Meine Damen und Herren! Bei der großen Bedeutung dieses Gesetzes, das auch die Öffentlichkeit in einem Maße beschäftigt hat wie bisher wohl noch kein Agrargesetz, können wir es uns nicht versagen, auf die Gesamtproblematik dieses Gesetzes in der dritten Lesung mit einigen grundsätzlichen Worten einzugehen. Die Landwirtschaft ist an und für sich befriedigt darüber, daß die deutsche Öffentlichkeit sich nun doch mit dem Problem Landwirtschaft mehr beschäftigt, als es vielleicht früher der Fall war, und daß sie trotz der großen Erfolge des deutschen Unternehmers und der gewaltigen Leistungen des qualifizierten deutschen Arbeiters ein derartiges Interesse an der Landwirtschaft an den Tag legt. In der Tat: die Landwirtschaft hat es nicht nötig, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, und sie kann seit der Zeit nach dem Zusammenbruch mit gewaltigen Leistungen aufwarten, wenn sich auch diese Leistungen nicht unmittelbar so sichtbar ausdrücken wie etwa die Leistungen der gewerblichen Wirtschaft, die wir in gewaltigen Bauten sehen oder in der ungeheuren Güterproduktion, die wir in allen Schaufenstern betrachten können.
Wenn wir uns die Tatsache vor Augen halten, daß wir mit dem Zusammenbruch die großen agrarischen Gebiete Mitteldeutschlands und Ostdeutschlands verloren haben und nun zusätzlich die 10 Millionen Menschen, welche jene Gebiete bevölkert haben, noch mit ernähren müssen, dann können wir doch mit Recht und Stolz darauf hinweisen, welch gewaltige Leistungen die Landwirtschaft Westdeutschlands vollbracht hat. Es ist von niemandem bestritten, daß nicht nur die Flächenleistung, sondern auch die effektive Leistung je Arbeitskraft diese Steigerung aufweist. Man streitet sich darüber, ob die Arbeitsproduktivität in dem Jahre 1953/54 nun auf 121 oder auf 128 steht. Auf alle Fälle wird sie sich in diesem Rahmen bewegen.
Aber nicht nur was die Menge und die Leistung der Arbeitskräfte anbelangt, können wir stolz sein, auch die Qualität, die ja von vielen heute bemängelt wird. kann sich sehen lassen. Ich erinnere nur daran, daß es gewisse landwirtschaftliche Produkte gibt, die wir in Deutschland erzeugen und die eine begehrte Ware auf dem Weltmarkt geworden sind, ob das nun die Dosenschinken sind oder das hervorragende Obst, das wir in einem Jahr mit gewaltiger Ernte nach dem Ausland exportiert haben, oder ob es sich um die, ich kann es ruhig sagen, wohl beste Butter der ganzen Welt handelt, wie sie in der deutschen Qualitätsbutter auf dem Markt dargeboten wird. Ich darf aber auch noch darauf hinweisen, daß die Landwirtschaft heute in einem Stadium begriffen ist, in dem sie zusätzlich die Leistungen nach der Qualitätsseite steigern will.
Ich erinnere hier an ein Problem, das in seiner Tragweite und in seiner Größe von der Öffentlichkeit im Hinblick auf die finanziellen Opfer, die dabei von der deutschen Landwirtschaft gefordert werden, vielleicht nicht in dem Maße gewürdigt wird, wie es notwendig wäre. Von niemandem bestritten, sind allein die laufenden Leistungen bis zum Abschluß der Sanierung der Rinderbestände von der Tbc auf etwa 3 bis 3 1/2 Milliarden zu veranschlagen!
Wie aber, meine Damen und Herren, ist nun die Lage der Landwirtschaft? Einige Redner sind ja bereits darauf eingegangen. Wenn die Lage der Landwirtschaft rosig wäre, könnten wir auf dieses Gesetz verzichten. Gestern erschien in der Presse eine Veröffentlichung der Deutschen Rentenbank über das abgelaufene Jahr 1953/54, in der klargelegt wird, daß die kurzfristige Verschuldung wiederum um weitere 630 Millionen zugenommen hat — in einem Jahr, das doch im großen gesehen als ein fruchtbares angesehen werden kann! Wie wird die weitere Verschuldung in dem abgelaufenen Jahr 1954/55 mit seinen katastrophalen Witterungsverhältnissen wohl aussehen? Die Gesamtverschuldung, die heute bei 7 Milliarden angelangt und damit bereits höher ist als in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, redet eine deutliche Sprache. Wenn Sie dann daran denken, daß diese Verschuldung im wesentlichen auf Personalschulden begründet ist, daß sie kurzfristiger Natur ist und daß sie gegenüber jener vor dem 2. Weltkrieg mit mindestens den doppelten Zinsen belastet ist, dann können Sie sich ein Bild machen von dem heutigen Stand der Verschuldung.
