Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der Worte, die wir am Schluß der Ausführungen meines verehrten Vorredners hörten, möchte ich entsprechend einer traditionellen guten Sitte dieses Hauses folgendes sagen. Wir haben uns gefreut, daß Herr Kollege Schoettle in alter Frische, in Gesundheit und auch mit Witz nach seiner schweren Krankheit hier wieder erschienen ist. Wir haben in dieser Arena stets einen fairen Kampf geliebt und wir werden uns auch in Zukunft daran halten. Ich möchte also noch einmal sagen, Herr Kollege Schoettle: vor allem die Mitglieder des Haushaltsausschusses freuen sich, daß Sie hier den Beweis der völligen Wiederherstellung Ihrer Gesundheit geliefert haben, besonders in Ihren Schlußworten.
Mein Vorredner hat zu Anfang seiner Rede gesagt, es sei kein ausgesprochenes Verdienst des Bundesfinanzministers, den Haushalt rechtzeitig vorgelegt zu haben. Demgegenüber möchte ich hervorheben, daß wir mit Freude und Genugtuung anerkennen, daß der Haushalt in diesem Jahre zum normalen Zeitpunkt, d. h. im Dezember, vorgelegt worden ist und in erster Lesung diskutiert werden kann. Wir wissen, welch große Leistung seitens der führenden Beamten des Bundesfinanzministeriums, vor allen Dingen auch des Leiters der Haushaltsabteilung, dahintersteht, und wir zögern nicht, ihnen dafür hier unsere Anerkennung auszusprechen.
Jedes Jahr wird uns dabei ein dicker Band in Gestalt der Allgemeinen Vorbemerkungen vorgelegt. In diesem Jahr ist die Ausgestaltung dieser Allgemeinen Vorbemerkungen mit einer Reihe von statistischen Aufstellungen, insbesondere über die Sozialleistungen, meines Erachtens besonders anerkennenswert. Auch die Darstellung der Vermögenswerte des Bundes hat sichtbare Fortschritte gemacht. Wir haben z. B. auch einiges mehr erfahren über die Zusammensetzung der Aufsichtsräte und der Vorstände sowie über ihre Bezüge. Auch hier sind Fortschritte zu verzeichnen, und ich glaube, daß sie sich gut auswirken werden. Bei der Aufspaltung der Arbeit des Parlaments durch die Beratung so vieler Spezialgesetze und Großer Anfragen über alle möglichen Probleme ist es nützlich, daß man an einer Stelle einmal den Versuch eines Gesamtüberblickes macht. So ist wohl die Frage durchaus berechtigt: wo stehen wir jetzt am Ende des Jahres 1958?
Der bisherige Ablauf des Bundeshaushalts erlaubt gewisse Rückschlüsse auf den kommenden Verlauf. Die Vorausschau für das Jahr 1959 baut auf einem Produktivitätszuwachs von 5,5 % auf. Wird diese Ziffer erreicht werden, oder wird sie nicht erreicht werden? Das laufende Haushaltsjahr steht auf einem Produktivitätszuwachs von 7,5 %. Menschlicher Voraussicht nach werden wir wahrscheinlich knapp 6 % erreichen. Wenn wir das erreichten, liegt dieser Produktivitätszuwachs immer noch 2 bis 3 % über dem, was man von einem normalen Konjunkturverlauf erwartet. Ich glaube, daß die Schätzungen des Finanzministers, die nicht nur auf den Steuereingängen und Steuerberechnungen und dem Produktivitätszuwachs beruhen, sehr solide fundiert sind. Wir werden tatsächlich mit 5,5 % rechnen können.
Wir haben einen Zustand der Vollbeschäftigung erreicht, um den uns manche andere Länder beneiden. Ich möchte keineswegs in den Fehler verfallen, die Entwicklung in der Bundesrepublik inmitten der allgemeinen europäischen Entwicklung als besonders rasant darzustellen. Wir sollten keineswegs aus dem Auge verlieren, daß der Produktivitätszuwachs in Frankreich, in Belgien, in der Schweiz, vor allen Dingen aber auch in dem benachbarten Österreich und in Italien sich nicht vor den deutschen Leistungen zu verstecken braucht; in diesen Ländern sind zum Teil noch höhere Leistungen zu verzeichnen. Wir sollten also nicht die Augen vor
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den Fortschritten unserer Nachbarländer verschließen. Im allgemeinen neigen wir dazu, die deutschen wirtschaftlichen Erfolge etwas zu sehr in den Himmel zu heben. Wenn wir uns auch bemühen wollen, das nicht zu tun, so können wir doch dafür dankbar sein, daß es gelungen ist, in Deutschland die Vollbeschäftigung zu erreichen und zu halten, ohne in diesem Jahr eine nennenswerte Steigerung des Preisniveaus verzeichnen zu müssen. Ich glaube, daß dieser Zusammenhang das Entscheidende ist. In sehr vielen Ländern ist das nicht in dem Ausmaße geglückt wie bei uns. Meine Freunde und ich erkennen dankbar an, daß wir in diesem Jahr im allgemeinen von Streiks verschont geblieben sind. Durch die Disziplin der Sozialpartner und durch das Aushandeln von Tarifen sind volkswirtschaftliche Schäden größeren Ausmaßes nicht eingetreten.
Eines möchte ich hier anfügen. Mein verehrter Vorredner hat eine Rentenanhebung als Konjunkturstimulans empfohlen. Ich möchte hier zur Vorsicht mahnen. Wohl kann ich mir vorstellen, daß eine Regierung durch gesteigerte Bautätigkeit, sei es im Tiefbau oder im Hochbau, etwas zu erreichen versucht; sie hat auch noch andere Möglichkeiten. Aber das durch eine allgemeine Anhebung der Renten zu bewirken, indem man Steuergelder an einen größeren Personenkreis verteilt, das scheint mir volkswirtschaftlich kein guter und vertretbarer Weg zu sein.
Der sichtbare Ausdruck des Fortschritts, den wir in diesen vergangenen elf Monaten zu verzeichnen haben, ist sicher der Devisenüberschuß, den unsere Außenhandelsbilanz bis jetzt gezeigt hat. Menschlicher Voraussicht nach werden wir einen Überschuß von zirka 6 Milliarden erreichen. Das IfoInstitut hat vorgestern eine Schätzung veröffentlicht, aus der hervorgeht, daß wir auch im kommenden Jahr mit mindestens der gleichen Summe rechnen können. Es mag etwas drollig klingen, wenn ein Redner hier von der Tribüne des Bundestagesangesichts eines solchen Ausfuhrüberschusses Besorgnis äußert. Wir sind keineswegs so restlos glücklich über diesen sehr großen, meiner Überzeugung nach sogar übergroßen Exportüberschuß. Er beschwört unweigerlich gewisse inflatorische Gefahren herauf, denen die Bundesbank bis jetzt durchihre Offenmarktpolitik erfolgreich begegnen konnte; sie hat aber bei den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bereits die Grenze erreicht. Auch das wird ein neues Problem werden, wie man die zu erwartenden Exportüberschüsse des nächsten Jahres zu bändigen gedenkt, damit daraus keine Inflationsgefahren erwachsen.
