Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einigen Haushaltsproblemen Stellung nehme, möchte ich mit ein paar Sätzen auf die Schlußbemerkungen eingehen, die Herr Kollege Schoettle über den Bundeskanzler und über Bundesminister Schäffer gemacht hat.
Es gibt keinen Zweifel, daß überall im Wahlkampf, hüben und drüben, harte Worte fallen. Da können wir aufrechnen, meine Damen und Herren. Das passiert überall. Mögen diese harten Formulierungen auf der Ebene zurückgewiesen werden, auf der sie gebraucht werden.
Jedenfalls sollten sie nicht dazu führen, daß hier in bezug auf den Bundeskanzler von ,,Altersstarrsinn" gesprochen wird.
Ein hartes, ungutes und nicht gerade geschmackvolles Wort.
— Ein Wort, das von uns, der Fraktion der CDU/ CSU, zurückgewiesen wird; ein Wort, das aber auch zurückgewiesen wird — und darauf bitte ich doch etwas zu achten — von der ganzen Welt, die
die einmaligen physischen Leistungen dieses Mannes bewundert,
und nicht zuletzt zurückgewiesen wird und immer
wieder deutlich zurückgewiesen wurde vom deutschen Wähler. Das paßt Ihnen am allerwenigsten.
Desgleichen halte ich auch die Bemerkung über den Minister Schäffer für eine derart maßlose Übertreibung, daß sie sich selbst richtet. Kein Wort mehr darüber!
Nun zum Thema des heutigen Tages. In Ergänzung der Ausführungen des Kollegen Vogel und in teilweisem Eingehen auf die Kritik des Kollegen Schoettle und auch des Kollegen Lenz möchte ich einiges über die Methoden des Haushaltsausgleichs ausführen. Es besteht kein Zweifel, daß die Mittel, zu denen der Bundesfinanzminister in diesem Jahr zum Haushaltsausgleich greifen mußte, nicht ideal sind. Kein Haushaltsfachmann kann sich darüber freuen. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat daran keine Freude. Wer seine Haushaltsrede verfolgt hat und es etwas versteht, zwischen den Zeilen zu lesen, hat das wohl auch deutlich herausgefunden. Die gegebene Lage zwingt ihn eben dazu, diese Methode des Haushaltsausgleichs vorzuschlagen. Jede Schuld rächt sich auf Erden.
-- Ich höre gern Ihr „Sehr wahr!" und werde darauf zurückkommen. Die Schuld, die sich hier rächt, besteht darin, daß wir, der, Deutsche Bundestag, Kassenmittel zweckentfremdet haben, daß wir in den vergangenen Jahren Kassenmittel nicht für die von uns beschlossenen und bewilligten Ausgabepositionen, sondern anderen Zwecken zugeführt haben.
Nun zu Ihrem „Sehr wahr!", meine Damen und Herren von der SPD. Sie wissen das genausogut wie ich und haben da fest mit uns beschlossen. Wenn wir Ihren Anträgen gefolgt wären, wäre heute ein Haushaltsausgleich noch viel schwerer zu erreichen, ja ohne Steuererhöhung überhaupt unmöglich.
Der Ansatz von 11 Milliarden DM im Verteidigungshaushalt hat seinen guten Grund. Jedermann im Inland und im Ausland soll der volle Umfang unserer finanziellen Belastungen, die wir für unsere Verteidigung und damit für unsere Freiheit auf uns nehmen, deutlich sichtbar gemacht werden. Wir haben keinen Grund, mit diesem Betrag zurückzuhalten. Auch daß die 2 Milliarden DM nicht gleich im Einzelplan 14, sondern im Einzelplan 60 bei der Allgemeinen Finanzverwaltung ausgebracht sind, hat seine Berechtigung, weil wir nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre annehmen können, daß nicht bloß im Einzelplan 14, sondern auch
Niederalt
bei anderen Ressorts wiederum Ausgabereste anfallen, wie dies seit Jahren der Fall ist.
— Das ist nicht richtig, Herr Kollege Schäfer. Da haben Sie ein Exemplar des Haushaltsplans, das einmal war. Lesen Sie das neueste Exemplar durch!
.