Das Ifo-Institut in München hat vor einem halben Jahr den Arbeitsertrag der mitarbeitenden bauerlichen Familienarbeitskräfte inklusive des Unternehmers fixiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Menschen 67 Pfennig in der Stunde verdienen, übrigens ein Satz, der sich vollauf auch mit cien Ergebnissen beispielsweise meines Heimatlandes Baden-Württemberg deckt. In
4 unseres Gesetzesentwurfs verlangen wir, daß klargestellt wird, wie das Verhältnis zu vergleichbaren Tarif- und Lohngruppen sauf dem Lande ist. Ich will hier mal einen Lohn herausgreifen, beispielsweise der Sägeindustrie; dort liegt der Lohn des angelernten Arbeiters heute bei 1,35 DM! Da braucht man sich doch eigentlich nicht zu wundern, daß nun nahezu alle Menschen, die nicht irgendwie aus familiären Gründen glauben, besondere Rücksichten nehmen zu müssen, aus der Landarbeit abwandern. Hier deckt sich meine Auffassung genau mit der, die Herr Frehsee vorhin zum Ausdruck gebracht hat. Es wird also notwendig sein, diese Dinge entscheidend zu ändern.
Daß die Landwirtschaft in bezug auf die Entlohnung der Fremdarbeiter bisher nichts getan hätte, kann man ihr nicht vorwerfen. Die Fremdarbeiterlöhne in der Landwirtschaft stehen im Augenblick im Durchschnitt des Bundesgebiets bei 1,11 DM und haben damit, berücksichtigt man nur die Barlöhne, gegenüber der Vorkriegszeit einen
Indexstand von 273 erreicht. Sie alle wissen, daß sich der Index der Verkaufserlöse in der Landwirtschaft im Durchschnitt der Produkte rund um die Zahl 200 bewegt. Wie kann man unter diesen Verhältnissen nur zu der Auffassung kommen, die Landwirtschaft hätte in der Rationalisierung nichts getan! Dabei weiß man doch, daß zahlreiche Betriebe durch den Barlohn mit nahezu 50 °/o der Gesamtausgaben belastet sind. Soweit Ausgaben in Betrieben nicht in diesem Umfange gemacht wurden, ist das darauf zurückzuführen, daß die mitarbeitenden Familienangehörigen auf den ihnen zustehenden Lohn verzichteten.
Herr Frehsee, ich bin in folgendem Punkt durchaus mit Ihnen gleicher Auffassung. — Er ist leider nicht da. Ich habe ihn gutmütig angehört. Es wäre vielleicht auch kein Schaden, wenn er zuhörte. Herr Kriedemann, Sie sind wohl bereit, ihm zu berichten. Ich gehe mit ihm darin einig, daß die Arbeitsverfassung in der Landwirtschaft im Laufe der Zeit geändert werden muß. Wir stehen gar nicht an, zu erklären, daß das System der Ledigenkräfte geändert werden muß, so daß Wir eines schönen Tages statt der Ledigen gut fundierte verheiratete Arbeiter haben. Daran, daß es noch nicht dazu gekommen ist, trägt einzig und allein die Unterbewertung der landwirtschaftlichen Arbeit die Schuld. Es ist nicht so, daß der Bauer aus einem Vorurteil oder weil er der modernen Entwicklung nicht aufgeschlossen gegenüberstünde, gegen verheiratete Kräfte wäre.
Im übrigen spielen da noch andere Dinge, z. B. die Wohnraumbewirtschaftung, eine ganz große Rolle. Heute ist es so: Wenn ein Bauer — zum Teil mit Hilfe öffentlicher Mittel — eine Landarbeiterwohnung errichtet und einen verheirateten Landarbeiter eingestellt hat, der dann in die Industrie wegläuft, nachdem er einige Monate bei ihm gearbeitet hat, bleibt die Wohnung blockiert. Er kann einem anderen, den er dafür einstellt, die Wohnung nicht geben. Was soll er dann tun? Er hat ja nicht einmal einen Wohnraum für eine ledige Arbeitskraft. Solange dieser Zustand nicht geändert wird, kann man noch so viel reden, es wird nicht anders. Welcher Bauer wird das Geld für eine Landarbeiterwohnung ausgeben, wenn er sie nicht zweckentsprechend verwerten kann?