Der Hauptträger unserer Konjunktur ist auch in diesem Jahr wieder die Bauwirtschaft gewesen; sie wird es im nächsten Jahr voraussichtlich auch sein. Das Bauvolumen wind, was ,die Zahl der fertiggestellten Wohnungen betrifft, sicher an das des vergangenen Jahres heranreichen, soweit es die Güte und Größe der Wohnungen angeht, das des vergangenen Jahres bestimmt übertreffen. Die Summen, die dafür angesetzt worden sind, sind do ch sehr erheblich; sie übertreffen die des Vorjahres noch urn 300 Millionen DM. Beil der allgemeinen Entwicklung des deutschen Kapitalmarkts können wir -auf einen ungestörten und diesmal reibungsloseren und schnelleren Ablauf der Baukonjunktur im kommenden Frühjahr wie überhaupt im kommenden Jahr rechnen.
Ich möchte auf ein besonderes Phänomen in diesem Jahr hinweisen, dais jeden, der volkswirtschaftlich denkt, mit großer Freude erfüllen muß; dais ist die erstaunliche Steigerung der Spartätigkeit der deutschen Bevölkerung. In den drei Quartalen des Jahres 1958, die wir bis jetzt überblicken können, ist ein Zuwachs von 4,64 Milliarden DM gegenüber nur 1,5 Milliarden DM in der gleichen Zeit des Jahres 1957 zu verzeichnen. Das ist also mehr als eine Verdreifachung. Ich glaube, wir haben allen Grund, den breitesten Schichten der deutschen Bevölkerung unseren Dank für diese Disziplin auszusprechen.
Denn hier ist etwas geschehen, was meiner Überzeugung nach für die künftigen Jahre von ausschlaggebender Bedeutung in der Behauptung der freien Welt gegenüber der kommunistisch regierten Welt sein wird. Dort wird durch Zwangssparen das notwendige Investitionskapital herausgepreßt. Hier hat die deutsche Bevölkerung — übrigens spart sie nicht ,allein; die englische spart genauso, das muß ich hervorheben — in einer freiwilligen Anstrengung dais notwendige Investitionskapital zusammengebracht, damit der Wettbewerb der freien Welt gegen über der dirigistischen Welt des Ostens aufrechterhalten wird.
Ich kann es mir ersparen, über die Rekordzahlen in der Unterbringung festverzinslicher Wertpapiere in diesem Jahr zu sprechen; es hat sich fast eine Verdoppelung der Vorjahresanlagen ergeben. Eines aber kann ich mir bei dieser Gelegenheit doch nicht verkneifen, Ihnen nämlich einige Ziffern vor Augen zu führen, die zeigen, inwieweit der Konsum in Deutschland gestiegen ist, und zwar nicht nur der gehobenen Schichten, sondern der breiten Massen. Das Masseneinkommen in Deutschland hat — immer von 1953 auf 1957, das letzte überschaubare Jahr — eine Steigerung um 55 % erfahren. Die Verbrauchsausgaben sind um 43 %, der Spareinlagenbestand um 156 % in diesen letzten drei Jahren von 11,5 Milliarden DM auf 29,4 Milliarden DM gestiegen.
Aber nun darf ich noch einzelne besonders interessante Zahlen nennen. Die Kleinverkaufswerte für Tabakwaren sind von 4,575 Milliarden DM auf 5,984 Milliarden DM innerhalb dieser wenigen Jahre gestiegen, die für Kaffee um 96 % von 787 Millionen DM auf 1,546 Milliarden DM. Der Bierausstoß schließlich - er ist immer ein Kennzeichen nicht nur des Durstes eines Volkes, sondern auch, wie ich glaube, seines Wohlstandes — hat sich von 28 Millionen hl auf über 43 Millionen hl um 53 % gesteigert. Und jetzt nenne ich noch eine Ziffer, befürchte allerdings, daß das zu einem neuen Antrag des Vereins zur Bekämpfung der Suchtgefahren führen kann: Der Branntweinkonsum in Deutschland ist leider in noch höherem Maße, näm-
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lich von 517 auf 845 000 hl, d. h. um 63 %, gestiegen. Sogar der Sektkonsum in Deutschland, der sich neuerdings ebenfalls als Massenkonsum darstellt, ist innerhalb der letzten vier Jahre um 140 % angewachsen.
Lassen Sie mich noch ein paar andere Zahlen nennen. Der Bestand an Mopeds ist um 317 % gestiegen, der an Rundfunkgeräten um 21 %. In der Produktion von Fernsehempfängern besteht eine Riesenkonjunktur, wie Sie alle wissen, ebenso bei Kühlschränken und elektrischen Wirtschaftsmaschinen. Diese Zahlen sind Ihnen allen bekannt.
Ich kann auch nicht umhin, meine Freunde in der Landwirtschaft zu beglückwünschen, daß auch das landwirtschaftliche Einkommen im vergangenen Jahr eine nicht unwesentliche Steigerung — ich folge hier den Ausführungen unseres Bundesernährungsministers — von 15,7 auf 17,4 Milliarden DM erfahren hat, während die Betriebsausgaben nur von 11,9 auf 12,8 Milliarden DM gestiegen sind, so daß Gott sei Dank eine Steigerung des Überschusses von 3,8 auf 4,6 Milliarden DM zu verzeichnen ist. Ich finde, das ist ein sichtbarer Beweis dafür, daß der „Grüne Bericht" in Deutschland tatsächlich einen Erfolg zu verzeichnen hat. Das sollte man auch anerkennen und es nicht verschweigen.
Bei dieser Gelegenheit können wir auch eine andere Zahl heranziehen, nämlich die der Umsatzsteigerung bei den Raiffeisengenossenschaften. Allein die Zunahme des Warenumsatzes auf 13,7 Milliarden DM um rund 1 Milliarde DM gleich 7,9 % im letzten Jahre liegt wesentlich über der allgemeinen Produktivitätssteigerung von nicht ganz 6 %.
Hier sollten wir auch durchaus anerkennen, was überall an Fortschritten und an allgemeiner Wohlstandszunahme zu verzeichnen ist.
Aber, meine verehrten Damen und Herren, haben wir als Folge einer derartigen Steigerung des Konsums, von der ich noch nicht sage, daß sie vielleicht das wünschenswerte Maß erreicht hat — das möchte ich ausdrücklich gesagt haben —, auch eine gesteigerte Zufriedenheit in Deutschland, oder müssen wir nicht auf der ganzen Linie mit einem steigenden Druck von Interessentengruppen rechnen, der sich auch in diesem Hause nicht gerade sehr erfreulich bemerkbar macht?
Ich spreche hier ganz offen und freimütig Zustände an, von denen ich glaube, daß sie für die Fortentwicklung des Parlamentarismus nicht von Vorteil sind. Wenn sich Verbände aller Art nicht scheuen, zu versuchen, den Abgeordneten auch in seinem Wahlkreis unter Druck zu setzen
— da sind Gewerkschaften genauso vertreten wie alle möglichen Verbände, die ich hier gar nicht der Reihe nach aufzählen möchte —, dann scheint mir das doch das Maß des Zumutbaren bei weitem zu überschreiten.
Man sollte in Deutschland endlich auch ein wenig zu der Überzeugung gelangen, daß nicht jede Ortsgruppe irgendeines Vereins den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises zu irgendeiner Versammlung herbeizwingen kann. Man nimmt nicht einmal mit nur einem Abgeordneten vorlieb, sondern möchte nach Möglichkeit 3, 4, ein halbes Dutzend dort versammelt haben.