— Nein, das ist das Exemplar, das die Mitglieder des Haushaltsausschusses vorweg bekommen haben.
Meine Damen und Herren, bei aller Kritik an der Methode des Haushaltsausgleichs, für die ich — das möchte ich ganz deutlich sagen — ein gewisses Verständnis aufbringe, sollte aber -- und das sage ich vor allem unserem verehrten Kollegen Lenz — ein wichtiges Positivum in diesem Haushaltsplan nicht übersehen werden. Mit dem Ansatz von 4 Milliarden DM im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums zur Neudeckung von Ausgaberesten beschreiten wir einen neuen Weg, der geeignet ist, aus der unglücklichen und verwirrenden Misere der Haushaltsreste herauszuführen. Dafür, daß dieser Weg beschritten wurde, müssen wir dem Bundesfinanzminister dankbar sein. Wir alle können die Bundesregierung nur dringend auffordern, diesen Weg in den nächsten Haushaltsjahren unbeirrt fortzusetzen.
— Ich komme gleich darauf, Herr Kollege Schäfer. Ich habe insoweit die gleiche Auffassung wie Sie.
Wir befinden uns praktisch auf dem Weg, den guten alten § 75 unserer Haushaltsordnung wiederum zu Ehren kommen zu lassen, jenen Paragraphen, der bestimmt, daß das Defizit eines Haushalts spätestens im zweitnächsten Rechnungsjahr mit in den Haushalt aufgenommen werden muß. Nur auf diesem Wege kommen wir endlich einmal wieder zu jener Haushaltsklarheit, die wir brauchen und die jedem Abgeordnetem, auch dem, der sich nicht näher mit Haushaltsangelegenheiten befaßt, die Haushaltslage klipp und klar vor Augen führt.
Diese Haushaltsklarheit, deren Notwendigkeit auch der Bundesfinanzminister betont hat, ist Voraussetzung dafür, daß jeder Staatsbürger, jeder Interessenverband und auch jeder Abgeordnete endlich einmal wieder den Zusammenhang zwischen Ausgaben und Einnahmen sieht. Es muß klarwerden, daß, wenn jemand von uns eine Forderung von 100 oder 500 Millionen DM durchsetzen will, das nur bedeuten kann: entweder in der gleichen Höhe Steuererhöhung oder aber in der gleichen Höhe Abzweigung aus einem anderen Ressort. Diese selbstverständliche Binsenweisheit ist uns allen, meine Damen und Herren, wegen gewisser Haushaltsreste der vergangenen Jahre in der Praxis verlorengegangen.
Der Bundesfinanzminister hat erklärt, den Weg am Rande des Defizits der aber nicht ins Defizit führt — gehen zu wollen. Das ist eine schwierige Gratwanderung, bei der wir alle dem Bundesfinanzminister Hilfestellung leisten müssen.
Nun noch einiges zu den Ausführungen des Kollegen Schoettle. Er hat kritisiert, daß in die Sozialausgaben wieder alles Mögliche hineingerechnet werde, was mit Sozialausgaben nichts zu tun habe. Diese Kritik war überflüssig. Herr Kollege Schoettle hätte nur den nächsten Absatz der Haushaltsrede zu lesen brauchen. Da steht klipp und klar: Die Sozialausgaben im engeren Sinne betragen 10 Milliarden DM. Also insoweit war jede Kritik überflüssig.
Dann hat Herr Kollege Schoettle die Sonderlasten angesprochen, die wir im Nachkriegsdeutschland zu tragen haben, und gesagt, daß wir diese auch innerhalb der NATO angerechnet haben wollen. Das, meine Damen und Herren, ist auch unsere Auffassung, aber auch die Auffassung des Bundesfinanzministers. Auch das steht ganz klar und deutlich in der Haushaltsrede. Wenn Sie es nachlesen wollen — ich habe mir die Seitenzahl herausgeschrieben , es ist die Seite 27. Also auch insoweit liegt kein Anlaß zur Kritik vor.