Es ist notwendig, noch einige andere Dinge zu sagen. Daß die Abkehr von der Landarbeit so große Fortschritte macht, ist kein Wunder. Wir haben große Sorgen, daß dadurch zahlreiche Bauernbetriebe zu einer extensiven Wirtschaftsweise gezwungen werden. Ich darf darauf hinweisen, daß eine ganze Reihe von Ausgaben fester Natur sind und nicht geändert werden können. Wenn gleichzeitig die Roheinnahmen sinken, sieht sich der landwirtschaftliche Betriebsleiter nicht mehr in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Im übrigen: Wie wird sich das auswirken, daß jetzt die Gewerkschaften — ob zu Recht oder zu Unrecht, will ich hier gar nicht untersuchen — die 40-Stunden-Woche fordern? Diese Forderung wird dann auch auf die Landwirtschaft übergreifen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Bauernbetrieb bei dem relativ niederen Ertrag in der Lage sein soll, dem Arbeiter den gleichen Lohn für 40 Stunden zu zahlen, den er bisher für eine doch unvergleichlich höhere Stundenzahl erhält.
Ich habe vorhin meine Genugtuung darüber ausgesprochen, daß weite Kreise ein großes Interesse an der Landwirtschaft nehmen. Meine Freude darüber ist allerdings dadurch etwas getrübt, daß sehr viele nicht die Eigenheiten des landwirtschaftlichen Betriebes kennen und deshalb für die besonderen Verhältnisse, unter denen der Bauer seiner Arbeit nachgehen muß, kein oder nur ein geringes Verständnis zeigen. Sonst wäre es nicht möglich, daß die führende Presse noch bis zum heutigen Tage gegen dieses Landwirtschaftsgesetz wettert,
obwohl der Bundestag mit der Abstimmung in der zweiten Lesung die Notwendigkeit dieses Gesetzes einmütig bestätigt hat.
Gerade gegen diese Kreise möchte ich nun einige Worte sagen. Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich es von meinem bäuerlichen Standpunkt aus tue. Sicherlich hat sich bei uns die große Masse von der volkswirtschaftlichen Auffassung abgekehrt, daß man in einem hochindustrialisierten Staate die Landwirtschaft nicht zu schützen brauche und daß man eben die Lebensmittel dort kaufen solle, wo sie am billigsten zu haben sind. Dieser Bundestag hat in dankenswerter Weise durch zahlreiche Gesetze bewiesen, daß er sich der Auffassung dieser weltwirtschaftlichen Theoretiker nicht anschließt; sonst hätte er die Zollgesetze zugunsten der Landwirtschaft und die Marktordnungsgesetze nicht beschlossen. Von vielen Volkswirtschaftlern wird aber noch die Auffassung vertreten, die Landwirtschaft habe sich eben damit abzufinden, daß die Landarbeit schlechter bezahlt werde als die Arbeit im gewerblichen Sektor; es sei ein unabwendbares Schicksal, daß die Industrie sich besser fortentwickeln könne als die Landwirtschaft, und, auf die Dauer gesehen, werde die Rendite in der Industrie immer größer werden, während die der Landwirtschaft naturnotwendig zurückbleiben müsse. Es wird weiter gesagt, diese Theorie von der notwendig geringeren Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft stehe im Zusammenhang mit einer drohenden Überproduktion.
Zahlreiche Herren, nicht aus dem Bundeskabinett, sondern aus den Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums und dann auch einige bedeutende Agrarwissenschaftler in der Bundesrepublik samt einer Reihe von Agrarjournalisten haben uns in den letzten Jahren immer wieder versichert, daß eben der technische Fortschritt der Landwirtschaft nicht in dem gleichen Maße zugute kommen könne wie der Industrie. Weil die Maschine hier nur als ein Hilfsinstrument anzusehen sei, während sie in der Industrie in zwei und drei Schichten tagtäglich voll eingesetzt werden könne, sei es ausgeschlossen, daß die Landwirtschaft jemals den gleichen Stand der Arbeitsproduktivität erreichen könne wie der industrielle Betrieb. Da aber der Grad der Arbeitsproduktivität, d. h. die Leistung je Kopf des Arbeiters, den Lohn bestimme, seien wir auf die Dauer verurteilt, billiger zu arbeiten.
