Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 45. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Herr Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Fuchs, Unertl, Brandt , Blachstein, Frau Dr. Schwarzhaupt, Seuffert, Leibfried, Dr. Seffrin, Frau Dr. Jochmus, Dr. Luchtenberg, Kroll, Geiger (München), Dannemann, Dr. Deist, Huth, Dr. Gleissner (München), Maucher, Frühwald.
Ich danke schön.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung gedenke ich der Tatsache,
daß bei dem schweren Explosionsunglück bei Bitburg gestern 28 Personen, darunter 22 Deutsche,
auf tragische Weise ums Leben gekommen sind. Der Bundestag nimmt an diesem schweren Unglück aufrichtigen Anteil und spricht allen Angehörigen der ums Leben Gekommenen seine aufrichtige Teilnahme aus. — Sie haben sich zu Ehren der Toten von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich weise darauf hin, daß die nächste Fragestunde am 21. Oktober stattfindet. Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 15. Oktober, 12 Uhr.
Die heutige Tagesordnung wird — darüber bestand gestern Einmütigkeit — erweitert um die nicht erledigten Punkte der gestrigen Tagesordnung und um den Punkt, der auf den gestrigen Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. Über die Reihenfolge werden wir uns noch im Laufe der Sitzung verständigen.
Ich darf darauf verweisen, daß der Vizekanzler, der die Großen Anfragen zu Punkt 1 a und b der Tagesordnung beantworten will, nur bis 12 Uhr zur Verfügung stehen kann, da er zur Industrieausstellung nach Berlin fliegen muß. Ich nehme an, daß wir uns, falls wir den gestern begonnenen Punkt der Tagesordnung bis dahin nicht erledigt haben, über die Absetzung dieser Punkte von der Tagesordnung interfraktionell verständigen werden.
Wir würden dann also fortfahren in der Beratung des Punktes 5 der gestrigen Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kinderbeihilfen und des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen (Drucksachen 318, 319);
Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 708, zu 708; Anträge 147, 148, 155, 156, 157, 158, 159, 162, 163, 165).
Die Anträge, die zu § 2 gestellt waren, sind begründet. Wir fahren also in der Einzelberatung des § 2 fort. Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der gestrigen Debatte über den § 1 dieser Vorlage ist von verschiedenen Rednern mehrfach auf das Gleichheitsprinzip abgehoben worden. Die Redner haben der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Regelung, wie sie in dieser Vorlage vorgesehen ist, gegen diesen Gleichheitsgrundsatz verstoße. Ich bin kein Jurist. Ich möchte aber doch sagen, daß ich sehr erhebliche Zweifel habe, ob die Mehrheit, die im Rechtsausschuß zustande gekommen ist — man bezieht sich nämlich auf die Beschlüsse des Rechtsausschusses —, bei dieser Auffassung wirklich richtig beraten war. Stellen wir uns einmal vor, der Satz „Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich" müßte so angewandt werden, wie es hier gestern verlangt worden ist! Dann würden wir doch als Parlament in eine äußerst schwierige und unangenehme Lage geraten. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was eigentlich mit dieser Vorschrift gemeint ist. Wenn sie aber so angewandt werden sollte, wie die verehrten Redner das hier gestern gefordert haben, dann müßten wir, glaube ich, in eine sehr tiefgreifende Nachprüfung der Gesetze eintreten, die in der Vergangenheit bis jetzt hier erlassen worden sind.
Es gibt so viele Unterschiede, meine Damen und Herren, die dann deutlich würden und die dann nicht aufrechtzuerhalten wären. Ich möchte mir deshalb erlauben, die sehr ernste Mahnung auszusprechen, diese Dinge doch nicht zu überspitzen. Ich will darauf verzichten, hier Einzelheiten aufzuzählen. Sie alle wissen, daß dann eine ganze Fülle von Einzeldingen erneut aufgegriffen und dieser sogenannten Gleichheit vor dem Gesetz angepaßt werden müßte.
Das bezieht sich auch in etwa auf den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu § 2, wonach der letzte Satz des Abs. 2 gestrichen und ein neuer Abs. 3 eingefügt werden soll. Wir haben im Ausschuß immer wieder hervorgehoben, daß diese — ich will es einmal mit diesem Schlagwort bezeichnen — „Flurbereinigung", wie sie hier verlangt wird, in dieser Vorlage nicht zu machen ist. Wir haben auch immer wieder darauf hingewiesen, daß wir mit Nachdruck dafür sorgen werden, daß die Sozialgesetze, um die es sich hier handelt, bezüglich der Kinderzuschläge rechtzeitig an diese Regelung angeglichen werden.
Ich darf mich nun mit den einzelnen Ziffern — wenigstens mit einigen von ihnen —, die hier aufgezählt sind, kurz befassen. Die verehrlichen Fachleute aus der sozialdemokratischen Fraktion darf ich zunächst einmal darauf hinweisen, daß ihnen doch wohl bei der Ziffer 1 des beantragten neuen Abs. 3 des § 2 ein kleiner Irrtum unterlaufen ist. Sie sprechen hier von „Krankenpflege nach § 182 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung", wollten aber zweifellos sagen „Krankenhilfe nach § 182 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung". Wenn Sie „Krankenpflege" sagen, dann wird ja der Umfang, den Sie eigentlich erfassen wollen, nicht erfaßt. Für das Hohe Haus, das diese Einzelheiten vielleicht nicht kennt, darf ich diesen kurzen § 182 Abs. 1 einmal zitieren. Er lautet:
Als Krankenhilfe wird gewährt:
1. Krankenpflege vom Beginn der Krankheit an; sie umfaßt ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei sowie Brillen, Bruchbändern und anderen kleineren Heilmitteln und
2. Krankengeld in Höhe des halben Grundlohns für jeden Kalendertag, usw.
Auf diesen kleinen Irrtum wollte ich Sie hingewiesen haben, im übrigen aber
sagen, daß wir bei der Beratung im Ausschuß ja immer wieder deutlich gemacht haben, daß wir die Krankenversicherung in diesen Zusammenhang gar nicht einbezogen wissen wollen, weil ja die Kinderzuschläge, die dort gewährt werden, anderer Art oder jedenfalls ganz erheblich geringer sind und weil die Leute, die in der Krankenversicherung Krankengeld beziehen, solange ihr Beschäftigungsverhältnis nicht aufgelöst ist, ja ohnehin Anspruch auf Kindergeld haben. Für den Fall, daß jemand im Verlaufe seiner Krankheit das Beschäftigungsverhältnis verliert, haben wir ja in § 2 Abs. 2 Vorsorge getroffen, daß derjenige, der innerhalb von drei Wochen nach Beendigung des Beschäfti-
gungsverhältnisses krank wird und auf Grund des § 214 der RVO noch Anspruch auf die Regelleistungen der Krankenversicherung hat, für diese Zeit weiterhin anspruchsberechtigt für das in diesem Gesetz festgelegte Kindergeld ist. Aus diesem Grunde sehen wir keine Begründung dafür, daß es dieser Ziffer 1 des Abs. 3 unter allen Umständen bedarf, und wir werden diesem Antrag auch insofern nicht folgen.
Die Kollegin Döhring hat gestern bei der Begründung dieses Antrags erhebliche Zweifel daran geäußert, daß das von uns im Ausschuß gegebene
— ich möchte beinahe sagen — Versprechen auch wirklich eingelöst werden würde. Dazu kann ich Ihnen folgendes erklären: Der Herr Bundesarbeitsminister, der gestern daraufhin vom Herrn Kollegen Richter angesprochen wurde, hat in der Tat bei uns angeregt, dem Gesetz in einem besonderen Artikel noch die Regelung für die Arbeitslosen anzufügen. Wir haben dazu im Zusammenhang mit diesem Gesetz keine Möglichkeit mehr gesehen. Ich möchte Ihnen, meine verehrten Damen und Herren, aber erklären, daß wir den Entwurf vorliegen haben; ich habe ihn hier in der Hand. Dort ist vorgesehen, daß auch nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz die Beträge für das dritte und jedes weitere Kind auf 25 DM angehoben werden und daß, soweit die Arbeitslosenversicherung in Frage kommt, die dadurch anfallenden Lasten von der Arbeitslosenversicherung, also von der Bundesanstalt selber, getragen werden. Soweit die Arbeitslosenfürsorge in Betracht kommt, sollen die Lasten nach diesem Entwurf auf den Bundeshaushalt übernommen werden. Ich hoffe zuversichtlich, daß wir in der Lage sein werden, Ihnen bis zur dritten Lesung mit dieser Vorlage als Initiativantrag meiner Fraktion dienen zu können.
Was die übrigen Gesetze angeht, die hier nachgezogen bzw. angeglichen werden müssen, so darf ich auch dazu sagen, daß die Vorbereitungen dazu im Gange sind. Wir haben die Erwartung, daß wir auch mit diesen Gesetzentwürfen, sei es durch Regierungsvorlagen, sei es durch Initiativanträge, dem Hohen Hause rechtzeitig werden dienen können.
Einen Satz noch zu Ziffer 4 des neu beantragten Abs. 3 des § 2 dieses Änderungsantrages der sozialdemokratischen Fraktion - Umdruck 147 Ziffer 2
— der die Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz betrifft. Meine verehrten Damen und Herren, Sie werden doch im Ernst nicht vorhaben, auch diesen Punkt in noch ausstehende Regelungen mit einzubeziehen! Heute werden doch schon nach dem Lastenausgleichsgesetz bei der Unterhaltshilfe für jedes Kind 27,50 DM im Monat gezahlt, und der Lastenausgleichsausschuß hat erst in den letzten Tagen den Beschluß gefaßt, diesen Betrag auf 35 DM zu erhöhen.
— Einstimmig beschlossen! Also haben daran natürlich auch die an dieser Beratung beteiligten Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion Anteil; sie haben davon gewußt. Ich glaube, es kann im Ernst nicht daran gedacht sein, dieser Gruppe darüber hinaus auch noch Ansprüche aus diesem Kindergeldgesetz zuzuerkennen.
Aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, sieht sich die Fraktion der CDU/CSU leider nicht in der Lage, diesem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Horn hat heute eigentlich nochmals zu § 1, den wir gestern beraten haben, Stellung genommen. Ich möchte es mir schenken, meinen gestrigen Ausführungen weitere hinzuzufügen. Die Abstimmung zu § 1 in der zweiten Lesung ist gestern erfolgt.
Nun zu § 2. Dazu beantragt die FDP in Umdruck 156 die Streichung der Worte „und zwar auch während Zeiten der Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses infolge Streiks oder Aussperrung". Ich wundere mich nicht, meine Damen und Herren von der FDP, daß Sie einen derartigen Antrag stellen, aber ich bedauere es, daß Sie dies für notwendig gehalten haben. Ich bedauere noch mehr die Ausführungen, die der Kollege Jentzsch hierzu gestern abend gemacht hat. Er sprach von Neutralität, Neutralität wahrscheinlich vom Gesetzgeber. Wir wollen doch ein Gesetz über Kinderbeihilfen schaffen. Wir wollen den Familien, die drei und mehr Kinder haben, ihre Lebenslage erleichtern. Wir wollen ihnen, unabhängig davon, ob sie Arbeitnehmer oder Selbständige sind, ob sie Arbeitslose oder Kranke sind, dieses Kindergeld gewähren, und es soll ihnen laufend, solange die Voraussetzungen dafür gegeben sind, gewährt werden. Das hat also mit dem Arbeitsverhältnis und irgendwelchen Arbeitskämpfen, ob Streik oder Aussperrung, gar nichts zu tun.
— Meinen Sie vielleicht, daß ein Arbeiter oder ein Angestellter, der mehr als drei Kinder hat, mit 75 Mark Kinderbeihilfe leben kann? Oder glauben Sie vielleicht, Herr Kollege, daß dieser Arbeiter nun kampfesfreudiger und kampfbereiter wäre, wenn er diese 75 Mark für seine drei Kinder, für seine große Familie bekommt? Sie scheinen die Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft nicht genau zu kennen. Der Lohn oder das Gehalt dieser Menschen ist nicht so hoch, daß sie herrlich und in Freuden leben können, erst recht dann nicht, wenn sie nichts gezahlt bekommen, wenn sie von den Arbeitgebern ausgesperrt sind oder wenn sie für bessere Arbeitsbedingungen streiken müssen. Von 75 Mark können sie in dem Beispiel, das ich gewählt habe, wirklich nicht leben. Es scheint, daß Sie versuchen, den Arbeitnehmern durch Hunger die Möglichkeit, für die Verbesserung ihrer Arbeitsverhältnisse zu kämpfen, zu nehmen. Und dann wird von Koalitionsfreiheit gesprochen! Was hat die Gewährung von Kindergeld mit Koalitionsfreiheit zu tun? Koalitionsfreiheit verankert doch den Grundsatz, daß sich jeder dort organisieren kann, wo er will. Aus all diesen Erwägungen heraus sollten Sie von Ihrem Antrag Abstand nehmen.
Die CDU hat den gleichen Antrag gestellt. Aber sie hat hierzu noch einen Änderungsvorschlag gemacht, und zwar zu § 4 Abs. 6. Sie hat damit quasi zum Ausdruck gebracht, daß sie die im Ausschuß beschlossene Fassung zu § 2 Abs. 2 in der Formulierung des § 4 Abs. 6 ändern möchte. Dagegen haben wir grundsätzlich keine Bedenken. Uns kommt es nicht auf den Wortlaut an; uns kommt es auf den Sinn an. Uns kommt es darauf an, daß der arbeitende Mensch und der Selbständige, ganz gleich, ob krank oder in Arbeit, ob im Arbeitskampf oder nicht, die Kinderbeihilfe auch erhält, solange die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Das ist sozial, das ist menschlich und, wenn Sie wollen,
christlich. Das sollten auch Sie, meine Herren von der FDP, sich merken, die Sie Ihren Antrag wohl etwas unüberlegt gestellt haben.
Aber der Wortlaut des Antrags der CDU in Umdruck 155 Ziffer 2 zu § 4 Abs. 6 scheint uns nicht zweckmäßig und ausreichend zu sein. Wir dürfen hier nicht nur an Streik und Aussperrung denken, weil sich derartiges vor einigen Wochen in Deutschland zugetragen hat und nach meiner Auffassung zutragen mußte, sondern wir müssen auch an viele andere Fälle des Lebens denken. Nehmen Sie ein Beispiel: Es werden im Baugewerbe — da ist das ja sehr oft der Fall, wenn der Frost eintritt — die Arbeitnehmer entlassen. Viele darunter haben keine Anwartschaft auf Arbeitslosenunterstützung. Also die warten, bis die Frostperiode herum ist, und gehen wieder zur Arbeit. Denen wollen Sie aber doch die Kinderbeihilfe nicht vorenthalten? Sie wollen doch auch nicht, daß die Kinderbeihilfe nachträglich gewährt wird, sondern am Fälligkeitstermin, also nicht erst, wenn der Bauarbeiter wieder in Arbeit geht, nach zwei oder drei Monaten, je nachdem, wie lange die Frostperiode dauert. Deshalb haben wir uns erlaubt, einen Änderungsantrag zu Ihrem Vorschlag .zu § 4 Abs. 6 einzubringen.
Ich will Ihnen noch ein Beispiel geben. Ein Arbeitnehmer wird gekündigt, meinetwegen fristlos entlassen oder befristet gekündigt, ganz gleich. Der Arbeitnehmer klagt beim Arbeitsgericht, der Prozeß zieht sich hin, es gibt Berufung, das Landesarbeitsgericht entscheidet nach Monaten und gibt dem Arbeitnehmer recht. Soll er in den ganzen Monaten für sein drittes, viertes, fünftes, und wer weiß, für wie viele Kinder, die Kinderbeihilfe nicht erhalten? Das wollen Sie nicht, das können Sie nicht wollen! Wir glauben, daß wir mit unserem Änderungsvorschlag zu Ihrem Antrag Umdruck 155 — ich habe denselben Ihnen gestern schon übergeben — das erreichen, was Sie sicherlich auch wollen. Ich bitte Sie deshalb, bei § 4 Abs. 6 unsere Fassung an Stelle der Ihrigen anzunehmen.
Herr Abgeordneter Schellenberg, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine kurze Bemerkung zu dem, was Herr Kollege Horn vorgetragen hat. Herr Kollege Horn hat ausgeführt, daß der Rechtsausschuß bei Erörterung der Frage des Gleichheitsgrundsatzes offenbar nicht richtig beraten worden sei. Herr Kollege Horn, nach meiner Kenntnis der Dinge hat als einziges Mitglied aus dem Bereich des Sozialpolitischen Ausschusses an diesen Beratungen Herr Kollege Arndgen teilgenommen.
— Also noch ein Herr der Regierungskoalition, aber kein Vertreter der Opposition, weil wir nämlich im gleichen Augenblick im Sozialpolitischen Ausschuß tagten, dem Sie sich zu diesem Zeitpunkt entzogen haben.
Nun noch etwas anderes. Herr Kollege Horn hat hier die Begriffe Krankenhilfe und Krankenpflege im Sinne der Reichsversicherungsordnung auseinandergesetzt. Worum geht es sozialpolitisch? Frau Kollegin Döhring hat gestern ausgeführt, daß es uns darum geht, daß auch bei Aussteuerung von Krankengeld die Leistung des Kindergeldes weiterhin gesichert ist. Das ist nach der Ausschußfassung nicht der Fall, und deshalb haben wir den Antrag zu § 2 gestellt.
Und noch ein drittes. Herr Kollege Horn, Sie haben ausgeführt, daß Sie einen Entwurf zu einer Erweiterung des Personenkreises in der Hand hätten. Damit ist uns hier heute nicht gedient.
Es kommt uns darauf an, jetzt den Personenkreis gesetzlich umfassend zu regeln und nicht die Betreffenden mit zukünftigen Regelungen zu vertrösten.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, es kommt Ihnen heute und hier darauf an, das durchzusetzen, was Ihnen im Ausschuß nicht gelungen ist.
— Ja, das wollen Sie natürlich. Aber Sie wissen genau so gut — und deshalb brauchen Sie gar nicht so zu lachen —, daß wir Ihnen darin auch hier nicht folgen werden.
Im übrigen ist zu dem, was Sie sonst zur Sache sagten, folgendes zu bemerken. Sie sagten, es komme Ihnen darauf an, daß die Leute auch nach der Aussteuerung noch Anspruch auf Kindergeld behalten. Ich muß auch hier wiederholen: es ist für diese Leute nach der Aussteuerung im Rahmen der übrigen Sozialgesetze in der weitaus übergroßen Mehrzahl der Fälle, ja wohl fast ohne Ausschluß, gesorgt. Entweder haben sie dann Anspruch und beziehen Rente aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung, oder sie kommen in den Genuß von Arbeitslosenunterstützung. Gleichviel woher sie dann Bezüge erhalten, diese Kategorien fallen sämtlich unter die Gesetzesvorlagen, die in der Angleichung an das Kindergeldgesetz, wie ich das vorhin dargetan habe, nachgezogen werden sollen. Infolgedessen werden auch die Leute, für die Sie eben hier eingetreten sind, durch diese Gesetzesvorlagen bedient.
Das Wort hat der Abgeordnete Becker .
Meine Damen und Herren! Herr Professor Schellenberg hat gestern bei der Aussprache über den § 1 dieses Gesetzes die organisatorischen Mängel und Schwächen der Vorlage festgestellt, und zwar in diesem Punkte — das möchte ich hier noch einmal festhalten —, in Übereinstimmung mit der Fraktion des BHE, mit der Fraktion der FDP und mit der Fraktion der Deutschen Partei. Alle vier Fraktionen haben die organisatorischen Mängel und Schwächen dieses Gesetzes gesehen.
Jetzt erhebt sich die Frage, wie diese Mängel zu heilen sind. Ich spreche hier insbesondere zu dem Änderungsantrag der SPD zu § 2, der sich auf Umdruck 147 befindet. Sie erinnern sich, die FDP und die Deutsche Partei wollten die Mängel dadurch heilen, daß sie die Selbständigen in § 1 erst einmal
aus dem Gesetz herausnehmen, weil dieses Gesetz seinem Ursprung und seinem Gehalt nach auf die Nichtselbständigen abgestellt ist. Die SPD stellt jetzt bei § 2 den Antrag, den Kreis der Berechtigten auszuweiten, und zwar auf alle die Unterstützungsempfänger, Fürsorgeempfänger und die übrigen Gruppen, die hier angeführt sind.
Dadurch, meine Damen und Herren von der SPD, heilen Sie nicht die organisatorischen Mängel dieses Gesetzes, sondern Sie komplizieren die Dinge noch viel mehr. Sie wissen, glaube ich, ganz genau, daß, wenn dieser Ihr Antrag angenommen würde, die organisatorische Durchführung dieses Gesetzes noch mehr unmöglich gemacht würde, als ohne diesen Antrag.