Was nun die gesamte Kritik anbelangt, daß wiederum die Sozialausgaben zu gering seien und daß auf der anderen Seite zuviel ausgegeben werde — ja nun, meine Damen und Herren, das ist das, was wir alljährlich bei den Haushaltsberatungen erleben. Darauf können wir immer wieder nur erwidern, was wir schon in den vergangenen Jahren sagten: Uns ist die äußere Sicherheit genauso wertvoll, für uns ist sie genauso notwendig wie die innere Sicherheit, und wir können — ich glaube, daß es sich heute bei dem Gedanken an Berlin fast erübrigt, darüber auch nur einen Satz zu sagen —nicht stets erwarten, daß die Alliierten immer und ewig für uns die Kastanien aus dem Feuer holen, und wir stehen daneben.
Nun zu einem leidvollen Kapitel, zur Frage der Personalverwaltung! Ich möchte hier über dieses Kapitel in diesem Jahre nicht allzu viel sagen. Sie wissen, daß wir, die CDU/CSU-Fraktion, im vergangenen Jahr, d. h. beim Haushalt 1958, dem Hohen Hause eine Entschließung vorgelegt haben, nach der eine Vermehrung der Personalstellen nur noch gestattet sein soll, wenn sie die unvermeidliche Folge neuer gesetzlicher Aufgaben ist und der Bedarf durch personelle Umbesetzungen nicht gedeckt werden kann. Außerdem wird in der Entschließung gefordert, daß Stellenhebungen künftig, falls nicht eine wesentliche Veränderung des Arbeitsgebiets eingetreten ist, überhaupt nicht mehr zuzulassen sind. Der Sinn dieser Entschließung war, endlich einmal mit den allmählich zur Mode gewordenen ständigen Stellenvermehrungs- und Stellenhebungswünschen Schluß zu machen. Ich hatte gehofft, in diesem und im kommenden Haushaltsjahr über die Personalverwaltung kein Wort mehr verlieren zu müssen.
Leider, leider ist dem nicht so. Der Haushaltsplan 1959 sieht — ohne die Bundeswehr — eine Mehranforderung von 1884 Stellen vor. Von diesen 1884 Stellen entfallen 650 auf die tarifliche Umgruppierung von bereits vorhandenen Arbeitern, so daß eine echte Stellenvermehrung um 1234
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2935
Niederalt
Kräfte beantragt ist. Davon entfallen allein wiederum 250 Kräfte auf die Flugsicherung. Angesichts dieser Zahl wird von mir gern zugegeben, daß, offensichtlich unter dem Eindruck der Entschließung, hinsichtlich der Stellenvermehrungswünsche gegenüber den früheren Jahren eine Besserung eingetreten ist. Insoweit ist ein — allerdings mäßiger — Erfolg festzustellen, und wir werden im Haushaltsausschuß genau zu prüfen haben,
inwieweit die neuen Stellen den Voraussetzungen unserer Entschließung entsprechen.
Sehr enttäuscht bin ich allerdings hinsichtlich der Anträge auf Stellenhebungen. In diesem Haushalt werden wiederum Wünsche auf Hebung von weit über 2000 Stellen präsentiert, und das, nachdem die Verbesserung der Besoldungsordnung längst durchgeführt ist, nachdem sich die Bundesverwaltung längst konsolidiert hat und keinerlei wesentliche Aufgabenveränderungen mehr vorliegen. Soweit nicht, wie etwa bei der Zollverwaltung, möglichen Stellenhebungen auch entsprechende Einsparungen auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen gegenüberstehen, werden wir nach meiner Meinung die Anträge ohne lange Debatte einfach zurückweisen müssen.
Unsere Zeit muß uns zu kostbar sein, als daß wir uns ewig mit diesen Forderungen aufhalten. Wenn man sieht, daß bei vielen Stellenhebungsanträgen immer wieder die alten Wünsche kommen, die wir schon des öfteren abgelehnt haben, so ist man versucht zu fragen: Quo usque tandem, Catilina? Wie lange will man noch unsere Geduld in Anspruch nehmen?
— Aber, Herr Kollege, Sie kennen mich; Sie dürfen ruhig auf mich zurückkommen.
Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Haushalt 1959 klar zum Ausdruck gebracht, daß eine auf Einschränkung des Personalbedarfs gerichtete Politik nur Erfolg haben kann, wenn sie längere Zeit folgerichtig durchgeführt wird, und hat deshalb empfohlen, den bisherigen Personalhaushalt unverändert zu belassen.
