Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich die angenehme Pflicht, einem Kollegen, und zwar dem Abgeordneten Samwer, zu seinem heutigen 60. Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche des ganzen Hauses auszusprechen.
Dann möchte ich bekanntgeben, daß die nächste Fragestunde am Mittwoch, dem 28. September 1955, stattfindet. Die Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 23. September, 12 Uhr.
In Ergänzung des gestern gefaßten Beschlusses betreffend die Überweisung des von der Fraktion der CDU/CSU und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes, Drucksachen 1462 und zu 1462, ist gebeten worden, diesen Gesetzentwurf auch dem Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung zu überweisen. Federführend bleibt der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Ich frage: ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich gebe noch bekannt, daß der Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen um 10 Uhr zu einer Beratung zusammentritt.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mai 1951 (Drucksache 1465).
Das Haus verzichtet auf Aussprache und Begründung in der ersten Lesung. Ich schlage vor Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 2:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Protokoll vom 1. Februar 1955 betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und Japan (Drucksache 1466).
Auch hier verzichtet das Haus auf Aussprache in der ersten Lesung. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 3:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 21. Dezember 1954 über die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl .
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für die sozialdemokratische Fraktion einige Ausführungen zur ersten Lesung dieses uns sehr wesentlich erscheinenden Gesetzes machen. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt diesem Gesetz zu. Sie sieht in dem Vertrag, der mit diesem Gesetz ratifiziert werden soll, einen Fortschritt zu einer umfassenderen wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa, für die sich die Sozialdemokratie stets eingesetzt hat.
Schon im Jahre 1953 haben die sozialdemokratischen Abgeordneten in der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl durch ihre Initiative einen Beschluß der Versammlung erwirkt, der die Grundsatze und Richtlinien für eine elastische und weitgespannte Politik der Hohen Behörde der Gemeinschaft zur Anbahnung von Assoziationsverhältnissen Großbritanniens und anderer Staaten zur Gemeinschaft aufgestellt hat. Wir sehen in der Assoziation Großbritanniens und — wie wir es anstreben — weiterer Staaten den Beginn einer Überwindung der Gefahr einer Abkapselung der Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die wir stets als eine besondere Schwäche der Konstruktion dieser Gemeinschaft angesehen haben.
Die Gemeinschaft für Kohle und Stahl kann jetzt auf eine mehrjährige Erfahrung zurückblicken, die es — so scheint es uns — möglich macht, Schlußfolgerungen zu ziehen, die ihrerseits wieder der weiteren Entwicklung der Gemeinschaft selbst und der Einwirkung der Tätigkeit dieser Gemeinschaft auf eine zunehmende wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa dienen können.
Wir Sozialdemokraten haben immer positiv zu den Zielen gestanden, die im Art. 2 des Vertrages der Gemeinschaft zusammengefaßt sind, nämlich im Einklang mit der Gesamtwirtschaft der Mitgliedstaaten und auf der Grundlage eines gemeinsamen Marktes zur Ausweitung der Wirtschaft, zur Steigerung der Beschäftigung und zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten beizutragen.
Unsere Einwände und Bedenken richteten sich gegen wesentliche Elemente der Konstruktion der Gemeinschaft und gegen die mit dem Dogma der supranationalen Institution heraufbeschworene Abkapselung dieser Gemeinschaft gegenüber Staaten, die diesem Dogma sich unterzuordnen nicht bereit sind.
Wir waren deshalb erfreut darüber, daß die Gemeinsame Versammlung der Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Sommer des Jahres 1953 unserem Vorschlag folgte und damals beschloß, daß die Ausweitung des gemeinsamen Marktes auf Nichtmitgliedstaaten der Gemeinschaft für Kohle und Stahl das Endziel der Gemeinschaft bleiben muß. Sie ist nicht in sich selbst abgeschlossen, sondern sie strebt danach, ganz Europa auf wirtschaftlichem Gebiet zu vereinigen. Voraussetzung für einen einheitlichen Markt ist jedoch, so hieß es in diesem Beschluß, daß alle Teilnehmerstaaten gleiche Rechte und gleiche Pflichten übernehmen.
Nun kam das Wesentliche, was damals zu einer positiven und konstruktiven Hinwendung auf die Möglichkeit von Zwischenlösungen und Assoziationen führte, nämlich: Als Zwischenlösung kann die Koordinierung zweier getrennter Märkte betrachtet werden, die durch gegenseitige Abkommen eng miteinander verbunden sind. Aus diesen Abkommen, die jeweils für fest begrenzte Gebiete des Kompetenzbereichs der Gemeinschaft — es werden angeführt Märkte, Preise, Investierungen, Produktion, Absprachen und Zusammenschlüsse, Transport usw., d. h. es wird ausdrücklich für möglich gehalten, die Kette zu verlängern — geschlossen werden, werden sich gemeinsame Regeln entwikkeln, die in ihrer Gesamtheit den Rahmen und den Inhalt eines Assoziierungsvertrages auf lange Sicht bilden werden. Schließlich: Sowohl die Errichtung eines gemeinsamen Markts wie die Koordinierung getrennter Märkte können erreicht werden entweder durch die Schaffung einer überstaatlichen oder internationalen Behörde oder durch ein System paralleler Gesetzgebung, d. h. also durch gleichgerichtete Beschlüsse, die gleichzeitig von den für die betreffenden Gebiete jeweils zuständigen Behörden gefaßt werden. Diese Hinwendung zu einer Vielseitigkeit von Möglichkeiten wird und wurde in diesem Beschluß des Sommers 1953 durch den Satz bekräftigt: „Die Vereinheitlichung der europäischen Wirtschaft ist so wünschenswert, daß keine rechtliche Form von vornherein ausgeschaltet werden darf." In diesem Beschluß ist damals auch besonders auf Großbritannien abgehoben worden, aber es ist ausdrücklich gesagt worden, das betreffe natürlich auch andere Staaten.
Mit dieser Richtlinie vom Jahre 1953, die unserer Initiative entsprang, war es möglich, schließlich das Abkommen zu erzielen, durch das das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Gemeinschaft für Kohle und Stahl den institutionellen Rahmen schaffen, in dem, wie es jetzt richtig in der Begründung der Bundesregierung für das Ratifikationsgesetz heißt, ..sich Besprechungen zwischen der Regierung des Vereinigten Königreichs und den Organen der Gemeinschaft über die. das Gebiet von Kohle und Stahl betreffenden Fragen gemeinsamen Interesses entwickeln können."
Wir wünschen diesem Unternehmen Erfolg besonders im gemeinsamen Interesse all der arbeitendenden Menschen und ihrer Familien, deren
Wohlergehen von der Entwicklung von Kohle und Stahl abhängig ist. Wir wollen aber diese Gelegenheit dazu benützen, um jetzt, wenige Wochen nachdem in Messina die Außenminister der sechs Mitgliedstaaten der Gemeinschaft für Kohle und Stahl zusammengewesen sind, einiges in diesem Zusammenhang zu deren Beschlüssen und zu den Möglichkeiten auszuführen, sie zur Grundlage einer umfassenderen wirtschaftlichen Zusammenarbeit Europas zu machen. In Messina haben die Außenminister Beschlüsse gefaßt, durch die, wenn man sie genau prüft, die schrittweise Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Marktes erreicht werden soll. Dabei ist nicht an ein Vorgehen nach einem starren Schema gedacht. Die Beschlüsse lassen Raum für verschiedene Formen der Zusammenarbeit und für die Koordination von Institutionen und Kooperationsformen verschiedener Art. In der Gemeinsamen Versammlung der Gemeinschaft hat man sich damit eingehend befaßt, vor allen Dingen mit den Möglichkeiten, die auch von der Gemeinschaft her gesehen in diesen Beschlüssen liegen, die aber nur dann in ihnen liegen, wenn man den Willen zu fortschreitender wirtschaftlicher Zusammenarbeit hat. Wir meinen, daß die Gemeinschaft dazu ihren Beitrag leisten muß.
Die sozialistische Gruppe in der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl hat darauf hingewiesen, d aß eine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft ihrer Auf f as-sung nach ihren Sinn erst durch die Einbettung in eine synchronisierte Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten erhalten kann, die, so meinen wir, allein eine aktive Konjunktur- und Strukturpolitik ermöglicht. Die entscheidenden Möglichkeiten einer über den engeren Rahmen von Kohle und Stahl hinausgehenden Wirtschaftspolitik liegen unseres Erachtens auf den Gebieten der langfristigen Konjunktur- und Strukturpolitik, ferner der Investitionspolitik und schließlich der Beschäftigungspolitik. In den Beschlüssen von Messina ist mit den Hinweisen auf die Harmonisierung der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der Teilnehmerstaaten sowie auf die ausreichende Koordinierung der Währungspolitik die Möglichkeit eines Weges angedeutet, der zum Ziele führen kann, wenn — so muß ich wieder betonen — der Wille zu einer aktiven gemeinsamen Wirtschaftspolitik wirksam ist.
Es ist die Frage, ob dieser Wille zu einer solchen aktiven gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik in Europa wirklich vorhanden ist.
Ich kann nicht anders, als in diesem Zusammenhang die Vermutung auszusprechen, daß offensichtlich manche Kreise, die vor wenigen Jahren noch von europafreudigem Tatendrang überschäumten, nun an eine Umwertung europäischer Werte gegangen sind.
Die Frage, die uns etwas drückt, ist, ob das darauf zurückzuführen sein sollte, daß sie damals eigentlich und in erster Linie die militärische Seite meinten, wenn sie Europa sagten, und ob nun, nachdem diese Seite auf eine andere Weise gelöst worden ist, ihr Bedarf an europäischer Gemeinschaft sozusagen gelöscht ist.
In ,der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl habe ich kürzlich darauf hingewiesen, welche Versäumnisse der Organe der Gemeinschaft hinsichtlich der konsequenten Anwendung der Bestimmungen des Vertrages zu beklagenswerten Mißverhältnissen geführt haben. Wenn ich heute und im Zusammenhang mit dem uns vorliegenden Ratifikationsgesetz daran erinnern will, so deshalb, weil ich der Überzeugung bin, daß erstens das Abkommen über die Beziehungen Großbritanniens und der Gemeinschaft für Kohle und Stahl erst dann seinen Sinn bekommt, wenn die Gemeinschaft das ihrige tut, um in ihrem eigenen Bereich eine aktive Wirtschaftspolitik zu treiben, und daß zweitens die Regierungen — und dazugehört auch die Bundesregierung — der sechs Länder durch den Ministerrat die Verpflichtung erfüllen müßten, die Gemeinschaft in vollem Maße zu einer solchen Wirtschaftspolitik zu befähigen. Das ist bis jetzt keineswegs der Fall.
Wenn ich vom Bundestagspodium aus dazu noch einmal einiges sage, so geschieht es auch deshalb, weil die Anliegen der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom Ministerrat und auch von der Konferenz der Außenminister der sechs Mitgliedstaaten bisher offenbar nur ganz nebenbei zur Kenntnis genommen worden sind. Ich will mich dazu jeder weiteren Bemerkung enthalten. Aber worum es dabei sachlich geht, das möchte ich doch bei dieser Gelegenheit hier in Erinnerung rufen. Die Konjunktur- und Strukturpolitik hätte durch die Aufstellung der — wie es in der Fachsprache dort heißt — „allgemeinen Ziele" schon ihre gesamte Richtung erhalten müssen, und darüber hinaus müßten der Kohle- und der Stahlpolitik ihre weiteren Richtpunkte gesetzt werden. Alle Bemühungen, eine klarere Vorstellung über die wirtschaftspolitische Linie der Politik der Hohen Behörde zu gewinnen, sind aber bisher in recht allgemeinen Überlegungen steckengeblieben. Ich gehe sicher nicht fehl, wenn ich annehme, daß die Haltung des Ministerrates wesentlich zu dieser Zurückhaltung der Hohen Behörde geführt und beigetragen hat.
Von einer stärkeren Initiative — und das ist das nächste, worauf ich hinweisen muß — auf diesem Gebiet hätten Impulse für eine strukturelle Anpassung der Stahl- und Kohlewirtschaft an die veränderten Bedingungen des Gemeinsamen Marktes, besonders auch stärkere Impulse für eine weitergehende wirtschaftliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ausgehen können. Endlich hätten auch im Rahmen einer solchen bewußt konstruktiven Politik preis- und wettbewerbspolitische Maßnahmen ihren Sinn erhalten. Hier, so meine ich, liegen Versäumnisse sowohl der Hohen Behörde als auch besonders der Regierungen der Mitgliedstaaten vor.
Die Investitionspolitik erscheint uns als ein entscheidendes Mittel, die strukturelle und konjunkturelle Entwicklung ohne dirigistische Eingriffe zu beeinflussen. Es ist bemerkenswert, daß dieser Gesichtspunkt in dem Messina-Dokument für die Gesamtwirtschaft stark unterstrichen wird. Nichts anderes bedeutet ja doch wohl die in diesem Dokument ,angekündigte Schaffung eines europäischen Investitionsfonds, der die gemeinsame Entwicklung der europäischen wirtschaftlichen Möglichkeiten
und besonders die Entwicklung der weniger begünstigten Gebiete der Teilnehmerstaaten bezweckt. Eine wirkungsvolle wirtschaftliche Zusammenarbeit der europäischen Staaten — und auf die kommt es uns an — hängt davon ab, daß in den Grundstoffindustrien Kohle und Stahl eine konstruktive Investitionspolitik durchgeführt wird. Sie muß in Übereinstimmung mit der Investitionspolitik in ,den übrigen Bereichen der Wirtschaft der Mitgliedsländer entwickelt werden.
Die Beschäftigungspolitik in der Gemeinschaft für Kohle und Stahl, um auch das noch zu sagen, steht in einem engen Zusammenhang mit den von den sechs Regierungen in Aussicht genommenen Maßnahmen. Die Gemeinsame Versammlung hat diesem Problem stets ihre Aufmerksamkeit gewidmet und sich mit den Folgen befaßt, die sich aus der Fortentwicklung und aus der Rationalisierung der Kohle- und Stahlwirtschaft für die Arbeitnehmer dieser Grundstoffindustrien, aber auch für die wirtschaftliche und soziale Lage der betroffenen Gebiete und Länder ergeben. Wir haben uns in der Versammlung für verpflichtet gehalten, und ich halte mich auch hier für verpflichtet, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die Außenminister in ihrem Dokument nur sehr vage auf die Gemeinschaft für Kohle und Stahl Bezug genommen haben. Ich finde es bedauerlich, daß dort nichts darüber ,angezeigt worden ist, welche Bedeutung einer aktiven Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiete der Struktur- und Konjunkturpolitik, der Investitionspolitik und der Beschäftigungspolitik für die Fortentwicklung der europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zukommt,
wobei es sich doch um Aufgaben und Möglichkeiten handelt, die der Vertrag bereits in seiner heutigen Fassung enthält.
Dieses Versäumnis von Messina — so finden wir — steht in einem merkwürdigen Zusammenhang mit der Tatsache, daß sich sowohl in der Gemeinsamen Versammlung als auch in der Hohen Behörde und in der Praxis des Ministerrats Tendenzen zeigten, die Bestimmungen des Vertrages so eng wie möglich auszulegen, damit die Tätigkeit der Gemeinschaft auf den ihr durch den Vertrag zugewiesenen Gebieten zu begrenzen und so die Möglichkeit einer konstruktiven Politik wirtschaftlicher Zusammenarbeit einzuschränken. Wir wünschen, daß die Bundesregierung ihren Einfluß im Ministerrat geltend macht, um in der Gemeinschaft und mit Hilfe der Gemeinschaft das zu tun, was notwendig ist, um durch die Synchronisierung von Wirtschafts- und Handelspolitik die Erhöhung der Produktivität und die Steigerung der Lebenshaltung zu erreichen. Uns scheint auch, daß die Zeit gekommen ist, den bisher auf dem Papier stehengebliebenen Beschluß ides Ministerrats vom Oktober 1953 über eine gemeinsame Konjunkturpolitik in die Wirklichkeit umzusetzen. Die Beschlüsse ,der Außenminister von Messina bieten dazu eine geeignete und genügende Handhabe, wenn man zu einer umfassenderen Wirtschaftlichen Zusammenarbeit vorstoßen will.
Das Abkommen zwischen Großbritannien und der Gemeinschaft für Kohle und Stahl berechtigt uns jedenfalls zu der Hoffnung, daß wir bei den
Anstrengungen um eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit auch Großbritannien an unserer Seite haben werden, wenn wir uns nur bemühen, genügend elastische Formen zu finden, zu entwikkeln und — darauf kommt es an — mit Leben zu erfüllen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Sabaß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktionen der Koalition habe ich hier die kurze Erklärung abzugeben, daß auch wir das Abkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 21. Dezember 1954 herzlichst begrüßen, weil wir darin einen weiteren Schritt zur Festigung der Arbeit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zum Wohle ihrer sechs Mitgliedstaaten und zur weiteren Integration Europas sehen. Wir begrüßen ebenso herzlich die Bereitwilligkeit des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, die durch das Abkommen zum Ausdruck kommt und es allen sichtbar macht, daß auch Großbritannien und Nordirland bereit sind, in engerem Kontakt mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zusammenzuarbeiten. Wir glauben, daß dies ein Weg ist, um zu einer weiteren Integration — nicht nur auf dem Gebiete von Kohle und Stahl, sondern überhaupt — in Westeuropa zu kommen. Ich stelle daher den Antrag, die Drucksache 1417 dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Mitberatung zu überweisen.
Zu den weiteren Ausführungen des Kollegen Wehner über die Messina-Beschlüsse — die wir im Grunde begrüßen, wobei auch wir uns zu Einzelheiten eine weitere Stellungnahme vorbehalten — weise ich darauf hin, daß in Ausführung dieser Beschlüsse morgen, am 9. Juli, in Brüssel die ersten Verhandlungen der Kommission, die in Messina Anfang vergangenen Monats eingesetzt worden ist, unter der Leitung des großen Europäers Spaak beginnen. Wir wünschen dieser Kommission in ihrer Arbeit aus den gleichen Gründen, die Herr Kollege Wehner vorgetragen hat, vollen Erfolg zum Wohle der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und zum Wohle einer weiteren Integration unseres Teils von Europa.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Wehner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Sabaß hat eben beantragt, den Entwurf dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführendem Ausschuß und dem Auswärtigen Ausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Ich würde Sie doch sehr bitten, zu überlegen, ob es in diesem Fall nicht wirklich notwendig wäre, dem Auswärtigen Ausschuß diese Vorlage als federführendem Ausschuß zu überweisen. Es handelt sich um einen klaren Fall von auswärtigen Beziehungen. Ich will damit nicht außer acht lassen — ich selbst habe ja über eine ganze
Reihe wirtschaftspolitischer Gesichtspunkte hier gesprochen —, daß natürlich der Ausschuß für Wirtschaftspolitik vielleicht ganz Wesentliches dazu zu sagen haben wird; aber dies ist — das sollte unbestritten sein — ein Fall von auswärtigen Beziehungen. Deswegen bitte ich darum und beantrage, diesen Entwurf dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die erste Beratung zu Punkt 3 der Tagesordnung.
Die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Mitberatung ist beantragt, wogegen die SPD beantragt hat, umgekehrt zu verfahren, d. h. den Auswärtigen Ausschuß als federführenden und den Wirtschaftspolitischen Ausschuß als mitberatenden Ausschuß zu bestimmen.
Ich lasse zunächst über den zuerst gestellten Antrag abstimmen, weil es, soweit ich mich erinnere, seither immer üblich war, alle Fragen, die MontanAngelegenheiten berühren, dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß als federführendem Ausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, daß der Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführendem Ausschuß überwiesen wird, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit folgt zwangsläufig — ohne daß wir darüber abzustimmen brauchen —, daß der Gesetzentwurf, wie beantragt, auch dem Ausschuß I für auswärtige Angelegenheiten als mitberatendem Ausschuß überwiesen ist.
Ich rufe Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Landwirtschaftsgesetzes ,
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 1538, Umdrucke 470, 471).
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Lücker .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 1538 legt der federführende Ernährungsausschuß das Ergebnis der Beratungen in der Form eines Entwurfs eines Landwirtschaftsgesetzes vor, das in den verschiedenen Gremien dieses Hauses fast genau ein Jahr lang Gegenstand intensiver und ausführlicher Beratungen war. Bekanntlich geht dieses Landwirtschaftsgesetz auf eine Initiative der Fraktionen dieses Hauses zurück. Die FDP-Fraktion hatte Ende März 1954 mit der Drucksache 405 einen Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Volksernährung und zur Verbesserung der Produktivität der Landwirtschaft diesem Hohen Hause vorgelegt. Wenige Tage später reichten die Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei mit der Drucksache 448 ebenfalls einen Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Volksernährung und zur Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft dem Hohen Hause ein.
Beide Initiativgesetzentwürfe wurden in der ersten Lesung, die am 24. und 25. Juni 1954 stattfand, ausführlich behandelt. In der damaligen Diskussion trat die Fraktion des GB/BHE dem Initiativentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei bei, und das Plenum beschloß, alle Initiativvorlagen dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführendem Ausschuß und den Ausschüssen für Wirtschaftspolitik, für Rechtswesen und Verfassungsrecht und für Außenhandelsfragen zur Mitberatung zu überweisen. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden durch einen besonderen Beschluß des Ältestenrates die Vorlagen auch dem Haushaltsausschuß als mitberatendem Ausschuß überwiesen.
Das Hohe Haus hat in der gleichen Lesung den Beschluß gefaßt, einen gemeinsamen Unterausschuß „Paritätsgesetze" zu bilden. Dieser Ausschuß bestand aus 23 Mitgliedern, die von dem federführenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und von dem in der Hauptsache mitberatenden Ausschuß für Wirtschaftspolitik gestellt wurden. Der Unterausschuß „Paritätsgesetze" tagte und arbeitete unter dem Vorsitz des Abgeordneten Struve, der vom Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gestellt wurde, und unter dem stellvertretenden Vorsitzenden Abgeordneten Hellwig, der vom Ausschuß für Wirtschaftspolitik in Vorschlag gebracht wurde. Er nahm seine Beratungen am 9. September 1954 auf und begann seine Arbeit damit, daß er zunächst einen Arbeits- und Zeitplan aufstellte. Er hielt es für notwendig und richtig, nicht in die Beratung der einzelnen Paragraphen der vorgelegten Initiativentwürfe einzutreten, sondern glaubte es richtig zu machen, wenn er in Anbetracht der zur Debatte stehenden Probleme eine grundsätzliche Aussprache veranstaltete, die sich sowohl mit den betriebswirtschaftlichen als auch mit den wirtschaftswissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Problemen eingehend befassen sollte.
Mit diesem Arbeitsplan verband er zeitlich die Vorstellung, daß es möglich sein sollte, bis Weihnachten 1954 die betriebswirtschaftliche Diskussion abzuschließen und etwa bis zum März 1955 die wirtschaftswissenschaftliche und volkswirtschaftliche Diskussion zu beenden, um dann bis Ostern 1955 die Formulierung eines entsprechenden Gesetzes vorzunehmen. Ich glaube sagen zu können, daß dieser Arbeits- und Zeitplan vom Unterausschuß eingehalten worden ist, so daß der federführende Ernährungsausschuß und die mitberatenden Ausschüsse dieses Hauses nach Ostern bis in die letzten Tage hinein genügend Zeit hatten, diesen Initiativentwürfen die endgültige Form und Fassung zu geben.
Entsprechend diesem Arbeits- und Zeitplan kam der Unterausschuß „Paritätsgesetze" einstimmig überein, seine Beratungen mit einer ausführlichen Anhörung und Aussprache mit einschlägigen Sachverständigen auf den genannten Gebieten zu beginnen.
Zur Einführung, möchte ich sagen, in das ganze Problem der Parität wurde übereinstimmend vorn Ausschuß zunächst Dr. Puhvogel vom Wirtschaftsforschungsinstitut in München gebeten, der sich bekanntlich in einer wissenschaftlichen Untersuchung eingehend mit diesem Problem beschäftigt hatte. An diese einführende Aussprache, die sehr ausgedehnt war, schloß sich dann eine eingehende betriebswirtschaftliche Diskussion an,
zu der als Sachverständige die Professoren der Landwirtschaftlichen Betriebswirtschaft Heuser , Priebe (Gießen), Rintelen (Weihenstephan bei München) und Woermann (Göttingen) geladen wurden. Zu den wirtschaftswissenschaftlichen — um das bereits vorwegzuziehen — und den volkswirtschaftlichen Problemen wurden dann im zweiten Abschnitt der Beratungen im Unterausschuß die Herren Professoren von Dietze (Freiburg), Meinhold (München), Meyer (Bonn), der allerdings persönlich nicht anwesend war und seine Stellungnahme schriftlich abgab, sowie die Herren Professoren Neumark (Frankfurt), Niehaus (Bonn) und Dr. Werlé (München) eingehend gehört; mit ihnen wurde eine intensive Beratung ¡der wirtschaftswissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Probleme vorgenommen.
Ich halte es fürangezeigt und für zweckmäßig, in meinem Bericht das Ergebnis dieser betriebswirtschaftlichen Diskussion und das Ergebnis der wirtschaftswissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Diskussion dem Hohen Hause in der Form vorzutragen, wie sie der Unterausschuß „Paritätsgesetze" im Anschluß an diese Aussprachen einstimmig in Form von Grundsätzen festgehalten hat. Diese Grundsätze sind als Anlage zu den entsprechenden Protokollen des Unterausschusses „Paritätsgesetze" genommen worden. Ich darf das Ergebnis dieser Beratungen ebenfalls wieder gliedern nach den betriebswirtschaftlichen Beratungen und nach den wirtschaftswissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Beratungen.
Auf dem betriebswirtschaftlichen Gebiet kam der Unterausschuß „Paritätsgesetze", wie gesagt, nach diesen sehr intensiven und, ich glaube, auch sagen zu können, sehr fruchtbaren Aussprachen zu folgenden Verlegungen.
Erstens. Die landwirtschaftliche Betriebswirtschaft ist in der Lage, eine zutreffende Aussage über die jeweilige wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft zu machen. Mit dieser Feststellung ist einer der kritischsten Punkte der ganzen betriebswirtschaftlichen Beratungen festgehalten worden. Es ist — auch in diesem Hohen Hause — kein Geheimnis, daß immer wieder Zweifel daran erhoben wurden, ob es überhaupt möglich sei, die Lage der Landwirtschaft nach einwandfreien betriebswirtschaftlichen Unterlagen festzustellen Dieser Punkt hat in allen späteren Beratungen immer wieder eine bedeutende Rolle gespielt. Ich glaube, es ist deswegen zweckmäßig, festzuhalten, daß das Gespräch mit den Sachverständigen und die Beratungen im Unterausschuß einstimmig zu dem Ergebnis geführt haben, daß eine solche Feststellung der Wirtschaftslage der Landwirtschaft von seiten der landwirtschaftlichen Betriebswissenschaft durchaus möglich ist, und zwar in einer Form, die eine zutreffende Aussage über das Bild der wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft gestattet.
