2. Deutscher Bundestag — 96. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juli 1955 5413
96. Sitzung
Bonn, Freitag, den 8. Juli 1955.
Geschäftliche Mitteilungen . . . 5414 D, 5455 D
Glückwunsch zum Geburtstag des Abg
Samwer 5414 C
Nächste Fragestunde 5414 D
Zusätzliche Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes (Drucksache 1462) an den Ausschuß für Kommunalpolitik . . . . 5414 D
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mai 1951 (Vorschriften Nr. 2 der Weltgesundheitsorganisation) (Drucksache 1465) . . . 5414 D
Überweisung an den Ausschuß für Fragen
des Gesundheitswesens 5414 D
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Protokoll vom 1. Februar 1955 betr. die Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und Japan (Drucksache 1466) 5415 A
Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 5415 A
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 21. Dezember 1954 über die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Druck sache 1417) 5415 A
Wehner (SPD) 5415 A, 5417 D
Sabaß (CDU/CSU) 5417 C
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Auswärtigen Ausschuß 5418 A
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 405, 448); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 1538, Umdrucke 470, 471) 5418 B
Lücker (München) (CDU/CSU):
als Berichterstatter 5418 B
als Abgeordneter 5433 A
Frehsee (SPD) . . 5425 B, 5426 D, 5427 C,
5432 D
Frau Kalinke (DP) . . . . 5426 D, 5427 B
Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU):
zur Sache 5428 C
zur Abstimmung 5453 C
Fassbender (FDP) 5429 A
Dr. Baade (SPD) 5429 C
Bauknecht (CDU/CSU) 5434 A
Mauk (FDP) 5440 A
Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . . . 5442 B, 5449 D, 5450 A
Kriedemann (SPD) . . . . 5443 B, 5450 A
Elsner (GB/BHE) 5450 D
Müller (Wehdel) (DP) 5452 B
Dr. Horlacher (CDU/CSU) . . . 5452 D
Schwann (FDP) (Schriftliche Erklärung zur Abstimmung) 5457 A
Abstimmungen 5433 D, 5453 C
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Drucksache 1479) 5454 A
Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß und an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes . . . 5454 A
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Gesetzes über das Zugabewesen und des Rabattgesetzes (Drucksache 1478) 5454 B
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 5454 B
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes (vorl
BPolBG) (Drucksache 1472) 5454 B
Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 5454 B
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem Teilgrundstück der ehe-
maligen Lehrlingsausbildungswerkstätten der ehemaligen Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven in Westerstede (Drucksache 1459) 5454 C
Überweisung an den Haushaltsausschuß 5454 C
Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Frau Dietz, Ruf, Bausch u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft (Drucksache 204); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 1430) 5454 C
Frau Nadig (SPD):
als Berichterstatterin 5454 C
Schriftlicher Bericht 5457 B
Beschlußfassung 5454 D
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Aufhebung von Durchführungsverordnungen zum Bremischen Übergangsgesetz zur Regelung der Gewerbefreiheit (Drucksache 828); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksachen 1403, zu 1403) 5454 D
Wehr (SPD):
als Berichterstatter 5455 A
Schriftlicher Bericht 5458 B
Beschlußfassung 5455 A
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Körperbehindertengesetz (Drucksachen 1436, 1246) 5455 B
Frau Niggemeyer (CDU/CSU),
Berichterstatterin 5455 B
Beschlußfassung 5455 C