Auf der anderen Seite hat man gesagt, die Bedürfnisse des Menschen nach materiellen Gütern seien unendlich. Das stimmt auch. Wer hätte vor 30 Jahren an den Lippenstift oder an das Fernsehen oder ähnliche Dinge gedacht! Sicherlich hat man durch den steigenden Wohlstand die Möglichkeit, sich überall in der Familie und im wirtschaftlichen Leben ohne Ende dieser Errungenschaften der modernen Wirtschaft zu bedienen. Darüber hinaus ist es so, daß die gewerbliche Wirtschaft durch ihre neuen Erfindungen geradezu die Be-
dürfnisse des einzelnen Menschen noch zusätzlich weckt, während der Landwirtschaft nur eine einseitige und sehr beschränkt ausdehnungsfähige Nachfrage, nämlich die nach Nahrungsmitteln, gegenübersteht.
Ich will nicht darauf eingehen, daß diese Dinge in unentwickelten Ländern noch anders sind. Aber auf alle Fälle ist es so, daß wir die Faktoren, die einen zusätzlichen Verbrauch von Lebensmitteln bewirken, in der Landwirtschaft nicht in der Hand haben: einmal die Bevölkerungsvermehrung und zum andern den steigenden Lebensstandard. Die Bevölkerungsvermehrung ist, mindestens in Europa, abgeschlossen, und was den steigenden Lebensstandard betrifft, so wendet sich der größte Teil des Mehreinkommens nicht dem zusätzlichen Verbrauch der von uns erzeugten Nahrungsgüter zu, sondern eben anderen Dingen. Auch der Reiche kann schließlich nicht sehr viel mehr essen als der Arme.
Damit bleibt der Landwirtschaft nach Ansicht dieser Theoretiker nur eine Möglichkeit übrig, nämlich aus den kleinbäuerlichen Familienbetrieben die überzähligen Arbeitskräfte abzustoßen, damit sie in die Industrie abwandern. Darüber hinaus soll sie ihre Betriebe auf das äußerste weiter rationalisieren und ihre Betriebsorganisation verbessern, um die dadurch zusätzlich entbehrlich werdenden Arbeitskräfte ebenfalls in die Industrie abzugeben. Bei diesem Umschichtungsprozeß — so sagen unsere wirtschaftspolitischen Gegner — soll der Staat behilflich sein. Durchaus in Ordnung! Zinsverbilligung, Steuererleichterung und dergleichen Dinge — alles zugestanden! Damit die Landwirtschaft aber in den Stand versetzt wird, sich die technischen Fortschritte und die noch vorhandenen Rationalisierungsmöglichkeiten voll nutzbar zu machen, soll der Staat vor allen Dingen das Ausbildungs- und das Beratungswesen mehr als bisher fördern. Schließlich müsse man dafür Sorge tragen, daß die zu kleinen Betriebe, die eine bäuerliche Familie nicht voll ernähren können, aufgestockt werden und daß die Flurzersplitterung beseitigt wird. Wenn dies alles aber geschehen sein werde, so meint man, dann habe der Staat von sich aus das Seine getan, und ein Landwirtschaftsgesetz erübrige sich völlig. Darüber hinaus seien dann auch die Marktgesetze, die Einfuhrbeschränkungen und dergleichen Dinge unnötig. Man sollte, so sagen diese Theoretiker, die deutsche Landwirtschaft, damit sie sich dann schnell selber umstelle, in das eiskalte Wasser einer internationalen Konkurrenz hineinwerfen.
