tandem, Catilina? Wie lange will man noch unsere Geduld in Anspruch nehmen?

(Zuruf von der SPD: Wir kommen auf Sie zurück!)

— Aber, Herr Kollege, Sie kennen mich; Sie dürfen ruhig auf mich zurückkommen.
Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Haushalt 1959 klar zum Ausdruck gebracht, daß eine auf Einschränkung des Personalbedarfs gerichtete Politik nur Erfolg haben kann, wenn sie längere Zeit folgerichtig durchgeführt wird, und hat deshalb empfohlen, den bisherigen Personalhaushalt unverändert zu belassen.

(Abg. Dr. Conring: Auch im Einzelplan 3?)

— Herr Conring, darauf komme ich jetzt. — Allerdings hat er vergessen, das, was er empfiehlt, für sein eigenes Haus anzuwenden, und er hat bei 31 Beamtenplanstellen insgesamt nicht weniger als 7 Stellenhebungen beantragt, obwohl sich im Aufgabengebiet des Bundesrats sicherlich seit Beginn seiner Tätigkeit keine Veränderung vollzogen hat und im übrigen schon in den früheren Jahren Stellenhebungen vorgenommen wurden.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Bei der Verabschiedung des Haushalts 1958 hat der gleiche Bundesrat — es war in seiner Sitzung vom 21. Juli 1958 — durch den Berichterstatter
Kritik geübt, daß die von ihm vorgeschlagene Strenge auf dem Gebiet der Personalverwaltung vom Bundestag leider nicht voll angewandt worden sei. Im gleichen Atemzug hat er aber in einer unmittelbar folgenden Erklärung das Bedauern zum Ausdruck gebracht, daß sich der Bundestag über die Personalwünsche des Bundesrats hinweggesetzt habe.

(Abg. Dr. Conring: Etwas widerspruchsvoll!)

— Solches Verhalten ist sicher widersprüchlich, verehrter Herr Kollege Conring. Ich erinnere mich da an einen schönen Spruch aus meiner Heimat:
O Heiliger Sankt Florian,
verschon' mein Haus, zünd' andre an!
Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wenn wir mit unseren Bestrebungen, den ständigen Personalvermehrungs- und Stellenhebungswünschen Einhalt zu gebieten, Erfolg haben wollen und wenn wir bei diesem Bemühen ehrlich bleiben wollen, müssen wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen, wir hier im Bundestag genauso wie, ich hoffe immer noch, das auch der Bundesrat in seinem Haus machen wird.
Ich möchte mich nun, meine Damen und Herren, einem etwas freundlicheren Thema zuwenden. Eine große Freude, Herr Bundesfinanzminister, wurde mir zuteil, als ich vorgestern in Ihrer Haushaltsrede hörte, was Sie zur Frage der regionalen Wirtschaft sagten. Der modernen Industriewirtschaft, so sagten Sie, wohne die Tendenz inne, nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen in einigen Räumen besonders stark zusammenzuballen, während andere Landesteile sich zu gleicher Zeit entvölkern und wirtschaftlich zurückbleiben. Diesen Tendenzen müsse planmäßig auf lange Sicht begegnet werden. Sie sprachen dann weiter von einem umfassenden Plan zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur bestimmter bisher zurückgebliebener Landesteile. Das waren wirklich goldene Worte, Herr Bundesfinanzminister, und das war Musik in meinen Ohren, der ich in den vergangenen Jahren von dieser Stelle aus für die CSU auf diese eminent wichtige Frage immer und immer wieder hingewiesen hatte. Es hat den Anschein, daß nunmehr die Saat aufgeht, die wir von der Landesgruppe der CSU in die Erde um den Bundesfinanzminister legten, obwohl uns diese Erde um den Bundesfinanzminister hinsichtlich dieser Frage manchmal Ödland zu sein schien, auf dem das beste Saatgut nicht gedeiht.

(Zuruf von der SPD: Sie hatten doch einen CSU-Finanzminister ! )

Wir sind dankbar, daß die Mittel für das regionale Förderungsprogramm trotz gewisser Schwierigkeiten vor einiger Zeit in vollem Umfang einhalten bleibt. Es steht feist, daß sich das regionale Förderungsprogramm des Bundes sehr segensreich ausgewirkt hat, vor allem in jenen Gebieten, die durch den Eisernen Vorhang in ihrem Wirtschaftsleben so schwer behindert wurden. Trotz gewisser Erfolge ist aber die Wirtschaftskraft in diesen Teilen unseres Landes noch weit unter dem Bundesdurch-
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Niederalt
schnitt, und nur die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor innrer- und außerhalb der Saison erheblich über dem Bundesdurchschnitt. Die übernormale Abwanderung aus diesen Gebieten hält vielfach noch an. Vor allem leidet ein Teil der Bevölkerung unter der Geißel der Arbeitsvermittlung nach auswärts. Es kann zu keinem guten Ende führen, wenn der Familienvater deshalb, weil er zu Hause beim besten Willen keine Arbeit findet, Jahr für Jahr auf lange Monate seine Frau und seine Kinder verläßt, um irgendwo in Baden-Württemberg oder sonstwo Arbeit zu suchen. Es ist höchste Zeit, daß wir uns dieses Problems energischer als bisher annehmen.
Das regionale Förderungsprogramm allein, so wertvoll es ist, reicht, wie auch der Herr Bundesfinanzministerangedeutet hat, zur Behebung dieses Notstands nicht aus. Es bedarf einer Ergänzung durch einen umfassenderen Plan, der nach meiner Meinung vor allem auch Maßnahmen andere r Ressorts einbeziehen sollte. Ich denk e hier insbesondere an Maßnahmen im Rahmen des Bundesverkehrsministeriums. Der beschleunigte Ausbau der Lebensadern in diese revier- und verkehrsfernen Gebiete ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, daß kleinere und mittlere Betriebe sich nicht wie bisher immer nur in den Ballungsräumen festsetzen, sondern dort hingehen, wo noch Arbeitskräfte verfügbar sind.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich weise nur auf zwei solche Lebensadern hin weil sie mir für den bayrischen Raum besonders wichtig erscheinen, nämlich die Autobahn Frankfurt—Nürnberg—Regensburg und den Rhein-MainDonau-Kanal. Eis ist im Hinblick auf den Gesamtplan nicht einzusehen, warum der Ausbau der Autobahn Frankfurt —Nürnberg— Regensburg nicht schneller vonstatten gehen soll und kann, zumal man weiß, daß im Verkehrsetat immer noch, auch in diesem Jahr leider wieder, Ausgabereste anfallen. Warum verwenden wir die Ausgabereste nicht für diesen Zweck?

(Abg. Ritzel: Herr Kollege Niederalt, der 'hessische Teil ist fast fertig, jetzt liegt's an Bayern!)

— Herr Kollege Ritzel, ich werde dieser Frage selbstverständlich nachgehen, und wenn wir wissen — bestimmt wissen, nicht nur nach Gerüchten, wie sie manchmal sehr schnell in die Welt gesetzt werden —, daß es an Bayern liegt, dann werden wir das Nötige veranlassen; darauf können Sie "sich verlassen.
Zum Rhein-Main-Donau-Kanal auch nur ein ganz kurzes Wort. Der im Hauhaltsplan hierfür vorgesehene Betrag ist in diesem Haushaltsjahr um 2,5 Millionen DM gekürzt worden. An sich verdient eine solche Tatsache in der ersten Lesung keine Erwähnung; das ist Sache der Aussprache in der zweiten Lesung. Ich erwähne sie aber bei der ersten Lesung, weil ich in dieser Kürzungsmaßnahme eine Sünde wider den Geist der eben geschilderten Konzeption der Bundesregierung sehe. Auf der einen Seite wird gesagt, daß der Entvölkerung gewisser Landesteile planmäßig und auf lange Sicht begegnet werden muß, auf der anderen Seite werden die Mittel für eine Großschiffahrtsstraße wie den RheinMain-Donau-Kanal gekürzt, die im wesentlichen mit dazu beitragen soll, den Ausgleich der Standortnachteile revierferner Zonenrandgebiete zu bewirken. Einzelheiten brauchen wir hier nicht zu erörtern. Ich darf Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, jetzt schon ankündigen, daß die CSU durch einen Antrag die Sache wieder auszugleichen versuchen wird.
Viele Spannungen und Schwierigkeiten in unserem Wirtschaftsleben würden erheblich gemildert werden, hätten wir nicht so große Unterschiede in der Wirtschaftskraft einzelner Landesteile. Es ist heute vom Kollegen Schoettle, vom Kollegen Vogel und auch vom Kollegen Lenz wiederholt von der Not der Gemeinden und von den Forderungen der Gemeinden gegenüber dem Bund die Rede gewesen. Auch die Frage der Notlage der Gemeinden hängt weitgehend mit dem Problem der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur zusammen. Wir haben heute im großen und ganzen nur noch zwei Kategorien von Gemeinden, nämlich auf der einen Seite Gemeinden mit gewerblichen und Industriebetrieben und demgemäß auch entsprechenden GewerbesteuerEinnahmen und auf der anderen Seite, vor allem in unseren Notstandsgebieten allüberall, nicht bloß in Bayern, Gemeinden, die beim besten Willen nicht wissen, woher sie die Mittel nehmen sollen, um ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Es ist völlig falsch, von der Not der Gemeinden im allgemeinen zu sprechen.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Dort, wo Industriebetriebe sind, wo Gewerbebetriebe sind, geht es den Gemeinden vielfach sehr gut, und dort, wo das nicht der Fall ist, wissen, wie ich sagte, die Gemeinden nicht, wie sie auch nur das Wichtigste machen sollen.

