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ID0305301000

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    Deutscher Bundestag 53. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1958 Inhalt: Glückwunsch zum 71. Geburtstag des Abg. Nieberg 2909 A Erweiterung der Tagesordnung 2909 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Frenzel, Dr. Böhm, Dr. Dehler u. Gen.) (Drucksache 706) — Erste Beratung — . 2909 C Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1959 (Drucksache 650) — Fortsetzung der ersten Beratung —, Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern vom Rechnungsjahr 1958 an (Drucksache 703) — Erste Beratung — Schoettle (SPD) . . . . . . . . 2909 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 2920 B Lenz (Trossingen) (FDP) 2929 B Niederalt (CDU/CSU) 2933 B Dr. Schild (DP) . . . . . . 2938 A Etzel, Bundesminister 2942 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 484); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 690) — Zweite und dritte Beratung — Seuffert (SPD) 2943 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Änderung und Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 366); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 695); Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (FDP) (Drucksache 631) — Erste Beratung — Zühlke (SPD) 2944 C Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . 2945 B Kuntscher (CDU/CSU) . . . . 2945 D Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des § 64 des Landbeschaffungsgesetzes (Drucksache 601); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 700) — Zweite und dritte Beratung — Eilers (Oldenburg) (FDP) . . . . 2946 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes (Drucksache 705) — Erste, zweite und dritte Beratung — 2947 B Entwurf eines Gesetzes zu den internationalen Betäubungsmittel-Protokollen von 1946, 1948 und 1953 (Drucksachen 453, zu 453) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache 701) — Zweite und dritte Beratung — 2947 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Vierten Zusatzabkommen vom 1. 11. 1957 zum Zollvertrag mit der Schweizerischen Eid- II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 genossenschaft (Drucksache 524); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 689) — Zweite und dritte Beratung — 2947 D Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 523); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 688) Junghans (SPD) . . . . . . . 2948 B Entwurf einer Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Durchführung und Ergänzung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Drucksache 655) ; Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 714) 2948 C Antrag des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betr. Veräußerung bundeseigener Grundstücke im Bereich Alter Postplatz, Rotebühl- und Fritz-Elsas-Straße in Stuttgart an die Stadt Stuttgart (Drucksache 694) . . . . 2948 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Kriegsopferversorgung (Drucksache 621) . . 2948 D Nächste Sitzung 2948 D Anlagen 2949 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2909 53. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Altmaier 13. 12. Frau Beyer (Frankfurt) 11. 12. Birkelbach 12. 12. Frau Dr. Bleyler 13. 12. Brand 13. 12. Cramer 13. 12. Dr. Dittrich 31. 12. Dr. Eckhardt 12. 12. Frau Eilers (Bielefeld) 31. 12. Engelbrecht-Greve 12. 12. Even (Köln) 11. 12. Faller 11. 12. Fuchs 13. 12. Dr. Furler 12. 12. Heinrich 31. 12. Höfler 13. 12. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Kalbitzer 12. 12. Keuning 11. 12. Kiesinger 12. 12. Kramel 31. 12. Kriedemann 31. 12. Kühn (Köln) 11. 12. Leber 12. 12. Lohmar 31. 12. Dr. Maier (Stuttgart) 13. 12. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 13. 12. Margulies 13. 12. Mengelkamp 15. 12. Müser 13. 12. Neubauer 12. 12. Dr. Preiß 31. 12. Pütz 13. 12. Reitzner 31. 12. Richarts 12. 12. Scheel 13. 12. Scheppmann 13. 12. Dr. Schmidt (Gellersen) 11. 12. Schneider (Hamburg) 12. 12. Dr. Schneider (Saarbrücken) 31. 12. Schultz 13. 12. Frau Dr. Steinbiß 12. 12. Storch 12. 12. Frau Strobel 12. 12. Dr. Wahl 13. 12. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 16. 12. Winkelheide 11. 12. Wullenhaupt 11. 12. Anlage 2 Umdruck 194 Änderungsantrag der Abgeordneten Seuffert, Scharnberg, Zühlke und Dr. Lindenberg zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (2. ÄndG ASpG) (Drucksachen 484, 690). Der Bundestag wolle beschließen: In § 1 Nr. 5 wird Buchstabe c (Einfügung in § 5 Abs. 4 des Altsparergesetzes) gestrichen. Bonn, den 11. Dezember 1958 Seuffert Scharnberg Zühlke Dr. Lindenberg Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Pohle zu dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kriegsopferversorgung (Drucksache 621). Die tiefe Enttäuschung, die sich in den Kreisen der Kriegsopfer nach den Erklärungen des Herrn Bundesministers Blank über seine Vorstellungen zur Neuordnung der Kriegsopferversorgung gezeigt hat, ist in diesem Jahr nicht mehr zu beheben. Es ist seitens der Bundesregierung weder der Versuch gemacht worden, im Wege einer Überbrückungszahlung dem veränderten Preisgefüge seit Verabschiedung der 6. Novelle zum BVG zu begegnen, noch kann mit der Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung in nächster Zeit gerechnet werden. Unter diesen Umständen muß der Bundestag initiativ werden. Mit der Vorlage des Antrages Drucksache 621 soll bewirkt werden, daß der Bundestag die Regierung auffordert, eine Vorlage über eine Überbrückungszahlung einzubringen. Der Termin, der in dem Antrag gesetzt ist, wird nicht innegehalten werden können, doch erwarten meine Freunde, daß der Kriegsopferausschuß und der Bundestag sich mit einem Termin bis spätestens 30. Januar 1958 einverstanden erklären. Die Bundesregierung ist in der dritten Legislaturperiode jetzt über ein Jahr im Amt. Nach der Regierungserklärung soll das Werk der Sozialreform fortgeführt werden. Ein Jahr hindurch hat man wirklich Zeit und Gelegenheit gehabt, für das Gebiet der Kriegsopferversorgung innerhalb der Sozialreform Gedanken und Vorstellungen zu entwickeln, die jetzt in einer Gesetzesvorlage ihren Niederschlag finden müssen. Diese Vorlage erwarten wir spätestens zum Ausklang des ersten Vierteljahres 1959. Wir hoffen zuversichtlich, daß sich der Bundestag in seiner Mehrheit diesen unseren Vorstellungen anschließt. In Kriegsopferfragen bedarf es keiner großen Worte. Es bedarf der menschlichen Anteilnahme mit unserem leidenden Bruder, der Hilfe für die Witwen und die Waisen. Wir haben hier die Hilfsmöglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen. Diesem Ziele dient der Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Ich bitte um Ihre Zustimmung, daß er dem Kriegsopferausschuß überwiesen wird.
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    Rede von Alois Niederalt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einigen Haushaltsproblemen Stellung nehme, möchte ich mit ein paar Sätzen auf die Schlußbemerkungen eingehen, die Herr Kollege Schoettle über den Bundeskanzler und über Bundesminister Schäffer gemacht hat.
    Es gibt keinen Zweifel, daß überall im Wahlkampf, hüben und drüben, harte Worte fallen. Da können wir aufrechnen, meine Damen und Herren. Das passiert überall. Mögen diese harten Formulierungen auf der Ebene zurückgewiesen werden, auf der sie gebraucht werden.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Jedenfalls sollten sie nicht dazu führen, daß hier in bezug auf den Bundeskanzler von ,,Altersstarrsinn" gesprochen wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Ein hartes, ungutes und nicht gerade geschmackvolles Wort.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Oho!-Rufe von der SPD.)

    — Ein Wort, das von uns, der Fraktion der CDU/ CSU, zurückgewiesen wird; ein Wort, das aber auch zurückgewiesen wird — und darauf bitte ich doch etwas zu achten — von der ganzen Welt, die
    die einmaligen physischen Leistungen dieses Mannes bewundert,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    und nicht zuletzt zurückgewiesen wird und immer
    wieder deutlich zurückgewiesen wurde vom deutschen Wähler. Das paßt Ihnen am allerwenigsten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe von der SPD. — Abg. Metzger: Siehe die letzten Wahlen in Berlin!)