- Ich glaube, Herr Wehner, wenn Sie das erlebten, was man in einem ländlichen Wahlkreis heute erleben kann, dann würden Sie wahrscheinlich graue Haare bekommen. Hier handelt es sich um ein Problem, das an die Wurzeln unseres parlamentarischen Systems reicht. Wenn weiter wie bisher Minister, Abgeordnete und leider in steigendem Maße auch die leitenden Beamten der Ministerien von dieser Überzahl von Verbänden für ihre unzähligen Tagungen und Konferenzen beansprucht werden, dann wird nicht nur die physische Widerstandsfähigkeit der Betroffenen in Mitleidenschaft gezogen, sondern dann werden auch die wertvollsten Beamten in unseren Ressorts ihrer eigentlichen Arbeit in einer Weise entzogen, die nicht mehr zu verantworten ist.
Wir brauchen uns dann nicht zu wundern, wenn ein Qualitätsrückgang in den Gesetzentwürfen die unweigerliche Folge sein wird. Ich bin so freimütig, auch dieses Haus hier von bestimmten Sünden nicht auszunehmen.
Es scheint mir so zu sein, daß auch die Nebeneinanderberatung sehr vieler Entwürfe in allzu vielen Ausschüssen zu einer Beanspruchung der Beamtenschaft geführt hat, die einfach zeitlich nicht mehr vertretbar ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf ein anderes Problem hinweisen, das sich gerade bei diesem Haushalt deutlich gezeigt hat und noch mehr bei kommenden zeigen wird. Sollten wir uns nicht gemeinschaftlich vielleicht etwas mehr als bisher auch mit der Regierung über eine gewisse Koordinierung aller unserer Wünsche auf sozialem Gebiet, aber auch bei Bauten und Verkehrsvorhaben einigen? Wir erleben doch immer wieder das Schauspiel, daß es irgendeiner Gruppe gelingt, vorzusprechen, einen gewissen Erfolg nach Hause zu tragen, und daß dann eine Kettenreaktion auf allen anderen benachbarten Gebieten die Folge ist.
Das Ende einer solchen Spirale kann doch für unser Haus und die Zukunft der deutschen Demokratie keineswegs wünschenswert sein. Ich glaube, keiner von uns kann es sich ernsthaft leisten, an den Vorgängen auch im benachbarten Frankreich vorüberzugehen. Keiner von uns wird leugnen können, daß auch dort mangelnde Disziplin mit die Folge der Entwicklung war, die wir dort zu verzeichnen haben.
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Das Beispiel Finnland hat ja in der deutschen Presse eine erstaunlich geringe Beachtung gefunden. Dabei ist doch dort einmal deutlich klargemacht worden, wohin eine bestimmte „Indexanpassung von Löhnen, Gehältern", von allen möglichen Staatsausgaben automatisch führen muß. Wenn dort in einem Staatswesen, einem sehr tapferen Staatswesen, mit dem uns so alte und traditionelle Beziehungen verbinden und das als Sportnation immer die besondere Achtung des deutschen Volkes und, wie ich glaube, aller Völker der Welt genossen hat, sich in diesen Tagen Massendemonstrationen zur Erzwingung einer kommunistischen Mitbeteiligung an der Regierung ereignen, dann sind das Warnungssignale, und keiner von uns sollte unberührt an ihnen vorbeisehen.
Wir sind dem Bundesfinanzminister dankbar für seinen Mut, auch einmal heiße Eisen anzugreifen und Gefahren aufzuzeigen, die er kommen sieht. Ich glaube, ein Finanzminister, der dies versäumte, wäre gar nicht recht an seinem Platz. Wir haben immer den Freimut zu schätzen gewußt, mit dem er manche Dinge hier angesprochen hat. Das war schon im vergangenen Jahr der Fall; in diesem Jahr ist es noch mehr der Fall gewesen.
Zum erstenmal hat er — das kann man nicht verkleinern und sollte man auch nicht verniedlichen — den Mut gehabt, einen zentralen Angriff auf die Haushaltsreste und die Bindungsermächtigungen zu unternehmen. Wir hätten gern, Herr Bundesfinanzminister, in den Vorbemerkungen eine detailliertere Aufstellung über die Haushaltsreste in den einzelnen Ressorts gesehen; denn sie könnte die Arbeit des Haushaltsausschusses im kommenden Jahr wesentlich erleichtern. Aber wenn es gelingt, durch die im Haushaltsplan vorgesehenen Transaktionen vor allem die Reste im Verteidigungshaushalt auf ein vertretbares Maß herunterzubringen, dann werden wir alle im Haushaltsausschuß und darüber hinaus das ganze Hohe Haus darüber sicher sehr erfreut sein.
Kassensorgen werden den Bundesfinanzminister meiner Schätzung nach und ich stimme darin sowohl mit der Bundesnotenbank wie mit Herrn Grüneberg in dem sehr lesenswerten Artikel im „Deutschen Volkswirt" überein - bis in die Mitte des Jahres 1959 hinein wohl kaum bedrücken. Ich darf hier — mit Erlaubnis. des Herrn Präsidenten — den uns vorgestern ausgelieferten November-Bericht der Deutschen Bundesbank zitieren, der — auf Seite 19 — einige Sätze enthält, die für uns alle sehr wichtig sind:
Inwieweit die kassenmäßige Entwicklung im kommenden Rechnungsjahr den Haushaltsplanungen entsprechen wird, bleibt auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre allerdings abzuwarten. Die Begebung von Bundesanleihen oder von mittelfristigen Bundespapieren in Höhe von über 3 Milliarden DM ist allenfalls noch keineswegs sicher. Vor allem aber dürfte für den ersten Teil des Rechnungsjahres, in dem sich der Bund noch auf die im laufenden Jahre nicht verausgabten Kassenreserven wi rd stützen
kennen, mit einer stärkeren Beanspruchung des
Marktes durch en Bund kaum zu rechnen sein.
Vom währungspolitischen Standpunkt verdient weiter Beachtung, daß ein erheblicher Teil der Ausgaben wieder auf Auslandszahlungen entfallen wird. Die Inlandsausgaben können daher aller Voraussicht nach voll durch ordentliche Einnahmen gedeckt werden und dürften, soweit diese nicht ausreichen sollten, nur verhältnismäßig geringe Kreditmittel erfordern.
Eine Feststellung von einer so kompetenten Seite scheint mir überaus tröstlich.
Ich muß Ihnen gestehen, meine Damen und Herren, daß ich der Voraussage des Bundesfinanzministers, er werde unter Umständen mit 3 Milliarden an dein Kapitalmarkt gehen müssen, mit einiger Besorgnis gefolgt bin. Wenn der Kapitalmarkt in ,den Monaten Oktober und November infolge einer Überbeanspruchung schon wieder deutliche Kennzeichen einer gewissen Verknappung zeigt, ist das kein Wunder; man hat allein in einem Monat über 1 Milliarde DM für öffentliche Anleihen herausgenommen. Vielleicht wird das Lieblingskind unseres Herrn Bundesfinanzministers, dais Sparprämiengesetz, dem Kapitalmarkt noch etwas Lukutate zuführen. Ob sich jedoch ,dieser gerade wieder genesene Patient einen Aderlaß von 3 Milliarden im nächsten Haushaltsjahr wird leisten können, wage ich zu bezweifeln. Ich bin deswegen glücklich, daß hier die Bundesnotenbank die Voraussage wagt — und ich ,stimme mit ihr überein daß wir wahrscheinlich nicht in dieser Höhe an den Kapitalmarkt zu gehen brauchen.
