Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns jetzt am Ende der Beratungen mit dem Ergebnis der Debatte und der Ausschußarbeit befassen, dann genügt es nicht, daß wir dazu die Drucksache 1538 in die Hand nehmen. Das genügt schon deshalb nicht, weil ja alle Eingeweihten wissen, daß der fromme, leider etwas verspätete Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird, der in der Korrespondenz einer der großen Parteien dieses Hauses auf der Seite der Koalition ausgesprochen worden ist: man solle doch nun die mehr oder weniger unfruchtbare Paritätsdiskussion 'abgeschlossen sein lassen. Wir wissen j a alle, daß sie damit keineswegs abgeschlossen sein wird, denn was sollten nur die Leute von der Opposition — nicht der Opposition in diesem Hause, die betätigt sich nicht so unvernünftig, sondern der Opposition z. B. im Bauernverband und der Opposition in der Koalition, von der wir eben eine kleine, auch für mich sehr bedauerliche Kostprobe bekommen haben — machen, wenn sie diese „unfruchtbaren Diskussionen" sein lassen würden!
Es ist ja gar nicht so, daß die Landwirtschaft, von Feinden umringt, immer durch einige brave Winkelriede hier mit dem letzten Mute der Verzweiflung verteidigt werden müßte. Ich finde in diesem Falle, Herr Kollege Bauknecht, nehmen Sie mir das bitte nicht übel, auch lange Passagen Ihrer heutigen Darlegungen einfach fehl am Platze. Es ist gar nicht so, daß die Landwirtschaft nur auf Unverständnis stieße. Wenn es heute in weiten Kreisen Deutschlands nicht .die Aufgeschlossenheit für landwirtschaftliche Probleme gibt, die wir alle, die wir uns mit den Fragen der Landwirtschaft beschäftigen, ob wegen spezieller landwirtschaftlicher Interessen oder wegen der Erkenntnis, daß eine gesunde Volkswirtschaft ohne eine gesunde Landwirtschaft eigentlich nicht denkbar ist, wünschen, dann nicht zuletzt wegen dieser furchtbaren und immer mit besonderer Lautstärke vorgetragenen Lamentationen, dieser Verallgemeinerungen, die zum Schluß wirklich jede Glaubwürdigkeit längst eingebüßt haben.
Ich sage, wir kommen nicht damit aus, daß wir uns heute mit der Drucksache 1538 befassen; wir müssen ein bißchen zurückgehen. Schließlich ist ja das, was uns heute hier vorliegt, eben nicht das eigentliche Ergebnis der Anstrengungen und der Beratungen in ,diesem Hause, sondern es ist eigentlich, muß ich sagen, nur so der Rest des Ergebnisses.
Es hat hier einmal einen Unterausschuß gegeben. Über den ist heute dankenswerterweise berichtet worden, und Sie alle haben gehört, daß in diesem Unterausschuß keineswegs nur so obenhin gearbeitet worden ist. Es war ein Ausschuß, der meinem Gefühl nach allen, die darin mitgearbeitet haben, eine Bereicherung ihrer Erkenntnisse gebracht hat. Am Ende seiner Beratungen hat ja einmal in formulierten Sätzen, ,d. h. in Form eines Gesetzentwurfs das gestanden, was wir uns damals in diesem Ausschuß gemeinsam, einstimmig als das Ergebnis des Studiums des Problems durchzusetzen vorgenommen haben. Ich weiß nicht, ob viele von Ihnen Gelegenheit hatten, diese abschließende Stellungnahme des Unterausschusses „Paritätsgesetz" zu lesen. Sie ist mindestens den Mitgliedern der mitberatenden Ausschüsse zugegangen, und das ist ein sehr großer Teil der Mitglieder dieses Hauses. Aber das eine lassen Sie mich sagen: daß in dieser Fassung des Unterausschusses wesentlich mehr gestanden hat als in den beiden Gesetzentwürfen, von denen wir einmal ausgingen, und auch mehr als in dem, was nun nach Stellungnahme der Regierung davon übriggeblieben ist. Es ist ein weiter Weg gewesen von den beiden Gesetzentwürfen, die von der CDU/CSU, DP und von ,der FDP eingebracht worden sind, bis zu der Unterausschußdrucksache Nr. 19, die wir dann gemeinsam verabschiedet haben. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen: wenn in dem Unterausschußbericht und in seiner Fassung eines Landwirtschaftsgesetzes kaum noch — wenn überhaupt — etwas von den Formulierungen und von den Gedanken wiederzufinden war, die am Anfang der Diskussion gestanden haben, so empfinde ich darüber eben nur 'die eine Genugtuung, daß es mir gut zu sein scheint, wenn man am Ende einer langen Beratung schlauer geworden ist. Es gilt ja nach einem alten schönen Sprichwort für die Haltung der Weisen: vom Irrtum zur Wahrheit zu reisen; nicht das sind die Weisen, die im Irrtum beharren.
Es läßt sich gar nicht bestreiten, daß man unter der Überschrift „Parität" nicht nur auf den Versammlungen — da nimmt man so etwas überhaupt nicht so tragisch; ich 'bedauere, daß man das
Publikum, das man dort findet, manchmal so einschätzt, daß man glaubt, man könne ihm auch mit sehr verallgemeinernden und vergröbernden Formulierungen die richtige Stimmung und die richtige Überzeugung davon beibringen, daß der, der da so kräftig kämpft, 'der richtige Mann ist —, sondern auch an anderer Stelle, wo es ein bißchen gründlicher und solider zugehen sollte, Sachen an den Mann zu bringen versucht hat, die nun wirklich schon hanebüchen waren. Es war natürlich die Aufgabe der sachlichen Arbeit im Ausschuß, das einmal zu klären. Dabei sollten die mithelfenden, mitberatenden Wissenschaftler gar nicht vergessen werden. Es sollte niemand kommen und sagen: das war die Theorie, die hat das so und so gesehen; wir haben zur Theorie auch genügend Praxis gehabt, und der Praktiker, der nicht in der Lage ist, eine Sache mal grundsätzlich ,durchzudenken, der arbeitet auch mit dem Kopf an der falschen Stelle; dabei kommt nicht viel heraus. — Das galt es also zu klären und dem nutzbar zu machen, was unser gemeinsames Anliegen war, nämlich der Landwirtschaft wirksam zu helfen aus der gemeinsamen Überzeugung, daß das bisher — dafür tragen meine Freunde und ich nicht in erster Linie die Verantwortung — nicht in ausreichendem Maße geschehen ist.