Ich möchte hier keine moralisch wertende Feststellung treffen, um nicht die Auseinandersetzung zu verschärfen, muß Ihnen aber doch sagen: mir scheint dieser Antrag, wenn man die Ausführungen berücksichtigt, die Sie gestern zu § 1 gemacht haben, zum mindesten weitgehend inkonsequent. Man kann die organisatorischen Mängel eines Gesetzes nicht dadurch heilen, daß man den Personenkreis ausweitet; man kann sie nur dadurch heilen, daß man wieder auf den Personenkreis zurückgeht, für den das Gesetz ursprünglich gedacht war.
Zum Schluß noch eine Feststellung. Wenn hier, wie gestern in der Begründung Ihres Antrages am Schluß der Debatte, etwa wieder der Tenor angeschlagen wurde: „Alle Fraktionen, die diesem Antrag der SPD nicht zustimmen werden, zeigen sich als unsozial", so muß ich diesen Vorwurf zurückweisen. Sie wissen ganz genau, daß sowohl in den Kreisen der CDU — der Kollege Horn hat es ja eben vorgetragen — als auch in den Fraktionen der FDP und der DP ganz klare Vorstellungen darüber vorliegen, wie diesen an sich in erster Linie hilfsbedürftigen Kreisen auf dem Wege der Kinderbeihilfe geholfen werden soll. Das wissen Sie ganz genau, und deswegen möchte ich Sie bitten: unterlassen Sie beim weiteren Fortgang der Debatte den Vorwurf, daß der ganze restliche Teil des Hauses außerhalb der SPD unsozial sei. Sie wissen, daß wir uns nur in der Auffassung darüber unterscheiden, auf welchem Wege zweckmäßigerweise die Kinderbeihilfe für die Nichtarbeitnehmer, die nicht im Beschäftigungsverhältnis Stehenden gewährt werden soll. Ich muß ganz ausdrücklich den hier immer wieder erhobenen Vorwurf zurückweisen, daß, weil in diesem Gesetz der Personenkreis, den Sie erfaßt wissen wollen, nicht erfaßt sei, alle anderen Fraktionen unsozial seien.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn Sie heute „Die Welt" zur Hand nehmen, finden Sie einen Artikel, in dem eine kurze Betrachtung über das Gesetz angestellt wird, das wir beraten. Ich muß dem Schreiber dieses Artikels recht geben, der zum Ausdruck bringt, daß, wenn man neue sozialpolitische Maßnahmen trifft, diese zunächst doch denjenigen zugute kommen sollten, die sich in einer besonderen sozialen Notlage befinden, und nicht da angefangen werden sollte, wo von einem sozialen Notstand dieses Ausmaßes nicht gesprochen werden kann. Aus diesem Grunde wird meine Fraktion das Anliegen der SPD, diesen Kreis der sozial Schwachen zu erfassen, unterstützen. Wir betonen noch einmal, was ich gestern ausgesprochen habe: Kindergeld hat völlig unabhängig davon zu sein, welchen Berufs- oder sonstigen Schichten die Eltern angehören. Es hat alle zu erfassen und insbesondere diejenigen Eltern, die ohne ihre Schuld heute ohne echte Existenz oder ohne echtes Arbeitseinkommen sind. Ich sage das um deswillen noch einmal, weil ich auch daran anknüpfen möchte. Wir wollen hier nicht darüber debattieren, ob der eine größeres soziales Verständnis hat als der andere; ich möchte annehmen, daß jeder Mann und jede Frau in diesem Hohen Hause den Wunsch hat, allen Menschen zu dem zu verhelfen, was unser Anliegen ist, nämlich einem gerechten Kindergeld. Aber ich muß mich dagegen verwahren, daß in einem solchen Gesetz gerade die sozial schwachen Gruppen ausgeschlossen werden. Ich meine, wir sollten gerade diese Gruppen berücksichtigen. Auch die in Existenz Befindlichen, die Arbeitnehmer, die Beschäftigten werden bestimmt Verständnis dafür haben, daß wir auch die Arbeitslosenunterstützungsempfänger, die Rentenbezieher, die Kriegerwitwen usw. in dieses Gesetz einbezogen sehen möchten.
Es ist von Herrn Horn gesagt worden — und, sehr verehrter Herr Horn, ich verstehe Sie von Ihrem Standort der Betrachtung aus —: „Das ist so schwer für diese gesetzliche Regelung, die wir hier haben!" Ja, die S i e haben, meine Herren und Damen von der CDU und CSU! . Aber das ist doch nicht die Erfindung etwa des Gesamtdeutschen Blocks/BHE gewesen. Sie können doch von uns nicht verlangen, daß wir bis in die letzte Konsequenz nun aus unserem Verantwortungsbereich herausgehen und, nur um diesen organisatorischen Fehlern zu begegnen, in dieser Stunde den Kreis dieser Menschen verlassen, damit eine organisatorische Ordnung dieses Gesetzes möglich ist. Ich muß in diesem Zusammenhang einmal darauf hinweisen, daß ich im Sozialpolitischen Ausschuß auf diese Fehler und die Schwierigkeiten wiederholt hingewiesen habe, und wären Sie etwas mehr auf die Ratschläge und die guten Meinungen, die zum Ausdruck gekommen sind, eingegangen, stünden wir heute nicht vor diesem Problem. Die gestrige und die heutige Debatte wäre auch sehr viel leichter abgelaufen, als es der Fall gewesen ist. Uns können Sie dafür jedenfalls nicht verantwortlich machen.
Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein kurzes Wort zur Beseitigung von Mißverständnissen. Herr Kollege Becker hat meine gestrigen Darlegungen völlig mißverstanden. Ich habe nicht über die Organisation gesprochen und keinen Antrag zu organisatorischen Fragen gestellt, sondern zum Personenkreis, d. h. zur Frage des Kreises der Berechtigten. Darum geht es uns und nicht um organisatorische Probleme.
Herr Abgeordneter Becker !
Herr Dr. Schellenberg, Ihre Ausführungen von gestern liegen ja noch nicht im Wortlaut vor; aber ich weise auf folgendes hin.
Sie haben sich doch sogar den Standpunkt des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zu eigen gemacht und haben folgenden Satz zitiert: „Bei Würdigung aller dieser Verhältnisse muß der in der Ausschußvorlage enthaltene Entwurf als praktisch undurchführbar bezeichnet werden." Sie haben gesagt: „praktisch undurchführbar". Das hat gar nichts mit dem Kreis der Berechtigten zu tun, sondern mit der Möglichkeit der organisatorischen Durchführung. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß meine Erklärungen von vorhin meines Erachtens berechtigt sind; denn wenn Herr Professor Schellenberg gestern nicht die organisatorischen Mängel dieses Gesetzes hätte feststellen wollen, dann hätte er ja nicht diese weitgehende Stellungnahme der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zitieren dürfen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 2.
Es liegen zunächst vor die übereinstimmenden Anträge der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 155 Ziffer 1 und der Fraktion der FDP Umdruck 156 Ziffer 1 auf Streichung einiger Worte in § 2 Abs. 2. Ich komme zur Abstimmung über diese Anträge, deren Wortlaut der gleiche ist. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; diese Anträge sind angenommen.
Es liegt weiter vor der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 147 Ziffer 2 auf Streichung des letzten Satzes von § 2 Abs. 2 und Einfügung eines neuen Abs. 3. Sie haben den Antrag vor sich. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der FDP und DP Umdruck 157 Ziffer 2 auf Streichung der Absätze 3 und 4 in § 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 143 Ziffer 1 auf Neufassung des Abs. 4 von § 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die unter Berücksichtigung dieser Änderungsanträge dem § 2 insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; der § 2 ist angenommen.
Ich komme zu § 3: Änderungsanträge 148 Ziffer 2 der Fraktion der CDU/CSU und 156 Ziffer 2 der Fraktion der FDP. Soll der Antrag 148 Ziffer 2*) begründet werden? — Bitte schön, Frau Abgeordnete Rösch!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der § 3 des vorliegenden Gesetzes befaßt sich mit der Regelung des Kindergeldes bei mehreren Anspruchsberechtigten. Wir haben im Abs. 1 die Ziffern 1 und 2 redaktionell überarbeitet, um besser klarzustellen, wer nun das Kindergeld bei mehreren Anspruchsberechtigten zu bekommen hat.
Besonders hinweisen möchte ich Sie aber auf den letzten Satz des 2. Teils, der mit den Worten beginnt: „In den übrigen Fällen . . ." Wir schlagen Ihnen auf Seite 2 des Umdrucks 148 folgende Fassung vor:
In den übrigen Fällen hat das Vormundschaftsgericht auf Antrag des Jugendamtes oder einer Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, den Berechtigten zu bestimmen. Die Bestimmung ist so zu treffen, daß sie dem Wohle aller beteiligten Kinder am besten entspricht; das Vormundschaftsgericht kann den Anspruch unter die Berechtigten aufteilen. Das Vormundschaftsgericht kann ferner anordnen, in welcher Weise das Kindergeld verwendet werden soll. Nach den gleichen Grundsätzen kann das Vormundschaftsgericht eine von den Nummern 1 und 2 abweichende Regelung treffen.
Wir möchten dadurch klarstellen, daß in schwierigen Verhältnissen bei nicht mehr intakten Familien, wo die Kinder unter Umständen an verschiedenen Orten untergebracht sind, wirklich alle beteiligten Kinder in den Genuß der Kinderbeihilfe kommen. Wenn z. B. das dritte Kind in einer anderen Pflegestelle ist als das erste und das zweite, sollen alle drei Kinder die Beihilfe erhalten. Sie soll aufgeteilt werden, und damit diese Aufteilung gerecht vor sich geht, soll das Vormundschaftsgericht zusammen mit dem Jugendamt die Aufteilung bestimmen. Ich bitte Sie namens der CDU/CSU-Fraktion, diesem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
Der Herr Abgeordnete Dr. Jentzsch zur Begründung des Antrags Umdruck 156 Ziffer 2*).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen vorgeschlagen, dem § 3 folgenden Abs. 3 anzufügen:
Werden im Rahmen anderer gesetzlicher Bestimmungen für das dritte Kind und weitere Kinder Kindergelder gewährt, so sind diese auf die Kindergelder nach diesem Gesetz anzurechnen.
Bestimmend für diesen Vorschlag ist folgendes. Wir haben in der Gesetzesvorlage Drucksache 708 die Regel aufgestellt, daß grundsätzlich nur e i n Kindergeld zu gewähren ist. In den gesetzlichen Bestimmungen ist weiterhin vorgesehen, gewisse Kreise auszuschließen, sofern sie von anderer Stelle — ich denke da speziell an den öffentlichen Dienst — bereits ein Kindergeld in der Höhe dc s in diesem Gesetz vorgesehenen erhalten. Wir wollen also die Möglichkeit einer Doppelzahlung ausschalten. Es sind nun immerhin Fälle denkbar, etwa bei der Unfallrente, daß jemand einen Kinderzuschlag bekommt und aus einer noch weiteren Leistung heraus ein Kindergeld erhält. Ist er darüber hinaus noch berufstätig — was alles zusammen denkbar wäre —, so hat er nach diesem
*) Siehe Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 44. Sitzung.
*) Siehe Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der 44. Sitzung.
Gesetz den Anspruch auf Kindergeld, wenn er bei einer Berufsgenossenschaft versichert ist oder sich versichern lassen könnte. In diesem Fall wäre eine Kumulation von Kindergeldsätzen möglich. Das entspricht aber nicht dem Sinne, in dem dieses Gesetz gedacht und ausgearbeitet worden ist. Um diese Fälle zu vermeiden, schlagen wir Ihnen vor, den Zusatz in dem neuen § 3 anzunehmen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 3.
Ich komme zur Abstimmung über die gestellten Änderungsanträge, zunächst über den von der Fraktion der CDU/CSU gestellten Antrag auf Neufassung des Abs. 1 des § 3, Umdruck 148 Ziff. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -
Das ist die überwiegende Mehrheit; ist angenommen.
Umdruck 156 Ziffer 2, Antrag der Fraktion der FDP auf Anfügung eines Abs. 3. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 unter Berücksichtigung der Änderung auf Grund des Antrags Umdruck 148 Ziffer 2 insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe § 4 auf, dazu Änderungsanträge Umdruck 155 Ziffer 2 — gestellt von der Fraktion der CDU/CSU — und Umdruck 165 — Antrag der SPD — auf Einfügung eines Abs. 6. Wer wünscht, den Antrag Umdruck 155 Ziffer 2 zu begründen?
— Ist begründet. Und den Antrag betreffend Abs. 6?
— Ist vorhin begründet worden, bedarf also keiner Begründung mehr.
Wird das Wort sonst gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung zu § 4. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag Umdruck 155 Ziffer 2 — —
— Der Antrag Umdruck 165 geht nach Meinung des Herrn Abgeordneten Richter weiter. Das scheint so zu sein. Also sind wir uns über die Technik des Vorgehens einig.
Ich bitte zunächst die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck 165 zuzustimmen wünschen
— Einfügung eines Abs. 6 — eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck 155 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 4 in der geänderten Fassung insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf § 5, Änderungsantrag Umdruck 147 Ziffer 3 der Fraktion der SPD und Änderungsantrag Umdruck 148 Ziffer 3 der Fraktion der CDU/CSU. Wünscht jemand den Antrag Umdruck 147 Ziffer 3 zu begründen? — Soll offenbar nicht begründet werden. Und Umdruck 148 Ziffer 3?
— Sie verzichten auf Begründung.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung zu § 5. Ich bitte die Damen und Herren, die dem von der Fraktion der SPD gestellten Änderungsantrag Umdruck 147 Ziffer 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck 148 Ziffer 3 der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 5 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe § 6 auf. Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf § 7, dazu den Änderungsantrag Umdruck 147 Ziffer 4 der Fraktion der SPD. — Bitte schön, Herr Abgeordneter Preller zu Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, den § 7 zu streichen. Die Dinge liegen so, daß die Absätze 1 und 4, die vorsehen, daß Leistungen auch dann weiter zu gewähren sind, wenn sie durch betriebliche und andere Maßnahmen gegeben werden, durchaus in Ordnung sein könnten. Aber wir bedürfen einer Rechtsregelung dieser Art nicht; das ist auch ohne eine derartige Regelung rechtsgültig.
Sehr starke Bedenken haben wir dagegen gegen die Absätze 2 und 3. In Abs. 2 wird festgestellt, daß betriebliche und andere Regelungen, die Kindergeld betreffen, durch eine einfache schriftliche Mitteilung des Arbeitgebers — im Rahmen einer gewissen Monatsfrist — beseitigt werden können oder auch nicht einmal durch schriftliche Mitteilung, sondern nur durch Anschlag im Betrieb.
Abs. 3 sagt, daß in ähnlicher Weise durch eine einfache schriftliche Mitteilung sogar ein Tarifvertrag in diesen Fragen abgeändert werden kann. Dagegen erheben sich sehr starke rechtsdogmatische und praktische Bedenken. Wir alle, die wir hier sitzen, haben, soweit wir schon im Parlamentarischen Rat waren, seinerzeit dem Tarifvertragsgesetz und dem Grundsatz der Unabdingbarkeit zugestimmt. Und nun soll etwas geschehen, was außer in der Brüningschen und Papenschen Gesetzgebung in Deutschland überhaupt noch nicht vorgekommen ist: es soll nämlich durch ein Gesetz in den Tarifvertrag eingegriffen werden. Das
widerspricht den Grundsätzen unseres kollektiven Arbeitsrechts, wie wir es in diesem Hause allgemein anerkennen. Wir sollten uns doch darüber im klaren sein, daß wir eine solche Durchbrechung des Rechtes nicht durchführen können. Die Tarifparteien — es wird ja in erster Linie auf die Arbeitgeber ankommen — haben durchaus die Möglichkeit, nach Kündigung des betreffenden Tarifvertrags die in Frage kommenden Bestimmungen zu ändern. Warum aber soll nun die Möglichkeit gegeben werden, bereits in einem kürzeren Zeitraum diese Regelung zu durchbrechen? Meine Damen und Herren, den Erfolg, den Sie sich vielleicht davon versprechen, daß neben dem Kindergeld auf gesetzlicher Grundlage das Kindergeld in den Betrieben nicht mehr gezahlt wird, diesen Erfolg — wenn es einer wäre — können Sie doch erreichen, wenn Sie vorher rechtzeitig die Tarifverträge kündigen. Aber um eines solchen sehr fragwürdigen Erfolges willen nun das gesamte Gebäude des Tarifrechts in Frage zu stellen, das geht viel zu weit.
Das andere ist das Materielle, was dahinter steht. Was ist denn dieses Kindergeld, das in den Betrieben gegeben wird? Es ist praktisch eine Art Lohn und nichts anderes. Wir erleben es bei Tarifverhandlungen — die Tarifpartner können es bestätigen — immer und immer wieder, daß Lohnerhöhungen abgelehnt werden mit dem Hinweis darauf, daß ja bereits tarifvertraglich ein Kindergeld gegeben werde. Wenn Sie nun dieses Kindergeld wegfallen lassen, so vermindern Sie den Lohn, Sie fügen dem betreffenden Arbeitnehmer einen Lohnverlust zu, gesetzlich! Welche Begründung liegt hierfür denn vor? — Auch das können Sie meines Erachtens nicht verantworten.
Meine Damen und Herren, leisten wir uns doch auch auf diesem Gebiet ein wenig Demokratie! Halten wir doch an den Gesetzen fest, die wir auf dem arbeitsrechtlichen Gebiet erlassen haben, und durchbrechen wir nicht durch eine solche Bestimmung selber ein Gesetz, das die Grundlage unseres Arbeitsrechts ist! Wir bitten um Ablehnung des § 7.
Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entgegen der Auffassung des Kollegen Preller bin ich der Meinung, daß der § 7 so, wie er vom Ausschuß verabschiedet worden ist, bleiben muß, und zwar aus folgenden Gründen. Wenn dieser Paragraph gestrichen würde, dann wäre das eine Bestrafung derjenigen Unternehmer und Wirtschaftszweige, die schon in der hinter uns liegenden Zeit sozial fortschrittliche Einrichtungen geschaffen haben.
Außerdem läge die Beseitigung dieses Paragraphen auch nicht im Interesse der Arbeitnehmer. Denn wenn irgendwelche betrieblich und tariflich geregelte soziale Leistungen und nachher durch ein Gesetz verankerte ähnliche Leistungen von einem Unternehmer gleichzeitig gewährt werden müssen, dann werden wir in der Zukunft kaum noch Arbeitgeber finden, die sich für irgendwelche sozial fortschrittliche Einrichtungen bereit finden.
Wir haben auch schon in der Geschichte der Gesetzgebung Fälle zu verzeichnen, wo durch Gesetz soziale Leistungen festgelegt und gleichzeitig gleiche tarifvertragliche Regelungen beseitigt wurden. Ich erinnere an die ersten Jahre der Nachkriegszeit, wo in einer ganzen Reihe von betrieblichen und tariflichen .Vereinbarungen Sonderurlaub für die Schwerbeschädigten festgelegt war. In der Zwischenzeit ist das Schwerbeschädigtengesetz mit ähnlichen Regelungen erlassen worden. Es hat aber dann kein Mensch daran gedacht, zu den im Schwerbeschädigtengesetz vorgesehenen Sonderurlaubstagen noch die betrieblich und tariflich vereinbarten Urlaubstage zusätzlich zu gewähren.
Wollen wir also die Bestrebungen einer Weiterentwicklung unserer Sozialpolitik nicht durch gesetzliche Bestimmungen unterbinden, dann ist es notwendig, daß der § 7 der Ausschußvorlage beibehalten wird.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 7.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 147 Ziffer 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 7 ist angenommen.
Es liegen dann weiter Anträge auf Einfügung eines § 7 a und eines § 7 b — Umdruck 147 Ziffern 5 und 6 — vor.
Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat in Umdruck 147 Ziffer 5 einen Änderungsantrag zu § 7 eingereicht mit dem Zweck, einen neuen § 7 a einzufügen. Der in unserem Antrag vorgesehene § 7 a lautet:
Zusammentreffen des Kindergeldes mit
anderen Sozialleistungen
Kindergeld wird auf Leistungen der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitslosenfürsorge, der Kriegsopferversorgung, des Bundesentschädigungsgesetzes sowie auf Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz und auf Fürsorgeunterstützung nicht angerechnet.
Meine Damen und Herren! Der Kollege Arndgen sprach gestern bei der Begründung des § 1 der Drucksache 708 davon, daß man mit diesem Gesetz eine Lücke im sozialpolitischen Raum schließen wolle. Wir haben aus demselben Grunde die Drucksache 318 eingereicht. Trotz dieser Formulierung des Kollegen Arndgen von der CDU hat seine Fraktion einen Änderungsantrag meiner politischen Freunde, der durch die Kollegin Clara Döhring vertreten worden war, zu § 2 Abs. 2, der den gleichen Personenkreis umfaßt, abgelehnt. Durch diese Methode beschließen Sie ein lückenhaftes Gesetz. Sie tun gerade das Gegenteil von dem, was Sie angeben, zu wollen.