    Desgleichen halte ich auch die Bemerkung über den Minister Schäffer für eine derart maßlose Übertreibung, daß sie sich selbst richtet. Kein Wort mehr darüber!

    (Zuruf von der SPD: Weil Ihnen das nicht paßt!)

    Nun zum Thema des heutigen Tages. In Ergänzung der Ausführungen des Kollegen Vogel und in teilweisem Eingehen auf die Kritik des Kollegen Schoettle und auch des Kollegen Lenz möchte ich einiges über die Methoden des Haushaltsausgleichs ausführen. Es besteht kein Zweifel, daß die Mittel, zu denen der Bundesfinanzminister in diesem Jahr zum Haushaltsausgleich greifen mußte, nicht ideal sind. Kein Haushaltsfachmann kann sich darüber freuen. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat daran keine Freude. Wer seine Haushaltsrede verfolgt hat und es etwas versteht, zwischen den Zeilen zu lesen, hat das wohl auch deutlich herausgefunden. Die gegebene Lage zwingt ihn eben dazu, diese Methode des Haushaltsausgleichs vorzuschlagen. Jede Schuld rächt sich auf Erden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    -- Ich höre gern Ihr „Sehr wahr!" und werde darauf zurückkommen. Die Schuld, die sich hier rächt, besteht darin, daß wir, der, Deutsche Bundestag, Kassenmittel zweckentfremdet haben, daß wir in den vergangenen Jahren Kassenmittel nicht für die von uns beschlossenen und bewilligten Ausgabepositionen, sondern anderen Zwecken zugeführt haben.
    Nun zu Ihrem „Sehr wahr!", meine Damen und Herren von der SPD. Sie wissen das genausogut wie ich und haben da fest mit uns beschlossen. Wenn wir Ihren Anträgen gefolgt wären, wäre heute ein Haushaltsausgleich noch viel schwerer zu erreichen, ja ohne Steuererhöhung überhaupt unmöglich.
    Der Ansatz von 11 Milliarden DM im Verteidigungshaushalt hat seinen guten Grund. Jedermann im Inland und im Ausland soll der volle Umfang unserer finanziellen Belastungen, die wir für unsere Verteidigung und damit für unsere Freiheit auf uns nehmen, deutlich sichtbar gemacht werden. Wir haben keinen Grund, mit diesem Betrag zurückzuhalten. Auch daß die 2 Milliarden DM nicht gleich im Einzelplan 14, sondern im Einzelplan 60 bei der Allgemeinen Finanzverwaltung ausgebracht sind, hat seine Berechtigung, weil wir nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre annehmen können, daß nicht bloß im Einzelplan 14, sondern auch

    Niederalt
    bei anderen Ressorts wiederum Ausgabereste anfallen, wie dies seit Jahren der Fall ist.

    (Abg. Dr. Schäfer: Bei Einzelplan 60 ist nur vom Einzelplan 14 die Rede!)

    — Das ist nicht richtig, Herr Kollege Schäfer. Da haben Sie ein Exemplar des Haushaltsplans, das einmal war. Lesen Sie das neueste Exemplar durch!

    (Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.) .

    — Nein, das ist das Exemplar, das die Mitglieder des Haushaltsausschusses vorweg bekommen haben.
    Meine Damen und Herren, bei aller Kritik an der Methode des Haushaltsausgleichs, für die ich — das möchte ich ganz deutlich sagen — ein gewisses Verständnis aufbringe, sollte aber -- und das sage ich vor allem unserem verehrten Kollegen Lenz — ein wichtiges Positivum in diesem Haushaltsplan nicht übersehen werden. Mit dem Ansatz von 4 Milliarden DM im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums zur Neudeckung von Ausgaberesten beschreiten wir einen neuen Weg, der geeignet ist, aus der unglücklichen und verwirrenden Misere der Haushaltsreste herauszuführen. Dafür, daß dieser Weg beschritten wurde, müssen wir dem Bundesfinanzminister dankbar sein. Wir alle können die Bundesregierung nur dringend auffordern, diesen Weg in den nächsten Haushaltsjahren unbeirrt fortzusetzen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Die alten Fehler berichtigen!)

    — Ich komme gleich darauf, Herr Kollege Schäfer. Ich habe insoweit die gleiche Auffassung wie Sie.
    Wir befinden uns praktisch auf dem Weg, den guten alten § 75 unserer Haushaltsordnung wiederum zu Ehren kommen zu lassen, jenen Paragraphen, der bestimmt, daß das Defizit eines Haushalts spätestens im zweitnächsten Rechnungsjahr mit in den Haushalt aufgenommen werden muß. Nur auf diesem Wege kommen wir endlich einmal wieder zu jener Haushaltsklarheit, die wir brauchen und die jedem Abgeordnetem, auch dem, der sich nicht näher mit Haushaltsangelegenheiten befaßt, die Haushaltslage klipp und klar vor Augen führt.
    Diese Haushaltsklarheit, deren Notwendigkeit auch der Bundesfinanzminister betont hat, ist Voraussetzung dafür, daß jeder Staatsbürger, jeder Interessenverband und auch jeder Abgeordnete endlich einmal wieder den Zusammenhang zwischen Ausgaben und Einnahmen sieht. Es muß klarwerden, daß, wenn jemand von uns eine Forderung von 100 oder 500 Millionen DM durchsetzen will, das nur bedeuten kann: entweder in der gleichen Höhe Steuererhöhung oder aber in der gleichen Höhe Abzweigung aus einem anderen Ressort. Diese selbstverständliche Binsenweisheit ist uns allen, meine Damen und Herren, wegen gewisser Haushaltsreste der vergangenen Jahre in der Praxis verlorengegangen.
    Der Bundesfinanzminister hat erklärt, den Weg am Rande des Defizits der aber nicht ins Defizit führt — gehen zu wollen. Das ist eine schwierige Gratwanderung, bei der wir alle dem Bundesfinanzminister Hilfestellung leisten müssen.
    Nun noch einiges zu den Ausführungen des Kollegen Schoettle. Er hat kritisiert, daß in die Sozialausgaben wieder alles Mögliche hineingerechnet werde, was mit Sozialausgaben nichts zu tun habe. Diese Kritik war überflüssig. Herr Kollege Schoettle hätte nur den nächsten Absatz der Haushaltsrede zu lesen brauchen. Da steht klipp und klar: Die Sozialausgaben im engeren Sinne betragen 10 Milliarden DM. Also insoweit war jede Kritik überflüssig.
    Dann hat Herr Kollege Schoettle die Sonderlasten angesprochen, die wir im Nachkriegsdeutschland zu tragen haben, und gesagt, daß wir diese auch innerhalb der NATO angerechnet haben wollen. Das, meine Damen und Herren, ist auch unsere Auffassung, aber auch die Auffassung des Bundesfinanzministers. Auch das steht ganz klar und deutlich in der Haushaltsrede. Wenn Sie es nachlesen wollen — ich habe mir die Seitenzahl herausgeschrieben , es ist die Seite 27. Also auch insoweit liegt kein Anlaß zur Kritik vor.
    Was nun die gesamte Kritik anbelangt, daß wiederum die Sozialausgaben zu gering seien und daß auf der anderen Seite zuviel ausgegeben werde — ja nun, meine Damen und Herren, das ist das, was wir alljährlich bei den Haushaltsberatungen erleben. Darauf können wir immer wieder nur erwidern, was wir schon in den vergangenen Jahren sagten: Uns ist die äußere Sicherheit genauso wertvoll, für uns ist sie genauso notwendig wie die innere Sicherheit, und wir können — ich glaube, daß es sich heute bei dem Gedanken an Berlin fast erübrigt, darüber auch nur einen Satz zu sagen —nicht stets erwarten, daß die Alliierten immer und ewig für uns die Kastanien aus dem Feuer holen, und wir stehen daneben.

    (Abg. Dr. Menzel: Was heißt denn das?)