Ich sage — ich stelle das hier nicht mit irgendeinem Triumph irgend jemandem gegenüber fest, da wir uns dann nachher sehr bald dahin verständigt haben; das können Sie alles nachlesen, die Drucksachen darüber liegen ja vor —, daß man den Ausdruck „Parität" aufgeben muß, weil er sich eben nicht eignet. Es heißt in dieser Arbeitsunterlage, der Begriff eigne sich für diese wirtschaftspolitischen Überlegungen nicht, seine Anwendung führe hier zwangsläufig zu absoluten Mißverständnissen; dieser Begriff könne nur in einem übertragenen, etwa soziologischen Sinne gebraucht werden. Für die praktische Arbeit jedenfalls haben wir ihn dann eliminieren müssen, und es ist kein Beweis dafür, 'daß es keine gute Arbeit war, wenn dieses Wort nun nicht mehr in dem Text vorkommt.
Von Formulierung zu Formulierung hat die Erkenntnis zugenommen, daß man, wenn man der Landwirtschaft wirksam helfen will, eben etwas anderes suchen muß als möglichst zündende Parolen. Wer es nun ganz genau wissen will, dem möchte ich empfehlen, sich nun wirklich einmal die Drucksachen des Unterausschusses durchzusehen. Es ist sehr interessant, wie dort von Woche zu Woche, von einem Formulierungsvorschlag zum andern Formulierungsvorschlag Erkenntnisse gereift sind, von 'denen ich nur wünschte, daß sie sich in dem Gesetz, 'das heute zur dritten Lesung ansteht, in vollem Umfang durchgesetzt hätten respektive in diesem Gesetz erhalten geblieben wären. Lassen Sie mich einiges davon hier anführen.
Herr Bauknecht hat heute gesagt, es gebe Stimmen, daß wir jetzt hier ein Gesetz machen, das nur für einen Teil der Landwirtschaft in Betracht käme, nämlich nur für die größeren Betriebe, und 'daß es furchtbar 'wäre, wenn wir ein solches Gesetz machten, weil dann soundso viele andere auf der Strecke 'blieben. Nun, Herr Kollege Bauknecht, ich erinnere mich mit großem Vergnügen daran — mit Vergnügen, weil es zum Schluß erfolgreich war —, wie schwierig es war, ein Gesetz zu schaffen, das die ganze Landwirtschaft ansprach. Auch Ihnen wird vielleicht noch in Erinnerung sein, wie lange wir um die berühmte 5-Hektar-Grenze gekämpft haben
und wie lange es gedauert hat, bis in dem 'Gesetz nicht mehr stand, es solle nur für die sogenannten funktionsfähigen Betriebe gelten.
Ich habe es für keine gute Sache, sondern im Gegenteil für die Enthüllung einer mir recht unsympathischen Einstellung gehalten, 'als ich auch in der Stellungnahme des Berufsverbandes als Kritik an 'der Arbeit des Unterausschusses lesen mußte, man solle wirklich erst einmal .ein Gesetz schaffen, das für die Betriebe zugeschnitten ist, deren Grundlagen in Ordnung sind, und für die anderen Betriebe solle man dann später — vielleicht beim nächsten Wahlkampf — etwas zu tun versuchen.
Und das, obwohl sich bei der sachlichen Auseinandersetzung in dieser Frage herausgestellt hat, daß von einem Gesetz, wie es in den beiden Entwürfen der Koalitionsparteien vorgeschlagen war, leider nur ein Drittel .der landwirtschaftlichen Betriebe angesprochen worden wäre und zwei Drittel auf der Strecke geblieben wären.
Ich sage das, wie gesagt, ohne irgendeinen Triumph und ohne irgend jemanden hier angreifen zu wollen. Ich sage das nur aus Freude darüber, daß es gelungen ist, diese Frage doch immerhin anders zu regeln. Es ist ein leiser Trost, daß in der sehr eingeengten und sehr verwässerten Fassung, die wir jetzt hier vor uns liegen haben, wenigstens das noch erhalten geblieben ist.
Was den Katalog angeht, in dem die Maßnahmen aufgezählt werden, mit denen, wie wir uns vorstellen, der Landwirtschaft geholfen werden sollte, so möchte ich im übrigen auch auf das Wort Sozialpolitik hinweisen, das darinsteht. Das ist mit der Zustimmung aller, die in dem Unterausschuß mitgearbeitet haben, dort hineingekommen. Es ist hineingekommen aus der Überzeugung, daß man auch die Sozialpolitik als Mittel für die Lösung agrarischer Probleme braucht. Es macht vielleicht einen feinen Eindruck, wenn man sagt: wir wollen uns hier nichts schenken lassen, wir wollen alles verdienen, was wir kriegen; setzt nur die Preise so fest, wie wir sie brauchen, damit wir unsere sozialen Aufgaben, unsere betrieblichen Aufgaben erfüllen können. Hier ist heute doch gesagt worden, erst an allerletzter Stelle solle die Preispolitik 'angewendet werden. Diese Einsicht kommt einfach aus 'der mindestens inzwischen gewonnenen Erkenntnis, daß mit Preisen in der Landwirtschaft nun wirklich nicht mehr allzuviel zu machen ist. Es gibt keinen denkbaren Milchpreis, der den Leuten in der Eifel eine rentable Milchviehhaltung sichert, weil es nämlich für 'diese Milch in unserer sozialen Situation dann keine Käufer mehr gäbe.