Zweitens. Diese Aussage — so wurde im Unterausschuß Paritätsgesetze übereinstimmend festgehalten — geschieht am zweckmäßigsten in der Form einer Ertrags-Aufwands-Rechnung, die jeweils bezogen ist auf das landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr.
Drittens. Unter Ertrag und Aufwand sind im einzelnen die Positionen zu verstehen, die in den entsprechenden Paragraphen der Initiativentwürfe, die ich eingangs erwähnt habe, festgehalten sind.
In den beiden Initiativentwürfen der Fraktion der FDP wie der Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei sind diese Positionen im einzelnen festgehalten. Das Ergebnis der Beratungen im Unterausschuß 'hat auch bestätigt, daß diese Positionen in der Tat den Ertrag und den Aufwand in der landwirtschaftlichen Betriebsrechnung darstellen.
Viertens. Die landwirtschaftliche Betriebswissenschaft ist in der Lage, für die sogenannten kalkulatorischen Posten Werte zu ermitteln, die eine echte wirtschaftspolitische Entscheidung für deren Eingang in die Ertrags- und Aufwands-Rechnung ermöglichen. Auch dieser Punkt scheint mir einer besonderen Betrachtung würdig zu sein. Er hat in den folgenden Beratungen ebenfalls eine sehr wichtige Rolle gespielt, denn man argumentierte immer wieder, es ginge nicht an, sogenannte kalkulatorische Posten in eine Ertrags- und Aufwands-Rechnung einzubeziehen. Das Ergebnis der Beratungen mit allen Sachverständigen — nicht nur mit denen der landwirtschaftlichen Betriebswissenschaft, sondern auch mit den Nationalökonomen — ging eindeutig darauf hinaus: Wenn man sich schon zu einer solchen Ertrags-Aufwands-Rechnung entschließt, dann müssen in diese Ertrags-Aufwands-Rechnung alle, das möchte ich betont sagen: alle Kapitalkosten, alle Sachkosten und alle Personalkosten als echte Kostenbestandteile mit einbezogen werden.
An fünfter Stelle hielt der Unterausschuß fest, daß die betriebswirtschaftlichen Unterlagen aus einer ausreichenden Zanl landwirtschartlicher betriebe beschafft und hierbei die verschiedenen Betriebssysteme, Betriebstypen, Betriebsgrößenklassen und Wirtschaftsgebiete entsprechend berücksichtigt werden sollen. Mit der Erarbeitung dieser Unterlagen soll eine zentrale Stelle beauftragt werden. In den späteren Beratungen hat man sich dafür entschieden, daß diese zentrale Stelle das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sein und man sich bei der Erarbeitung der Unterlagen, bei der technischen Durchführung dieser Erhebungen zweckmäßigerweise bereits bestehender Einrichtungen bedienen solle. Diese zentrale Stelle soll in erster Linie dafür sorgen, daß die Auswertung der Unterlagen nach einheitlichen Gesichtspunkten geschieht. Zweitens soll sie dafür sorgen, daß der Sach- und Personalaufwand nicht jenes Maß überschreitet, das zur Gewinnung eines zutreffenden wirtschaftspolitischen Urteils für unbedingt notwendig erachtet wird. Insbesondere auf diesen Punkt darf ich deswegen aufmerksam machen, weil sich sowohl der Unterausschuß als auch der federführende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in den Endberatungen dafür entschieden hat, die Erhebungen an Hand von etwa 6000 bis 8000 landwirtschaftlichen Betrieben, gemischt aus den verschiedenen Betriebsgrößen, Betriebssystemen und Betriebstypen, vornehmen zu lassen, und man in den Ausschüssen übereinstimmend der Meinung war, daß die Untersuchung einer solchen Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe einer objektiven Darstellung durchaus genügend Rechnung tragen würde.
Im Unterausschuß wurde weiterhin festgehalten, daß die Mittel zur Durchführung dieser Erhebungsaufgaben erstmals in den Etat des Rechnungsjahres 1955/56 eingeplant werden sollen.
Als achten Punkt dieser betriebswirtschaftlichen Beratungen darf ich herausstellen, daß der Unterausschuß „Paritätsgesetze" — ebenfalls einstimmig
— zu der Auffassung gelangte, daß für die Übergangszeit bis zur Erstellung der eben genannten Unterlagen aus 6- bis 8000 landwirtschaftlichen Betrieben die bereits vorhandenen Buchführungsunterlagen, die bei dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für etwa 5000 landwirtschaftliche Betriebe seit Jahren vorliegen, in einer entsprechenden Auswahl ausreichende Anhaltspunkte zur Vorbereitung notwendiger wirtschaftspolitischer Entscheidungen bieten, was insbesondere dafür von Bedeutung ist, daß, wie es in dem Ihnen vorliegenden Entwurf festgehalten ist, die Bundesregierung bis zum 15. Februar 1956 dem Hohen Hause den ersten Jahresbericht über die Lage der Landwirtschaft vorlegen soll.
Als letzter wichtiger Punkt dieser betriebswirtschaftlichen Beratungen wurde festgehalten, daß außer den eben genannten Feststellungen selbstverständlich alle weiteren geeigneten Erkenntnisquellen zur Beurteilung der Lage der Landwirtschaft fortentwickelt und mit ausgewertet werden sollen. Hier ist insbesondere an das gedacht, was später seinen Niederschlag in § 2 Abs. 2 des Ihnen vorliegenden Entwurfs gefunden hat. Bei der Darstellung der einzelnen Paragraphen werde ich noch des näheren hierauf eingehen.
Ich darf Ihnen anschließend die Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen und der volkswirtschaftlichen Beratung im Unterausschuß „Paritätsgesetze" ebenfalls an Hand der Grundsätze vortragen, die der Unterausschuß am Ende dieser ausführlichen Diskussion zusammengestellt hat.
Als erster Punkt wird festgehalten, daß die Wirtschaftsordnung der sozialen oder konjunkturpolitisch gesteuerten Marktwirtschaft — als Datum und Ausgangsbasis — Gesetz für alle Überlegungen bleibt, wie die deutsche Landwirtschaft in diese Wirtschaftsordnung sinnvoll, d. h. optimal eingegliedert werden kann, um, wie es auch an einer Stelle des Ihnen vorliegenden Entwurfs heißt, ihre Aufgaben im Rahmen der Gesamtwirtschaft und ihrer fortschreitenden Entwicklung zu erfüllen. Diese Feststellung bildete einen der wesentlichsten Kernpunkte der wirtschaftswissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Diskussion. Ich halte es für zweckmäßig, darauf hinzuweisen, daß diese Feststellung als Meinung und Ergebnis der geführten Beratungen im Unterausschuß einstimmig gebilligt worden ist.
Als Folgerung aus dieser Feststellung wurde als Punkt 2 festgehalten, daß diese Wirtschaftspolitik der sozialen Marktwirtschaft keinen künstlich, d. h. gesetzlich geschaffenen Automatismus verträgt. Im vorliegenden Anwendungsfalle bedeutet das, daß man z. B. den Index landwirtschaftlicher Erzeugerpreise ebensowenig an den Preisindex anderer Wirtschaftsgüter koppeln darf wie den Einkommensindex einer bestimmten Gruppe an den einer andern Gruppe. Die Marktfunktion des Preises muß als volkswirtschaftliches Datum so weit als möglich erhalten bleiben.
Selbstverständlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Indexvergleiche unter anderen Erkenntnisquellen mit zur Beurteilung der Lage der Landwirtschaft und ihrer Einordnung in die gesamte Volkswirtschaft herangezogen werden. Es verbietet sich nur, Indices wie die Glieder einer Kette aneinanderzureihen, weil damit der Blick für die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung verlorengeht. Ich glaube, es ist wichtig, auch diese Feststellung, und zwar diese einstimmige Feststellung im Unterausschuß „Paritätsgesetze" hier in dieser klaren Form zu wiederholen, weil auch sie in den ganzen späteren Beratungen eine eminent wichtige Rolle gespielt hat. Ich möchte hier anfügen, daß ich glaube, daß der Entwurf, den der federführende Ernährungsausschuß Ihnen mit der Drucksache 1538 vorgelegt hat, diesen Überlegungen der Sachverständigenaussprache Rechnung getragen hat.
Als dritter wesentlicher Punkt der Aussprache mit den Wirtschaftswissenschaftlern wurde festgehalten, daß die Ertrags-Aufwands-Rechnung als beste Grundlage und Ausgangsbasis erachtet wird, um die notwendigen wirtschafts-, agrar- und sozialpolitischen Maßnahmen zu entwickeln, die geeignet sind, die natürlichen und wirtschaftlichen Wettbewerbsnachteile der Landwirtschaft auszugleichen und die Agrarwirtschaft in die Gesamtwirtschaft einzuordnen. Es kommt dabei darauf an, daß diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Auf- und Abschwung ihrer Konjunktur zur Anwendung gelangen. Über den Zeitpunkt und die Dosierung im Einsatz dieser Maßnahmen kann selbstverständlich nur im konkreten Anwendungsfalle zutreffend entschieden werden.
Dann wurde im Unterausschuß „Paritätsgesetze" sehr eingehend eine Reihe konkreter Maßnahmen, in einem Katalog zusammengestellt, diskutiert. Es erscheint mir auch hier zweckmäßig, wenigstens auszugsweise diesen Katalog vorzutragen. Ich darf dabei betonen, daß dieser Katalog keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder auf eine gedanklich letzte Abrundung erhebt, sondern dieser Katalog soll nur in der Tendenz klarstellen, welche Absichten bei der Beratung dieses Gesetzes zugrunde gelegen sind.
Als erstes wurde in dem Katalog, ohne damit eine Wertordnung der einzelnen Maßnahmen verbinden zu wollen, festgehalten, daß die Bundesregierung ihre marktkonformen Maßnahmen zur Beeinflussung der Preisbildung auf den Agrarmärkten im Sinne eines Ausgleichs zwischen Ertrag und Aufwand in volkswirtschaftlich vertretbarem Ausmaß ausschöpfen soll auf all jenen Gebieten, auf denen sich das Parlament selbst die Festsetzung der Preise nicht ausdrücklich vorbehalten hat.
Als zweiter wesentlicher Gesichtspunkt in diesem Katalog wurde herausgestellt, daß im Rahmen der landwirtschaftlichen Marktordnung unter Berücksichtigung der gesamthandelspolitischen Lage die landwirtschaftlichen Einfuhren auf die Aufnahmefähigkeit des Inlandsmarktes abgestimmt werden sollen und daß in diesem Zusammenhang auch die weitere Liberalisierung landwirtschaftlicher Einfuhren zu werten ist.
Besonders breiten Raum in der Diskussion um diesen Katalog nahmen im konkreten Sinne die Möglichkeiten ein, die die Steuerpolitik auf diesem Gebiet noch einräumt. Es wurde hier z. B. auf die Neufestsetzung der steuerlichen Einheitswerte hingewiesen, die in Vorbereitung ist. Man stellte hierzu z. B. fest, daß eine wahrscheinliche Heraufsetzung dieser Einheitswerte für die steuerliche Veranlagung der Landwirtschaft so lange und so weit praktisch ohne Folgen bleiben soll und muß, bis ein Ausgleich zwischen Ertrag und Aufwand herbeigeführt ist. Es wurde darauf hingewiesen,
Ich darf an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, daß in den Beratungen, insbesondere im Unterausschuß „Paritätsgesetze", aber auch im federführenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kein Zweifel darüber bestanden hat, daß die kalkulatorischen Posten als solche naturgemäß echte Kostenbestandteile im Sinne der Ertrags-Aufwands-Rechnung sind. Es wurde festgehalten, daß alle Kapitalkosten, alle Sachkosten und alle Personalkosten als solche echte Kostenbestandteile aufzufassen sind, daß die Höhe ihres jeweiligen Ansatzes allerdings einer nach sachverständiger Vorbereitung erfolgten verantwortlichen Entscheidung der Bundesregierung bedarf, d. h. daß auch der Ansatz dieser Posten selbstverständlich mit zu den Aufgaben einer sachverständigen Beratung und Vorbereitung gehört; aber die Höhe des Ansatzes der Posten, wie sie dann im Bericht der Bundesregierung in die Ertrags-Aufwands-Rechnung eingesetzt werden, muß eine verantwortliche Entscheidung der Bundesregierung bleiben.
Mit dem Schlußsatz, den ich eben vorgetragen habe, nämlich daß diese Posten angesetzt werden sollen in Beziehung auf eine ordnungsgemäße Führung von bäuerlichen Familienbetrieben mit durchschnittlicher Produktionsgrundlage, ist der funktionsfähige landwirtschaftliche Betrieb angesprochen. Ausgangspunkt für die Feststellung und für die Berechnung dieser Werte ist also der sogenannte funktionsfähige landwirtschaftliche Betrieb, was natürlich nicht bedeutet, daß die agrarpolitischen Auswirkungen dieses Gesetzes nicht allen Betrieben, also auch den sogenannten funktionsunfähigen Betrieben, zugute kommen werden. In allen Beratungen des Unterausschusses, aber auch des federführenden Ausschusses bestand Übereinstimmung darüber, daß darüber hinaus den funktionsunfähigen Betrieben, wie man das in der betriebswirtschaftlichen Sprache auffaßt, mit Maßnahmen geholfen werden muß, die insbesondere im sogenannten Lübke-Programm zur Verbesserung der Agrarstruktur ihren Niederschlag gefunden haben. Die Änderungswünsche des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu diesem Paragraphen fanden Berücksichtigung. Der federführende Ausschuß hat diesen Paragraphen einstimmig bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Der § 5 sieht vor, daß sich die Bundesregierung mit der Vorlage ihres Berichts gleichzeitig über ihre bereits getroffenen Maßnahmen und über ihre Absichten im Hinblick auf die §§ 1 und 4 äußert. Bei der Berücksichtigung des etwaigen Mißverhältnisses zwischen Ertrag und Aufwand soll auf eine
Betriebsführung abgestellt werden, die auf eine nachhaltige Ertragssteigerung gerichtet ist. „Nachhaltige Ertragssteigerung" in dieser Formulierung besagt in ihrem Kern nichts anderes als das, was in dem Begriff „efficiency", wie es in der englischen Sprache heißt, ausgedrückt ist, d. h. es ist hier der Leistungseffekt des Betriebes gemeint, nicht etwa die absolute Produktionssteigerung. Der Begriff „nachhaltige Ertragssteigerung", der hier angewandt worden ist, kommt also in etwa auch dem Begriff unserer Produktivitätssteigerung nahe. Die Bestimmungen der jetzigen §§ 4 und 5 waren ursprünglich in der vom Unterausschuß „Paritätsgesetze" beschlossenen Fassung in einem Paragraphen enthalten. Der federführende Ernährungsausschuß ist dem Vorschlag der Bundesregierung gefolgt, den Bericht der Regierung von den Maßnahmen zur Durchführung dieses Gesetzes zu trennen, so daß das etwas klarer und besser zum Ausdruck kommt. Eine Minderheit des Ausschusses schlug vor, es bei der Fassung des Unterausschusses zu belassen. Die große Mehrheit des federführenden Ausschusses hat sich für die Ihnen vorliegende Fassung entschieden.
Der § 6 bezweckt, daß die Bundesregierung die zur Durchführung der geplanten Maßnahmen erforderlichen Mittel im Haushaltsplan für das jeweilige Rechnungsjahr vorsorglich einsetzt. Die große Mehrheit des Ausschusses folgte der Stellungnahme der Bundesregierung, daß der Vorschlag des Unterausschusses „Paritätsgesetze" auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern keine Rücksicht genommen habe. Der Haushaltsausschuß hat dem § 6 ausdrücklich in seiner jetzigen Fassung zugestimmt. Eine Minderheit des federführenden Ausschusses schlug vor, die von der Bundesregierung im Haushaltsplan einzusetzenden Beträge näher zu erläutern: als verlorene Zuschüsse, Kredite und Zinsverbilligungsmittel. Der Ausschuß war aber mit Mehrheit der Ansicht, daß diese Aufzählung nicht vorgenommen werden solle, um der Bundesregierung und dem Haushaltsausschuß nicht vorzugreifen, und empfahl, es bei der Formulierung zu belassen.
Der § 7 bestimmt, daß die mit der Durchführung des Feststellungsverfahrens zusammenhängenden Angaben nicht für steuerliche Zwecke herangezogen werden sollen. Den Bedenken des Bundesfinanzministeriums, die sich insbesondere auf die Behandlung der sogenannten Schätzungslandwirte bezogen, konnte der Ausschuß nicht folgen. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums glaubte, in Auslegung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 des Grundgesetzes in dem § 7 Abs. 2 Satz 1 eine Sondervergünstigung für die sogenannten Schätzungslandwirte zu sehen. Schätzungslandwirte sind jene, die nach dem geltenden Recht zur Buchführung verpflichtet sind, aber keine Bücher führen.
Dieses Verhalten hängt mit der Festsetzung der Buchführungspflichtgrenze zusammen, um deren analoge Heraufsetzung gegenüber früher seit Jahren Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister geführt werden. Der Bundesfinanzminister hat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bisher diese Buchführung nicht erzwungen, sondern sich mit dem Mittel der Einschätzung beholfen. Die Mehrheit des Ausschusses sprach sich für eine entsprechende Heraufsetzung der Buchführungspflichtgrenze aus und glaubte, daß das Landwirtschafts-
gesetz nicht zu einem Ersatzinstrument für die dem Bundesfinanzminister legal zur Verfügung stehenden Mittel werden dürfe. Der Ausschuß stimmte dementsprechend einstimmig dem § 7 in der Ihnen vorliegenden Fassung zu.
Der § 8 ist der übliche Berlin-Paragraph. Der § 9 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Zum Schluß meines Berichts darf ich feststellen, daß der Ernährungsausschuß mit großer Mehrheit glaubt, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ein weiterer Schritt vorwärts auf dem Wege einer konstruktiven Agrarpolitik getan werden kann. Er bittet das Hohe Haus um Annahme des Ihnen in Drucksache 1538 vorliegenden Landwirtschaftsgesetzes.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen — ich darf wohl sagen — vorzüglichen Bericht. Das Haus hat ihm ja schon entsprechend gedankt.
Wir treten nunmehr in die zweite Beratung ein. Ich unterstelle, daß wir diesmal nach der Geschäftsordnung verfahren, das heißt: in der zweiten Lesung findet nur Einzelberatung statt, damit wir die allgemeine Aussprache nicht zweimal haben. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Ich rufe § 1 in der Einzelberatung der zweiten Lesung auf. Dazu liegt Umdruck 471 *) — der Antrag der SPD — vor. Ich weiß nicht, ob er inzwischen verteilt worden -ist, hier heißt es nämlich: „Matrize läuft."
Ich erteile dem Abgeordneten Frehsee zur Begründung das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Umdruck 471 beantragt meine Fraktion die Einfügung der Worte „Sozialpolitik und Finanzpolitik" in den § 1 des Landwirtschaftsgesetzes und die Anfügung des Satzes:
Damit soll gleichzeitig die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß auf dem Umdruck ein orthographischer Fehler ist. Es darf nicht „vergleichbaren Berufsgruppen", sondern muß „vergleichbarer Berufsgruppen" heißen.
Meine Damen und Herren, ich habe den Auftrag und die Ehre, einen Teil dieses Antrages zu begründen, und zwar die beantragte Einfügung des Wortes „Sozialpolitik" und die Anfügung des dann aufgeführten Satzes. Die Einfügung des Wortes „Finanzpolitik", d. h. mit anderen Worten die Aufnahme der Finanzpolitik als eines Zweiges der Politik, die eine Angleichung der Entwicklung der Landwirtschaft an die der deutschen Volkswirtschaft ermöglichen soll, wird anschließend mein Kollege Professor Baade begründen.
Daß wir diesen Antrag stellen, bedeutet nichts anderes und nichts mehr, als ,daß wir, insbesondere was ,also die Sozialpolitik und diesen Satz betrifft, die Fassung wiederhergestellt haben wollen, die nach langen Bemühungen das Ergebnis der Beratungen im Unterausschuß „Paritätsgesetze" gewesen ist. Wir müssen unserem Erstaunen darüber
*) Siehe Anlage 2. Ausdruck geben, daß im Ernährungsausschuß das Wort „Sozialpolitik" aus dem § 1 und daß der hier aufgeführte Satz aus dem Gestzentwurf gestrichen worden sind. Wir haben bis heute für diese Streichung keine plausible Erklärung erhalten, mindestens nicht in den Ausschüssen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können uns nicht mit den Erklärungen abfinden,' die für diese Maßnahme außerhalb des Parlaments abgegeben wurden, beispielsweise vom Deutschen Bauernverband, der da gesagt hat, daß die Eingügung des Wortes „Sozialpolitik" und damit die Aufnahme der Sozialpolitik als eines der Mittel Unklarheiten in das Gesetz hineinbringe und die Durchführung des Gesetzes erschwere. Ich fürchte, daß der Grund dafür nichts anderes als das weitverbreitete vorurteilhafte und destruktive Mißtrauen ist, das in weiten Kreisen der Landwirtschaft der Sozialpolitik und sozialpolitischen Mitteln gegenüber besteht.
Meine Damen und Herren, es gibt in Deutschland nicht nur stolze Bauern, Bauern, die meinen, daß die Mittel 'der Sozialpolitik für sie nicht angebracht seien. Es gibt eine große Anzahl von Bauern und Landwirten mit sozialen Nottatbeständen, denen vielleicht nicht mit Mitteln der Preispolitik, der Kreditpolitik und der Handelspolitik allein geholfen werden kann, sondern bei denen es sozialpolitischer Mittel bedarf, um ihnen eine gleiche Lebenshaltung wie anderen Menschen in Deutschland — und das wollen wir doch — zu ermöglichen. Unsere Sorge gilt nicht nur den Betrieben, die so groß sind, daß sie die Existenz einer Familie gewährleisten, unsere Sorge gilt allen landwirtschaftlichen Betrieben und allen in der Landwirtschaft tätigen Menschen. Unsere Sorge gilt in besonderem Maße den Betriebsgrößen in der Landwirtschaft, in denen wir soziale Nottatbestände feststellen müssen, beispielsweise jenen Hunderttapsenden von landwirtschaftlichen Betriebsinhabern, deren Betrieb doch nicht ausreicht, wenn der Erbe den Hof übernimmt und die Eltern aufs Altenteil ziehen, die zwei dann in diesem Betrieb vorhandenen Familien zu ernähren. Das ist dann ein solcher Nottatbestand, den wir, wie wir meinen, bei der Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzes im Auge haben müssen. Um diesen Nottatbestand zu beheben, gibt es eben nur ein sozialpolitisches Mittel, vielleicht das Mittel der Einführung eines sozialen Altenteils.
Wenn Sie das Wort einer Altersrente für die Altbauern und ihre Frauen nicht gern hören wollen, — wir können uns auf andere Begriffe und vielleicht auf bestimmte Formen sicherlich einigen.
Es ist uns zu Ohren gekommen, daß man auf seiten der Regierung, insbesondere des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, befürchtet, daß eine solche Reform, die Einführung eines sozialen Altenteils also, unter Umständen die Pläne zur Strukturverbesserung der Landwirtschaft stören könne. Das muß in keiner Weise der Fall sein.
Diese Gefahr braucht nicht einzutreten. Nach unserer Auffassung wird diese Gefahr nicht eintreten; ganz im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, daß dieses soziale Altenteil sogar die er-
wünschte Strukturverbesserung in der deutschen Landwirtschaft günstig beeinflussen und fördern muß.
Ich darf Ihnen das näher erklären. Es ist sicherlich einzusehen, daß die Abgabe von Grund und Boden, die zur Aufstockung von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben erwünscht und notwendig ist, dadurch erschwert wird, daß sehr viele landwirtschaftliche Familien selbst auf kleine Flächen Grund und Bodens, auf 5, 6 oder 8 Morgen, angewiesen sind, weil sie, wenn sie dieses Land verkaufen oder verpachten, nicht einmal die Ernährungsgrundlage haben würden, die ihnen diese Fläche Landes jetzt noch bietet. Wenn man diese Menschen von den größten Sorgen befreite, dann würde man ihnen auch ermöglichen, diese kleinen Flächen herzugeben, und damit den Strukturverbesserungsplänen einen guten Dienst erweisen.
Die Frage hat auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Diese Betriebe sind natürlich Kümmererbetriebe, deren Erträge sehr niedrig sind, die nicht fortschrittlich bewirtschaftet werden können, in denen die Produktivität, sowohl die Flächen- als auch die Arbeitsproduktivität, niedrig ist. Wir müssen auch vom Ganzen gesehen, von volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten her versuchen, diese Kümmererbetriebe abzuschaffen und auch in dieser Beziehung zu einer Gesundung in der landwirtschaftlichen Betriebsverfassung zu kommen.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Beispiele, die beweisen, daß sozialpolitische Mittel geradezu notwendig, geradezu unabdingbar sind, wenn Sie die naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile, in denen sich landwirtschaftliche Betriebe befinden, ausgleichen wollen. Nehmen Sie doch einmal das Beispiel, mit dem wir uns gerade gestern in diesem Hause beschäftigt haben: das Beispiel des Kindergeldgesetzes! Als wir das Kindergeldgesetz im November vorigen Jahres beschlossen haben, da haben wir eigentlich schon so getan, als gebe es ein landwirtschaftliches Paritätsgesetz oder ein Landwirtschaftsgesetz, wie es jetzt heißt. Wir haben ja da versucht, die Landwirtschaft nicht stärker zu belasten, als die gewerbliche Wirtschaft durch Beiträge zum Kindergeld belastet wird. Wir haben dann die Formel gefunden: Die Landwirtschaft trägt ein Drittel der für die Durchführung des Gesetzes in der Landwirtschaft erforderlichen Mittel. Ich meine, wir haben da nicht etwas Vollkommenes geschaffen. Sie werden sich sicherlich noch des Antrags erinnern, den ich damals gestellt habe, um eine vollkommene Parität in Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft in bezug auf das Kindergeld und die Durchführung des Kindergeldgesetzes zu erreichen. Dieser Antrag ist damals leider abgelehnt worden. Nun haben Sie eben den Tatbestand — der auch aus dem Bericht hervorgeht, der gestern hier zitiert worden ist —, daß die Landwirtschaft doch stärker als die gewerbliche Wirtschaft, gemessen an ganz bestimmten Größen, belastet ist. Sie haben diese Disparität in der Frage der an der Aufbringung der Mittel beteiligten Kreise. Sie haben in der gewerblichen Wirtschaft die Beitragsbefreiung bei Einkommen bis zu 4800 DM. Sie haben diese Beitragsbefreiung in der Landwirtschaft nicht. Ich will nicht falsch und etwa so verstanden werden, daß ich diese Beitragsbefreiung in dem Zusammenhang für wünschenswert und für notwendig hielte; das ist nicht der Fall, weil eben die Voraussetzungen dafür jetzt nicht bestehen, weil das Kindergeldgesetz in seiner jetzigen Struktur diese Beitragsbefreiung wahrscheinlich nicht zuläßt. Aber, meine Damen und Herren, hätten Sie damals dem von der sozialdemokratischen Fraktion gestellten Antrag zugestimmt, der im Sinne eines Landwirtschaftsgesetzes lag, das die Gleichstellung erzielen soll, dann wäre diese peinliche Frage nicht entstanden, dann brauchten wir uns mit dieser Disparität in der Frage des Kindergeldes nicht zu beschäftigen. Bitte, meine Damen und Herren, wenn die Sozialpolitik als einer der Zweige der Politik in dem Gesetz aufgeführt wird, dann können, glaube ich, solche Dinge in Zukunft nicht mehr passieren. Jedenfalls verstehe ich das Gesetz so.