(Zustimmung bei der CDU CSU.)

Sie sehen auch an diesem Beispiel, wie ungeheuer wichtig die Frage einer in etwa ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur unserer Bundesrepublik ist, und deshalb habe ich immer wieder darauf hingewiesen. Herr Bundesfinanzminister, Sie dürfen sich darauf verlassen, daß ich diesen Satz aus Ihrer Haushaltrede niemals vergessen werde, daß ich jeden Tag daran denken und auch mit geeigneten Maßnahmen und Vorschlägen zu Ihnen kommen werde.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, als Sprecher der einzigen im Bundestag vertretenen Landespartei glaube ich, im Rahmen dieser gesamtpolitischen Aussprache noch ein paar Worte über das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern sagen zu müssen. Zunächst dürfen wir wohl alle mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, daß es gelungen ist, das Gesetz über den horizontalen Finanzausgleich mit einer wesentlich intensiveren Leistung für die sogenannten nehmenden Länder zustande zu bringen. Sicher war bei diesem Gesetz die Erkenntnis der Länder maßgebend, und zwar auch auf Seiten der gebenden Länder, daß die Länder insgesamt in einem gemeinsamen Boot sitzen, das in
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Niederalteiner manch recht unfreundlichen See se gelt.
Und wenn der Ministerpräsident eines gebenden Landes nach Presseberichten gesagt haben soll, durch den Finanzbeitrag seines Landes werde die Staatsoper in München finanziert, so kann ich nur annehmen, daß diese Bemerkung von ihm selbst nicht ernst genommen werden will. Jeder, der über das Funktionieren eines föderativen Staates etwas nachgedacht hat, weiß, daß ohne Solidarität und ohne gegenseitige Hilfe der Länder das föderative System auf schwachen Füßen stände und daß es dann sehr leicht dazu kommen könnte, daß eines Tages von Ländern im Sinne des Grundgesetzes, wie wir sie jetzt sehen, nicht mehr die Rede wäre, weder von nehmenden noch von gebenden, weder von reichen noch von armen.
Im finanziellen Verhältnis der Länder zum Bund spielt seit geraumer Zeit die Forderung der Länder auf Übernahme bestimmter Lasten, die sie bisher selbst getragen haben, eine Rolle. Es handelt sich dabei vor allem um die Übernahme der Kosten für die Wiedergutmachung. Von der Sache her hielte ich das Begehren der Länder für begründet. Die praktische Durchführung aber ist angesichts der Haushaltslage des Bundes, über die die Länderfinanzminister ohnedies auch Bescheid wissen, nur dann möglich, wenn die Länder mit einem finanziellen Ausgleich für die neue Belastung des Bundes einverstanden sind. Dies wäre denkbar im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs und vor allem aber — und damit greife ich, ich weiß es, ein heißes Eisen an — durch die Rückübernahme gewisser Leistungen, die dem Bund auf kulturellem Gebiet in der jüngsten Zeitaufgedrängt wurden.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : „Aufgedrängt"?)

— Aufgedrängt! Ich habe das Wort wohl erwogen. Gerade die Rückübernahme der finanziellen Leistungen des Bundes auf kulturellem Gebiet halte ich im Interesse einer sauberen Ordnung für wünschenswert. Das Grundgesetz hat nun einmal eine bestimmte Ordnung geschaffen, und nach dieser Ordnung sind die kulturellen Angelegenheiten, von Forschungsaufgaben abgesehen, Sache der Länder. Warum rütteln wir denn dauernd an dieser Ordnung, sei es de facto, sei es durch höchst zweifelhafte Verwaltungsabkommen? Wir schaffen doch nur an Stelle der Ordnung eine Unordnung! Die Erfahrung lehrt, daß durch eine Übernahme der kulturellen Leistungen auf den Bund meist eine recht komplizierte Verwaltungsapparatur mit gemeinsamen Kommissionen, Beiräten usw. aufgebaut werden muß, während die Länder die Aufgaben ohne jede zusätzliche Arbeitskraft meistern können. Außerdem weiß man doch zur Genüge, daß dann, wenn für eine Aufgabe zwei Behörden sich zuständig fühlen, mehr als die Hälfte der Arbeit auf die Herstellung des gegenseitigen Einvernehmens verwandt wird und daß an Stelle des Miteinander sehr häufig das Gegeneinander oder zumindest das Nebeneinander festzustellen ist.

(Abg. Dr. Conring: Selbstbeschäftigung!)

Die Übernahme der kulturellen Leistungen auf den
Bund, wie sie in den letzten Jahren leider durchgeführt wurde, widerspricht also nicht bloß der Ordnung nach dem Grundgesetz, sondern auch jedem Grundsatz einer vernünftigen und einfachen Verwaltung. Deshalb sollte nach meiner Meinung der Bundesfinanzminister in Besprechungen mit den Länderfinanzministern diese Frage einmal vom Grundsatz her erörtern. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, betone ich es noch einmal: ich gehe davon aus, daß durch eine solche Übernahme weder eine Verminderung der kulturellen Leistungen stattfinden noch eine zusätzliche Belastung auf den Bund zukommen darf, weil diese zusätzliche Belastung einfach, vom Haushalt her gesehen, nicht tragbar erscheint.
Zum Schluß darf ich noch einen Gedanken haushaltspolitischer Art aussprechen. Niemand wird leugnen, daß die Haushaltsrede des Bundesfinanzministers ganz ausgezeichnete Gedanken enthält. Ebenso steht fest, daß die Aussprache in der ersten Lesung sowohl in diesem Jahr wie auch in früheren Jahren jeweils wertvolle Anregungen brachte. Und doch kommen mir alle diese Ausführungen, die wir hier machen, reichlich theoretisch vor. Auf Grund meiner bisherigen fünfjährigen Arbeit im Parlament muß ich das leider feststellen. Viele dieser wertvollen Gedanken finden nur sehr schwer Eingang in die Praxis des parlamentarischen Alltags. Woher kommt das wohl, meine Damen und Herren? Ein Grund dafür ist sicher der, daß viele von uns Abgeordneten im Bundestag nach dem sehr oberflächlich ausgelegten Grundsatz handeln: „Geben ist seliger als Nehmen" und sich deshalb mehr auf das Antragstellen konzentrieren als auf die Suche nach einer Deckungsmöglichkeit.

(Abg. Hermsdorf: Das ist aber nicht nur im Parlament so, Herr Niederalt!)

Das weiß ich, das ist auch draußen so. Aber unsere Aufgabe ist es, die Zusammenhänge herzustellen und klarzumachen.
Ich sagte soeben, daß in diesem Falle der Satz „Geben ist seliger als Nehmen" nur sehr oberflächlich aufgefaßt wird, weil dabei nicht bedacht wird, daß, wenn ein Parlament gibt, auch das ein Nehmen ist, d. h. daß auch das Dem-Antrag-Stattgeben ein Nehmen bedeutet, nämlich ein Nehmen vom Steuerzahler.

(Abg. Dr. Conring: Sehr richtig!)

Hoffentlich gelingt es uns in den künftigen Jahren, den Grundsatz der Haushaltsklarheit noch mehr herauszuarbeiten als bisher, damit jeder von uns Abgeordneten, jeder Staatsbürger wie jeder Interessentenverband immer vor Augen hat, daß jeder finanzielle Antrag Auswirkungen hat, daß man also nicht nur gibt, sondern auch nimmt. Auch im Schoße der Bundesregierung muß das haushaltspolitische Denken noch mehr Fuß fassen, Das darf nicht eine alljährlich einmal wiederkehrende Sache aus Anlaß der ersten Lesung des Haushalts sein. Nur so wird es möglich sein, die schwierige Gratwanderung am Rande des Defizits, von der ich heute schon einmal gesprochen habe, glücklich zu vollenden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

2938 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305301000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schild.