Wenn das sehr vornehm klingt, dann ist es zugleich auch 'einfach gegenüber dem 'Finanzminister und seinen bekannten Widerständen, einfach gegenüber den bekannten Widerständen gegen eine ver-
nünftige Berücksichtigung der Landwirtschaft in der Finanzpolitik der Regierung; aber in der Praxis kommt dabei natürlich nichts heraus.
Wir haben — darin waren wir uns alle einig — in dem Gesetz den ernsthaften Versuch gemacht, die Regierung wirklich zu verpflichten, ganz bestimmte Dinge zu tun, und das nicht erst auf Drängen des Bundestages, weil dieses Drängen sehr oft zu spät kommt und zu spät kommen muß. Wir hatten dabei nicht die Absicht, die man uns allen gemeinsam nachher so mit verfassungsjuristischen Feinheiten unterstellen wollte, nämlich die Legislative in 'die Exekutive eingreifen zu lassen. Wir wollten nur gern einmal die Exekutive auf ganz bestimmte Dinge gesetzlich festlegen, weil es eben sonst immer zu spät kommt. Vielleicht haben wir noch Gelegenheit, wenn wir den § 6 hier noch einmal kurz Revue passieren lassen, diese Frage in einem etwas anderen Licht zu betrachten.
Ich will auch gern sagen, daß wir zum Schluß erfolgreich darin waren, die Auffassung durchzusetzen, daß man nur dann glaubwürdige Aussagen für die Landwirtschaft machen kann, wenn man die Lage der Landwirtschaft in ihrer Vielfalt, in ihrer Differenzierung darstellt. Ich bin sehr froh, daß auch das wenigstens in dem hier vorliegenden Entwurf erhalten geblieben ist. Nichts hat der Landwirtschaft und ihrer öffentlichen Glaubwürdigkeit, ihrem Kredit in der Öffentlichkeit so geschadet wie diese törichte Verallgemeinerung. Ich finde, es ist geradezu eine witzige Unterstreichung dieser Tatsache, daß man neulich in einer Korrespondenz aus einer landwirtschaftlichen Versammlung, die sehr ernst genommen werden wollte, hintereinander zwei Redner zitiert fand,
von denen der eine darlegte, wie breit im Lande Bayern die Kosten der Milcherzeugung auseinanderliegen, und der nächste sagte: Wir müssen jetzt ja aufpassen, daß man die Landwirtschaft nicht aufgliedert, wir müssen dafür sorgen, daß die Landwirtschaft als ein Ganzes gesehen wird, daß man als einem Ganzen der Landwirtschaft hilft. Ich habe schon bei der ersten Lesung gesagt, daß ein solches globales Verfahren mindestens nützlich für diejenigen ist, denen es ohnehin schon gut oder mindestens erträglich geht; es kann niemals einer zuviel für seine Milch kriegen. Ob aber bei einem solchen Verfahren auch wirksame Hilfe an die kommt, denen es wirklich schlecht geht, ist eine ganz andere Frage.
Noch einmal: daß hier die Verpflichtung festgelegt ist, in jedem Jahr eine solche Erhebung über die Lage der Landwirtschaft anzustellen, mag für den einen oder anderen ein bißchen peinlich sein, der für seinen eigenen Fall fürchtet, daß dabei herauskommt, daß er eigentlich gar keinen Grund hat, von einer Krise oder von einer Notlage zu sprechen. Diese Bereiche in unserer Landwirtschaft gibt es ja glücklicherweise auch. Aber für die anderen, für die große Zahl derjenigen, bei denen das eben nicht der Fall ist, wo wirklich schnellstens eingegriffen werden muß, und zwar mit wirksamen, gezielten Maßnahmen eingegriffen werden muß, sehen auch wir darin den ersten Anfang zu einer besseren Entwicklung.
Nun gut, ich will es kurz machen, obwohl es sehr verlockend wäre, viel und ausführlich über das zu reden, was sich in diesem Unterausschuß an Einsichten durchgesetzt hat, und außerdem, weil es angenehm wäre, darüber zu reden, da es im ganzen eine sehr angenehme Arbeit war. Ich möchte nur noch an die Pressekonferenz erinnern, die wir gemeinsam, meine Herren Kollegen von der rechten Seite des Hauses, am Ende der Beratungen des Unterausschusses abgehalten haben. Da war unsere positive Mitarbeit so offensichtlich geworden, daß man mindestens für eine Zeitlang nicht mit der Behauptung operieren konnte, sogar in diesem Hause sitze der böse Feind der Landwirtschaft, er sitze bei den Sozialdemokraten. Gerade durch die Unterausschußarbeit ist das wohl jetzt für eine Weile mindestens unmöglich gemacht worden.