— Herr Conring, darauf komme ich jetzt. — Allerdings hat er vergessen, das, was er empfiehlt, für sein eigenes Haus anzuwenden, und er hat bei 31 Beamtenplanstellen insgesamt nicht weniger als 7 Stellenhebungen beantragt, obwohl sich im Aufgabengebiet des Bundesrats sicherlich seit Beginn seiner Tätigkeit keine Veränderung vollzogen hat und im übrigen schon in den früheren Jahren Stellenhebungen vorgenommen wurden.
Bei der Verabschiedung des Haushalts 1958 hat der gleiche Bundesrat — es war in seiner Sitzung vom 21. Juli 1958 — durch den Berichterstatter
Kritik geübt, daß die von ihm vorgeschlagene Strenge auf dem Gebiet der Personalverwaltung vom Bundestag leider nicht voll angewandt worden sei. Im gleichen Atemzug hat er aber in einer unmittelbar folgenden Erklärung das Bedauern zum Ausdruck gebracht, daß sich der Bundestag über die Personalwünsche des Bundesrats hinweggesetzt habe.
— Solches Verhalten ist sicher widersprüchlich, verehrter Herr Kollege Conring. Ich erinnere mich da an einen schönen Spruch aus meiner Heimat:
O Heiliger Sankt Florian,
verschon' mein Haus, zünd' andre an!
Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wenn wir mit unseren Bestrebungen, den ständigen Personalvermehrungs- und Stellenhebungswünschen Einhalt zu gebieten, Erfolg haben wollen und wenn wir bei diesem Bemühen ehrlich bleiben wollen, müssen wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen, wir hier im Bundestag genauso wie, ich hoffe immer noch, das auch der Bundesrat in seinem Haus machen wird.
Ich möchte mich nun, meine Damen und Herren, einem etwas freundlicheren Thema zuwenden. Eine große Freude, Herr Bundesfinanzminister, wurde mir zuteil, als ich vorgestern in Ihrer Haushaltsrede hörte, was Sie zur Frage der regionalen Wirtschaft sagten. Der modernen Industriewirtschaft, so sagten Sie, wohne die Tendenz inne, nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen in einigen Räumen besonders stark zusammenzuballen, während andere Landesteile sich zu gleicher Zeit entvölkern und wirtschaftlich zurückbleiben. Diesen Tendenzen müsse planmäßig auf lange Sicht begegnet werden. Sie sprachen dann weiter von einem umfassenden Plan zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur bestimmter bisher zurückgebliebener Landesteile. Das waren wirklich goldene Worte, Herr Bundesfinanzminister, und das war Musik in meinen Ohren, der ich in den vergangenen Jahren von dieser Stelle aus für die CSU auf diese eminent wichtige Frage immer und immer wieder hingewiesen hatte. Es hat den Anschein, daß nunmehr die Saat aufgeht, die wir von der Landesgruppe der CSU in die Erde um den Bundesfinanzminister legten, obwohl uns diese Erde um den Bundesfinanzminister hinsichtlich dieser Frage manchmal Ödland zu sein schien, auf dem das beste Saatgut nicht gedeiht.
Wir sind dankbar, daß die Mittel für das regionale Förderungsprogramm trotz gewisser Schwierigkeiten vor einiger Zeit in vollem Umfang einhalten bleibt. Es steht feist, daß sich das regionale Förderungsprogramm des Bundes sehr segensreich ausgewirkt hat, vor allem in jenen Gebieten, die durch den Eisernen Vorhang in ihrem Wirtschaftsleben so schwer behindert wurden. Trotz gewisser Erfolge ist aber die Wirtschaftskraft in diesen Teilen unseres Landes noch weit unter dem Bundesdurch-
2936 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958
Niederalt
schnitt, und nur die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor innrer- und außerhalb der Saison erheblich über dem Bundesdurchschnitt. Die übernormale Abwanderung aus diesen Gebieten hält vielfach noch an. Vor allem leidet ein Teil der Bevölkerung unter der Geißel der Arbeitsvermittlung nach auswärts. Es kann zu keinem guten Ende führen, wenn der Familienvater deshalb, weil er zu Hause beim besten Willen keine Arbeit findet, Jahr für Jahr auf lange Monate seine Frau und seine Kinder verläßt, um irgendwo in Baden-Württemberg oder sonstwo Arbeit zu suchen. Es ist höchste Zeit, daß wir uns dieses Problems energischer als bisher annehmen.