Dr. Heinrich Schild (CDU):
Rede ID: ID0305301100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussprache in der ersten Lesung soll mehr oder weniger die Weichenstellung geben für die Beratungen im Haushaltsausschuß, für die Beratungen der zweiten und dritten Lesung und schließlich für die Verabschiedung des Haushalts. Wenn ich die bisherigen Ausführungen bedenke, die von der Opposition und von meinen Freunden aus der Koalition gemacht worden sind, dann möchte ich sagen, daß man in den Äußerungen der Opposition gewisse Ressentiments allgemeiner politischer Art feststellen kann, die dem Herrn Bundesfinanzminister nicht gerecht werden.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Der Bundesfinanzminister steht zum zweitenmal vor diesem Hause. Ich habe dabei empfunden — das ist auch der allgemeine Eindruck, den wir aus der Tagespresse und in der Öffentlichkeit gewinnen —, daß er die gesamten Haushalts-, Finanz- und Steuerprobleme mit einem ungeheuer tiefen Ernst in sich herumträgt, bewältigt und uns vorgetragen hat. Seine Rede ist keineswegs von irgendeinem Optimismus getragen, noch weniger aber von irgendeinem Zweckpessimismus. Seine Rede ist vielmehr in die Gesamtsituation eingebettet, in der wir uns befinden. Wenn man von dieser Gesamtsituation ausgeht, dann sollte man sich negative kritische Äußerungen doch sehr wohl überlegen. In dieser Zeit des Ernstes, in der wir allgemein-politisch diesseits des Eisernen Vorhangs leben, sollte auch sehr überlegt werden, ob man halbnegative Äußerungen tun darf oder nicht. Ich glaube, daß die Gesamtsituation, in der sich der Bundesfinanzminister befindet, auch Maßstab für das ist, was er in seiner Rede an Möglichkeiten, an Aussichten anbietet. Ich halte diese keineswegs für theoretisch.
Ich halte es nicht für richtig, zu sagen, daß es sich um einen Routinehaushalt handelt. Angesichts der Situation, in der sich der Finanzminister befindet, kann er gar keine anderen Grundsätze verfolgen, als er sie in seiner Rede verkündet hat. Infolge der allgemeinen politischen Unwägbarkeiten und der allgemeinen Spannungsverhältnisse in der Außenpolitik — die Berlinfrage ist schon angeschnitten worden — kann auch die Haushaltspolitik nur mit Schätzungen über das arbeiten, was auf uns zukommen kann. Genauso fragwürdig sind auch die technischen Umwälzungen unserer Zeit zu werten.
Der Herr Kollege Schoettle hat an der Methode der Gestaltung des Verteidigungshaushalts und an den Spielregeln, mit denen in den letzten vier Jahren der Verteidigungshaushalt behandelt und aufgebaut worden ist, scharfe Kritik geübt. Das mag vom formalen haushaltsrechtlichen Standpunkt aus, der Haushaltsordnung, den Wirtschaftsbestimmungen und allem, was damit zusammenhängt, bis zu einem hohen Grade berechtigt sein. Aber angesichts der technischen und der allgemein-menschlichen
Entwicklung in Verbindung mit den haushaltspolitischen Zusammenhängen

(Abg. Dr. Conring: Und angesichts der Forderung der Wirtschaftlichkeit der Ausgaben!)

und angesichts der Forderung nach Wirtschaftlichkeit der Ausgaben — wie Herr Kollege Conring sagt — kann ich diese Kritik nicht bejahen. Die technischen Umwälzungen haben dazu geführt, daß viele Entscheidungen, die in bezug auf den Verteidigungshaushalt getroffen worden sind, einfach überholt sind und neu gefaßt werden mußten. Wir werden in den nächsten Jahren immer wieder vor dieser Frage stehen. Wegen der wiederholten Umstellungen, die wir bei großen Posten des Verteidigungshaushalts vornehmen mußten, ergaben sich auch letzten Endes die Ausgabenreste.
Aber nicht nur die militär-technische Umstellung, sondern auch die technischen Strukturwandlungen in unserer Zeit ergeben für den Bundesfinanzminister eine Fülle von Fragen. Er hat nicht etwa eine Übersicht des Statistischen Bundesamts, aus der er die Entwicklung der installierten Energie bei der Automation und Technisierung vorausschauend beurteilen könnte. Auch hat er keinen Überblick über den Verbrauch an Energie in der automatisierten und technisierten Großwirtschaft im Vergleich zur lohnintensiven Wirtschaft, in der wir es ja bislang mit ganz anderen Verhältnissen zu tun hatten. Schließlich befindet er sich in der Situation, mit irgendwelchen Forderungen der Opposition oder einzelner Gruppen dieses Hohen Hauses rechnen zu müssen, Forderungen durch die in der Öffentlichkeit irgendwelche politischen Fragen aufgerollt werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auch von den Problemen der Gesellschaftsstruktur gesprochen, und wir wissen doch alle, daß noch keineswegs ein politisches Leitbild für diese Gesellschaftsstruktur besteht, nicht einmal innerhalb einzelner Fraktionen, geschweige denn im ganzen Haus, so daß der Finanzminister nicht ohne weiteres Schlußfolgerungen daraus für den Haushalt ziehen kann. Ich werde darauf noch eingehend zu sprechen kommen.
Auch die Disharmonien zwischen Bund und Ländern in Fragen des Grundgesetzes sind keineswegs ausgepaukt. Welche Entscheidungen hier noch getroffen werden und welche Auswirkungen sie auf den Haushalt haben, ist auch für den Finanzminister durchaus fraglich.
Kollege Niederalt und Kollege Vogel haben die Stellung der Haushaltsreferenten in den einzelnen Ressorts behandelt. Man kann das von ihnen angeschnittene Problem erweitern; es dreht sich nicht nur um die verantwortliche Stellung der Haushaltsreferenten, sondern das Problem ist ganz einfach, daß der Bundesfinanzminister mit dem. Mangel an Zivilcourage rechnen muß. Es fehlt in den einzelnen Ressorts vielfach der Mut, die Dinge so nüchtern zu sehen, wie sie gesehen werden müßten; man darf eben nicht von Wunschträumen ausgehen.

(Beifall bei der DP und in der Mitte.)

Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2939
Dr. Schild
Aber nicht nur an Zivilcourage, sondern auch an Phantasie fehlt es manchmal; oft genug mangelt es auch an der Fähigkeit, die notwendigen Kontakte innerhalb der Ministerien herzustellen.
Das alles muß man in Betracht ziehen. Der Bundesfinanzminister steht vor der von mir dargelegten Situation, wie wir auch selber alle davor stehen. Ich muß sagen, der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede die vor ihm liegenden Aufgaben sehr ernst genommen. So meine ich, daß es ihm auch mit dem Abbau der Subventionen — wir betreiben ja diese Politik seit langem — ernst ist. Sicher meint er es auch ernst, wenn er das Problem der Ausgabenreste unter die Lupe nehmen will. Ich habe den Eindruck, daß seine Mahnung ebenfalls ernst gemeint ist, daß das Spiel mit den Bindungsermächtigungen so nicht fortgesetzt werden kann.
Wenn ich die Ausführungen des Bundesfinanzministers auf einen Nenner bringen wollte, würde ich sagen, daß es ihm darum geht, im Rahmen der Möglichkeiten, die ihm die Situation erlaubt, Ordnung zu schaffen. In diesem Sinne stimmen meine politischen Freunde von der Deutschen Partei einigen seiner Thesen und Grundsätze allgemein zu, so etwa der Kennzeichnung als „Haushalt am Rande des Defizits", seiner Forderung nach Sparsamkeit und Harmonisierung von Wirtschafts-, Sozial-, Finanz- und Währungspolitik, damit hier nicht von den verschiedenen Ressorts an verschiedenen Strängen gezogen wird. Auch billigen wir seine Forderung nach Stärkung des Kapitalmarkts und Förderung des Sparsinns der Bevölkerung, ebenso die Forderung, daß der außerordentliche Haushalt künftig aus Kapitalmarktmitteln bedient werden soll, gerade mit Rücksicht auf die mancherlei offenen Fragen. Zwischen Defizit und Juliusturm liegt, wie es Kollege Niederalt in anderen Worten ausgedrückt hat, ein schmaler Grat. Ich habe aus der Rede des Herrn Finanzministers und seinen Maßnahmen den Eindruck, daß er sich bemüht, mit einem „Stopp" gegen das Gesetz der wachsenden Staatsausgaben wenigstens zu beginnen. Ich habe auch den Eindruck, daß er sich in seiner Rede gegen den Zug der Zeit zur völligen Vergesellschaftung gewandt hat. Er hat ferner scharfe Kritik an den Ausgabenresten geübt — eine Kritik, die das Hohe Haus angeht —, weil diese Einsparungen für andere Zwecke als vorgesehen verwendet worden sind.
Das ausgewogene Verhältnis zwischen Wirtschaftskraft und sozialer Last hat er besonders betont. Was uns von der Rechten sehr beeindruckt und erfreut hat, ist die von ihm ausgerufene Warnung vor einer fortlaufenden Rentenanpassung in dem System, das wir hier begonnen und vor dem meine Fraktionskollegen ganz besonders gewarnt haben. Seine Warnung vor Zinssubventionen und sein Hinweis auf ihre Fragwürdigkeit bei dem jetzigen Kapitalmarkt, sein Vorhaben, in Zukunft einen Straßenbauplan als besondere Beilage des Haushaltsplans vorzulegen, seine Warnung vor der Tendenz, Länderlasten erneut auf den Bund abzuwälzen und zu übernehmen, und letzten Endes sein Appell an die Selbstverantwortung der Staatsbürger, damit wir nicht Wähler haben, die keine staatsbürgerlichen Pflichten zu erfüllen haben, bejahen wir mit allem Nachdruck.

(Abg. Frau Kalinke: Sehr gut!)