Ich erinnere mich auch an die Frage eines der Korrespondenten an die Abgeordneten, die wir da in einer Reihe aufmarschiert waren, um Rede und Antwort zu stehen: Werden denn nun Ihre Fraktionen auch mitgehen? Ich habe gerne das freudige und zuversichtliche Ja meiner Kollegen von rechts gehört. Als Illustration dafür, wie dann unsere Öffentlichkeit unterrichtet wird und wie in der Agrarpolitik alles denen zum Besten dienen soll, für die die ganze Agrarpolitik nur Agitation ist, lassen Sie mich an eine Stelle in einer der Korrespondenzen erinnern, die, ich weiß nicht, soll ich sagen: der Landwirtschaft dienen oder die an der Landwirtschaft verdienen
und die unter der Überschrift „unabhängig — überparteilich" herauskommen. Diese Überparteilichkeit unterstreicht z. B. eine der letzten Nummern dadurch, daß sie ohne Quellenangabe einfach die ganze Stellungnahme einer Regierungspartei zu diesem Gesetz abdruckt. In dieser Korrespondenz stand dann drin: „Der Abgeordnete Kriedemann hat, wie man hört, große Schwierigkeiten in seiner Fraktion wegen seiner positiven Einstellung zum Bericht des Unterausschusses."
Mich haben die damals gar nicht gefragt, ob denn meine Fraktion mitgehen würde; die haben nur die anderen gefragt, und die haben ja gesagt. Als das dicke Ende nachkam, da erfand einer plötzlich irgendwelche Schwierigkeiten in der SPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren, es hat sich dann, als der Unterausschuß fertig war, wieder gezeigt, wie unendlich schädlich es für die deutsche Landwirtschaft und für ihre lebenswichtigen Angelegenheiten ist, daß sie aus alter Tradition auch heute noch im wesentlichen eben im Bereich der Propaganda, und zwar der sehr einseitigen Parteipropaganda betrieben wird, und wie schädlich es ist, daß die Landwirtschaft — lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit aussprechen — eigentlich keine wirklich unabhängige Berufsvertretung hat, sondern daß diese Berufsvertretung mehr oder weniger eine parteipolitische Abteilung einer und manchmal der zweiten oder manchmal einer dritten Partei ist und daß diejenigen, die eigentlich als unabhängige Sprecher der Landwirtschaft auftreten sollten, doch dann wieder plötzlich mal gewisse parteipolitische Rücksichten nehmen müssen, die mit den Anliegen der Landwirtschaft eigentlich nichts zu tun haben. Wir haben zusammen mit einer Anzahl der Präsidenten dieser Berufsvertretungen beraten. In diesem Stadium der Unterausschußberatung waren wir uns, wie gesagt, einig.
Dann wurde die Regierung gefragt, was sie denn
von der Sache halte. Um es deutlich zu sagen: in
allen entscheidenden Fragen ist die Antwort der
Regierung auf das Anliegen der Landwirtschaft, um das es in Wirklichkeit ging, ein glattes deutliches Nein gewesen.
Schließlich wollten wir doch — das war auch unsere Auffassung und die Auffassung derjenigen, die nicht an einen Automatismus der Paritätspreise oder an einen Automatismus der Indexberechnung glaubten — die Regierung schon auf eine bestimmte Agrarpolitik festlegen, die keine Geschenke verteilen sollte, die nicht etwa, wie es dann hieß, dem Fußkranken das gibt, was er mit eigener Arbeit nicht verdienen kann oder nicht verdienen will; wir wollten sie auf eine Agrarpolitik und auf eine Gesamtpolitik festlegen, die auf die Lage der Landwirtschaft und auf die Notwendigkeit Rücksicht nimmt, die insbesondere mein Freund und Kollege Professor Baade vorhin noch einmal dargetan hat. Wir wollten das tun aus der Erfahrung heraus, daß eine nachträgliche Korrektur nicht möglich ist. Ist der Haushaltsplan aufgestellt, nicht nur der Einzelplan 10 für die Landwirtschaft, sondern der Haushaltsplan für die Bundesrepublik, und ist dabei nicht ausreichend an die Landwirtschaft gedacht, dann ist kein Parlament und am allerwenigsten irgendein Ausschuß in der Lage, nachher die großen Umrangierungen vorzunehmen, die notwendig sind, um in der Landwirtschaft das nachzuholen, was eine verfehlte Agrarpolitik durch viele, viele Jahre — ich habe neulich schon gesagt: nicht erst in den letzten fünf Jahren ist das alles passiert — eben versäumt hat. Daher wollten wir die Regierung wirklich festlegen und haben dann die Antwort von der Regierung bekommen, daß sie das nicht will. Da heißt es dann in der Stellungnahme der Bundesregierung, die ich wohl verlesen darf:
Der Gesetzentwurf des Unterausschusses „Parität" enthält keine allgemeinverbindlichen Rechtssätze im materiellen Sinne, sondern wendet sich an die Bundesregierung und verlangt von ihr oder einzelnen Ministern ein Tätigwerden im näher angeführten Sinne. Würde die Bundesregierung an diesen Gesetzesbefehl gebunden sein, wäre dem Herrn Bundeskanzler die Entscheidungsfreiheit über die Richtlinien seiner Politik auf dem durch das Gesetz umschriebenen Gebiet genommen, und die Bundesregierung wäre in ihrer eigenverantwortlich zu entwickelnden Tätigkeit erheblich eingeschränkt.
Wir haben in der Stellungsnahme zu dieser Stellungnahme der Bundesregierung gesagt, daß wir nicht bereit sind, uns damit abzurinden. Erstens einmal erscheint es uns sowieso sehr merkwurdig, daß man sich seitens der Regierung gegen eine Festlegung wehrt, wenn man soundso oft in Rhöndorf und auf andern Dörfern
erklärt, daß man mit dieser Zielsetzung durchaus einverstanden sei.