Übrigens hat es gerade auch in dieser Frage noch eine aktuelle Bedeutung. Sicherlich sind wir doch alle der Meinung, daß ernst zu nehmen war, was die Sprecher der größten Fraktion dieses Hauses damals hier vorgetragen haben, und daß der Appell, den Sie bei der Beratung des Kindergeldgesetzes Ende vergangenen Jahres an, die sozialdemokratische Fraktion gerichtet haben, ernst zu nehmen war: die sozialdemokratische Fraktion, die anderen, sollten doch zustimmen, weil es doch eben der erste Schritt sei. — Die sozialdemokratische Fraktion hat damals dem Kindergeldgesetz ihre Zustimmung ja auch deswegen versagt, weil Kindergeld erst vom dritten Kinde ab gewährt werden sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir sprechen heute nicht vom Kindergeldgesetz; das haben wir gestern erledigt. Ich bitte, zur Sache zu kommen.
Herr Präsident, vom Kindergeldgesetz spreche ich im Rahmen des jetzt zur Beratung stehenden Gesetzes, und ich muß davon sprechen, weil ich es zur Begründung des Antrages der sozialdemokratischen Fraktion brauche. Aber ich bin gleich am Ende.
Meine Damen und. Herren, ich meine also, der Appell, der damals an die Fraktion der SPD gerichtet worden ist — zuzustimmen, weil es sich bei der Einführung des Kindergeldes vom dritten Kinde ab nur um einen Anfang handele —, müßte ernst genommen werden. Wir nehmen ihn ernst. Daraus resultiert, daß wir vielleicht einmal zur Einführung des Kindergeldes vom zweiten Kind an kommen. Dann aber brauchen wir auch die Voraussetzungen in diesem Gesetz hier.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordnete r, gestatten Sie eine Frage?
Herr Kollege, gestatten Sie mal eine Frage. Sind Sie wirklich der Auffassung, daß man die Probleme der Agrarreform mit Problemen der Sozialreform vermischen kann, und meinen Sie, daß man eine besondere Sozialreform für die freien Berufsstände und eine besondere Sozialreform für Menschen in abhängiger Stellung schaffen soll? Oder ist es nicht auch Ihre Meinung, daß man die Problematik der Sozialreform aus dieser Diskussion herauslassen sollte?
Sehr verehrte Frau Kalinke, ich bin keineswegs der Auffassung, daß ich hier von einer Sozialreform oder von d e T Sozialreform ge-
sprochen habe. Ich habe lediglich von sozialpolitischen Mitteln gesprochen. Ich bin der Auffassung, daß die Änderung des Kindergeldgesetzes nicht in den großen Komplex der Sozialreform hineingehört!
Meine Damen und Herren, es gibt eine Reihe anderer Beispiele, die verdeutlichen, daß die Aufführung der Sozialpolitik in dem Katalog der politischen Mittel ,erforderlich ist. Ich will es kurz machen und als Beispiel nur auf den großen Komplex des Fürsorgerechts hinweisen. Meine Damen und Herren, von dem Fürsorgerecht ist der landwirtschaftliche Berufsstand in seiner Gesamtheit ausgenommen! Wer, der von uns auf die Dörfer draußen kommt, hat nicht schon solche Verhältnisse gesehen: Es gibt eine große Zahl von Angehörigen landwirtschaftlicher Berufe, deren Einkommen aus ihrem Grund und Boden sehr, sehr gering, sehr bescheiden ist und die nicht in der Lage sind, die — na, sagen wir vielleicht einmal: an Tuberkulose erkrankte Bäuerin in ein Tbc-Heim zu schicken, und die fürsorgerechtliche Dinge auf Grund der Bestimmungen auch nicht in Anspruch nehmen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin dafür, Frau Kollegin Kalinke, daß die soziale Not auch in der Landwirtschaft beseitigt wird.
Auch dort sind soziale Hilfen notwendig. Vom Kindergeld habe ich im übrigen jetzt nicht mehr gesprochen.
Frau Kollegin Kalinke, ich möchte noch das eine sagen. Ich komme in der Landwirtschaft herum, und zwar bis in die kleinsten Betriebe hinein. Ich kenne die Verhältnisse, so wie sie dort sind: das wirkliche Leben. Ich weiß auch, inwieweit die Bestimmungen des Tuberkulosehilfegesetzes und all die Dinge in der Landwirtschaft praktisch angewendet werden können und in Anspruch genommen werden.
Meine Damen und Herren, ich habe also eben davon gesprochen, daß man entschlossen und mit praktischen Mitteln an solche Nottatbestände herangehen muß. Um einen Nottatbestand handelt es sich sicherlich auch in der Frage, derentwegen ich eben den Kollegen Fassbender angesprochen habe. Man sollte versuchen, zweckentsprechende Regelungen, wie beispielsweise das Mutterschutzgesetz eine darstellt, auch für diese bedauernswerten, sicherlich am schwersten geplagten Frauen unserer Tage zu finden.
Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Beispiele, die verdeutlichen, daß die Sozialpolitik unabdingbar in diesen Katalog aufgenommen werden muß. Bitte, meine Damen und Herren, sind Sie nicht auch daran interessiert, daß das Landwirtschaftsgesetz bei allgemeinen sozialpolitischen Entscheidungen dieses Hauses oder der Regierung berücksichtigt wird? Sind Sie, wenn Sie es nach außen vielleicht auch nicht zugeben wollen, nicht doch im Stillen der Meinung, daß der Schweinepreis im Frühjahr oder im vergangenen Winter nicht eine noch viel bedauerlichere Entwicklung genommen hätte, wenn nicht vom 1. Januar an Kindergelder und wenn nicht Rentenmehrbeträge gezahlt worden wären?
Sie erkennen die Bedeutung der allgemeinen Sozialpolitik für die Landwirtschaft. Aus diesem Grunde sollte sie auch hier aufgeführt werden.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Beispiele; aber ich möchte mich nun damit bescheiden. Ich will lediglich noch feststellen, daß auch die Lösung des Arbeitskräfteproblems, das uns gerade in dieser Zeit so auf den Nägeln brennt, sozialpolitische Mittel erfordert. Wir haben darüber bei anderer Gelegenheit im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gesprochen. Wir sind uns sicherlich alle darüber einig, daß wir das Arbeitskräfteproblem in der Landwirtschaft nachhaltig nur lösen können, wenn wir die Landarbeitsverfassung ändern, diese unglückselige Landarbeitsverfassung, die sich darin ausdrückt, daß 70 % der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer Ledige und nur 30 % Verheiratete sind. Dieses Verhältnis muß mindestens umgekehrt werden. Sicherlich schaffen Sie über die rein materiellen Dinge, natürlich über den Lohn und damit über den Preis sowie über die Mittel, die hier schon aufgeführt sind, Voraussetzungen dafür.
— Ja, Herr Bauknecht, und deswegen hegen wir auch große Hoffnungen in bezug auf dieses Gesetz. Sie wissen es ja, und der Brief des Hauptvorstandes meiner Gewerkschaft, der Ihnen gestern ins Fach gelegt worden ist, bestätigt doch, wie positiv wir zu diesem Gesetz stehen. Ich darf sagen, Herr Kollege Bauknecht, daß wir glücklicher wären, wenn der Inhalt noch konkreter und die Verpflichtungen noch deutlicher wären. Aber darüber wird heute noch an anderer Stelle gesprochen werden müssen. Zur Lösung des Arbeitskräfteproblems braucht man sozialpolitische Mittel — nicht lediglich lohnpolitische —, z. B. um jedem Landarbeiter die Familiengründung zu ermöglichen. Da gibt es beispielsweise die Richtlinien über die Arbeitsaufnahme in der Landwirtschaft, von denen wir gesprochen haben, die ausgebaut werden müßten.
Auf dem Gebiet der Sozialpolitik gibt es ein anderes wichtiges Anliegen, wenn man das Arbeitskräfteproblem lösen will; das ist die Beseitigung all der vielen arbeits- und sozialrechtlichen Ausnahmebestimmungen, die für landwirtschaftliche Arbeitnehmer bestehen und die diese Landarbeiter in den Augen der Öffentlichkeit und auch in den Augen derer, die Landarbeit aufnehmen sollen, so sehr diskriminieren. Meine Damen und Herren, es ist einfach kein Geheimnis, daß in der Landwirtschaft die Unfallrente im Verhältnis zu dem vorher erzielten Lohn sehr viel niedriger ist als in der gewerblichen Wirtschaft. Es ist kein Geheimnis, daß es im Betriebsverfassungsrecht und im Kündigungsschutz für die Landwirtschaft schlechtere und ungünstigere Bestimmungen gibt als für die gewerbliche Wirtschaft. Das alles führt natürlich dazu, daß die Anziehungskraft der Landarbeit, daß ihre Werbekraft eine so geringe ist. Wenn wir die Werbekraft und die Anziehungskraft der Landarbeit erhöhen wollen, so gehört dazu nicht nur die Angleichung des Lohnes, sondern auch eine ganze Reihe anderer Mittel, eben auch sozialpolitischer Art. Ich will damit nicht den Herrn Präsidenten zu der Vermutung bringen, daß ich vom Thema abweiche. Aber ich wiederhole: es ist auch notwendig, mit sozialpolitischen Mitteln etwas zur Hebung der Werbekraft und der Anziehungskraft der Landarbeit zu tun.
Auch aus diesem Grunde appellieren wir an Sie, meine Damen und Herren, die Sozialpolitik in den Katalog des § 1 aufzunehmen und ebenso den letzten Satz der Fassung des Unterausschusses „Paritätsgesetze" wieder aufzunehmen. Wir appellieren auch besonders deshalb an Sie, weil die Landarbeiter sich von diesem Satz einiges erhoffen — sicherlich gilt er nicht nur für die Landarbeiter — und weil sie es nicht verstehen könnten, wenn dieser Satz jetzt in dem Gesetz nicht mehr erschiene, obwohl ihnen vorher durch die Presse und durch die Gewerkschaft mitgeteilt worden ist, daß dieser Satz in dem Gesetz stehe. Die Landarbeiter schauen seit Jahren — ich habe das bereits einmal angedeutet — voller Hoffnung auf dieses Landwirtschaftsgesetz. Enttäuschen Sie sie nicht in ihren Erwartungen! Lassen Sie sich bitte leiten von der bangen Frage, die heute in der agrarpolitischen Diskussion einen breiten Raum einnimmt: wer wird die Scheunen füllen?! Lassen Sie sich leiten von solchen Erkenntnissen, wie sie beispielsweise Herr Präsident Dr. Frey in der Generalversammlung des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes im Dezember vergangenen Jahres in Krefeld geäußert hat! Wenn Sie sich davon leiten lassen, dann müssen Sie dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmen.
Damit möchte ich schließen. Ich möchte Ihnen aber jetzt schon an dieser Stelle mitteilen, daß wir beantragen, dem Entschließungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 470*) noch einen Satz hinzuzufügen, und zwar:
und gleichzeitig mitzuteilen, wann und wie sie diese Maßnahmen durchzuführen gedenkt.
Ich darf diesen Antrag dem Herrn Präsidenten überreichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen unid Herren! Im Auftrage meiner Freunde bitte ich, den soeben begründeten Antrag abzulehnen;
und zwar zunächst einmal, damit heute nicht die Durchführung der dritten Lesung verhindert wird; denn die Landwirtschaft hat einen Anspruch darauf, daß dieses Gesetz vor Beginn des landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahres steht.
Ich bin dem Herrn Vorredner sehr dankbar, daß er mir die beste Begründung gegeben hat, seinen Antrag abzulehnen. Wir beschäftigen uns din diesem Gesetz mit der wirtschaftlichen Besserung der Lage der Landwirtschaft. Die Kreise, für die sich der Vorredner eingesetzt hat, werden in § 4 a angesprochen, nach dem die Bundesregierung in ihrem Bericht auch klarzulegen hat, wie hoch die Löhne bei den Landarbeitern im Vergleich zu anderen Vollarbeitskräften gestellt sind. Aus diesem Bericht werden ja dann die Konsequenzen gezogen werden müssen.
Nun hat mein verehrter Vorredner hier den Plan einer großen Sozialreform aufgerissen. Meine Damen und Herren, eine so umfassende Sozialreform gehört nicht in dieses Gesetz.
Dabei ist ihm einiges unterlaufen, was mich veranlaßt, ihn zu bitten, sich mit den sozialen Zuständen und sozialen Gesetzen etwas näher vertraut zu machen. Er sagt, wir müßten die Landarbeiterstruktur ändern, es seien zu wenig Verheiratete in der Landarbeiterschaft, und die Unfallrenten seien zu niedrig. Was er da behauptet hat, stimmt.
Aber glaubt Herr Frehsee, daß man diese Dinge mit irgendeiner Sozialreform, mit Versicherungen ändern kann? Nein, die kann man nur ändern, wenn man den Weg geht, der in § 4 vorgesehen ist: daß die Lohngestaltung für die Landarbeiter derjenigen in anderen Berufen angepaßt wird.
Wenn das der Fall ist, dann können die Landarbeiter heiraten, dann bekommen sie höhere Unfallrenten, wenn etwas passiert, und dann soll man es den Landarbeitern überlassen, wie sie sich mit diesem ausreichenden Lohn ihr Leben gestalten. Das ist viel vernünftiger, als sich an eine Subven-
*) Siehe Anlage 3.
tion durch rgendwelche Versicherungen zu halten. Ich glaube, wenn man diesen Wegernstlich gehen will, dann soll man mit diesem Antrag wegbleiben.
Aber, meine Damen und Herren, wenn man sich das ganze Sammelsurium ansieht, 'das hier nach sogenannter sozialer Richtung vorgetragen worden ist, unid wenn man sich das alles überlegt und prüft, dann kommt man. und muß man zu der Entscheidung kommen, daß man nicht glauben darf, die Probleme auf dem Lande mit einer Riesenversicherung lösen zu können. Wer das will, erkennt entweder nicht den wirtschaftlichen Kern der Angelegenheit oder will ihn nicht sehen.
Ich bitte Sie deshalb, den Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Fassbender.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht vor; in der zweiten Lesung zu den Problemen Stellung zu nehmen. Nachdem mich aber Kollege Frehsee auf Äußerungen, die ich in der ersten Lesung bei der Begründung dieses Gesetzes getan habe, angesprochen hat, sehe ich mich doch gezwungen, Etliches zu sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir lehnen in zweiter Lesung !die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion ab, um —wie bereits mein Kollege Müller sagte — die dritte Lesung nicht zu gefährden. Wir wünschen, daß ,dieser Entwurf noch vor den Ferien Gesetz wird, damit so weit wie irgend möglich Ruhe in der landwirtschaftlichen Bevölkerung einkehren kann.
Nun, meine Herren van der Sozialdemokratie, Herr Kollege Frehsee hat hier einen sozialpolitischen Vortrag gehalten. Er hat geglaubt, daran erinnern zu sollen, daß ich in der ersten Lesung von der schweren Arbeit des Landvolkes sprach. Wir sind einig! Aber, Herr Kollege Frehsee, glauben Sie denn wirklich, daß es möglich sein würde, alles über den Steuersäckel hier zu ändern, was Sie zu ändern wünschen? Nein!
Wie liegen denn die Dinge? Da haben Sie sich bisher stets lablehnend verhalten. Ich stelle hier vor diesem Hohen Hause fest: Die Bezahlung der Landarbeit in allen ihren Sparten ist miserabel.
Wise ändert man das? Indem man für die Produkte der bäuerlichen Bevölkerung die Preise zu zahlen sich bereit erklärt, die ihr ,zustehen, um das Sozialgefüge auf dem platten Lande so gestalten zu können, wie wir es für notwendig halten, damit eine Ausgeglichenheit im gesamten deutschen Volkskörper vorhanden ist.
Das ist das Problem, um das zu ringen ist, und ich bin freimütig genug und habe auch den Mut, das zu erklären — auch vor Verbrauchern —: Wir werden um gewisse Preisanhebungen für einzelne landwirtschaftliche Produkte nicht herumkommen, wenn wir nicht !das Bauerntum und auch die Landarbeiter zu Staatssklaven, zu Bürgern zweiter Ordnung degradieren wallen.
Wenn die Rentabilität in der Landwirtschaft so wäre, wie wir sie wünschen und wie sie ja eigentlich jeder sozial denkende Mensch verlangen muß, nämlich so, daß die Preise für die Produktion der Landwirtschaft ausreichen, um dieselben Löhne und sozialen Bedingungen für Landarbeiter und familieneigene Arbeitskräfte zu schaffen, dann wäre das Problem schlechthin gelöst. Eins aber, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sage ich Ihnen ganz freimütig: Sie werden unsere Zustimmung nicht dazu linden, etwa die Zwangssozialversicherung auf die selbständige mittel- und kleinbäuerliche Landwirtschaft auszudehnen. Wir haben genug in den Unselbständigen. Was wir wollen, ist eine Struktur und eine Rentabilität der Landwirtschaft, die die Landarbeit bezahlt wie jede andere Arbeit. Sie dürfen davon überzeugt sein, daß wir den Mut haben werden, zur Ausführung die notwendigen Gesetze einzubringen, die dem deutschen Landvolk das geben, was es braucht: eine Bezahlung seiner Arbeit in allen seinen Schichten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Professor Baade.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vor Ihnen ein ungewöhnlich bescheidenes Anliegen meiner Fraktion zu vertreten, in den § 1 dieses Gesetzes ein einziges Wort einzufügen. In den Katalog der Mittel, die eingesetzt werden sollen, um die Landwirtschaft zu erhalten, soll das Wort „Finanzpolitik" eingefügt werden. Ich muß allerdings gleich sagen, es ist ein Wort, das es in sich hat. Wir glauben, daß, wenn etwa in Zukunft unter den Maßnahmen für die Verbesserung der Lage der Landwirtschaft den Maßnahmen der Finanzpolitik nicht das nötige Gewicht gegeben werden sollte, das ganze Gesetz ein mehr oder weniger platonisches Bekenntnis zur Rettung der Landwirtschaft sein wird.
Die Aufgabe, Ihnen hier darzulegen, warum Maßnahmen der Finanzpolitik zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes so lebenswichtig sind, wird mir ungeheuer erleichtert durch die Tatsache, daß alle, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, im Laufe des letzten Jahres sehr viel hinzugelernt haben. Ich glaubte bisher jedenfalls, wir hätten alle etwas gelernt. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Fassbender haben mir eben einen kleinen Zweifel gegeben, ob wir wirklich alle die Haupttatbestände gelernt haben.
Ich war bisher der Meinung, wir hätten alle im Verlauf der sehr intensiven Arbeiten des eingesetzten gemeinschaftlichen Unterausschusses des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie durch die sehr nützlichen Besprechungen, die wir mit Sachverständigen gehabt haben, eins gelernt, nämlich daß es keine Möglichkeit gibt, mit irgendeinem Nutzen für die deutsche Landwirtschaft in die deutsche Volkswirtschaft einen Preisindexautomaten einzubauen. Das habe ich als eins der Hauptergebnisse dieser mühevollen Arbeiten begrüßt. In der Tatsache, daß das Wort „Parität" auch im Titel des Gesetzes nicht mehr erscheint, habe ich den Beweis dafür gesehen, daß wir uns alle von dieser Wahrheit überzeugt hätten.
Ich glaube, auch Herr Fassbender wird, wenn er sich ernstlich mit der Frage auseinandersetzt, nicht bestreiten können, daß die Mittel der Preispolitik nur einen bescheidenen Beitrag zur Lösung der großen Probleme leisten können, vor denen wir stehen.
Eins ist vor allem klar — die gesamte Wissenschaft ist sich darüber einig, und ich glaube, auch die leitenden verantwortlichen Männer im Deutschen Bauernverband sind sich dessen bewußt —: Wir könnten sehr wohl diesen Preisindex-Paritätsautomaten konstruieren; es gibt eine solche Maschine, und wir kennen sie aus der deutschen Geschichte sehr gut; sie hat den schlichten Namen Notenpresse. Wenn man genügend Geld druckt, um alle Preise in dem Maße zu erhöhen, wie die Löhne in irgendeinem Wirtschaftszweig, z. B. in der Landwirtschaft, steigen, kann man selbstverständlich diese Parität erreichen. Aber dazu muß man eine Inflation in Kauf nehmen. Wer dazu ernstlich bereit ist, der soll beantragen, daß die Verfügung über die Notenpresse der Bank deutscher Länder entzogen wird und daß die Notenpresse in Bonn in der Koblenzer Straße aufgestellt wird, um sie zur Herstellung der Parität beliebig in Betrieb setzen' zu können. Aber, meine Damen und Herren, das wollen auch die verantwortlichen Männer im Bauernverband nicht, und darin sehe ich die erste große Erkenntnis, die diese Debatten gebracht haben.
Die Debatten haben die weitere Erkenntnis gebracht, daß nicht nur ein Preisindex-Paritätsautomat eine Katastrophe für die deutsche Volkswirtschaft sein würde, sondern auch ein Ertrag-Aufwandsindex-Automat. Auch dieser Automatismus ist von uns allen auf Grund der eingehenden und sicherlich für uns alle sehr belehrenden Diskussionen untereinander und mit den Sachverständigen einstimmig abgelehnt worden.
Zweitens haben wir eine andere Grundtatsache erkennen gelernt — insbesondere vielleicht manche unserer Kollegen, die aus dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu uns gekommen sind —, die Tatsache nämlich, daß es sich bei dem, was hinter den Paritätsforderungen der Landwirtschaft steht, um ein echtes und sehr ernsthaftes Anliegen handelt und daß hier ein wirkliches Problem vorliegt. Das hat auch der Wissenschaftliche Beirat des Ernährungsministeriums ausgesprochen, indem er formulierte: „Der Beirat ist überzeugt, daß für die Entwicklung des Anteils der Landwirtschaft in einer wohlhabender werdenden Industrie-Agrarwirtschaft sehr ernste Probleme vorliegen." Das sehr ernste Problem, mit dem wir uns hier auseinandersetzen müssen, besteht darin, wie den arbeitenden Menschen, die unsere Nahrungsmittel erzeugen, in einer ständig wohlhabender werdenden Volkswirtschaft ein angemessener Anteil an diesem Wohlstandszuwachs gesichert werden kann. Dieses Problem ist nach meiner Auffassung und nach der Auffassung meiner politischen Freunde nur mit den Mitteln der Preispolitik, allein mit den Mitteln der Kreditpolitik, allein mit den Mitteln der Handels- und der Steuerpolitik nicht zu lösen. Es ist nur zu läsen, wenn auch mit den Mitteln der Finanzpolitik gearbeitet wird, d. h. wenn zwischen dem verhältnismäßig weniger ertraglichen Teil unserer Volkswirtschaft — das sind große Teile unserer Landwirtschaft — und den leistungsfähigeren Teilen unserer Volkswirtschaft, insbesondere der Industriewirtschaft ein Lastenausgleich durchgeführt wird.
Um das zu begründen, meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz sagen, weshalb es für die Landwirtschaft in einer wohlhabender werdenden Volkswirtschaft so große Probleme gibt. Das Bruttoeinkommen der Landwirtschaft ist in allen modernen Volkswirtschaften und insbesondere in den Agrar-Industriewirtschaften völlig mit dem Einkommen der Verbraucher gekoppelt. Jede Mark, die der Bauer einnimmt, ist einmal aus dem Portemonnaie der Hausfrau gekommen. Nach Abzug dessen, was auf den Zwischenstationen zwischen Erzeuger und Verbraucher hängenbleibt und zum großen Teil hängenbleiben muß, kommt aus dem Verbrauchereinkommen als Restposten das landwirtschaftliche Bruttoeinkommen heraus.
Ich habe schon vor 23 Jahren, im Jahre 1932, die erste Schrift in Deutschland über die Zusammenhänge von Verbrauchereinkommen und Landwirtschaft geschrieben und habe damals vorausgesagt, daß dieser Zusammenhang immer enger werden würde; die Entwicklung in diesen 23 Jahren hat das vollkommen bestätigt, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern.
In Amerika weiß man über die Enge dieses Zusammenhangs mehr als in Deutschland. Ungefähr in der gleichen Zeit, in der ich diese Schrift schrieb, hat der damalige amtierende amerikanische Landwirtschaftsminister gesagt, was ich mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier verlesen darf:
Für die Landwirtschaft besteht die wirkliche Hoffnung, aus dem einheimischen Markt das beste zu machen, nicht darin, daß man ein paar Importe abschneidet, sondern darin, daß man die Kaufkraft der städtischen Verbraucher aufbaut.
Die Landwirtschaft profitiert von steigender industrieller Tätigkeit und von den Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, Kaufkraft in die Hände der großen Mengen von Menschen zu bringen, die bisher ihrer ermangelten. Das ist das große Interesse der Landwirtschaft am Volkswohlstand.
Das, was der amerikanische Landwirtschaftsminister Henry Wallace vor mehr als 20 Jahren geschrieben hat, könnte auch als Devise über unserer heutigen Diskussion stehen, und der heute amtierende Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik wird dieser These sicher in vollem Umfang zustimmen.
Die Jahre nach der Währungsreform haben uns eine volle Bestätigung dieser These gebracht. Das Verkaufsprodukt der Landwirtschaft hat im ersten Jahr nach der Währungsreform nur 6,5 Milliarden Mark betragen. Es ist bis zum Jahre 1953/54 auf 13,3 Milliarden Mark gestiegen. Diese Steigerung um mehr als 6 Milliarden Mark ist die Hauptursache dafür, daß es der Landwirtschaft wenigstens so geht, wie es ihr heute geht. Diese Steigerung wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht das Bruttosozialprodukt in Deutschland in derselben Zeit von 74 Milliarden Mark auf fast 140 Milliarden Mark gestiegen wäre. Nur die Steigerung dieses Bruttosozialproduktes, d. h. die Steigerung der
Produktivität der Arbeit in allen Zweigen der deutschen Volkswirtschaft, auch außerhalb der Landwirtschaft, hat es ermöglicht, daß der Landwirtschaft die gesteigerte Marktproduktion, die natürlich die Basis war, zu einigermaßen erträglichen Preisen abgenommen werden konnte und daß das Bruttoeinkommen der deutschen Landwirtschaft sich in dieser Periode um über 6 Milliarden Mark steigern konnte.