So habe ich es wenigstens aufgefaßt, als er die Gemeindeeinwohnersteuer vorschlug, damit auch jeder Staatsbürger, der von der Einkommensteuer befreit ist, merkt, daß er wenigstens in seinem lokalen Bereich zu seiner selbstverwaltenden Gemeinde noch etwas beisteuern muß.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Aber die Haushaltspolitik hat auch ihr eigenartiges Wesen. Sie verlangt auch eine Stabilität, genau wie die Währungspolitik, die Wirtschaftspolitik oder die Konjunkturpolitik. Die Stabilität der Haushaltspolitik aber ist, wenn wir nicht zu grundsätzlichen Reformen kommen, nicht gegeben, weder bei der Regierung noch in diesem Hause. Die Stabilität der Haushaltspolitik hängt von zwei Dingen ab. Sie hängt erstens von einer Reform der Haushaltsordnung und der Wirtschaftlichkeitsbestimmungen ab, die zu Beginn der Existenz dieses Staates, der westdeutschen Bundesrepublik, noch aus dem alten Reich übernommen wurden und mit den Spielregeln unserer repräsentativen Demokratie einfach nicht mehr harmonieren. Wir brauchen ein neues Haushaltsrecht. Ohne die Neuschaffung des Haushaltsrechts einschließlich der Wirtschaftlichkeitsbestimmungen wird es bei den Zuständen bleiben, die Kollege Lenz kritisiert hat, nämlich daß wir nach wie vor einen sogenannten Routinehaushaltsplan haben.
Diesen Routinehaushaltsplan können wir nur beseitigen, wenn wir an die Grundlagen des Haushaltsrechts herangehen. Bei der Reformierung des Haushaltsrechts ist die parlamentarische Kontrolle ganz anders zu gestalten als bisher in der Haushaltsordnung. All die Probleme der überplanmäßigen und der außerplanmäßigen Ausgaben, der Stellenbesetzung und der Gewalt der Exekutive über diese Dinge müssen neu durchdacht werden. Dem Parlament muß die Möglichkeit gegeben werden, hier rechtzeitig einzugreifen, was jetzt auf Grund des Haushaltsrechts manchmal gar nicht möglich ist.
In dem Haushaltsrecht fehlt etwas ganz Grundsätzliches: Die sogenannten zeitgemäßen Richtlinien für die Tätigkeit unserer Beamten und Angestellten in den großen wirtschaftlichen Unternehmungen des Bundes. Wir kranken an der Frage, wer eigentlich in den Unternehmungen des Bundes regiert. Wir haben in den vergangenen Monaten den Fall auf uns zukommen sehen, daß der ganze Aufsichtsrat eines Bundesunternehmens abgesägt werden mußte. Aber man hat die Konsequenz für diese Personen nicht bei anderen Gesellschaften gezogen, in denen sie auch noch sitzen; da hat man sie ruhig belassen, ohne zu prüfen, ob da nicht dieselben Fehldispositionen, Unklarheiten und Unmöglichkeiten auftreten.
Es fehlt der Einbau ganz wichtiger Bestimmungen aus der Verdingungsordnung für Bauleistungen in das Haushaltsrecht. Das betrifft ein großes Kapitel der kritischen Arbeit unseres Rechnungsprüfungsausschusses. In allen Rechnungsprüfungsunterlagen, die wir vom Bundesrechnungshof erhalten, wird
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Dr. Schild
doch fast auf jeder Seite, auf der von den Bauvorhaben die Rede ist, gesagt: Was in der Bauwirtschaft von den öffentlichen Baubehörden gemacht isst, schreit geradezu zum Himmel — in der falschen Vorplanung, in der falschen Durchführung, in der falschen Finanzierung. Und was wir uns da im Haushaltsausschuß an Zahlen — im Soll — vorsetzen lassen müssen, das stimmt nachher überhaupt nicht mehr mit der Wirklichkeit überein. — Wichtige Bestimmungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen gehören also in die Haushaltsordnung, in das Haushaltsrecht hinein. Auch die Funktion des Bundesrechnungshofes ist in diesem Sinne erneut zu überprüfen im Hinblick auf die Notwendigkeit eines vielleicht noch stärkeren Ausmaßes von Eingriffsmöglichkeiten, die wir unter allen Umständen zur Beurteilung der Situation brauchen.
Meine Damen und Herren, ohne eine Neugestaltung des Haushaltsrechts wird es bei dem Routinehaushalt mit den jetzigen Spielregeln und Methoden bleiben; denn daran ist der Bundesfinanzminister gebunden.
Das zweite, was wichtig ist, ist die Harmonisierung der haushaltspolitischen Belange zwischen Bund und Ländern. Ich habe schon beim vorjährigen Haushalt gesagt: es kann uns nicht genügen, daß man in Einzelfällen zwischen Bund und Ländern hin und her debattiert: Wer zahlt was? Wer ist wofür zuständig? Die grundgesetzliche Regelung ist in vielen Dingen faktisch überholt. Der Bund zahlt in viele Dinge hinein, die nach dem Grundgesetz ausschließlich Länderbelange wären.
Die notwendige Harmonisierung braucht mang nicht durch Grundgesetzänderung zu machen; zu ihr kann man durch entsprechende Staatsverträge zwischen Bund und Ländern kommen. Aber es muß endlich dieses Hin und Her aufhören.

(Abg. Niederalt: Lassen wir es doch bei der Zuständigkeitsregelung des Grundgesetzes!)

— Herr Kollege Niederalt, was nützt die Zuständigkeit nach dem Grundgesetz, wenn aus allen Kreisen der Bevölkerung, auch aus Bayern, ständig Anträge auch an unser Haus und an den Haushaltsausschuß kommen, daß wir für das allgemeinbildende Schulwesen etwas tun sollen, das doch nach dem Grundgesetz ausschließlich Länder- und Gemeindesache ist?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Bezüglich der Ausbildung der Beamten steht überhaupt keine Regelung im Grundgesetz; müssen Bund und Länder versuchen, zu einer Harmonisierung der Beamtenausbildung und zu einer Regelung des Austauschs von Beamten zwischen Bund und Ländern zu kommen. Vielfach bekommt doch der Bund einfach nicht die sachverständigen Beamten, die er braucht, um überhaupt seine Aufgaben erfüllen zu können.
So gibt es eine Menge Angelegenheiten zwischen Bund und Ländern, die man nicht der Zufälligkeit, der Regelung nach Belieben — nach dem Grundsatz: „Es wird schon irgendwie geregelt werden!" —
überlassen sollte. Man sollte vielmehr alle diese Fragen durch einen Staatsvertrag regeln, die Fragen des allgemeinen Schulwesens, der Krankenhäuser, des Straßenbaues — auch völlig variabel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden —, auch Fragen des Wohnungsbaues, etwa: Was zahlen die Länder, was zahlen die Gemeinden, was zahlt der Bund? Wenn Sie die Kritik des Bundesrates an den Erläuterungen zum Haushaltsgesetz lesen, sehen Sie, daß zwischen Bund und Ländern in bezug auf das Problem der richtigen föderalistischen Relation eine Harmonie nicht vorhanden ist. Solange nicht in einem Staatsvertrag zwischen dem Bund und den Ländern die Harmonisierung der Funktionen und der darauf beruhenden Ausgaben auf lange Sicht, nicht nur für ein Jahr, geregelt ist, fürchte ich, es bleibt bei diesem kritisierten Routinehaushalt.
Noch etwas anderes ist grundsätzlich wichtig und muß bedacht werden, wenn wir die Haushaltspolitik, die Finanzpolitik und die Steuerpolitik insgesamt beurteilen wollen. Die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister haben entsprechend unserem Wunsche das Material zur Beurteilung der finanzpolitischen Gesamtsituation dankenswerterweise weiter ausgedehnt, so daß wir, wenn wir sowohl den Vermögens- und Schuldennachweis wie die Vorbemerkungen wirklich durchforschen, einigermaßen im Bilde sein können, was den Bund betrifft. Gleichzeitig sagt der Herr Bundesfinanzminister aber, daß es sich hier um eine Bewegungsmasse von 39,1 Milliarden handelt, daß die wirkliche Bewegungsmasse, die finanzpolitische Bewegungsmasse und die sozialpolitische Bewegungsmasse in unserem Volke jedoch 77 Milliarden beträgt. Hier fehlt uns also der Funktionshaushaltsplan für das, was im ganzen Volke vor sich geht, nicht nur für das, was im Bund vor sich geht. Wir haben es Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, zu danken, daß wir jetzt wissen, wie der BundesFunktionsplan aussieht, welche einzelnen Ausgaben auf die verschiedenen Funktionen entfallen. Gerade für die Harmonisierung zwischen Bund und Ländern müssen wir und müssen insbesondere die Haushaltsexperten wissen, wie es in den Ländern mit dem Kapitel Wohnungsbau, dem Kapitel Straßenbau, dem Kapitel Lastenausgleich und allen sonstigen Ausgaben aussieht, mit den Lasten also, die die Länder zu tragen haben. Hier müssen wir auch die Relation zum Bund kennen.

(Abg. Dr. Martin: Wir sind doch Föderalisten!)