Eine Festlegung und einen schriftlichen Akkord über das, was gemacht werden soll, kann man doch eigentlich nur als zu eng empfinden, wenn man in Wirklichkeit etwas anderes will. Es hieß damals noch, daß zum Aufbau einer leistungsfähigen Landwirtschaft die Regierung gehalten sein solle, dies
und jenes zu tun. Die Regierung hat das nachher( erst in die zumindest für sie elegante Form umgewandelt, die Landwirtschaft sei in den Stand zu setzen, nun den Anschluß zu finden. Daß hiermit die Verantwortung von der einen auf die andere Seite geschoben wird, das glaube ich, läßt sich gar nicht bestreiten. Man hat natürlich nicht gesagt — das würde auch schlecht zu den diversen Versprechungen passen —: die Regierung will das nicht. Man hat gesagt: die Regierung kann leider nicht; Verfassung — Verfassung! Ich habe so den Eindruck, daß die Landwirtschaft im Grundgesetz überhaupt immer ein bißchen am kürzeren Arm des Hebels sitzt.
Hier geht es nun wieder nicht!
Erinnern Sie sich noch daran, als wir auch gemeinsam den Versuch gemacht haben, der Landwirtschaft, in diesem Falle dem Gartenbau, die Regelung für sie lebenswichtiger Fragen als eine Selbstverwaltungsaufgabe zu übertragen, so wie das z. B. in Holland seit Jahrzehnten ausgezeichnet und zu einem großen Teil zu Lasten unserer Erzeuger funktioniert, da hat man uns auch gesagt, daß das leider nach dem deutschen Grundgesetz nicht möglich ist. Hoffentlich reicht das Grundgesetz wenigstens aus, wenn es sich um Landbeschlagnahmungen für Flugplätze und ähnliche Dinge handelt.
Ich bedaure außerordentlich, daß wir uns aber hier nicht nur mit dem Widerstand der Bundesregierung auseinanderzusetzen hatten, sondern daß sich in dem Willen zur Beschränkung dessen, was mit diesem Gesetz erreicht werden sollte — nicht nur nach den Vorstellungen des Unterausschusses, noch viel mehr nach den Vorstellungen derjenigen, die einmal das Wort „Parität" in die Debatte geworfen haben und die einmal versucht haben, in den Gesetzentwürfen deutlich zu machen, was sie meinten und wohin sie wollten —, eben die Regierung wieder mit der Berufsvertretung begegnete. Wenn jetzt das Wort „Sozialpolitik" gestrichen worden ist, dann ist das eigentlich der Punkt, in dem die Regierung bei ihrer Stellungnahme den Wünschen — oder soll man sagen: den Forderungen? — des Berufsverbandes entsprochen hat. Man hat gesagt: Wir wollen das nicht. Das Gesetz wird dadurch unklar. Aber was die Regierung angeht — das ist jedenfalls meine und meiner Freunde Überzeugung, und die Überzeugung haben wir nicht nur hier gewonnen, sondern dafür haben wir auch viele Beispiele in anderen Bereichen der Politik gehabt —, so paßt es ihr einfach nicht, auf etwas verpflichtet zu werden.
Nun will ich gern zugeben, daß es sich mit Versprechungen, die man nachher nicht einklagen kann, leichter lebt.
Aber wir haben eben die Sorge, daß wir nur dann zu einer in sich geschlossenen Politik kommen werden, wenn solche Verpflichtungen nicht nur theoretisch anerkannt, sondern auch praktisch durchgeführt werden.
Ich will auf eine Sache hinweisen, die vielleicht in Deutschland viel zuwenig beachtet worden ist und die in etwa erklärt, warum die Bundesregierung es nicht für möglich hielt, dieses Gesetz, so
wie es der Unterausschuß vorgelegt hatte, hier über die Bühne gehen zu lassen. Braucht man nicht auch heute noch, um bestimmte Wunder zu erreichen, so eine Art von Lückenbüßer? überlegen wir uns doch einmal einen Augenblick, wie es mit dem deutschen Wunder gegangen wäre, wenn man sich nach dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz um alle Berufe und alle Wirtschaftszweige gleichmäßig gekümmert hätte. Es ist oft davon die Rede gewesen, daß man in früheren Jahren die Landwirtschaft durch politisch gebundene Preise daran gehindert hat, sich ebenso zu finanzieren, wie das andere Wirtschaftsgruppen tun konnten. Man sollte heute auf die politischen Preise nicht mehr allzusehr hinweisen; denn wenn wir heute die politischen Preise nicht hätten, dann würde es noch schwieriger sein. Oder glaubt einer von Ihnen, daß wir ohne den politischen Getreidepreis einen höheren Getreidepreis hätten, oder daß wir ohne den politischen Preis für Zuckerrüben bei der Lage in der Welt und bei unseren handelspolitischen Ambitionen einen höheren Preis für Zuckerrüben hätten, wenn es eben nicht ein politischer Preis wäre? Auf die damalige Zeit bezogen, soll man das ruhig einmal sagen. Zweifellos war es für die Verbraucher angenehm, daß sie nicht zu all den anderen Sorgen auch noch heftige Lohnkämpfe zum Ausgleich der höheren Agrarpreise führen mußten, wenn sich damals die Agrarpreise an den Weltmarkt hätten angleichen können. Aber wenn das geschehen wäre — und ein großer Teil der Verbraucher wäre sicherlich auch damit Form von Lohnauseinandersetzungen fertiggeworden —, dann hätten sich daraus für die übrige Wirtschaft schon sehr erhebliche Konsequenzen ergeben, und es ist die Frage, ob all die Häuser so schnell in den Himmel gewachsen wären und das deutsche Wunder sich in diesem Umfang mit der sehr zu. beklagenden Einseitigkeit dann so darstellen würde. Die Landwirtschaft hat hier wie im „Dritten Reich" einen ganz großen Brocken von diesen Kosten zahlen müssen. Ich fürchte, manche Leute wissen, daß es für die Wunderkinder sehr unbequem sein würde, wenn man nun das zugunsten der Landwirtschaft täte — zum Ausgleich ihrer Handicaps, um den Nachholbedarf zu befriedigen usw. —, was man, wie gesagt, für andere getan hat oder andere haben tun können. Wenn der Berufsverband sich hier mit der Regierung im Kampf gegen das, was der Unterausschuß gefunden hat, trifft, dann sicherlich aus anderen Motiven, aus Motiven, die mir allerdings auch äußerst bedenklich erscheinen. Ich glaube, sie liegen im wesentlichen im Wettlauf oder im Versuch eines Wettlaufs mit der Opposition, und ich habe es sehr bedauert, daß dieser Eindruck mir heute hier von dieser Stelle aus noch einmal bestärkt worden ist.
