Rede von
Heinz
Frehsee
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich bin dafür, Frau Kollegin Kalinke, daß die soziale Not auch in der Landwirtschaft beseitigt wird.
Auch dort sind soziale Hilfen notwendig. Vom Kindergeld habe ich im übrigen jetzt nicht mehr gesprochen.
Frau Kollegin Kalinke, ich möchte noch das eine sagen. Ich komme in der Landwirtschaft herum, und zwar bis in die kleinsten Betriebe hinein. Ich kenne die Verhältnisse, so wie sie dort sind: das wirkliche Leben. Ich weiß auch, inwieweit die Bestimmungen des Tuberkulosehilfegesetzes und all die Dinge in der Landwirtschaft praktisch angewendet werden können und in Anspruch genommen werden.
Meine Damen und Herren, ich habe also eben davon gesprochen, daß man entschlossen und mit praktischen Mitteln an solche Nottatbestände herangehen muß. Um einen Nottatbestand handelt es sich sicherlich auch in der Frage, derentwegen ich eben den Kollegen Fassbender angesprochen habe. Man sollte versuchen, zweckentsprechende Regelungen, wie beispielsweise das Mutterschutzgesetz eine darstellt, auch für diese bedauernswerten, sicherlich am schwersten geplagten Frauen unserer Tage zu finden.
Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Beispiele, die verdeutlichen, daß die Sozialpolitik unabdingbar in diesen Katalog aufgenommen werden muß. Bitte, meine Damen und Herren, sind Sie nicht auch daran interessiert, daß das Landwirtschaftsgesetz bei allgemeinen sozialpolitischen Entscheidungen dieses Hauses oder der Regierung berücksichtigt wird? Sind Sie, wenn Sie es nach außen vielleicht auch nicht zugeben wollen, nicht doch im Stillen der Meinung, daß der Schweinepreis im Frühjahr oder im vergangenen Winter nicht eine noch viel bedauerlichere Entwicklung genommen hätte, wenn nicht vom 1. Januar an Kindergelder und wenn nicht Rentenmehrbeträge gezahlt worden wären?
Sie erkennen die Bedeutung der allgemeinen Sozialpolitik für die Landwirtschaft. Aus diesem Grunde sollte sie auch hier aufgeführt werden.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Beispiele; aber ich möchte mich nun damit bescheiden. Ich will lediglich noch feststellen, daß auch die Lösung des Arbeitskräfteproblems, das uns gerade in dieser Zeit so auf den Nägeln brennt, sozialpolitische Mittel erfordert. Wir haben darüber bei anderer Gelegenheit im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gesprochen. Wir sind uns sicherlich alle darüber einig, daß wir das Arbeitskräfteproblem in der Landwirtschaft nachhaltig nur lösen können, wenn wir die Landarbeitsverfassung ändern, diese unglückselige Landarbeitsverfassung, die sich darin ausdrückt, daß 70 % der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer Ledige und nur 30 % Verheiratete sind. Dieses Verhältnis muß mindestens umgekehrt werden. Sicherlich schaffen Sie über die rein materiellen Dinge, natürlich über den Lohn und damit über den Preis sowie über die Mittel, die hier schon aufgeführt sind, Voraussetzungen dafür.
— Ja, Herr Bauknecht, und deswegen hegen wir auch große Hoffnungen in bezug auf dieses Gesetz. Sie wissen es ja, und der Brief des Hauptvorstandes meiner Gewerkschaft, der Ihnen gestern ins Fach gelegt worden ist, bestätigt doch, wie positiv wir zu diesem Gesetz stehen. Ich darf sagen, Herr Kollege Bauknecht, daß wir glücklicher wären, wenn der Inhalt noch konkreter und die Verpflichtungen noch deutlicher wären. Aber darüber wird heute noch an anderer Stelle gesprochen werden müssen. Zur Lösung des Arbeitskräfteproblems braucht man sozialpolitische Mittel — nicht lediglich lohnpolitische —, z. B. um jedem Landarbeiter die Familiengründung zu ermöglichen. Da gibt es beispielsweise die Richtlinien über die Arbeitsaufnahme in der Landwirtschaft, von denen wir gesprochen haben, die ausgebaut werden müßten.
Auf dem Gebiet der Sozialpolitik gibt es ein anderes wichtiges Anliegen, wenn man das Arbeitskräfteproblem lösen will; das ist die Beseitigung all der vielen arbeits- und sozialrechtlichen Ausnahmebestimmungen, die für landwirtschaftliche Arbeitnehmer bestehen und die diese Landarbeiter in den Augen der Öffentlichkeit und auch in den Augen derer, die Landarbeit aufnehmen sollen, so sehr diskriminieren. Meine Damen und Herren, es ist einfach kein Geheimnis, daß in der Landwirtschaft die Unfallrente im Verhältnis zu dem vorher erzielten Lohn sehr viel niedriger ist als in der gewerblichen Wirtschaft. Es ist kein Geheimnis, daß es im Betriebsverfassungsrecht und im Kündigungsschutz für die Landwirtschaft schlechtere und ungünstigere Bestimmungen gibt als für die gewerbliche Wirtschaft. Das alles führt natürlich dazu, daß die Anziehungskraft der Landarbeit, daß ihre Werbekraft eine so geringe ist. Wenn wir die Werbekraft und die Anziehungskraft der Landarbeit erhöhen wollen, so gehört dazu nicht nur die Angleichung des Lohnes, sondern auch eine ganze Reihe anderer Mittel, eben auch sozialpolitischer Art. Ich will damit nicht den Herrn Präsidenten zu der Vermutung bringen, daß ich vom Thema abweiche. Aber ich wiederhole: es ist auch notwendig, mit sozialpolitischen Mitteln etwas zur Hebung der Werbekraft und der Anziehungskraft der Landarbeit zu tun.
Auch aus diesem Grunde appellieren wir an Sie, meine Damen und Herren, die Sozialpolitik in den Katalog des § 1 aufzunehmen und ebenso den letzten Satz der Fassung des Unterausschusses „Paritätsgesetze" wieder aufzunehmen. Wir appellieren auch besonders deshalb an Sie, weil die Landarbeiter sich von diesem Satz einiges erhoffen — sicherlich gilt er nicht nur für die Landarbeiter — und weil sie es nicht verstehen könnten, wenn dieser Satz jetzt in dem Gesetz nicht mehr erschiene, obwohl ihnen vorher durch die Presse und durch die Gewerkschaft mitgeteilt worden ist, daß dieser Satz in dem Gesetz stehe. Die Landarbeiter schauen seit Jahren — ich habe das bereits einmal angedeutet — voller Hoffnung auf dieses Landwirtschaftsgesetz. Enttäuschen Sie sie nicht in ihren Erwartungen! Lassen Sie sich bitte leiten von der bangen Frage, die heute in der agrarpolitischen Diskussion einen breiten Raum einnimmt: wer wird die Scheunen füllen?! Lassen Sie sich leiten von solchen Erkenntnissen, wie sie beispielsweise Herr Präsident Dr. Frey in der Generalversammlung des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes im Dezember vergangenen Jahres in Krefeld geäußert hat! Wenn Sie sich davon leiten lassen, dann müssen Sie dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmen.
Damit möchte ich schließen. Ich möchte Ihnen aber jetzt schon an dieser Stelle mitteilen, daß wir beantragen, dem Entschließungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 470*) noch einen Satz hinzuzufügen, und zwar:
und gleichzeitig mitzuteilen, wann und wie sie diese Maßnahmen durchzuführen gedenkt.
Ich darf diesen Antrag dem Herrn Präsidenten überreichen.