Das regionale Förderungsprogramm allein, so wertvoll es ist, reicht, wie auch der Herr Bundesfinanzministerangedeutet hat, zur Behebung dieses Notstands nicht aus. Es bedarf einer Ergänzung durch einen umfassenderen Plan, der nach meiner Meinung vor allem auch Maßnahmen andere r Ressorts einbeziehen sollte. Ich denk e hier insbesondere an Maßnahmen im Rahmen des Bundesverkehrsministeriums. Der beschleunigte Ausbau der Lebensadern in diese revier- und verkehrsfernen Gebiete ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, daß kleinere und mittlere Betriebe sich nicht wie bisher immer nur in den Ballungsräumen festsetzen, sondern dort hingehen, wo noch Arbeitskräfte verfügbar sind.
Ich weise nur auf zwei solche Lebensadern hin weil sie mir für den bayrischen Raum besonders wichtig erscheinen, nämlich die Autobahn Frankfurt—Nürnberg—Regensburg und den Rhein-MainDonau-Kanal. Eis ist im Hinblick auf den Gesamtplan nicht einzusehen, warum der Ausbau der Autobahn Frankfurt —Nürnberg— Regensburg nicht schneller vonstatten gehen soll und kann, zumal man weiß, daß im Verkehrsetat immer noch, auch in diesem Jahr leider wieder, Ausgabereste anfallen. Warum verwenden wir die Ausgabereste nicht für diesen Zweck?
— Herr Kollege Ritzel, ich werde dieser Frage selbstverständlich nachgehen, und wenn wir wissen — bestimmt wissen, nicht nur nach Gerüchten, wie sie manchmal sehr schnell in die Welt gesetzt werden —, daß es an Bayern liegt, dann werden wir das Nötige veranlassen; darauf können Sie "sich verlassen.
Zum Rhein-Main-Donau-Kanal auch nur ein ganz kurzes Wort. Der im Hauhaltsplan hierfür vorgesehene Betrag ist in diesem Haushaltsjahr um 2,5 Millionen DM gekürzt worden. An sich verdient eine solche Tatsache in der ersten Lesung keine Erwähnung; das ist Sache der Aussprache in der zweiten Lesung. Ich erwähne sie aber bei der ersten Lesung, weil ich in dieser Kürzungsmaßnahme eine Sünde wider den Geist der eben geschilderten Konzeption der Bundesregierung sehe. Auf der einen Seite wird gesagt, daß der Entvölkerung gewisser Landesteile planmäßig und auf lange Sicht begegnet werden muß, auf der anderen Seite werden die Mittel für eine Großschiffahrtsstraße wie den RheinMain-Donau-Kanal gekürzt, die im wesentlichen mit dazu beitragen soll, den Ausgleich der Standortnachteile revierferner Zonenrandgebiete zu bewirken. Einzelheiten brauchen wir hier nicht zu erörtern. Ich darf Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, jetzt schon ankündigen, daß die CSU durch einen Antrag die Sache wieder auszugleichen versuchen wird.
Viele Spannungen und Schwierigkeiten in unserem Wirtschaftsleben würden erheblich gemildert werden, hätten wir nicht so große Unterschiede in der Wirtschaftskraft einzelner Landesteile. Es ist heute vom Kollegen Schoettle, vom Kollegen Vogel und auch vom Kollegen Lenz wiederholt von der Not der Gemeinden und von den Forderungen der Gemeinden gegenüber dem Bund die Rede gewesen. Auch die Frage der Notlage der Gemeinden hängt weitgehend mit dem Problem der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur zusammen. Wir haben heute im großen und ganzen nur noch zwei Kategorien von Gemeinden, nämlich auf der einen Seite Gemeinden mit gewerblichen und Industriebetrieben und demgemäß auch entsprechenden GewerbesteuerEinnahmen und auf der anderen Seite, vor allem in unseren Notstandsgebieten allüberall, nicht bloß in Bayern, Gemeinden, die beim besten Willen nicht wissen, woher sie die Mittel nehmen sollen, um ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Es ist völlig falsch, von der Not der Gemeinden im allgemeinen zu sprechen.