Aber nun, meine Damen und Herren, kommt der Pferdefuß. Der gleiche Prozeß, der in einer wohlhabender werdenden Volkswirtschaft die alleinige Quelle für eine Steigerung des Bruttoeinkommens der Landwirtschaft darstellt, nämlich die Steigerung des Verbrauchereinkommens außerhalb der Landwirtschaft, insbesondere die Steigerung der Lohnsummen in allen Wirtschaftszweigen außerhalb der Landwirtschaft, wirft schwere Probleme auf für das landwirtschaftliche Nettoeinkommen. Denn es ist klar, daß steigende Industrielöhne einen Sog auf das Lohnniveau in der Landwirtschaft ausüben müssen. Steigende Industrielöhne schaffen ein Problem für die bezahlten Landarbeiter, d. h. für die Löhne, die in Geld an andere ausgezahlt werden müssen. Aber die steigenden Industriearbeiterlöhne schaffen auch ein großes Problem für die landwirtschaftlichen Familien, die nur mit eigenen Familienarbeitskräften arbeiten. Denn auch die mitarbeitenden Familienangehörigen und sogar der Bauer selbst sind auf die Dauer nicht bereit, als Besitzende zu einem Reallohn zu arbeiten, der niedriger ist als der Reallohn eines besitzlosen Industriearbeiters. Das ist das eigentliche Problem, vor dem wir mit der Paritätsfrage stehen.
Hier darf man sich einer Erkenntnis nicht verschließen; denn es wäre ein Kampf gegen das Einmaleins, wenn wir diese Tatsache leugnen wollten. Die Erkenntnis heißt schlicht und klar: Wenn in allen Wirtschaftsbereichen außerhalb der Landwirtschaft die Produktivität der Arbeit steigt, wenn sie sich etwa gar verdoppelt — und sie hat sich seit 1948 in Deutschland verdoppelt —, dann muß die Produktivität auch des arbeitenden Menschen in der Landwirtschaft entsprechend steigen oder, ich will es präziser sagen, entsprechend gehoben werden, wenn wir nicht unter die Guillotine der Disparität kommen wollen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Alle in diesem Katalog aufgezählten Maßnahmen sind auf lange Sicht nur wirksam, wenn sie entscheidend dazu beitragen, die Produktivität des arbeitenden Menschen in der Landwirtschaft zu heben, und das kostet Geld. Das kostet viel mehr Geld, als wir uns bisher träumen ließen.
Als Herr Minister Lübke den Lübke-Plan veröffentlichte, da geschah das aus der Erkenntnis heraus, daß auf die deutsche Volkswirtschaft und die deutsche Landwirtschaft die Probleme zukommen, die sich aus der europäischen Integration erheben. Er hat vorgeschlagen, Summen für die Strukturverbesserung der deutschen Landwirtschaft auszugeben, die weit über das hinausgehen, was sein Kollege, der Bundesfinanzminister, zunächst für erträglich hielt. Jetzt fangen wir an, zu begreifen — und ich bekenne ganz offen, daß ich es in vollem Umfange erst bei den Arbeiten im Paritätsausschuß begriffen habe —, wieviel größer die Probleme sind, die auf uns zukommen aus diesem Zusammenhang heraus, den ich Ihnen eben darzulegen versucht habe, nämlich aus den Problemen, die sich in jeder modernen Industriewirtschaft durch den bloßen Tatbestand des Wohlhabenderwerdens ergeben. Die Landwirtschaft erringt aus eigener Kraft in einer modernen Industrie-Agrarwirtschaft noch keinen angemessenen Anteil an diesem Wohlhabenderwerden. In allen modernen Volkswirtschaften müssen Maßnahmen der Agrarpolitik, der Steuerpolitik und insbesondere auch der Finanzpolitik hinzukommen, um der Landwirtschaft einen angemessenen Anteil an diesem Wohlhabenderwerden zu ermöglichen. Ich will die Maßnahmen, die hier notwendig sind, im einzelnen nicht aufzählen; denn wir besprechen hier nicht die Frage, ob eine bestimmte Maßnahme ergriffen werden soll, sondern nur die ganz simple Frage, ob auf die Wichtigkeit von Maßnahmen auf einem bestimmten Gebiet, nämlich auf dem Gebiet der Finanzpolitik, vorsorglich in dem Katalog der Mittel, die wir im § 1 aufzählen, hingewiesen werden soll. Infolgedessen will ich über die Mittel im einzelnen nicht sprechen.
Aber ich hoffe, daß meine Freunde aus dem landwirtschaftlichen Lager und auch die Volkswirte in allen Parteien mit mir völlig übereinstimmen, wenn ich sage, daß die Größenordnung der Mittel, die für die strukturelle Verbesserung der deutschen Landwirtschaft notwendig sind, um es möglich zu machen, daß die Produktivität des arbeitenden Menschen in der Landwirtschaft auch nur annähernd so steigt, wie die Produktivität des arbeitenden Menschen außerhalb der Landwirtschaft steigt, steigen wird und steigen muß, ein Mehrfaches von dem beträgt, was der Herr Bundesfinanzminister bisher auch nur von ferne in Erwägung gezogen hat. Denn, meine Damen und Herren, denken Sie bitte einmal an folgen le Zahlenreihen: Das deutsche Bruttosozialprodukt ist in den letzten sechs Jahren etwa auf das Doppelte gestiegen. Es wird — nicht in den nächsten zehn Jahren, aber vielleicht in den nächsten fünfzehn Jahren — um weitere — nicht 100%, ich w ill bescheiden sein —50 % steigen. Die deutsche Volkswirtschaft kann nur leben, wenn sie eine ständig wohlhabender werdende, eine dynamische Volkswirtschaft ist. Nun rechnen Sie sich einmal aus, welches die Konsequenzen für das Bruttoeinkommen der deutschen Landwirtschaft und für das Nettoeinkommen des arbeitenden Menschen in der Landwirtschaft sein werden, wenn im Laufe der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre das deutsche Bruttosozialprodukt und damit das Lohnniveau außerhalb der Landwirtschaft noch einmal um 50 v. H. steigt. Wenn Sie das tun, werden Sie einen Begriff davon erhalten, wie begrenzt die Wirkungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Handelspolitik, der Steuerpolitik und auch der Kreditpolitik sind, so wichtig sie sind. Und dann werden Sie begreifen, daß der große Marshall-plan der deutschen Volkswirtschaft für die deutsche Landwirtschaft erst noch kommen muß.
Ich befinde mich hier in voller Übereinstimmung mit dem, was der Deutsche Bauernverband selber fordert. Es ist am 9. Juni ein sehr illustrativer Artikel in der „Deutschen Bauernzeitung" erschienen, in dem dargelegt wurde, daß wir in der deutschen Wirtschaft durch die Investitionshilfe für die Grundstoffindustrien einen Betrag von mehr als 1 Milliarde DM aus anderen Bereichen mobilisiert haben, um ihn dort einzusetzen, wo es im Interesse einer ausgewogenen Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft damals besonders dringend wünschenswert war, nämlich in den Grundstoffindustrien, und daß diese Bluttransfusion aus einem Teil der deutschen Wirtschaft in einen anderen Teil
der deutschen Wirtschaft einen guten Erfolg gehabt hat. Dort sei sie jetzt nicht mehr notwendig. Jetzt sei der mit Blut unterversorgte Teil des deutschen Volkskörpers, der die Transfusion am nötigsten hat, die deutsche Landwirtschaft. Naheliegenderweise hat die „Deutsche Bauernzeitung" daran erinnert, daß wir über das Marshallplan-Sondervermögen von über 6 Milliarden DM verfügen, aus dem heute jährliche Rückflüsse von etwa 450 Millionen DM eingehen. Es ist in der „Deutschen Bauernzeitung" vorgeschlagen worden, dem Kaufkrafttransferbedürfnis der deutschen Landwirtschaft zunächst einmal dadurch Rechnung zu tragen, daß diese Rückflüsse mit einer ersten Hypothek von 250 Millionen DM zugunsten des dringenden Strukturverbesserungsbedarfs der deutschen Landwirtschaft belastet werden.
Meine Damen und Herren, gegen diesen Gedankengang der „Deutschen Bauernzeitung" habe ich gar nichts einzuwenden, gegen die Größenordnung aber ganz Erhebliches. Je mehr ich mich mit diesem Problem beschäftige, je mehr ich versuche, unser Nationalbudget für das nächste Jahrzehnt durchzurechnen — das ist eine Aufgabe, die heute keine müßige Spekulation mehr ist, sondern die in allen entwickelten Volkswirtschaften von Amerika über England bis zu den skandinavischen Ländern durch eine große Anzahl von Wissenschaftlern durchgeführt wird —, desto mehr wird mir klar, daß die Größenordnung der Mittel, die aus den wohlhabenderen und mehrverdienenden Teilen der deutschen Volkswirtschaft mit den Mitteln der Finanzpolitik in die deutsche Landwirtschaft transferiert werden müssen, um sie in den Stand zu setzen, ihre großen Aufgaben im Rahmen der deutschen Volkswirtschaft zu erfüllen, weit über alles das hinausgeht, was wir uns bisher gedacht haben. Sie liegt bestimmt weit oberhalb einer Milliarde. Ich würde bei mir im stillen Kämmerlein dieser Summe von 250 Millionen, die die „Bauernzeitung" genannt hat, leicht eine Null anhängen mögen, mindestens für eine begrenzte Anzahl von Jahren, damit das erreicht werden kann, was hier nötig ist.
Nun, meine Herren aus dem Lager der Regierungsparteien, ein persönlicher Appell: Vermischen Sie doch diese Dinge nicht mit solchen gefühlsbeladenen Erwägungen und Ressentiments, als ob man der deutschen Landwirtschaft eine Schande antäte, wenn man anerkennt, daß sie nicht aus eigener Kraft jene Produktivitätssteigerung finanzieren und auf die Beine stellen kann, die nicht nur im Interesse der deutschen Landwirtschaft, sondern insbesondere im Interesse der deutschen Volkswirtschaft notwendig ist. Das ist in allen modernen Industrie-Agrarländern eine Tatsache. Das empfinden die amerikanischen Farmer ebensowenig als Schande wie die Farmer und Landwirte in England, in Schweden, in Holland und in anderen Ländern. Das ist infolgedessen auch ein Grundtatbestand der wohlhabender werdenden deutschen Volkswirtschaft.
Für die Amerikaner war es nicht nur eine Aktion der Mildtätigkeit, einen Marshallplan durchzuführen und in den Marshallplan auch Deutschland aufzunehmen, sondern eine Aktion, die sich auch für sie gelohnt hat. Ebenso ist es für die inzwischen mit amerikanischer Hilfe erfolgreich und wohlhabender gewordene deutsche Volkswirtschaft nicht ein Akt des Almosengebens, sondern ein Akt des wohlverstandenen Eigeninteresses, der Landwirtschaft auf dem Wege auch über finanzpolitische Mittel diejenigen Beträge zukommen zu lassen, die sie nicht in allen Fällen verzinsen kann, die sie braucht, um die Produktivität in der Nahrungsmittelproduktion in demselben Maße zu steigern, wie die Produktivität in der gesamten deutschen Volkswirtschaft steigt und steigen muß. Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie für unseren Antrag bezüglich der Wiedereinsetzung des Wortes „Finanzpolitik" in den Katalog der Mittel.
Ich habe Ihnen eben gesagt, daß ich schon in einem sehr frühen Stadium auf einigen Gebieten zu prophezeien gewagt habe. Ich bin auf manchen Wissenschaftsgebieten ein unverbesserlicher Prophet. Ich habe dazu beitragen dürfen, die Voraussage der Schweinepreise am Ende der 20er Jahre auf eine solide Basis zu stellen mit den vier Schweinezählungen pro Jahr, die wir heute haben, und mit der Aufklärung der Landwirtschaft durch die Schweinefibel. Ich habe im Jahre 1932 zu prophezeien gewagt, daß das landwirtschaftliche Einkommen in immer stärkere Abhängigkeit vom Verbrauchereinkommen gelangen wird; diese Prophezeiung hat sich bewahrheitet. Ich wage zu prophezeien, daß sich in den hoffentlich recht langen Jahren der Geltungsdauer dieses Gesetzes die Notwendigkeit des großzügigen Einsatzes auch finanzpolitischer Mittel — Herr Fassbender, ich betone das Wort „auch": auch finanzpolitischer Mittel! — immer klarer herausstellen wird, und Sie werden sich dann freuen, wenn Sie heute mit uns gestimmt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort — noch zu diesem Antrag — hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch ein paar ganz kurze Bemerkungen zu den Ausführungen der Kollegen Fassbender und Dr. Müller machen, weil ich doch den Eindruck hatte, daß diese beiden Kollegen mich und unser Wollen nicht verstanden haben. Wir haben nicht beantragt, die Wirtschafts- und Agrarpolitik, die Handels-, Steuer- und Kreditpolitik zu streichen und an deren Stelle die Sozialpolitik zu setzen, sondern lediglich beantragt, diesen Katalog durch die Sozialpolitik zu ,ergänzen.
Herr Kollege Dr. Müller, Sie haben über die sozialpolitischen Kenntnisse oder Unkenntnisse bezüglich der Unfallversicherung gesprochen. Darf ich Ihnen sagen, daß die landwirtschaftlichen Unfallrenten eben nicht nach dem erzielten Verdienst berechnet werden — auch nicht bei den Arbeitnehmern —, sondern daß sie auf Grund der §§ 930 und der folgenden der Reichsversicherungsordnung festgesetzt werden, die Sie sich vielleicht bei Gelegenheit noch leinmal ansehen. Das sind nämlich solche diskriminierenden Ausnahmebestimmungen. Dort werden die Renten -nach den von Zeit zu Zeit — manchmal recht willkürlich und tendenziös — festgelegten sogenannten Jahresarbeitsverdiensten festgesetzt.
Den Landarbeitern haben die Lohnerhöhungen der letzten drei bis vier Jahre beispielsweise in dieser Beziehung nichts genutzt.
Die Renten für jetzige Unfallverletzte wenden immer noch nach Jahresarbeitsverdiensten festgesetzt,
die Anfang 1952 oder 1953 festgesetzt worden sind.
Noch die eine ganz kurze ,Bemerkung, insbesondere für Sie, Herr Kollege Fassbender: In meiner Fraktion ist niemand, der die dritte Lesung dieses Gesetzes heute verhindern will.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lücker, auch zu diesem Antrag, damit es keinen Irrtum gibt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Debatte über diesen Antrag nicht unnötig verlängern unid deswegen die Dinge wieder auf ihren realen Kern zurückführen. Wir waren doch im Unterausschuß immer der übergroßen Mehrheit nach der Meinung, daß es sich bei diesem Gesetz, dem Landwirtschaftsgesetz, um ein Gesetz handelt, das in erster Linie wirtschaftspolitischen Charakter tragen soll. Sie haben heute hier mit Ihren Darlegungen den Eindruck zu erwecken versucht, idaß die Fraktionen der Koalition nicht genügend Verständnis dafür hätten, daß es auch bezüglich der Behebung der sozialen Schwierigkeiten in :der gesamten Landbevölkerung gewisse Aufgaben gebe. Dem haben wir uns nie verschlossen. Wir haben auch in den Diskussionen im Unterausschuß unid auch im federführenden Ausschuß immer wieder darauf hirngewiesen, daß selbstverständlich auch auf diesem Gebiet etwas geschehen soll und geschehen muß; aber dieses Landwirtschaftsgesetz soll darauf beschränkt bleiben, wofür es bestimmt ist, nämlich auf den wirtschaftspolitischien Charakter.
Wir nehmen gerne Ihre Erklärung zur Kenntnis, die Sie zum Schluß abgegeben haben, daß 'in Ihrer Fraktion niemand gewillt ist, die dritte Lesung ides Landiwirtschaftsgesetzes heute zu verhindern. Wir haben das gerne zur Kennanis genommen, und wir von unserer Seite aus wollen nichts dazu tun, um die Debatte unnötig in die Länge zu ziehen.
Ich will hier nicht mehr näher darauf eingehen, was von unserer Seite zu der Einfügung des Wortes „Sozialpolitik" zu sagen war. Ich möchte noch ein paar Worte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Baade über die Einfügung des Wortes „Finanzpolitik" sagen. Wir haben in dem Katalog der Maßnahmen von den 'allgemeinen Mitteln der Wirtschafts- und Agrarpolitik gesprochen, haben dann lediglich insbesondere die Mittel der Handels-, Steuer- und Kreditpolitik hervorgehoben und haben auf die Worte „Sozialpolitik" und „Finanzpolitik" verzichtet. Auf die 'Sozialpolitik haben wir aus den Gründen verzichtet, 'auf die ich eben im großen und ganzen noch einmal mit einigen Sätzen eingegangen bin. Hinsichtlich der Finanzpolitik sind wir in der Sache, glaube ich, gar nicht so weit auseinander. Wir haben idem, was sich real hinter dem Begriff der Finanzpolitik verbirgt oder was damit auszudrücken wäre, als einzigem im ganzen Gesetz einen besonderen Paragraphen, nämlich den § 6, gewidmet. Soweit es um den Einsatz von Mitteln geht, ist er in § 6 angesprochen.
— Sie lachen, meine Damen und Herren? Herr Kollege Baade, Sie haben von den Mitteln der Finanzpolitik gesprochen und haben dann in sehr ausführlichien allgemeinen volkswirtschaftlichen Überlegungen so etwas wie eine Begründung für denen Einfügung zu geben versucht. Ich glaube, ich kann durchaus feststellen, daß wir in dem Kompendium der allgemeinen volkswirtschaftlichen Überlegungen, Herr ,Kollege ,Baade, hier ebenso wie auch im Unterausschuß im großen und ganzen weitgehend dergleichen Meinung sind.
Sie haben alber zur Einleitung Ihrer allgemeinen volkswirtschaftlichen Darlegungen unter anderem auch von dem „Paritätsautomaten", von der Lohn-Preis-Spirale und der Gefahr der Inflation gesprochen. Ich glaube, der Begriff der Finanzpolitik, in den Katalog der Mittel in § 1 eingesetzt, könnte draußen auch in diesem Sinne falsch aufgefaßt werden. Sie haben 'in dem Zusammenhang von einer Investitionshilfe gesprochen. Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie uns bescheinigen, daß wir nicht an den Einsatz eines solchen „Partiätsautomaten", der zur Infliation führen könnte, gedacht haben und daß wir uns von Seiten der Koalition auch in der Endfassung des Gesetzes diese Dinge nicht zu eigen gemacht haben.
Ich möchte hier allerdings eines feststellen. Ich glaube, wir sind von unserer Seite mit sehr realistischen Auffassungen an dieses Gesetz herangegangen. Wenn hier schon von dem „Paritätsautomaten", von der Ingangsetzung der Lohn-PreisSpirale gesprochen wird, von vielleicht unverkraftbaren Erhöhungen der Agrarpreise, ich glaube, dann darf man von dieser Stelle aus auch einmal die Mahnung in aller Öffentlichkeit aussprechen: es wäre wünschenswert, daß auch andere Gruppen in unserer Gesamtwirtschaft und in unserer Gesamtbevölkerung sich von diesem Grundsatz leiten ließen, durch ihre wirtschaftspolitischen Forderungen nacht an der Lohn-Preis-Spirale zu drehen,
so wie wir es von unserer Seite zugestanden haben: wir wollen diejenigen sein, die den Bundesfinanzminister und die gesamte Bun diesregierunig mit unterstützen wollen in ihrer Politik der Stabilisierung und Stabilerhaltung Ides Lohn-Preiis-Gefügen für das Gesamtwohl unserer Wirtschaft und unseres ganzen Volkes.
Ich
glaube aliso, wir sollten deswegen auf die Einfügung dieser Worte verzichten. Ich bitte daher, dem Antrag der SPD, dem wir in der Sache selbstverständlich weitgehend verbunden sind, wegen dieser befürchteten Auswirkungen nicht zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelberatung zu § 1 des Gesetzes.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zu § 1 des Gesetzes — Umdruck 471*) — zuzustimmen 'wünscht, der gebe ,das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen
*) Siehe Anlage 2.
wünscht, den bitte, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, —8, — 9, — Einleitung und Überschrift. — Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes in der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme bei vier Enthaltungen in der zweiten Lesung verabschiedet.
Ich trete in die
dritte Beratung
ein und eröffne die allgemeine Aussprache. — Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Bauknecht.
Meine Damen und Herren! Bei der großen Bedeutung dieses Gesetzes, das auch die Öffentlichkeit in einem Maße beschäftigt hat wie bisher wohl noch kein Agrargesetz, können wir es uns nicht versagen, auf die Gesamtproblematik dieses Gesetzes in der dritten Lesung mit einigen grundsätzlichen Worten einzugehen. Die Landwirtschaft ist an und für sich befriedigt darüber, daß die deutsche Öffentlichkeit sich nun doch mit dem Problem Landwirtschaft mehr beschäftigt, als es vielleicht früher der Fall war, und daß sie trotz der großen Erfolge des deutschen Unternehmers und der gewaltigen Leistungen des qualifizierten deutschen Arbeiters ein derartiges Interesse an der Landwirtschaft an den Tag legt. In der Tat: die Landwirtschaft hat es nicht nötig, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, und sie kann seit der Zeit nach dem Zusammenbruch mit gewaltigen Leistungen aufwarten, wenn sich auch diese Leistungen nicht unmittelbar so sichtbar ausdrücken wie etwa die Leistungen der gewerblichen Wirtschaft, die wir in gewaltigen Bauten sehen oder in der ungeheuren Güterproduktion, die wir in allen Schaufenstern betrachten können.
Wenn wir uns die Tatsache vor Augen halten, daß wir mit dem Zusammenbruch die großen agrarischen Gebiete Mitteldeutschlands und Ostdeutschlands verloren haben und nun zusätzlich die 10 Millionen Menschen, welche jene Gebiete bevölkert haben, noch mit ernähren müssen, dann können wir doch mit Recht und Stolz darauf hinweisen, welch gewaltige Leistungen die Landwirtschaft Westdeutschlands vollbracht hat. Es ist von niemandem bestritten, daß nicht nur die Flächenleistung, sondern auch die effektive Leistung je Arbeitskraft diese Steigerung aufweist. Man streitet sich darüber, ob die Arbeitsproduktivität in dem Jahre 1953/54 nun auf 121 oder auf 128 steht. Auf alle Fälle wird sie sich in diesem Rahmen bewegen.
Aber nicht nur was die Menge und die Leistung der Arbeitskräfte anbelangt, können wir stolz sein, auch die Qualität, die ja von vielen heute bemängelt wird. kann sich sehen lassen. Ich erinnere nur daran, daß es gewisse landwirtschaftliche Produkte gibt, die wir in Deutschland erzeugen und die eine begehrte Ware auf dem Weltmarkt geworden sind, ob das nun die Dosenschinken sind oder das hervorragende Obst, das wir in einem Jahr mit gewaltiger Ernte nach dem Ausland exportiert haben, oder ob es sich um die, ich kann es ruhig sagen, wohl beste Butter der ganzen Welt handelt, wie sie in der deutschen Qualitätsbutter auf dem Markt dargeboten wird. Ich darf aber auch noch darauf hinweisen, daß die Landwirtschaft heute in einem Stadium begriffen ist, in dem sie zusätzlich die Leistungen nach der Qualitätsseite steigern will.
Ich erinnere hier an ein Problem, das in seiner Tragweite und in seiner Größe von der Öffentlichkeit im Hinblick auf die finanziellen Opfer, die dabei von der deutschen Landwirtschaft gefordert werden, vielleicht nicht in dem Maße gewürdigt wird, wie es notwendig wäre. Von niemandem bestritten, sind allein die laufenden Leistungen bis zum Abschluß der Sanierung der Rinderbestände von der Tbc auf etwa 3 bis 3 1/2 Milliarden zu veranschlagen!
Wie aber, meine Damen und Herren, ist nun die Lage der Landwirtschaft? Einige Redner sind ja bereits darauf eingegangen. Wenn die Lage der Landwirtschaft rosig wäre, könnten wir auf dieses Gesetz verzichten. Gestern erschien in der Presse eine Veröffentlichung der Deutschen Rentenbank über das abgelaufene Jahr 1953/54, in der klargelegt wird, daß die kurzfristige Verschuldung wiederum um weitere 630 Millionen zugenommen hat — in einem Jahr, das doch im großen gesehen als ein fruchtbares angesehen werden kann! Wie wird die weitere Verschuldung in dem abgelaufenen Jahr 1954/55 mit seinen katastrophalen Witterungsverhältnissen wohl aussehen? Die Gesamtverschuldung, die heute bei 7 Milliarden angelangt und damit bereits höher ist als in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, redet eine deutliche Sprache. Wenn Sie dann daran denken, daß diese Verschuldung im wesentlichen auf Personalschulden begründet ist, daß sie kurzfristiger Natur ist und daß sie gegenüber jener vor dem 2. Weltkrieg mit mindestens den doppelten Zinsen belastet ist, dann können Sie sich ein Bild machen von dem heutigen Stand der Verschuldung.
Das Ifo-Institut in München hat vor einem halben Jahr den Arbeitsertrag der mitarbeitenden bauerlichen Familienarbeitskräfte inklusive des Unternehmers fixiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Menschen 67 Pfennig in der Stunde verdienen, übrigens ein Satz, der sich vollauf auch mit cien Ergebnissen beispielsweise meines Heimatlandes Baden-Württemberg deckt. In
4 unseres Gesetzesentwurfs verlangen wir, daß klargestellt wird, wie das Verhältnis zu vergleichbaren Tarif- und Lohngruppen sauf dem Lande ist. Ich will hier mal einen Lohn herausgreifen, beispielsweise der Sägeindustrie; dort liegt der Lohn des angelernten Arbeiters heute bei 1,35 DM! Da braucht man sich doch eigentlich nicht zu wundern, daß nun nahezu alle Menschen, die nicht irgendwie aus familiären Gründen glauben, besondere Rücksichten nehmen zu müssen, aus der Landarbeit abwandern. Hier deckt sich meine Auffassung genau mit der, die Herr Frehsee vorhin zum Ausdruck gebracht hat. Es wird also notwendig sein, diese Dinge entscheidend zu ändern.
Daß die Landwirtschaft in bezug auf die Entlohnung der Fremdarbeiter bisher nichts getan hätte, kann man ihr nicht vorwerfen. Die Fremdarbeiterlöhne in der Landwirtschaft stehen im Augenblick im Durchschnitt des Bundesgebiets bei 1,11 DM und haben damit, berücksichtigt man nur die Barlöhne, gegenüber der Vorkriegszeit einen
Indexstand von 273 erreicht. Sie alle wissen, daß sich der Index der Verkaufserlöse in der Landwirtschaft im Durchschnitt der Produkte rund um die Zahl 200 bewegt. Wie kann man unter diesen Verhältnissen nur zu der Auffassung kommen, die Landwirtschaft hätte in der Rationalisierung nichts getan! Dabei weiß man doch, daß zahlreiche Betriebe durch den Barlohn mit nahezu 50 °/o der Gesamtausgaben belastet sind. Soweit Ausgaben in Betrieben nicht in diesem Umfange gemacht wurden, ist das darauf zurückzuführen, daß die mitarbeitenden Familienangehörigen auf den ihnen zustehenden Lohn verzichteten.