    Nun zu einem leidvollen Kapitel, zur Frage der Personalverwaltung! Ich möchte hier über dieses Kapitel in diesem Jahre nicht allzu viel sagen. Sie wissen, daß wir, die CDU/CSU-Fraktion, im vergangenen Jahr, d. h. beim Haushalt 1958, dem Hohen Hause eine Entschließung vorgelegt haben, nach der eine Vermehrung der Personalstellen nur noch gestattet sein soll, wenn sie die unvermeidliche Folge neuer gesetzlicher Aufgaben ist und der Bedarf durch personelle Umbesetzungen nicht gedeckt werden kann. Außerdem wird in der Entschließung gefordert, daß Stellenhebungen künftig, falls nicht eine wesentliche Veränderung des Arbeitsgebiets eingetreten ist, überhaupt nicht mehr zuzulassen sind. Der Sinn dieser Entschließung war, endlich einmal mit den allmählich zur Mode gewordenen ständigen Stellenvermehrungs- und Stellenhebungswünschen Schluß zu machen. Ich hatte gehofft, in diesem und im kommenden Haushaltsjahr über die Personalverwaltung kein Wort mehr verlieren zu müssen.
    Leider, leider ist dem nicht so. Der Haushaltsplan 1959 sieht — ohne die Bundeswehr — eine Mehranforderung von 1884 Stellen vor. Von diesen 1884 Stellen entfallen 650 auf die tarifliche Umgruppierung von bereits vorhandenen Arbeitern, so daß eine echte Stellenvermehrung um 1234
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2935
    Niederalt
    Kräfte beantragt ist. Davon entfallen allein wiederum 250 Kräfte auf die Flugsicherung. Angesichts dieser Zahl wird von mir gern zugegeben, daß, offensichtlich unter dem Eindruck der Entschließung, hinsichtlich der Stellenvermehrungswünsche gegenüber den früheren Jahren eine Besserung eingetreten ist. Insoweit ist ein — allerdings mäßiger — Erfolg festzustellen, und wir werden im Haushaltsausschuß genau zu prüfen haben,

    (Zuruf von der SPD)

    inwieweit die neuen Stellen den Voraussetzungen unserer Entschließung entsprechen.
    Sehr enttäuscht bin ich allerdings hinsichtlich der Anträge auf Stellenhebungen. In diesem Haushalt werden wiederum Wünsche auf Hebung von weit über 2000 Stellen präsentiert, und das, nachdem die Verbesserung der Besoldungsordnung längst durchgeführt ist, nachdem sich die Bundesverwaltung längst konsolidiert hat und keinerlei wesentliche Aufgabenveränderungen mehr vorliegen. Soweit nicht, wie etwa bei der Zollverwaltung, möglichen Stellenhebungen auch entsprechende Einsparungen auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen gegenüberstehen, werden wir nach meiner Meinung die Anträge ohne lange Debatte einfach zurückweisen müssen.

    (Beifall.)

    Unsere Zeit muß uns zu kostbar sein, als daß wir uns ewig mit diesen Forderungen aufhalten. Wenn man sieht, daß bei vielen Stellenhebungsanträgen immer wieder die alten Wünsche kommen, die wir schon des öfteren abgelehnt haben, so ist man versucht zu fragen: Quo usque tandem, Catilina? Wie lange will man noch unsere Geduld in Anspruch nehmen?

    (Zuruf von der SPD: Wir kommen auf Sie zurück!)

    — Aber, Herr Kollege, Sie kennen mich; Sie dürfen ruhig auf mich zurückkommen.
    Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Haushalt 1959 klar zum Ausdruck gebracht, daß eine auf Einschränkung des Personalbedarfs gerichtete Politik nur Erfolg haben kann, wenn sie längere Zeit folgerichtig durchgeführt wird, und hat deshalb empfohlen, den bisherigen Personalhaushalt unverändert zu belassen.

    (Abg. Dr. Conring: Auch im Einzelplan 3?)

    — Herr Conring, darauf komme ich jetzt. — Allerdings hat er vergessen, das, was er empfiehlt, für sein eigenes Haus anzuwenden, und er hat bei 31 Beamtenplanstellen insgesamt nicht weniger als 7 Stellenhebungen beantragt, obwohl sich im Aufgabengebiet des Bundesrats sicherlich seit Beginn seiner Tätigkeit keine Veränderung vollzogen hat und im übrigen schon in den früheren Jahren Stellenhebungen vorgenommen wurden.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Bei der Verabschiedung des Haushalts 1958 hat der gleiche Bundesrat — es war in seiner Sitzung vom 21. Juli 1958 — durch den Berichterstatter
    Kritik geübt, daß die von ihm vorgeschlagene Strenge auf dem Gebiet der Personalverwaltung vom Bundestag leider nicht voll angewandt worden sei. Im gleichen Atemzug hat er aber in einer unmittelbar folgenden Erklärung das Bedauern zum Ausdruck gebracht, daß sich der Bundestag über die Personalwünsche des Bundesrats hinweggesetzt habe.

    (Abg. Dr. Conring: Etwas widerspruchsvoll!)

    — Solches Verhalten ist sicher widersprüchlich, verehrter Herr Kollege Conring. Ich erinnere mich da an einen schönen Spruch aus meiner Heimat:
    O Heiliger Sankt Florian,
    verschon' mein Haus, zünd' andre an!
    Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wenn wir mit unseren Bestrebungen, den ständigen Personalvermehrungs- und Stellenhebungswünschen Einhalt zu gebieten, Erfolg haben wollen und wenn wir bei diesem Bemühen ehrlich bleiben wollen, müssen wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen, wir hier im Bundestag genauso wie, ich hoffe immer noch, das auch der Bundesrat in seinem Haus machen wird.
    Ich möchte mich nun, meine Damen und Herren, einem etwas freundlicheren Thema zuwenden. Eine große Freude, Herr Bundesfinanzminister, wurde mir zuteil, als ich vorgestern in Ihrer Haushaltsrede hörte, was Sie zur Frage der regionalen Wirtschaft sagten. Der modernen Industriewirtschaft, so sagten Sie, wohne die Tendenz inne, nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen in einigen Räumen besonders stark zusammenzuballen, während andere Landesteile sich zu gleicher Zeit entvölkern und wirtschaftlich zurückbleiben. Diesen Tendenzen müsse planmäßig auf lange Sicht begegnet werden. Sie sprachen dann weiter von einem umfassenden Plan zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur bestimmter bisher zurückgebliebener Landesteile. Das waren wirklich goldene Worte, Herr Bundesfinanzminister, und das war Musik in meinen Ohren, der ich in den vergangenen Jahren von dieser Stelle aus für die CSU auf diese eminent wichtige Frage immer und immer wieder hingewiesen hatte. Es hat den Anschein, daß nunmehr die Saat aufgeht, die wir von der Landesgruppe der CSU in die Erde um den Bundesfinanzminister legten, obwohl uns diese Erde um den Bundesfinanzminister hinsichtlich dieser Frage manchmal Ödland zu sein schien, auf dem das beste Saatgut nicht gedeiht.