Meine Damen und Herren, damit würde der Landwirtschaft ein trübes Schicksal bevorstehen, und man wird verstehen, daß sie sich nicht ohne weiteres mit diesen Dingen abfinden will und im Interesse der gesamten Volkswirtschaft auch nicht abfinden kann. Wenn wir einmal unterstellen, die Theorie von dem naturnotwendigen Zurückbleiben der Landwirtschaft hinter der gewerblichen Wirtschaft wäre richtig, die sogenannte Unterbewertung der Landarbeit wäre eine unabwendbare Erscheinung und es gäbe keinen anderen Ausweg als die vorerwähnten Maßnahmen — haben sich die Verfechter dieser Theorie denn auch schon einmal die daraus resultierende Konsequenz überlegt? Immerhin sind bis heute noch 6 Millionen Menschen in der Landwirtschaft tätig. Wo sollen die dann hin? Sie müssen sich eine neue Existenzgrundlage suchen. Glaubt man, daß ein solcher Prozeß ohne schwere soziale Erschütterung vor sich gehen würde? Was geschieht aber dann, wenn vielleicht eines schönen Tages — wir hoffen allesamt, daß es nicht eintritt — die riesige Vorwärtsentwicklung der gewerblichen Wirtschaft eine Stockung erleidet? Wohin dann mit diesen Menschen? Hält man einen Konjunkturrückgang überhaupt für völlig ausgeschlossen? Ich will keinen an die Wand malen; ich darf aber doch als Schwabe darauf hinweisen, wie glücklich die Menschen in meiner Heimat in den Jahren der Krise vor dem zweiten Weltkrieg waren, 1929 bis 1933, daß sie, auch wenn sie Industriearbeiter waren, der Landwirtschaft noch verhaftet waren. Sollen diese Relationen heute zerstört werden? Sieht man die wirklichen Werte denn nicht mehr? Mir scheint, daß unsere guten Ratgeber sich darüber noch keine Gedanken gemacht haben.
Allerdings taucht auch noch eine andere Frage auf: Hat der Staat überhaupt ein Interesse an einer möglichst großen Zahl von klein- und mittelbäuerlichen Betrieben und damit von selbständigen Existenzen? Wir klagen doch so viel, die moderne Entwicklung der Technik führte dazu, daß die Menschen entpersönlicht und vermaßt werden. Und da will man nun auf Grund von kühlen wissenschaftlichen Argumenten einen Großteil der heute mit dem Boden verwurzelten Menschen dazu verurteilen, nun auch ihrerseits in der großen Masse zu verschwinden?! Nein, meine Damen und Herren, da stimmt etwas nicht. Es ist ein Widersinn, wenn auf der einen Seite begrüßenswerterweise zahlreiche Menschen zu einem eigenen Besitz kommen — ich erinnere an den Sozialen Wohnungsbau, an den privaten Eigenbesitz, den die Betreffenden durch diese Eigenheime erlangen — und auf der anderen Seite Bestehendes gefährdet würde.
Manche sind der Auffassung, dieses Landwirtschaftsgesetz sei nur ein Großbauerngesetz, es berücksichtige nicht die Belange der kleinen Landwirtschaft. — Nein, meine Damen und Herren, es heißt ausdrücklich in § 2 dieses Gesetzes, daß die Erhebungen sich auf alle Sparten der Landwirtschaft erstrecken sollen nach Betriebsgrößen, Betriebstypen, Betriebssystemen und Wirtschaftsgebieten. Ich denke hier vor allen Dingen an die große Masse aller jener Betriebe, die bisher auf kleinstem Besitz eine Familie — wenn auch kärglich — ernähren konnten. Alle jene, die Spezialkulturen betreiben, etwa im Obst-, Gemüse- und Weinbau, die wären dann alle nicht mehr, wenn wir diesen Theorien huldigten.
Man hat errechnet, daß idle technische Ausrüstung, die nachzuholen 'isst, etwa einen Betrag von 30 Milliarden DM beansprucht. Wie sollen die Mittel dann aufgebracht werden neben den sonstigen Ausgaben für Flurbereinigung und wasserwirtschaftliche, landeskulturelle Maßnahmen, Verbesserung der Agrarstruktur usw.?! Sicherlich muß die Landwirtschaft weiter rationalisieren. und sicher wird der seit Jahren im Gang befindliche Prozeß noch einige Zeit weitergehen, ,daß wir mit einem gewissen Rückgang des Anteils der landwirtschaftlichen Bevölkerung rechnen müssen. Aber das kann sich doch nur ganz langsam und im Einklang mit der Gesamtentwicklung vollziehen.
Ebenso steht es mit den Maßnahmen der Agrarstruktur. Herr Bundesminister, wir sind Ihnen sehr dankbar, daß das eines Ihrer Steckenpferde ist und Sie klar 'erkannt haben, daß diesen Dingen ein