Ich habe in meiner Ausführung zur ersten Lesung schon etwas zu dieser Opposition gesagt, und als ich gestern die ganze Debatte noch einmal durchlas, die wir damals hier am Anfang der Behandlungen dieser Entwürfe geführt haben, habe ich mir gesagt, daß ich von dem, was ich damals bezüglich dieser Opposition ausgesprochen habe, kein Wort zurückzunehmen habe.
Man redet jetzt wieder von der Radikalisierung auf dem Lande, man droht, und ich sehe mit ernster Besorgnis so viele, die bereit sind, sich mit diesen Drohungen anders auseinanderzusetzen als durch ein kräftiges Zurückschlagen. Ich möchte aus der Erfahrung, die wir alle gemeinsam gemacht haben, sagen, daß kein ordentlicher Mann den Wettlauf mit dieser Sorte von Opposition gewinnen kann.
Da kann man nur verlieren, und ich fürchte sehr, daß wir das im Bereich der landwirtschaftlichen Berufsvertretung nächstens nur noch einmal bestätigt bekommen. Schuld daran tragen dann allerdings nur die, die sich nicht vom ersten Augenblick an mit dem nötigen Nachdruck gewehrt haben. Wir in der Landwirtschaft wissen ja, wie man mit störrischen Tieren am wirksamsten und auch am richtigsten umgeht.
Ich will noch einmal, damit gar kein Zweifel daran entsteht, sagen: Staatspolitisch habe ich vor dieser Radikalisierung und vor dieser Opposition — und schon gar nicht vor denen, die sich als ihre Führer anbieten — auch nicht so viel Angst, — nicht Respekt, aber auch nicht so viel Angst. Die Leute, die mal auf der großen Woge des Nationalsozialismus so hochgeschwemmt worden sind und die heute noch wie leichte Dreckspritzer an den Wänden kleben,
sind zwar aus dem „Dritten Reich", aber sie vergessen, daß die Zeiten sich inzwischen geändert haben.
Das, was einmal mit den aufgehetzten Bauern in Schleswig-Holstein anfing, mit der schwarzen Fahne, mit den brennenden Finanzämtern, hat zum Schluß mit den brennenden Bauernhöfen in Deutschland geendet,
und wenn die Führer — die Führer kommen meistens wieder nach Hause —
auch übriggeblieben sind, dann sind nicht alle die Jungens wieder nach Hause gekommen, die sie mit ihren verruchten und gewissenlosen Sprüchen aufgehetzt und dorthin gebracht haben, wo sie heute begraben liegen.
Ich sage es ganz offen: für den Staat, für die Demokratie sehe ich da gar keine Gefahr. Aber es wäre das Allerschlimmste, was der Landwirtschaft in Deutschland passieren könnte, wenn sie infolge dieser Machenschaften sozusagen als die Keimzelle oder als der letzte Rest des Nationalsozialismus, der Gewaltherrschaft und des Terrors, der Radikalität usw. in Erscheinung treten würde.
Mein Appell geht an Sie alle — meine Herren, an Ihre Seite muß ich diesen Appell richten —: Räumen Sie damit auf, und, Herr Mauk, widerstehen Sie dem ersten Versuch, man könne vielleicht doch noch diesem Übel die Spitze abbiegen, wenn man sich selber sozusagen an die Spitze stellt. Was da hilft, das brauche ich hier nicht auszusprechen. Das wissen wir alle ganz egal. Wir wollen die Landwirtschaft damit nicht beflecken lassen. Wir wollen sie nicht in diesen Verdacht kommen lassen, und die Landwirtschaft braucht am allerwenigsten Führer, die hier so mal auf die Pauke hauen. Die braucht Leute mit Verstand und mit nüchternem Verstand und Leute mit
Mut, Mut in erster Linie auch vor dem eigenen Finanzminister
und vor den Kräften, die gerne mit. den Stimmen der Bauern die politischen Machtpositionen erklimmen, aber sich dann nachher nicht entsprechend revanchieren wollen. Mit „revanchieren" meine ich nicht so kleine Geschenke wie mal 2 Pfennig mehr für die Milch oder so, sondern da meine ich jene wirkungsvollen Maßnahmen, die außerordentlich viel mehr kosten, auf die aber nicht verzichtet werden kann.
Nun zurück zu dem Entwurf! Man hat damals zu dem Unterausschußentwurf gesagt, der Katalog könne nicht aufgenommen werden. Die Bundesregierung hat gesagt: das Gesetz kann nicht so gemacht werden; das verstößt gegen das Grundgesetz. — Wie wenig es im Ernst gegen das Grundgesetz verstößt oder wie wenig man diesen Einwand auch von Ihrer Seite ernst nimmt, wird einfach dadurch bewiesen, daß der Katalog nun doch drin ist, allerdings unter Verzicht gerade auf die Dinge, die wir für so wesentlich halten, nicht weil wir sie erfunden haben oder weil wir darin verliebt sind oder weil wir dahinter eine heimliche Absicht sehen, sondern weil wir sie für unverzichtbar halten, wenn man überhaupt schon die Mittel aufzählt, die zur Hilfe der Landwirtschaft eingesetzt werden müssen.