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abg. Dr. Henn, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Starke, Wacher (Hof) u. Gen. betr. Anwendung der Richtlinien der Bundesregierung für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf Aufträge der Besatzungsmächte (Drucksachen 1438, 743) 5455 C
Beschlußfassung 5455 D
Nächste Sitzung 5455 D
Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5456 A
Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Landwirtschaftsgesetzes (Umdruck 471) 5456 C
Anlage 3: Entschließungsantrag der Fraktion der DP zum Entwurf eines Landwirtschaftsgesetzes (Umdruck 470) 5456 D
Anlage 4: Schriftliche Erklärung des Abg. Schwann gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über den Entwurf eines Landwirtschaftsgesetzes (Drucksache 1538) 5457 A
Anlage 5: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft (zu Drucksache 1430) 5457 B
Anlage 6: Schriftlicher Bericht des Ausschuses für Wirtschaftspolitik zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Aufhebung von Durchführungsverordnungen zum Bremischen Übergangsgesetz zur Regelung der Gewerbefreiheit (zu Drucksache 1403) 5458 B
Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
Anlage 1
Liste der beurlaubten Abgeordneten
Beurlaubungen
Abgeordnete beurlaubt
bis einschließlich
D. Dr. Gerstenmaier 15. August
Dr. Höck 31. Juli
Bauer (Würzburg) 30. Juli
Dr. Blank (Oberhausen) 30. Juli
Dr. Kreyssig 30. Juli
Dr. Pohle (Düsseldorf) 30. Juli
Schoettle 30. Juli
Dr. Vogel 30. Juli
Albers 23. Juli
Dr. Graf Henckel 23. Juli
Dr. Dresbach 16. Juli
Koenen (Lippstadt) 16. Juli
Morgenthaler 16. Juli
Pelster 16. Juli
Karpf 9. Juli
Kemper (Trier) 9. Juli
Lulay 9. Juli
Schuler 9. Juli
Wiedeck 9. Juli
Brockmann (Rinkerode) 8. Juli
Caspers 8. Juli
Dr. Deist 8. Juli
Donhauser 8. Juli
Feldmann 8. Juli
Brandt (Berlin) 8. Juli
Dr. Friedensburg 8. Juli
Graaff (Elze) 8. Juli
Hörauf 8 Juli
Frau Kipp-Kaule 8. Juli
Kurlbaum 8. Juli
Huth 8. Juli
Lang (München) 8. Juli
Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 8. Juli
Frau Dr. Maxsein 8. Juli
Müller-Hermann 8. Juli
Dr. Bucerius 8. Juli
Dr. Eckardt 8. Juli
Naegel 8. Juli
Raestrup 8. Juli
Reitz 8. Juli
Dr. Rinke 8. Juli
Onnen 8. Juli
Samwer 8. Juli
Scharnberg 8. Juli
Seuffert 8. Juli
Dr. Schellenberg 8. Juli
Schmitt (Vockenhausen) 8. Juli
Dr. Schöne 8. Juli
Stiller 8. Juli
Sträter 8. Juli
Wagner (Ludwigshafen) 8. Juli
Wittenburg 8. Juli
Delegierte und Stellvertretende
Delegierte bei der Beratenden
Versammlung des Europarates:
Altmaier 9. Juli
Dr. Becker (Hersfeld) 9. Juli
Birkelbach 9. Juli
Fürst von Bismarck 9. Juli
Erler 9. Juli
Even 9. Juli
Gräfin Finckenstein 9. Juli
Gerns 9. Juli
Haasler 9. Juli
Dr. Hellwig 9. Juli
Höfler 9. Juli
Kalbitzer 9. Juli
Kiesinger 9. Juli
Dr. Kopf 9. Juli
Lemmer 9. Juli
Dr. Lenz (Godesberg) 9. Juli
Dr. Leverkuehn 9. Juli
Dr. Lütkens 9. Juli
Marx 9. Juli
Dr. von Merkatz 9. Juli
Frau Meyer-Laule 9. Juli
Dr. Mommer 9. Juli
Dr. Oesterle, 9. Juli
Paul 9. Juli
Dr. Pfleiderer 9. Juli
Dr. Dr. h. c. Pünder 9. Juli
Frau Dr. Rehling 9. Juli
Dr. Schmid (Frankfurt) 9. Juli
Frau Schroeder (Berlin) 9. Juli
Schütz 9. Juli
Graf von Spreti 9. Juli
Trittelvitz 9. Juli
Dr. Wahl 9. Juli
Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 9. Juli
Anlage 2 Umdruck 471
(Vgl. S. 5425 A, 5433 D, 5453 C)
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1538, 405, 448):
Der Bundestag wolle beschließen:
In § 1 werden nach dem Wort „Kredit-" die Worte ,,, Sozial-, Finanz-" eingefügt und der folgende Satz 2 angefügt:
Damit soll gleichzeitig die soziale Lage der in
der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden.