Herr Frehsee, ich bin in folgendem Punkt durchaus mit Ihnen gleicher Auffassung. — Er ist leider nicht da. Ich habe ihn gutmütig angehört. Es wäre vielleicht auch kein Schaden, wenn er zuhörte. Herr Kriedemann, Sie sind wohl bereit, ihm zu berichten. Ich gehe mit ihm darin einig, daß die Arbeitsverfassung in der Landwirtschaft im Laufe der Zeit geändert werden muß. Wir stehen gar nicht an, zu erklären, daß das System der Ledigenkräfte geändert werden muß, so daß Wir eines schönen Tages statt der Ledigen gut fundierte verheiratete Arbeiter haben. Daran, daß es noch nicht dazu gekommen ist, trägt einzig und allein die Unterbewertung der landwirtschaftlichen Arbeit die Schuld. Es ist nicht so, daß der Bauer aus einem Vorurteil oder weil er der modernen Entwicklung nicht aufgeschlossen gegenüberstünde, gegen verheiratete Kräfte wäre.
Im übrigen spielen da noch andere Dinge, z. B. die Wohnraumbewirtschaftung, eine ganz große Rolle. Heute ist es so: Wenn ein Bauer — zum Teil mit Hilfe öffentlicher Mittel — eine Landarbeiterwohnung errichtet und einen verheirateten Landarbeiter eingestellt hat, der dann in die Industrie wegläuft, nachdem er einige Monate bei ihm gearbeitet hat, bleibt die Wohnung blockiert. Er kann einem anderen, den er dafür einstellt, die Wohnung nicht geben. Was soll er dann tun? Er hat ja nicht einmal einen Wohnraum für eine ledige Arbeitskraft. Solange dieser Zustand nicht geändert wird, kann man noch so viel reden, es wird nicht anders. Welcher Bauer wird das Geld für eine Landarbeiterwohnung ausgeben, wenn er sie nicht zweckentsprechend verwerten kann?
Es ist notwendig, noch einige andere Dinge zu sagen. Daß die Abkehr von der Landarbeit so große Fortschritte macht, ist kein Wunder. Wir haben große Sorgen, daß dadurch zahlreiche Bauernbetriebe zu einer extensiven Wirtschaftsweise gezwungen werden. Ich darf darauf hinweisen, daß eine ganze Reihe von Ausgaben fester Natur sind und nicht geändert werden können. Wenn gleichzeitig die Roheinnahmen sinken, sieht sich der landwirtschaftliche Betriebsleiter nicht mehr in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Im übrigen: Wie wird sich das auswirken, daß jetzt die Gewerkschaften — ob zu Recht oder zu Unrecht, will ich hier gar nicht untersuchen — die 40-Stunden-Woche fordern? Diese Forderung wird dann auch auf die Landwirtschaft übergreifen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Bauernbetrieb bei dem relativ niederen Ertrag in der Lage sein soll, dem Arbeiter den gleichen Lohn für 40 Stunden zu zahlen, den er bisher für eine doch unvergleichlich höhere Stundenzahl erhält.
Ich habe vorhin meine Genugtuung darüber ausgesprochen, daß weite Kreise ein großes Interesse an der Landwirtschaft nehmen. Meine Freude darüber ist allerdings dadurch etwas getrübt, daß sehr viele nicht die Eigenheiten des landwirtschaftlichen Betriebes kennen und deshalb für die besonderen Verhältnisse, unter denen der Bauer seiner Arbeit nachgehen muß, kein oder nur ein geringes Verständnis zeigen. Sonst wäre es nicht möglich, daß die führende Presse noch bis zum heutigen Tage gegen dieses Landwirtschaftsgesetz wettert,
obwohl der Bundestag mit der Abstimmung in der zweiten Lesung die Notwendigkeit dieses Gesetzes einmütig bestätigt hat.
Gerade gegen diese Kreise möchte ich nun einige Worte sagen. Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich es von meinem bäuerlichen Standpunkt aus tue. Sicherlich hat sich bei uns die große Masse von der volkswirtschaftlichen Auffassung abgekehrt, daß man in einem hochindustrialisierten Staate die Landwirtschaft nicht zu schützen brauche und daß man eben die Lebensmittel dort kaufen solle, wo sie am billigsten zu haben sind. Dieser Bundestag hat in dankenswerter Weise durch zahlreiche Gesetze bewiesen, daß er sich der Auffassung dieser weltwirtschaftlichen Theoretiker nicht anschließt; sonst hätte er die Zollgesetze zugunsten der Landwirtschaft und die Marktordnungsgesetze nicht beschlossen. Von vielen Volkswirtschaftlern wird aber noch die Auffassung vertreten, die Landwirtschaft habe sich eben damit abzufinden, daß die Landarbeit schlechter bezahlt werde als die Arbeit im gewerblichen Sektor; es sei ein unabwendbares Schicksal, daß die Industrie sich besser fortentwickeln könne als die Landwirtschaft, und, auf die Dauer gesehen, werde die Rendite in der Industrie immer größer werden, während die der Landwirtschaft naturnotwendig zurückbleiben müsse. Es wird weiter gesagt, diese Theorie von der notwendig geringeren Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft stehe im Zusammenhang mit einer drohenden Überproduktion.
Zahlreiche Herren, nicht aus dem Bundeskabinett, sondern aus den Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums und dann auch einige bedeutende Agrarwissenschaftler in der Bundesrepublik samt einer Reihe von Agrarjournalisten haben uns in den letzten Jahren immer wieder versichert, daß eben der technische Fortschritt der Landwirtschaft nicht in dem gleichen Maße zugute kommen könne wie der Industrie. Weil die Maschine hier nur als ein Hilfsinstrument anzusehen sei, während sie in der Industrie in zwei und drei Schichten tagtäglich voll eingesetzt werden könne, sei es ausgeschlossen, daß die Landwirtschaft jemals den gleichen Stand der Arbeitsproduktivität erreichen könne wie der industrielle Betrieb. Da aber der Grad der Arbeitsproduktivität, d. h. die Leistung je Kopf des Arbeiters, den Lohn bestimme, seien wir auf die Dauer verurteilt, billiger zu arbeiten.
Auf der anderen Seite hat man gesagt, die Bedürfnisse des Menschen nach materiellen Gütern seien unendlich. Das stimmt auch. Wer hätte vor 30 Jahren an den Lippenstift oder an das Fernsehen oder ähnliche Dinge gedacht! Sicherlich hat man durch den steigenden Wohlstand die Möglichkeit, sich überall in der Familie und im wirtschaftlichen Leben ohne Ende dieser Errungenschaften der modernen Wirtschaft zu bedienen. Darüber hinaus ist es so, daß die gewerbliche Wirtschaft durch ihre neuen Erfindungen geradezu die Be-
dürfnisse des einzelnen Menschen noch zusätzlich weckt, während der Landwirtschaft nur eine einseitige und sehr beschränkt ausdehnungsfähige Nachfrage, nämlich die nach Nahrungsmitteln, gegenübersteht.
Ich will nicht darauf eingehen, daß diese Dinge in unentwickelten Ländern noch anders sind. Aber auf alle Fälle ist es so, daß wir die Faktoren, die einen zusätzlichen Verbrauch von Lebensmitteln bewirken, in der Landwirtschaft nicht in der Hand haben: einmal die Bevölkerungsvermehrung und zum andern den steigenden Lebensstandard. Die Bevölkerungsvermehrung ist, mindestens in Europa, abgeschlossen, und was den steigenden Lebensstandard betrifft, so wendet sich der größte Teil des Mehreinkommens nicht dem zusätzlichen Verbrauch der von uns erzeugten Nahrungsgüter zu, sondern eben anderen Dingen. Auch der Reiche kann schließlich nicht sehr viel mehr essen als der Arme.
Damit bleibt der Landwirtschaft nach Ansicht dieser Theoretiker nur eine Möglichkeit übrig, nämlich aus den kleinbäuerlichen Familienbetrieben die überzähligen Arbeitskräfte abzustoßen, damit sie in die Industrie abwandern. Darüber hinaus soll sie ihre Betriebe auf das äußerste weiter rationalisieren und ihre Betriebsorganisation verbessern, um die dadurch zusätzlich entbehrlich werdenden Arbeitskräfte ebenfalls in die Industrie abzugeben. Bei diesem Umschichtungsprozeß — so sagen unsere wirtschaftspolitischen Gegner — soll der Staat behilflich sein. Durchaus in Ordnung! Zinsverbilligung, Steuererleichterung und dergleichen Dinge — alles zugestanden! Damit die Landwirtschaft aber in den Stand versetzt wird, sich die technischen Fortschritte und die noch vorhandenen Rationalisierungsmöglichkeiten voll nutzbar zu machen, soll der Staat vor allen Dingen das Ausbildungs- und das Beratungswesen mehr als bisher fördern. Schließlich müsse man dafür Sorge tragen, daß die zu kleinen Betriebe, die eine bäuerliche Familie nicht voll ernähren können, aufgestockt werden und daß die Flurzersplitterung beseitigt wird. Wenn dies alles aber geschehen sein werde, so meint man, dann habe der Staat von sich aus das Seine getan, und ein Landwirtschaftsgesetz erübrige sich völlig. Darüber hinaus seien dann auch die Marktgesetze, die Einfuhrbeschränkungen und dergleichen Dinge unnötig. Man sollte, so sagen diese Theoretiker, die deutsche Landwirtschaft, damit sie sich dann schnell selber umstelle, in das eiskalte Wasser einer internationalen Konkurrenz hineinwerfen.
Meine Damen und Herren, damit würde der Landwirtschaft ein trübes Schicksal bevorstehen, und man wird verstehen, daß sie sich nicht ohne weiteres mit diesen Dingen abfinden will und im Interesse der gesamten Volkswirtschaft auch nicht abfinden kann. Wenn wir einmal unterstellen, die Theorie von dem naturnotwendigen Zurückbleiben der Landwirtschaft hinter der gewerblichen Wirtschaft wäre richtig, die sogenannte Unterbewertung der Landarbeit wäre eine unabwendbare Erscheinung und es gäbe keinen anderen Ausweg als die vorerwähnten Maßnahmen — haben sich die Verfechter dieser Theorie denn auch schon einmal die daraus resultierende Konsequenz überlegt? Immerhin sind bis heute noch 6 Millionen Menschen in der Landwirtschaft tätig. Wo sollen die dann hin? Sie müssen sich eine neue Existenzgrundlage suchen. Glaubt man, daß ein solcher Prozeß ohne schwere soziale Erschütterung vor sich gehen würde? Was geschieht aber dann, wenn vielleicht eines schönen Tages — wir hoffen allesamt, daß es nicht eintritt — die riesige Vorwärtsentwicklung der gewerblichen Wirtschaft eine Stockung erleidet? Wohin dann mit diesen Menschen? Hält man einen Konjunkturrückgang überhaupt für völlig ausgeschlossen? Ich will keinen an die Wand malen; ich darf aber doch als Schwabe darauf hinweisen, wie glücklich die Menschen in meiner Heimat in den Jahren der Krise vor dem zweiten Weltkrieg waren, 1929 bis 1933, daß sie, auch wenn sie Industriearbeiter waren, der Landwirtschaft noch verhaftet waren. Sollen diese Relationen heute zerstört werden? Sieht man die wirklichen Werte denn nicht mehr? Mir scheint, daß unsere guten Ratgeber sich darüber noch keine Gedanken gemacht haben.
Allerdings taucht auch noch eine andere Frage auf: Hat der Staat überhaupt ein Interesse an einer möglichst großen Zahl von klein- und mittelbäuerlichen Betrieben und damit von selbständigen Existenzen? Wir klagen doch so viel, die moderne Entwicklung der Technik führte dazu, daß die Menschen entpersönlicht und vermaßt werden. Und da will man nun auf Grund von kühlen wissenschaftlichen Argumenten einen Großteil der heute mit dem Boden verwurzelten Menschen dazu verurteilen, nun auch ihrerseits in der großen Masse zu verschwinden?! Nein, meine Damen und Herren, da stimmt etwas nicht. Es ist ein Widersinn, wenn auf der einen Seite begrüßenswerterweise zahlreiche Menschen zu einem eigenen Besitz kommen — ich erinnere an den Sozialen Wohnungsbau, an den privaten Eigenbesitz, den die Betreffenden durch diese Eigenheime erlangen — und auf der anderen Seite Bestehendes gefährdet würde.
Manche sind der Auffassung, dieses Landwirtschaftsgesetz sei nur ein Großbauerngesetz, es berücksichtige nicht die Belange der kleinen Landwirtschaft. — Nein, meine Damen und Herren, es heißt ausdrücklich in § 2 dieses Gesetzes, daß die Erhebungen sich auf alle Sparten der Landwirtschaft erstrecken sollen nach Betriebsgrößen, Betriebstypen, Betriebssystemen und Wirtschaftsgebieten. Ich denke hier vor allen Dingen an die große Masse aller jener Betriebe, die bisher auf kleinstem Besitz eine Familie — wenn auch kärglich — ernähren konnten. Alle jene, die Spezialkulturen betreiben, etwa im Obst-, Gemüse- und Weinbau, die wären dann alle nicht mehr, wenn wir diesen Theorien huldigten.
Man hat errechnet, daß idle technische Ausrüstung, die nachzuholen 'isst, etwa einen Betrag von 30 Milliarden DM beansprucht. Wie sollen die Mittel dann aufgebracht werden neben den sonstigen Ausgaben für Flurbereinigung und wasserwirtschaftliche, landeskulturelle Maßnahmen, Verbesserung der Agrarstruktur usw.?! Sicherlich muß die Landwirtschaft weiter rationalisieren. und sicher wird der seit Jahren im Gang befindliche Prozeß noch einige Zeit weitergehen, ,daß wir mit einem gewissen Rückgang des Anteils der landwirtschaftlichen Bevölkerung rechnen müssen. Aber das kann sich doch nur ganz langsam und im Einklang mit der Gesamtentwicklung vollziehen.
Ebenso steht es mit den Maßnahmen der Agrarstruktur. Herr Bundesminister, wir sind Ihnen sehr dankbar, daß das eines Ihrer Steckenpferde ist und Sie klar 'erkannt haben, daß diesen Dingen ein
(Heiterkeit und Beifall. — Abg. Dr. Orth:
Wie viele Seiten Sie haben, müssen Sie uns gestehen! Dann können wir es uns
ausrechnen!)
— Wenn Sie mich dauernd unterbrechen, dann,
muß ich darauf antworten, dauert es noch länger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen uns nicht allzulange mehr darüber zu unterhalten, wie wir in die heutige Lage gekommen sind. Das habe ich bereits ausgeführt. Wir müssen uns aber doch noch einmal dagegen wehren, daß man der Landwirtschaft immer wieder unverständlicherweise vorwirft, sie sei durch einen Leistungsrückstand in die heutige Lage gekommen. Zu diesem Thema muß ich ganz kurz noch Ausführungen machen. Das ist etwas, was einfach nicht stimmt, was jeder Grundlage entbehrt. Wir sind in der Lage, Ihnen das zu beweisen.
Wenn Sie die volkswirtschaftliche Statistik ansehen, werden Sie feststellen müssen, daß die Landwirtschaft heute um 25 % billiger produziert als die gewerbliche Wirtschaft im Ablauf der letzten 50 Jahre. Das entspricht nicht dem Gesetz der klassischen Nationalökonomie. Von Smith wurde gelehrt, daß entsprechend dem Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs die Agrarpreise relativ steigen und die Industriepreise entsprechend dem Gesetz der Kostendegression bei steigender Produktion und bei verringertem Stückpreis relativ fallen müssen. Leider ist die Entwicklung umgekehrt verlaufen. Trotzdem ist — wir können dies beweisen — die Landwirtschaft in ihrer Produktivität tatsächlich nicht nur nicht zurückgeblieben, sondern trotz aller Handicaps, die sie hatte, mitgekommen und sogar noch vorausmarschiert.
Ich könnte Vergleiche zwischen der deutschen Landwirtschaft und der der Vereinigten Staaten von Nordamerika anführen, die uns immer wieder vorgehalten werden. Ich will mir auch diese jetzt wegen des Zeitmangels schenken. Ich behalte mir jedoch vor, einige Dinge zu Protokoll zu geben.
Eines möchte ich noch erwähnen. Das Problem der Disparität ist nicht nur ein Problem der Bundesrepublik Deutschland. Darauf wurde bereits hingewiesen. Es ist beinahe ein Weltproblem; es ist ein Problem, welches sämtliche Industriestaaten der Welt heute irgendwie berührt.
Gerade damit, daß die meisten Staaten diese Maßnahmen bereits in Angriff genommen haben, wird uns bewiesen, daß es sich, auf die Dauer gesehen, kein Volk ungestraft leisten kann, die Nahrungsmittelproduktion zu vernachlässigen und damit die Existenz seiner Landwirtschaft zu gefährden. Bei der Beratung dieses Gesetzes müssen wir uns darüber klar sein, daß die Nahrung immer noch die Grundlage ist und wichtiger ist als alle Genußmittel und als jeder Luxus. Wir wissen, daß das Dilemma, in welchem sich die deutsche Landwirtschaft befindet, mit diesem Gesetz noch lange nicht behoben sein wird. Es werden einige andere Dinge, und zwar in aller Bälde, auf uns zukommen.
Das Strukturproblem — es wurde bereits angesprochen — kann in diesem Gesetz nicht gelöst werden. Die sozialen Probleme sind heute und schon früher angesprochen worden; auch sie können in diesem Gesetz nicht gelöst werden. Auch sie werden noch besonders auf uns zukommen. Auch darauf möchte ich jetzt nicht länger eingehen, sondern das nur andeuten. Ich glaube auch, daß wir uns in Ausführung dieses Gesetzes, in Einhaltung der der Regierung und uns selbst gegebenen Auflagen noch öfter über diese Dinge werden unterhalten müssen.
Es wurde heute schon von der Investitionshilfe für die gewerbliche Wirtschaft gesprochen. Ich glaube, dort ist das Ziel heute erreicht. Ich möchte nur andeuten, daß es vielleicht notwendig wird, über ein Investitionshilfegesetz für die deutsche Landwirtschaft in aller Bälde in diesem Raum zu sprechen.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz kurz zu dem vorliegenden Gesetzentwurf selbst. Der Unterausschuß, dem ich anzugehören die Ehre hatte, hat sich Unterausschuß „Paritätsgesetze" genannt. Ich weiß, wie wir zu den heutigen Formulierungen gekommen sind. Jedenfalls möchte ich der Ordnung halber feststellen, daß das Wort „Parität" in den Formulierungen und in den weiteren Verhandlungen möglichst und auch krampfhaft vermieden worden ist und jetzt kaum noch zu finden ist. Es wurde bereits gesagt, daß die Gesetzesverpflichtung bei weitem nicht so deutlich ausgedrückt werden konnte, wie wir es uns vorgestellt hatten. Sie wissen, daß Verfassungsrechtler ihre Bedenken hatten. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es in § 1 hätte heißen sollen „Die Bundesregierung hat . . ." und nicht „Die Bundesregierung ist verpflichtet . . .". Aber es wurde uns gesagt, das Wörtchen „ist" sei letzten Endes genau so verpflichtend, ohne daß man dadurch in Konflikt mit der Verfassung käme, und wir würden eines schönen Tages, falls dem nicht so
sein sollte, eben an das, was uns im Unterausschuß von den Rechtsgelehrten gesagt worden ist, erinnern müssen.
Im Hinblick darauf, wie das Gesetz letzten Endes ausgefallen ist, sind mir einige Äußerungen, die im mitberatenden Wirtschaftspolitischen Ausschuß gemacht worden sind, besonders aufgefallen. Dort wurde von einem Mitglied dieses Hohen Hauses gesagt, daß es sich bei § 1 dieses Gesetzes — ich habe ja schon auf die zu schwache Verpflichtung hingewiesen — um nichts anderes als um eine Präambel zu diesem Gesetz handle, die keinerlei gesetzliche Verpflichtung enthalte. — Bitte, das wurde wörtlich gesagt von einem Mitglied des Wirtschaftspolitischen Ausschusses. In der Sitzung wurde zum gesamten Gesetz auch bemerkt, daß es eigentlich nichts anderes sei als eine Entschließung des Bundestags, in Gesetzesform gekleidet, gerichtet an die Bundesregierung.
— Ja, das wurde behauptet; es ist tatsächlich so. Nun, wir haben später im federführenden Ausschuß einige Verbesserungen hineingebracht und glauben deshalb, daß das, was vorher dort ausgeführt worden ist, doch einigermiaßen überwunden ist, und glauben deshalb auch, daß wir dem Gesetz — wenn auch mit Bedenken — unsere Zustimmung geben können. Dias darf ich für meine Freunde von den Freien Demokraten jedenfalls sagen.
Ich glaube aber, gerade jene da und dort geäußerten Worte haben eindeutig idas Ammenmärchen widerlegt, wir wollten einen Indexpreisautomatismus, der zwangsläufig eine Lohn-und-PreisSpirale in Bewegung setzte, an deren Ende dann die Inflation stehe. Ich glaube, die Ausschußberatungen — das ging aus dem Bericht des Herrn Kollegen Lücker ja hervor — haben genügend Mittel aufgezeigt, mit denen man das Disparitätsproblem in anderer Weise als nur mit dem Mittel der Preispolitik beseitigen kann. Wir sind Rile der Meinung, ,daß das Mittel der Preissteigerung dasjenige ist, das wir erst zuallerletzt und nur im äußersten Notfall anwenden dürfen,
denn wir sind uns darüber klar: Preiserhöhungen auf unserem Sektor führen automatisch sofort zu Forderungen auf einer ganz anderen Seite, und dann wird eine Spirale in Bewegung gesetzt. Wir von der Landwirtschaft aber würden immer die Dummen sein, weil wir immer viel, viel später nachkämen.
Vorhin wurde auch von dem § 2 gesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte es für notwendig, darauf noch ganz kurz einzugehen. Sie wissen, daß der Antrag der Freien Demokraten in erster Linie darauf ausgegangen ist, als Mittel und Grundlage der Feststellung der Disparität den Indexvergleich heranzuziehen. Nun ist er ja in Abs. 2 dieses Paragraphen in einer Weise angesprochen, die unsere Wünsche, ich möchte sagen, annähernd erfüllt. Trotzdem bin ich nach wie vor der Meinung, der Indexvergleich als die am schnellsten und am wirksamsten zu Ergebnissen führende Prüfung hätte an erster Stelle genannt werden müssen, nicht an zweiter; er ist —das wird die Praxis zeigen — für die nächsten Jahre das Primäre, die erste Unterlage, die uns gegeben ist, um das Gesetz überhaupt in Gang zu bringen.
Durch den Aufwands-Ertrags-Vergleich, den ja auch wir — das möchte ich hier ausdrücklich sagen — in unserem Gesetzentwurf als Kontrolle vergesehen hatten, werden wir erst nach vielen Jahren ein brauchbares Ergebnis bekommen. Ich darf hier ausdrücklich sagen, daß es manchmal nicht unerhebliche Auseinandersetzungen gekostet hat, bis der Abs. 2 in der heutigen Fassung im Gesetz stand. Ich ,darf hinzufügen, ,daß es uns unmöglich wäre, dem Gesetz heute unsere Zustimmung zu geben, wenn dieser Absatz nicht wenigstens in der jetzigen Form dastünde.
Einige Mängel des Gesetzes — es könnten noch
mehrere genannt werden — habe ich, glaube ich, aufgeführt. Trotz dieser Mängel werden wir, wie ich schon gesagt habe, dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen. Aber nun muß ich wiederholen, was Kollege Bauknecht schon sagte; ,nun kommt das große Aber. Der Erfolg dieses Gesetzes hängt entscheidend davon ab, welchen Geist und Willen zur Durchführung die Bundesregierung und insbesondere ,der zuständige Ressortminister aufbringen werden. Durch die Art der bisherigen Behandlung ist die deutsche Landwirtschaft mißtrauisch geworden, ja, man darf sagen, teilweise restlos enttäuscht. Fast alles, was in der Vergangenheit zur Aushöhlung der Paritätsforderungen — das kann hier deutlich .ausgesprochen werden — getan wurde — ich erinnere besonders an den völlig gescheiterten Kostensenkungsplan und an einige andere Dinge —, hat sich fast restlos als Schlag ins Wasser erwiesen. Der Kollege Bauknecht sagte vorhin, alle für die Landwirtschaft notwendigen Gesetze habe der Bundestag bisher immer mit großer Mehrheit beschlossen. Wenn dieses Paritätsgesetz notwendig wurde, so muß es doch daran gelegen haben, daß die Regierung nicht immer die notwendigen Folgerungen gezogen hat. Es bleibt nur zu hoffen, daß der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht mehr Phantomen ähnlich dem ,der Kostensenkung nachjagt und dadurch die Anwendung produktiver Maßnahmen um Monate, ja um Jahre verzögert. Er kann nun mit dem Rückhalt dieses Gesetzes die Durchführung seines durchaus zu bejahenden Strukturwandlungsprogramms in Angriff nehmen und auch die konjunkturellen Schwierigkeiten bereinigen, die nach 'diesem Gesetz bereinigt werden sollen.
— Kostensenkung kann angestrebt werden, aber ich glaube: nicht mit den Mitteln, die bisher versucht worden sind. Da müssen wir andere Wege gehen, vielleicht den, daß wir in erster Linie die Industrie, die uns heute mit den notwendigen Bedarfsartikeln beliefert, durch andere Vergünstigungen in die Lage versetzen, uns günstigere Preise einzuräumen, etwa durch Steuermaßnahmen; es gibt ja viele Dinge, die da in Frage kommen.
Herr Bundesminister, Ihnen ist die Not der deutschen Landwirtschaft bekannt. Es ist Ihnen bekannt, wie heute insbesondere die kleinen und mittelgroßen Betriebe sowie einzelne Betriebsgruppenwirtschaftlich zu kämpfen haben. Sie wissen, Herr Bundesminister, in welch verzweifelter
Stimmung, ja teilweise Verbitterung dieser noch lange nicht schlechteste Teil unseres deutschen Volkes täglich vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang schuftet und seine Pflicht erfüllt. Lassen Sie, Herr Bundesminister, diese Menschen nicht länger warten! Es ist draußen bekanntgeworden, daß Sie anfänglich sehr widerstrebend ,diesem Gesetz zugestimmt haben. Widerlegen Sie durch die Tat die weit verbreitete Meinung, daß Sie nur Ernährungsminister, nicht aber Landwirtschaftsminister seien!
— Herr Professor Baade, ein Teil, ein nicht unerheblicher Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist anderer Meinung.
Darauf, Herr Bundesminister, daß Sie nun sofort mit Schwung und Energie an die Verwirklichung dieses Gesetzes gehen und alle darin gebotenen Möglichkeiten ausnutzen, warten die deutsche Landwirtschaft und die landwirtschaftliche Bevölkerung, insbesondere in den Klein- und Kleinstbetrieben. Denken Sie daran — und das rufe ich der Bundesregierung zu —, daß eine soziale Marktwirtschaft nur dann sozial ist, wenn sie alle Glieder der Volkswirtschaft gleichberechtigt behandelt!
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein alter Grundsatz von mir, daß ich mir von niemandem etwas gefallen lasse.