    (Zuruf von der SPD: Sie hatten doch einen CSU-Finanzminister ! )

    Wir sind dankbar, daß die Mittel für das regionale Förderungsprogramm trotz gewisser Schwierigkeiten vor einiger Zeit in vollem Umfang einhalten bleibt. Es steht feist, daß sich das regionale Förderungsprogramm des Bundes sehr segensreich ausgewirkt hat, vor allem in jenen Gebieten, die durch den Eisernen Vorhang in ihrem Wirtschaftsleben so schwer behindert wurden. Trotz gewisser Erfolge ist aber die Wirtschaftskraft in diesen Teilen unseres Landes noch weit unter dem Bundesdurch-
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    Niederalt
    schnitt, und nur die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor innrer- und außerhalb der Saison erheblich über dem Bundesdurchschnitt. Die übernormale Abwanderung aus diesen Gebieten hält vielfach noch an. Vor allem leidet ein Teil der Bevölkerung unter der Geißel der Arbeitsvermittlung nach auswärts. Es kann zu keinem guten Ende führen, wenn der Familienvater deshalb, weil er zu Hause beim besten Willen keine Arbeit findet, Jahr für Jahr auf lange Monate seine Frau und seine Kinder verläßt, um irgendwo in Baden-Württemberg oder sonstwo Arbeit zu suchen. Es ist höchste Zeit, daß wir uns dieses Problems energischer als bisher annehmen.
    Das regionale Förderungsprogramm allein, so wertvoll es ist, reicht, wie auch der Herr Bundesfinanzministerangedeutet hat, zur Behebung dieses Notstands nicht aus. Es bedarf einer Ergänzung durch einen umfassenderen Plan, der nach meiner Meinung vor allem auch Maßnahmen andere r Ressorts einbeziehen sollte. Ich denk e hier insbesondere an Maßnahmen im Rahmen des Bundesverkehrsministeriums. Der beschleunigte Ausbau der Lebensadern in diese revier- und verkehrsfernen Gebiete ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, daß kleinere und mittlere Betriebe sich nicht wie bisher immer nur in den Ballungsräumen festsetzen, sondern dort hingehen, wo noch Arbeitskräfte verfügbar sind.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich weise nur auf zwei solche Lebensadern hin weil sie mir für den bayrischen Raum besonders wichtig erscheinen, nämlich die Autobahn Frankfurt—Nürnberg—Regensburg und den Rhein-MainDonau-Kanal. Eis ist im Hinblick auf den Gesamtplan nicht einzusehen, warum der Ausbau der Autobahn Frankfurt —Nürnberg— Regensburg nicht schneller vonstatten gehen soll und kann, zumal man weiß, daß im Verkehrsetat immer noch, auch in diesem Jahr leider wieder, Ausgabereste anfallen. Warum verwenden wir die Ausgabereste nicht für diesen Zweck?

    (Abg. Ritzel: Herr Kollege Niederalt, der 'hessische Teil ist fast fertig, jetzt liegt's an Bayern!)

    — Herr Kollege Ritzel, ich werde dieser Frage selbstverständlich nachgehen, und wenn wir wissen — bestimmt wissen, nicht nur nach Gerüchten, wie sie manchmal sehr schnell in die Welt gesetzt werden —, daß es an Bayern liegt, dann werden wir das Nötige veranlassen; darauf können Sie "sich verlassen.
    Zum Rhein-Main-Donau-Kanal auch nur ein ganz kurzes Wort. Der im Hauhaltsplan hierfür vorgesehene Betrag ist in diesem Haushaltsjahr um 2,5 Millionen DM gekürzt worden. An sich verdient eine solche Tatsache in der ersten Lesung keine Erwähnung; das ist Sache der Aussprache in der zweiten Lesung. Ich erwähne sie aber bei der ersten Lesung, weil ich in dieser Kürzungsmaßnahme eine Sünde wider den Geist der eben geschilderten Konzeption der Bundesregierung sehe. Auf der einen Seite wird gesagt, daß der Entvölkerung gewisser Landesteile planmäßig und auf lange Sicht begegnet werden muß, auf der anderen Seite werden die Mittel für eine Großschiffahrtsstraße wie den RheinMain-Donau-Kanal gekürzt, die im wesentlichen mit dazu beitragen soll, den Ausgleich der Standortnachteile revierferner Zonenrandgebiete zu bewirken. Einzelheiten brauchen wir hier nicht zu erörtern. Ich darf Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, jetzt schon ankündigen, daß die CSU durch einen Antrag die Sache wieder auszugleichen versuchen wird.
    Viele Spannungen und Schwierigkeiten in unserem Wirtschaftsleben würden erheblich gemildert werden, hätten wir nicht so große Unterschiede in der Wirtschaftskraft einzelner Landesteile. Es ist heute vom Kollegen Schoettle, vom Kollegen Vogel und auch vom Kollegen Lenz wiederholt von der Not der Gemeinden und von den Forderungen der Gemeinden gegenüber dem Bund die Rede gewesen. Auch die Frage der Notlage der Gemeinden hängt weitgehend mit dem Problem der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur zusammen. Wir haben heute im großen und ganzen nur noch zwei Kategorien von Gemeinden, nämlich auf der einen Seite Gemeinden mit gewerblichen und Industriebetrieben und demgemäß auch entsprechenden GewerbesteuerEinnahmen und auf der anderen Seite, vor allem in unseren Notstandsgebieten allüberall, nicht bloß in Bayern, Gemeinden, die beim besten Willen nicht wissen, woher sie die Mittel nehmen sollen, um ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Es ist völlig falsch, von der Not der Gemeinden im allgemeinen zu sprechen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Dort, wo Industriebetriebe sind, wo Gewerbebetriebe sind, geht es den Gemeinden vielfach sehr gut, und dort, wo das nicht der Fall ist, wissen, wie ich sagte, die Gemeinden nicht, wie sie auch nur das Wichtigste machen sollen.

    (Zustimmung bei der CDU CSU.)

    Sie sehen auch an diesem Beispiel, wie ungeheuer wichtig die Frage einer in etwa ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur unserer Bundesrepublik ist, und deshalb habe ich immer wieder darauf hingewiesen. Herr Bundesfinanzminister, Sie dürfen sich darauf verlassen, daß ich diesen Satz aus Ihrer Haushaltrede niemals vergessen werde, daß ich jeden Tag daran denken und auch mit geeigneten Maßnahmen und Vorschlägen zu Ihnen kommen werde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, als Sprecher der einzigen im Bundestag vertretenen Landespartei glaube ich, im Rahmen dieser gesamtpolitischen Aussprache noch ein paar Worte über das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern sagen zu müssen. Zunächst dürfen wir wohl alle mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, daß es gelungen ist, das Gesetz über den horizontalen Finanzausgleich mit einer wesentlich intensiveren Leistung für die sogenannten nehmenden Länder zustande zu bringen. Sicher war bei diesem Gesetz die Erkenntnis der Länder maßgebend, und zwar auch auf Seiten der gebenden Länder, daß die Länder insgesamt in einem gemeinsamen Boot sitzen, das in
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    Niederalteiner manch recht unfreundlichen See se gelt.
    Und wenn der Ministerpräsident eines gebenden Landes nach Presseberichten gesagt haben soll, durch den Finanzbeitrag seines Landes werde die Staatsoper in München finanziert, so kann ich nur annehmen, daß diese Bemerkung von ihm selbst nicht ernst genommen werden will. Jeder, der über das Funktionieren eines föderativen Staates etwas nachgedacht hat, weiß, daß ohne Solidarität und ohne gegenseitige Hilfe der Länder das föderative System auf schwachen Füßen stände und daß es dann sehr leicht dazu kommen könnte, daß eines Tages von Ländern im Sinne des Grundgesetzes, wie wir sie jetzt sehen, nicht mehr die Rede wäre, weder von nehmenden noch von gebenden, weder von reichen noch von armen.
    Im finanziellen Verhältnis der Länder zum Bund spielt seit geraumer Zeit die Forderung der Länder auf Übernahme bestimmter Lasten, die sie bisher selbst getragen haben, eine Rolle. Es handelt sich dabei vor allem um die Übernahme der Kosten für die Wiedergutmachung. Von der Sache her hielte ich das Begehren der Länder für begründet. Die praktische Durchführung aber ist angesichts der Haushaltslage des Bundes, über die die Länderfinanzminister ohnedies auch Bescheid wissen, nur dann möglich, wenn die Länder mit einem finanziellen Ausgleich für die neue Belastung des Bundes einverstanden sind. Dies wäre denkbar im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs und vor allem aber — und damit greife ich, ich weiß es, ein heißes Eisen an — durch die Rückübernahme gewisser Leistungen, die dem Bund auf kulturellem Gebiet in der jüngsten Zeitaufgedrängt wurden.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : „Aufgedrängt"?)