Eines sollte man bei dieser Generaldebatte unter keinen Umständen unter den Tisch fallen lassen. Wir wollen hier die Ausweitung der zivilen Ausgaben deis Bundeshaushalts um nicht weniger als 1,5 Milliarden DM klar im Auge behalten. Selbst wenn der Bundesfinanzminister gegenüber dem Ansturm der anderen Ressorts in einer Größenordnung von 6 Milliarden DM mit seinem Rotstift einige Erfolge erzielen konnte, bleibt immerhin noch die Tatsache, daß der ordentliche Haushalt für die zivilen Ausgaben gegenüber dem vergangenen Jahr um 1,5 Milliarden DM erhöht worden ist, d. h. die Ausweitungstendenz hält nach wie vor, wenn auch verlangsamt, an. Was zu ,den in diesem Jahr erstaunlich umfangreichen Stellenanhebungen zu sagen eist, wird ,mein Freund Niederalt nachher mit gewohnter Gründlichkeit zu sagen haben.
Einige allgemeine Worte zu der Stellung der Haushaltsreferenten. Die Stellung der Haushaltsreferenten ist etwas, was dem Hohen Hause, wie ich glaube, zu einem großen Teil völlig unbekannt ist. Trotzdem hat, glaube ich, gerade das Parlament ein zwingendes Interesse daran, daß in allen Ressorts — ich betone: in „allen" Ressorts! - auch die bindenden Anweisungen der Vorschriften der Reichswirtschaftsordnung in den §§ 22 bis 24 streng beachtet werden, d. h. daß das Mitzeichnungsrecht der Haushaltsreferenten nicht unter den Tisch fällt, sondern daß bei allen Ausgaben, vor allem den überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben, auch der Haushaltsreferent gebührend gehört wird.
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Ich glaube, der Bundesfinanzminister würde sich bei künftigen Anforderungen anderer Ressorts wesentlich leichter tun, wenn durch eine solche Einschaltung der Haushaltsreferenten in den einzelnen Ressorts bereits Vorarbeit geleistet worden wäre.
Herr Kollege Schoettle hat bereits eine Lücke im Kontrollsystem der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — nicht in unserem Kontrollsystem — angesprochen. Die einmütige Stellungnahme des Haushaltsausschusses, der vor bestimmten Ausweitungen bei den europäischen Behörden und bei den Fonds gewarnt hatte, hat, wie ich glaube, in manchen Nachbarländern ,eine falsche Auslegung gefunden. Meine Freunde im Haushaltsausschuß und ich, wir nehmen für uns in Anspruch, überzeugte Anhänger der Idee der europäischen Einigung zu sein. Wir haben niemals einen Zweifel daran offengelassen. Aber auch für die neu in Europa entstehenden Behörden und Fonds können die für eine geordnete Demokratie notwendigen Kontrollen der Haushaltsgebarung, vor allen Dingen hinsichtlich der Stellenplanungen und der Einstufungen, niemals entbehrt werden.
Wir sind darum äußerst erstaunt, daß ein so legitimes Anliegen des Parlaments wie der Wunsch, deutsche Beiträge für supranationale Behörden unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit zu prüfen, in Europafeindschaft umgemünzt werden kann. Wir hoffen, daß man so unbegründete Vorwürfe in der Zukunft nicht mehr erhebt.
Wir kennen den Herrn Bundesfinanzminister als einen besonders kampfbereiten Verteidiger der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Er hat sich darum auch mit der Offenheit und dem Freimut, die ihn auszeichnen, in einem besonderen Abschnitt seiner Rede mit dem Problem der Subventionen im Bundeshaushalt auseinandergesetzt. Uns scheint, daß neben der Aufzählung bestimmter Subventionen an die Landwirtschaft ein sehr entscheidender Satz in seiner Rede ein wenig übersehen worden ist. Dieser Satz lautete:
Der andere unsichtbare Teil der Subventionen, der nicht weniger bedeutend und in seiner finanziellen Auswirkung noch viel größer ist, besteht aus den vielfältigen Steuererleichterungen, den Tarifermäßigungen und den sonstigen Vergünstigungen des Abgabewesens... Es gibt einschließlich der kleinen Vergünstigungen mehr als hundert verschiedene Formen solcher unsichtbaren Subventionen in den Steuergesetzen.
Gerade auf Grund seiner Tätigkeit in der Montanunion weiß Herr Etzel um die außerordentlichen Schwierigkeiten der kommenden Eingliederung der deutschen Agrarwirtschaft in den Gemeinsamen Markt. Das ist auch einer der Gründe, weswegen er, wie er selbst sagte, in diesem Haushalt genau die gleiche hohe Summe für den Grünen Bericht
eingesetzt hat wie im vergangenen Jahr. Wir sind uns alle darüber im klaren — auch der Herr Bundesfinanzminister selbst —, daß das Ausland durch bestimmte Stützungsmaßnahmen für seine eigene Produktion uns auch in Deutschland zwangsläufig in bestimmte Stützungsmaßnahmen hineingetrieben hat, die wir an sich — ich glaube hier auch im Namen meiner bäuerlichen Freunde sprechen zu können — gar nicht gern gesehen haben.
Greifen wir einmal ein Beispiel heraus. Solange vor allen Dingen Holland nach authentischen Unterlagen auf seinen guten Käse — ich muß hier einmal etwas sagen, was vielleicht ein wenig profan klingt — entsprechende Subventionen pro Kilogramm für den Export gewährt, sind wir natürlich gezwungen, mit ähnlichen Maßnahmen aufzuwarten. Selbst die Schweiz hat Exporte mit entsprechenden Zuschüssen in die Wege geleitet, die mit den eigenen Erzeugungspreisen überhaupt nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Wenn das richtig gesehen wird, werden auch die Worte des Bundesfinanzministers richtig verstanden und gewertet werden.
Noch einige andere Punkte aus der Rede des Bundesfinanzministers sind meiner Überzeugung nach mißverständlich ausgelegt worden. Aus einer Reihe von Fachzeitschriften konnte man herauslesen, daß der Bundesfinanzminister die Umsatzsteuerreform völlig unter den Tisch fallen lassen wollte. Das ist in einigen Zeitungen sogar offen behauptet worden. Wir alle sind erfreut darüber, daß gestern das Bundeskabinett die neue Denkschrift über die Umsatzsteuerreform verabschiedet und der Öffentlichkeit zugeleitet hat mit der Aufforderung, diese enorm wichtige Vorlage öffentlich zu diskutieren, um auf diese Weise zu einer neuen Gesetzesvorlage zu gelangen.
— Ich habe sie leider noch nicht gelesen, aber ich freue mich, daß wir sie jetzt in Händen haben; denn es geht hier um eine Frage, die an den Kern des Bundeshaushalts herangeht. Bei einem Umsatzsteuerertrag von 14 Milliarden DM ist jede Änderung der Umsatzsteuergesetzgebung von einschneidender Bedeutung für künftige Bundeshaushalte. Allzu große Experimente können wir uns hier nicht leisten, wenn auch unbedingt — schon im Interesse des deutschen Mittelstandes — erreicht werden muß, daß die Umsatzsteuer wettbewerbsneutral gestaltet wird.