Ich habe vor allen Dingen nicht die Absicht, mir ohne Widerspruch diese Anwürfe gefallen zu lassen, die der Herr Kollege Mauk in seiner kurzen Ansprache gemacht hat. Er hat erklärt, die Lage der Landwirtschaft scheine mir bekannt; sie sei so, daß sie direkte und sofortige Eingriffe notwendig mache. Die deutsche Landwirtschaft warte darauf, daß nunmehr endlich hinsichtlich der Unkostensenkungen oder sonstiger produktiver Maßnahmen die Durchführung erfolge, damit die Lage verbessert würde.
Er hat nichts davon erwähnt, daß man in diesem Jahre durch die Maßnahmen der Bundesregierung allein an Steuern und Zinsen der Landwirtschaft 225 Millionen DM erspart hat.
Ich hätte durch eine 10% ige Ermäßigung der Maschinenbezüge und der Handelsdüngerbezüge bestenfalls 200 Millionen DM einsparen können, wenn mein alter Plan zur Senkung der Produktionsmittelpreise in Erfüllung gegangen wäre. Dies ist mir leider nicht gelungen, wenigstens bisher nicht. Ich habe das dadurch auszugleichen versucht, daß ich im Kabinett und im Ringen mit dem Herrn Finanzminister diese Erleichterungen für die Landwirtschaft jährlich durchgesetzt habe.
Das wird draußen nicht zur Kenntnis genommen. Herr Mauk, der das alles weiß, legt das auch ohne weiteres so aus, als wenn nichts geschehen wäre. Ich finde es außerordentlich bedauerlich, daß eine derartige „Aufklärung" der deutschen Bauernschaft draußen vor sich geht. Von dem, was an produktiver Arbeit geleistet wird, wird nichts gesagt; dann hat man es mit den Vorwürfen etwas leichter!
Die jährlichen Zinsermäßigungen, deren Kosten der Herr Bundesfinanzminister auf sich genommen hat, haben dafür gesorgt, daß wir im Jahre 1954 einen Betrag von 426 Millionen DM an zinsverbilligten Mitteln bekommen haben. Wir haben ferner eine entsprechende Unterstützung bei der Sicherung der Erntehilfe gehabt. Außerdem haben wir im Jahre 1955 einen Kreditbetrag von über einer halben Milliarde DM zu vergeben, — alles für produktive Zwecke.
Außerdem hatten wir, was die Frage der Preisbildung angeht, im Jahre 1954 einen um 7 DM pro Zentner höheren Rindfleischpreis als im Vorjahr, und in diesem Jahre liegt er wiederum beachtlich über dem des vorigen Jahres.
— Ja, mein sehr verehrter Herr Kollege, wenn Sie diesen Zwischenruf machen, dann haben Sie vielleicht schon einmal etwas über den Schweinezyklus gehört. Wenn in der Landwirtschaft infolge der guten Preise der vorigen Jahre eine solche Massenerzeugung von Schweinen eingetreten ist, daß in diesem Jahre über drei Millionen Schweine mehr am Markt sind, dann ist es doch wohl schwer möglich, das mit den normalen Mitteln der Agrarpolitik in Ordnung zu halten.
Ich darf Ihnen aber sagen: Wenn Sie sich den Monatsdurchschnitt der Schweinepreise seit Dezember vorigen Jahres, in dem der Preisverfall in starkem Maße begann, vor Augen führen, dann sehen Sie an einem gleichmäßigen Herunter- und Heraufgehen die Wirkungen, die auf das Eingreifen der Bundesregierung zurückzuführen sind. Es sind noch niemals größere Massen an Schweinefleisch und lebenden Schweinen ins Ausland ausgeführt worden als in diesen Monaten.
Nennen Sie mir einen einzigen Sachverständigen, der hier etwas vorschlagen könnte, was ich unterlassen hätte. Sagen Sie mir einen!
Wir haben den Konsum, zum Teil auch durch Vereinbarungen mit dem Fleischerhandwerk, so gesteigert, daß in den ersten vier Monaten dieses Jahres über eine Million Schweine mehr geschlachtet wurden als im Jahre 1953. Wir haben im Mai 1955 1 250 000 Schweine geschlachtet, im Mai 1954 waren es 950 000. Wenn das nicht auf die teilweise preisstabilisierenden Maßnahmen, die wir über die Einfuhr- und Vorratsstelle durchgeführt haben, zurückzuführen wäre, dann möchte ich einmal wissen, wer denn anders in diesen Ablauf eingegriffen hat. Alle diese Maßnahmen werden verschwiegen. Vielleicht ist es auch darauf zurückzuführen, daß man es an äußerer Propaganda fehlen läßt. Aber diejenigen Blätter, die es bringen könnten, bringen es ja nicht.
Ich muß draußen in Versammlungen, in denen ich spreche, diese Dinge selber sagen, weil andere Leute sie nicht bekanntgeben.
Ich möchte aber noch auf einen Vorwurf eingehen, der ebenso unberechtigt ist wie die übrigen. Herr Mauk behauptet — und damit werden ja wohl auch die Bemerkungen in der vorletzten Nummer des „Agrarbriefs" im Zusammenhang stehen —, ich hätte in der Frage des Landwirtschaftsgesetzes keine klare Stellung eingenommen, vor allem keine positive Einstellung gezeigt.
Meine Damen und Herren, ich habe im Dezember 1953 hier die erste Rede über Parität gehalten und unter Ablehnung der Einkommensparität und der Indexparität gesagt: Die einzige Art von Parität, die wir schaffen können, ist die Deckung des Aufwands durch den Ertrag.
Das heißt also: die Aufwands-Ertrags-Parität, die wir heute hier im Gesetz haben. Ich habe weiterhin gesagt: Die Hauptsache in diesem Gesetz wird sein, daß wir nicht nur die Kostendeckung haben, sondern daß wir für den Betriebsleiter einen angemessenen Zuschlag, für die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals einen angemessenen Zuschlag haben und auch die Löhne für die fremden und familieneigenen Arbeitskräfte so gestalten können wie in den vergleichbaren Berufen der gewerblichen Wirtschaft.
Das ist eine Formulierung, die heute im Gesetz steht, und durch meine Bemühungen ist das auch der Hauptangelpunkt des Gesetzes geworden.
Leider kann man gegen derartige Unterstellungen nichts anderes tun, als hier den richtigen Sachverhalt darzulegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns jetzt am Ende der Beratungen mit dem Ergebnis der Debatte und der Ausschußarbeit befassen, dann genügt es nicht, daß wir dazu die Drucksache 1538 in die Hand nehmen. Das genügt schon deshalb nicht, weil ja alle Eingeweihten wissen, daß der fromme, leider etwas verspätete Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird, der in der Korrespondenz einer der großen Parteien dieses Hauses auf der Seite der Koalition ausgesprochen worden ist: man solle doch nun die mehr oder weniger unfruchtbare Paritätsdiskussion 'abgeschlossen sein lassen. Wir wissen j a alle, daß sie damit keineswegs abgeschlossen sein wird, denn was sollten nur die Leute von der Opposition — nicht der Opposition in diesem Hause, die betätigt sich nicht so unvernünftig, sondern der Opposition z. B. im Bauernverband und der Opposition in der Koalition, von der wir eben eine kleine, auch für mich sehr bedauerliche Kostprobe bekommen haben — machen, wenn sie diese „unfruchtbaren Diskussionen" sein lassen würden!
Es ist ja gar nicht so, daß die Landwirtschaft, von Feinden umringt, immer durch einige brave Winkelriede hier mit dem letzten Mute der Verzweiflung verteidigt werden müßte. Ich finde in diesem Falle, Herr Kollege Bauknecht, nehmen Sie mir das bitte nicht übel, auch lange Passagen Ihrer heutigen Darlegungen einfach fehl am Platze. Es ist gar nicht so, daß die Landwirtschaft nur auf Unverständnis stieße. Wenn es heute in weiten Kreisen Deutschlands nicht .die Aufgeschlossenheit für landwirtschaftliche Probleme gibt, die wir alle, die wir uns mit den Fragen der Landwirtschaft beschäftigen, ob wegen spezieller landwirtschaftlicher Interessen oder wegen der Erkenntnis, daß eine gesunde Volkswirtschaft ohne eine gesunde Landwirtschaft eigentlich nicht denkbar ist, wünschen, dann nicht zuletzt wegen dieser furchtbaren und immer mit besonderer Lautstärke vorgetragenen Lamentationen, dieser Verallgemeinerungen, die zum Schluß wirklich jede Glaubwürdigkeit längst eingebüßt haben.
Ich sage, wir kommen nicht damit aus, daß wir uns heute mit der Drucksache 1538 befassen; wir müssen ein bißchen zurückgehen. Schließlich ist ja das, was uns heute hier vorliegt, eben nicht das eigentliche Ergebnis der Anstrengungen und der Beratungen in ,diesem Hause, sondern es ist eigentlich, muß ich sagen, nur so der Rest des Ergebnisses.
Es hat hier einmal einen Unterausschuß gegeben. Über den ist heute dankenswerterweise berichtet worden, und Sie alle haben gehört, daß in diesem Unterausschuß keineswegs nur so obenhin gearbeitet worden ist. Es war ein Ausschuß, der meinem Gefühl nach allen, die darin mitgearbeitet haben, eine Bereicherung ihrer Erkenntnisse gebracht hat. Am Ende seiner Beratungen hat ja einmal in formulierten Sätzen, ,d. h. in Form eines Gesetzentwurfs das gestanden, was wir uns damals in diesem Ausschuß gemeinsam, einstimmig als das Ergebnis des Studiums des Problems durchzusetzen vorgenommen haben. Ich weiß nicht, ob viele von Ihnen Gelegenheit hatten, diese abschließende Stellungnahme des Unterausschusses „Paritätsgesetz" zu lesen. Sie ist mindestens den Mitgliedern der mitberatenden Ausschüsse zugegangen, und das ist ein sehr großer Teil der Mitglieder dieses Hauses. Aber das eine lassen Sie mich sagen: daß in dieser Fassung des Unterausschusses wesentlich mehr gestanden hat als in den beiden Gesetzentwürfen, von denen wir einmal ausgingen, und auch mehr als in dem, was nun nach Stellungnahme der Regierung davon übriggeblieben ist. Es ist ein weiter Weg gewesen von den beiden Gesetzentwürfen, die von der CDU/CSU, DP und von ,der FDP eingebracht worden sind, bis zu der Unterausschußdrucksache Nr. 19, die wir dann gemeinsam verabschiedet haben. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen: wenn in dem Unterausschußbericht und in seiner Fassung eines Landwirtschaftsgesetzes kaum noch — wenn überhaupt — etwas von den Formulierungen und von den Gedanken wiederzufinden war, die am Anfang der Diskussion gestanden haben, so empfinde ich darüber eben nur 'die eine Genugtuung, daß es mir gut zu sein scheint, wenn man am Ende einer langen Beratung schlauer geworden ist. Es gilt ja nach einem alten schönen Sprichwort für die Haltung der Weisen: vom Irrtum zur Wahrheit zu reisen; nicht das sind die Weisen, die im Irrtum beharren.
Es läßt sich gar nicht bestreiten, daß man unter der Überschrift „Parität" nicht nur auf den Versammlungen — da nimmt man so etwas überhaupt nicht so tragisch; ich 'bedauere, daß man das
Publikum, das man dort findet, manchmal so einschätzt, daß man glaubt, man könne ihm auch mit sehr verallgemeinernden und vergröbernden Formulierungen die richtige Stimmung und die richtige Überzeugung davon beibringen, daß der, der da so kräftig kämpft, 'der richtige Mann ist —, sondern auch an anderer Stelle, wo es ein bißchen gründlicher und solider zugehen sollte, Sachen an den Mann zu bringen versucht hat, die nun wirklich schon hanebüchen waren. Es war natürlich die Aufgabe der sachlichen Arbeit im Ausschuß, das einmal zu klären. Dabei sollten die mithelfenden, mitberatenden Wissenschaftler gar nicht vergessen werden. Es sollte niemand kommen und sagen: das war die Theorie, die hat das so und so gesehen; wir haben zur Theorie auch genügend Praxis gehabt, und der Praktiker, der nicht in der Lage ist, eine Sache mal grundsätzlich ,durchzudenken, der arbeitet auch mit dem Kopf an der falschen Stelle; dabei kommt nicht viel heraus. — Das galt es also zu klären und dem nutzbar zu machen, was unser gemeinsames Anliegen war, nämlich der Landwirtschaft wirksam zu helfen aus der gemeinsamen Überzeugung, daß das bisher — dafür tragen meine Freunde und ich nicht in erster Linie die Verantwortung — nicht in ausreichendem Maße geschehen ist.
Ich sage — ich stelle das hier nicht mit irgendeinem Triumph irgend jemandem gegenüber fest, da wir uns dann nachher sehr bald dahin verständigt haben; das können Sie alles nachlesen, die Drucksachen darüber liegen ja vor —, daß man den Ausdruck „Parität" aufgeben muß, weil er sich eben nicht eignet. Es heißt in dieser Arbeitsunterlage, der Begriff eigne sich für diese wirtschaftspolitischen Überlegungen nicht, seine Anwendung führe hier zwangsläufig zu absoluten Mißverständnissen; dieser Begriff könne nur in einem übertragenen, etwa soziologischen Sinne gebraucht werden. Für die praktische Arbeit jedenfalls haben wir ihn dann eliminieren müssen, und es ist kein Beweis dafür, 'daß es keine gute Arbeit war, wenn dieses Wort nun nicht mehr in dem Text vorkommt.
Von Formulierung zu Formulierung hat die Erkenntnis zugenommen, daß man, wenn man der Landwirtschaft wirksam helfen will, eben etwas anderes suchen muß als möglichst zündende Parolen. Wer es nun ganz genau wissen will, dem möchte ich empfehlen, sich nun wirklich einmal die Drucksachen des Unterausschusses durchzusehen. Es ist sehr interessant, wie dort von Woche zu Woche, von einem Formulierungsvorschlag zum andern Formulierungsvorschlag Erkenntnisse gereift sind, von 'denen ich nur wünschte, daß sie sich in dem Gesetz, 'das heute zur dritten Lesung ansteht, in vollem Umfang durchgesetzt hätten respektive in diesem Gesetz erhalten geblieben wären. Lassen Sie mich einiges davon hier anführen.
Herr Bauknecht hat heute gesagt, es gebe Stimmen, daß wir jetzt hier ein Gesetz machen, das nur für einen Teil der Landwirtschaft in Betracht käme, nämlich nur für die größeren Betriebe, und 'daß es furchtbar 'wäre, wenn wir ein solches Gesetz machten, weil dann soundso viele andere auf der Strecke 'blieben. Nun, Herr Kollege Bauknecht, ich erinnere mich mit großem Vergnügen daran — mit Vergnügen, weil es zum Schluß erfolgreich war —, wie schwierig es war, ein Gesetz zu schaffen, das die ganze Landwirtschaft ansprach. Auch Ihnen wird vielleicht noch in Erinnerung sein, wie lange wir um die berühmte 5-Hektar-Grenze gekämpft haben
und wie lange es gedauert hat, bis in dem 'Gesetz nicht mehr stand, es solle nur für die sogenannten funktionsfähigen Betriebe gelten.
Ich habe es für keine gute Sache, sondern im Gegenteil für die Enthüllung einer mir recht unsympathischen Einstellung gehalten, 'als ich auch in der Stellungnahme des Berufsverbandes als Kritik an 'der Arbeit des Unterausschusses lesen mußte, man solle wirklich erst einmal .ein Gesetz schaffen, das für die Betriebe zugeschnitten ist, deren Grundlagen in Ordnung sind, und für die anderen Betriebe solle man dann später — vielleicht beim nächsten Wahlkampf — etwas zu tun versuchen.
Und das, obwohl sich bei der sachlichen Auseinandersetzung in dieser Frage herausgestellt hat, daß von einem Gesetz, wie es in den beiden Entwürfen der Koalitionsparteien vorgeschlagen war, leider nur ein Drittel .der landwirtschaftlichen Betriebe angesprochen worden wäre und zwei Drittel auf der Strecke geblieben wären.
Ich sage das, wie gesagt, ohne irgendeinen Triumph und ohne irgend jemanden hier angreifen zu wollen. Ich sage das nur aus Freude darüber, daß es gelungen ist, diese Frage doch immerhin anders zu regeln. Es ist ein leiser Trost, daß in der sehr eingeengten und sehr verwässerten Fassung, die wir jetzt hier vor uns liegen haben, wenigstens das noch erhalten geblieben ist.
Was den Katalog angeht, in dem die Maßnahmen aufgezählt werden, mit denen, wie wir uns vorstellen, der Landwirtschaft geholfen werden sollte, so möchte ich im übrigen auch auf das Wort Sozialpolitik hinweisen, das darinsteht. Das ist mit der Zustimmung aller, die in dem Unterausschuß mitgearbeitet haben, dort hineingekommen. Es ist hineingekommen aus der Überzeugung, daß man auch die Sozialpolitik als Mittel für die Lösung agrarischer Probleme braucht. Es macht vielleicht einen feinen Eindruck, wenn man sagt: wir wollen uns hier nichts schenken lassen, wir wollen alles verdienen, was wir kriegen; setzt nur die Preise so fest, wie wir sie brauchen, damit wir unsere sozialen Aufgaben, unsere betrieblichen Aufgaben erfüllen können. Hier ist heute doch gesagt worden, erst an allerletzter Stelle solle die Preispolitik 'angewendet werden. Diese Einsicht kommt einfach aus 'der mindestens inzwischen gewonnenen Erkenntnis, daß mit Preisen in der Landwirtschaft nun wirklich nicht mehr allzuviel zu machen ist. Es gibt keinen denkbaren Milchpreis, der den Leuten in der Eifel eine rentable Milchviehhaltung sichert, weil es nämlich für 'diese Milch in unserer sozialen Situation dann keine Käufer mehr gäbe.
Wenn das sehr vornehm klingt, dann ist es zugleich auch 'einfach gegenüber dem 'Finanzminister und seinen bekannten Widerständen, einfach gegenüber den bekannten Widerständen gegen eine ver-
nünftige Berücksichtigung der Landwirtschaft in der Finanzpolitik der Regierung; aber in der Praxis kommt dabei natürlich nichts heraus.
Wir haben — darin waren wir uns alle einig — in dem Gesetz den ernsthaften Versuch gemacht, die Regierung wirklich zu verpflichten, ganz bestimmte Dinge zu tun, und das nicht erst auf Drängen des Bundestages, weil dieses Drängen sehr oft zu spät kommt und zu spät kommen muß. Wir hatten dabei nicht die Absicht, die man uns allen gemeinsam nachher so mit verfassungsjuristischen Feinheiten unterstellen wollte, nämlich die Legislative in 'die Exekutive eingreifen zu lassen. Wir wollten nur gern einmal die Exekutive auf ganz bestimmte Dinge gesetzlich festlegen, weil es eben sonst immer zu spät kommt. Vielleicht haben wir noch Gelegenheit, wenn wir den § 6 hier noch einmal kurz Revue passieren lassen, diese Frage in einem etwas anderen Licht zu betrachten.
Ich will auch gern sagen, daß wir zum Schluß erfolgreich darin waren, die Auffassung durchzusetzen, daß man nur dann glaubwürdige Aussagen für die Landwirtschaft machen kann, wenn man die Lage der Landwirtschaft in ihrer Vielfalt, in ihrer Differenzierung darstellt. Ich bin sehr froh, daß auch das wenigstens in dem hier vorliegenden Entwurf erhalten geblieben ist. Nichts hat der Landwirtschaft und ihrer öffentlichen Glaubwürdigkeit, ihrem Kredit in der Öffentlichkeit so geschadet wie diese törichte Verallgemeinerung. Ich finde, es ist geradezu eine witzige Unterstreichung dieser Tatsache, daß man neulich in einer Korrespondenz aus einer landwirtschaftlichen Versammlung, die sehr ernst genommen werden wollte, hintereinander zwei Redner zitiert fand,
von denen der eine darlegte, wie breit im Lande Bayern die Kosten der Milcherzeugung auseinanderliegen, und der nächste sagte: Wir müssen jetzt ja aufpassen, daß man die Landwirtschaft nicht aufgliedert, wir müssen dafür sorgen, daß die Landwirtschaft als ein Ganzes gesehen wird, daß man als einem Ganzen der Landwirtschaft hilft. Ich habe schon bei der ersten Lesung gesagt, daß ein solches globales Verfahren mindestens nützlich für diejenigen ist, denen es ohnehin schon gut oder mindestens erträglich geht; es kann niemals einer zuviel für seine Milch kriegen. Ob aber bei einem solchen Verfahren auch wirksame Hilfe an die kommt, denen es wirklich schlecht geht, ist eine ganz andere Frage.
Noch einmal: daß hier die Verpflichtung festgelegt ist, in jedem Jahr eine solche Erhebung über die Lage der Landwirtschaft anzustellen, mag für den einen oder anderen ein bißchen peinlich sein, der für seinen eigenen Fall fürchtet, daß dabei herauskommt, daß er eigentlich gar keinen Grund hat, von einer Krise oder von einer Notlage zu sprechen. Diese Bereiche in unserer Landwirtschaft gibt es ja glücklicherweise auch. Aber für die anderen, für die große Zahl derjenigen, bei denen das eben nicht der Fall ist, wo wirklich schnellstens eingegriffen werden muß, und zwar mit wirksamen, gezielten Maßnahmen eingegriffen werden muß, sehen auch wir darin den ersten Anfang zu einer besseren Entwicklung.
Nun gut, ich will es kurz machen, obwohl es sehr verlockend wäre, viel und ausführlich über das zu reden, was sich in diesem Unterausschuß an Einsichten durchgesetzt hat, und außerdem, weil es angenehm wäre, darüber zu reden, da es im ganzen eine sehr angenehme Arbeit war. Ich möchte nur noch an die Pressekonferenz erinnern, die wir gemeinsam, meine Herren Kollegen von der rechten Seite des Hauses, am Ende der Beratungen des Unterausschusses abgehalten haben. Da war unsere positive Mitarbeit so offensichtlich geworden, daß man mindestens für eine Zeitlang nicht mit der Behauptung operieren konnte, sogar in diesem Hause sitze der böse Feind der Landwirtschaft, er sitze bei den Sozialdemokraten. Gerade durch die Unterausschußarbeit ist das wohl jetzt für eine Weile mindestens unmöglich gemacht worden.
Ich erinnere mich auch an die Frage eines der Korrespondenten an die Abgeordneten, die wir da in einer Reihe aufmarschiert waren, um Rede und Antwort zu stehen: Werden denn nun Ihre Fraktionen auch mitgehen? Ich habe gerne das freudige und zuversichtliche Ja meiner Kollegen von rechts gehört. Als Illustration dafür, wie dann unsere Öffentlichkeit unterrichtet wird und wie in der Agrarpolitik alles denen zum Besten dienen soll, für die die ganze Agrarpolitik nur Agitation ist, lassen Sie mich an eine Stelle in einer der Korrespondenzen erinnern, die, ich weiß nicht, soll ich sagen: der Landwirtschaft dienen oder die an der Landwirtschaft verdienen
und die unter der Überschrift „unabhängig — überparteilich" herauskommen. Diese Überparteilichkeit unterstreicht z. B. eine der letzten Nummern dadurch, daß sie ohne Quellenangabe einfach die ganze Stellungnahme einer Regierungspartei zu diesem Gesetz abdruckt. In dieser Korrespondenz stand dann drin: „Der Abgeordnete Kriedemann hat, wie man hört, große Schwierigkeiten in seiner Fraktion wegen seiner positiven Einstellung zum Bericht des Unterausschusses."
Mich haben die damals gar nicht gefragt, ob denn meine Fraktion mitgehen würde; die haben nur die anderen gefragt, und die haben ja gesagt. Als das dicke Ende nachkam, da erfand einer plötzlich irgendwelche Schwierigkeiten in der SPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren, es hat sich dann, als der Unterausschuß fertig war, wieder gezeigt, wie unendlich schädlich es für die deutsche Landwirtschaft und für ihre lebenswichtigen Angelegenheiten ist, daß sie aus alter Tradition auch heute noch im wesentlichen eben im Bereich der Propaganda, und zwar der sehr einseitigen Parteipropaganda betrieben wird, und wie schädlich es ist, daß die Landwirtschaft — lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit aussprechen — eigentlich keine wirklich unabhängige Berufsvertretung hat, sondern daß diese Berufsvertretung mehr oder weniger eine parteipolitische Abteilung einer und manchmal der zweiten oder manchmal einer dritten Partei ist und daß diejenigen, die eigentlich als unabhängige Sprecher der Landwirtschaft auftreten sollten, doch dann wieder plötzlich mal gewisse parteipolitische Rücksichten nehmen müssen, die mit den Anliegen der Landwirtschaft eigentlich nichts zu tun haben. Wir haben zusammen mit einer Anzahl der Präsidenten dieser Berufsvertretungen beraten. In diesem Stadium der Unterausschußberatung waren wir uns, wie gesagt, einig.
Dann wurde die Regierung gefragt, was sie denn
von der Sache halte. Um es deutlich zu sagen: in
allen entscheidenden Fragen ist die Antwort der
Regierung auf das Anliegen der Landwirtschaft, um das es in Wirklichkeit ging, ein glattes deutliches Nein gewesen.
Schließlich wollten wir doch — das war auch unsere Auffassung und die Auffassung derjenigen, die nicht an einen Automatismus der Paritätspreise oder an einen Automatismus der Indexberechnung glaubten — die Regierung schon auf eine bestimmte Agrarpolitik festlegen, die keine Geschenke verteilen sollte, die nicht etwa, wie es dann hieß, dem Fußkranken das gibt, was er mit eigener Arbeit nicht verdienen kann oder nicht verdienen will; wir wollten sie auf eine Agrarpolitik und auf eine Gesamtpolitik festlegen, die auf die Lage der Landwirtschaft und auf die Notwendigkeit Rücksicht nimmt, die insbesondere mein Freund und Kollege Professor Baade vorhin noch einmal dargetan hat. Wir wollten das tun aus der Erfahrung heraus, daß eine nachträgliche Korrektur nicht möglich ist. Ist der Haushaltsplan aufgestellt, nicht nur der Einzelplan 10 für die Landwirtschaft, sondern der Haushaltsplan für die Bundesrepublik, und ist dabei nicht ausreichend an die Landwirtschaft gedacht, dann ist kein Parlament und am allerwenigsten irgendein Ausschuß in der Lage, nachher die großen Umrangierungen vorzunehmen, die notwendig sind, um in der Landwirtschaft das nachzuholen, was eine verfehlte Agrarpolitik durch viele, viele Jahre — ich habe neulich schon gesagt: nicht erst in den letzten fünf Jahren ist das alles passiert — eben versäumt hat. Daher wollten wir die Regierung wirklich festlegen und haben dann die Antwort von der Regierung bekommen, daß sie das nicht will. Da heißt es dann in der Stellungnahme der Bundesregierung, die ich wohl verlesen darf:
Der Gesetzentwurf des Unterausschusses „Parität" enthält keine allgemeinverbindlichen Rechtssätze im materiellen Sinne, sondern wendet sich an die Bundesregierung und verlangt von ihr oder einzelnen Ministern ein Tätigwerden im näher angeführten Sinne. Würde die Bundesregierung an diesen Gesetzesbefehl gebunden sein, wäre dem Herrn Bundeskanzler die Entscheidungsfreiheit über die Richtlinien seiner Politik auf dem durch das Gesetz umschriebenen Gebiet genommen, und die Bundesregierung wäre in ihrer eigenverantwortlich zu entwickelnden Tätigkeit erheblich eingeschränkt.