    — Aufgedrängt! Ich habe das Wort wohl erwogen. Gerade die Rückübernahme der finanziellen Leistungen des Bundes auf kulturellem Gebiet halte ich im Interesse einer sauberen Ordnung für wünschenswert. Das Grundgesetz hat nun einmal eine bestimmte Ordnung geschaffen, und nach dieser Ordnung sind die kulturellen Angelegenheiten, von Forschungsaufgaben abgesehen, Sache der Länder. Warum rütteln wir denn dauernd an dieser Ordnung, sei es de facto, sei es durch höchst zweifelhafte Verwaltungsabkommen? Wir schaffen doch nur an Stelle der Ordnung eine Unordnung! Die Erfahrung lehrt, daß durch eine Übernahme der kulturellen Leistungen auf den Bund meist eine recht komplizierte Verwaltungsapparatur mit gemeinsamen Kommissionen, Beiräten usw. aufgebaut werden muß, während die Länder die Aufgaben ohne jede zusätzliche Arbeitskraft meistern können. Außerdem weiß man doch zur Genüge, daß dann, wenn für eine Aufgabe zwei Behörden sich zuständig fühlen, mehr als die Hälfte der Arbeit auf die Herstellung des gegenseitigen Einvernehmens verwandt wird und daß an Stelle des Miteinander sehr häufig das Gegeneinander oder zumindest das Nebeneinander festzustellen ist.

    (Abg. Dr. Conring: Selbstbeschäftigung!)

    Die Übernahme der kulturellen Leistungen auf den
    Bund, wie sie in den letzten Jahren leider durchgeführt wurde, widerspricht also nicht bloß der Ordnung nach dem Grundgesetz, sondern auch jedem Grundsatz einer vernünftigen und einfachen Verwaltung. Deshalb sollte nach meiner Meinung der Bundesfinanzminister in Besprechungen mit den Länderfinanzministern diese Frage einmal vom Grundsatz her erörtern. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, betone ich es noch einmal: ich gehe davon aus, daß durch eine solche Übernahme weder eine Verminderung der kulturellen Leistungen stattfinden noch eine zusätzliche Belastung auf den Bund zukommen darf, weil diese zusätzliche Belastung einfach, vom Haushalt her gesehen, nicht tragbar erscheint.
    Zum Schluß darf ich noch einen Gedanken haushaltspolitischer Art aussprechen. Niemand wird leugnen, daß die Haushaltsrede des Bundesfinanzministers ganz ausgezeichnete Gedanken enthält. Ebenso steht fest, daß die Aussprache in der ersten Lesung sowohl in diesem Jahr wie auch in früheren Jahren jeweils wertvolle Anregungen brachte. Und doch kommen mir alle diese Ausführungen, die wir hier machen, reichlich theoretisch vor. Auf Grund meiner bisherigen fünfjährigen Arbeit im Parlament muß ich das leider feststellen. Viele dieser wertvollen Gedanken finden nur sehr schwer Eingang in die Praxis des parlamentarischen Alltags. Woher kommt das wohl, meine Damen und Herren? Ein Grund dafür ist sicher der, daß viele von uns Abgeordneten im Bundestag nach dem sehr oberflächlich ausgelegten Grundsatz handeln: „Geben ist seliger als Nehmen" und sich deshalb mehr auf das Antragstellen konzentrieren als auf die Suche nach einer Deckungsmöglichkeit.

    (Abg. Hermsdorf: Das ist aber nicht nur im Parlament so, Herr Niederalt!)

    Das weiß ich, das ist auch draußen so. Aber unsere Aufgabe ist es, die Zusammenhänge herzustellen und klarzumachen.
    Ich sagte soeben, daß in diesem Falle der Satz „Geben ist seliger als Nehmen" nur sehr oberflächlich aufgefaßt wird, weil dabei nicht bedacht wird, daß, wenn ein Parlament gibt, auch das ein Nehmen ist, d. h. daß auch das Dem-Antrag-Stattgeben ein Nehmen bedeutet, nämlich ein Nehmen vom Steuerzahler.

    (Abg. Dr. Conring: Sehr richtig!)

    Hoffentlich gelingt es uns in den künftigen Jahren, den Grundsatz der Haushaltsklarheit noch mehr herauszuarbeiten als bisher, damit jeder von uns Abgeordneten, jeder Staatsbürger wie jeder Interessentenverband immer vor Augen hat, daß jeder finanzielle Antrag Auswirkungen hat, daß man also nicht nur gibt, sondern auch nimmt. Auch im Schoße der Bundesregierung muß das haushaltspolitische Denken noch mehr Fuß fassen, Das darf nicht eine alljährlich einmal wiederkehrende Sache aus Anlaß der ersten Lesung des Haushalts sein. Nur so wird es möglich sein, die schwierige Gratwanderung am Rande des Defizits, von der ich heute schon einmal gesprochen habe, glücklich zu vollenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    2938 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schild.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Schild


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussprache in der ersten Lesung soll mehr oder weniger die Weichenstellung geben für die Beratungen im Haushaltsausschuß, für die Beratungen der zweiten und dritten Lesung und schließlich für die Verabschiedung des Haushalts. Wenn ich die bisherigen Ausführungen bedenke, die von der Opposition und von meinen Freunden aus der Koalition gemacht worden sind, dann möchte ich sagen, daß man in den Äußerungen der Opposition gewisse Ressentiments allgemeiner politischer Art feststellen kann, die dem Herrn Bundesfinanzminister nicht gerecht werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Der Bundesfinanzminister steht zum zweitenmal vor diesem Hause. Ich habe dabei empfunden — das ist auch der allgemeine Eindruck, den wir aus der Tagespresse und in der Öffentlichkeit gewinnen —, daß er die gesamten Haushalts-, Finanz- und Steuerprobleme mit einem ungeheuer tiefen Ernst in sich herumträgt, bewältigt und uns vorgetragen hat. Seine Rede ist keineswegs von irgendeinem Optimismus getragen, noch weniger aber von irgendeinem Zweckpessimismus. Seine Rede ist vielmehr in die Gesamtsituation eingebettet, in der wir uns befinden. Wenn man von dieser Gesamtsituation ausgeht, dann sollte man sich negative kritische Äußerungen doch sehr wohl überlegen. In dieser Zeit des Ernstes, in der wir allgemein-politisch diesseits des Eisernen Vorhangs leben, sollte auch sehr überlegt werden, ob man halbnegative Äußerungen tun darf oder nicht. Ich glaube, daß die Gesamtsituation, in der sich der Bundesfinanzminister befindet, auch Maßstab für das ist, was er in seiner Rede an Möglichkeiten, an Aussichten anbietet. Ich halte diese keineswegs für theoretisch.
    Ich halte es nicht für richtig, zu sagen, daß es sich um einen Routinehaushalt handelt. Angesichts der Situation, in der sich der Finanzminister befindet, kann er gar keine anderen Grundsätze verfolgen, als er sie in seiner Rede verkündet hat. Infolge der allgemeinen politischen Unwägbarkeiten und der allgemeinen Spannungsverhältnisse in der Außenpolitik — die Berlinfrage ist schon angeschnitten worden — kann auch die Haushaltspolitik nur mit Schätzungen über das arbeiten, was auf uns zukommen kann. Genauso fragwürdig sind auch die technischen Umwälzungen unserer Zeit zu werten.
    Der Herr Kollege Schoettle hat an der Methode der Gestaltung des Verteidigungshaushalts und an den Spielregeln, mit denen in den letzten vier Jahren der Verteidigungshaushalt behandelt und aufgebaut worden ist, scharfe Kritik geübt. Das mag vom formalen haushaltsrechtlichen Standpunkt aus, der Haushaltsordnung, den Wirtschaftsbestimmungen und allem, was damit zusammenhängt, bis zu einem hohen Grade berechtigt sein. Aber angesichts der technischen und der allgemein-menschlichen
    Entwicklung in Verbindung mit den haushaltspolitischen Zusammenhängen

    (Abg. Dr. Conring: Und angesichts der Forderung der Wirtschaftlichkeit der Ausgaben!)