— Warum soll ich in dem Punkt nicht Föderalist sein? Jedenfalls müssen wir hier erst zu Erkenntnissen kommen, bisher haben wir sie nicht. Wir tappen doch völlig im Dunkeln und wissen nicht, ob wir bei den Dotationen an die Länder des Guten zuviel oder zuwenig tun. Wir wissen es nicht, weil wir keinen Funktionshaushalt für das gesamte Aufkommen an Steuern und seine Verteilung auf die einzelnen Funktionsträger haben. Ich bitte deshalb darum, daß das nachgeholt wird, zumindest für das abgelaufene Jahr. Ich kann mir vorstellen, daß es für das Jahr 1959/60 nicht möglich ist; aber für das abgelaufene Jahr, für das alle Länderhaushalte
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Dr. Schild
vorliegen, läßt sich ein Überblick über den Gesamtfunktionshaushalt schaffen.
Wichtig sind auch Schätzungsergebnisse, d. h. praktisch die volkswirtschaftlichen Daten, auf denen wir unsere ganze Haushalts-, Finanz- und Steuerpolitik aufbauen. Hierzu möchte ich sagen, daß die verschiedenen volkswirtschaftlichen Abteilungen: der Bundesbank, des Bundesfinanzministeriums und anderer Ministerien und des Statistischen Bundesamtes, wie sich jetzt bei dem sogenannten Sozialbericht des Bundesarbeitsministeriums gezeigt hat, zu keiner Harmonisierung ihrer Auffassungen und der daraus zu ziehenden Konsequenzen gekommen sind. Wenn ich den Sozialbericht und die Allgemeinen Vorbemerkungen auf wichtige Zahlen hin vergleiche, so finde ich hinsichtlich der Bewertung der Einkommensverhältnisse bei Unselbständigen und Selbständigen und deren Familienangehörigen wesentliche Abweichungen. Wir dürfen uns von derartigen Abweichungen nicht beirren lassen, sondern müssen von der Bundesregierung eindeutige volkswirtschaftliche Daten verlangen. Damit will ich nicht etwa sagen, daß die verschiedenen volkswirtschaftlichen Institutionen, die die Regierung unterhält, aufgelöst werden sollten. Nur müssen die Arbeiten zur Beschaffung des Erkenntnismaterials besser als bisher harmonisiert werden.
Damit komme ich zu dem von dem Herrn Bundesfinanzminister angeschnittenen Problem der gesellschaftlichen Struktur. Jeder Bundeshaushalt, aber erst recht die Gesamthaushalte von Bund, Länder und Gemeinden stehen im Zusammenhang mit der Struktur der Gesellschaft, in der wir leben und in der wir uns entwickeln. Von der Mittelaufbringung und den öffentlichen Lasten und ihre Verteilung auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten gehen Rückwirkungen 'aus, die die Gesellschaftsstruktur entscheidend beeinflussen. Hier befindet sich auch der Herr Bundesfinanzminister in einer fragwürdigen Situation, weil kein einheitliches politisches Leitbild für die Entwicklung der Gesellschaftsstruktur vorhanden ist.
Die große Schicht der Unselbständigen in unserem Volke lebt unter dem politischen Leitbild „soziale Sicherheit". Das sind etwa 12 Millionen Familien der Arbeitnehmer, der Angestellten und Beamten und etwa 6 Millionen unverheiratete Staatsbürger derselben Schicht. Für die große Schicht der Selbständigen mit etwa 4 Millionen Familien — die Unverheirateten spielen in der Schicht der Selbständigen eine ganz geringe Rolle — besteht keine derartige politische Konzeption. Deshalb ist auch das Subventionsproblem nicht so einfach zu beurteilen.
In der Schicht der Selbständigen gibt es ganz große Gruppen, denen keine Subventionen aus den Bundes- und Länderhaushalten gezahlt werden. Hier handelt es sich lediglich um kleine berufliche Förderungsmaßnahmen. Ich denke an die 6 Millionen DM Gewerbeförderungsmittel für das Handwerk und an die 2 Millionen DM Gewerbeförderungsmittel für Handel und Gaststätten. Für die freien Berufe gibt es in diesem Haushaltsplan überhaupt
keine Förderungsmittel; wir müssen sie erst noch einmal beantragen.
Subventionen im echten Sinne aber gibt es für die große Schicht der gewerblichen Selbständigen und der freien Berufe in den Haushaltsplänen nicht, und das ist gut so. Es ist gut, daß diese Schicht der rauhen Luft des freien Wettbewerbs ausgesetzt ist; denn der Wettbewerb ist die Basis für die Erhaltung der Spannkraft, mit der die Selbständigkeit gewahrt wird, wenn auch manchmal mit sehr viel Defaitismus, wenn auch manchmal mit sehr großem Mißerfolg. Bei aller Kritik an der Subventionspolitik sollte man deshalb bedenken, daß es Bevölkerungsschichten gibt, die sich bislang von dieser Subventionspolitik ferngehalten haben.

(Sehr wahr! bei der DP.)

Ich möchte das ausdrücklich betonen, nicht etwa, weil ich in Zukunft für diese Bevölkerungsschichten Subventionen beantragen will, sondern nur, um sie als Vorbild für andere darzustellen.

(Beifall bei der DP.)

Sie sehen, wie wichtig es ist, für die Schicht der Selbständigen und ihre Strukturentwicklung gewisse Leitbilder zu schaffen, nach denen man sich auch haushaltspolitisch richten kann.
Wir haben zwei Anträge vor uns liegen - Sie
werden sie schon gelesen haben -: einmal den Antrag der Koalition, uns demnächst über die Konzentrationsmaßnahmen in der Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf die selbständigen Betriebe zu unterhalten, zum andern den Antrag der SPD, der die Bundesregierung auffordert, einen Lagebericht über die Situation der Mittelschichten — darunter sind die Selbständigen zu verstehen - im November nächsten Jahres vorzulegen. Diese beiden Anträge werden wahrscheinlich in ein und derselben Debatte, lapidar genannt: Mittelstandsdebatte, beraten werden. In Wirklichkeit wird es eine Debatte über die Lage der Selbständigen sein, die man nicht mehr mit dem allgemeinen Schlagwort , Mittelstand" erfassen kann; denn diese landläufige Bezeichnung trifft die Schicht-Situation nicht mehr. Angesichts der Disparitäten zu den Unselbständigen und zu der technisierten, automatisierten Großwirtschaft können wir zukünftig besser von der Schicht der Selbständigen sprechen.
Aber um diese Disparitäten geht es auch in diesem Haushaltsplan und in den zukünftigen Haushaltsplänen. Wir müssen uns überlegen, wie und mit welchen Mitteln wir finanzpolitisch, steuerpolitisch und haushaltspolitisch mit den aufgetretenen Disparitäten zwischen den lohnintensiven selbständigen Betrieben bis in die freien Berufe hinein einerseits und den energie- und kapitalintensiven, technisierten Betrieben der Großwirtschaft andererseits fertig werden. Zweitens müssen wir uns mit den Disparitäten befassen, die aus dem völlig verschiedenartigen Lebensrhythmus, den Lebensmöglichkeiten und dem Arbeitsaufwand der Selbständigen, im Verhältnis zu den Unselbständigen sich entwickelt haben. Auch über die Spannungsverhältnisse, die durch die unterschiedlichen Lasten, die einerseits die Selbständigen und andererseits die
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Dr. Schild
Unselbständigen zu tragen haben, entstanden sind, muß einmal ein offenes Wort gesprochen werden. Gerade die Unterschiedlichkeit dieser Lasten hat letzten Endes zu den großen Disparitäten geführt.
Das sind einige Grundsätze, die nach unserer Auffassung in Zukunft beachtet werden sollten. Aus ihnen ergeben sich auch gewisse Anträge, die wir im Laufe der Haushaltsberatungen bis zur dritten Lesung stellen werden und für die wir um Ihr Verständnis bitten.
Ich möchte Sie noch alle bitten, sich den Vermögens- und Schuldennachweis und die Allgemeinen Vorbemerkungen des Haushaltsplanes auf den Seiten 427 bis 444 eingehend anzusehen. Hier werden Sie sehen, auf welchem Wege der Konzernbildung beim Bundesvermögen auf allen Ebenen der Wirtschaft wir uns bewegen. Wir müssen uns ernsthaft überlegen, wie wir dieser Konzernbildung, dieser Vergesellschaftung, dieser völligen Überforderung von Menschen, die diese Dinge leiten sollen, einen Riegel vorschieben können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305301200
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen zu einer Schlußbemerkung,

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0305301300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sagt mir in der Presse manchmal nach, ich sei fleißig; dieser vielleicht angeborene Fleiß hat mich veranlaßt, während der Diskussion eine Antwortrede auf die Diskussionsbeiträge zu fertigen. Sie ist hier. Aber nun bin ich der Meinung, wir Männer sollten manchmal gute Ratschläge unserer Kolleginnen in diesem Hause entgegennehmen. Eine von mir sehr verehrte Kollegin hat mir im 1. Bundestag einmal etwas gesagt, was ich jetzt befolgen will. Sie hat nämlich gesagt: Mancher Mann verzichtet eher auf eine schöne Frau als auf eine vorbereitete Rede.

(Große Heiterkeit.)

Ich meine also auf die vorbereitete Rede verzichten zu sollen.

(Abg. Niederalt: Ich werde entsprechende Schlüsse ziehen! — Weitere Zurufe.)

— Die schöne Frau dafür ist noch nicht da.

(Erneute große Heiterkeit.)

Ich will also darauf verzichten, noch einen Diskussionsbeitrag zu leisten und damit vielleicht die ganze Debatte wieder aufklingen zu lassen. Ich will mich auf ein paar Schlußworte beschränken, Worte des Dankes — damit fange ich an — für die Kritik, die wir gefunden haben, so wie ich es vorgestern erbeten hatte, und natürlich auch Worte des Dankes für das Lob, das wir fanden.
Herr Kollege Schoettle, der leider nicht mehr hier sein kann, hat hier heute in seiner liebenswürdig-schwäbischen Art ein mildes Grollen durch dieses Haus gehen lassen — ich sage: ein mildes Grollen —, hinter dem, so glaubte ich vernehmen zu dürfen, doch einige Sympathie für das gestanden hat, was dieser böse Finanzminister tut. Ich bin ihm dafür dankbar, und ich möchte mich dem Wort anschließen, das Kollege Vogel gebrauchte: Wir sind sehr froh, daß er wenigstens im ersten Teil dieser Debatte wieder da sein durfte. Wir sind froh über sein Dasein in diesem Hause überhaupt.
Zu einer kleinen Sache möchte ich aber Stellung nehmen. Herr Kollege Schoettle hat heute gesagt, ich hätte eine negative Verbeugung vor der Vergangenheit gemacht, und er hat es der Phantasie des Hauses überlassen, auszudeuten, was damit gemeint sei.

(Heiterkeit und Zurufe.)