Man hat dem Bundesfinanzminister nach seinen Ausführungen über die Finanzprobleme der Gemeinden unterstellt, der Minister habe die Einführung einer Einwohnersteuer gefordert. Wer sich den betreffenden Absatz der Rede des Herrn Bundesfinanzministers einmal genau durchliest, der wird, weiß Gott nicht, behaupten können, daß da von einer Forderung die Rede war. Der Bundesfinanzminister hat lediglich eine Reihe von Möglichkeiten nebeneinandergestellt, wie den Gemeindefinanzen geholfen werden kann, wobei er sicher
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auch gar keinen Zweifel darüber hat lassen wollen, daß man niemals allgemein von Gemeindefinanzen sprechen kann, sondern daß es sich hier um ein ungeheuer differenziertes Gebilde handelt.
Herr Etzel hat hier bestimmte, schon lange und sehr oft in der Öffentlichkeit diskutierte Auswege aus der Finanznot mancher Gemeinden aufgezählt, und niemand, der sich ernstlich um eine verantwortungsbewußte Mitarbeit aller Angehörigen einer Gemeinde bemüht hat, niemand, der am Wohl und Wehe des Heimatortes interessiert ist, kann an der Problematik einer Mitbeteiligung des einzelnen Gemeindeangehörigen ohne weiteres vorbeisehen. Es ist etwas unbestreitbar Wahres an der Wortprägung meines Freundes August Dresbach, wenn er in einer Gemeinde eine Art Genossenschaft der wahlberechtigten Gemeindeeinwohner sieht.
Aber wozu eigentlich jetzt schon in diesem Zusammenhang etwas in voller Größe ausbreiten, was überhaupt nur mit einer Grundgesetzänderung begonnen werden kann? Und wir sind uns doch alle darüber im klaren, daß eine solche Grundgesetzänderung im Augenblick nicht erreichbar ist.
Etwas anders ist es mit den Wünschen, die die kommunalen Spitzenverbände jetzt hinsichtlich einer Beteiligung an den Wegelasten der einzelnen Kreise in stärkerem Maße an uns herangetragen haben. Auch hier muß ich allerdings sagen: mein verehrter Herr Kollege Schoettle hat wohl etwas übertrieben. In unserem eigenen Heimatland fahren wir auch auf den Nebenstraßen, ohne uns das Genick zu brechen. Bei Überschreiten der bayerischen Grenze ist es manchmal etwas anders. Aber auch dort sind die Verhältnisse immerhin noch einigermaßen erträglich. Ich glaube, daß der größte Teil der deutschen Länder ganz vernünftige Kreisstraßen hat, wenn auch hier wieder die Unterschiede von Kreis zu Kreis sehr erheblich sind. Der eine Kreis meines Wahlkreises hat ein tadelloses Straßennetz, der zweite Kreis, der allerdings ein dreimal so großes Straßennetz hat, klagt sehr darüber, daß er nicht so begünstigt sei wie der andere Kreis. Man kann hier die Dinge nicht in einen Topf werfen.
Lassen Sie mich — auch an Hand eines Beispieles — einmal von dem sprechen, was in den einzelnen Ländern getan wird, um die Differenzen zwischen den einzelnen Gemeinden noch zu steigern, statt daß man sie überbrückt. In meinem eigenen Land haben wir jüngst ein Schulgesetz beschert erhalten, das die bisherige Beteiligung des Landes von Fall zu Fall nach der Bedürftigkeit der Gemeinde aufgehoben hat. Man hat dort generell eine Beteiligung des Landes an Schulbauten in Höhe von 20 % festgesetzt. Was ist die Folge davon? Nur die reichen Gemeinden können noch Schulen bauen. Für die ärmeren Gemeinden fällt es völlig aus. Wenn die Länder mit solchem Beispiel vorangehen, brauchen wir uns natürlich nicht zu wundern, wenn die Differenzen zwischen den einzelnen Gemeinden hinsichtlich Wohlstand und Leistungsfähigkeit immer noch größer werden. Auch dieses Verhältnis
zwischen Bund und Ländern wird, glaube ich, mein Freund Niederalt noch besonders behandeln.
Unverkennbar rücken die Ausgaben für den Sozialhaushalt immer stärker an die erste Stelle. Ich kann meinem Freunde Schoettle einfach nicht folgen, wenn er sagt, die Verteidigungslasten seien das Beherrschende dieses Bundeshaushalts. Sie sind es nur nominell in dem Soll, aber nicht in dem Ist. Das wissen wir alle. Die Ausgaben auf dem Gebiet der Verteidigung haben bis jetzt noch keineswegs eine mit den Soziallasten irgendwie vergleichbare Höhe erreicht. Daran können wir nicht vorübergehen. Sie finden eine ganz ausgezeichnete Darstellung dieses Verhältnisses in den sehr aufschlußreichen Statistiken auf den Seiten 73 bis 86 der Allgemeinen Vorbemerkungen, die ich Ihrem bebesonderen Studium empfehle. Es ist bei der Größe und der steigenden Tendenz dieser Ausgaben meiner Überzeugung nach völlig müßig, darüber zu streiten, ob bestimmte Ausgaben hier in eine Ziffer wie 40 % hineingerechnet werden sollen oder nicht. Das spielt hier keine Rolle. Es kommt hier auf die generelle Linie an, und unverkennbar haben wir die Sozialausgaben in den letzten Jahren unverhältnismäßig viel höher gesteigert, als das bei den Verteidigungsausgaben überhaupt jemals der Fall sein konnte.
Ich möchte dazu noch etwas sagen. Welche Regierung könnte es wohl riskieren, im Sozialhaushalt jetzt schon für bestimmte Zwecke Summen einzusetzen, wenn weder eine Gesetzesvorlage dafür da ist noch einigermaßen Klarheit über die Höhe der Forderungen besteht? Ich glaube, es heißt wohl eine Regierung etwas überfordern, jetzt von ihr zu verlangen, daß sie jetzt schon in Voraussicht bestimmter Dinge, die vielleicht einmal kommen, die und die Summen einsetzt. Die Regierung würde sich damit von vornherein festlegen in einem Streit, der innerhalb des Parlaments noch gar nicht durchgefochten worden ist. Es sind in diesem Hause auch noch keine entsprechenden Anträge in der und der Größenordnung ausdiskutiert worden. Wenn also die Regierung diese Summen noch nicht eingesetzt hat, so tut sie damit nach meinem Dafürhalten haushaltsrechtlich nichts weiter als ihre Pflicht.
Lassen Sie mich auch hier mit aller Entschiedenheit darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß die Existenz der großen Kassenbestände in den bisherigen Haushalten das eigentliche Problem der Deckung in den Bundeshaushalten bis jetzt verschleiert hat. Ab Mitte des nächsten Jahres wird diese Deckungsfrage in schonungsloser Härte vor uns allen sichtbar werden, und die Probleme werden ganz anders als bisher vor uns hintreten. Dann wird das Ringen um das, was innerhalb dieses Haushalts möglich ist, wahrscheinlich zwangsläufig viel schärfere Formen annehmen als bisher. Wir haben uns bis jetzt relativ leicht getan. Aber wenn man nachher allen Ernstes gefragt wird: Bist du bereit, wenn du den und den Antrag stellst, auf der anderen Seite auch die entsprechende notwendige Steuererhöhung zu verlangen, wird die Sache etwas ernster als bisher.