Der neu einzufügende § 7 a soll verhindern, daß Kindergeld auf andere Sozialleistungen angerechnet werden kann. Er umfaßt einen Personenkreis, der von diesem Hohen Hause als einer der bedürftigsten anerkannt wird. Gerade deshalb soll dieser Personenkreis in diesem Gesetz besonders berücksichtigt werden.
Sollten Sie den § 7 a ablehnen, dann kann die Folge sein, daß einem Bezieher einer Kriegsopferrente, der Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz hat, dieses Kindergeld vorenthalten wird und damit das Versorgungsamt zum Nutznießer dieses Gesetzes wird. Ich glaube, diese Auswirkung kann dieses Hohe Haus auch nicht wollen. Solche Beispiele ließen sich für diesen Personenkreis, den der von uns gewünschte § 7 a umfaßt, endlos fortsetzen.
Wir meinen deshalb, daß es unsozial ist, dieses Kindergeld auf andere Sozialleistungen anzurechnen, und bitten, unseren Antrag auf Einfügung eines § 7 a anzunehmen.
Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das eben von einem Vertreter der SPD-Fraktion vorgetragene Anliegen ist auch unseres. Wir sind der Meinung, daß Gesetzesbestimmungen geschaffen werden müssen, die eine Anrechnung der Kinderbeihilfe unmöglich machen. Das kann aber nicht in diesem Gesetz geschehen;
denn wir haben für die hier angesprochenen Gruppen besondere Gesetze. Ich bin der Meinung, daß es gerade die Gruppe, der mein Vorredner angehört, ablehnen würde, daß ein allgemeines soziales Gesetz geschaffen wird, in dem alle Gruppen gleich behandelt werden; gerade diese Gruppe wird darauf bestehen, daß ihr Anliegen in einem besonderen Gesetz behandelt wird. Das gleiche ist für andere Gruppen Notleidender zu sagen. Wenn dem so ist, werden wir die Dinge in den Gesetzen ändern müssen, die für die angesprochenen Gruppen in Frage kommen.
Schon gestern habe ich und heute morgen hat auch der Kollege Horn noch einmal darauf verwiesen, daß wir Vorbereitungen treffen, all den Anliegen gerecht zu werden, die zum Ausdruck gebracht worden sind. Deshalb bitte ich, den Antrag der SPD abzulehnen.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen trotz der Auseinandersetzungen nicht mehr vor.
Soll der Antrag zu § 7 b auch noch begründet werden?
— Also bleiben wir erst bei § 7 a und stimmen darüber ab. Ich hatte nur zusammenfassen wollen. Wortmeldungen zu Umdruck 147 Ziffer 5 liegen nicht mehr vor. Ich bitte die Damen und Herren,
die dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 147 Ziffer 5 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Zur Begründung des Antrags Umdruck 147 Ziffer 6*) auf Einfügung eines § 7 b, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 7 behandelt das Zusammentreffen des Kindergeldes mit Leistungen auf Grund eines Arbeitsverhältnisses. Wir sind der Meinung, daß hier eine Lücke besteht, und beantragen deshalb mit Umdruck 147 Ziffer 6 die Einfügung einer Bestimmung, daß das Kindergeld nicht auf das Arbeitsentgelt angerechnet werden darf. Bei Bemessung des Arbeitsentgelts von Beschäftigten, die nach diesem Gesetz Kindergeld erhalten, soll also das Kindergeld nicht zum Nachteil des Beschäftigten berücksichtigt werden; insbesondere soll es unzulässig sein, daß Kindergeld ganz oder teilweise auf das Arbeitsentgelt angerechnet wird.
Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin aus dem Munde des Herrn Arndgen gehört, daß die Anrechnung bei anderen Sozialleistungen von Ihrer Seite auch nicht gewünscht wird, die gesetzliche Regelung jedoch an anderer Stelle durchgeführt werden soll. Wir sind der Meinung, daß die Frage der Anrechnung auf Arbeitsentgelt hier gesetzlich geregelt werden sollte, wie wir es mit unserem § 7 b beantragt haben, weil Sie in § 27 festgelegt haben, daß das Kindergeld im Betrieb vom Arbeitgeber ausgezahlt wird. Unseres Erachtens besteht hier eine gewisse Schwierigkeit. In vielen Berufsgruppen wird das Arbeitsentgelt monatlich ausgezahlt. Weil nun von dem Arbeitgeber das Kindergeld sogar vorschußweise gezahlt wird, besteht die Gefahr der Anrechnung auf das Arbeitsentgelt.
Wir wollen das gemeinsam nicht. Um die Anrechnung zu verhindern, muß nach unserer Meinung die Lücke durch die von uns beantragte Einfügung des § 7 b geschlossen werden. Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst muß fest. gestellt werden, daß der Antrag der SPD-Fraktion in dieser Sache den Arbeitgebern einfach unterstellt, daß sie die Kinderbeihilfen auf den Lohn anzurechnen gedenken.
Das ist nach meinem Dafürhalten nach diesem Gesetz überhaupt nicht möglich, weil das Kindergeld losgelöst vom Lohn und losgelöst vom Einzelbetrieb gewährt werden soll.
*) Siehe Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 44. Sitzung.
Nach der Konstruktion dieses Gesetzes kommt für die Auszahlung des Kindergeldes nicht der einzelne Betrieb, sondern die Gemeinschaft eines Wirtschaftszweiges in Frage.
Daher ist nach meinem Dafürhalten eine Anrechnung des Kindergeldes auf den Lohn unmöglich. Ich bitte deshalb, den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich erklären, daß wir keiner Gruppe und keiner Person irgend etwas unterstellen, wenn wir uns erlauben, einen Antrag zu einem Gesetzentwurf einzubringen. Verehrter Herr Kollege Arndgen, wir haben aber auch Lebenserfahrungen, wie Sie auch, und Sie wissen, daß es eine ganze Menge Arbeitsverhältnisse gibt, denen kein Tarifvertrag zugrunde liegt.
Außerdem haben wir gestern den Familienminister, den Herr Kollegen Wuermeling, hier sprechen hören. Herr Kollege Wuermeling hat doch in seinen Ausführungen wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß das Kindergeld als eine Art von Arbeitseinkommen zu betrachten sei. Denken Sie dann an die weiteren Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Jentzsch zu dem § 2 Abs. 2 über den Streik und die Aussperrung, wo er von Neutralität des Gesetzgebers — gegenüber den Sozialparteien, darf ich hinzusetzen — gesprochen hat, wo er die Koalitionsfreiheit angesprochen hat. Die Lebensverhältnisse sind gar zu verschieden. Wir wissen, daß die Menschen keine Engel sind. Werter Herr Kollege Arndgen, ich würde Ihnen und den Damen und Herren dieses Hohen Hauses dringend empfehlen, diesen § 7 b anzunehmen. Wenn er in der Praxis niemals gebraucht wird, wenn sich niemand darauf zu berufen braucht, wenn das Sozialgericht nicht unter Berufung auf § 7 b seine Entscheidung zu fällen hat, dann um so besser. Aber wir sollten den § 7 b annehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann wirklich nicht verstehen, Herr Kollege Arndgen, weshalb Sie sich gegen die Fassung des § 7 b wenden,
und zwar deshalb — ich möchte Ihnen das begründen —, weil die Fassung von § 7 b inhaltlich der Vorschrift des § 83 des Bundesversorgungsgesetzes gleicht, nämlich der Vorschrift über den Ausschluß der Anrechnung von Versorgungsbezügen auf Arbeitsentgelt. Wir haben diese Vorschrift des Bundesversorgungsgesetzes übernommen. Wenn es zweckmäßig und ratsam war, bei Versorgungsbezügen eine Anrechnung auf das Arbeitsentgelt auszuschließen, dann ist dies um so mehr bei Kindergeld notwendig.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung über Ziffer 6 des Umdrucks 147, Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Einfügung eines § 7 b. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe § 8 auf. Dazu ist unter Ziffer 4 des Umdrucks 148*) ein Änderungsantrag gestellt. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In Zusammenhang mit der von uns vorgeschlagenen Änderung des § 3 bitten wir Sie, auch der Anderung des § 8 Abs. 2 zuzustimmen. Die Änderung ist auch nur eine nähere Ergänzung und Erläuterung dazu, wie Kinder, die aus irgendwie gestörten Familien stammen und unter öffentlicher Obhut stehen, in den Genuß des Kindergeldes kommen sollen. Insbesondere hat es sich als notwendig erwiesen, noch einmal klar herauszustellen, daß gegebenenfalls auch eine Behörde antragsberechtigt für den Bezug des Kindergeldes ist. Ich bitte Sie deshalb, unserem Vorschlag in Umdruck 148 Ziffer 4 auf Änderung der Fassung des § 8 Abs. 2 Ihre Zustimmung zu geben.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über Umdruck 148 Ziffer 4, Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Neufassung des § 8 Abs. 2. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich komme dann zur Abstimmung über § 8 in der neuen Fassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe § 9 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 9 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe § 10 auf. Hierzu sind Änderungsanträge auf Umdruck 157 Ziffer 3 und 148 Ziffer 5 gestellt. Wird dazu das Wort gewünscht?
Dann stimmen wir zuerst ab über Ziffer 3 des Umdrucks 157, Antrag der Fraktionen der FDP und DP auf Änderungen in § 10. Wer diesen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 5 des Umdrucks 148. Danach sollen in § 10 Abs. 2 zwischen den Worten „Beitragspflicht" und „befreit" die Worte „für ihre Bediensteten" eingefügt werden. Wer diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Gesamtabstimmung über § 10 in der soeben geänderten Form. Wer dem § 10 zuzu-
*) Siehe Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 44. Sitzung.
stimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe § 11 auf. Hierzu sind Änderungsanträge auf Umdruck 157 Ziffer 4, 155 Ziffer 3, 147 Ziffern 7 und 8 gestellt. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Freidhof.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Entwurf des Gesetzes, wie es der Sozialpolitische Ausschuß beschlossen hat, ist die Freigrenze bei den Selbständigen 3600 DM. Die sozialdemokratische Fraktion hat in Umdruck 147 den Antrag gestellt, die Freigrenze auf 4800 DM zu erhöhen. Ein ähnlicher Antrag liegt von der CDU/CSU vor. Allerdings heißt es dort, daß nicht das Einkommen, sondern die Einkünfte 4800 DM nicht übersteigen dürfen, wenn die Beitragsfreiheit eintreten soll. Außerdem ist in dem CDU/CSU-Antrag noch die Rede davon, daß durch die Satzungen abweichende Bestimmungen getroffen werden können. Ich weiß, daß durch die Erhöhung der Freigrenze eine Mehrbelastung für diejenigen eintritt, die die Mittel aufzubringen haben; denn je mehr unten frei bleiben, desto mehr müssen die anderen, die durch das Gesetz betroffen werden, aufbringen. Wir haben aber gleichzeitig einen Abs. 2 eingefügt, in dem eine gleichmäßige Behandlung auch der Landwirtschaft vorgesehen ist, so daß nach unserer Überzeugung die Möglichkeit besteht, eine Erhöhung der Freigrenze auf 4800 DM vorzunehmen.
Bei der Gelegenheit möchte ich eine Bemerkung machen. Wir haben im 1. Deutschen Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das uns keine Freude, sondern viel Ärger bereitet hat und das das Ansehen des Parlaments nicht gestärkt hat, das sogenannte Teuerungszulagengesetz, das Dreimarksgesetz.
Mir scheint, hier wird ein Gesetz geschaffen, das eine ähnliche Situation herbeiführt,
ein sehr schlechtes Gesetz, das das Ansehen des Parlaments nicht stärkt, sondern im Gegenteil untergräbt.
Gestern haben die Redner der CDU erklärt, die Berufsgenossenschaften hätten sich nach ihrer Auffassung bereit erklärt, dieses Gesetz durchzuführen. Ich möchte nicht unterlassen, demgegenüber darauf hinzuweisen, daß die Eingaben, die wir und Sie erhalten haben, doch das Gegenteil von dem beweisen, was gestern von den Rednern der CDU behauptet worden ist. Mir liegt eine Eingabe der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft des Regierungsbezirks Darmstadt vor. Darin heißt es wörtlich:
Die Berufsgenossenschaft umfaßt 178 000 Beitragspflichtige. Darunter befinden sich rund 93 000, die Mindestbeiträge, zur Zeit 5 DM jährlich, bezahlen. Es ist der Berufsgenossenschaft nicht möglich, die Freigrenze von 3600 DM überhaupt festzustellen.
Ähnliche Eingaben liegen von anderen Berufsgenossenschaften vor. Mir scheint, hier wird den Berufsgenossenschaften eine Aufgabe zugewiesen, die sie überhaupt nicht durchführen können. Nach
meiner Überzeugung ist es deshalb notwendig, die Freigrenze auf 4800 DM zu erhöhen.
— Natürlich, aber dann fallen nicht so viele darunter wie bei 3600 DM.
Ich möchte sogar bezweifeln, ob es den Berufsgenossenschaften möglich ist, die Freigrenze von 4800 DM genau festzustellen. Ich habe ja vorhin erklärt, daß wir ein Gesetz machen, das ähnlich dem Teuerungszulagengesetz, dem Dreimarksgesetz, ein schlechtes Gesetz ist,
ein Gesetz, das in seiner ganzen Konzeption, in seiner ganzen Anlage vollständig falsch gestaltet ist.
Ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn dieses Gesetz einmal in die Tat umgesetzt werden soll, sehr große Schwierigkeiten bekommen werden und sehr bald Änderungen des Gesetzes vornehmen müssen.
Ich bitte Sie deshalb, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Freidhof, es besteht natürlich die Möglichkeit, bei jedem Paragraphen über Wert und Unwert dieses Gesetzes von neuem die Debatte zu beginnen. Aber was Sie gesagt haben, begründet doch nicht das, was Sie beantragt haben.
Sie haben gesagt, es sei zu kompliziert. Nun, es muß doch von jedem einzelnen nachgewiesen werden, daß er unter dieser Grenze liegt. Wenn die Grenze also 'erhöht wird, wird das Gesetz noch komplizierter. Aber ich sage Ihnen ganz offen: Wir sind der Meinung, daß diese Grenze dennoch auf 4800 DM erhöht werden sollte. Die Notwendigkeit dieser Erhöhung braucht wohl nicht besonders erläutert zu werden; denn schon die Ausschußvorlage, Ihr Antrag und unser Antrag sehen ja eine Erhöhung vor.
Nun haben wir eine Beschränkung vorgenommen, von der wir hoffen, daß recht wenig von ihr Gebrauch gemacht wird. Diese Beschränkung mußte nach unserer Meinung leider vorgenommen werden, weil sonst leicht eine Ungleichheit hätte entstehen können; denn nach unserer Vorlage bestünde die Möglichkeit, daß etwa ein kleiner Landwirt zum Beitrag herangezogen wird, ein kleiner Handwerker aber nicht. Das scheint uns nicht angängig zu sein.
Sie haben zwar auch bezüglich der Landwirtschaft eine andere Regelung vorgeschlagen. Ich bin noch nicht in der Lage, zu überblicken, wie sich diese auswirkt. Einstweilen sind wir der Auffassung, daß unser Vorschlag der globalen Verwälzung von zwei Dritteln auf die gewerbliche Wirtschaft der für die Landwirtschaft bessere ist. Daß etwas getan werden muß, meine Damen und Herren, ist jedem
klar, denn der Kinderreichtum der Landwirtschaft gebietet das von selbst. Ich glaube aber nicht, daß zwischen den Anträgen große grundsätzliche Differenzen bestehen. Es geht um eine mehr technische Regelung. Wir halten unseren Vorschlag für besser und bitten Sie, ihm zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Der Kollege Freidhof hat eigentlich alle Argumente, die gegen seinen Antrag sprechen, selbst geliefert. Er hat gesagt, das sei ein schlechtes Gesetz. Ich stimme ihm völlig zu. Wir sind im Begriff, ein schlechtes, undurchführbares Gesetz zu machen.
Aber wir sollten dieses schlechte Gesetz nicht noch mehr verschlechtern. Sie haben gesagt, auch Sie seien der Meinung, daß es in seiner Konstruktion undurchführbar oder mindestens schwer durchführbar sei. Was Sie beantragen, macht es aber noch schwerer durchführbar. Denn die Schwierigkeiten in der Durchführung liegen doch darin, daß wir den Berufsgenossenschaften Unterlagen über Einkommen geben müssen. Wie soll eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die ganz anders aufgebaut ist, nun plötzlich solche ihr wesensfremde Unterlagen beschaffen? Sie muß das Finanzamt heranziehen. Wenn Sie den Kreis der Personen, über deren Einkommen Untersuchungen angestellt werden müssen, noch vergrößern, dann wird das Gesetz noch schwerer durchführbar, als es bisher schon ist. Das ist doch klar!
Aber dasselbe trifft auf den Antrag der CDU zu.
Auch die Einschränkung, von der Sie sprechen, macht das Gesetz undurchführbar. Denn wie wollen Sie die 0,5 % der Freigrenze feststellen? Doch nur durch eine Bescheinigung des Finanzamts! Sie müssen also einen viel größeren Kreis von Personen zum Finanzamt schicken, damit sie sich dort eine Bescheinigung geben lassen und diese Bescheinigung dann an die Berufsgenossenschaft einschicken, alles Arbeiten, die nicht in diesen Rahmen hineingehören.
Und nun grundsätzlich zu der Frage der Erhöhung. Kollege Freidhof hat auf den schwierigsten Punkt schon hingewiesen. Sie wollen die Beiträge der Selbständigen dadurch einziehen, daß Sie einen Teil der betroffenen und der berechtigten Selbständigen zu Beiträgen heranziehen, dagegen einen anderen Teil, bisher mit einem Einkommen bis zu 3600 DM, jetzt bis zu einem Einkommen bis zu 4800 DM, von jeder Beitragspflicht befreien. Herr Freidhof hat klar herausgestellt — das ist ja auch selbstverständlich Je höher wir diese Grenze setzen, desto kleiner wird die Zahl derer, die aufbringen müssen, desto größer wird der Betrag für den einzelnen. Ich bin erstaunt, Herr Schmücker, daß Sie, der Sie doch die Kreise der Handwerker und des Kleingewerbes vertreten, diese Schwierigkeiten und die Gefahren nicht in vollem Umfange erkennen. Für die Kreise, deren Einkommen über der 4800-DM-Grenze liegt, kommt es zu unzumutbaren Belastungen — das ist ganz logisch —, natürlich nur bei einzelnen Berufsgenossenschaften. Bei Berufsgenossenschaften, die sich nur aus Großbetrieben zusammensetzen, spielt das
ganze Problem keine Rolle. Aber gerade bei den Berufsgenossenschaften, die Ihr besonderes Interesse erwecken, kommt es dadurch zu Schwierigkeiten. Ich wage vorauszusagen, daß die Beitragseinziehung bei diesen Berufsgenossenschaften einfach unmöglich ist.
Ich will nur ein Beispiel errechnen. Eine Berufsgenossenschaft hat 100 000 Selbständige. Von diesen 100 000 Selbständigen fallen sicherlich 60 000 nunmehr heraus, d. h. unter die 4800-DM-Grenze. 40 000 bleiben beitragspflichtig. Nehmen wir an, wir haben 10 000 Kinder, die berücksichtigt werden müssen; eine Zahl, die wahrscheinlich zu gering ist, aber ich will es wegen der runden Zahl einmal dabei belassen. Für die 10 000 Kinder brauchen wir 10 000 mal 300 DM. Es entfällt dann auf den einzelnen ein Beitrag von mehr als 75 DM im Jahr. Das ist eine verkappte Steuererhöhung! In dem Augenblick, in dem wir uns im Finanz- und Steuerausschuß und hier im ganzen Hause über Steuersenkungen unterhalten, wird für diesen Kreis, der ganz willkürlich ausgewählt ist, eine Steuererhöhung beschlossen!
Der Kreis ist willkürlich ausgewählt, weil er zufällig -
— Ja, was ist es denn für diesen betroffenen Kreis anders? Das ist eine Steuererhöhung, und zwar willkürlich für einen Kreis, der zufällig
in einer solchen Berufsgenossenschaft versichert ist, während andere, die sich in der gleichen Lebenslage befinden, aber zu einer anderen Berufsgenossenschaft gehören, möglicherweise gar nichts oder nur wenig zu bezahlen brauchen, oder sie sind nicht selbständig oder sind in einer GmbH. oder Aktiengesellschaft tätig.
Das gibt unmögliche Konstruktionen, und aus diesem Grunde ist das Gesetz undurchführbar. Wir werden beide Anträge ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Zunächst zu den technischen Dingen. Ich bin der Meinung, daß es ohne weiteres möglich sein sollte, beim Finanzamt ein Formular zu schaffen, auf dem steht, ob der Betreffende unterhalb oder oberhalb der Grenze liegt. Das ist nach meiner Meinung ziemlich einfach.