Er hat weiter gesagt, ich hätte von finanzpolitischen Folgen der Vergangenheit gesprochen, und im Grunde genommen sei meine ganze Rede doch eine scharfe Kritik an der Politik der vergangenen Bundesregierung gewesen. Nun fiel mir gestern abend, als ich meine Pressemappen studieren mußte, eine Zeitung in die Hand, zu der Herr Kollege Schoettle, wie ich glaube, Beziehungen hat. Es waren die „Stuttgarter Nachrichten", als deren Herausgeber neben zwei anderen Herren Herr Erwin Schoettle erscheint. Da ist eine sehr witzige Anfangsbemerkung gemacht, die ich dem Hohen Hause nicht vorenthalten möchte.
In einem Leitartikel, überschrieben „Etzels Budget" steht:
Schäffer hatte seinen Haushalt mit vielen Geheimnissen umgeben. Seine Vorschätzungen des Steueraufkommens waren jahrelang zu pessimistisch. Schließlich glaubten ihm seine engsten Parteifreunde nicht mehr. Seine Kassenreserven weckten auch deren Begehrlichkeit. Vor der Bundestagswahl plünderten sie gemeinsam mit der Opposition aus Angst vor dem Wähler seinen Juliusturm.
Das scheint mir ein freundliches Eingeständnis zu sein gegenüber der Situation, wie sie war, nämlich die Erkenntnis: Wir waren allzumal Sünder. Wir sollten froh sein, wenn wir über dieses „allzumal Sünder" dahin kommen, gewisse Dinge, die wir in der Vergangenheit falsch gemacht haben, in Zukunft richtig zu machen. „Seine Freunde plünderten gemeinsam mit der Opposition" — das ist ein sehr nettes Wort gerade in diesem Augenblick in Erwin Schoettles Zeitung.
Lassen Sie mich noch ein Wort der Versöhnung sagen, weil ich glaube, hier und dort falsch verstanden worden zu sein, und zwar zu dem Problem der Subventionen. Das, was ich dort gesagt habe, meine sehr verehrten Freunde, nehme ich sehr ernst. Ich möchte aber nicht, daß jetzt, vor Weihnachten, viele Freunde unseres Hauses mit falschen Vorstellungen von hier weggehen. Subventionen sind überall dort, wo sie die Kosten verfälschen, vom Übel.

(Zuruf von der SPD.)

Aber ich habe in meiner Rede sehr eindeutig erklärt, daß der Staat — und da stimme ich mit meinem Freund Schoettle durchaus überein —, natürlich gewisse Aufgaben hat, zu denen man ein Ja
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2943
Bundesfinanzminister Etzel
sagen muß. Ich habe wörtlich gesagt — ich darf diese drei Sätze wiederholen --:
Theoretisch ist es zwar richtig, daß alle Subventionen den Grundsätzen der Marktwirtschaft widersprechen. Vereinbar mit ihr sind aber auch nach meiner Meinung solche Staatshilfen, die als Start- und Anpassungshilfen zur Erleichterung struktureller Umstellungen in den Erzeugungs- und Absatzbedingungen oder auch als Überbrückungshilfe bei akuten Notständen gewährt werden. Für solche gerechtfertigte, ja zum Teil notwendige Staatshilfen, die sachlich und zeitlich begrenzt sind, hat auch der Finanzminister volles Verständnis.
Ich meine diese Subventionen im breiten Raume, im gewerblichen und im landwirtschaftlichen Raum, und einige Deutungen, die ich gelesen habe, ich hätte mich als Gegner berechtigter Wünsche der Landwirtschaft dokumentiert, sind falsch. Ich möchte ausdrücklich erklären, daß der Bundesfinanzminister, der schon zum zweitenmal 2,4 Milliarden DM in seinem Haushalt für Zwecke der Landwirtschaft eingesetzt hat, ein ausgesprochener Freund der Landwirtschaft ist.

(Beifall in der Mitte.)

Aus strukturellen Gründen muß uns an einem gesunden landwirtschaftlichen Stand gelegen sein, und wir müssen und sollen ihm deshalb helfen. Mein Wunsch und Begehren gehen allerdings dahin, daß die hohen Beträge, die wir hier ausgeben, richtig, d. h. für strukturelle Maßnahmen ausgegeben werden, damit der Bauernstand eines Tages so gesund geworden sein wird, daß er aus sich selber existieren kann. Das soll unser allgemeines Ziel sein.

(Beifall.)

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich mich an dieser Stelle dem eingangs wiedergegebenen Worte folgend mit einem nochmaligen Dank an Sie alle verabschieden.

(Erneuter Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305301400
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache und schlage Ihnen vor, den Haushaltsplan Drucksache 650 an den Haushaltsausschuß und das Länderfinanzausgleichsgesetz 1958 Drucksache 703 an den Finanzausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Zwischen den Fraktionen ist eine Einigung zustande gekommen, den größeren Teil der Tagesordnung für morgen jetzt noch zu erledigen, und zwar die Punkte 5, 6, 7, 9, 10, 11, 15, 16, 17, 18. Ich unterstelle Ihr Einverständnis Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (2. ÄndG ASpG) (Drucksache 484);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (15. Ausschuß) (Drucksache 690 und Umdruck 194).

(Erste Beratung: 37. Sitzung.)

Der Herr Abgeordnete Kunze hat einen Schriftlichen Bericht erstattet; ich danke ihm.

(auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Seuffert. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Gesetzesvorlage bedeutet unteranderem die Einbeziehung der Reichsanleihen und anderer Anleihen, deren Ablösung durch das Allgemeine Kriegsfolgengesetz geregelt wurde, in die Altsparerentschädigung. Zu diesem Punkt hat in bezug auf die Bestimmung, nach der die Verzinsung der Altsparerentschädigung für diese Anleihen anders, nämlich ungünstiger, als in sonstigen Fällen ist, ein Meinungsaustausch zwischen den Sachbearbeitern für das Kriegsfolgengesetz in den Fraktionen und dem Lastenausgleichsausschuß stattgefunden. Aus technischen Gründen hat er aber nicht vertieft werden können. Deswegen ist unserer Überzeugung nach ein Fehler vorgekommen, den wir mit der Annahme eines Änderungsantrags einzelner Abgeordneter Sie zu beseitigen bitten. In der Einfügung in § 5 Abs. 4 des Altsparergesetzes ist vorgesehen, daß die Verzinsung der Altsparerentschädigung für Reichsund sonstige Anleihen erst am 1. April 1955 beginnen soll, statt wie sonst am 1. April 1953. Man hat das, wie Sie aus dem Bericht erkennen können, damit begründet, daß die Ablösung für die Reichsanleihen selbst ebenfalls erst im Jahre 1955 beginnt. Diese Begründung ist ein Verstoß gegen die Grundsätze des Altsparergesetzes und beruht auf einem Mißverständnis. Die Altsparerentschädigung ist erstens grundsätzlich vom Stück und von dem ursprünglichen Anspruch und seinem Schicksal getrennt. Zweitens ist sie in allen Fällen unabhängig davon, wie die Sparanlage, die am Währungsstichtag noch bestanden hat, ihrerseits verzinst wird. Die meisten dieser Sparanlagen — Hypothekenpfandbriefe, Bankguthaben usw. — werden durchlaufend ab 1948 verzinst. Trotzdem wird die Altsparerentschädigung erst ab 1953 verzinst. Das hat also nichts damit zu tun. Ebensowenig kann man deshalb, weil die Verzinsung der Ablösungsschuld für Reichsanleihen erst 1955 beginnt, hier eine besondere Verzinsungsvorschrift vorsehen. Die Formulierung ist schon deswegen fehlerhaft, weil hier von der Altsparerentschädigung die Rede ist, die auf Sparanlagen im Sinne des § 2 b Abs. 1 Nr. 1, ,d. h. auf Reichsanleihen, beruht. Die Altsparerentschädigung beruht nicht auf der Sparanlage, die am 20. Juni 1948 bestanden hat, sondern auf der gesamten Altsparanlage, wie sie seit 1940 bestanden hat, welche Form auch immer sie zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen 1940 und 1948 gehabt haben mag. Wir haben in einer ganzen Reihe von Umwandlungsfällen den Grundsatz festgelegt, daß derartige Formwandlungen gleichgültig sind. 2944 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 Seuffert Um Ihnen das Fehlerhafte dieser Bestimmung zu zeigen, brauche ich nur folgendes Beispiel anzuführen. Wenn jemand etwa im Jahre 1944 aus irgendeinem Grunde Pfandbriefe in Reichsanleihen getauscht hat, bekommt er nach dieser Bestimmung eine Verzinsung ab 1953, während er, wenn er umgekehrt Reichsanleihen in Pfandbriefe getauscht hat — alles Dinge, die im Rahmen des Altsparergesetzes gleichwertig sind —, die Verzinsung erst ab 1955 bekommt. Die Sachbearbeiter der Fraktionen für das Kriegsfolgengesetz und die Abgeordneten des Lastenausgleichsausschusses — ich glaube sagen zu können, daß auch Kollege Kunze dem Antrag zustimmt — bitten Sie deswegen, diesen Fehler zu beseitigen. Er würde einen untragbaren Einbruch in das System des Altsparergesetzes und eine ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung ein und desselben, nur von Zufälligkeiten beeinflußten Sachverhalts bedeuten. Selbst wenn damit ein erhöhter fiskalischer Aufwand verbunden wäre — in Wirklichkeit fällt er kaum ins Gewicht —, rechtfertigte das nicht diese fehlerhafte Bestimmung. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dem Änderungsantrag. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Seuffert, Scharnberg, Zühlke und Dr. Lindenberg, Umdruck 194, in § 1 Nr. 5 Buchstabe c zu streichen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen; angenommen. Ich lasse abstimmen über § 1 in der Ausschußfassung, jedoch mit der soeben angenommenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen. Ich rufe auf die §§ 2, — 3, — 4, — 5, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen. Dritte Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: a)

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0305301500

(Beifall.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305301600
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Lastenausgleichsgesetzes

(Drucksache 631).