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Ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit auf das Problem der Rüstungsausgaben hinweisen. Herr Kollege Schoettle hat vorhin gesagt, wir hätten eine Summe von 11 Milliarden DM eingestellt. Auch er hat anerkannt, daß hier von seiten des Herrn Bundesfinanzministers etwas getan worden ist, was in der Form sicher nicht besonders geglückt erscheint, was aber aus besonderen Rücksichten wahrscheinlich notwendig war.
Ich möchte die verklungene Debatte der vergangenen Jahre über die Notwendigkeit eines „Juliusturms" nicht von neuem aufwärmen; aber ich bin heute mehr denn je davon überzeugt, daß diese Politik der Rückstellungen zwangsläufig war und daß sie schlechthin nicht zu vermeiden war. Das einzige, was man dazu sagen könnte, ist, daß man mit diesen Rückstellungen vielleicht hätte glücklicher operieren können, als es der Fall gewesen ist. Mir scheinen diese Rückstellungen zwangsläufig gewesen zu sein, und ich freue mich, daß in die Allgemeinen Vorbemerkungen auch ein entsprechendes Zitat eines sehr bekannten Finanzwissenschaftlers zur Verteidigung dieser These eingefügt worden ist.
In dem neuen Haushaltsplan werden zum erstenmal die mit Sicherheit zu erwartenden realen Ausgaben für Verteidigung deutlich umrissen. Daß sie in Zukunft nicht kleiner, sondern wachsend größer sein werden, weiß jeder von uns, vor allem schon im Hinblick auf die in jüngster Zeit getroffenen Entscheidungen über die Flugzeugausrüstungen. Aber
auch hier muß ich etwas einflechten; denn mein Herr Vorredner hat auf den Aufbau einer Luftfahrtindustrie Bezug genommen. Er weiß allerdings nicht aus seiner Erinnerung — denn er war in der betreffenden Sitzung nicht anwesend —, daß wir, die Mehrheit dieses Hauses, für uns in Anspruch nehmen können, die Folgenschwere dieser Entscheidung des Aufbaues einer eigenen Luftfahrtindustrie in vollem Umfang diskutiert und herausgestellt zu haben. Wir waren uns in einer gemeinsamen Entschließung darüber im klaren, daß eine Luftfahrtindustrie in begrenztem Ausmaß absolut notwendig ist. Wir waren uns aber ebenso klar darüber, daß eine unnütze Aufblähung dieser Industrie vermieden werden sollte. Diese Entschließung ist, wie ich zu meiner Freude feststellen kann, von uns einmütig gefaßt worden.
Meine Freunde und ich stellen mit einer gewissen Befriedigung fest, daß sich in den Reihen der Opposition im Laufe dieses Jahres offenbar eine positivere Einstellung zur Bundeswehr gezeigt hat. Ich bin niemals müde geworden, bei der Einbringung des Haushalts in den vergangenen Jahren zu unterstreichen, für wie dringend notwendig nicht nur ich selber, sondern auch meine Freunde eine gemeinsame Bejahung der Verteidigungsanstrengungen des deutschen Volkes halten. Ich habe auch immer wieder erklärt, daß wir uns sehr gefreut hätten, wenn sich die Opposition nicht nur zu einer Bejahung der Verteidigungsnotwendigkeit durchgerungen hätte, sondern von ihrer Seite aus bündig und bindend auch einen Plan darüber vorgelegt hätte, wie hoch sie sich die Kosten einer Bundeswehr vorstellt, wie die Bewaffnung aussehen soll und welche Lasten sie bereit ist, im Bundeshaushalt von sich aus positiv zuzugestehen. Ich glaube, hier besteht immer noch eine sehr große Kluft zwischen dem, was wir von prominenten Sprechern der Opposition zuweilen hören, und dem, war wir landauf landab in Versammlungslokalen, in den Betrieben etc. vorgehalten bekommen. Ich würde mich freuen, wenn Sie hier zu einer einheitlichen Auffassung gelangen würden.
Lassen Sie mich noch einige Einzelprobleme streifen, die im Bundeshaushalt eine keineswegs unerhebliche Rolle spielen. Da ist zunächst der ERP-Haushalt, der in zunehmendem Maße als eine Art von Feuerwehr für den Bundeshaushalt dient. Meine Damen und Herren, wenn man sieht, wie sich die Dinge innerhalb des letzten Jahres gewandelt haben, kann man sich eines gewissen Schmunzelns nicht erwehren. Noch vor zwei Jahren — ich erinnere mich — wurden stets unsere Anfragen, ob nicht diese oder jene Ausgabe in den ERP-Haushalt verwiesen werden könnte, mit beiden Händen abgewehrt. ,Ein interministerieller Ausschuß hatte sich wie einasiatischer Racheengel vor den Ausgang des ERP-Fonds gestellt und verwehrte uns den Eintritt. Es wurde gesagt: Ihr kommt zu spät, über alles ist längst verfügt; und wir hatten gar keine Möglichkeit, neue Wünsche zu berücksichtigen.
Seitdem Herr Minister Lindrath 'Sein neues Haus gebildet hat, hat sich ein völliger Wandel, ich muß sagen: ein uns durchaus erfreulich scheinender Wandel, angebahnt. Mit einem Mal ,sehen wir, was mit dem ERP-Haushalt alles gemacht werden kann und welche Möglichkeiten diese 7,1 Milliarden DM mit ,den jährlichen Rückflüssen und Zinsen in Höhe von fast 1 Milliarde DM in sich bergen. Nehmen wir uns als Beispiel nur die letzte Maßnahme der Bundesregierung etwas unter die Lupe; ich meine die Bewilligung einer Kreditaktion von 500 Millionen DM für die Deutsche Bundesbahn, um die Stahlaufträge an die deutsche Stahlindustrie entsprechend zu vergrößern, wo man Mittel in einer Größe von über 200 Millionen DM aus dem ERP-Pott herausnehmen konnte. Dazu muß ich sagen, daß sich hier doch gewisse Möglichkeiten ergeben haben, die uns früher die Lösung manchen Problems im Haushaltsausschuß erleichtert hätten, wenn wir nicht daran gehindert worden wären, hier mitzuwirken, und wenn wir unsere Wünsche in einem stärkeren Maße hätten durchsetzen können.
Ich darf übrigens meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, daß diese 500 Millionen DM innerhalb des Landes geblieben sind und daß dieses sagenhafte Argentinien-Geschäft nicht zustande gekommen ist. Denn ich hätte mir nichts davon versprochen, daß man einem Land, das his jetzt nicht in der Lage war, die sehr hohen Schulden an uns auch nur in etwa zu regeln, noch einen solchen Riesenbetrag von über 600 Millionen DM von neuem vorgeschossen hätte.
Ich darf hier eine allgemeine Bemerkung anfügen. Geschäfte derart zu machen, daß man draußen abschließt, nach Möglichkeit den Gewinn einstreichen möchte, das volle Risiko aber auf den deut-
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schen Steuerzahler abwälzt, scheint mir nicht die richtige Praxis für die Zukunft zu sein.
Eine solche Exportausweitung würde keinesfalls unseren Beifall finden. Die von der Bundesregierung angedeutete neue Garantie über 1 Milliarde DM sollte auch die deutsche Wirtschaft nicht zu Experimenten verführen, die einzig und ,allein auf dem Rücken des deutschen Steuerzahlers ausgetragen werden.
— Herr Dr. Deist, wir sind uns über diesen Punkt stets im klaren gewesen. Aber auch Ihnen nahestehende Leute haben, glaube ich, in dieser Beziehung etwas abweichende Ansichten geäußert.
