Rede von
Heinz
Frehsee
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Umdruck 471 beantragt meine Fraktion die Einfügung der Worte „Sozialpolitik und Finanzpolitik" in den § 1 des Landwirtschaftsgesetzes und die Anfügung des Satzes:
Damit soll gleichzeitig die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß auf dem Umdruck ein orthographischer Fehler ist. Es darf nicht „vergleichbaren Berufsgruppen", sondern muß „vergleichbarer Berufsgruppen" heißen.
Meine Damen und Herren, ich habe den Auftrag und die Ehre, einen Teil dieses Antrages zu begründen, und zwar die beantragte Einfügung des Wortes „Sozialpolitik" und die Anfügung des dann aufgeführten Satzes. Die Einfügung des Wortes „Finanzpolitik", d. h. mit anderen Worten die Aufnahme der Finanzpolitik als eines Zweiges der Politik, die eine Angleichung der Entwicklung der Landwirtschaft an die der deutschen Volkswirtschaft ermöglichen soll, wird anschließend mein Kollege Professor Baade begründen.
Daß wir diesen Antrag stellen, bedeutet nichts anderes und nichts mehr, als ,daß wir, insbesondere was ,also die Sozialpolitik und diesen Satz betrifft, die Fassung wiederhergestellt haben wollen, die nach langen Bemühungen das Ergebnis der Beratungen im Unterausschuß „Paritätsgesetze" gewesen ist. Wir müssen unserem Erstaunen darüber
*) Siehe Anlage 2. Ausdruck geben, daß im Ernährungsausschuß das Wort „Sozialpolitik" aus dem § 1 und daß der hier aufgeführte Satz aus dem Gestzentwurf gestrichen worden sind. Wir haben bis heute für diese Streichung keine plausible Erklärung erhalten, mindestens nicht in den Ausschüssen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können uns nicht mit den Erklärungen abfinden,' die für diese Maßnahme außerhalb des Parlaments abgegeben wurden, beispielsweise vom Deutschen Bauernverband, der da gesagt hat, daß die Eingügung des Wortes „Sozialpolitik" und damit die Aufnahme der Sozialpolitik als eines der Mittel Unklarheiten in das Gesetz hineinbringe und die Durchführung des Gesetzes erschwere. Ich fürchte, daß der Grund dafür nichts anderes als das weitverbreitete vorurteilhafte und destruktive Mißtrauen ist, das in weiten Kreisen der Landwirtschaft der Sozialpolitik und sozialpolitischen Mitteln gegenüber besteht.
Meine Damen und Herren, es gibt in Deutschland nicht nur stolze Bauern, Bauern, die meinen, daß die Mittel 'der Sozialpolitik für sie nicht angebracht seien. Es gibt eine große Anzahl von Bauern und Landwirten mit sozialen Nottatbeständen, denen vielleicht nicht mit Mitteln der Preispolitik, der Kreditpolitik und der Handelspolitik allein geholfen werden kann, sondern bei denen es sozialpolitischer Mittel bedarf, um ihnen eine gleiche Lebenshaltung wie anderen Menschen in Deutschland — und das wollen wir doch — zu ermöglichen. Unsere Sorge gilt nicht nur den Betrieben, die so groß sind, daß sie die Existenz einer Familie gewährleisten, unsere Sorge gilt allen landwirtschaftlichen Betrieben und allen in der Landwirtschaft tätigen Menschen. Unsere Sorge gilt in besonderem Maße den Betriebsgrößen in der Landwirtschaft, in denen wir soziale Nottatbestände feststellen müssen, beispielsweise jenen Hunderttapsenden von landwirtschaftlichen Betriebsinhabern, deren Betrieb doch nicht ausreicht, wenn der Erbe den Hof übernimmt und die Eltern aufs Altenteil ziehen, die zwei dann in diesem Betrieb vorhandenen Familien zu ernähren. Das ist dann ein solcher Nottatbestand, den wir, wie wir meinen, bei der Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzes im Auge haben müssen. Um diesen Nottatbestand zu beheben, gibt es eben nur ein sozialpolitisches Mittel, vielleicht das Mittel der Einführung eines sozialen Altenteils.
Wenn Sie das Wort einer Altersrente für die Altbauern und ihre Frauen nicht gern hören wollen, — wir können uns auf andere Begriffe und vielleicht auf bestimmte Formen sicherlich einigen.
Es ist uns zu Ohren gekommen, daß man auf seiten der Regierung, insbesondere des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, befürchtet, daß eine solche Reform, die Einführung eines sozialen Altenteils also, unter Umständen die Pläne zur Strukturverbesserung der Landwirtschaft stören könne. Das muß in keiner Weise der Fall sein.
Diese Gefahr braucht nicht einzutreten. Nach unserer Auffassung wird diese Gefahr nicht eintreten; ganz im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, daß dieses soziale Altenteil sogar die er-
wünschte Strukturverbesserung in der deutschen Landwirtschaft günstig beeinflussen und fördern muß.