Bonn, den 8. Juli 1955
Ollenhauer und Fraktion
Anlage 3 Umdruck 470
(Vgl. S. 5428 C, 5452 C, 5453 D)
Entschließungsantrag der Fraktion der DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 405, 448, 1538):
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
nach Inkrafttreten des Landwirtschaftsgesetzes diejenigen Maßnahmen unverzüglich bekanntzugeben, die schon jetzt zu einer Besserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Landwirtschaft führen können.
Bonn, den 8. Juli 1955
Müller (Wehdel)
Eickhoff
Matthes
Dr. von Merkatz und Fraktion
Anlage 4 (Vgl. S. 5453 D)
Schriftliche Erklärung
des Abgeordneten Schwann (FDP) zur Abstimmung gemäß §§ 59 der Geschäftsordnung über den Entwurf eines
Landwirtschaftsgesetzes (Drucksache 1538) Ich lehne diese Vorlage ab,
1. weil sie nach ihrem Inhalt kein Gesetz bringt, sondern eine Entschließung des Bundestages ohne jede Verpflichtung der Bundesregierung auf bestimmte Maßnahmen;
2. weil sie in der Landwirtschaft Hoffnungen erweckt, denen bei der zu erwartenden Nichterfüllung eine um so größere — auch politisch bedenkliche — Enttäuschung folgen wird,
3. weil die Aufwands- und Ertragsberechnungen keine schlüssigen, allseits anerkannten Ergebnisse bringen werden, so daß dem Grundanliegen der Landwirtschaft, zu schnellen Maßnahmen zu kommen, nicht entsprochen wird;
4. weil die konsequente Fortsetzung des in dieser Vorlage eingeschlagenen Weges zu einem Apparat statistischer Erheber führen wird, verbunden mit einer neuen Belastung der Landwirtschaft durch Auskunftspflicht, Zwangsmaßnahmen und Strafen;
5. weil die Vorlage auf Subventionen zum Teil zweifelhaften Charakters abzielt, während es darum geht, wirtschaftliche Voraussetzungen zu schaffen, unter denen der Bauernstand — ebenso wie die anderen Stände — sich durch eigene Leistung den rechten Lohn erarbeiten kann;
6. weil — zusammenfassend — diese Vorlage in ihrer jetzigen Fassung in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der ursprünglichen Absicht steht.
Bonn, den 8. Juli 1955
Hermann Schwann
Anlage 5 zu Drucksache 1430
(Vgl. S. 5454 C)
Schriftlicher Bericht
des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht
zum Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft
Berichterstatterin: Frau Abgeordnete Nadig
Die Drucksache 204, Antrag der Abgeordneten Frau Dietz, Bausch und Gen., ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft (Kundenzeitschriften). Dieser Entwurf wurde am 11. 3. 1954 dem Rechtsausschuß federführend überwiesen. Gleichzeitig ist die Drucksache auch dem Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films sowie dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung zugeleitet worden. Die drei Ausschüsse haben in mehreren Sitzungen die Vorlage beraten. Beide mitberatenden Ausschüsse haben Vorschläge für die Abänderung des Art. 1 Abs. II Buchst. e der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft gemacht.
Der Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film hatte sich auf folgende Fassung geeinigt:
Wenn Zeitschriften belehrenden und unterhaltenden, jedoch nicht aktuellen Inhalts, die der Werbung von Kunden und den Interessen des Verteilers dienen, die weiterhin durch entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite in ihrer redaktionellen Gestaltung sowie in ihren Hinweisen im Innern der Zeitschrift diesen Zweck erkennbar machen, in ihren Herstellungskosten geringwertig sind und unentgeltlich an den Verbraucher abgegeben werden (Kundenzeitschriften)
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hegte gegen diese Formulierung Bedenken und schlug folgende Abänderung vor:
Wenn Zeitschriften belehrenden und unterhaltenden, jedoch nicht aktuellen Inhalts, die nach ihrer Aufmachung und Ausgestaltung der Werbung von Kunden dienen (Kundenzeitschriften), durch Aufdruck auf der Titelseite als Kundenzeitschrift gekennzeichnet und in ihrem Kostenaufwand für den Verteiler geringwertig sind, unentgeltlich abgegeben werden
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß brachte in seinem Beschluß zum Ausdruck, daß er eine Gesamtüberprüfung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft und ihre Neufassung für erforderlich halte. Weiter wünschte der Ausschuß, in der Berichterstattung darauf hinzuweisen, daß nach Auffassung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses eine bestimmte Kundenzeitschrift in Umfang und Aufmachung den vorgeschlagenen Merkmalen nur im äußersten Falle entspreche.