    und angesichts der Forderung nach Wirtschaftlichkeit der Ausgaben — wie Herr Kollege Conring sagt — kann ich diese Kritik nicht bejahen. Die technischen Umwälzungen haben dazu geführt, daß viele Entscheidungen, die in bezug auf den Verteidigungshaushalt getroffen worden sind, einfach überholt sind und neu gefaßt werden mußten. Wir werden in den nächsten Jahren immer wieder vor dieser Frage stehen. Wegen der wiederholten Umstellungen, die wir bei großen Posten des Verteidigungshaushalts vornehmen mußten, ergaben sich auch letzten Endes die Ausgabenreste.
    Aber nicht nur die militär-technische Umstellung, sondern auch die technischen Strukturwandlungen in unserer Zeit ergeben für den Bundesfinanzminister eine Fülle von Fragen. Er hat nicht etwa eine Übersicht des Statistischen Bundesamts, aus der er die Entwicklung der installierten Energie bei der Automation und Technisierung vorausschauend beurteilen könnte. Auch hat er keinen Überblick über den Verbrauch an Energie in der automatisierten und technisierten Großwirtschaft im Vergleich zur lohnintensiven Wirtschaft, in der wir es ja bislang mit ganz anderen Verhältnissen zu tun hatten. Schließlich befindet er sich in der Situation, mit irgendwelchen Forderungen der Opposition oder einzelner Gruppen dieses Hohen Hauses rechnen zu müssen, Forderungen durch die in der Öffentlichkeit irgendwelche politischen Fragen aufgerollt werden.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat auch von den Problemen der Gesellschaftsstruktur gesprochen, und wir wissen doch alle, daß noch keineswegs ein politisches Leitbild für diese Gesellschaftsstruktur besteht, nicht einmal innerhalb einzelner Fraktionen, geschweige denn im ganzen Haus, so daß der Finanzminister nicht ohne weiteres Schlußfolgerungen daraus für den Haushalt ziehen kann. Ich werde darauf noch eingehend zu sprechen kommen.
    Auch die Disharmonien zwischen Bund und Ländern in Fragen des Grundgesetzes sind keineswegs ausgepaukt. Welche Entscheidungen hier noch getroffen werden und welche Auswirkungen sie auf den Haushalt haben, ist auch für den Finanzminister durchaus fraglich.
    Kollege Niederalt und Kollege Vogel haben die Stellung der Haushaltsreferenten in den einzelnen Ressorts behandelt. Man kann das von ihnen angeschnittene Problem erweitern; es dreht sich nicht nur um die verantwortliche Stellung der Haushaltsreferenten, sondern das Problem ist ganz einfach, daß der Bundesfinanzminister mit dem. Mangel an Zivilcourage rechnen muß. Es fehlt in den einzelnen Ressorts vielfach der Mut, die Dinge so nüchtern zu sehen, wie sie gesehen werden müßten; man darf eben nicht von Wunschträumen ausgehen.

    (Beifall bei der DP und in der Mitte.)

    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2939
    Dr. Schild
    Aber nicht nur an Zivilcourage, sondern auch an Phantasie fehlt es manchmal; oft genug mangelt es auch an der Fähigkeit, die notwendigen Kontakte innerhalb der Ministerien herzustellen.
    Das alles muß man in Betracht ziehen. Der Bundesfinanzminister steht vor der von mir dargelegten Situation, wie wir auch selber alle davor stehen. Ich muß sagen, der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede die vor ihm liegenden Aufgaben sehr ernst genommen. So meine ich, daß es ihm auch mit dem Abbau der Subventionen — wir betreiben ja diese Politik seit langem — ernst ist. Sicher meint er es auch ernst, wenn er das Problem der Ausgabenreste unter die Lupe nehmen will. Ich habe den Eindruck, daß seine Mahnung ebenfalls ernst gemeint ist, daß das Spiel mit den Bindungsermächtigungen so nicht fortgesetzt werden kann.
    Wenn ich die Ausführungen des Bundesfinanzministers auf einen Nenner bringen wollte, würde ich sagen, daß es ihm darum geht, im Rahmen der Möglichkeiten, die ihm die Situation erlaubt, Ordnung zu schaffen. In diesem Sinne stimmen meine politischen Freunde von der Deutschen Partei einigen seiner Thesen und Grundsätze allgemein zu, so etwa der Kennzeichnung als „Haushalt am Rande des Defizits", seiner Forderung nach Sparsamkeit und Harmonisierung von Wirtschafts-, Sozial-, Finanz- und Währungspolitik, damit hier nicht von den verschiedenen Ressorts an verschiedenen Strängen gezogen wird. Auch billigen wir seine Forderung nach Stärkung des Kapitalmarkts und Förderung des Sparsinns der Bevölkerung, ebenso die Forderung, daß der außerordentliche Haushalt künftig aus Kapitalmarktmitteln bedient werden soll, gerade mit Rücksicht auf die mancherlei offenen Fragen. Zwischen Defizit und Juliusturm liegt, wie es Kollege Niederalt in anderen Worten ausgedrückt hat, ein schmaler Grat. Ich habe aus der Rede des Herrn Finanzministers und seinen Maßnahmen den Eindruck, daß er sich bemüht, mit einem „Stopp" gegen das Gesetz der wachsenden Staatsausgaben wenigstens zu beginnen. Ich habe auch den Eindruck, daß er sich in seiner Rede gegen den Zug der Zeit zur völligen Vergesellschaftung gewandt hat. Er hat ferner scharfe Kritik an den Ausgabenresten geübt — eine Kritik, die das Hohe Haus angeht —, weil diese Einsparungen für andere Zwecke als vorgesehen verwendet worden sind.
    Das ausgewogene Verhältnis zwischen Wirtschaftskraft und sozialer Last hat er besonders betont. Was uns von der Rechten sehr beeindruckt und erfreut hat, ist die von ihm ausgerufene Warnung vor einer fortlaufenden Rentenanpassung in dem System, das wir hier begonnen und vor dem meine Fraktionskollegen ganz besonders gewarnt haben. Seine Warnung vor Zinssubventionen und sein Hinweis auf ihre Fragwürdigkeit bei dem jetzigen Kapitalmarkt, sein Vorhaben, in Zukunft einen Straßenbauplan als besondere Beilage des Haushaltsplans vorzulegen, seine Warnung vor der Tendenz, Länderlasten erneut auf den Bund abzuwälzen und zu übernehmen, und letzten Endes sein Appell an die Selbstverantwortung der Staatsbürger, damit wir nicht Wähler haben, die keine staatsbürgerlichen Pflichten zu erfüllen haben, bejahen wir mit allem Nachdruck.

    (Abg. Frau Kalinke: Sehr gut!)

