Rede von
Martin
Elsner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter und meine Herren Vorredner haben in eingehender
) Weise den vorliegenden Gesetzentwurf behandelt, so daß ich mich in meinen Ausführungen auf weniges beschränken kann. Wenn auch manche Kreise der Landwirtschaft, insbesondere die, die an die Lösung des Paritätsproblems großere Hollnungen geknüpft haben, nicht voll befriedigt sind, so ist der vorliegende Gesetzentwurf trotzdem ein entscheidender Fortschritt, ja ein Wendepunkt in der Gestaltung unserer Agrar- und Wirtschaftspolitik. Das Gesetz ist ein Grundsatzprogramm, das jedem Landwirtschaftsminister und jeder Bundesregierung in der Verantwortung für das Gesamtwohl unserer Wirtschaft und unseres Volkes eine feste Handhabe gibt, um der Landwirtschaft den Anteil an der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung zu geben, den sie erwarten darf und um den sie seit langem gekämpft hat, leider mit unzureichenden Ergebnissen.
Ein besonderer Wert des Gesetzes besteht darin, daß durch Repräsentativerhebungen objektiv und allen offenbar die Lage der Landwirtschaft vor dem Forum des Bundestages und des Bundesrates klargelegt wird. Das wird zweifellos zu einer klaren und anerkennbaren Meinungsbildung über die Lage der Landwirtschaft führen. Durch den Ertrags-Aufwands-Vergleich schafft der Gesetzentwurf die fruchtbare Ausgangslage für agrarpolitische Maßnahmen der Bundesregierung oder auch für solche Maßnahmen, die die Bundesregierung in Durchführung des Gesetzes vom Parlament fordern muß.
Der entscheidende Wert jedoch liegt unseres Erachtens darin, daß der Gesetzentwurf das Kostendeckungsprinzip, das im Bereich des Bergbaues und der eisenschaffenden Industrie eine Selbstverständlichkeit ist, anspricht und als Grundlage notwendiger Maßnahmen anerkennt. Insbesondere werden die Kosten herausgestellt, in denen das Mißverhältnis, die Disparität letztlich ihre Ursache hat. Das sind die Lohnfrage für Fremdarbeiter oder familieneigene Arbeitskräfte, der Betriebsleiterzuschlag und die Kapitalverzinsung. Diese drei Posten sind für die volle Teilnahme der Landwirtschaft am Aufstieg der Gesamtentwicklung entscheidend. Über die Höhe dieser Posten und damit über die mit diesen Dingen ursächlich im Zusammenhang stehenden Probleme haben in Zukunft unausweichlich die Bundesregierung und das Parlament sich auseinanderzusetzen und verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen werden nicht nur bei globalen Maßnahmen der allgemeinen Agrar- und Wirtschaftspolitik notwendig werden, sondern sie werden ebenso gezielte Maßnahmen sein, um dem Unterschied in der Ertragslage entgegenzuwirken.
Mit der Sicherstellung der Kostendeckung, insbesondere mit der Schaffung der Lohnparität wird zweifellos der Kern der sozialen Frage getroffen, wird endlich ein Schlußstrich gezogen unter die Unterbewertung der Landarbeit. Damit wird der Landflucht im wesentlichen entgegengewirkt werden können, und das, meine Damen und Herren, würde, wenn uns diese Grundlagen durch die Handhabung des Gesetzes gegeben würden, einen Wendepunkt in der Gestaltung unserer Agrarpolitik und Wirtschaftspolitik bedeuten.
Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß trotz alledem wesentliche Gebiete der Agrarpolitik, der Agrarproblematik von dieser Lösung unberührt bleiben. Wir meinen damit die sozialen
Probleme, die Probleme der Altersversorgung, die Probleme des Altenteils, der Arbeitsverfassung, und wären glücklich gewesen, wenn die Fassung des § 1, wie sie ursprünglich angenommen wurde, erhalten geblieben wäre. Mein Herr Vorredner, Herr Kollege Frehsee, hat ja in überzeugender Weise auf diese Dinge hingewiesen, so daß ich es mir ersparen kann, im besonderen darauf einzugehen.