Da vermissen wir gerade, daß das Problem der Strukturfragen angesprochen wird. Wir möchten nicht erleben, daß wir jetzt ein halbes Landwirtschaftsgesetz machen. Im nächsten Jahr wird dann ein Bericht erstattet, und dann stellt sich vielleicht heraus: das ist also so leidlich, und dann kommen wir mit einem neuen Gesetz, dann kommen wir erst mit denen, denen es nun wirklich schlecht geht, und dann kommen wir erst mit der größeren Zahl der kleinen und kleinsten strukturkranken und sonstwie besonders belasteten Betriebe an. Wir hätten es viel lieber gesehen, wenn der § 1 in der Unterausschußfassung heute zur Abstimmung stünde und so angenommen würde.
Wir vermissen vor allem auch die echte Verpflichtung der Regierung. Gestern oder heute wird in einer Korrespondenz, die es sicher sehr gut meint, an uns alle der Appell gerichtet: Jetzt aber zusammenhalten, an einen Strang ziehen! Dazu muß ich halt sagen: wir haben es versucht und haben Sie sogar unter Ausräumung gewisser formaler Möglichkeiten zu einem Einwand gebeten, dem § 1 in der Fassung des Unterausschusses zuzustimmen. Es hat dafür aber eben keine Mehrheit gegeben! Der Appell muß sich also woanders hin richten als an meine politischen Freunde.
Abschließend muß festgestellt werden, so bitter das sein mag und so sehr ich es auch bedauere, weil ich mich zusammen mit meinen Freunden redlich und aufgeschlossen und überzeugt um diese andere Fassung bemüht habe, daß mit dem, was jetzt vor uns liegt—das bestreitet ja auch niemand, wenn es auch jeder in irgendwelche anderen, vornehmen und freundlichen Formeln einkleidet —, nicht das erreicht wurde, was man wollte und was in diesem Hause hätte erreicht werden können. Nichts steht in diesem Gesetz, was die Regierung zu Taten verpflichtet. Sie hat selber schon gesagt, daß sie sich dazu auch gar nicht verpflichten lassen kann oder nicht verpflichten lassen will; ich stelle es höflich anheim in dieser vorgerückten Stunde. Nichts wird mit diesem Gesetz möglich, was nicht auch ohne dieses Gesetz möglich gewesen wäre. Wir halten genau da, wo wir vorher gehalten haben: bei der Hoffnung, daß endlich einmal die Versprechungen eingelöst werden mögen, die wir soundso oft gehört haben.
Das bezieht sich auch auf die Frage nach den Mitteln. Als wir den jetzigen § 6 in den Entwurf des Unterausschusses hineinbrachten, haben wir uns ja etwas ganz anderes vorgestellt. Als wir die Regierung verpflichten wollten, laufend etwas zu tun, aufzupassen, daß nicht irgendwo ein Kind in den Brunnen fällt, wollten wir ihr auch die Ausrede nehmen: Wir hätten jetzt bei diesen Eierpreisen oder bei jener Geschichte etwas tun müssen, aber wir hatten kein Geld! Wir haben uns vorgestellt, daß die Regierung mit diesem Gesetz gehalten sein sollte, selber den Betrag vorzuschlagen, den sie sozusagen als Manövriermasse für Eingriffe in den täglichen Ablauf einzusetzen vielleicht in die Lage kommen würde. Was jetzt hier drinsteht, ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist eine alte Geschichte. Es geht auch gar nicht anders, als daß die Regierung, wenn sie etwas tun will, die Mittel dazu im Haushaltsplan vorsehen muß. Das geschieht auf allen Gebieten, nicht nur auf dem der Landwirtschaft, und etwas Neues ist das nicht.
Ich unterstreiche das deshalb, weil vorhin der Eindruck erweckt wurde oder vielleicht erweckt werden sollte, als wäre das Anliegen, die Finanzpolitik hier hineinzunehmen, weit überholt, weil man ja gerade diesem Begriff sogar einen eigenen ganzen Paragraphen gewidmet habe. Das ist doch nur eine Formel, wie sie aus dem Haushaltsrecht selbstverständlich ist. Mit dem, was jetzt im § 6 steht, ist die Finanzpolitik der Regierung in keiner Weise angesprochen. Das, worauf es uns ankam: die Landwirtschaft so in den Vordergrund der Betrachtungen zu rücken, daß man schon beim ersten Verteilen der Mittel auch an sie, an ihre großen Notwendigkeiten und an die dafür erforderlichen großen Beträge denkt, ehe alles verteilt ist und bloß noch der Rest so ein bißchen darüberweg gestreut werden kann, das läßt sich nur erreichen, wenn man auch hier die Finanzpolitik als ein Mittel ausdrücklich anspricht. Es nutzt uns nichts — das wäre das Schlimmste noch gar nicht —; es nutzt aber der Sache nicht, um deretwegen wir hier stehen, wenn wir uns beteuern, daß wir in der Sache ja einig seien, es aber nur nicht in dieser Form hier so sagen wollen.
Ich weiß natürlich, daß es schwer ist, die Konsequenzen aufzudecken, zu sagen, was das kostet, was man hier versprochen haben will. Ich weiß, daß man leichter davonkommt, wenn man so tut, als gäbe es eigentlich wirkliche Konsequenzen nicht. Aber gerade weil wir uns immer darüber klar waren, wie eng die Möglichkeiten sind, die im Bereich der Handelspolitik liegen — wie oft haben wir im Ernährungsausschuß zur Kenntnis nehmen müssen, daß hier ganz andere Gesichtspunkte durchschlagen und daß auf das, was noch so dringend vorgetragen wurde, aus handelspolitischen Verpflichtungen heraus eben nicht Rücksicht genommen werden konnte —, weil wir wissen, wie eng die Möglichkeiten der Preispolitik sind, muß es uns so sehr darauf ankommen, daß man die
Quelle anspricht, in die uns niemand anders hineinzureden hat als wir selbst und für die nichts anderes maßgebend ist als eben der ernste Wille, der Landwirtschaft wirksam zu helfen, was es auch koste.