Wir haben in der Stellungsnahme zu dieser Stellungnahme der Bundesregierung gesagt, daß wir nicht bereit sind, uns damit abzurinden. Erstens einmal erscheint es uns sowieso sehr merkwurdig, daß man sich seitens der Regierung gegen eine Festlegung wehrt, wenn man soundso oft in Rhöndorf und auf andern Dörfern
erklärt, daß man mit dieser Zielsetzung durchaus einverstanden sei.
Eine Festlegung und einen schriftlichen Akkord über das, was gemacht werden soll, kann man doch eigentlich nur als zu eng empfinden, wenn man in Wirklichkeit etwas anderes will. Es hieß damals noch, daß zum Aufbau einer leistungsfähigen Landwirtschaft die Regierung gehalten sein solle, dies
und jenes zu tun. Die Regierung hat das nachher( erst in die zumindest für sie elegante Form umgewandelt, die Landwirtschaft sei in den Stand zu setzen, nun den Anschluß zu finden. Daß hiermit die Verantwortung von der einen auf die andere Seite geschoben wird, das glaube ich, läßt sich gar nicht bestreiten. Man hat natürlich nicht gesagt — das würde auch schlecht zu den diversen Versprechungen passen —: die Regierung will das nicht. Man hat gesagt: die Regierung kann leider nicht; Verfassung — Verfassung! Ich habe so den Eindruck, daß die Landwirtschaft im Grundgesetz überhaupt immer ein bißchen am kürzeren Arm des Hebels sitzt.
Hier geht es nun wieder nicht!
Erinnern Sie sich noch daran, als wir auch gemeinsam den Versuch gemacht haben, der Landwirtschaft, in diesem Falle dem Gartenbau, die Regelung für sie lebenswichtiger Fragen als eine Selbstverwaltungsaufgabe zu übertragen, so wie das z. B. in Holland seit Jahrzehnten ausgezeichnet und zu einem großen Teil zu Lasten unserer Erzeuger funktioniert, da hat man uns auch gesagt, daß das leider nach dem deutschen Grundgesetz nicht möglich ist. Hoffentlich reicht das Grundgesetz wenigstens aus, wenn es sich um Landbeschlagnahmungen für Flugplätze und ähnliche Dinge handelt.
Ich bedaure außerordentlich, daß wir uns aber hier nicht nur mit dem Widerstand der Bundesregierung auseinanderzusetzen hatten, sondern daß sich in dem Willen zur Beschränkung dessen, was mit diesem Gesetz erreicht werden sollte — nicht nur nach den Vorstellungen des Unterausschusses, noch viel mehr nach den Vorstellungen derjenigen, die einmal das Wort „Parität" in die Debatte geworfen haben und die einmal versucht haben, in den Gesetzentwürfen deutlich zu machen, was sie meinten und wohin sie wollten —, eben die Regierung wieder mit der Berufsvertretung begegnete. Wenn jetzt das Wort „Sozialpolitik" gestrichen worden ist, dann ist das eigentlich der Punkt, in dem die Regierung bei ihrer Stellungnahme den Wünschen — oder soll man sagen: den Forderungen? — des Berufsverbandes entsprochen hat. Man hat gesagt: Wir wollen das nicht. Das Gesetz wird dadurch unklar. Aber was die Regierung angeht — das ist jedenfalls meine und meiner Freunde Überzeugung, und die Überzeugung haben wir nicht nur hier gewonnen, sondern dafür haben wir auch viele Beispiele in anderen Bereichen der Politik gehabt —, so paßt es ihr einfach nicht, auf etwas verpflichtet zu werden.
Nun will ich gern zugeben, daß es sich mit Versprechungen, die man nachher nicht einklagen kann, leichter lebt.
Aber wir haben eben die Sorge, daß wir nur dann zu einer in sich geschlossenen Politik kommen werden, wenn solche Verpflichtungen nicht nur theoretisch anerkannt, sondern auch praktisch durchgeführt werden.
Ich will auf eine Sache hinweisen, die vielleicht in Deutschland viel zuwenig beachtet worden ist und die in etwa erklärt, warum die Bundesregierung es nicht für möglich hielt, dieses Gesetz, so
wie es der Unterausschuß vorgelegt hatte, hier über die Bühne gehen zu lassen. Braucht man nicht auch heute noch, um bestimmte Wunder zu erreichen, so eine Art von Lückenbüßer? überlegen wir uns doch einmal einen Augenblick, wie es mit dem deutschen Wunder gegangen wäre, wenn man sich nach dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz um alle Berufe und alle Wirtschaftszweige gleichmäßig gekümmert hätte. Es ist oft davon die Rede gewesen, daß man in früheren Jahren die Landwirtschaft durch politisch gebundene Preise daran gehindert hat, sich ebenso zu finanzieren, wie das andere Wirtschaftsgruppen tun konnten. Man sollte heute auf die politischen Preise nicht mehr allzusehr hinweisen; denn wenn wir heute die politischen Preise nicht hätten, dann würde es noch schwieriger sein. Oder glaubt einer von Ihnen, daß wir ohne den politischen Getreidepreis einen höheren Getreidepreis hätten, oder daß wir ohne den politischen Preis für Zuckerrüben bei der Lage in der Welt und bei unseren handelspolitischen Ambitionen einen höheren Preis für Zuckerrüben hätten, wenn es eben nicht ein politischer Preis wäre? Auf die damalige Zeit bezogen, soll man das ruhig einmal sagen. Zweifellos war es für die Verbraucher angenehm, daß sie nicht zu all den anderen Sorgen auch noch heftige Lohnkämpfe zum Ausgleich der höheren Agrarpreise führen mußten, wenn sich damals die Agrarpreise an den Weltmarkt hätten angleichen können. Aber wenn das geschehen wäre — und ein großer Teil der Verbraucher wäre sicherlich auch damit Form von Lohnauseinandersetzungen fertiggeworden —, dann hätten sich daraus für die übrige Wirtschaft schon sehr erhebliche Konsequenzen ergeben, und es ist die Frage, ob all die Häuser so schnell in den Himmel gewachsen wären und das deutsche Wunder sich in diesem Umfang mit der sehr zu. beklagenden Einseitigkeit dann so darstellen würde. Die Landwirtschaft hat hier wie im „Dritten Reich" einen ganz großen Brocken von diesen Kosten zahlen müssen. Ich fürchte, manche Leute wissen, daß es für die Wunderkinder sehr unbequem sein würde, wenn man nun das zugunsten der Landwirtschaft täte — zum Ausgleich ihrer Handicaps, um den Nachholbedarf zu befriedigen usw. —, was man, wie gesagt, für andere getan hat oder andere haben tun können. Wenn der Berufsverband sich hier mit der Regierung im Kampf gegen das, was der Unterausschuß gefunden hat, trifft, dann sicherlich aus anderen Motiven, aus Motiven, die mir allerdings auch äußerst bedenklich erscheinen. Ich glaube, sie liegen im wesentlichen im Wettlauf oder im Versuch eines Wettlaufs mit der Opposition, und ich habe es sehr bedauert, daß dieser Eindruck mir heute hier von dieser Stelle aus noch einmal bestärkt worden ist.
Ich habe in meiner Ausführung zur ersten Lesung schon etwas zu dieser Opposition gesagt, und als ich gestern die ganze Debatte noch einmal durchlas, die wir damals hier am Anfang der Behandlungen dieser Entwürfe geführt haben, habe ich mir gesagt, daß ich von dem, was ich damals bezüglich dieser Opposition ausgesprochen habe, kein Wort zurückzunehmen habe.
Man redet jetzt wieder von der Radikalisierung auf dem Lande, man droht, und ich sehe mit ernster Besorgnis so viele, die bereit sind, sich mit diesen Drohungen anders auseinanderzusetzen als durch ein kräftiges Zurückschlagen. Ich möchte aus der Erfahrung, die wir alle gemeinsam gemacht haben, sagen, daß kein ordentlicher Mann den Wettlauf mit dieser Sorte von Opposition gewinnen kann.
Da kann man nur verlieren, und ich fürchte sehr, daß wir das im Bereich der landwirtschaftlichen Berufsvertretung nächstens nur noch einmal bestätigt bekommen. Schuld daran tragen dann allerdings nur die, die sich nicht vom ersten Augenblick an mit dem nötigen Nachdruck gewehrt haben. Wir in der Landwirtschaft wissen ja, wie man mit störrischen Tieren am wirksamsten und auch am richtigsten umgeht.
Ich will noch einmal, damit gar kein Zweifel daran entsteht, sagen: Staatspolitisch habe ich vor dieser Radikalisierung und vor dieser Opposition — und schon gar nicht vor denen, die sich als ihre Führer anbieten — auch nicht so viel Angst, — nicht Respekt, aber auch nicht so viel Angst. Die Leute, die mal auf der großen Woge des Nationalsozialismus so hochgeschwemmt worden sind und die heute noch wie leichte Dreckspritzer an den Wänden kleben,
sind zwar aus dem „Dritten Reich", aber sie vergessen, daß die Zeiten sich inzwischen geändert haben.
Das, was einmal mit den aufgehetzten Bauern in Schleswig-Holstein anfing, mit der schwarzen Fahne, mit den brennenden Finanzämtern, hat zum Schluß mit den brennenden Bauernhöfen in Deutschland geendet,
und wenn die Führer — die Führer kommen meistens wieder nach Hause —
auch übriggeblieben sind, dann sind nicht alle die Jungens wieder nach Hause gekommen, die sie mit ihren verruchten und gewissenlosen Sprüchen aufgehetzt und dorthin gebracht haben, wo sie heute begraben liegen.
Ich sage es ganz offen: für den Staat, für die Demokratie sehe ich da gar keine Gefahr. Aber es wäre das Allerschlimmste, was der Landwirtschaft in Deutschland passieren könnte, wenn sie infolge dieser Machenschaften sozusagen als die Keimzelle oder als der letzte Rest des Nationalsozialismus, der Gewaltherrschaft und des Terrors, der Radikalität usw. in Erscheinung treten würde.
Mein Appell geht an Sie alle — meine Herren, an Ihre Seite muß ich diesen Appell richten —: Räumen Sie damit auf, und, Herr Mauk, widerstehen Sie dem ersten Versuch, man könne vielleicht doch noch diesem Übel die Spitze abbiegen, wenn man sich selber sozusagen an die Spitze stellt. Was da hilft, das brauche ich hier nicht auszusprechen. Das wissen wir alle ganz egal. Wir wollen die Landwirtschaft damit nicht beflecken lassen. Wir wollen sie nicht in diesen Verdacht kommen lassen, und die Landwirtschaft braucht am allerwenigsten Führer, die hier so mal auf die Pauke hauen. Die braucht Leute mit Verstand und mit nüchternem Verstand und Leute mit
Mut, Mut in erster Linie auch vor dem eigenen Finanzminister
und vor den Kräften, die gerne mit. den Stimmen der Bauern die politischen Machtpositionen erklimmen, aber sich dann nachher nicht entsprechend revanchieren wollen. Mit „revanchieren" meine ich nicht so kleine Geschenke wie mal 2 Pfennig mehr für die Milch oder so, sondern da meine ich jene wirkungsvollen Maßnahmen, die außerordentlich viel mehr kosten, auf die aber nicht verzichtet werden kann.
Nun zurück zu dem Entwurf! Man hat damals zu dem Unterausschußentwurf gesagt, der Katalog könne nicht aufgenommen werden. Die Bundesregierung hat gesagt: das Gesetz kann nicht so gemacht werden; das verstößt gegen das Grundgesetz. — Wie wenig es im Ernst gegen das Grundgesetz verstößt oder wie wenig man diesen Einwand auch von Ihrer Seite ernst nimmt, wird einfach dadurch bewiesen, daß der Katalog nun doch drin ist, allerdings unter Verzicht gerade auf die Dinge, die wir für so wesentlich halten, nicht weil wir sie erfunden haben oder weil wir darin verliebt sind oder weil wir dahinter eine heimliche Absicht sehen, sondern weil wir sie für unverzichtbar halten, wenn man überhaupt schon die Mittel aufzählt, die zur Hilfe der Landwirtschaft eingesetzt werden müssen.
Da vermissen wir gerade, daß das Problem der Strukturfragen angesprochen wird. Wir möchten nicht erleben, daß wir jetzt ein halbes Landwirtschaftsgesetz machen. Im nächsten Jahr wird dann ein Bericht erstattet, und dann stellt sich vielleicht heraus: das ist also so leidlich, und dann kommen wir mit einem neuen Gesetz, dann kommen wir erst mit denen, denen es nun wirklich schlecht geht, und dann kommen wir erst mit der größeren Zahl der kleinen und kleinsten strukturkranken und sonstwie besonders belasteten Betriebe an. Wir hätten es viel lieber gesehen, wenn der § 1 in der Unterausschußfassung heute zur Abstimmung stünde und so angenommen würde.
Wir vermissen vor allem auch die echte Verpflichtung der Regierung. Gestern oder heute wird in einer Korrespondenz, die es sicher sehr gut meint, an uns alle der Appell gerichtet: Jetzt aber zusammenhalten, an einen Strang ziehen! Dazu muß ich halt sagen: wir haben es versucht und haben Sie sogar unter Ausräumung gewisser formaler Möglichkeiten zu einem Einwand gebeten, dem § 1 in der Fassung des Unterausschusses zuzustimmen. Es hat dafür aber eben keine Mehrheit gegeben! Der Appell muß sich also woanders hin richten als an meine politischen Freunde.
Abschließend muß festgestellt werden, so bitter das sein mag und so sehr ich es auch bedauere, weil ich mich zusammen mit meinen Freunden redlich und aufgeschlossen und überzeugt um diese andere Fassung bemüht habe, daß mit dem, was jetzt vor uns liegt—das bestreitet ja auch niemand, wenn es auch jeder in irgendwelche anderen, vornehmen und freundlichen Formeln einkleidet —, nicht das erreicht wurde, was man wollte und was in diesem Hause hätte erreicht werden können. Nichts steht in diesem Gesetz, was die Regierung zu Taten verpflichtet. Sie hat selber schon gesagt, daß sie sich dazu auch gar nicht verpflichten lassen kann oder nicht verpflichten lassen will; ich stelle es höflich anheim in dieser vorgerückten Stunde. Nichts wird mit diesem Gesetz möglich, was nicht auch ohne dieses Gesetz möglich gewesen wäre. Wir halten genau da, wo wir vorher gehalten haben: bei der Hoffnung, daß endlich einmal die Versprechungen eingelöst werden mögen, die wir soundso oft gehört haben.
Das bezieht sich auch auf die Frage nach den Mitteln. Als wir den jetzigen § 6 in den Entwurf des Unterausschusses hineinbrachten, haben wir uns ja etwas ganz anderes vorgestellt. Als wir die Regierung verpflichten wollten, laufend etwas zu tun, aufzupassen, daß nicht irgendwo ein Kind in den Brunnen fällt, wollten wir ihr auch die Ausrede nehmen: Wir hätten jetzt bei diesen Eierpreisen oder bei jener Geschichte etwas tun müssen, aber wir hatten kein Geld! Wir haben uns vorgestellt, daß die Regierung mit diesem Gesetz gehalten sein sollte, selber den Betrag vorzuschlagen, den sie sozusagen als Manövriermasse für Eingriffe in den täglichen Ablauf einzusetzen vielleicht in die Lage kommen würde. Was jetzt hier drinsteht, ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist eine alte Geschichte. Es geht auch gar nicht anders, als daß die Regierung, wenn sie etwas tun will, die Mittel dazu im Haushaltsplan vorsehen muß. Das geschieht auf allen Gebieten, nicht nur auf dem der Landwirtschaft, und etwas Neues ist das nicht.
Ich unterstreiche das deshalb, weil vorhin der Eindruck erweckt wurde oder vielleicht erweckt werden sollte, als wäre das Anliegen, die Finanzpolitik hier hineinzunehmen, weit überholt, weil man ja gerade diesem Begriff sogar einen eigenen ganzen Paragraphen gewidmet habe. Das ist doch nur eine Formel, wie sie aus dem Haushaltsrecht selbstverständlich ist. Mit dem, was jetzt im § 6 steht, ist die Finanzpolitik der Regierung in keiner Weise angesprochen. Das, worauf es uns ankam: die Landwirtschaft so in den Vordergrund der Betrachtungen zu rücken, daß man schon beim ersten Verteilen der Mittel auch an sie, an ihre großen Notwendigkeiten und an die dafür erforderlichen großen Beträge denkt, ehe alles verteilt ist und bloß noch der Rest so ein bißchen darüberweg gestreut werden kann, das läßt sich nur erreichen, wenn man auch hier die Finanzpolitik als ein Mittel ausdrücklich anspricht. Es nutzt uns nichts — das wäre das Schlimmste noch gar nicht —; es nutzt aber der Sache nicht, um deretwegen wir hier stehen, wenn wir uns beteuern, daß wir in der Sache ja einig seien, es aber nur nicht in dieser Form hier so sagen wollen.
Ich weiß natürlich, daß es schwer ist, die Konsequenzen aufzudecken, zu sagen, was das kostet, was man hier versprochen haben will. Ich weiß, daß man leichter davonkommt, wenn man so tut, als gäbe es eigentlich wirkliche Konsequenzen nicht. Aber gerade weil wir uns immer darüber klar waren, wie eng die Möglichkeiten sind, die im Bereich der Handelspolitik liegen — wie oft haben wir im Ernährungsausschuß zur Kenntnis nehmen müssen, daß hier ganz andere Gesichtspunkte durchschlagen und daß auf das, was noch so dringend vorgetragen wurde, aus handelspolitischen Verpflichtungen heraus eben nicht Rücksicht genommen werden konnte —, weil wir wissen, wie eng die Möglichkeiten der Preispolitik sind, muß es uns so sehr darauf ankommen, daß man die
Quelle anspricht, in die uns niemand anders hineinzureden hat als wir selbst und für die nichts anderes maßgebend ist als eben der ernste Wille, der Landwirtschaft wirksam zu helfen, was es auch koste.
Ich sage: es bleibt also praktisch so, wie es gewesen ist. Der positive Punkt, das, was das ganze Gesetz doch mit einer gewissen Bedeutung ausstattet, ist die Vorschrift über die Erhebung von Tatsachen und die Vorschrift darüber, daß diese Tatsachen mit der nötigen Differenzierung erhoben werden. Auch ich teile ,die Hoffnung, daß es uns auf diese Weise gelingen wird, ein wahrheitsgetreues Bild der Landwirtschaft zu liefern. Ich habe keineswegs die Sorge, die vielleicht hier und da auftaucht, daß dieses Bild nicht überzeugend genug sein werde. Ich bin vielmehr in der großen Sorge, daß der eine oder andere von uns — nicht gerade von uns Agrarpolitikern, aber von Leuten, die es nicht so genau wissen wollen — erschreckt die Augen vor dem schließen wird, was in bestimmten Bereichen der Landwirtschaft als echter sozialer Nottatbestand, als echte wirtschaftliche Krisenerscheinung herauskommen wird, wenn man sie nach Gruppen, Größen, Typen usw. untersucht. Ich bin deshalb sehr dafür, daß das mit aller Sorgfalt gemacht wird.
Ich möchte bei der Gelegenheit — weil das draußen Kritik heraufbeschwören oder falsche Eindrücke erwecken könnte — Herrn Bauknecht noch ausdrücklich sagen, daß der Beirat nach der jetzigen Fassung gar keinen Bericht zu erstatten hat. Wir haben ja gerade die ganze Verantwortung für das, was hier zu geschehen hat, der Regierung zugeschoben, nicht etwa so hinterrücks wie den berühmten Schwarzen Peter, sondern aus der gemeinsam erarbeiteten Überzeugung, daß es sich hier um eine Verantwortung handelt, die nur die Regierung allein hat. Wenn deshalb der Beirat ganz anders aussieht und ganz andere Funktionen hat als in jenen Entwürfen, dann eben deswegen, um diese Frage zu der Frage zu machen, die sie ist und bleiben muß: zu einer politischen Frage.
Schließlich müssen ja auch die Bauern mal Gelegenheit haben, an Hand von konkreten Feststellungen und an Hand von konkreten Formulierungen, wie wir sie alle aus dem Bericht der Bundesregierung zum 15. Februar des nächsten Jahres wohl erwarten, Konsequenzen, und zwar politische Konsequenzen zu ziehen. Denn nicht eher wird die Lage der Landwirtschaft anders, bis sie nüchtern ihren eigenen Weg geht — eine Landwirtschaft, die sich nicht gebrauchen oder manchmal vielleicht auch sogar ein bißchen mißbrauchen läßt — und ihre Angelegenheiten selber betreibt und sich nicht über das, was man ihr schuldig bleibt, mit neuen Versprechungen oder mit Leistungen trösten läßt, die gar keine Leistungen sind. Ich denke an die dauernden Wiederholungen — bei jeder Wahl hören wir das —: „Die Agrarpolitik war zwar nicht so, wie sie hätte sein sollen, aber das Eigentum ist erhalten geblieben." Als ob es in Deutschland irgendeine Gruppe gäbe, die das bäuerliche Eigentum ernstlich auch nur bedrohte!
Um dieser positiven Seite willen werden meine Freunde und ich dem Gesetz zustimmen, obwohl wir, wie gesagt, wissen, daß von ihm auch nicht andeutungsweise das zu erwarten ist, was man versprochen hat, als man diesen Feldzug begann. Nach wie vor steht alles im Ermessen und im Wollen und im Rahmen dessen, was die Bundesregierung für möglich hält. Wir haben vorhin schon durch meinen Freund Frehsee sagen lassen, daß wir deshalb die Entschließung von Ihnen noch um einen Satz ergänzt wissen wollen, damit man mehr über das erfährt, was die Regierung nach der Verabschiedung dieses Gesetzes und sicherlich nicht erst wegen der Verabschiedung dieses Gesetzes zu tun hat. Wäre es nämlich so, daß es erst dieses Gesetzes bedurft hätte, um etwas von dem zu tun, von dem wir beklagen, daß es bisher nicht getan worden ist, dann wäre das eine furchtbare Anklage, meine Damen und Herren, insbesondere gegen Ihre Regierung und gegen Sie. Denn Sie hätten ja, immer über eine sichere Mehrheit in diesem Hause verfügend, diese Grundlagen schon längst schaffen können. Um Sie aber von diesem Vorwurf oder von diesem Verdacht zu befreien, sage ich: dessen hat es nicht bedurft. Deswegen wird aber hier durch das Gesetz auch nichts anders.
Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Wir werden ihm zustimmen, obwohl wir uns darüber klar sind, daß mit dieser Zustimmung noch ein Wermutstropfen mehr in ,den Becher derjenigen fällt, die mal ausgezogen sind, etwas Großes nach Hause zu bringen, und nun wieder einen bitteren Trank herunterwürgen müssen und es nicht ganz leicht haben, draußen ihr Gesicht zu wahren. Das ist immer so, wenn man zuviel versprochen hat; es ist nachher ein bißchen peinlich, wenn man so zurückkommt. Wir werden dem Gesetz zustimmen nicht nur auf Grund unserer von niemandem bestrittenen positiven und zielbewußten Mitarbeit an den Grundlagen des Entwurfs, sondern auch damit niemand in der Lage ist, draußen zu sagen, das wäre ein so gutes Paritätsgesetz, daß sogar die SPD -dagegen gestimmt hat!
Das Wort hat der Herr Minister.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kriedemann hat eben eine so ausgezeichnete Oppositionsrede gehalten, daß die erwähnten Schwierigkeiten in seiner Fraktion nun wohl endlich vorbei sein werden!
Eigentlich hätte ich keine Veranlassung, mich mit einer guten Oppositionsrede zu befassen. Da Sie aber die Bundesregierung hin und wieder sehr heftig gestreift haben, in einer Art, daß es draußen im Lande nicht ohne Irrtümer abgehen kann, muß ich mich mit Ihren Ausführungen beschäftigen.
Sie haben z. B. gesagt, das Gesetz berücksichtige nur die „Betriebe mit durchschnittlichen Produktionsbedingungen" und nicht die Betriebe unter 5 ha — was übrigens nirgendwo im Gesetz steht —.
Natürlich können wir nicht kleine und kleinste und zersplitterte Betriebe aller Art zur Grundlage von Ermittlungen machen, um darauf globale Maßnahmen aufzubauen; das ist Ihnen doch genau so klar wie jedem anderen auch.
— Ich möchte nur nicht, daß draußen der Eindruck entsteht, daß die Bauern unter 5 ha von diesen Dingen nichts zu erwarten hätten! Das ist ein Irrtum? Nun, die Worte von Herrn Kriedemann hörten sich so an, als ob er der Öffentlichkeit diese Auffassung vermitteln wollte. Wenn wir die Feststellungen nicht auf durchschnittlicher Produktionsgrundlage und bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung ermitteln, sondern in Betrieben, die unter 5 ha liegen, womöglich mit soundso viel hundert Teilstücken, dann erhalten wir durch global wirkende Maßnahmen Differentialrenten ungeahnten Ausmaßes.
Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie gehört haben, daß ich gesagt habe, wie froh ich darüber bin, daß wir jetzt in diesem Gesetz die ganze Landwirtschaft ansprechen und nicht, wie es lin den Entwürfen der Fall war, nur die sogenannten funktionsfähigen Betriebe?
Nein, das habe ich aus ihren Ausführungen nicht verstanden, Herr Kriedemann.
Ich glaube, es hat noch mehrere gegeben, die das I nicht verstanden haben. Jedenfalls möchte ich das zurückweisen, denn von den günstigen Wirkungen der global wirkenden Maßnahmen werden alle betroffen, während die gezielten Maßnahmen gerade für die Notleidenden und für diejenigen gedacht sind, die unter agrarstrukturellen Fehlern leiden.
Sie haben weiter gesagt, die Antwort der Regierung auf alle entscheidenden Fragen bei diesem Gesetzentwurf sei negativ gewesen. Dann möchte ich einmal wissen, warum dieses Haus denn darauf nun so positiv reagiert hat! Die Bundesregierung hat nur in den Punkten nicht zugestimmt, wo die Gefahr bestand, daß etwa seine Einkommensparität oder eine Indexparität zu entstehen drohte, oder mit Rücksicht auf das Grundgesetz. Da aber handelt es sich tatsächlich nur um Formulierungen. In der früheren Formulierung hieß es: Die Bundesregierung h a t sich zu äußern; die Bundesregierung h a t aufzustellen. In der jetzigen Formulierung heißt es: Die Bundesregierung äußert sich; die Bundesregierung stellt auf. Ich muß sagen: man muß schon sehr scharfe Augen haben, wenn man darin einen wesentlichen Unterschied sieht.