Ich darf noch auf etwas anderes zu sprechen kommen, nämlich auf die wachsende und von uns nicht mehr zu übersehende Problematik des Haushalts der Bundesbahn. Gestatten Sie mir hier mal ein Wort zuvor. Als der Deutsche Bundestag vor sehr vielen Jahren das Bundesbahngesetz schuf und die Sondervermögen der Bundesbahn und der Bundespost begründete, hatten wir, glaube ich, eine andere Vorstellung von den Kontrollfunktionen der in diese Gremien entsandten Mitglieder des Hoheit f Man muß feststellen, daß sich die als Kontrollgremien gedachten Beratungsausschüsse in zunehmendem Maße mehr oder weniger in Aufsichtsräte verwandelt haben.
Die Entwicklung war also bezüglich der Delegierung der Kontrollfunktionen dieses Hohen Hauses an diese Gremien nicht ganz glücklich.
Ich halte eine Revision des Bundesbahngesetzes für beinahe unausweichlich, nicht nur wegen des genannten Punktes, sondern auch weil wir zu einer strafferen Rationalisierung innerhalb der Bundesbahn wahrscheinlich nur mit Hilfe einer solchen Änderung des Bundesbahngesetzes kommen werden. Mit einem Tagesdefizit von rund 2,5 Millionen DM ist die Bundesbahn heute ein solches Sorgenkind geworden, daß sie, wenn nicht eine grundsätzliche Sanierung durchgeführt wird, in allen Haushalten eine überragende Rolle spielen wird.
Wir haben der Bundesbahn gewiß immer Wohlwollen entgegengebracht. Ich persönlich fühle mich da völlig frei von allen Ressentiments. Ich war es ja auch, der im vergangenen Haushaltsjahr den entsprechenden Antrag auf die Bewilligung von 500 Millionen DM gestellt hat, dessentwegen ich so beschimpft worden bin. Ich glaube aber, die Bundeshahn wird erkennen müssen, daß sie nicht mehr die Monopolstellung hat, die sie in früheren Jahren einmal gehabt hat, und daß sie aus dem Wandel des Verkehrs auch ihrerseits bestimmte Konsequenzen ziehen muß. Sie wird ebenso Konsequenzen ziehen müssen, wie sie unter Umständen auch die Ruhrkohleindustrie ziehen muß, die ebenfalls nicht mehr wie ehedem eine Monopolstellung innerhalb der deutschen Volkswirtschaft hat.
Ich möchte hier noch einen Appell an das gesamte Hohe Haus richten: Wenn die Bundesbahn hier und da einmal den verzweifelten Ansatz machte zu rationalisieren, sind wir selber als Abgeordnete ihr häufig genug in den Rücken gefallen. Wenn es sich darum handelte, eine längst unrentabel gewordene Teilstrecke stillzulegen oder ein nicht mehr rentables Betriebswerk zusammenzulegen, kamen die kommunalen Verbände in Bewegung, beschritten die Industrie- und Handelskammern den Kriegspfad, und die Folge war meist, daß die Bundesbahn unter dem Druck dieser Körperschaften des öffentlichen Rechts den Rückzug antreten mußte und ihre Rationalisierungspläne ins Wasser fielen. Wir werden uns darüber klar sein müssen, daß es, wenn wir ernstlich eine Ermäßigung des Bundesbahnzuschusses wollen, nicht ohne Streckenstillegungen, nicht ohne Rationalisierungen in den Betrieben abgeht; das muß in Kauf genommen werden.
Lassen Sie mich noch etwas generell zum Verkehrsproblem sagen. Wir vermissen schon seit geraumer Zeit einen vom Bundesverkehrsminister aufzustellenden allgemeinen Verkehrsplan. Wir wären sehr dankbar, wenn dieser Plan, der uns schon öfter angekündigt worden ist, den wir aber noch nicht in Händen haben, zu einer wirklichen Koordinierung der Verkehrsbedürfnisse in Deutschland führte. Wir haben bis jetzt immer wieder Einzelvorstöße erlebt, die unangenehme Rückwirkungen auf andere Verkehrsträger hatten. Ich darf ein Problem besonders herausgreifen und möchte dabei meine Hamburger Freunde bitten, nicht gleich auf die Palme zu gehen. Ich möchte offen sagen, daß mir die Forcierung des Plans, einen Nord-Süd-Kanal mit einem Kostenaufwand von 700 bis 800 Millionen DM jetzt, wo wir unter dem Zwang stehen, die Mosel zu kanalisieren, zu bauen, deplaciert erscheint.
Entschuldigen Sie, Sie können doch nicht ein Kanalprojekt von einer solchen Größenordnung in Angriff nehmen, wenn Sie sich durch internationale Verträge verpflichtet haben, mit einem Kostenaufwand von einer Viertelmilliarde die Mosel zu kanalisieren.
— Das ändert nichts daran? Aber es muß doch überhaupt einmal geprüft werden, ob Kanäle noch die Bedeutung haben wie früher.
Ich sehe weiter neue Wolken — Wolken im buchstäblichen Sinne des Wortes - im Luftverkehr. Wenn wir die steigenden Anforderungen im Bundeshaushalt betrachten, die für die Lufthansa benötigt werden, wenn wir weiter sehen, daß die Flugsicherung sehr erhebliche neue Beträge beansprucht, sollten wir ein wenig nachdenklicher werden. Sie kennen ja meine alte Ansicht zum Projekt Lufthansa. Ich habe damals das Hohe Haus gebeten,
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eine Entschließung anzunehmen - und es ist mir einmütig gefolgt —, nach Möglichkeit zu einem europäischen Verkehrspool zu kommen. Nach den letzten Informationen, die wir haben, bahnen sich sehr entscheidende Wandlungen im internationalen Luftverkehr an. Ich hoffe, daß jetzt vielleicht etwas zustande kommt, was wir uns vor Jahren hier gemeinschaftlich vorgenommen haben.
Eine Frage in Zusammenhang mit der Verkehrspolitik ,an den Bundesfinanzminister, die er vielleicht am Schluß beantworten kann. Wie hoch sindeigentlich die in diesem Haushaltsjahr zu erwartenden Reste beim Straßenbau? Wir wissen ja, daß im vergangenen Jahr ganz erhebliche Summen übriggeblieben sind, und wenn ich die Briefe und die Denkschriften sehe, mit denen wir fortgesetzt von einer bestimmten Organisation bombardiert werden, ist die Klärung dieser Frage überaus nützlich. Wir hatten im vergangenen Jahr bereits eingewandt, daß, solange noch Reste in einer derartigen Größenordnung da sind, offenbar die Länder gar nicht in der Lage sind, mehr zu verkraften, als ihnen angeboten worden ist. Wenn wir z. B., wie ich aus der Presse entnehme, bei Ablauf dieses Jahres — die Saison ist ja im allgemeinen vorüber — mit neuen Resten in der Größenordnung von vielleicht 200 Millionen DM werden rechnen müssen, sollte man mit Forderungen an den Bundeshaushalt etwas vorsichtiger sein, neue Riesenbeträge dem ordentlichen Haushalt zu überweisen.