Der Gesetzentwurf stellt, wie wiederholt betont worden ist, die unentbehrliche Grundlage für das Wirksamwerden aller geplanten oder eingeleiteten Agrarmaßnahmen dar, insbesondere der strukturellen Maßnahmen wie Flurbereinigung, Dorfauflockerung, Aufstockung von Zwergbetrieben und so fort und nicht zuletzt auch für die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern. Ohne dieses Gesetz können alle diese Maßnahmen nicht voll wirksam werden.
Eine verantwortungsbewußte Handhabung dieses Gesetzes wird der westdeutschen Landwirtschaft das bereits empfindlich gestörte Vertrauen zurückgeben. Die Landwirtschaft wird dann all die Maßnahmen ergreifen können, die zu einer Produktionssteigerung und einer Steigerung der Produktivität führen, aus der heraus sie in der Lage ist, unsere Verbraucherschaft reichlich und preiswürdig mit Lebensmitteln zu versorgen.
Die Nachkriegsleistung der westdeutschen Landwirtschaft kann auch von den hartnäckigsten Gegnern nicht in Zweifel gezogen werden. Denn in dem kurzen Zeitraum von der Währungsreform bis heute konnte die Eigenversorgung in der Bundesrepublik von 40 % auf 73 % gesteigert werden, wobei die Gesamtproduktion einen Wert von 15 Milliarden DM erreicht hat, während der Wert der Erzeugung von Kohle, Eisen und Stahl bei 14 Milliarden DM liegt. Diese beiden Zahlen zeigen eindeutig den Leistungswillen der Landwirtschaft und die Produktionsgröße im Rahmen der Gesamtwirtschaft.
Unzweifelhaft wird eine rentable Landwirtschaft durch ihren großen Nachholbedarf insbesondere bei der Modernisierung ihres Produktionsapparats mit ihrer Kaufkraft auch den Binnenmarkt erweitern und bereichern, dies um so mehr, wenn man dem Binnenmarkt die gleiche Pflege zuteil werden läßt wie dem Auslandsmarkt.
Die agrargeschichtlichen Erfahrungen insbesondere Englands sollten uns warnen, wirtschaftlich Wege zu gehen, die zur Preisgabe des Bauerntums, der Landwirtschaft führen. In zwei großen Agrarkrisen hat England seine Landwirtschaft dem Verfall preisgegeben. England hat aus den Folgen bittere Erfahrungen gesammelt und ist dabei, seine Landwirtschaft erneut aufzubauen. Welche Anstrengungen es dabei macht, zeigen allein die außerordentlich hohen Subventionen, die es seit zehn Jahren zum Aufbau seiner Landwirtschaft in großem Stil einsetzt. Der Haushaltsansatz dafür im vergangenen Jahr betrug 250 Millionen Pfund. Das sind nach unserer Währung 3 Milliarden DM jährlich oder ein Zehntel unseres Bundeshaushalts. Hinzu kommen noch die übrigen Leistungen für die Landwirtschaft, die beträchtlich höher liegen als bei uns. Das ist heute dem englischen Volk seine Landwirtschaft wert. Die Engländer haben nicht vergessen, daß sie in zwei Kriegen hungern mußten.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat jüngst einmal gesagt: das eigene Brot ist das sicherste. Nach den englischen Erfahrungen
glaube ich sagen zu müssen: es ist auf die Dauer gesehen auch das billigste.
Die Forderung der Landwirtschaft nach dem Ausgleich ihrer naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile durch Einsatz agrar- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen ist in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Sie stellt nichts anderes dar als den Anspruch auf den gerechten Anteil an der fortschreitenden Entwicklung der Gesamtwirtschaft. Meine Fraktion wird daher dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zustimmen.