Außerdem sind wir der Meinung, daß nach Möglichkeit von dieser Bestimmung kein Gebrauch gemacht werden soll. Wenn hier Beträge genannt worden sind, dann darf ich sie einmal als Erinnerungsbeträge bezeichnen, und zwar nur im Hinblick auf die Regelung bei der Landwirtschaft.
Herr Atzenroth, Sie haben aber völlig den Spitzenausgleich außer Betracht gelassen. Ich meine, der ist doch da und gleicht die Dinge wieder aus.
Im übrigen möchte ich eines sagen. Sie haben gestern mit Nachdruck betont, daß Sie an sich die
Selbständigen in einen Familienausgleich hineinhaben wollen. Es geht nur um die Frage: Welche Regelung? Die staatliche, die über das Finanzamt? Ja, glauben Sie denn, daß die Regelung über die Einkommensteuer billiger ist?!
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens meiner Fraktion den Antrag auf Umdruck 147*) Ziffer 8 zu § 11 Abs. 2 zu begründen. Die Ihnen vorliegende Ausschußfassung des zweiten Absatzes in § 11 — Aufbringung und Höhe der Beiträge — bezweckt eine gleichmäßige Belastung von Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft durch dieses Gesetz. Wie die dem Sozialpolitischen Ausschuß vorgelegten Berechnungen, die auf Unterlagen des Statistischen Bundesamtes fußen, ergeben haben, wird dieses Ziel mit der Bestimmung, daß jede bei einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zu errichtende Familienausgleichskasse ein Drittel der für ihren Bedarf an Kindergeld erforderlichen Mittel aufzubringen hat, für die augenblicklich gegebene Situation auch durchaus erreicht. Mit dieser Bestimmung ist nur nicht die Gewähr dafür gegeben, daß auch in Zukunft die Landwirtschaft relativ genau so hoch, nicht geringer und nicht höher als die gewerbliche Wirtschaft belastet wird.
Die Belastungsquote hängt naturgemäß von einer Reihe von veränderlichen Faktoren ab, so z. B. von der Kinderzahl oder von der Lohnsumme. Es ist durchaus nicht sicher, daß sich diese Faktoren im Laufe der Jahre in der Landwirtschaft immer genau so entwickeln werden wie in der gewerblichen Wirtschaft. Wer vermag zu sagen, ob in einem oder in zwei Jahren oder später die Kinderzahl in der Landwirtschaft genau in dem gleichen Verhältnis gestiegen oder gesunken ist wie in der gewerblichen Wirtschaft und daß sich gleichzeitig die Lohnsummen entsprechend entwickelt haben? Steigt die Kinderzahl in der Landwirtschaft relativ stärker als in der gewerblichen Wirtschaft, steigt aber die Lohnsumme nicht im gleichen Verhältnis und bleibt sie etwa gegenüber der Lohnsumme der gewerblichen Wirtschaft relativ zurück, so würde mit dem Drittel, das die Landwirtschaft für ihren Bedarf an Kindergeld aufbringen soll, die Belastung der Landwirtschaft stärker als die durchschnittliche Belastung der gewerblichen Wirtschaft. Das ist — insbesondere darf ich in diesem Zusammenhang die Abgeordneten der Landwirtschaft ansprechen — eine Entwicklung, die durchaus eintreten kann und die also eine Gefahr bedeutet, der die Landwirtschaft ausgesetzt ist.
Wir haben erst kürzlich bei der Paritätsdebatte hier in diesem Hause von allen Seiten gehört, daß der Rückstand, in dem sich die Landwirtschaft befindet, aufgeholt werden müsse und aufgeholt werden soll. Meine politischen Freunde haben in dieser Debatte kritisiert, daß die von der Fraktion der CDU/CSU und von den Fraktionen der FDP und der DP eingebrachten Gesetzentwürfe zuwenig konkrete Möglichkeiten für die Herbeiführung der echten Parität zwischen Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft beinhalten. Meine Damen und Herren, hier in diesem Falle, in Abs. 2 des § 11, besteht eine solche konkrete Möglichkeit, die Parität, die Sie alle anstreben, herzustellen.
Die Fraktion der SPD ist dazu durchaus bereit. Sie schlägt Ihnen vor, den Abs. 2 des § 11 zu ändern und ihm die in Umdruck 147 Nr. 8 vorliegende Fassung zu geben. Danach soll die Landwirtschaft nur diejenigen Mittel für ihren Bedarf an Kindergeld und Verwaltungskosten aufbringen, die durchschnittlich die Betriebe der gewerblichen Wirtschaft aufbringen. Damit ist die Gewähr gegeben, daß die der Landwirtschaft zu gebenden Zuschüsse elastisch den veränderten oder veränderlichen Bedingungen angepaßt werden. Mit dem Vorschlag, den der Ausschuß gemacht hat und der auch in dem jetzt vorliegenden Änderungsantrag der CDU enthalten ist, wonach die Landwirtschaft ein Drittel — es ist ganz bestimmt gesagt: ein Drittel — aufbringen soll, würde dieses Ziel nicht erreicht.
Meine Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei, unser Antrag entspricht eigentlich auch durchaus der Auffassung, die Sie, Herr Kollege Atzenroth, in dieser Beziehung gestern zum Ausdruck gebracht haben, und eigentlich auch dem, was Sie im Umdruck 157 beantragt haben.
Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, meine Damen und Herren, dann haben Sie der Landwirtschaft in der Frage der Kindergelder die Parität verschafft, die Sie ihr grundsätzlich zu geben bereit waren. Die Landwirtschaft würde damit nicht geringer belastet als die gewerbliche Wirtschaft, sie würde nicht geringer belastet, wenn die Formulierung gewählt würde, die Landwirtschaft solle genau so belastet werden wie durchschnittlich die gewerblichen Betriebe; sie würde aber andererseits davor bewahrt, bei geänderten Voraussetzungen durch das vorliegende Gesetz stärker in Anspruch genommen zu werden als die gewerbliche Wirtschaft.
Und noch ein übriges. Durch die Annahme des SPD-Änderungsantrages würden Sie, meine Damen und Herren, auch bewirken, daß nicht das eintritt, was einige Berufsgenossenschaften so außerordentlich fürchten und was, wie ich gehört habe, zum Teil auch hier bei den Besprechungen der einzelnen Fraktionen sehr stark befürchtet wurde: daß dadurch, daß die Landwirtschaft auch in den Kreis der vom Beitrag Befreiten — bis 3600 DM ursprünglich oder jetzt 4800 DM — einbezogen würde, die verbleibenden Beitragszahler in der Landwirtschaft unverhältnismäßig hoch belastet würden. Dieser Fall wird bei Annahme unseres Antrages nicht eintreten, denn es heißt ja darin, daß die Landwirtschaft nur bis zur durchschnittlichen Belastungsquote der gewerblichen Wirtschaft in Anspruch genommen werden soll. Das heißt, auch die Belastung der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe durch dieses Gesetz würde der durchschnittlichen Belastungsquote der gewerblichen Wirtschaft angepaßt. Das beinhaltet der von uns vorgelegte Änderungsantrag.
Sie können, wenn Sie die Dinge so sehen, mit ruhigem Gewissen auch die Landwirtschaft in die Regelung einbeziehen, daß die Betriebsinhaber mit einem Einkommen von weniger als 4800 DM von der Beitragszahlung für das Kindergeld befreit werden. Es würde natürlich eine Verlagerung dieser Mittel wieder auf die Allgemeinheit erfolgen, wie dieser Gedanke auch grundsätzlich dem § 11 dieses Gesetzes zugrunde liegt. Es würde aber
*) Siehe Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 44. Sitzung.
nicht eintreten, daß einzelne landwirtschaftliche Betriebe verhältnismäßig sehr stark belastet würden, was eine ungerechte und vielleicht auch, wenn man die Sache vom Gesichtspunkt der Rentabilität aus betrachtet, eine unmögliche Belastung wäre. Das würde alles verhindert. Sie würden also auch die verbleibenden Betriebe in der Landwirtschaft genau so hoch belasten wie in der gewerblichen Wirtschaft. Hier ist kein Protektionismus, hier ist keine Bevorzugung eines Kreises von landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber den gewerblichen Betrieben; hier handelt es sich lediglich um die echte und gerechte Parität.
Es ist dabei noch zu bemerken, meine Damen und Herren, daß die Bestimmung des Abs. 2 in § 11 der Ausschußfassung unbillig ist, daß die Landwirtschaft die vollen ihr durch die Errichtung der Familienausgleichskassen bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften entstehenden Verwaltungskosten zu tragen hat. Sie werden zweifellos ungleich höher sein als bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften bzw. bei den Familienausgleichskassen, die bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften zu errichten sind.
Ich möchte aber nun in diesem Zusammenhang über Durchführbarkeit oder Undurchführbarkeit dieses Gesetzes nicht mehr sprechen; das ist ja schon geschehen. Ich möchte nur darauf hinweisen
— und dabei muß ich noch einmal auf die Resolutionen kommen, die uns in großer Zahl von den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und vom Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zugegangen sind —, daß mit den Mitteln, die die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften haben, und mit den Unterlagen, die ihnen zur Verfügung stehen, dieses Gesetz so nicht durchgeführt werden kann. Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes ist es notwendig, daß sich die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zunächst die notwendigen Unterlagen beschaffen. Das geht ganz klar aus diesen Resolutionen hervor. Herr Kollege Arndgen hat zwar gesagt, daß noch in diesen Tagen mit den Berufsgenossenschaften ein volles Einvernehmen über die Durchführung dieses Gesetzes bei ihnen herbeigeführt worden sei.
— Herr Kollege Arndgen, Sie haben das gestern gesagt. Allerdings, Herr Kollege Arndgen, habe ich gerade heute wieder eine Resolution aus Hannover bekommen.
— Sie auch. Offensichtlich sind die Dinge da doch nicht ganz in Ordnung.
Es gibt Schwierigkeiten — ich will mich hier auf einen Punkt beschränken — in bezug auf die Verwaltungskosten, die dadurch entstehen, daß sich die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften erst einen neuen Apparat zur Durchführung dieses Gesetzes schaffen müssen. Das steht zweifellos fest. Ich möchte das bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften gar nicht ansprechen. Diese haben vielleicht geeignetere Unterlagen und kennen die Lohnsummen ihrer Betriebe; aber die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften kennen die Lohnsummen gar nicht. Sie wissen überhaupt nicht, wie viele Arbeitnehmer der unfallversicherte Betrieb hat, und sie wissen auch nicht, wie viele Kinder da vielleicht zu betreuen sein werden. Diese Unterlagen fehlen sämtlich. Die
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bemessen ja die Umlage nach dem Arbeitsbedarf oder in einigen Fällen nach dem Einheitswert. Kurzum, sie werden sich die Unterlagen erst beschaffen müssen. Das erfordert, daß ein Apparat aufgezogen und räumlich untergebracht wird. Es wird also zweifellos notwendig sein, daß wieder neue Gebäude für die Familienausgleichskassen zum mindesten bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften errichtet werden. Das kostet Geld, meine Damen und Herren, das kostet mehr Geld als in den gewerblichen Berufsgenossenschaften.
Alle Sachverständigen sind sich eigentlich darüber einig, daß mit den 5 % Verwaltungskosten, die bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften angenommen sind — es ist noch sehr fraglich, ob die ausreichen werden —, bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften auf keinen Fall auszukommen ist. Eine Berufsgenossenschaft schreibt, sie rechne mit 7 1/2 %; eine andere rechnet mit über 10 %. Das Bundesernährungsministerium hat sich in den Beratungen in etwa dahin geäußert — auch nicht ganz konkret —, daß man in der Landwirtschaft mit Verwaltungskosten von 10 % der insgesamt aufzubringenden Mittel rechnen müsse; aus den Unterlagen, die uns zugegangen sind, war das auch zu ersehen. Das bedeutet, daß die landwirtschaftlichen Betriebe, wenn sie diese Verwaltungskosten allein tragen sollen, sehr viel stärker belastet würden als die gewerblichen Betriebe, und auch das wollen wir mit unserem Änderungsantrag zu § 11 Abs. 2 verhindern. Wir wollen auch in dieser Beziehung die echte Parität, die gleichmäßige Belastung aller Betriebe der gewerblichen Wirtschaft und der Landwirtschaft, weil hier einmal die konkrete Möglichkeit gegeben ist. für diese Parität, von der soviel gesprochen wird, praktisch etwas zu tun.
Meine Damen und Herren, wenn Sie also eine gleichmäßige und gerechte Belastung der Landwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft durch das Kindergeldgesetz wünschen, wenn Sie der Landwirtschaft in diesem konkreten Fall die Parität sichern wollen, dann müssen Sie dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 147 Nr. 8 Ihre Zustimmung geben.
Herr Abgeordneter Dr. Siemer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD, den hier der Kollege Frehsee begründet hat, hat bestimmt für uns Landwirte etwas Bestechendes. Ich will auch nicht — die Berechnungen kann ich im Augenblick nicht machen, weil mir die Unterlagen dazu fehlen — endgültig sagen, daß er zu verwerfen ist. Nur einige Bemerkungen dazu.
Zunächst einmal gehen wir von einer anderen Konzeption aus und können den Antrag nicht einfach in unsere Konzeption einbauen. Wir haben uns mit der Industrie verständigt, daß ein Drittel des erforderlichen Kindergeldes — nach den Berechnungen des Arbeitsministeriums macht der Gesamtbetrag bei rund 435 000 Kindern ungefähr 130 Millionen DM aus, ohne Kosten — von der Landwirtschaft aufgebracht wird. Wir haben darum auch keine Freigrenze in unsere Konzeption eingebaut, weil das eine Drittel, also rund 40 Millionen DM — ohne zusätzliche Verwaltungskosten —,
wenn es auf diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe verteilt wird, die oberhalb der Freigrenze, sei sie nun 3600 oder 4800 DM, liegen, zu einer Belastung führen würde, die weit über das Maß dessen hinausgeht, was die übrige gewerbliche Wirtschaft im Schnitt von der Lohnsumme zu tragen hat. Wenn Sie eine Freigrenze von 3600 oder sogar von 4800 DM Einkommen in der Landwirtschaft annehmen, so müssen Sie praktisch von den 2 040 000 Betrieben nach oberflächlicher Schätzung mindestens 1,7 Millionen ausschalten. Das würde bedeuten, daß ein kleiner Rest von Betrieben dieses eine Drittel aufbringen müßte, der zu dieser unerhörten Belastung gar nicht fähig sein würde. Aus diesem Grunde haben wir die Freigrenze nicht aufgenommen, sondern generell vorgesehen, daß ein Drittel, umgelegt auf den Betrag, der zur Zeit des Jahres 1953 den Unfallberufsgenossenschaften gezahlt wird, im prozentualen Verhältnis zuzuschlagen ist. Nach der jetzigen Ausrechnung bei 25 DM Kindergeld und bei der Kinderzahl in der Landwirtschaft würde das rund 40 % Zuschlag zu dem Versicherungsbeitrag bedeuten, der von den Betrieben in der Landwirtschaft — es sind ja nicht 2 Millionen, sondern 3 Millionen, die hier in Frage kommen, da es sich um die sogenannten landwirtschaftlichen Pflichtversicherungsbetriebe handelt — zu zahlen ist.
— Ich komme noch darauf, Herr Atzenroth. — Das heißt, daß bei allen, auch den Kleinstbetrieben ein Jahresbeitrag aufzubringen wäre. Der Mindestbeitrag beläuft sich nach meiner Schätzung ungefähr auf 2,40 DM.
Es mag, sozial gesehen, mit Recht zunächst die Frage aufgeworfen werden, ob es berechtigt ist, Kleinstbetriebe zu belasten. Nun, meine Damen und Herren, die 130 Millionen DM für die Landwirtschaft fließen ja zum größten Teil in die Kreise der Klein- und Mittelbetriebe, wo wir den großen Kinderreichtum haben. Ich halte es weder für unsozial noch für unmöglich, daß man diesen Zuschlag für die kinderreichen Familien von den Betrieben erhebt. Das Geld bleibt in diesen landwirtschaftlichen Bereichen. Es wird zwar ein Drittel aufgebracht, aber drei Drittel fließen praktisch in die Bereiche dieser landwirtschaftlichen Betriebe hinein. Ihr Vorschlag, Herr Kollege Frehsee, ist zu akzeptieren, wenn er so zu verstehen ist, daß, wenn wir tatsächlich eine Freigrenze einführen könnten — was sehr zu überlegen ist, und zwar wegen der Verwaltungskosten, auf die ich auch noch gleich zu sprechen kommen werde —, das eine Drittel, das nunmehr die Betriebe mit über 4800 DM Einkommen zu zahlen hätten, im Vergleich zu dem Aufkommen der gewerblichen Betriebe nicht höher ist.
Die Verwaltungskosten, von denen wir viel gehört haben, werden unterschiedlich geschätzt. Ich frage Sie: worin sollen die hohen Verwaltungskosten bestehen, wenn man die Listen in der Berufsgenossenschaft, die jährlich ausgefüllt werden, mit einem Zuschlag von 40 % versieht? Es handelt sich doch — wie bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften — lediglich darum, innerhalb des Bereichs der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften festzustellen, wieviel Kindergeldberechtigte vorhanden sind. Diese Arbeit ist eine einmalige Arbeit und wird nicht jedes Jahr wiederholt. Sie kann — das ist nach Besprechung mit Experten meine Überzeugung — nicht dazu führen, daß die Unkosten über 5 % hinauswachsen. Die Kosten werden sich zwar erhöhen — z. B. auf unserem Sektor mit seinen 18 landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften —, wenn man die Freigrenze einführt. Ich weiß nicht, ob es sich lohnt; denn die Beiträge sind in diesen Kreisen im allgemeinen verhältnismäßig sehr niedrig, und das, was zurückfließt, ist doch ein Vielfaches. Trotzdem brauchen
— das möchte ich betonen — sicherlich keine neuen Gebäude errichtet zu werden.
Das bedeutet kostenmäßig, selbst wenn Sie nur mit 5 oder 6 % rechnen, daß jede Genossenschaft einen Betrag von immerhin einer halben Million zur Verfügung gestellt bekommt. Ich bin der Auffassung, mit einer halben Million Verwaltungskosten ist schon allerhand Schreib- und Büroarbeit zu erstellen!
— Wieviel sind das denn? 6 % von 130 Millionen DM sind meines Wissens rund 8, genau 7,8 Millionen DM — ich weiß nicht, ob ich richtig gerechnet habe —, also bei 18 Berufsgenossenschaften sind es immerhin rund 500 000 DM,
jede einzelne Berufsgenossenschaft bekäme
500 000 DM Verwaltungskosten. Das würde bedeuten — —
— Nach Ihrer Auffassung, Herr Kollege, sind es 20 Millionen DM; aber Sie haben mir bisher nicht bewiesen, daß dieser Unkostensatz wirklich entstehen wird. Rechnen Sie doch einmal durch! Die Mitglieder, die wir in den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften haben, werden ja mit dem Beitrag in der Form belegt, daß der Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft seine Unterlagen der Gemeinde bzw. dem Gemeindedirektor schickt und dieser die Beiträge erhebt.
Ohne endgültig die Formulierung von Herrn Kollegen Frehsee ablehnen zu wollen, möchte ich sagen, daß wir in der Konzeption unseres Gesetzes die Freigrenze ablehnen müssen und daß wir zunächst bei unserer Konzeption bleiben wollen. Es kann nach meiner Ansicht zwischen der zweiten und der dritten Lesung darüber verhandelt werden, ob es richtig ist, den Passus, den die Herren von der SPD vorschlagen, hernach in irgendeiner Weise einzubauen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Bemerkungen zu dem, was der Kollege Siemer gesagt hat. Es ist doch an folgendes zu denken. Die so oft zitierte Bereitwilligkeit der gewerblichen Wirtschaft — speziell der Industrie — zur Übernahme dieser Kosten bezog sich lediglich auf unselbständige Arbeitnehmer.
Es war damals nicht die Rede davon, Herr Horn, daß auch der ganze Kreis der Selbständigen mit einbezogen werden sollte.
Das ist ein ganz entscheidender Gesichtspunkt, den wir nicht vergessen sollten.
Ich darf Sie an die verschiedenen Besprechungen erinnern, Herr Winkelheide, die in dieser Form mit den in Frage kommenden Gremien geführt worden sind. Ich habe sie mir noch nachträglich ausdrücklich bestätigen lassen, um nichts Verkehrtes zu sagen.
Noch eine zweite Bemerkung zu der Frage der Selbständigen mit jeder Art von Freibetrag, ob 3600 DM oder 4800 DM! Wir kommen niemals darum herum, vom Finanzamt irgendeine Bescheinigung beibringen zu lassen. Dies führt aber zu einem Eindringen der Familienausgleichskassen in die Einkommensverhältnisse! Gerade auf diese Bedenken ist von den verschiedensten Kreisen aus dem Mittelstand aufmerksam gemacht worden, und man hat angekündigt, welcher Schwanz von Prozessen und Auseinandersetzungen vor den Sozialgerichten sich hieraus ergeben würde.