Der federführende Ausschuß hatte erhebliche Bedenken, diesem Vorschlag nachzukommen. Er hielt es für gefährlich, eine Kundenzeitschrift gewissermaßen als Muster herauszustellen und an Hand einer Zeitschrift Gesetzesbestimmungen zu
zugestandenen Zweck nicht mehr erfüllen könnten.
Der Rechtsausschuß beschloß einstimmig, den Satz „jedoch nicht aktuellen Inhalts" zu streichen. Der Rechtsausschuß schlug für den Art. 1 Buchst. e der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft folgende Fassung vor:
Wenn Zeitschriften belehrenden und unterhaltenden Inhalts, die nach ihrer Aufmachung und Ausgestaltung der Werbung von Kunden und den Interessen des Verteilers dienen, durch einen entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite diesen Zweck erkennbar machen und in ihren Herstellungskosten geringwertig sind, unentgeltlich an den Verbraucher abgegeben werden"
Am 25. Mai 1955 hat sich der Presse- und Rundfunkausschuß nochmals mit der Vorlage beschäftigt. Der Vorschlag des Rechtsausschusses wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Im Namen des Rechtsausschusses bitte ich das Hohe Haus, den Beschlüssen des 16. Ausschusses in der Druckache 1430 die Zustimmung zu geben.
Frau Nadig Berichterstatterin
Anlage 6 zu Drucksache 1403
(Vgl. S. 5454 D)
Schriftlicher Bericht
des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß)
über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines
Zweiten Gesetzes zur Änderung und Aufhebung von
Durchführungsverordnungen zum Bremischen Übergangsgesetz
zur Regelung der Gewerbefreiheit
(Drucksache 828)
Berichterstatter: Abgeordneter Wehr
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß) hat am 28. April 1955 die ihm vom Bundestag in seiner 32. Sitzung am 28. Mai 1954 und in seiner 51. Sitzung am 21. Oktober 1954 überwiesenen Drucksachen 458 und 828 behandelt.
Im Lande Bremen wurde am 20. Dezember 1948 auf Grund der Direktiven für Gewerbefreiheit von dem Direktor der Militärregierung die allgemeine Gewerbefreiheit verkündet. Das Land Bremen erließ daraufhin ein Übergangsgesetz am 24. Januar 1949 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen S. 13), das den Senat ermächtigte, von den bis dahin gültigen reichsrechtlichen Vorschriften über die Gewerbezulassung abweichende Verordnungen zu erlassen.
Durch die Zweite Durchführungsverordnung vom 14. Februar 1949 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen S. 31) ist eine Reihe von gewerberechtlichen Zulassungsvorschriften aufgehoben worden. Hieraus haben sich bei verschiedenen Gewerbezweigen Mißstände ergeben. Eine Änderung dieses Zustandes ist nur durch ein Bundesgesetz möglich, da die Regelung gemäß Art. 74 Nr. 11 und Art. 125 Nr. 2 GG Bundesrecht geworden ist und die Ermächtigung des Bremischen Gesetzes vom 24. Januar 1949 nach ausdrücklicher Bestimmung des § 2 dieses Gesetzes und nach Art. 129 Abs. 3 GG erloschen ist.
Aus Gründen der Rechtseinheit und sachlicher Notwendigkeit sollen bei der Anwendung
des Gaststätten-Gesetzes,
des Gesetzes über den Verkehr mit unedlen Metallen,
des Milchgesetzes und
des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande
die bundesrechtlichen Zulassungsbestimmungen für Bremen wieder in Kraft gesetzt werden.