Ich darf Ihnen das näher erklären. Es ist sicherlich einzusehen, daß die Abgabe von Grund und Boden, die zur Aufstockung von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben erwünscht und notwendig ist, dadurch erschwert wird, daß sehr viele landwirtschaftliche Familien selbst auf kleine Flächen Grund und Bodens, auf 5, 6 oder 8 Morgen, angewiesen sind, weil sie, wenn sie dieses Land verkaufen oder verpachten, nicht einmal die Ernährungsgrundlage haben würden, die ihnen diese Fläche Landes jetzt noch bietet. Wenn man diese Menschen von den größten Sorgen befreite, dann würde man ihnen auch ermöglichen, diese kleinen Flächen herzugeben, und damit den Strukturverbesserungsplänen einen guten Dienst erweisen.
Die Frage hat auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Diese Betriebe sind natürlich Kümmererbetriebe, deren Erträge sehr niedrig sind, die nicht fortschrittlich bewirtschaftet werden können, in denen die Produktivität, sowohl die Flächen- als auch die Arbeitsproduktivität, niedrig ist. Wir müssen auch vom Ganzen gesehen, von volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten her versuchen, diese Kümmererbetriebe abzuschaffen und auch in dieser Beziehung zu einer Gesundung in der landwirtschaftlichen Betriebsverfassung zu kommen.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Beispiele, die beweisen, daß sozialpolitische Mittel geradezu notwendig, geradezu unabdingbar sind, wenn Sie die naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile, in denen sich landwirtschaftliche Betriebe befinden, ausgleichen wollen. Nehmen Sie doch einmal das Beispiel, mit dem wir uns gerade gestern in diesem Hause beschäftigt haben: das Beispiel des Kindergeldgesetzes! Als wir das Kindergeldgesetz im November vorigen Jahres beschlossen haben, da haben wir eigentlich schon so getan, als gebe es ein landwirtschaftliches Paritätsgesetz oder ein Landwirtschaftsgesetz, wie es jetzt heißt. Wir haben ja da versucht, die Landwirtschaft nicht stärker zu belasten, als die gewerbliche Wirtschaft durch Beiträge zum Kindergeld belastet wird. Wir haben dann die Formel gefunden: Die Landwirtschaft trägt ein Drittel der für die Durchführung des Gesetzes in der Landwirtschaft erforderlichen Mittel. Ich meine, wir haben da nicht etwas Vollkommenes geschaffen. Sie werden sich sicherlich noch des Antrags erinnern, den ich damals gestellt habe, um eine vollkommene Parität in Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft in bezug auf das Kindergeld und die Durchführung des Kindergeldgesetzes zu erreichen. Dieser Antrag ist damals leider abgelehnt worden. Nun haben Sie eben den Tatbestand — der auch aus dem Bericht hervorgeht, der gestern hier zitiert worden ist —, daß die Landwirtschaft doch stärker als die gewerbliche Wirtschaft, gemessen an ganz bestimmten Größen, belastet ist. Sie haben diese Disparität in der Frage der an der Aufbringung der Mittel beteiligten Kreise. Sie haben in der gewerblichen Wirtschaft die Beitragsbefreiung bei Einkommen bis zu 4800 DM. Sie haben diese Beitragsbefreiung in der Landwirtschaft nicht. Ich will nicht falsch und etwa so verstanden werden, daß ich diese Beitragsbefreiung in dem Zusammenhang für wünschenswert und für notwendig hielte; das ist nicht der Fall, weil eben die Voraussetzungen dafür jetzt nicht bestehen, weil das Kindergeldgesetz in seiner jetzigen Struktur diese Beitragsbefreiung wahrscheinlich nicht zuläßt. Aber, meine Damen und Herren, hätten Sie damals dem von der sozialdemokratischen Fraktion gestellten Antrag zugestimmt, der im Sinne eines Landwirtschaftsgesetzes lag, das die Gleichstellung erzielen soll, dann wäre diese peinliche Frage nicht entstanden, dann brauchten wir uns mit dieser Disparität in der Frage des Kindergeldes nicht zu beschäftigen. Bitte, meine Damen und Herren, wenn die Sozialpolitik als einer der Zweige der Politik in dem Gesetz aufgeführt wird, dann können, glaube ich, solche Dinge in Zukunft nicht mehr passieren. Jedenfalls verstehe ich das Gesetz so.
Übrigens hat es gerade auch in dieser Frage noch eine aktuelle Bedeutung. Sicherlich sind wir doch alle der Meinung, daß ernst zu nehmen war, was die Sprecher der größten Fraktion dieses Hauses damals hier vorgetragen haben, und daß der Appell, den Sie bei der Beratung des Kindergeldgesetzes Ende vergangenen Jahres an, die sozialdemokratische Fraktion gerichtet haben, ernst zu nehmen war: die sozialdemokratische Fraktion, die anderen, sollten doch zustimmen, weil es doch eben der erste Schritt sei. — Die sozialdemokratische Fraktion hat damals dem Kindergeldgesetz ihre Zustimmung ja auch deswegen versagt, weil Kindergeld erst vom dritten Kinde ab gewährt werden sollte.