    So habe ich es wenigstens aufgefaßt, als er die Gemeindeeinwohnersteuer vorschlug, damit auch jeder Staatsbürger, der von der Einkommensteuer befreit ist, merkt, daß er wenigstens in seinem lokalen Bereich zu seiner selbstverwaltenden Gemeinde noch etwas beisteuern muß.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Aber die Haushaltspolitik hat auch ihr eigenartiges Wesen. Sie verlangt auch eine Stabilität, genau wie die Währungspolitik, die Wirtschaftspolitik oder die Konjunkturpolitik. Die Stabilität der Haushaltspolitik aber ist, wenn wir nicht zu grundsätzlichen Reformen kommen, nicht gegeben, weder bei der Regierung noch in diesem Hause. Die Stabilität der Haushaltspolitik hängt von zwei Dingen ab. Sie hängt erstens von einer Reform der Haushaltsordnung und der Wirtschaftlichkeitsbestimmungen ab, die zu Beginn der Existenz dieses Staates, der westdeutschen Bundesrepublik, noch aus dem alten Reich übernommen wurden und mit den Spielregeln unserer repräsentativen Demokratie einfach nicht mehr harmonieren. Wir brauchen ein neues Haushaltsrecht. Ohne die Neuschaffung des Haushaltsrechts einschließlich der Wirtschaftlichkeitsbestimmungen wird es bei den Zuständen bleiben, die Kollege Lenz kritisiert hat, nämlich daß wir nach wie vor einen sogenannten Routinehaushaltsplan haben.
    Diesen Routinehaushaltsplan können wir nur beseitigen, wenn wir an die Grundlagen des Haushaltsrechts herangehen. Bei der Reformierung des Haushaltsrechts ist die parlamentarische Kontrolle ganz anders zu gestalten als bisher in der Haushaltsordnung. All die Probleme der überplanmäßigen und der außerplanmäßigen Ausgaben, der Stellenbesetzung und der Gewalt der Exekutive über diese Dinge müssen neu durchdacht werden. Dem Parlament muß die Möglichkeit gegeben werden, hier rechtzeitig einzugreifen, was jetzt auf Grund des Haushaltsrechts manchmal gar nicht möglich ist.
    In dem Haushaltsrecht fehlt etwas ganz Grundsätzliches: Die sogenannten zeitgemäßen Richtlinien für die Tätigkeit unserer Beamten und Angestellten in den großen wirtschaftlichen Unternehmungen des Bundes. Wir kranken an der Frage, wer eigentlich in den Unternehmungen des Bundes regiert. Wir haben in den vergangenen Monaten den Fall auf uns zukommen sehen, daß der ganze Aufsichtsrat eines Bundesunternehmens abgesägt werden mußte. Aber man hat die Konsequenz für diese Personen nicht bei anderen Gesellschaften gezogen, in denen sie auch noch sitzen; da hat man sie ruhig belassen, ohne zu prüfen, ob da nicht dieselben Fehldispositionen, Unklarheiten und Unmöglichkeiten auftreten.
    Es fehlt der Einbau ganz wichtiger Bestimmungen aus der Verdingungsordnung für Bauleistungen in das Haushaltsrecht. Das betrifft ein großes Kapitel der kritischen Arbeit unseres Rechnungsprüfungsausschusses. In allen Rechnungsprüfungsunterlagen, die wir vom Bundesrechnungshof erhalten, wird
    2940 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958
    Dr. Schild
    doch fast auf jeder Seite, auf der von den Bauvorhaben die Rede ist, gesagt: Was in der Bauwirtschaft von den öffentlichen Baubehörden gemacht isst, schreit geradezu zum Himmel — in der falschen Vorplanung, in der falschen Durchführung, in der falschen Finanzierung. Und was wir uns da im Haushaltsausschuß an Zahlen — im Soll — vorsetzen lassen müssen, das stimmt nachher überhaupt nicht mehr mit der Wirklichkeit überein. — Wichtige Bestimmungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen gehören also in die Haushaltsordnung, in das Haushaltsrecht hinein. Auch die Funktion des Bundesrechnungshofes ist in diesem Sinne erneut zu überprüfen im Hinblick auf die Notwendigkeit eines vielleicht noch stärkeren Ausmaßes von Eingriffsmöglichkeiten, die wir unter allen Umständen zur Beurteilung der Situation brauchen.
    Meine Damen und Herren, ohne eine Neugestaltung des Haushaltsrechts wird es bei dem Routinehaushalt mit den jetzigen Spielregeln und Methoden bleiben; denn daran ist der Bundesfinanzminister gebunden.
    Das zweite, was wichtig ist, ist die Harmonisierung der haushaltspolitischen Belange zwischen Bund und Ländern. Ich habe schon beim vorjährigen Haushalt gesagt: es kann uns nicht genügen, daß man in Einzelfällen zwischen Bund und Ländern hin und her debattiert: Wer zahlt was? Wer ist wofür zuständig? Die grundgesetzliche Regelung ist in vielen Dingen faktisch überholt. Der Bund zahlt in viele Dinge hinein, die nach dem Grundgesetz ausschließlich Länderbelange wären.
    Die notwendige Harmonisierung braucht mang nicht durch Grundgesetzänderung zu machen; zu ihr kann man durch entsprechende Staatsverträge zwischen Bund und Ländern kommen. Aber es muß endlich dieses Hin und Her aufhören.

    (Abg. Niederalt: Lassen wir es doch bei der Zuständigkeitsregelung des Grundgesetzes!)

    — Herr Kollege Niederalt, was nützt die Zuständigkeit nach dem Grundgesetz, wenn aus allen Kreisen der Bevölkerung, auch aus Bayern, ständig Anträge auch an unser Haus und an den Haushaltsausschuß kommen, daß wir für das allgemeinbildende Schulwesen etwas tun sollen, das doch nach dem Grundgesetz ausschließlich Länder- und Gemeindesache ist?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Bezüglich der Ausbildung der Beamten steht überhaupt keine Regelung im Grundgesetz; müssen Bund und Länder versuchen, zu einer Harmonisierung der Beamtenausbildung und zu einer Regelung des Austauschs von Beamten zwischen Bund und Ländern zu kommen. Vielfach bekommt doch der Bund einfach nicht die sachverständigen Beamten, die er braucht, um überhaupt seine Aufgaben erfüllen zu können.
    So gibt es eine Menge Angelegenheiten zwischen Bund und Ländern, die man nicht der Zufälligkeit, der Regelung nach Belieben — nach dem Grundsatz: „Es wird schon irgendwie geregelt werden!" —
    überlassen sollte. Man sollte vielmehr alle diese Fragen durch einen Staatsvertrag regeln, die Fragen des allgemeinen Schulwesens, der Krankenhäuser, des Straßenbaues — auch völlig variabel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden —, auch Fragen des Wohnungsbaues, etwa: Was zahlen die Länder, was zahlen die Gemeinden, was zahlt der Bund? Wenn Sie die Kritik des Bundesrates an den Erläuterungen zum Haushaltsgesetz lesen, sehen Sie, daß zwischen Bund und Ländern in bezug auf das Problem der richtigen föderalistischen Relation eine Harmonie nicht vorhanden ist. Solange nicht in einem Staatsvertrag zwischen dem Bund und den Ländern die Harmonisierung der Funktionen und der darauf beruhenden Ausgaben auf lange Sicht, nicht nur für ein Jahr, geregelt ist, fürchte ich, es bleibt bei diesem kritisierten Routinehaushalt.
    Noch etwas anderes ist grundsätzlich wichtig und muß bedacht werden, wenn wir die Haushaltspolitik, die Finanzpolitik und die Steuerpolitik insgesamt beurteilen wollen. Die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister haben entsprechend unserem Wunsche das Material zur Beurteilung der finanzpolitischen Gesamtsituation dankenswerterweise weiter ausgedehnt, so daß wir, wenn wir sowohl den Vermögens- und Schuldennachweis wie die Vorbemerkungen wirklich durchforschen, einigermaßen im Bilde sein können, was den Bund betrifft. Gleichzeitig sagt der Herr Bundesfinanzminister aber, daß es sich hier um eine Bewegungsmasse von 39,1 Milliarden handelt, daß die wirkliche Bewegungsmasse, die finanzpolitische Bewegungsmasse und die sozialpolitische Bewegungsmasse in unserem Volke jedoch 77 Milliarden beträgt. Hier fehlt uns also der Funktionshaushaltsplan für das, was im ganzen Volke vor sich geht, nicht nur für das, was im Bund vor sich geht. Wir haben es Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, zu danken, daß wir jetzt wissen, wie der BundesFunktionsplan aussieht, welche einzelnen Ausgaben auf die verschiedenen Funktionen entfallen. Gerade für die Harmonisierung zwischen Bund und Ländern müssen wir und müssen insbesondere die Haushaltsexperten wissen, wie es in den Ländern mit dem Kapitel Wohnungsbau, dem Kapitel Straßenbau, dem Kapitel Lastenausgleich und allen sonstigen Ausgaben aussieht, mit den Lasten also, die die Länder zu tragen haben. Hier müssen wir auch die Relation zum Bund kennen.

    (Abg. Dr. Martin: Wir sind doch Föderalisten!)