Ich sage: es bleibt also praktisch so, wie es gewesen ist. Der positive Punkt, das, was das ganze Gesetz doch mit einer gewissen Bedeutung ausstattet, ist die Vorschrift über die Erhebung von Tatsachen und die Vorschrift darüber, daß diese Tatsachen mit der nötigen Differenzierung erhoben werden. Auch ich teile ,die Hoffnung, daß es uns auf diese Weise gelingen wird, ein wahrheitsgetreues Bild der Landwirtschaft zu liefern. Ich habe keineswegs die Sorge, die vielleicht hier und da auftaucht, daß dieses Bild nicht überzeugend genug sein werde. Ich bin vielmehr in der großen Sorge, daß der eine oder andere von uns — nicht gerade von uns Agrarpolitikern, aber von Leuten, die es nicht so genau wissen wollen — erschreckt die Augen vor dem schließen wird, was in bestimmten Bereichen der Landwirtschaft als echter sozialer Nottatbestand, als echte wirtschaftliche Krisenerscheinung herauskommen wird, wenn man sie nach Gruppen, Größen, Typen usw. untersucht. Ich bin deshalb sehr dafür, daß das mit aller Sorgfalt gemacht wird.
Ich möchte bei der Gelegenheit — weil das draußen Kritik heraufbeschwören oder falsche Eindrücke erwecken könnte — Herrn Bauknecht noch ausdrücklich sagen, daß der Beirat nach der jetzigen Fassung gar keinen Bericht zu erstatten hat. Wir haben ja gerade die ganze Verantwortung für das, was hier zu geschehen hat, der Regierung zugeschoben, nicht etwa so hinterrücks wie den berühmten Schwarzen Peter, sondern aus der gemeinsam erarbeiteten Überzeugung, daß es sich hier um eine Verantwortung handelt, die nur die Regierung allein hat. Wenn deshalb der Beirat ganz anders aussieht und ganz andere Funktionen hat als in jenen Entwürfen, dann eben deswegen, um diese Frage zu der Frage zu machen, die sie ist und bleiben muß: zu einer politischen Frage.
Schließlich müssen ja auch die Bauern mal Gelegenheit haben, an Hand von konkreten Feststellungen und an Hand von konkreten Formulierungen, wie wir sie alle aus dem Bericht der Bundesregierung zum 15. Februar des nächsten Jahres wohl erwarten, Konsequenzen, und zwar politische Konsequenzen zu ziehen. Denn nicht eher wird die Lage der Landwirtschaft anders, bis sie nüchtern ihren eigenen Weg geht — eine Landwirtschaft, die sich nicht gebrauchen oder manchmal vielleicht auch sogar ein bißchen mißbrauchen läßt — und ihre Angelegenheiten selber betreibt und sich nicht über das, was man ihr schuldig bleibt, mit neuen Versprechungen oder mit Leistungen trösten läßt, die gar keine Leistungen sind. Ich denke an die dauernden Wiederholungen — bei jeder Wahl hören wir das —: „Die Agrarpolitik war zwar nicht so, wie sie hätte sein sollen, aber das Eigentum ist erhalten geblieben." Als ob es in Deutschland irgendeine Gruppe gäbe, die das bäuerliche Eigentum ernstlich auch nur bedrohte!
Um dieser positiven Seite willen werden meine Freunde und ich dem Gesetz zustimmen, obwohl wir, wie gesagt, wissen, daß von ihm auch nicht andeutungsweise das zu erwarten ist, was man versprochen hat, als man diesen Feldzug begann. Nach wie vor steht alles im Ermessen und im Wollen und im Rahmen dessen, was die Bundesregierung für möglich hält. Wir haben vorhin schon durch meinen Freund Frehsee sagen lassen, daß wir deshalb die Entschließung von Ihnen noch um einen Satz ergänzt wissen wollen, damit man mehr über das erfährt, was die Regierung nach der Verabschiedung dieses Gesetzes und sicherlich nicht erst wegen der Verabschiedung dieses Gesetzes zu tun hat. Wäre es nämlich so, daß es erst dieses Gesetzes bedurft hätte, um etwas von dem zu tun, von dem wir beklagen, daß es bisher nicht getan worden ist, dann wäre das eine furchtbare Anklage, meine Damen und Herren, insbesondere gegen Ihre Regierung und gegen Sie. Denn Sie hätten ja, immer über eine sichere Mehrheit in diesem Hause verfügend, diese Grundlagen schon längst schaffen können. Um Sie aber von diesem Vorwurf oder von diesem Verdacht zu befreien, sage ich: dessen hat es nicht bedurft. Deswegen wird aber hier durch das Gesetz auch nichts anders.
Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Wir werden ihm zustimmen, obwohl wir uns darüber klar sind, daß mit dieser Zustimmung noch ein Wermutstropfen mehr in ,den Becher derjenigen fällt, die mal ausgezogen sind, etwas Großes nach Hause zu bringen, und nun wieder einen bitteren Trank herunterwürgen müssen und es nicht ganz leicht haben, draußen ihr Gesicht zu wahren. Das ist immer so, wenn man zuviel versprochen hat; es ist nachher ein bißchen peinlich, wenn man so zurückkommt. Wir werden dem Gesetz zustimmen nicht nur auf Grund unserer von niemandem bestrittenen positiven und zielbewußten Mitarbeit an den Grundlagen des Entwurfs, sondern auch damit niemand in der Lage ist, draußen zu sagen, das wäre ein so gutes Paritätsgesetz, daß sogar die SPD -dagegen gestimmt hat!