Berichterstatter zum ersten Punkt ist der Abgeordnete Kuntscher. Er hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt, wofür ich ihm danke. Wir können damit in die Beratung eintreten. Den Antrag des Ausschusses finden Sie auf Drucksache 695 Seite 2. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Zühlke.

Ernst Zühlke (SPD):
Rede ID: ID0305301700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die Bundestagsfraktion der SPD hat die Bundesregierung schon am 7. Mai 1958 in einem Antrag ersucht, bis zum 1. September 1958 den Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Lastenausgleichsgesetz vorzulegen. Dieser Antrag wurde damals nach unserer Meinung völlig unnötig dem Ausschuß überwiesen. Heute befaßt sich nun der Bundestag mit diesem Antrag und den Beschlüssen des Ausschusses. Das Ergebnis der Ausschußbeschlüsse entspricht nicht ganz unseren Vorstellungen. Die Mitglieder der CDU und CSU im Lastenausgleichsausschuß beschränkten sich auf ein Ersuchen an die Bundesregierung, Vorschläge bis zum Frühjahr 1959 zu machen. Ich möchte zu unseren Anträgen noch folgendes sagen. Wir haben das Ziel verfolgt, die Fristen für die Entrichtung von Lastenausgleichsabgaben zum Zwecke einer schnelleren Erfüllung der Ausgleichsleistungen dort, wo das ohne Härten möglich ist, zu verkürzen und die sonstigen Bedingungen zu vereinfachen.
Begründung: Schon im Herbst 1954 hat die Bundesregierung die Beschleunigung des Lastenausgleichs zugesagt. Zwar steht in diesem Jahr durch Mittel des Kapitalmarktes eine halbe Milliarde D-Mark zusätzlich zur Verfügung. Dennoch reicht dieser Betrag für eine beschleunigte Abwicklung nicht aus. Die SPD-Bundestagsfraktion vertritt die Auffassung, daß wirtschaftlich sehr gut fundierte Abgabepflichtige durchaus in der Lage wären, unter Anrechnung auf die letzten Laufjahre erhöhte Abgaberaten zu zahlen. Nach dem Bericht der Bundesministerien für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte und der Finanzen, der als Anlage zum Schriftlichen Bericht vorliegt, haben von der vorzeitigen freiwilligen Ablösung der Abgabeschuld nur 9 % aller Vermögensabgabepflichtigen, 18 % aller Hypothekengewinnabgabepflichtigen und 12 % aller Kreditgewinnabgabepflichtigen Gebrauch gemacht. Hier handelt es sich um einen Personenkreis mit überwiegend geringeren Abgabeverpflichtungen. Wenn hier keine gesetzliche Veränderung eintritt, werden die Geschädigten, die die Heimat und all ihren Besitz verloren haben, noch bis zum Jahre 1978, also 30 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, warten müssen.
Ich wiederhole jetzt einige Gedanken, die immer wieder auch in der Öffentlichkeit herausgestellt werden. Viele der Geschädigten sind schon
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2945
Zühlke
jetzt darüber hinweggestorben; viele werden noch sterben, ohne den Ausgleich ihrer materiellen Verluste zu erleben. Es war in der Tat einmal an die Umverteilung der erhalten gebliebenen Vermögen gedacht. Gesetzlich ist der Begriff der Vermögensabgabe noch vorhanden, doch es ist keine echte Vermögensumschichtung oder Vermögensabgabe; denn in Wahrheit zahlt bei uns der Verbraucher ganz allgemein mit Konsumverzicht die Vermögensabgabe zum Lastenausgleich.

(Zustimmung bei der SPD.)

Denn sie ist in den Kreisen der Erzeuger als Kosten einkalkuliert.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ferner war in unserem Antrag hervorgehoben, und ich will das noch einmal betonen: Die SPD-Bundestagsfraktion hält weiterhin an einer Anhebung der Unterhaltshilfesätze fest, an einer Verbesserung der Bestimmungen über die Verrechnung zwischen Unterhaltshilfe und sonstigen Einkünften, an einer Verbesserung der Anrechnungsbestimmungen zwischen Unterhaltshilfe und Hauptentschädigung.
Wie außerdem aus dem Bericht des Bundesministeriums zu ersehen ist, steht noch eine Regelung betreffend die Ersatzeinheitsbewertung aus. Der Bericht sagt: „Es kann damit gerechnet werden, daß das Bundeskabinett im Frühjahr des kommenden Jahres die Rechtsverordnungen vorlegen wird, um die Feststellungen bestimmter Fakten durchführen zu können." Dadurch ist die im Feststellungsgesetz enthaltene Voraussetzung für die Entschädigung heute noch nicht abgeschlossen.
Es wird von der SPD-Bundestagsfraktion begrüßt, daß sich Beirat und Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt in ihren letzten Sitzungen mit der Verwendung von Mitteln für das Rechnungsjahr 1959 jetzt schon befaßt haben und die vorhandenen Mittel rechtzeitig verteilen werden. Die Anspruchsberechtigten aus dem Lastenausgleich bleiben nach dem Verhalten der Mehrheit des Lastenausgleichsausschusses weiterhin in der Ungewißheit, wann ihre berechtigten Wünsche in Erfüllung gehen werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich auch in Zukunft bemühen, eine Verbesserung des Lastenausgleichs zu erreichen. Sie hofft dabei auf die Unterstützung derjenigen, die heute noch keine Veränderung zugunsten der Geschädigten durchführen wollen. Trotz dieser Tatsache werden wir dem Ausschußantrag unsere Zustimmung nicht verweigern.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305301800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0305301900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich auf eine kurze Bemerkung zu dem Schriftlichen Bericht Drucksache 695 beschränken. Sie ersehen aus dieser
Drucksache, daß wir uns bei der Abstimmung im Ausschuß für Lastenausgleich der Stimme enthalten haben. Das geschah aus folgendem Grund.
Die Fraktion der SPD hat ihren Antrag am 7. Mai 1958 eingebracht. Wir mußten mit Befremden feststellen, daß diesem Antrag von der Mehrheit dieses Hauses eine hohe Dringlichkeit offensichtlich nicht zugesprochen wurde. Nach unserer Auffassung ist es unumgänglich notwendig, für den Geschädigtenkreis etwas Konkretes zu tun. Daher haben wir mit unserem Antrag Drucksache 631 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Nach unserer Meinung darf keine Zeit mehr verloren werden, die entstandenen Schäden soweit wie möglich auszugleichen.
Die Freie Demokratische Partei hat sich immer dadurch ausgezeichnet, daß sie dafür eingetreten ist, daß Steuergelder oder — in diesem Falle — das Lastenausgleichsaufkommen der Bürger mit Vernunft und Überlegung verwaltet wird. Wir wollen nicht darüber hinwegsehen, daß hier einem Geschädigtenkreis noch sehr viel vorenthalten wird, was ihm aus Gründen der Gerechtigkeit zusteht. Wir bitten alle Fraktionen dieses Hauses herzlich um ihre Mitarbeit bei der Beratung unseres Gesetzentwurfs, damit wir zu einem befriedigenden und gerechten Ergebnis kommen können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305302000
Das Wort hat der Abgeordnete Kuntscher

Ernst Kuntscher (CDU):
Rede ID: ID0305302100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich sehr kurz fassen und zu der Erklärung des Kollegen Zühlke nur einiges feststellen. Herr Kollege Zühlke hat gesagt, die Mehrheit des Lastenausgleichsausschusses verlange von der Regierung nur Vorschläge, die sich mit dem Anliegen des SPD-Antrages beschäftigten. Ich verweise auf den Schriftlichen Bericht, der Ihnen allen vorliegt. Sie ersehen daraus, daß die Dinge doch etwas anders liegen.

(Abg. Rehs: Kautschuk!)

Der Beschluß des Ausschusses geht dahin, daß die Bundesregierung bis zum 1. März 1959 einen Entwurf über die in dem Antrag angesprochenen Fragen vorlegen soll. Das ist doch etwas anderes, als nur zu prüfen und Vorschläge zu machen.
Weiter wurde in der Erklärung bemängelt, daß der Ausschuß der Regierung nicht den Auftrag zur Erhöhung der Unterhaltshilfen gegeben habe. Ich verweise wiederum auf den Schriftlichen Bericht und auf den Beschluß des Ausschusses, der im Protokoll niedergelegt ist; das Protokoll ist einzusehen. Wir ersuchen die Bundesregierung, die Möglichkeiten einer Verbesserung der Kriegsschadenrente zu prüfen. Die Kriegsschadenrente setzt sich bekanntlich aus zwei Bestandteilen zusammen: der Unterhaltshilfe und der Entschädigungsrente. In unserem Ersuchen an die Regierung ist also sowohl die Unterhaltshilfe als auch die Entschädigungsrente angesprochen.
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Kuntscher
In der Erklärung wird ferner bemängelt, daß noch eine ganze Reihe von Rechtsverordnungen fehlen; dadurch werde die Schadensfeststellung behindert. Dazu ist zu sagen, daß 21/2 Millionen Anträge vorliegen, die sich mit Schäden befassen, die außerhalb der Hausratsentschädigung liegen, die also Realschäden darstellen. Für 91 % der Schadensfälle liegen Rechtsverordnungen vor, die eine Schadensfeststellung ermöglichen. Für 8,5 % von Schäden schweben die letzten Verhandlungen, und in den nächsten Wochen sind auch für diese Schadensarten die Rechtsverordnungen zu erwarten. Es bleibt dann nur noch ein Rest von 0,5 % aller Schadensfälle, für die durch Rechtsverordnungen der Weg zur Feststellung geschaffen werden muß.