Dort, wo Industriebetriebe sind, wo Gewerbebetriebe sind, geht es den Gemeinden vielfach sehr gut, und dort, wo das nicht der Fall ist, wissen, wie ich sagte, die Gemeinden nicht, wie sie auch nur das Wichtigste machen sollen.
Sie sehen auch an diesem Beispiel, wie ungeheuer wichtig die Frage einer in etwa ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur unserer Bundesrepublik ist, und deshalb habe ich immer wieder darauf hingewiesen. Herr Bundesfinanzminister, Sie dürfen sich darauf verlassen, daß ich diesen Satz aus Ihrer Haushaltrede niemals vergessen werde, daß ich jeden Tag daran denken und auch mit geeigneten Maßnahmen und Vorschlägen zu Ihnen kommen werde.
Meine Damen und Herren, als Sprecher der einzigen im Bundestag vertretenen Landespartei glaube ich, im Rahmen dieser gesamtpolitischen Aussprache noch ein paar Worte über das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern sagen zu müssen. Zunächst dürfen wir wohl alle mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, daß es gelungen ist, das Gesetz über den horizontalen Finanzausgleich mit einer wesentlich intensiveren Leistung für die sogenannten nehmenden Länder zustande zu bringen. Sicher war bei diesem Gesetz die Erkenntnis der Länder maßgebend, und zwar auch auf Seiten der gebenden Länder, daß die Länder insgesamt in einem gemeinsamen Boot sitzen, das in
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2937
Niederalteiner manch recht unfreundlichen See se gelt.
Und wenn der Ministerpräsident eines gebenden Landes nach Presseberichten gesagt haben soll, durch den Finanzbeitrag seines Landes werde die Staatsoper in München finanziert, so kann ich nur annehmen, daß diese Bemerkung von ihm selbst nicht ernst genommen werden will. Jeder, der über das Funktionieren eines föderativen Staates etwas nachgedacht hat, weiß, daß ohne Solidarität und ohne gegenseitige Hilfe der Länder das föderative System auf schwachen Füßen stände und daß es dann sehr leicht dazu kommen könnte, daß eines Tages von Ländern im Sinne des Grundgesetzes, wie wir sie jetzt sehen, nicht mehr die Rede wäre, weder von nehmenden noch von gebenden, weder von reichen noch von armen.
Im finanziellen Verhältnis der Länder zum Bund spielt seit geraumer Zeit die Forderung der Länder auf Übernahme bestimmter Lasten, die sie bisher selbst getragen haben, eine Rolle. Es handelt sich dabei vor allem um die Übernahme der Kosten für die Wiedergutmachung. Von der Sache her hielte ich das Begehren der Länder für begründet. Die praktische Durchführung aber ist angesichts der Haushaltslage des Bundes, über die die Länderfinanzminister ohnedies auch Bescheid wissen, nur dann möglich, wenn die Länder mit einem finanziellen Ausgleich für die neue Belastung des Bundes einverstanden sind. Dies wäre denkbar im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs und vor allem aber — und damit greife ich, ich weiß es, ein heißes Eisen an — durch die Rückübernahme gewisser Leistungen, die dem Bund auf kulturellem Gebiet in der jüngsten Zeitaufgedrängt wurden.