In vielen Artikeln ist das Problem der Bindungsermächtigung in Höhe von 400 Millionen DM für den Straßenbau lang und breit abgehandelt worden. Das ist keine direkte Ausgabe. Aber sicherlich wird damit dem Straßenbau doch eine wesentliche Hilfe zuteil, und sicherlich kann der Straßenbau auch die gefährliche Lücke überbrücken, die sich jedes Jahr im Frühling für ihn ergibt, wenn er diese 400 Millionen DM rechtzeitig verplanen kann und er sicher ist, daß er im kommenden Haushalt diese Summen zur Verfügung haben wird. Daß diese Summen nicht kleiner werden, ich glaube, davon können wir überzeugt sein. Denn der Bundesfinanzminister hat bereits entsprechende Andeutungen gemacht, wie er mit den zu erwartenden neuen Mineralölsteuereinnahmen zu verfahren gedenkt. Ich persönlich bin keineswegs glücklich darüber, daß wir zu neuen Zweckbindungen kommen. Zweckbindungen sind auf die Dauer — das wollen wir offen aussprechen — eine Entmachtung des Parlaments und eine Einschränkung seiner finanziellen Bewegungsfreiheit.
Wir sind dankbar für eine Reihe von Ausweitungen auf dem Gebiet der Forschung, auf dem Gebiet der Ausgaben auch für die Studentenförderung usw. Die systematische Entwicklung dieser Fonds scheint mir sinnvoller zu sein als das plötzliche Aufstocken um sehr große Summen, von denen man weiß, daß man sie doch derartig schnell nicht ohne weiteres verausgaben kann.
Nun noch ein Wort über die vielleicht neu erwachsende Belastung des Bundeshaushalts durch die Garantie, die ich bereits ansprach, in einer Größenordnung von 1 Milliarde DM für politische Risiken in unserer Ausfuhr. Eine ganze Reihe von Möglichkeiten werden durch diese 1 Milliarde nicht gedeckt werden. Ich denke z. B. an ein Spezialproblem. Im Irak haben deutsche Baufirmen in den vergangenen fünf Jahren Objekte in einer Größenordnung von 600 Millionen DM abgewickelt. Auch in Zukunft werden da sehr erhebliche Bauvorhaben an uns herangetragen werden. Wenn aber eine Regierung wie die neue irakische Regierung von diesen Firmen neuerdings verlangt, daß sie den Gegenwert von 20 0/o des Bauvolumens bar bei der Nationalbank von Irak einzahlen, gibt es keine deutsche Baufirma, die finanziell in der Lage ist, eine solche Bedingung zu erfüllen. Aber auch diese 1 Milliarde DM wird nach dem, was wir darüber gehört haben, ein solches Vorhaben nicht decken können. Wir werden uns also den Kopf zerbrechen müssen, wie wir diese Dinge noch elastischer gestalten können und wie wir größere Schädigungen unseres Exports und unserer Bauten im Ausland verhindern können.
. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zum Schluß auf einige Probleme zu sprechen kommen, die auch mein Vorredner gestreift hat. Er hat sich gewundert, warum die Bundesregierung nicht für bestimmte Zwecke mehr Geld eingesetzt und hier vorausgeplant hat. Keiner von uns weiß, was in Verfolg der Erpressungsnote von Chruschtschow über Berlin hereinbrechen kann und inwieweit wir alle hier in die Lage versetzt werden, ganz andere Summen, als sie bis jetzt für die Aufrechterhaltung der Freiheit Berlins im Bundeshaushalt stehen, zusätzlich in den Haushalt einstellen zu müssen. Ich hoffe, daß das nicht der Fall zu sein braucht, aber keiner von uns weiß es. Es gibt genug dunkle Wolken am Horizont.
Eines sollten wir mit aller Energie tun. Wir sollten ganz andere Anstrengungen als bisher unternehmen, um die Weltöffentlichkeit, vor allen Dingen die sogenannten „non committed"-Länder draußen, über den Tatbestand des geteilten Berlins aufzuklären.
Denn nicht nur Millionen von Menschen, sondern auch führende Politiker im Ausland sind mit dieser Tatsache noch niemals konfrontiert worden. Sie wissen darüber nichts. Aber es ist nicht nur meine Überzeugung, sondern auch die Überzeugung vieler anderer Kenner, daß das Berlin-Problem möglicherweise einmal auf die UNO zukommen wird. Dann wird es sehr gut sein, wenn möglichst viele Länder, auch die Länder des sogenannten neutralen Blocks, über diesen bevorstehenden Rechtsbruch in Kenntnis gesetzt sind und genau wissen, was in Berlin für die freie Welt auf dem Spiel steht.
Meine Freunde verschließen sich auch nicht — das möchte ich ausdrücklich sagen — bestimmten anderen Forderungen, die an uns herantreten werden. Wir wissen, daß die Kriegsopfer bestimmte Wünsche haben und daß eine siebente Novelle in Vorbereitung ist. Wir wissen, daß diese Novelle keineswegs billig werden wird. Aber wir können der Regierung keinen Vorwurf daraus machen, daß sie dafür nicht schon bestimmte Beträge in den Haushalt eingesetzt hat. Wir wissen ferner von
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einer ganzen Reihe anderer Neubelastungen, die auf uns zukommen werden. Sicher werden die einzelnen Haushalte auch im kommenden Jahr immer wieder durch unvorhergesehene Ausgaben in einem Maße belastet werden, das für die Mitglieder des Haushaltsausschusses keineswegs etwa erfreulich ist.
Aufrichtig bedauert habe ich es, daß mein Herr Vorredner den Schluß seiner sonst so sachlichen Ausführungen dazu benutzt hat, einige Breitseiten gegen den Herrn Bundeskanzler abzufeuern, die nach meinem Dafürhalten durchaus fehl am Platze waren.
Ich möchte hier einmal ein Zitat vorbringen, das Ihnen zum Teil etwas merkwürdig erscheinen mag. Wenn Sie aber nachher den Autor erfahren haben werden, werden Sie sich vielleicht andere Gedanken machen. Das Zitat lautet:
Autokratisch soll überall regiert werden. Jede andere als eine autokratische Regierung ist machtlos und unfähig. Zu allen Zeiten haben Persönlichkeiten regiert und nicht Körperschaften. Vertrauen macht Autokratie möglich, Demokratie macht Vertrauen möglich.
Diese Worte stammen nicht von mir, sondern von Walter Rathenau, der, glaube ich, völlig außerhalb des Verdachtes steht, etwa nicht demokratisch gedacht zu haben. Wir wollen uns doch über eines im klaren sein, meine Damen und Herren: ohne die Schaffung eines großen Vertrauens zu unseren führenden Staatsmännern kann dieses deutsche Volk in den kommenden Monaten vor der freien Welt im Kampf um die Behauptung Berlins überhaupt nicht bestehen.
Wir sind uns ebenso völlig darüber im klaren, daß es des Einsatzes der vollen Summe des inzwischen angesamelten Vertrauens bedarf, um ein wachsendes Mißtrauen im Ausland gegenüber bestimmten deutschen Absichten niederzuhalten oder zu zerstreuen. Darüber hinaus wird es eines gesteigerten Vertrauens in Männer bedürfen, um diesen Testfall, der der schwerste Testfall der Nachkriegszeit für das deutsche Volk werden kann, zu bestehen.
Deshalb sind wir — das kann ich für meine Freunde sagen — glücklich, daß es gelungen ist, in den vergangenen Jahren eine solche Summe an Vertrauen im Ausland zum Nutzen des deutschen Volkes in der Gestalt des Bundeskanzlers anzusammeln.