(Abg. Rehs: Immerhin sechs Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes!)

— Herr Kollege Rehs, ich bedauere diesen Zwischenruf; denn Ihnen sind die ungeheuren Schwierigkeiten, die überwunden werden müssen, urn diese Rechtsverordnungen erstellen zu können, genauso bekannt wie mir.

(Abg. Rehs: Das ändert doch nichts an der Tatsache!)

Wir müssen noch folgendes beachten. Ich bin der Überzeugung, daß wir, auch wenn wir schon vor zwei Jahren alle Rechtsverordnungen besessen hätten, mit der Schadensfeststellung heute noch nicht viel weiter wären, weil nämlich angesichts der Schwierigkeit der Materie die Durchführung im Einzelfall sehr kompliziert ist und weil das Personal bei den Ausgleichsämtern vielleicht zu gering ist; das gebe ich zu. Aber glauben Sie mir, an dem Fehlen der Rechtsverordnungen allein hat es nicht gelegen, daß wir mit der Schadensfeststellung noch nicht weiter sind.

(Abg. Rehs: Das hat niemand behauptet!)

Was das letzte Anliegen in der Erklärung betrifft, Abwicklung der Hauptentschädigung, so sind wir uns alle einig, daß wir alles, alles tun wollen, um die Fristen der Abwicklung zu verkürzen. Ich glaube, wir sind, seitdem wir vor etwas über einem Jahr zur Abwicklung der Hauptentschädigung gelangt sind, erfreulicherweise einige Schritte vorwärtsgekommen. Ich verweise hier auch auf die Beschlüsse in der letzten Sitzung des Kontrollausschusses vom 1. Dezember, wo wir den Dringlichkeitskatalog wesentlich erweitern und dem Präsidenten des Bundesausgleichsamtes die Ermächtigung geben konnten, je nach den vorhandenen Mitteln in der nächsten Zeit die Altersgrenze von 70 auf 65 Jahre herabzusetzen, damit die bekannten Teilbeträge der Hauptentschädigung an die 65jährigen und älteren Berechtigten ausgezahlt werden können.
Arbeiten wir alle zusammen, stehen wir alle zusammen, daß wir im kommenden Rechnungsjahr mindestens die gleiche Vorfinanzierung erreichen wie in diesem Jahr! Dann, glaube ich, werden wir nicht nur den Dringlichkeitskatalog erweitern, sondern auch noch andere Maßnahmen — solche eigentumsbildender Art — über die Hauptentschädigung treffen können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305302200
Wird weiter zu den Punkten 6.a und 6 b das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 695 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen — rechts — angenommen.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag auf Drucksache 631 dem Ausschuß für Lastenausgleich — federführend — sowie dem Haushaltsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des § 64 des Landbeschaffungsgesetzes (Drucksache 601) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (6. Ausschuß) (Drucksache 700).

(Erste Beratung: 48. Sitzung.)

Der Berichterstatter. der Abgeordnete Eilers, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich danke ihm dafür.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf: § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. Wird dazu das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Eilers.

Jan Eilers (CDU):
Rede ID: ID0305302300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur einige ergänzende Bemerkungen zu dem vorgelegten Schriftlichen Bericht zu machen.
In den Beratungen des Ausschusses für Inneres ist, worauf ich insbesondere aufmerksam machen darf, von den Vertretern der SPD-Fraktion Kritik daran geübt worden, daß der in Aussicht genommene Truppenvertrag immer noch nicht abgeschlossen werden und wegen dieses Mangels leider auch die Regelung der Verhältnisse der bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigten Bediensteten immer noch nicht erfolgen konnte.
Im Ausschuß für Inneres ist ferner die Befürchtung ausgesprochen worden, daß auch heute noch größere Landflächen als wirklich benötigt von den Stationierungsstreitkräften beansprucht werden. Die eingehenden Beratungen haben ergeben, daß sowohl das Bundesfinanzministerium als auch das Bundesinnenministerium bemüht sind, Forderungen der Stationierungsstreitkräfte, die offensichtlich überhöht sind, entgegenzutreten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0305302400

Die Bemühungen, die Verhandlungen zu einem baldigen Abschluß zu bringen, sind im
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2947
Eilers (Oldenburg)

letzten halben Jahr verstärkt worden. Bis auf einige wenige, zum Teil allerdings bedeutsame Fragen sind nunmehr alle Probleme gelöst. Über die deutsche Haltung in den noch nicht geregelten Fragen, zu denen auch das Problem der weiteren Zurverfügungstellung von Liegenschaften gehört, hat die Bundesregierung jetzt entschieden. Auf Grund dieser Entscheidung strebt das Auswärtige Amt gemeinsam mit den an den Verhandlungen beteiligten anderen Bundesministerien
— also mit dem Finanzministerium und dem Innenministerium —
an, auch über die restlichen Fragen zu einer Einigung mit den sechs Entsendestaaten (Vereinigte Staaten, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Kanada und die Niederlande) zu gelangen. Der gegenwärtige Stand der Erörterungen läßt die Hoffnung begründet erscheinen, daß die Verhandlungen in den nächsten Monaten zu Ende geführt werden können.
Ich darf hier der Hoffnung Ausdruck geben, daß diese Frist nicht übermäßig lang ausgedehnt wird und wir in den nächsten sechs Monaten zu diesem Abschluß gelangen, damit wir auch in der Abwicklung der weiteren Vertragsverhandlungen betreffend die Bereitstellung des benötigten Geländes zügig weiterkommen.
Der Ausschuß für Inneres empfiehlt Ihnen, wie gesagt, die Gesetzesvorlage anzunehmen.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Gegen die Opposition, Herr Kollege!)

— Gegen die Stimmen der Opposition der SPD, was damit bestätigt sei.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305302500
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ergänzungen. — Das Stimmenverhältnis wird ja jetzt noch einmal öffentlich festgestellt werden
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den §§ 1, 2 und 3 sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen die Stimmen der SPD angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich in der Schlußabstimmung vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Mitglieder des Hohen Hauses angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes (Drucksache 705).
Ich komme zur ersten Beratung. Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Eine Ausschußüberweisung findet nicht statt.
Es wird kein Widerspruch gegen die zweite Beratung erhoben. Ich eröffne damit die zweite Beratung und rufe auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich in der Schlußabstimmung vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zu Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den internationalen Betäubungsmittel-Protokollen von 1946, 1948 und 1953 (Drucksachen 453, zu 453) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache 701).

(Erste Beratung: 42. Sitzung)

Der Berichterstatter, der Abgeordnete Dr. Reith, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt; ich danke ihm.
Ich komme damit zur zweiten Beratung und rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift sowie die Anlagen. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem samt Anlagen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich komme zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vierten Zusatzabkommen vom 1. November 1957 zum Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Drucksache 524);
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) (Drucksache 689).

(Erste Beratung: 45. Sitzung.)

Ich danke. dem Abgeordneten Draeger als Berichterstatter für den Schriftlichen Bericht.
2948 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich komme zur zweiten Beratung und rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift mit Anlagen. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
In der allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht begehrt. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf mit Anlagen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksachen 523, 688).
Das Wort hat der Berichterstatter, der Abgeordnete Junghans, zur Ergänzung seines Schriftlichen Berichts.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0305302600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter möchte ich Sie aus formellen Gründen auf einen Druckfehler in dem Entwurf einer Achtzehnten Verordnung hinweisen. In der Drucksache 523 heißt es: „Auf Grund des § 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung . . ." usw. Es muß heißen: „Auf Grund des § i Abs. 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung . . ." usw. Ich bitte, vor der Abstimmung diese Druckfehlerberichtigung vorzunehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0305302700
Die Berichtigung wird zur Kenntnis und zu Protokoll genommen. Ich darf dem Herrn Berichterstatter danken. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Ich rufe auf Punkt 16 der gemeinsamen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (21. Ausschuß) über den Entwurf einer Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Durchführung und Ergänzung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Drucksache 655 und 714).
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Scharnowski, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich danke ihm. Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses, den Verordnungsentwurf Drucksache 655 zur Kenntnis zu nehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 17 der gemeinsamen Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betr. Veräußerung bundeseigener Grundstücke im Bereich Alter Postplatz, Rotebühl- und FritzElsas-Straße in Stuttgart an die Stadt Stuttgart (Drucksache 694).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. — Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 18 der gemeinsamen Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Kriegsopferversorgung (Drucksache 621).

(Zuruf: Die Begründung ist schriftlich erfolgt!)

— Es wird die schriftliche Begründung übernommen. Ich danke Ihnen dafür. Eine mündliche Begründung erübrigt sich. Auf Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen vor. — Widerspruch erfolgt nicht; eis ist so beschlossen.
Damit haben wir die erweiterte Tagesordnung für den heutigen Tag erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 12. Dezember 1958, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.