Ich bitte, die beiden Bedenken, die ich hier geäußert habe, bei Ihren weiteren Erwägungen sehr genau zu beachten.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur einige kurze Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Siemer machen. Herr Kollege Siemer, ich glaube, so kann man doch nicht argumentieren, wie Sie es hier getan haben, daß man sagt, man müsse auch die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe belasten, weil sie ja einen Vorteil aus diesem Gesetz hätten. Der Sinn dieses Gesetzes ist doch ein Lastenausgleich, ein Familienlastenausgleich in diesem Falle. Ich weiß nicht, inwiefern Sie hier einen Lastenausgleich sehen, wenn Sie diejenigen, die doch in den Genuß dieses Ausgleichs kommen sollen, auch zur Aufbringung der dafür erforderlichen Mittel heranziehen. Ich sehe darin einen Widerspruch in sich. Das ist kein Familienlastenausgleich, wie wir ihn uns vorstellen.
Zu der Frage der Verwaltungskosten habe ich
nur kurz zu bemerken — und ich glaube, wir sind es dem Hohen Hause schuldig, das in aller Deutlichkeit und Klarheit festzustellen —, daß die Sachverständigen einen anderen Standpunkt vertreten haben, als ihn Herr Dr. Siemer hier vorgetragen hat.
Es liegt eine ganze Reihe von Resolutionen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und des Bundesverbands der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vor, in denen zu lesen steht, daß die Verwaltungskosten der Landwirtschaft sehr hoch sein werden, daß Beitragskataster eingerichtet werden müssen, daß neues Personal eingestellt werden muß. Vielleicht darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nur eine Stelle aus der neuesten Resolution der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Hannover zitieren. Da heißt es:
Die hinsichtlich der Feststellung der Empfangsberechtigten und der Zahlungsverpflichteten nur angedeuteten Schwierigkeiten würden die hannoverschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zwingen, zur Verteilung und Einziehung der vorgenannten Millionenbeträge zusätzliche Feststellungs- und Beitragsabteilungen einzurichten. Es ist klar, daß dieses Ergebnis der Absicht des Gesetzgebers, durch die Übertragung der Familienausgleichskassen auf die Berufsgenossenschaften eine zusätzliche besondere Verwaltung einzusparen, widerspricht.
Herr Kollege Dr. Siemer, Sie haben hier den Standpunkt vertreten, daß keine besondere Verwaltung eingerichtet zu werden brauche, da es sich lediglich darum handle, auf die Beiträge der landwirtschaftlichen Betriebe zur Unfallversicherung einen Prozentsatz aufzuschlagen, um die Mittel für die Kindergeldregelung hereinzubekommen. Ich muß hier feststellen, daß die Sachverständigen anderer Auffassung sind.
Nun noch ein drittes, ganz kurzes Wort zu der Frage der Einbeziehung der landwirtschaftlichen Betriebsinhaber in den Kreis der Beitragsbefreiten bis zu einer gewissen Einkommensgrenze. Meine Damen und Herren, ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie allen Ernstes Ihren Standpunkt durchzusetzen versuchen. Wie wird das denn draußen bei der Masse unsere kleinen landwirtschaftlichen Betriebe — und wir haben nun einmal hier in Westdeutschland eine Kleinbetriebsstruktur — aufgenommen werden, wenn der Gesetzgeber solch zweierlei Recht für die gewerbliche Wirtschaft und für die Landwirtschaft schafft, dieser Gesetzgeber, der doch gerade in diesen Monaten ständig davon spricht und verspricht, der Landwirtschaft zu helfen! In diesem Fall würde der Gesetzgeber die Landwirtschaft im Verhältnis zur gewerblichen Wirtschaft viel stärker belasten.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie allen Ernstes die Bestimmung, wie sie von der CDU in dem Änderungsantrag Umdruck 155 gefordert ist, durchsetzen wollen. Es sind auch in diesem Haus eine Reihe von Kleinbauern, ich habe mit dem einen oder anderen darüber gesprochen und mir auf diese Art und Weise schon einen Eindruck von der Situation und von der Einstellung verschaffen können, die Sie dort erreichen würden, wenn Sie eine solche Sache tatsächlich machten. Weil es uns mit der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Masse unserer landwirtschaftlichen Betriebe — und das sind die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe — ernst ist, bitten wir Sie nochmals dringend, dem Änderungsantrag der SPD zuzustimmen. Hier haben wir einmal eine sehr einfache Möglichkeit, der Landwirtschaft wirklich zu helfen und auf dem Wege zur Parität etwas zu tun.
DasWort hat der Abgeordnete Siemer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst Herrn Kollegen Jentzsch antworten. Es ist selbstverständlich mit der Industrie eingehend darüber gesprochen worden, daß auch die Unselbständigen der Landwirtschaft in dieses eine Drittel einbezogen werden.
Wenn wir diese herausnähmen, würden wir die ganze Sache noch komplizierter machen. Außerdem ist man gerade davon ausgegangen, daß dieses eine Drittel gleichmäßig — ich sage nochmals: gleichmäßig —, um keine neuen Kosten zu verursachen, auf den Beitrag zur Unfallberufsgenossenschaft aufgeteilt wird. Nach den jetzigen Unterlagen und Berechnungen über die in der Landwirtschaft vorhandenen kinderreichen Familien mit drei und mehr Kindern kommen wir auf die Summe von 40 Millionen DM.
Herr Kollege Frehsee hat gesagt, es sei ein Widerspruch, nunmehr in der Landwirtschaft die Kleinen zu belasten. Selbstverständlich, wenn man die Dinge einfach dem Vater Staat überträgt und sagt: du mußt aus deinem Säckel zahlen, so ist das für diejenigen, die zahlen sollen, viel einfacher und auch sehr viel angenehmer. Für uns kommt es jedoch nicht darauf an, daß einfach vom Staat gezahlt wird. Hier soll ein Gesetz geschaffen werden, das die eigene Initiative heranzieht. Jeder, der dadurch betroffen wird, soll wissen, daß das Anliegen des Gesetzes in einer Gemeinschaftsarbeit bewältigt werden soll.
Sie mögen sagen: Das ist alles dummes Zeug; das können wir viel besser durch den Staat lösen! Wenn ich aus den Akten des 1. Bundestags, dem anzugehören ich nicht die Ehre hatte, recht unterrichtet bin, sind wir seit fünf Jahren bemüht, eine Lösung zu finden. Ich frage das Hohe Haus — ich habe das gestern schon betont und betone es noch einmal —: Wollen wir jetzt, wo wir an einer großen Steuerreform arbeiten, das wieder durch den Vater Staat bewältigen lassen? Ich bezweifle, daß wir dann zu einer Lösung kommen.
Aus diesem Grunde schlagen wir eine andere Lösung vor. Wir wissen, daß das auch nicht die beste Lösung ist, aber jedenfalls ist es eine Lösung. Wir wollen den Kleinsten und den Schwächsten helfen, das sind die landwirtschaftlichen Kleinbetriebe. Wir verlangen von der Masse der Betriebe nur einen Beitrag, der sehr gering ist. Man darf doch nicht über die Tatsache hinwegsehen, daß die Landwirtschaft aus diesem Geschäft 100 Millionen DM mehr bekommt. Wo könnte besser als auf diesem Gebiet, wenn die Industrie ihr Wort wahrmacht — und sie hat es uns gegeben —, die Parität verwirklicht werden?
Herr Dr. Schellenberg!
Noch eine Bemerkung zur Frage der Verwaltungskosten, die Herr Kollege Siemer angeschniten hat. Nach den Entwürfen, die uns im Ausschuß vorgelegt worden sind, sind 20 Millionen DM Verwaltungskosten einkalkuliert.
Man hat hier mit einem Satz von 5 % gerechnet. Ich bezweifle, ob dieser Verwaltungskostensatz ausreichend ist. Denn bei der Mehrzahl der Berufsgenossenschaften beträgt der Verwaltungskostensatz heute schon über 10 %. Ich kann mir nicht denken, daß die Durchführung des Familienlastenausgleichs zu einer so wesentlichen Herabsetzung der Verwaltungskosten im Vergleich zu den sonstigen Verwaltungsausgaben der Berufsgenossenschaften führt.
Herr Abgeordneter Schmücker!
Es ist vorhin gesagt worden, daß von den mittelständischen Kreisen eine Freigrenze abgelehnt worden sei. In allen Verhandlungen, die ich geführt habe, ist für den Fall der Hereinnahme der Selbständigen — und auf dieser Basis diskutieren wir — strikt und nachdrücklich eine Freigrenze verlangt worden. Ich müßte hier schon eines anderen belehrt werden. Mir ist jedenfalls in allen Unterhaltungen immer wieder diese Bitte vorgetragen worden.
Ich sage Ihnen noch einmal, meine Herren, täuschen Sie sich nicht; wenn Sie für die Selbständigen eine separate Lösung herbeiführen und sie über die Einkommensteuer suchen, dann wird, wie Sie sich bei den Steuer-Freigrenzen ausrechnen können, die Sache noch viel teurer.
Meine Damen und Herren, keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Besprechung zu § 11.
Der weitestgehende Antrag ist der der Fraktionen der FDP und DP auf Umdruck 157 Ziffer 4 a und b, im Abs. 1 den zweiten, dritten und letzten Satz zu streichen und im Abs. 1 Satz 1 nach dem Wort „Seeberufsgenossenschaft" die Worte einzufügen: „oder bei einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 147 Ziffer 7 betreffend § 11 Abs. 1 Satz 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 147 Ziffer 8: neuer Wortlaut des § 11 Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Jetzt komme ich zu dem Antrag auf Umdruck 155 Ziffer 3.
— Keine Bedenken bei den Antragstellern? — Es wird also absatzweise abgestimmt. Der Antrag auf Umdruck 155 Ziffer 3 betrifft eine neue. Fassung des § 11. Die Damen und Herren haben den Antrag vor sich. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abs. 1 des neu beantragten § 11 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die Abs. 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die Abs. 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Ich stelle dann fest, daß der Antrag auf Umdruck 157 Ziffer 4 c durch diese Abstimmung er-
ledigt ist; es war der Antrag der Fraktionen der FDP und DP, von dem wir a und b bereits erörtert hatten.
Meine Damen und Herren, es ist ein Änderungsantrag auf eine neue Fassung des § 11 angenommen worden. Ich komme aber noch einmal formell zur Abstimmung über die jetzige Fassung des § 11 unter Berücksichtigung der angenommenen Änderungen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 11 insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 12.
— Ich habe mir erlaubt festzustellen: Mit Mehrheit bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Das schließt automatisch das Vorhandensein von Gegenstimmen ein. Einzelprotokollierung ist ja wohl nicht nötig.
§ 12. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 12 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Das ist die überwiegende Mehrheit; ist angenommen.
§ 13. Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 156 Ziffer 3. Soll er begründet werden?
— Herr Abgeordneter Jentzsch, bitte!
Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei unserem Antrag zu § 13 lediglich um eine Verdeutlichung dessen, was erreicht I werden soll. Sie sehen es, glaube ich, selber, so daß ich mir weitere Bemerkungen ersparen kann.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag zu § 13 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit. Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß damit der § 13 in der neuen Fassung genehmigt ist, so daß wir uns eine weitere Abstimmung über § 13 ersparen können.
Ich rufe auf § 14. Zunächst Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der DP auf Umdruck 157 Ziffer 5. Soll er begründet werden?
— Sie sind eine Folge des ersten Antrages und sind damit erledigt.
Dann der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 148 Ziffer 6. Wie ist es mit der Begründung? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Siemer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Absätzen 3 und 4 des § 14 haben wir im Umdruck 148 einen Änderungsantrag gestellt. Dieser Änderungsantrag hat folgenden Grund. Wir möchten gern einen Spitzenausgleich unter den Familienausgleichskassen. Dabei möchte ich besonders auf den Ausgleich unter den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften verweisen. Wir haben eine ganze Reihe von Berechnungen aus dem süddeutschen Raum erhalten, wo der Zuschlag, der auf Grund dieses Gesetzes zum Berufsgenossenschaftsbeitrag erhoben werden muß, weit über 40 %, auf 60, 70, 80 % kommt, weil in gewissen Gebieten einzelne Berufsgenossenschaften besonders viele kinderreiche Mitglieder haben. Hier möchten wir gern durch diesen Abs. 2 einen Ausgleich herbeiführen. Das Ziel ist also, daß unter den 18 Berufsgenossenschaften, wenn besonders starke Unterschiede bestehen, ein Ausgleich stattfinden kann.
Durch den Abs. 4 des § 14 in der von uns beantragten Fassung soll der Bundesregierung das Recht gegeben werden, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnungen die Maßstäbe und die Voraussetzungen zu bestimmen, wie es aus dem Ihnen vorliegenden Umdruck 148 hervorgeht. Wir sind der Auffassung, daß dieser Spitzenausgleich gerecht ist, und bitten Sie deswegen, diesem Antrag zuzustimmen.
Damit ist der Antrag begründet. — Weiter der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 147 Ziffer 9. — Bitte schön, Herr Abgeordneter Frehsee!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei wird dem Änderungsantrag der CDU auf Umdruck 148 Ziffer 6 zustimmen. Sie ist durchaus der Meinung, die Herr Dr. Siemer hier vorgetragen hat, daß ein solcher Ausgleich auch innerhalb der Familienausgleichskassen der Landwirtschaft erfolgen muß, weil eben die Betriebsstruktur und infolgedessen auch die Belastung ganz verschieden ist. Die Kinderzahl ist, wie Sie wissen, sehr häufig in den Gebieten mit Kleinbetrieben größer als in den Gebieten mit größeren oder mittelbäuerlichen Betrieben. Aus diesen Überlegungen heraus — ich darf es ganz kurz machen — werden wir diesem Antrag zustimmen.
In Umdruck 147 beantragen wir, daß in § 14 Abs. 4 Satz 1 die Worte „die für die Aufsicht über den Gesamtverband zuständige Stelle" durch die Worte „die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung" ersetzt werden. Es handelt sich hier um die Festsetzung der Maßstäbe und der Berechnungsgrundlagen für Umlage, Ausgleich und all diese Dinge.
— Sie haben das drin, meine Damen und Herren; darauf wollte ich gleich noch eingehen. Wir freuen uns darüber, daß Sie das hier drinhaben. Wir haben diesen Antrag, wie Sie wissen, schon vor den Parlamentsferien in dieser Form gestellt. Inzwischen haben der Rechtsausschuß des Bundestages und der des Bundesrates hierzu noch festgestellt, daß solche Bestimmungen nach dem Grundgesetz nur durch Rechtsverordnung erlassen werden können und daß das eben die Bundesregierung gemeinsam mit dem Bundesrat tun muß.
Unser Antrag, dessen Formulierung schon seit einiger Zeit festliegt, ist aber insbesondere noch damit zu begründen, daß die für die Aufsicht über den Gesamtverband zuständige Stelle nach unserer Auffassung eigentlich gar nicht qualifiziert war, diese Bemessungsgrundlagen, Beitragsmaßstäbe, Umlagen usw. festzusetzen. Diese für die Aufsicht zuständige Stelle wäre, wenn es das schon gäbe,
das Bundesversicherungsamt oder, solange es das Bundesversicherungsamt noch nicht gibt, das Bundesministerium für Arbeit. Nun ist der Ausgleich in erster Linie ein solcher zwischen gewerblicher Wirtschaft und Landwirtschaft. Bei der Festsetzung der Ausgleichsmaßstäbe usw. müssen also landwirtschaftliche Probleme in sehr tiefgründiger Weise erörtert werden. Wir haben es schon von Anfang an für zweckmäßig gehalten, daß eben die Sachverständigen aus der landwirtschaftlichen Verwaltung — sprich hier: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — bei der Festsetzung dieser Bestimmungen mitwirken. Speziell aus diesem Grunde haben wir den Antrag gestellt. Sie werden ihm, denke ich, zustimmen, nachdem Sie selbst ihn auch schon verwertet haben. Es scheint uns notwendig, daß diese Rechtsverordnungen von der Bundesregierung erlassen werden.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Bitte, Herr Abgeordneter Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag rückt die CDU wesentlich von einer Grundkonzeption ab, die sie bei der Herausstellung dieses Gesetzes verkündet hat. Sie haben damals gesagt, Sie wollten keine große Einheitsorganisation schaffen, sondern den genossenschaftlichen Ausgleich innerhalb eines Berufes herbeiführen. Das Wort „Berufsgenossenschaft" liegt ja auf der gleichen Ebene. Hier gehen Sie davon ab; denn jetzt bleibt gar nichts anderes übrig, als überall zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Wie wollen Sie denn einen Ausgleich herbeiführen, wenn verschiedene Berufsgenossenschaften satzungsmäßig verschiedene Beitragsmaßstäbe festgelegt haben? Sie können doch keinen Ausgleich herbeiführen, wenn Sie nicht vorher dort eine Vereinheitlichung herbeigeführt haben! Denn sonst wird jede Berufsgenossenschaft ihre Beiträge so niedrig wie möglich halten in der Hoffnung: ich bekomme dann aus dem Ausgleich recht viel.
Der zweite Absatz entspricht dem schlechten Bestreben des Parlaments, in all den Fällen, in denen es nicht recht weiter kann, die Regierung zu beauftragen, die Sache mit einer Rechtsverordnung in Ordnung zu bringen. Die Beratungen dieses Gesetzes waren dafür ein typisches Beispiel. Jedesmal, wenn wir die Mehrheit im Ausschuß darauf hingewiesen haben, so sei die Sache technisch undurchführbar, sagte man: Ja, es muß aber gemacht werden, wir geben der Regierung eine Rechtsverordnung anhand, dann wird sie die Schwierigkeiten schon ausbügeln. — Hier liegt derselbe Fall vor. Wir wehren uns dagegen, daß man Dinge, die der Gesetzgeber genau festlegen soll, auf den Weg der Rechtsverordnung verweist.
Wir werden beide Anträge ablehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung zu § 14.
Der Antrag Umdruck 157 Ziffer 5 war sachlich erledigt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck 148 Ziffer 6 der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen. Damit ist der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck
147 Ziffer 9 sachlich erledigt, da er ja den gleichen Wortlaut wie der CDU-Antrag hat.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 14 in der so geänderten Fassung insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 15. Keine Änderungsanträge. -
Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 16. — § 17. Auch keine Änderungsanträge. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu § 18 liegt der Änderungsantrag Umdruck 147 Ziffer 10 der Fraktion der SPD betreffend die Geschäftsführung vor. Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 18, der die Geschäftsführung der Familienausgleichskasse regelt, kann in der Form der Vorlage die Billigung meiner politischen Freunde nicht finden, weil er bestimmt, daß der Geschäftsführer der Berufsgenossenschaften gleichzeitig auch der Geschäftsführer der Familienausgleichskassen sein soll. Dieses Prinzip widerspricht nach unserer Auffassung dem Selbstverwaltungsgedanken. Man soll es den Selbstverwaltungsorganen selber überlassen, sich den Geschäftsführer zu wählen, den sie für geeignet halten. Das bedeutet nicht, daß deshalb der jeweilige Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft nicht auch gleichzeitig als Geschäftsführer der Familienausgleichskasse gewählt werden kann. Aus diesen Erwägungen stellen wir den Antrag, § 18 des vorgelegten Entwurfs entsprechend abzuändern und sinngemäß so zu fassen wie den § 24, der die Geschäftsführung bei dem Gesamtverband regelt. Auch dort wählt der Vorstand den Geschäftsführer nach eigenem Ermessen, und dieser wird nicht wie in § 18 der Gesetzesvorlage kraft Gesetzes bestimmt.
Ich bitte Sie aus diesen Erwägungen, unserem Antrag auf Umdruck 147 Ziffer 10 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf bestimmt unseres Erachtens mit Recht eine Personalunion zwischen dem Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft und dem der Familenausgleichskasse.
Sie ist erwünscht, weil die Verwaltung der Familienausgleichskasse von der Verwaltung der Berufsgenossenschaft ausgeübt werden soll. Ein anderer Geschäftsführer kennt unseres Erachtens nicht so den Geschäftsgang der Berufsgenossenschaft, er kennt nicht so die Kapazität der Verwaltung, nicht das Personal und dessen besondere Eignung und Fähigkeiten, abgesehen von den Mehrkosten, die durch einen zweiten Geschäftsführer entstehen würden. Der eingearbeitete Geschäftsführer übersieht unseres Erachtens besser die Geschäftsstellen.
Wir halten auch eine Wahl des Geschäftsführers nicht für erforderlich; denn nach § 17 des Entwurfs
sind die Organe der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaft gleichzeitig die Selbstverwaltungsorgane der Familienausgleichskasse. Hat aber der Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft das Vertrauen der Organe der Berufsgenossenschaft, dann hat er auch das Vertrauen der Selbstverwaltungsorgane der Familienausgleichskasse.