— Aufgedrängt! Ich habe das Wort wohl erwogen. Gerade die Rückübernahme der finanziellen Leistungen des Bundes auf kulturellem Gebiet halte ich im Interesse einer sauberen Ordnung für wünschenswert. Das Grundgesetz hat nun einmal eine bestimmte Ordnung geschaffen, und nach dieser Ordnung sind die kulturellen Angelegenheiten, von Forschungsaufgaben abgesehen, Sache der Länder. Warum rütteln wir denn dauernd an dieser Ordnung, sei es de facto, sei es durch höchst zweifelhafte Verwaltungsabkommen? Wir schaffen doch nur an Stelle der Ordnung eine Unordnung! Die Erfahrung lehrt, daß durch eine Übernahme der kulturellen Leistungen auf den Bund meist eine recht komplizierte Verwaltungsapparatur mit gemeinsamen Kommissionen, Beiräten usw. aufgebaut werden muß, während die Länder die Aufgaben ohne jede zusätzliche Arbeitskraft meistern können. Außerdem weiß man doch zur Genüge, daß dann, wenn für eine Aufgabe zwei Behörden sich zuständig fühlen, mehr als die Hälfte der Arbeit auf die Herstellung des gegenseitigen Einvernehmens verwandt wird und daß an Stelle des Miteinander sehr häufig das Gegeneinander oder zumindest das Nebeneinander festzustellen ist.
Die Übernahme der kulturellen Leistungen auf den
Bund, wie sie in den letzten Jahren leider durchgeführt wurde, widerspricht also nicht bloß der Ordnung nach dem Grundgesetz, sondern auch jedem Grundsatz einer vernünftigen und einfachen Verwaltung. Deshalb sollte nach meiner Meinung der Bundesfinanzminister in Besprechungen mit den Länderfinanzministern diese Frage einmal vom Grundsatz her erörtern. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, betone ich es noch einmal: ich gehe davon aus, daß durch eine solche Übernahme weder eine Verminderung der kulturellen Leistungen stattfinden noch eine zusätzliche Belastung auf den Bund zukommen darf, weil diese zusätzliche Belastung einfach, vom Haushalt her gesehen, nicht tragbar erscheint.
Zum Schluß darf ich noch einen Gedanken haushaltspolitischer Art aussprechen. Niemand wird leugnen, daß die Haushaltsrede des Bundesfinanzministers ganz ausgezeichnete Gedanken enthält. Ebenso steht fest, daß die Aussprache in der ersten Lesung sowohl in diesem Jahr wie auch in früheren Jahren jeweils wertvolle Anregungen brachte. Und doch kommen mir alle diese Ausführungen, die wir hier machen, reichlich theoretisch vor. Auf Grund meiner bisherigen fünfjährigen Arbeit im Parlament muß ich das leider feststellen. Viele dieser wertvollen Gedanken finden nur sehr schwer Eingang in die Praxis des parlamentarischen Alltags. Woher kommt das wohl, meine Damen und Herren? Ein Grund dafür ist sicher der, daß viele von uns Abgeordneten im Bundestag nach dem sehr oberflächlich ausgelegten Grundsatz handeln: „Geben ist seliger als Nehmen" und sich deshalb mehr auf das Antragstellen konzentrieren als auf die Suche nach einer Deckungsmöglichkeit.
Das weiß ich, das ist auch draußen so. Aber unsere Aufgabe ist es, die Zusammenhänge herzustellen und klarzumachen.
Ich sagte soeben, daß in diesem Falle der Satz „Geben ist seliger als Nehmen" nur sehr oberflächlich aufgefaßt wird, weil dabei nicht bedacht wird, daß, wenn ein Parlament gibt, auch das ein Nehmen ist, d. h. daß auch das Dem-Antrag-Stattgeben ein Nehmen bedeutet, nämlich ein Nehmen vom Steuerzahler.
Hoffentlich gelingt es uns in den künftigen Jahren, den Grundsatz der Haushaltsklarheit noch mehr herauszuarbeiten als bisher, damit jeder von uns Abgeordneten, jeder Staatsbürger wie jeder Interessentenverband immer vor Augen hat, daß jeder finanzielle Antrag Auswirkungen hat, daß man also nicht nur gibt, sondern auch nimmt. Auch im Schoße der Bundesregierung muß das haushaltspolitische Denken noch mehr Fuß fassen, Das darf nicht eine alljährlich einmal wiederkehrende Sache aus Anlaß der ersten Lesung des Haushalts sein. Nur so wird es möglich sein, die schwierige Gratwanderung am Rande des Defizits, von der ich heute schon einmal gesprochen habe, glücklich zu vollenden.
2938 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958