    — Warum soll ich in dem Punkt nicht Föderalist sein? Jedenfalls müssen wir hier erst zu Erkenntnissen kommen, bisher haben wir sie nicht. Wir tappen doch völlig im Dunkeln und wissen nicht, ob wir bei den Dotationen an die Länder des Guten zuviel oder zuwenig tun. Wir wissen es nicht, weil wir keinen Funktionshaushalt für das gesamte Aufkommen an Steuern und seine Verteilung auf die einzelnen Funktionsträger haben. Ich bitte deshalb darum, daß das nachgeholt wird, zumindest für das abgelaufene Jahr. Ich kann mir vorstellen, daß es für das Jahr 1959/60 nicht möglich ist; aber für das abgelaufene Jahr, für das alle Länderhaushalte
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958 2941
    Dr. Schild
    vorliegen, läßt sich ein Überblick über den Gesamtfunktionshaushalt schaffen.
    Wichtig sind auch Schätzungsergebnisse, d. h. praktisch die volkswirtschaftlichen Daten, auf denen wir unsere ganze Haushalts-, Finanz- und Steuerpolitik aufbauen. Hierzu möchte ich sagen, daß die verschiedenen volkswirtschaftlichen Abteilungen: der Bundesbank, des Bundesfinanzministeriums und anderer Ministerien und des Statistischen Bundesamtes, wie sich jetzt bei dem sogenannten Sozialbericht des Bundesarbeitsministeriums gezeigt hat, zu keiner Harmonisierung ihrer Auffassungen und der daraus zu ziehenden Konsequenzen gekommen sind. Wenn ich den Sozialbericht und die Allgemeinen Vorbemerkungen auf wichtige Zahlen hin vergleiche, so finde ich hinsichtlich der Bewertung der Einkommensverhältnisse bei Unselbständigen und Selbständigen und deren Familienangehörigen wesentliche Abweichungen. Wir dürfen uns von derartigen Abweichungen nicht beirren lassen, sondern müssen von der Bundesregierung eindeutige volkswirtschaftliche Daten verlangen. Damit will ich nicht etwa sagen, daß die verschiedenen volkswirtschaftlichen Institutionen, die die Regierung unterhält, aufgelöst werden sollten. Nur müssen die Arbeiten zur Beschaffung des Erkenntnismaterials besser als bisher harmonisiert werden.
    Damit komme ich zu dem von dem Herrn Bundesfinanzminister angeschnittenen Problem der gesellschaftlichen Struktur. Jeder Bundeshaushalt, aber erst recht die Gesamthaushalte von Bund, Länder und Gemeinden stehen im Zusammenhang mit der Struktur der Gesellschaft, in der wir leben und in der wir uns entwickeln. Von der Mittelaufbringung und den öffentlichen Lasten und ihre Verteilung auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten gehen Rückwirkungen 'aus, die die Gesellschaftsstruktur entscheidend beeinflussen. Hier befindet sich auch der Herr Bundesfinanzminister in einer fragwürdigen Situation, weil kein einheitliches politisches Leitbild für die Entwicklung der Gesellschaftsstruktur vorhanden ist.
    Die große Schicht der Unselbständigen in unserem Volke lebt unter dem politischen Leitbild „soziale Sicherheit". Das sind etwa 12 Millionen Familien der Arbeitnehmer, der Angestellten und Beamten und etwa 6 Millionen unverheiratete Staatsbürger derselben Schicht. Für die große Schicht der Selbständigen mit etwa 4 Millionen Familien — die Unverheirateten spielen in der Schicht der Selbständigen eine ganz geringe Rolle — besteht keine derartige politische Konzeption. Deshalb ist auch das Subventionsproblem nicht so einfach zu beurteilen.
    In der Schicht der Selbständigen gibt es ganz große Gruppen, denen keine Subventionen aus den Bundes- und Länderhaushalten gezahlt werden. Hier handelt es sich lediglich um kleine berufliche Förderungsmaßnahmen. Ich denke an die 6 Millionen DM Gewerbeförderungsmittel für das Handwerk und an die 2 Millionen DM Gewerbeförderungsmittel für Handel und Gaststätten. Für die freien Berufe gibt es in diesem Haushaltsplan überhaupt
    keine Förderungsmittel; wir müssen sie erst noch einmal beantragen.
    Subventionen im echten Sinne aber gibt es für die große Schicht der gewerblichen Selbständigen und der freien Berufe in den Haushaltsplänen nicht, und das ist gut so. Es ist gut, daß diese Schicht der rauhen Luft des freien Wettbewerbs ausgesetzt ist; denn der Wettbewerb ist die Basis für die Erhaltung der Spannkraft, mit der die Selbständigkeit gewahrt wird, wenn auch manchmal mit sehr viel Defaitismus, wenn auch manchmal mit sehr großem Mißerfolg. Bei aller Kritik an der Subventionspolitik sollte man deshalb bedenken, daß es Bevölkerungsschichten gibt, die sich bislang von dieser Subventionspolitik ferngehalten haben.

    (Sehr wahr! bei der DP.)

    Ich möchte das ausdrücklich betonen, nicht etwa, weil ich in Zukunft für diese Bevölkerungsschichten Subventionen beantragen will, sondern nur, um sie als Vorbild für andere darzustellen.

    (Beifall bei der DP.)

    Sie sehen, wie wichtig es ist, für die Schicht der Selbständigen und ihre Strukturentwicklung gewisse Leitbilder zu schaffen, nach denen man sich auch haushaltspolitisch richten kann.
    Wir haben zwei Anträge vor uns liegen - Sie
    werden sie schon gelesen haben -: einmal den Antrag der Koalition, uns demnächst über die Konzentrationsmaßnahmen in der Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf die selbständigen Betriebe zu unterhalten, zum andern den Antrag der SPD, der die Bundesregierung auffordert, einen Lagebericht über die Situation der Mittelschichten — darunter sind die Selbständigen zu verstehen - im November nächsten Jahres vorzulegen. Diese beiden Anträge werden wahrscheinlich in ein und derselben Debatte, lapidar genannt: Mittelstandsdebatte, beraten werden. In Wirklichkeit wird es eine Debatte über die Lage der Selbständigen sein, die man nicht mehr mit dem allgemeinen Schlagwort , Mittelstand" erfassen kann; denn diese landläufige Bezeichnung trifft die Schicht-Situation nicht mehr. Angesichts der Disparitäten zu den Unselbständigen und zu der technisierten, automatisierten Großwirtschaft können wir zukünftig besser von der Schicht der Selbständigen sprechen.
    Aber um diese Disparitäten geht es auch in diesem Haushaltsplan und in den zukünftigen Haushaltsplänen. Wir müssen uns überlegen, wie und mit welchen Mitteln wir finanzpolitisch, steuerpolitisch und haushaltspolitisch mit den aufgetretenen Disparitäten zwischen den lohnintensiven selbständigen Betrieben bis in die freien Berufe hinein einerseits und den energie- und kapitalintensiven, technisierten Betrieben der Großwirtschaft andererseits fertig werden. Zweitens müssen wir uns mit den Disparitäten befassen, die aus dem völlig verschiedenartigen Lebensrhythmus, den Lebensmöglichkeiten und dem Arbeitsaufwand der Selbständigen, im Verhältnis zu den Unselbständigen sich entwickelt haben. Auch über die Spannungsverhältnisse, die durch die unterschiedlichen Lasten, die einerseits die Selbständigen und andererseits die
    2942 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1958
    Dr. Schild
    Unselbständigen zu tragen haben, entstanden sind, muß einmal ein offenes Wort gesprochen werden. Gerade die Unterschiedlichkeit dieser Lasten hat letzten Endes zu den großen Disparitäten geführt.
    Das sind einige Grundsätze, die nach unserer Auffassung in Zukunft beachtet werden sollten. Aus ihnen ergeben sich auch gewisse Anträge, die wir im Laufe der Haushaltsberatungen bis zur dritten Lesung stellen werden und für die wir um Ihr Verständnis bitten.
    Ich möchte Sie noch alle bitten, sich den Vermögens- und Schuldennachweis und die Allgemeinen Vorbemerkungen des Haushaltsplanes auf den Seiten 427 bis 444 eingehend anzusehen. Hier werden Sie sehen, auf welchem Wege der Konzernbildung beim Bundesvermögen auf allen Ebenen der Wirtschaft wir uns bewegen. Wir müssen uns ernsthaft überlegen, wie wir dieser Konzernbildung, dieser Vergesellschaftung, dieser völligen Überforderung von Menschen, die diese Dinge leiten sollen, einen Riegel vorschieben können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)