Die Fraktion der SPD möchte außerdem einen Abs. 2 einfügen, in dem zum Ausdruck gebracht werden soll, daß der Geschäftsführer mit beratender Stimme Mitglied des Vorstandes ist. Wir halten diese Ergänzung für überflüssig, weil in § 29 des Entwurfs auf das Gesetz über die Selbstverwaltung verwiesen ist und seine Anwendung angeordnet wird, soweit dieser Entwurf nichts anderes vorschreibt. In § 8 Abs. 3 des Selbstverwaltungsgesetzes ist schon festgelegt, daß der Geschäftsführer und die Mitglieder der Geschäftsführung dem Vorstand mit beratender Stimme angehören.
Wir bitten daher, den Ergänzungsantrag der SPD abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Besprechung zu § 18. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der SPD Umdruck 147 Ziffer 10 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 18 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf § 19, Änderungsantrag Umdruck 147 Ziffer 11. Soll er begründet werden? — Bitte, Herr Professor Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur kurz zur Begründung. Es wird hier vorgesehen, daß der Gesamtverband der Familienausgleichskassen bei dem entsprechenden Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften errichtet wird. Der Familienausgleichskassenverband soll eine öffentlich-rechtliche Körperschaft werden. Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften ist keine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Wir haben im Ausschuß aus einem besonderen Schreiben auch erfahren, daß sich der Hauptverband, d. h. Arbeitgeber und Arbeitnehmer einmütig, dagegen wehrt, zu irgendeinem Zeitpunkt öffentlich-rechtliche Körperschaft zu werden. Das würde mit sich bringen, daß eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bei einer privatrechtlichen Körperschaft errichtet wird, und das halten wir für unmöglich. Meine Damen und Herren, es ist mehr als ein Schönheitsfehler, es ist ein rechtlicher Fehler, der hier vorliegt. Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck 147 Ziffer 11, der soeben begründet wurde, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 19 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine
Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der § 19 ist angenommen.
§ 20. Dazu Änderungsantrag Umdruck 147 Ziffer 12. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Meyer (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion hat schon gezeigt, daß für eine ganze Reihe von Problemen und Fragen ein Ausgleich gewissermaßen in der Spitze gefunden werden muß. Ich denke an den finanziellen Ausgleich, ich denke aber auch an solche Fragen wie die Vormundschaftsangelegenheiten, um nur diese beiden Dinge herauszugreifen. Deshalb ist die SPD-Fraktion der Ansicht, daß in bezug auf die Aufsicht von vornherein klare Rechtsverhältnisse geschaffen werden müssen.
Ich darf weiter dazu bemerken, daß wir ja noch kein Bundesversicherungsamt haben. Das Bundesversicherungsamt befindet sich erst in der Vorbereitung, und dabei wird es sogar eine Reihe von Ausnahmen geben. Ich denke an die Arbeitslosenversicherung, ich denke an die Seeberufsgenossenschaft, ich denke an die Versicherungseinrichtungen der Post und der Bundesbahn, die von vornherein nicht der Zuständigkeit des Bundesversicherungsamtes unterstehen sollen. Ich denke dabei auch an die Schwierigkeiten, die hier immer wieder aufgetaucht sind. Aber ich will dieses Thema nicht ausweiten. Es handelt sich hier um Neuland, das aus der politischen Sicht heraus sorgfältig beobachtet werden muß.
Aus diesen wichtigen und entscheidenden Erwägungen heraus ist die SPD-Fraktion der Auffassung, daß der § 20, der die Aufsicht über den Gesamtverband regelt, so gefaßt werden muß, daß in dieser Frage die klare Zuständigkeit des Bundesminister für Arbeit festgelegt wird. Wenn Sie diese Dinge durchdenken, werden Sie mit mir der Überzeugung sein, daß es sich hier um keine unwichtige Sache, sondern um eine ganz entscheidende Angelegenheit handelt. Durch die von uns vorgeschlagene Regelung würden sehr viele Schwierigkeiten, auch in bezug auf die Zuständigkeit, von Anfang an ausgeräumt. Deshalb klammern Sie sich bitte nicht an den Ausschußbeschluß, der nun einmal vorliegt, sondern durchdenken Sie noch einmal insbesondere die Tatsache des Neulandes und stimmen Sie bitte unserem Änderungsantrag zu.
Herr Abgeordneter Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Wir werden dem Antrag der SPD unsere Zustimmung geben. Es ist notwendig, daß eine einheitliche Aufsicht über diese Organisationen geschaffen wird. Das kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung ganz besonders bestätigen. Es wäre wünschenswert, daß eine einheitliche Aufsicht auch über die Berufsgenossenschaften auf dem Gebiet vorhanden ist, auf dem sie zur Zeit tätig sind. Dort haben sich immer wieder durch die verschiedenartigen Aufsichtsbefugnisse, die teilweise von den Ländern, teilweise vom Bund ausgeübt werden, zahlreiche Schwierigkeiten ergeben. Es ist wünschenswert, daß wir hier von Anfang an gute Arbeit machen.
Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Atzenroth, darüber, daß bei bundesunmittelbaren Stellen eine einheitliche Aufsicht vorhanden sein soll, gibt es keinen Streit. Aber Sie haben das, glaube ich, nicht bis zum Letzten überlegt. Unsere Formulierung nimmt darauf Rücksicht, daß in Bälde wahrscheinlich das Gesetz über die Errichtung des Bundesversicherungsamtes erlassen werden wird, und in dieser Vorlage steht — das wissen wir aus dem 1. Bundestag, in dem sie uns schon einmal vorgelegen hat —, daß über bundesunmittelbare Einrichtungen die Aufsichtszuständigkeit bei diesem Bundesversicherungsamt liegen soll. Deshalb treffen wir mit unserer Formulierung sowohl den augenblicklichen Zustand, bei dem der Bundesarbeitsminister für die bundesunmittelbaren Einrichtungen die Aufsichtsbehörde ist, als auch den künftigen, wenn wir hier sagen: „die für die Aufsicht über bundesunmittelbare gewerbliche Berufsgenossenschaften zuständige Stelle". Das ist eben zur Zeit der Bundesarbeitsminister und nach Erlaß dieses Gesetzes zu dem betreffenden Zeitpunkt dann das Bundesversicherungsamt. Damit wir aber nicht nachher wieder eine Korrektur vornehmen müssen, ist die Formulierung, wie sie hier vorgesehen ist, richtig. Ich muß deshalb bitten, es bei der Ausschußvorlage zu belassen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Bitte, Herr Abgeordneter Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Horn, nur eine Richtigstellung. Nach meiner Kenntnis der Dinge soll das Bundesversicherungsamt keineswegs über alle bundesunmittelbaren Versicherungsträger die Aufsicht führen,
beispielsweise nicht über die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, um nur einen Bereich zu nennen.
Deshalb ist es schon wegen der Systematik der Staatsaufsicht erforderlich, daß der Bundesminister für Arbeit die Aufsicht führt. Darüber hinaus sind wir auch aus allgemein-politischen Gründen der Ansicht, daß die Aufsicht über die zentrale Durchführung des Kindergeldausgleichs bei einer politisch verantwortlichen Stelle, also beim Bundesarbeitsminister liegen muß.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 147 Ziffer 12, der eben begründet worden ist, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Meine Damen und Herren, die Abstimmung wird wesentlich erleichtert, wenn der Teil der Abgeordneten, der sich hinten aufhält, sich auf die Plätze begibt. Dann ist mir eine Übersicht möglich; so nicht.
Ich darf die Abstimmung wiederholen. Ich bitte, die Arme möglichst hoch zu heben, damit wir hier einen klaren Eindruck bekommen. Wer ist für den Antrag der SPD? — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, es ist eine alte Erfahrung, daß man von hier oben einen anderen Überblick hat als aus der Mitte der Abstimmenden heraus.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 20 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 20 ist angenommen.
Ich rufe auf § 21. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 21 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 22. Nach Erledigung der Antrags Umdruck 157 Ziffer 6 liegt nur der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 147 Ziffer 13 vor. Bitte schön!
Meyer (SPD): Meine Damen und Herren! Es ist eine kleine Änderung, die vielleicht unwesentlich erscheint, aber doch außerordentlich bedeutsam für die Praxis sein wird, wenn die SPD-Fraktion in § 22 Abs. 2 Nr. 5, die in der Ausschußfassung lautet: „die Entlastung des Vorstandes und des Geschäftsführers", die Worte „des Geschäftsführers" gestrichen wissen möchte. Wenn wir uns das Selbstverwaltungsgesetz der Sozialversicherung ansehen, stellen wir fest, daß in § 6 die Zuständigkeiten, die dem Vorstand obliegen, sehr klar geregelt sind, Wenn Sie die Dinge durchdenken, werden Sie mit mir der Überzeugung sein, daß sich aus der Ausschußfassung sehr wichtige arbeitsrechtliche Probleme ergeben können. Denn wenn Sie der Vertreterversammlung gewissermaßen den Geschäftsführer „ausliefern" — wenn dieses Wort einmal gebraucht werden darf —, dann können sehr viele Komplikationen daraus entstehen. Wir sollten die Zuständigkeiten, wie sie in § 6 des Selbstverwaltungsgesetzes ganz klar aufgezeigt sind, hier nicht durchbrechen. Wir sollten die Zuständigkeiten der Vertreterversammlung, die Zuständigkeiten des Vorstandes und die Zuständigkeiten des Geschäftsführers so lassen, wie sie in § 6 des Selbstverwaltungsgesetzes geregelt sind. Wenn Sie die Fassung annehmen, die der Ausschuß vorschlägt, können sich daraus eine ganze Reihe von arbeitsrechtlichen Unzuträglichkeiten ergeben, die wir später dann in Rechtsstreitigkeiten sehr bitter bereuen würden. Nur der Vorstand ist „gesetzlicher Vertreter".
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bürkel.
Meine Damen und Herren! Nach dem Entwurf hat der Geschäftsführer die laufenden Geschäfte des Verbandes zu führen, und er kann in diesem Rahmen auch eigenverantwortlich über Geldmittel verfügen. Es erscheint deshalb zweckmäßig, daß auch ihm neben dem Vorstand Entlastung erteilt wird, wenn die Jahresrechnung geprüft und festgestellt ist. Wir können uns vorstellen, daß es auch im Interesse der Vorstände liegt, wenn neben ihnen auch dem Schriftführer Entlastung erteilt wird.
Wir bitten deshalb, den Änderungsantrag abzulehnen und der Fassung des Entwurfs zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck 147 Nr. 13 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 13 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf zwischendurch bekanntgeben, daß der gestern auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf die Tagesordnung gesetzte Antrag über die Einberufung des Auswärtigen Ausschusses von der Fraktion der CDU/CSU zurückgezogen worden ist,
— auf Grund einer interfraktionellen Besprechung.
Was hat das damit zu tun, Herr Präsident? Hier ist nur festzustellen, daß die CDU/ CSU ihren Antrag zurückgezogen hat. Hätte sie ihn besser nicht gestellt!
Nun, meine Herren, wir wollen die interfraktionelle Besprechung nicht fortsetzen!
Ich rufe § 23 auf. Hierzu liegt unter Nr. 14 des Umdrucks 147 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. — Bitte schön, Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Ausschußvorlage soll der Vorstand aus neun Mitgliedern, die von der Vertreterversammlung aus ihrer Mitte gewählt werden, bestehen. Des weiteren ist festgelegt, daß je ein Mitglied aus dem Kreis der der Landwirtschaft angehörenden Arbeitgeber, der Selbständigen und der Arbeitnehmer genommen werden muß. Es ist aber nicht festgelegt, aus welchen Kreisen die übrigen sechs Mitglieder, wenn ich die Zahl 9 zugrunde lege, genommen werden sollen, ob aus dem Kreise der Versicherten oder aus dem Kreise der Arbeitgeber der gewerblichen Beruf sgenossenschaften. Wir halten aber auch die Zahl von neun Mitgliedern nicht für ausreichend. Wir sind der Auffassung, daß es auf Grund unserer Erfahrungen in den verschiedensten Sozialversicherungsträgern zweckmäßiger wäre, diese Zahl auf zwölf zu erhöhen.
Uns bewegt aber zu der Heraufsetzung auf zwölf Vertreter auch noch der Umstand, daß wir hierdurch die Parität in der Zusammensetzung des Vorstandes bezüglich der Versichertenvertreter und der Arbeitgebervertreter erreichen. Dies entspricht den Grundsätzen des Gesetzes zur Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, und deshalb glaube ich, meine Damen und Herren, daß Sie diesem Gesetz zustimmen werden. Ich bitte Sie darum.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen damit zu den Abstimmungen über die Änderungsanträge zu § 23, zuerst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 147 Ziffer 14. Wer diesem Antrag Ziffer 14 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 148 Ziffer 7. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wer dem § 23 in der Fassung, die nunmehr beschlossen worden ist, als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 24 und 25. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den beiden Paragraphen, die aufgerufen wurden, zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 26 mit den Änderungsanträgen auf Umdruck 148 Ziffer 8 und Umdruck 159. Wird das Wort zur Begründung der Änderungsanträge gewünscht?
— Zu § 26 Herr Dr. Atzenroth!
Herr Präsident, ich bitte, jetzt gleich die Begründung für unsern Änderungsantrag zu § 37 geben zu dürfen.
Wir sind bei § 26!
Jawohl, aber ich möchte die Begründung für unsern Änderungsantrag zu § 37 mit vortragen, weil das logisch hier hineingehört.
Einer der wichtigsten Gründe, weshalb das Gesetz nach unserer Meinung schwer durchführbar ist, ist die Regelung der Bescheiderteilung in § 26. Es ist immer so dargestellt worden, als ob die Berufsgenossenschaften die geeignete Stelle für die Durchführung dieses Gesetzes seien, weil sie im Besitz aller Unterlagen seien. Das trifft keineswegs zu. Die Unterlagen der Berufsgenossenschaften sind anderer Art. Das ergibt sich aus ihren andersgearteten Aufgaben. Sie müssen sich also einen großen Teil der neuen Unterlagen erst beschaffen. Das gilt ganz besonders für die Bescheiderteilung.
Das Kindergeld soll auf Antrag gewährt werden. Dieser Antrag geht über den Unternehmer oder unmittelbar an die Familienausgleichskasse. Wenn Sie den Antrag keiner Prüfung unterziehen wollen, dann ist die Sache sehr einfach; dann braucht man eigentlich keinen Antrag und keine Bescheiderteilung. Soll man aber einer Prüfung vornehmen, dann müssen die Angaben, die in dem Antrag gemacht werden, von irgendeiner amtlichen Stelle bescheinigt werden. Das wird im allgemeinen die Gemeindebehörde sein. Entweder muß der Antrag-
steller die Bescheinigungen — Geburtsurkunden der Kinder oder sonstige Bescheinigungen über die Zahl der Kinder usw. — dem Antrag beifügen, oder die Ausgleichskasse, die den Bescheid erteilen soll, muß bei der Gemeindebehörde rückfragen. Der glatte, einfache Weg, die Auszahlung auf Grund einer Kindergeldkarte vorzunehmen, ist zwar vorgesehen.
— Ich sage es ja: es ist vorgesehen. Man hat aber von seiten des Bundesrates erklärt, die praktische Durchführbarkeit sei erst, wie in § 37 steht, am 1. Oktober 1955 möglich; so lange brauche die Verwaltung, um die Vorbereitungen zu treffen. Diese Vorbereitungen sind aber auch für die Übergangszeit notwendig; denn jeder einzelne Fall, in dem ein Bescheid erteilt werden muß, beschäftigt die Gemeindebehörde. Entweder geht der Antragsteller selbst dorthin, oder die Ausgleichskasse fragt schriftlich an. Die Arbeit muß also geleistet werden. Wenn die Arbeit zur Zeit wirklich nicht geleistet werden kann, wie die Gemeindebehörden behaupten, dann gibt es eben Verzögerungen in der Bescheiderteilung. Das ist ein unmöglicher Weg. Es gibt für die Bescheiderteilung keinen anderen Weg als den der Kindergeldkarte. Wir können einfach nicht warten, bis die Verwaltungen ihren Apparat darauf eingestellt haben. Vorher ist das Gesetz nicht durchführbar, es sei denn, Sie verzichten auf Prüfungen. Die Verantwortung müssen Sie dann auf sich nehmen. Deswegen haben wir beantragt, in § 37 den Termin des 1. Oktober 1955 zu streichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Meyer.
Meyer (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Auffassung, daß man solche Dinge wie die Kinderbeihilfekassen so unkompliziert wie möglich machen soll, damit kein neuer unnötiger Bürokratismus geschaffen wird.
Wir leben sowieso schon in einem bürokratischen Zeitalter, das eine große Gefahr zu werden scheint. Aber die Millionen Menschen, die durch dieses Gesetz betroffen werden, müssen doch einen gewissen Rechtsschutz haben. Sie wissen ja, welche Problematik insbesondere das Sozialgerichtsgesetz — ich denke an den § 77 und § 51 — in sich birgt. In der gesamten Fachliteratur wird heute über den Begriff des Verwaltungsaktes als etwas vollkommen Neues gegenüber den früheren Rechtsbescheiden diskutiert. Ich möchte diese Dinge nicht ausweiten. Ich habe in dieser Richtung einige sehr beachtliche Aufsätze aus den führenden sozialpolitischen Zeitschriften hier vor mir liegen.
Sie wissen auch, daß sich der Bundesrat mit diesen Fragen beschäftigt hat. Da das Gesetz noch den Bundesrat durchlaufen muß und eventuell der Vermittlungsausschuß angerufen werden könnte, sollten wir hier ganz klare Bestimmungen und Begriffe schaffen. So haben beispielsweise die Rechtsausschüsse des Bundesrates und des Bundestages zu § 26 Abs. 3, um den es hier geht, gesagt: Die Mehrheit des Ausschusses ist der Auffassung, daß der Unternehmer, wenn er den Antrag ganz oder teilweise für begründet hält — das ist das Gegenteil des in § 26 Abs. 3 geregelten Falles, das sich aber im Wege des Gegenschlusses aus dieser Vorschrift ergibt —, rechtlich einen Verwaltungsakt
vornimmt, zu dem er als Privatperson nicht ermächtigt werden kann.
Zulässig dagegen erschien es, wenn der Unternehmer die Zahlungen vorschußweise gewähren und die Entscheidung der Familienausgleichskasse vorbehalten würde. — Ich kenne Ihren Abänderungsantrag, Herr Kollege Winkelheide; er umfaßt eben nicht das Gesamtproblem. Wir möchten aber ganz klare Verhältnisse schaffen. Ich denke hier weniger an die Großbetriebe als an die vielen Kleinbetriebe. Greifen wir nur einmal ein Vorstadtkino heraus, wo es sehr kompliziert sein wird, Bescheide zu erteilen. Mit solchen Bescheiden können wir in der Sozialgerichtsbarkeit nicht das geringste anfangen. Diese Menschen sind ja gar nicht geschützt. Deshalb wünschen wir, daß Abs. 3 in § 26 gestrichen wird und daß in Abs. 4 die Worte „nach den Absätzen 2 und 3" durch die Worte „nach Absatz 2" ersetzt werden; das ist dann die logische Folgerung.
Ich bitte also, weniger an die Großbetriebe zu denken, in denen die Dinge etwas schematischer erledigt werden können, wo man eine Übersicht hat, sondern vielmehr die vielen Hundertausende von kleinen Betrieben zu berücksichtigen, in denen eine solche Kompliziertheit und die Ungeschütztheit der betreffenden Menschen eine wesentliche Rolle spielen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Der Antrag Umdruck 148 Ziffer 8, der eine völlige Neufassung des § 26 vorsieht, ist der weitergehende. Wir stimmen also zunächst über diesen Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 148 Ziffer 8 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Darf ich damit den Antrag Umdruck 159 als erledigt betrachten, oder wird Abstimmung gewünscht? — Ist erledigt!
Dann kommen wir zur Abstimmung über § 26 in der soeben beschlossenen Form. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit, es ist so beschlossen.
Ich rufe § 27 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag Umdruck 163 vor. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Vorschrift des § 27 handelt es sich um die Frage der Auszahlung des Kindergeldes durch die Unternehmer. Die Ausschußfassung legt fest, daß Kindergeld für Beschäftigte grundsätzlich durch den Betrieb ausgezahlt wird. Zwar kann die Satzung eine abweichende Regelung treffen, aber dies ist praktisch nur möglich, falls in den Organen der Selbstverwaltung auch einige Unternehmer dieser Auffassung zustimmen. Sonst gilt grundsätzlich die Regelung der Auszahlung durch den Betrieb.
Meine Fraktion hat gegen diese Vorschrift grundsätzliche Bedenken, weil wir dadurch eine Benachteiligung Kinderreicher befürchten. Wenn die Auszahlung des Kindergeldes durch den Betrieb er-
folgt, ist die Gefahr gegeben, daß Lohn und Kindergeld als eine Einheit betrachtet werden, daß das Kindergeld als ein Teil des Lohnes angesehen wird.
Das hat nach Auffassung meiner Fraktion insbesondere dort, wo keine festen tariflichen Regelungen bestehen, Gefahren, die niemand verkennen sollte.