Die mit Drucksache 828 vom Bundesrat eingebrachte Vorlage wird im allgemeinen diesen Bedingungen gerecht. Die Bundesregierung hat dieser Vorlage keine Einwendungen entgegengesetzt, soweit es sich um die Wiedereinführung von Zulas(Frau Nadig)
erläutern. Eine solche Methode könne sehr leicht zu falschen Begründungen und Schlußfolgerungen führen. Außerdem habe man nie die Gewähr, daß der Charakter einer Zeitschrift sich nicht ändere. Der Rechtsausschuß war deshalb der Meinung, von diesem Anliegen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses absehen zu sollen.
Der Rechtsausschuß hat in drei Sitzungen die Abänderungsvorschläge des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films sowie den Vorschlag des Wirtschaftspolitischen Ausschusses beraten. Eine längere Aussprache entspann sich um das Merkmal der Geringwertigkeit der Kundenzeitschriften. Hier vertrat der Ausschuß die Meinung, daß diese Frage in der Rechtsprechung bereits behandelt sei und zu ganz konkreten Vorstellungen geführt habe.
Es war einmütige Auffassung, daß die Kundenzeitschriften in ihren Herstellungskosten geringwertig sein müssen. Die Formulierung des Presse- und Rundfunkausschusses, „daß Kundenzeitschriften keinen aktuellen Inhalt haben sollen", führte zu einer langen Diskussion. Der Ausschuß kam zu der Auffassung, daß diese Beschränkung zu weit gehe; dadurch würden die Kundenzeitschriften so langweilig werden, daß sie den ihnen vorn Ausschuß
(Wehr)
sungsvoraussetzungen handelt, die mit Art. 12 GG vereinbar sind.
Der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums wies im Ausschuß darauf hin, daß auf die Wiedereinführung der Bedürfnisprüfung bei der Zulassung aus verfassungsrechtlichen Gründen verzichtet werden müsse. Die Wiedereinführung der Bedürfnisprüfung steht auch den in diesem Zusammenhange vom Bundesverwaltungsgericht bereits gefällten Urteilen in dieser Frage entgegen.
Verhandlungen mit dem Lande Bremen haben ergeben, daß Bremen die Wiedereinführung der in Frage stehenden Gesetze mit Ausschluß der Bedürfnisprüfung begrüßt.
Um diesen Voraussetzungen gerecht zu werden, hat die Bundesregierung einen abgeänderten Gesetzentwurf erarbeitet und dem Ausschuß zur Behandlung vorgelegt. Damit wurden auch die Bedenken des Ausschusses, die er bei der früheren Behandlung der Drucksache 458 hatte, ausgeräumt. Der Ausschuß stimmte dem abgeänderten Entwurf der Bundesregierung einstimmig zu.
Ausdrücklich wird von dem Ausschuß nach eingehender Beratung darauf hingewiesen, daß eine Bedürfnisprüfung für das Gaststättengewerbe und für den Verkehr mit unedlen Metallen nicht vorgenommen werden darf. Desgleichen soll keine
Prüfung der im Milchgesetz vorgesehenen Mindestumsatzmengen vorgenommen und über diesen Umweg eine Bedürfnisprüfung eingeführt werden.
Die Bedenken, daß der Verzicht auf die Wiedereinführung des § 9 Abs. 2 des Personenbeförderungsgesetzes nicht ausreicht, um auf dem Umweg über die „Prüfung des öffentlichen Interesses" nach § 9 Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes eine Bedürfnisprüfung zu praktizieren, veranlassen den Ausschuß, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß der § 9 Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes nur eine unmittelbare Prüfung des öffentlichen Verkehrsinteresse zuläßt.
Auf die bisherige Praxis der Rechtsprechung wird nochmals verwiesen.
Vorbehalten hat sich der Ausschuß, die Vorschrift des § 9 Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes erneut zu überprüfen, sobald das Gesetz zur Beratung vorliegt.
Bonn, den 26. Mai 1955
Wehr
Berichterstatter