Dann zur Frage des Katalogs. Der Regierung sei es offensichtlich peinlich gewesen, wenn etwa Sozialpolitik hineingekommen wäre. Auch darüber ist im Ausschuß eingehend gesprochen worden, warum sie ausgenoimmen worden ist. Die Agrarstruktur ist auch nicht besonders angesprochen, Herr Kriedemann. Das jetzige Gesetz soll die Möglichkeit geben, durch wirtschaftliche Maßnahmen der Landwirtschaft zu helfen. Agrarstrukturverbesserung und Sozialpolitik haben ihre Sonderaufgaben. Deshalb hätte es Verwirrung gegeben, wenn wir diese Komplexe im Gesetz auch angesprochen hätten.
Meine Damen und Herren, nun zu der Bemerkung: Mut vor dem eigenen Finanzminister. Ich glaube, daß dieser Mut vor dem eigenen Finanzminister in der Vergangenheit dagewesen ist und nicht erst zu kommen braucht. Man hat natürlich in der Opposition hinsichtlich des Mutes zu Mehrforderungen gegenüber dem Finanzminister weniger Rücksicht zu nehmen als in der Regierungskoalition.
— Herr Kriedemann, ich stelle richtig. Ich fühle mich gar nicht angegriffen. Meinen Sie, ich spräche nur, wenn ich angegriffen würde? Ich habe hier auch die Bundesregierung zu verteidigen.
Ich darf sagen: es ist vorhin insofern vielleicht noch ein kleines Versehen passiert, als man nur die beiden Artikel 66 und 67 des Grundgesetzes anzog. Mit dem Landwirtschaftsgesetz sind letzten Endes sämtliche Länderregierungen angesprochen. Der Bundestag hat aber keine Möglichkeit, die Länderregierungen in einer befehlenden Form anzusprechen und damit wäre das Gesetz im Bundesrat gar nicht durchzubringen gewesen.
Dann zur Frage der Handelspolitik. Meine Damen und Herren, unsere Handelspolitik ist im ganzen doch wohl recht erfolgreich gewesen. Wir haben uns auch nicht wegen landwirtschaftlicher Fragen in grundsätzlichen Dingen zu beugen brauchen, jedenfalls nicht seit Oktober 1953. Wir haben aber durch die Handelspolitik erreicht, daß wir 30 % unseres Sozialprodukts über die Ausfuhr erstellen werden; das hat dazu beigetragen, die im Inland so notwendige Erhöhung der Kaufkraft zu schaffen.
Ich glaube, diese wenigen Feststellungen sollten genügen, um die Mißverständnisse zu beseitigen, die etwa über die Haltung der Bundesregierung hier entstanden sind.
Bevor ich das Wort weiter erteile, erscheint es mir ratsam, darauf hinzuweisen, daß nach der Vereinbarung im Ältestenrat die Sitzung eigentlich um 2 Uhr enden sollte. Wir stehen also vor der Frage, ob die Herren Abgeordneten so gütig sein wollen, die Reden etwas zu kürzen, oder ob wir das Gesetz heute nicht verabschieden. Ich nehme an, daß das Hohe Haus den Wunsch hat, heute noch über das Gesetz abzustimmen.
Wir müssen außerdem auch einige Rücksicht auf unsere Kollegen aus den verschiedenen Teilen Süddeutschlands nehmen, deren Züge ja in absehbarer Zeit fahren und die festsitzen würden, wenn sie die Züge nicht erreichen. Ich stelle ganz anheim.
Ich darf das Wort dem nächsten Redner, Herrn Kollegen Elsner, erteilen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter und meine Herren Vorredner haben in eingehender
) Weise den vorliegenden Gesetzentwurf behandelt, so daß ich mich in meinen Ausführungen auf weniges beschränken kann. Wenn auch manche Kreise der Landwirtschaft, insbesondere die, die an die Lösung des Paritätsproblems großere Hollnungen geknüpft haben, nicht voll befriedigt sind, so ist der vorliegende Gesetzentwurf trotzdem ein entscheidender Fortschritt, ja ein Wendepunkt in der Gestaltung unserer Agrar- und Wirtschaftspolitik. Das Gesetz ist ein Grundsatzprogramm, das jedem Landwirtschaftsminister und jeder Bundesregierung in der Verantwortung für das Gesamtwohl unserer Wirtschaft und unseres Volkes eine feste Handhabe gibt, um der Landwirtschaft den Anteil an der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zu geben, den sie erwarten darf und um den sie seit langem gekämpft hat, leider mit unzureichenden Ergebnissen.
Ein besonderer Wert des Gesetzes besteht darin, daß durch Repräsentativerhebungen objektiv und allen offenbar die Lage der Landwirtschaft vor dem Forum des Bundestages und des Bundesrates klargelegt wird. Das wird zweifellos zu einer klaren und anerkennbaren Meinungsbildung über die Lage der Landwirtschaft führen. Durch den Ertrags-Aufwands-Vergleich schafft der Gesetzentwurf die fruchtbare Ausgangslage für agrarpolitische Maßnahmen der Bundesregierung oder auch für solche Maßnahmen, die die Bundesregierung in Durchführung des Gesetzes vom Parlament fordern muß.
Der entscheidende Wert jedoch liegt unseres Erachtens darin, daß der Gesetzentwurf das Kostendeckungsprinzip, das im Bereich des Bergbaues und der eisenschaffenden Industrie eine Selbstverständlichkeit ist, anspricht und als Grundlage notwendiger Maßnahmen anerkennt. Insbesondere werden die Kosten herausgestellt, in denen das Mißverhältnis, die Disparität letztlich ihre Ursache hat. Das sind die Lohnfrage für Fremdarbeiter oder familieneigene Arbeitskräfte, der Betriebsleiterzuschlag und die Kapitalverzinsung. Diese drei Posten sind für die volle Teilnahme der Landwirtschaft am Aufstieg der Gesamtentwicklung entscheidend. Über die Höhe dieser Posten und damit über die mit diesen Dingen ursächlich im Zusammenhang stehenden Probleme haben in Zukunft unausweichlich die Bundesregierung und das Parlament sich auseinanderzusetzen und verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen werden nicht nur bei globalen Maßnahmen der allgemeinen Agrar- und Wirtschaftspolitik notwendig werden, sondern sie werden ebenso gezielte Maßnahmen sein, um dem Unterschied in der Ertragslage entgegenzuwirken.
Mit der Sicherstellung der Kostendeckung, insbesondere mit der Schaffung der Lohnparität wird zweifellos der Kern der sozialen Frage getroffen, wird endlich ein Schlußstrich gezogen unter die Unterbewertung der Landarbeit. Damit wird der Landflucht im wesentlichen entgegengewirkt werden können, und das, meine Damen und Herren, würde, wenn uns diese Grundlagen durch die Handhabung des Gesetzes gegeben würden, einen Wendepunkt in der Gestaltung unserer Agrarpolitik und Wirtschaftspolitik bedeuten.
Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß trotz alledem wesentliche Gebiete der Agrarpolitik, der Agrarproblematik von dieser Lösung unberührt bleiben. Wir meinen damit die sozialen
Probleme, die Probleme der Altersversorgung, die Probleme des Altenteils, der Arbeitsverfassung, und wären glücklich gewesen, wenn die Fassung des § 1, wie sie ursprünglich angenommen wurde, erhalten geblieben wäre. Mein Herr Vorredner, Herr Kollege Frehsee, hat ja in überzeugender Weise auf diese Dinge hingewiesen, so daß ich es mir ersparen kann, im besonderen darauf einzugehen.
Der Gesetzentwurf stellt, wie wiederholt betont worden ist, die unentbehrliche Grundlage für das Wirksamwerden aller geplanten oder eingeleiteten Agrarmaßnahmen dar, insbesondere der strukturellen Maßnahmen wie Flurbereinigung, Dorfauflockerung, Aufstockung von Zwergbetrieben und so fort und nicht zuletzt auch für die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern. Ohne dieses Gesetz können alle diese Maßnahmen nicht voll wirksam werden.
Eine verantwortungsbewußte Handhabung dieses Gesetzes wird der westdeutschen Landwirtschaft das bereits empfindlich gestörte Vertrauen zurückgeben. Die Landwirtschaft wird dann all die Maßnahmen ergreifen können, die zu einer Produktionssteigerung und einer Steigerung der Produktivität führen, aus der heraus sie in der Lage ist, unsere Verbraucherschaft reichlich und preiswürdig mit Lebensmitteln zu versorgen.
Die Nachkriegsleistung der westdeutschen Landwirtschaft kann auch von den hartnäckigsten Gegnern nicht in Zweifel gezogen werden. Denn in dem kurzen Zeitraum von der Währungsreform bis heute konnte die Eigenversorgung in der Bundesrepublik von 40 % auf 73 % gesteigert werden, wobei die Gesamtproduktion einen Wert von 15 Milliarden DM erreicht hat, während der Wert der Erzeugung von Kohle, Eisen und Stahl bei 14 Milliarden DM liegt. Diese beiden Zahlen zeigen eindeutig den Leistungswillen der Landwirtschaft und die Produktionsgröße im Rahmen der Gesamtwirtschaft.
Unzweifelhaft wird eine rentable Landwirtschaft durch ihren großen Nachholbedarf insbesondere bei der Modernisierung ihres Produktionsapparats mit ihrer Kaufkraft auch den Binnenmarkt erweitern und bereichern, dies um so mehr, wenn man dem Binnenmarkt die gleiche Pflege zuteil werden läßt wie dem Auslandsmarkt.
Die agrargeschichtlichen Erfahrungen insbesondere Englands sollten uns warnen, wirtschaftlich Wege zu gehen, die zur Preisgabe des Bauerntums, der Landwirtschaft führen. In zwei großen Agrarkrisen hat England seine Landwirtschaft dem Verfall preisgegeben. England hat aus den Folgen bittere Erfahrungen gesammelt und ist dabei, seine Landwirtschaft erneut aufzubauen. Welche Anstrengungen es dabei macht, zeigen allein die außerordentlich hohen Subventionen, die es seit zehn Jahren zum Aufbau seiner Landwirtschaft in großem Stil einsetzt. Der Haushaltsansatz dafür im vergangenen Jahr betrug 250 Millionen Pfund. Das sind nach unserer Währung 3 Milliarden DM jährlich oder ein Zehntel unseres Bundeshaushalts. Hinzu kommen noch die übrigen Leistungen für die Landwirtschaft, die beträchtlich höher liegen als bei uns. Das ist heute dem englischen Volk seine Landwirtschaft wert. Die Engländer haben nicht vergessen, daß sie in zwei Kriegen hungern mußten.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat jüngst einmal gesagt: das eigene Brot ist das sicherste. Nach den englischen Erfahrungen
glaube ich sagen zu müssen: es ist auf die Dauer gesehen auch das billigste.
Die Forderung der Landwirtschaft nach dem Ausgleich ihrer naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile durch Einsatz agrar- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen ist in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Sie stellt nichts anderes dar als den Anspruch auf den gerechten Anteil an der fortschreitenden Entwicklung der Gesamtwirtschaft. Meine Fraktion wird daher dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß jetzt, bevor ich das Wort weiter gebe, etwas zur Arbeitstechnik des Hauses sagen. Sie wissen ja, es ist heute Freitag, und es war vorgesehen, daß die Sitzung eigentlich um 14 Uhr zu Ende sein sollte. Es ist aber noch kein Ende abzusehen. Hier stehen vorläufig noch vier Redner auf der Liste, und wenn jeder nur eine halbe Stunde redet, dann sind das noch zwei Stunden. Dann wäre es 16 Uhr.
Ich höre eben gerade von der SPD-Fraktion — ihr verantwortlicher Mann war eben bei mir und hat es mir gesagt —, daß sie, wenn diese Materie bis 14 Uhr 30 nicht abgewickelt sei, sich veranlaßt sehe, hier einen Antrag zu stellen, die Sitzung zu unterbrechen. Sie müsse wegen der Situation im Sicherheitsausschuß und im Rechtsausschuß bezüglich des Freiwilligengesetzes unbedingt heute noch eine Vorstands- und eine Fraktionssitzung abhalten. Das alles liegt vor.
Ich will das dem Hohen Hause nur unterbreiten, I) damit wir sehen, daß wir diese Sache hier bis 14 Uhr 30 abwickeln. Denn ich würde es als absolut untragbar ansehen, wenn wir heute nicht mit der dritten Lesung dieses Gesetzes zu Ende kämen.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Ihre Geduld nicht auf eine lange Probe stellen. Die Vorredner haben bereits alle wichtigen Punkte genannt. Ich muß Ihnen aber in einigen wenigen Sätzen die Stellungnahme meiner Fraktion bekanntgeben. Uns selbst wäre es lieber gewesen, wenn wir die Fassung, die aus dem Unterausschuß für das Paritätsgesetz herausgekommen ist, auch in der jetzigen endgültigen Fassung wiedergefunden hätten. Wir haben aber von einer Stellung von Änderungsanträgen Abstand genommen, weil wir sehen, daß materiell kein großer Unterschied zwischen der von uns gewünschten Fassung und der jetzigen Fassung des Gesetzes gegeben ist.
Wir hätten es auch gern gesehen, wenn im § 5 ein klarerer Auftrag an die Regierung enthalten gewesen wäre. Aber auch hier verzichten wir auf Änderungsanträge.
Auf der andern Seite glauben wir, daß das Gesetz doch der Bundesregierung eine Handhabe gibt und ihr auch die politische Pflicht auferlegt, auf eine nachhaltige Besserung der Lage der Landwirtschaft hinzuarbeiten.
Außerdem schafft dieses Gesetz uns zum erstenmal ein einwandfreies Unterlagenmaterial über die unterschiedliche Lage der verschiedensten Betriebsgrößen und -gruppen. Damit haben wir zum erstenmal die Möglichkeit, Wünsche der Landwirtschaft sachlich zu untermauern und dem ewigen Gerede „Die Landwirtschaft klagt aus Beruf" endgültig entgegenzutreten. Ferner glauben wir, daß diese Unterlagen der Bundesregierung die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung geben, in all den Fällen, wo — bedingt durch ungünstige Boden und Klimaverhältnisse — durch einseitige Wirtschaftsführung klare Disparitäten entstehen, diese zu beheben. Wir haben die Hoffnung, daß auf Grund der nach dem Gesetz erarbeiteten einwandfreien Unterlagen den wirtschaftlich heute stark benachteiligten Gebieten eine dringend notwendige Hilfe gegeben wird. Ich denke hierbei an die Grünlandgebiete im norddeutschen Raum wie auch an die einseitige Betriebsform im Mittelgebirge und in den Voralpen. Denn für diese Gebiete ist eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich, damit sie wieder in vernünftige Ertragsverhältnisse zurückgebracht werden.
Der erste Bericht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten soll am 15. Februar 1956 erfolgen. Wir alle wissen, daß sich die Lage in der Landwirtschaft in breitesten Kreisen seit dem Herbst 1954 erheblich verschlechtert hat. Wir wissen, daß die Landflucht Formen annimmt, die selbst die familieneigenen Arbeitskräfte, sogar die Bauern selbst, in steigendem Maße' in andere Berufszweige treiben. Deswegen haben wir den Entschließungsantrag auf Umdruck 470*) eingebracht und damit die Bundesregierung ersucht, nach Inkrafttreten des Landwirtschaftsgesetzes diejenigen Maßnahmen unverzüglich bekanntzugeben, die schon jetzt zu einer Besserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Landwirtschaft führen können. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß ich der letzte Redner bin, und da bin ich richtig plaziert. Sie brauchen keine Angst zu haben, ich bin gleich fertig; ich werde die Debatte nicht länger aufhalten, als es unbedingt notwendig ist.
Aber ein paar Feststellungen lassen Sie mich treffen.
Sie werden wissen, daß ich ein vorsichtiger Mann bin
und daß ich nicht mehr verspreche, als ich halten
kann. Einmal habe ich etwas versprochen: das war,
als ich geheiratet habe, und seitdem nicht mehr.
Deshalb habe ich auch den Bauern draußen nicht die Glückseligkeit aus diesem Landwirtschaftsgesetz versprochen. Dazu habe ich folgenden klaren, vernünftigen Standpunkt zu beziehen.
Das vorliegende Gesetz ist notwendig. Es darf nicht überschätzt werden, es darf nicht unterschätzt werden, sondern es muß richtig eingeschätzt und muß von uns später erst richtig ausgebaut
*) Siehe Anlage 3.
werden. So ist die Lage. Das ist die nüchterne Lage. Von diesem Gesichtspunkt aus müssen wir alle miteinander noch an der Vervollständigung, Verfeinerung und an dem weiteren Ausbau des Gesetzes arbeiten.
Das Gesetz hatte als Kernproblem einen sogenannten Feststellungszweck, indem nämlich in Testbetrieben — Betrieben, die besonders ausgesucht werden — die Lage in der Landwirtschaft festgestellt wird. Da sage ich folgendes; Herr Kollege Kriedemann, da werden Sie mir zustimmen. Ich werde Obacht geben, und zwar mit aller Schärfe, daß die Mischung unter den 6- bis 8000 Betrieben so ist, daß die klein- und mittelbäuerliche Seite dabei nicht zu kurz kommt.
Ich bitte den Herrn Bundesernährungsminister, darauf zu achten. Im übrigen möchte ich ihm mal mein Kompliment aussprechen — er ist es von mir selten gewohnt, deswegen tue ich es um so lieber —, nämlich dafür, daß er, als dieses Gesetz aus dem Ernährungsausschuß heraus war, im Kabinett dafür gesorgt hat, daß es so rasch wie möglich wieder an den Deutschen Bundestag zurückgegangen ist, so daß wir im Ernährungsausschuß wenigstens dann die Gelegenheit hatten, das Gesetz noch in letzter Minute vor den Ferien zu verabschieden.
Was bringt dieses Gesetz Neues? Es bringt einmal den Feststellungsausschuß. Weiterhin weise ich darauf hin, daß dieses Gesetz erst richtig anlaufen muß; denn die erste Feststellung wird am 15. Februar 1956 getroffen, d. h. wir müssen mit den Methoden arbeiten, die bisher maßgebend waren. Die neuen Methoden kommen erst am 15. Februar 1957 zur Wirksamkeit. Wenn das Wirtschaftsjahr 1955/56 abgelaufen ist, dann kommen die normalen Berechnungen auf den normalen Grundlagen. So, das wollte ich noch ausführen.
Wir werden also bei der Durchführung und Handhabung des Gesetzes auf der Wacht sein und wünschen, daß wir in gemeinsamer Arbeit etwas Vernünftiges für die deutsche Landwirtschaft zustande bringen; denn diesem Gesetz müssen erst die Ausführungsgesetze folgen. Dieses Gesetz ist ein Grundlagengesetz, und daher muß die Bundesregierung die entsprechenden Gesetzentwürfe oder die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. In diesem Sinne wünsche ich dem Gesetz einen guten Erfolg.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung des Gesetzes.
Ich rufe auf § 1. Die SPD- Fraktion hat ihren Änderungsantrag auf Umdruck 471 *) für die dritte Lesung — —
— Ich denke, das ist genügend begründet, Herr Kollege; nehmen Sie es mir nicht übel. Sie haben heute morgen schon zweimal begründet; das ganze Haus hat gehört, was Sie wollen.
*) Siehe Anlage 2. Ich war ja noch nicht fertig. Die SPD hat den Antrag wieder aufgenommen. Ich muß also jetzt darüber abstimmen lassen. Zur Abstimmung hat zunächst das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, über diesen Antrag getrennt abstimmen zu lassen, und zwar zuerst über den ersten Teil: „werden nach dem Wort ,Kredit-' die Worte ,Sozial-, Finanz- eingefügt" und dann über den zweiten Satz: „Damit soll gleichzeitig die soziale Lage usw."; also zweimalige Abstimmung. Ich habe zu erklären, daß meine Freunde den ersten Teil ablehnen und dem zweiten zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Haus hat den Vorschlag gehört. Das kann ja nach der Geschäftsordnung geschehen, getrennte Abstimmung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 471 *), der in der dritten Lesung wieder aufgenommen worden ist, und zwar über den Teil, den ich jetzt vorlese: „werden nach dem Wort ,Kredit-` die Worte ;Sozial-, Finanz- eingefügt". Wer diesem Teil des Änderungsantrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letztere ist die Mehrheit; dieser Teil des Antrags ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den zweiten Teil: „und der folgende Satz 2 angefügt: ,Damit soll gleichzeitig die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden." Wer dem zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer dem § 1 in der dritten Lesung in der Fassung, die er nun bekommen hat, zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig verabschiedet.
Ich komme dann, da andere Änderungsanträge nicht vorliegen, zur Schlußabstimmung über das Gesetz, so wie es jetzt durch die Abstimmung in der zweiten Beratung und die Änderung des § 1 in 'der dritten Beratung gestaltet worden ist. Wer dem Gesetz im, ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen 2 Stimmen verabschiedet.***)
Ich muß jetzt noch über den Entschließungsantrag auf Umdruck 470 **) abstimmen lassen, zu dem die SPD-Fraktion einen Zusatzantrag, so möchte ich sagen, gestellt hat. Ich glaube, wir kommen am schnellsten zu Rande, wenn ich erst über den einen Teil und dann über den anderen Teil abstimmen lasse, weil dieser sich nämlich automatisch anschließt; oder gleich über das Ganze?
— Über das Ganze, gut. Ich komme also zur Abstimmung über den Entschließungsantrag, der jetzt lautet:
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 4.
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
nach Inkrafttreten des Landwirtschaftsgesetzes diejenigen Maßnahmen unverzüglich bekanntzugeben, die schon jetzt zu einer Besserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Landwirtschaft führen können, und gleichzeitig mitzuteilen, wann und wie sie diese Maßregeln durchzuführen gedenkt.
Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen angenommen Ich stelle dann zu Protokoll fest, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes die beiden Drucksachen 405 und 448 erledigt sind.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 5 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk .
Absprachegemäß soll ,auf Begründung und Aussprache in der ersten Lesung verzichtet werden. Ich schlage dem Hause vor Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zur Mitberatung. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 6 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Gesetzes über das Zugabewesen und des Rabattgesetzes .
Auch hier soll wie eben verfahren werden. Ich schlage dem Hause vor Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — und an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht zur Mitberatung. Das Haus ist damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Ich darf das Haus bitten, damit einverstanden zu sein, daß wir zwei Vorlagen vorziehen, die heute unbedingt noch überwiesen werden müssen, und ich weiß nicht genau, ob wir bis 14 Uhr 30 mit der Tagesordnung zu Ende kommen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes (Drucksache 1472).
Auch hier soll auf Debatte in der ersten Lesung verzichtet werden. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht vorgeschlagen. Der Herr Vorsitzende des Auschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat gebeten, den Entwurf auch seinem Ausschuß zur Mitberatung zu überweisen, da Fragen der Bundespolizei und des Bundesgrenzschutzes durch den Entwurf berührt werden. Ist das Haus mit dieser Art der Überweisung einverstanden? — Das ist der Fall.
Punkt 13:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem Teilgrundstück der ehemaligen Lehrlingsausbildungswerkstätten der ehemaligen Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven in Westerstede .
Es wird die Überweisung des Antrags an den Haushaltsausschuß vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist es so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 7 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Dietz, Ruf, Bausch und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) (Drucksache 1430).
Ich erteile das Wort der Berichterstatterin Frau Abgeordneten Nadig.
Frau Nadig , Berichterstatterin: Ich gebe den Bericht schriftlich zu Protokoll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frau Abgeordnete gibt den Bericht schriftlich zu Protokoll*). Das Haus ist damit einverstanden.
Ich trete in die zweite Beratung ein und rufe auf in der Ausschußfassung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache in der Einzelberatung.
Wer den soeben aufgerufenen Artikeln des Gesetzes nebst Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Lesung beendet.
Wir treten in die
dritte Lesung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetz in der soeben in der zweiten Lesung beschlossenen Fassung im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen verabschiedet.
Ich rufe auf Punkt 8:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Aufhebung von Durchführungsverordnungen zum Bremischen Übergangsgesetz zur Regelung der Gewerbefreiheit ;
Schriftlicher Bericht**) des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksachen 1403, zu 1403)
Das Wort hat der Berichterstatter.
1 Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 6.
Ich darf vielleicht angesichts der vorgeschrittenen Zeit auf mündliche Berichterstattung verzichten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verzichtet das Haus auf mündliche Berichterstattung? — Das ist der Fall.
Dann trete ich in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 2 a, — § 3, — § 4, — Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache in der Einzelberatung.
Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich trete in die
dritte Beratung
ein. Da Änderungsanträge nicht vorliegen, bitte ich diejenigen, die dem Gesetz in der eben verabschiedeten Form auch in der dritten Beratung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir haben noch abzustimmen über die Ausschußanträge unter Ziffern 2 und 3 auf Drucksache 1403. Wer diesen beiden Ausschußanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Punkt 9 war bereits erledigt.
Ich rufe auf Punkt 10:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Körperbehindertengesetz (Drucksachen 1436, 1246).
Ich erteile das Wort der Berichterstatterin Frau Abgeordneten Niggemeyer.
Frau Niggemeyer , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der glücklichen Lage, meine Berichterstattung sehr kurz zu fassen. Der Ausschuß hat sich einmütig auf den Standpunkt gestellt, den Antrag der SPD, die Bundesregierung zu ersuchen, bis zum 1. Juli 1955 das Körperbehindertengesetz vorzulegen, auf Grund folgender Tatsachen für erledigt zu erklären. Am 17. Mai, dem Tage der Beratung dieses Antrags, wurde uns bekanntgegeben, daß der Entwurf des Körperbehindertengesetzes dem Kabinett zugeleitet sei. Der Entwurf ist vom Kabinett verabschiedet und am 24. Juni im Plenum des Bundesrats verabschiedet worden. Wenn trotzdem der Termin 1. Juli nicht ganz eingehalten worden ist, so bitte ich zu bedenken, daß wegen der Einwendungen des Bundesrats zum Gesetzentwurf einige Zeit vergehen wird, bis uns der Gesetzentwurf zugeleitet werden kann. Nach mir zugegangenen Informationen wird es aber doch vielleicht möglich sein, den Gesetzentwurf noch in der kommenden Woche in erster Lesung zu verabschieden. Ich bitte also das Hohe Haus, sich dem Antrag des Ausschusses anzuschließen und den Antrag auf Drucksache 1246 für erledigt zu erklären.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses Drucksache 1436 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Henn, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Starke, Wacher (Hof) und Genossen betreffend Anwendung der Richtlinien der Bundesregierung für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf Aufträge der Besatzungsmächte (Drucksachen 1438, 743).
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Herrn Abgeordneten Hörauf. — Der Abgeordnete ist nicht da. Ich nehme an, daß das Haus unter diesen Umständen auf Berichterstattung verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache über die Drucksache 1438. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik auf Drucksache 1438 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen angenommen.
Da nach einer interfraktionellen Vereinbarung Punkt 12, Antrag betreffend Zweimarkstücke, von der heutigen Tagesordnung abgesetzt ist, sind wir damit am Ende unserer Beratungen.
Ich berufe die nächste, die 97. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 13. Juli 1955, 14 Uhr und schließe — die SPD braucht die Unterbrechung nicht mehr zu beantragen — die heutige Sitzung.