Es kommt aber noch etwas anderes hinzu. Die Auszahlung des Kindergeldes durch die Betriebe bedingt eine Reihe von Arbeitsleistungen der Betriebe, beispielsweise ist die Anmeldung zu erledigen und über die Auszahlung mit den Familienausgleichskassen abzurechnen. Der Unternehmer, der die Auszahlung vornimmt, unterliegt einer besonderen Prüfung durch Beamte der Familienausgleichskasse. Die Familienausgleichskasse kann die Geschäftsbücher prüfen, um zu kontrollieren, ob die Auszahlung zu Recht erfolgt ist. Schließlich kann der Betrieb, der diese Obliegenheiten verletzt, in eine Ordnungsstrafe genommen werden. Wir bezweifeln nicht, daß sich viele Betriebe diesen mannigfachen Pflichten im Interesse der Kinderreichen gern unterziehen werden. Aber es ist doch nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen, daß sich gerade bei Einstellung von Kinderreichen aus dieser Vorschrift über die Auszahlung durch die Betriebe Schwierigkeiten ergeben können. Vielleicht deshalb, weil einzelne Betriebe sich von den Belastungen — von dem „Formularkram", wie es heißen wird —, die mit der Einstellung der Kinderreichen verbunden sind, befreien wollen.
— Können Sie eine Garantie für die Millionen von Betrieben kleinster Art übernehmen, Herr Winkelheide? In der Praxis spielen sich die Dinge anders ab. Einzelne Unternehmer könnten befürchten, durch solche verwaltungsmäßigen Arbeiten bei der Einstellung von Kinderreichen belastet zu werden. Ich glaube, wir sollten diese Gefahr, die nicht überall besteht, aber in einzelnen Fällen eintreten kann, im Interesse der Kinderreichen von vornherein ausschließen. Deshalb beantragen wir, § 27 dergestalt zu ändern, daß die Auszahlung des Kindergelds durch die Familienausgleichskasse erfolgt. In welcher Form, ob durch Post oder auf anderem Wege, das kann dann der Satzung überlassen werden.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 163. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 27 als Ganzes. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe auf § 28. — Das Wort wird nicht ge-
wünscht. Wer dem § 28 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Angenommen.
Ich rufe auf § 29, dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 148 Ziffer 9. Wird das Wort hierzu gewünscht? — Es wird verzichtet.
Dann stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 148 Ziffer 9. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir stimmen ab über § 29 in der geänderten Form. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 30, dazu die Änderungsanträge auf Umdruck 158 Ziffern 1 und 2. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion vertritt mit dem Antrag Umdruck 158 ein allgemeines Anliegen, das nicht ausschließlich in den Rahmen dieses Gesetzes fällt. Der 1. Deutsche Bundestag hat Anfang 1952 ein Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beschlossen. Nach der Auffassung des 1. Deutschen Bundestages sollte durch dieses Gesetz eine klare Scheidung zwischen dem Verwaltungsunrecht und dem sogenannten kriminellen Unrecht vorgenommen werden. Das hat keine bloß formalistische Bedeutung, sondern dieses damals in diesem Hause einstimmig beschlossene Gesetz sollte der Rechtseinheitlichkeit und der Einheitlichkeit der Ausgestaltung des Rechtsschutzes für alle diejenigen, die in derartige Verfahren verwickelt werden, dienen. Dieses Gesetz ist damals als ein Fortschritt in unserer gesamten Rechtsentwicklung angesehen worden. Wenn der 1. Deutsche Bundestag dieses Gesetz damals als Rahmengesetz erlassen hat, dann hat er die Erwartung zum Ausdruck gebracht, daß alle künftigen Gesetze, bei denen das Problem des Verwaltungsunrechts aufgeworfen wird, sich diesem Rahmengesetz anpassen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Anpassung an das damals erlassene Rahmengesetz hier außer acht lassen, dann verstoßen Sie gegen den Willen des 1. Bundestags, einen fortschrittlichen Beitrag zu unserer Rechtsentwicklung zu leisten. Dieses Anliegen ist, wie gesagt, nicht nur ein Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion, sondern der Antrag Umdruck Nr. 158 sollte einem Anliegen des gesamten Hauses entsprechen. Deshalb bitten wir Sie, dem Antrag Umdruck 158 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD geht offenbar zurück auf das Gutachten des Unterausschusses des Rechtsausschusses des Bunderates. Dieser Unterausschuß hat beanstandet, daß im Entwurf die Formulierung über Ordnungsstrafen nicht mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten übereinstimmt. Ich muß gestehen, daß ich im Rechtsausschuß, der sich damals mit dieser Frage befaßt hat, für eine Änderung des Entwurfs plädiert habe. Eine nähere Prüfung hat jedoch ergeben, daß es zweckmäßiger ist, den
vom Unterausschuß des Rechtsausschusses des Bundesrates gerügten Schönheitsfehler in Kauf zu nehmen und es beim ursprünglichen Wortlaut des Entwurfs zu lassen.
Das sollte vor allen Dingen aus praktischen Erwägungen geschehen. Nach dem Gesetzentwurf werden die Familienausgleichskassen bei den Berufsgenossenschaften errichtet. Diese haben auf dem Gebiet der Unfallversicherung nach wie vor Ordnungsstrafen zu verhängen, und zwar nach einem Verfahren, das sich nach der Reichsversicherungsordnung richtet. Würde man sich jetzt in dem Gesetz über die Familienausgleichskassen dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten anschließen, dann käme man dazu, daß die Verwaltungen der Berufsgenossenschaften, die gleichzeitig die Verwaltungen der Familienausgleichskassen sind, auf dem einen Gebiet nach der Reichsversicherungsordnung, auf dem anderen Gebiet nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten verfahren müßten.
Im übrigen paßt das Verfahren des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit seinen Zuständigkeiten usf. nicht zu dem Wesen der Familienausgleichskassen. Die Familienausgleichskassen tendieren vielmehr nach dem Verfahren der Reichsversicherungsordnung. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sieht zudem auch vor, daß die bereits bestehenden Verfahren, wie z. B. das der Reichsversicherungsordnung, aufrechterhalten und weitergeführt werden.
Wir sind deshalb der Ansicht, daß man es bei dem Entwurf belassen soll. Die Ordnungsstrafen sollten von den Verwaltungen der Familienausgleichskassen verhängt, und das Verfahren nach der Reichsversicherungsordnung sollte weiterhin beibehalten werden. Wir bitten deshalb, den Änderungsantrag der SPD abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Ich darf darauf hinweisen, daß zuerst über Ziffer 1 des Umdrucks 158 abgestimmt wird, die sich nicht mit dem § 30 selbst, sondern nur mit der Überschrift zum Siebenten Abschnitt befaßt; die Überschrift soll nach dem Änderungsantrag der SPD nicht „Ordnungsstrafen", sondern „Ordnungswidrigkeiten, Vergehen" heißen. Wer diesem Antrag unter Ziffer 1 des Umdrucks 158 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2 des Umdrucks 158. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 30. Wer dem § 30 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 31 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 31 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe den § 32 — zugleich mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 147 Ziffer 15 — auf. Wird das
Wort hierzu gewünscht — Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorschrift des § 32 betrifft „Besondere Einrichtungen". Danach können mit der Durchführung des Familienausgleichs außer der Familienausgleichskasse auch Einrichtungen privaten Zusammenschlusses von Unternehmungen betraut werden. Meine Fraktion sieht auch hierin eine Gefahr für die Kinderreichen. Denn bei einer solchen Regelung sind die Selbstverwaltung und damit die Kontrollfunktionen, die die Selbstverwaltung hat, ausgeschaltet.
§ 32 Abs. 2 Ziffer 2 enthält die Vorschrift, daß ein solcher privater Zusammenschluß nur dann zugelassen werden soll, wenn die Einstellung oder Beschäftigung Kinderreicher nicht gefährdet oder erschwert wird. Eine solche Vorschrift muß aber vielfach auf dem Papier stehenbleiben; denn eine Kontrolle darüber, ob Kinderreiche, die sich um eine Anstellung in einem Betrieb bewerben, zurückgesetzt werden oder nicht, ist nicht möglich. Wie ist denn die Sachlage? Die in dieser Sondereinrichtung zusammengeschlossenen privaten Einrichtungen haben die finanziellen Belastungen aus der Einstellung von Kinderreichen als ein besonderes Risiko zu tragen. Es besteht insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Krisen und Spannungen eine gewisse Gefahr, daß sich diese Unternehmen von wirtschaftlichen und nicht von sozialen Erwägungen leiten lassen.
— Aber bei der Einstellung, Herr Dr. Jentzsch, — —
— Ich habe es zitiert, Herr Winkelheide. Sind Sie denn wirklich der Meinung, daß einer solchen Vorschrift bezüglich der Einstellung praktische Realität zukommt? Eine solche kann sie deshalb nicht erlangen, weil keine Möglichkeit zur Kontrolle besteht, in welchem Sinne sich nun der Betrieb bei einer Einstellung entscheidet; Sie würden sonst einen ganzen Kontrollapparat in Bewegung setzen müssen.
Deshalb beantragt meine Fraktion, die Vorschrift von § 32 im Interesse einer Einstellung von Kinderreichen zu streichen und mit der Durchführung der Gewährung von Kindergeld ausschließlich die Familienausgleichskassen zu beauftragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wissen, daß große Verbände der Wirtschaft, als in der ersten Legislaturperiode das Gesetz nicht zustande kam, von sich aus als Beitrag zur konstruktiven Sozialpolitik auf ihrer Ebene einen Familienausgleich eingeführt haben, so z. B. der Bergbau, die chemische Industrie und andere mehr.
Ich sehe keinen Grund, warum diese funktionierenden Einrichtungen nicht in die Organisation der Familienausgleichskassen eingebaut und ihr nutzbar gemacht werden sollen; denn sie arbeiten, wie
das überhaupt in der Wirtschaft üblich ist, mit dem geringsten Aufwand an Personal und sachlichen Mitteln. Der Einbau bedeutet daher eine Kosteneinsparung. Die Kinderbeihilfen werden in den Betrieben ausgezahlt, die Beiträge von den Verbänden eingehoben; der Verband liefert die überschüssigen Beträge an die Familienausgleichskasse ab. Das bedeutet weiterhin Einsparung von Personal und sachlichen Mitteln.
Die neu zu bildenden Familienausgleichskassen können im übrigen auf die Erfahrungen zurückgreifen, die die Verbände schon in jahrelanger Arbeit gemacht haben. Sie werden auch in Zukunft zusammenarbeiten. Das entfiele alles, wenn sie ihre Tätigkeit einstellen müßten.
Sie wissen im übrigen, daß bei einigen Verbänden Kindergeld schon vom ersten oder zweiten Kind an gezahlt wird. Würde man die Tätigkeit der Organisationen verbieten, so ergäbe sich, daß sie weiterhin vom zweiten oder ersten Kind an zahlen müßten, die Familienausgleichskassen von dritten Kinde an.
Es ist aber auch so, daß der Einbau dieser Organisationen in die Familienausgleichskasse überhaupt keine Nachteile brächte, weder für die Familienausgleichkasse noch für die Berechtigten, da er an bestimmte sVoraussetzungen gebunden ist. Zunächst erfolgt der Einbau nur auf Antrag. Ich könnte mir vorstellen, daß die eine oder andere Organisation diesen Antrag gar nicht stellen und die gewiß undankbare Aufgabe der Beitragseinziehung in Zukunft der Familienausgleichskasse überlassen wird. Ferner soll die Familienausgleichskasse die Anerkennung und die Aufnahme in die Organisation der Familienausgleichskasse nur beschließen, wenn der Antragsteller an einer Einrichtung, einer Wirtschaftsgruppe oder einer sonstigen überbetrieblichen Regelung als Beitragspflichtiger beteiligt ist und Leistungen mindestens in der Höhe der gesetzlichen Kindergelder leistet.
Außerdem muß, wie gesagt wurde, gewährleistet sein, daß die Einstellung oder die Beschäftigung Kinderreicher nicht gefährdet oder erschwert wird. Diese Voraussetzung ergibt sich meines Erachtens schon dadurch, daß bei den Verbänden ein Ausgleich stattfindet. Nicht der einzelne Betrieb, sondern der Verband zahlt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Betrieb unter diesen Umständen einen Kinderreichen benachteiligen würde; denn er bekommt ja das Kindergeld vom Verband bzw. von der Ausgleichsstelle. Im übrigen sind die Bedenken, die Herr Professor Schellenberg geäußert hat, meines Erachtens nicht gegeben. Denn in allen Betrieben, auch in den kleinsten Betrieben, werden die Betriebsräte und die Betriebsobmänner dafür sorgen, daß diese Schwierigkeiten behoben werden.
Der Antragsteller muß sich außerdem verpflichten, an dem Ausgleich der Familienausgleichskassen und an dem Ausgleich des Gesamtverbandes teilzunehmen. Schließlich hat die Familienausgleichskasse immer noch die Möglichkeit, die Anerkennung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Bei dieser Sachlage scheint mir kein Anlaß zu bestehen, den § 32 zu streichen. Ich bitte deshalb, es bei der Fassung des Entwurfs zu belassen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Ich stimme den Ausführungen von Herrn Kollegen
Bürkel absolut zu. Wir sollten solche Institutionen erhalten und sollten sie nicht in das große Schema hineinzwängen. Trotzdem haben mich einige Ausführungen von Herrn Professor Schellenberg etwas stutzig gemacht. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß die Bestimmung, nach der bei der Einstellung keine Diskriminierung vorgenommen werden soll, etwas auf dem Papier steht; denn das ist ja nicht nachzuweisen. Dagegen hat Herr Bürkel eingewandt, daß diese Kassen an dem Ausgleich teilnehmen
und damit dieser Mangel eventuell wieder behoben werden kann. Ich sehe aber, daß sie nur an dem Ausgleich nach § 10 teilnehmen sollen. Das ist nicht ausreichend. Sie müssen, wenn wir den Fehler machen, die Selbständigen in das Gesetz hineinzunehmen — das muß diesen Kreisen einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden —, auch an dem Ausgleich nach § 14 beteiligt sein.
Ich beantrage daher, in § 32 Abs. 2 Ziffer 3 in der Klammer nach „§ 10 Abs. 3" noch hinzuzufügen „und § 14".
Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth, ein solcher Antrag liegt aber hier nicht vor.
— Ja, Sie müssen ihn schriftlich einreichen. Nach der Geschäftsordnung werden nur schriftliche Anträge angenommen. Sonst kann ich nicht abstimmen lassen.
— Sie stellen den Antrag in der dritten Lesung.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 147 Ziffer 15, nach dem § 32 gestrichen werden soll. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung — —
— Herr Abgeordneter Schellenberg?
— Haben Sie ihn schriftlich?
— Bitte schön!
Meine Damen und Herren! Die Herren Kollegen Bürkel und Atzenroth haben dargelegt, daß sie der Auffassung sind, Einrichtungen, die bereits bestehen und sich bewährt haben, sollten erhalten bleiben. Deshalb stellt meine Fraktion, nachdem Sie den Antrag auf Streichung von § 32 abgelehnt haben, zu Abs. 1 den folgenden Antrag, hinter die Worte „anerkannt werden" einzufügen:
soweit sie bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen.
Der Sinn dieses Antrags ist, bestehende Einrichtungen zu erhalten, aber nicht neue zu schaffen.
— Weil keine Notwendigkeit dafür besteht! Betriebe und Wirtschaftszweige, die sich bisher, in einer Zeit, in der noch kein gesetzlicher Zwang bestand, nicht dazu bereit gefunden haben, Kindergeld zu gewähren, sollen' jetzt nicht die Vergünstigung einer Sondereinrichtung erhalten. Diese Vergünstigung soll nur Betrieben gewährt werden, die bisher schon eine solche soziale Leistung, wie Sie gesagt haben, erbracht haben.
Wird das Wort noch gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Bürkel.
Meine Damen und Herren, wir sind völlig gegenteiliger Ansicht. Es scheint mir keineswegs eine Vergünstigung für die Verbände zu sein, wenn sie diese Arbeit übernehmen, im Gegenteil.
Es ist nur eine finanzielle und eine arbeitsmäßige Belastung, und wenn es zur Kosteneinsparung bei den Familienausgleichskassen dient, dann sollte man auch in Zukunft neu zu gründende Organisationen durch die Familienausgleichskassen anerkennen lassen.
Wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung über den soeben eingereichten und begründeten Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Sie beantragt folgendes — ich darf es noch einmal verlesen —:
Der Bundestag wolle beschließen:
Hinter § 32 Abs. 1 wird ein Komma gesetzt. Es werden die Worte angefügt: „soweit sie bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen".
Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme damit zur Abstimmung über § 32. Wer dem § 32 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Das erste war die Mehrheit. § 32 ist angenommen.
Ich rufe auf §§ 33, — 34, — 35 und 36. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf den neu verteilten Umdruck 166 mit dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, einen neuen § 36 a einzufügen. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben mit Mehrheit unseren Änderungsantrag zu § 2 Abs. 2 abgelehnt. Wir wollten mit unserem Änderungsantrag zu § 2 erreichen. daß die Arbeitslosen, Kranken, Rentner usw. von den Familienausgleichskassen auch ein Kindergeld — bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen — erhalten. Sie haben wiederholt erklärt — sowohl im Ausschuß wie auch gestern und heute —, daß derartige gesetzliche Regelungen nachgezogen werden sollten. Aber bis heute ist noch kein derartiger Gesetzentwurf im Hohen Hause eingebracht worden, obwohl Herr Kollege Horn heute morgen erklärt hat, daß das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf über diese Fragen ausgearbeitet hätte. Sie hätten also sehr wohl die Möglichkeit gehabt, dem Hohen Hause einen zweiten Abschnitt zu diesem Gesetzentwurf zu unterbreiten, und Sie hätten damit vieles erleichtert.
Da Sie dies nicht getan haben, mußten wir als Opposition uns die nicht leichte Arbeit machen und Ihnen diesen Antrag auf Umdruck 166 unterbreiten, weil wir der Auffassung sind, daß es unmöglich ist, daß ein Gesetz über Gewährung von Kinderbeihilfen von dem Hohen Hause verabschiedet werden kann, ohne daß diese Frage mit geregelt ist.
Wir beantragen deshalb folgende Erweiterung des § 182 der Reichsversicherungsordnung, wonach, wenn jemand Krankengeld erhält, daneben ein Kindergeld für das dritte und jedes weitere Kind in Höhe von 25 DM monatlich gewährt wird, sofern nicht die Familienausgleichskasse auch während der Krankheit das Kindergeld weiterzahlt. Das ist ganz selbstverständlich. Das gleiche gilt in dem Falle, daß Zuschlag zum Krankengeld gemäß § 191 der Reichsversicherungsordnung gewährt wird, und ebenfalls für den Fall, daß ein Zuschlag zum Hausgeld gewährt wird, der gemäß § 11 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes in Frage kommt.
Auch für den Unfallverletzten soll nach unserer Auffassung an Stelle des zur Zeit relativ geringen Kindergeldes ein Kindergeld ab drittem Kind in Höhe von 25 DM gewährt werden, sofern der Betreffende nicht von einer Familienausgleichskasse Kindergeld erhält, also in Arbeit ist.
§ 1271 der Reichsversicherungsordnung regelt bekanntlich den Rentenbezug sowohl in der Angestellten- wie in der Invalidenversicherung. Auch hierfür muß nach unserer Auffassung ein Kindergeld gewährt werden. Das von den Sozialversicherungsträgern gewährte Kindergeld von zur Zeit 20 DM ab erstem Kind muß ab drittem Kind nach unserer Ansicht auf 25 DM entsprechend diesem Gesetz erhöht werden.
Das gleiche gilt für die Arbeitslosenversicherung, und zwar sowohl für die Empfänger von Arbeitslosenunterstützung wie für die Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Gerade dort ist es dringend notwendig; denn das Kindergeld oder die Familienzuschläge, wie es dort heißt, sind relativ gering, und die Zuschläge ab drittem Kind — oder was letzten Endes beschlossen wird — müssen nach diesem Gesetz an das Kindergeld angepaßt werden. Dementsprechend sind die dort gewährten Familienzuschläge ab drittem Kind natürlich in Wegfall zu bringen.
Für die Empfänger von Ausgleichsrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und für die Empfänger von öffentlicher Fürsorge gilt das gleiche.
Meine Damen und Herren, wir haben mit unserem Antrag Umdruck 166 einen Abschnitt erarbeitet, der nach unserer Auffassung zu diesem Gesetz gehört, der in dieses Gesetz eingearbeitet werden müßte. Sie sollten heute zu diesem unserem Antrag Ihre Zustimmung geben.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich hatte mir gestern bereits überlegt, als ich 46 Änderungsanträge auf mein Pult gelegt bekam, ob es nicht zweckmäßiger sei, bei diesem Stand noch einmal den Entwurf an den Ausschuß zurückzuverweisen, damit wir diese Anträge in aller Ruhe beraten können. Ich halte es im allgemeinen gegenüber unseren Kollegen für nicht zumutbar, daß man eine solche Flut von Anträgen in der zweiten Lesung verarbeitet. Das ist für mich ein Beweis gewesen, wie ich es schon gestern zum Ausdruck gebracht habe, daß dieses Gesetz noch nicht reif ist. Ich habe aber gestern davon Abstand genommen, diesen Antrag zu stellen; denn ich weiß sehr wohl, daß es uns allen darauf ankommt, möglichst schnell zum Ziele zu kommen, damit wenigstens eine begrenzte Zahl von Menschen in den Genuß von Kindergeld kommt. Alle können wir sie nicht berücksichtigen nach diesem Entwurf. Ich habe gestern auch zum Ausdruck gebracht, daß wir bereit sind, mitzuarbeiten, schnell mitzuarbeiten, damit die Gruppen, die nun wirklich die sozial Schwächsten sind und die nach dieser Konstruktion nicht berücksichtigt werden konnten, ebenfalls Berücksichtigung finden.
Nun kommt der Umdruck 166 der SPD. Aus dem vorher Gesagten geht hervor, daß wir materiell im großen und ganzen mit Ihnen wohl übereinstimmen. Ich halte es aber nicht für zulässig, bei diesem Stand der Dinge das Gesetz einfach durch einen Anhang praktisch zu erweitern. Wir können doch jetzt unmöglich die Konsequenzen dieser Anträge übersehen. Herr Kollege, Sie haben selber in der 1 Begründung zum Ausdruck gebracht, daß wir dies unter allen Umständen noch einmal beraten müssen. Wir sollten also vernünftig sein und den gesamten Entwurf jetzt noch einmal zurückverweisen, damit wir erstens die von der CDU bereits angekündigten Gesetzesänderungen hinsichtlich der Berücksichtigung der Arbeitslosen usw. gemeinsam mit dem Antrag Umdruck 166 beraten können und dann versuchen, das Gesetz umzustellen. Ich weiß nicht, ob es verantwortet werden kann, wenn wir jetzt einfach solche materiell doch sehr weitgehenden Änderungsanträge in der zweiten Lesung annehmen, ohne daß der zuständige Ausschuß noch einmal beraten hat.
Ich stelle daher den Antrag, den gesamten Entwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik zurückzuüberweisen, und darf hinzufügen, daß dieser Antrag gleichzeitig von Fraktion der FDP gestellt wird.
Das Wort zu dem Antrag, der soeben gestellt wurde, hat der Abgeordnete Horn.
Meine Damen und Herren! Wir haben den Gesetzentwurf in zweiter Lesung bis auf einige Anträge nun hinter uns gebracht. Es erscheint mir wirklich als eine sehr eigenartige Methode,
meine Herren Antragsteller von rechts, daß Sie jetzt, nachdem es soweit ist, mit einem solchen Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß die ganze Geschichte wieder verzögern und damit auch
die dritte Lesung zwangsläufig hinausziehen wollen. Zur Sache haben wir heute morgen unseren Standpunkt dargelegt. Wir werden sowohl diesen Geschäftsordnungsantrag ablehnen als auch den Antrag auf Umdruck 166, und zwar aus den Gründen, die ich heute morgen vorgetragen habe.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist nicht für eine Rücküberweisung an den Ausschuß während der zweiten Lesung. Wir sind der Auffassung, daß die zweite Lesung zu Ende geführt werden sollte.
Wir möchten aber darauf hinweisen, daß die Opposition keinerlei Verschulden daran trifft, daß dieses Gesetz über die Kinderbeihilfe nun schon fünf Jahre beraten wird
und daß eine derartige Menge von Änderungsanträgen gestellt worden sind. Ich bin persönlich wirklich mehr als empört, daß dem Bundestag unter der Drucksache 319 von der CDU/CSU-Fraktion ein Gesetzentwurf unterbreitet wurde, zu dem bei den Ausschußberatungen von derselben Fraktion zirka 76 Änderungsanträge eingebracht wurden
und daß, nachdem von Ihnen, meine Damen und Herren, gegen unsere Stimmen im Ausschuß die Vorlage Drucksache 708 beschlossen worden war, nun zur zweiten Lesung wiederum 20 oder gar mehr Änderungsanträge eingebracht wurden. Das ist mehr als ein starkes Stück, das muß ich in aller Offenheit hier zum Ausdruck bringen.
Trotz alledem sind wir für die Abschließung der Beratung der zweiten Lesung. Wir werden auch nach wie vor mitarbeiten, damit — so hoffen wir wenigstens — zur dritten Lesung diesem Hause ein Gesetzentwurf unterbreitet werden kann, dem auch wir nach bestem Wissen und Gewissen unsere Zustimmung geben können.
Zu unserem Antrag Umdruck 166, den ich vorhin begründet habe, beantrage ich namentliche Abstimmung.
Wir befinden uns noch in der Geschäftsordnungsdebatte. Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Becker .
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es führt uns auf keinen Fall weiter, wenn hier etwa die Schuldfrage erörtert und gefragt wird, warum die Verhandlungen so gelaufen sind und warum der jetzige Stand so ist. Das einzige, was zu erörtern ist, ist doch wohl die Frage, wie weiter verfahren werden soll. Ich weise die Damen und Herren von der CDU/CSU darauf hin, daß sie selbst als Fraktion damit einverstanden gewesen sind, die ursprünglich vorgesehene dritte Lesung dieses Gesetzes nicht heute vorzunehmen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Unser Anliegen ist es doch lediglich, daß in der Zwischenzeit
das gesamte Gesetz mit dem jetzt neu vorliegenden Änderungsantrag im Sozialpolitischen Ausschuß noch einmal beraten wird.
— Selbstverständlich kann das geschäftsordnungsmäßig beantragt und beschlossen werden. Wenn jetzt dieser Antrag der DP und der FDP von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, abgelehnt wird — ich kann einen sachlichen Grund dafür nicht einsehen —, dann muß ich das von mir aus als einen ausgesprochen unfreundlichen Akt betrachten.
Dieser Antrag ist gestellt worden, um eine sachliche Erörterung von allen Seiten im Ausschuß weiterhin zu ermöglichen, aus keinem anderen Grunde. Man sollte, glaube ich, soviel guten Willen auf allen Seiten des Hauses voraussetzen, daß einem solchen Antrag, der keine Seite irgendwie schädigt, stattgegeben wird.
Meine Damen und Herren, der gute Wille besteht auf sämtlichen Seiten des Hauses und in allen Fällen. Darüber sollten wir uns doch hier im Parlament einig sein.
Die Geschäftsordnungsdebatte ist beendet. Wer dem Antrag des Abgeordneten Elbrächter, den Gesetzentwurf im gegenwärtigen Stand an den Ausschuß für Sozialpolitik zurückzuverweisen, zustimmen will, den bitte ich, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir fahren in der Sachdebatte zu § 36 a — Umdruck 166 — fort. Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
— Ist erledigt. Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine, Herren und Damen! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE wird den Antrag der SPD auf Umdruck 166 unterstützen. Wir sind der Meinung, daß die dort aufgeführten Änderungen gesetzlicher Bestimmungen schon längst hätten geschehen müssen, wenn man sich darüber klar war, daß man ein Kindergeld so, wie es der vorliegende Entwurf vorsieht, einführen wollte. Wir glauben, daß diese Änderung nun dringend nachgeholt werden muß. Ich darf an das anknüpfen, was Kollege Winkelheide und Kollege Horn gesagt haben: daß schon Vorbereitungen getroffen seien, jene Kinderzuschläge auf 25 DM Kindergeld anzuheben. Das ist uns ein Anlaß, den Antrag Umdruck 166 zu unterstützen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Richter!
— Ist schon beantragt!
Wir kommen zur Abstimmung. Von der SPD-Fraktion ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wir stimmen also namentlich ab. Wer dem Antrag — Umdruck 166 — auf Einfügung eines Paragraphen 36 a zustimmen will, den bitte ich, mit Ja zu stimmen, wer dagegen ist, mit Nein, die übrigen mit Enthaltung.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch jemand da ist, der seine Stimme nicht abgegeben hat. —
Ich darf die Gelegenheit benützen, darauf hinzuweisen, daß interfraktionell vereinbart worden ist, bis 17 Uhr zu tagen.
Wir können inzwischen in den Beratungen fortfahren. Ich rufe auf § 37 mit dem Umdruck 156 Ziffer 4. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokraten auf Umdruck 156 Ziffer 4. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, eine Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist bei Enthaltungen abgelehnt.
Ich darf die Damen und Herren bitten, sich wieder an ihre Plätze zu begeben; das würde die Abstimmung ganz wesentlich erleichtern. — Ich darf diesen Wunsch für die ersten Reihen wiederholen.
Wir kommen zur Abstimmung über § 37. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, eine Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 38. Das.Wort wird nicht gewünscht. Wer § 38 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, eine Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Antrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Einfügung eines § 38 a, Umdruck 148 Ziffer 10. Wer wünscht das Wort zur Begründung?
— Herr Abgeordneter Winkelheide verzichtet. Wir stimmen also ab über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 148 Ziffer 10. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich frage noch einmal, ob zur namentlichen Abstimmung noch jemand seine Stimme abzugeben wünscht. — Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Ich darf das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 166 bekanntgeben: abgegebene Stimmen 369, davon Ja 145, Nein 189, enthalten 35. Der Antrag ist abgelehnt. Von den Berliner Abgeordneten haben die Stimme abgegeben: 17; mit Ja 9, mit Nein 5, enthalten 3.
Wir fahren fort. Ich rufe auf § 39 mit dem Änderungsantrag Umdruck 148 Ziffer 11. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 148 Ziffer 11. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 2225.
Ich rufe auf § 39 in der neuen Form. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur Abstimmung über Einleitung und Überschrift. Wer Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, es ist interfraktionell vereinbart, die dritte Lesung heute nicht mehr stattfinden zu lassen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung für heute erledigt.
Meine Damen und Herren, es ist der Wunsch an mich herangetragen worden, von der heutigen Tagesordnung den Punkt 5 vorzuziehen. Ich darf ihn aufrufen:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betreffend Maßnahmen zur Milderung der Ernte- und Hochwasserschäden (Drucksachen 830, 810).
Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Glasmeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von allen Fraktionen eingebrachte Antrag über Maßnahmen zur Milderung der Ernte- und Hochwasserschäden des Jahres 1954, Drucksache 810, wurde von dem Herrn Vorsitzenden des Ernährungsausschusses heute vor einer Woche in der 43. Plenarsitzung eingehend begründet. Ich kann mich daher als Berichterstatter des federführenden Ernährungsausschusses kurz fassen.
Der Ernährungsausschuß und der mitbeteiligte Haushaltsausschuß haben dem Antrag aller Fraktionen ohne Änderungen zugestimmt, wie Sie aus dem Mündlichen Bericht, Drucksache 830, ersehen wollen. Es kam dem Ernährungsausschuß darauf an, den Antrag sobald wie möglich vom Plenum des Bundestages verabschieden zu lassen, damit die bereits von der Regierung angebahnten Maßnahmen schnell durchgeführt werden können. In diesem Zusammenhang ist der Ernährungsausschuß bei seinen Beratungen besonders auf die Punkte eingegangen, die seitens des Bundesernährungsministeriums als Richtlinien an alle Länder ergehen sollen. Bei diesen Beratungen lag dem Ausschuß noch kein Entwurf der Richtlinien vor, sondern er diskutierte lediglich die wichtigsten Punkte zur Feststellung und Abwicklung der Ernteschäden, die etwa nach einem dreijährigen Ertragsdurchschnitt zu treffen wären. Der Ausschuß war dabei der Auffassung, daß sich die Schadensfeststellung auf die Getreideernte und die Erträge des Grünlandes erstrecken soll und Ausfälle in der Kartoffelernte nur dann in die Schadensfeststellung einbezogen werden sollen, wenn Ausfälle durch überstauende Nässe hervorgerufen worden sind.
Die Gebiete, die durch Hochwasserkatastrophen oder starke Überschwemmungen geschädigt wurden und deren Gesamternte dabei mehr oder weniger vernichtet wurde, sollen als Sonderkomplex behandelt werden. Es war der Wunsch aller, diesen Gebieten, die genau abzugrenzen wären, eine Voraushilfsaktion zu gewähren, damit die Herbstbestellung gesichert ist und die notwendigen Futtermengen bereitgestellt werden können.
Ferner kam man überein, daß die Betriebe in die Schadensfeststellung mit einbezogen werden, bei denen eine Verminderung der Getreideernte und der Erträge von Grünland in Höhe von mindestens 15 % festgestellt worden ist. Daneben soll aber die Möglichkeit bestehen, in Härtefällen auch Betriebe in die Schadensregulierung einzubeziehen, wenn der Ernteausfall unter 15 % liegt. Gedacht ist dabei an Kleinbetriebe, Siedlerbetriebe, Pachtbetriebe, besonders belastete Betriebe usw.
Die Feststellung und Abwicklung der Schäden wäre von den für die Landwirtschaft zuständigen obersten Landesbehörden durchzuführen. Es sollen keine summarischen Feststellungen getroffen werden, sondern die Schadensfeststellung wird Betriebsweise erfolgen. Gedacht ist an Kommissionen, die etwa aus dem örtlich zuständigen Wirtschaftsberater oder dem Vertreter der Landwirtschaftsschule, einem Ortsobmann und einem weiteren erfahrenen praktischen Landwirt bestehen können.
Über die Form, in welcher die Entschädigung gezahlt werden soll, war die Meinung im Ausschuß nicht einheitlich. Während ein Teil der Auffassung war, man solle die Schadensregulierung durch Steuerniederschlagung, durch Gutscheine für Handelsdünger und Saatgut vornehmen, wollte ein anderer Teil auf die Auszahlung baren Geldes nicht verzichten. Der Ausschuß nahm mit Genugtuung zur Kenntnis, daß die Landwirte infolge der Steuerstundungen und Wechselmoratorien zunächst, bis zum 31. Oktober, nicht in Schwierigkeiten kommen können. Gegebenenfalls müßten nach dem 31. Oktober drückende Wechselschulden und andere drükkende Lasten in langfristige und tragbare Kredite umgewandelt werden. Da durch das Fallenlassen der Initiativgesetzentwürfe und die zur Zeit herrschende Unklarheit über Art und Ausmaß der Entschädigung im Landvolk eine große Beunruhigung eingetreten ist, wurde das Ministerium gebeten, die vorgesehenen Richtlinien beschleunigt fertigzustellen, dem Ausschuß bekanntzugeben und die Verhandlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister und den Ländern so voranzutreiben, daß die Entschädigung im einzelnen so bald wie möglich erfolgen kann.
Allgemein ist festzustellen: Der Ausschuß entnahm den Worten des Ministers Lübke, der an der Sitzung teilnahm, den Eindruck, daß die Bundesregierung durchaus gewillt ist, die Schäden in der Landwirtschaft zu mildern. Namens des Ausschusses darf ich Sie bitten, meine Damen und Herren, dem Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
— Bitte, Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde haben diesen Antrag unterschrieben, und sie werden ihm die Zustimmung geben.
Ich möchte allerdings zum Ausdruck bringen, daß unsere Zustimmung nicht ohne Bedenken erfolgt. Diese Bedenken richten sich insbesondere gegen die unserer Überzeugung nach den Interessen der geschädigten Landwirte außerordentlich abträgliche Weise, in der diese Angelegenheit hier behandelt worden ist und jetzt zu einem Abschluß gebracht werden soll. Darf ich Sie daran erinnern, daß wir noch in den Ferien waren, als schon die Forderung
nach einer Sondersitzung des Bundestags erhoben wurde, in der sich das Haus mit den katastrophalen Folgen dieses schlechten Sommers auseinandersetzen sollte.
Dabei sind Schadensbeträge genannt worden. Sie haben gestern — und wahrscheinlich auch heute noch — in den Wochenschauen hören können, daß man immer noch von dem „Milliarden-Schaden" redet, den die Landwirtschaft erlitten haben soll. Inzwischen sind ganz andere Zahlen bekanntgegeben worden. Leider ist gestern auch noch ein Bericht aus dem Kabinett in die Presse gekommen — auf eine Weise, die sicherlich noch aufgeklärt werden muß —, der ohne Zweifel bei allen, die nicht unmittelbar in den Dingen stehen und aus eigenem Augenschein beurteilen können, was in der Landwirtschaft geschehen ist, die Stimmung wieder einmal bestärkt hat, die zu unser aller Bedauern gegenüber landwirtschaftlichen Anliegen immer wieder zu verzeichnen ist: „Na, so schlimm wird es wohl nicht gewesen sein; da ist natürlich wieder furchtbar übertrieben worden!" Das ist für ein objektive Beurteilung der Dinge, die da passiert sind, sehr schlecht.
Auch aus diesem Hause ist dazu ein für mein Gefühl negativer Beitrag gekommen. In den ersten Beratungen des Ernährungsausschusses, die diesem sehr ernsten Problem gewidmet waren, ist eine Diskussionsgrundlage zur Verfügung gestellt worden, in der von einer generellen Entschädigung von 30 DM pro Hektar — jedermann weiß, aus welcher Ecke diese Diskussionsgrundlage stammte — die Rede war. Dann ist es uns gelungen, zu konkreten Forderungen zu kommen, nämlich zu einem Gesetzentwurf, in dem die Bundesregierung verpflichtet werden sollte, für die Beseitigung dieser Schäden 250 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Daraus ist nun dieser Antrag geworden, mit dem die Regierung auf etwas aufmerksam gemacht und zu etwas veranlaßt werden soll, was eigentlich doch nur eine Reihe von Selbstverständlichkeiten ist. Das halte ich nicht für ein Verfahren, das dem, was tatsächlich passiert ist, entspricht und des Parlaments würdig ist. Ich habe die große Sorge, wir müssen in absehbarer Zeit feststellen, daß dieses Verfahren in der Praxis darauf hinausläuft, daß das, was hier gefordert wird, zu einem großen Teil im Gestrüpp der Durchführungsbestimmungen und der Verwaltungsbürokratie hängenbleibt. Ich fürchte, daß wir sehr bald Gelegenheit haben werden, veranlaßt durch das, was uns von draußen an sicherlich nicht unberechtigten Klagen über die Durchführung der Geschichte zukommen wird, uns hier noch einmal mit dieser Sache zu befassen.
Ich möchte ausdrücklich sagen, daß dem Ernährungsausschuß Richtlinien nicht vorgelegen haben. Wir haben uns über verschiedene Gesichtspunkte unterhalten, die zur vernünftigen Bewältigung der Schadenstatbestände in diesen Richtlinien berücksichtigt werden sollen. Ich sage das deshalb, damit niemand den Eindruck hat, als wäre etwa der Ernährungsausschuß und damit der Bundestag für die Richtlinien verantwortlich. Das kann erst in dem Augenblick gesagt werden, in dem wir das, was endgültig als Richtlinien zwischen den Ressorts vereinbart und mit den Ländern abgestimmt worden ist, zur Kenntnis genommen haben und es gutheißen können.
Zum Verfahren noch einmal: Ich halte es für den wirklichen Interessen der Geschädigten außerordentlich abträglich und bedaure es sehr, daß man sich hier wieder zu Versprechungen hat hinreißen
lassen, wie das leider so oft geschieht, denen ein entsprechender Durchsetzungswille nicht zur Seite gestanden hat. Uns wäre jedenfalls eine klare Verpflichtung der Regierung, die bekanntlich der Bundestag nur in Form eines Gesetzes auferlegen kann, lieber gewesen als diese für die Regierung — und dafür gibt es unzählige Beispiele gerade aus dem landwirtschaftlichen Bereich — recht unverbindliche Form, die hier gewählt worden ist.
Im Interesse der richtigen Unterrichtung der Öffentlichkeit würde ich es dankbar begrüßen, wenn der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hier noch eine Richtigstellung vornähme, eine Richtigstellung der meiner Überzeugung nach sehr falschen Eindrücke, die aus verschiedenen Zeitungsmeldungen gestern entstanden sind
und aus denen man eben jenes bittere Resultat voraussehen muß, das ich vorhin gekennzeichnet habe und das auf ein allgemeines Mißtrauen oder eine allgemeine Zurückhaltung gegenüber diesem Anliegen der Landwirtschaft hinausläuft.
Ich möchte abschließend sagen, daß sich alle diejenigen, die das, was geschehen ist, mit Sachverstand in Augenschein nehmen können, durch keine Zahlen und durch kein Ressentiment darüber hinwegtäuschen dürfen, daß für einen erheblichen Teil unserer Landwirtschaft außerordentlich schwere Folgen und für einen nicht kleinen Teil der landwirtschaftlichen Betriebe auch katastrophale Folgen eingetreten sind. Daß es nicht zu einer Katastrophe in unserer Ernährung kommt, sei hier nur der Ordnung halber auch noch einmal gesagt. Es sollte niemand Gelegenheit haben, aus dem, was hier der Landwirtschaft und einzelnen ihrer Teile passiert ist, zusätzliche Geschäfte im Sinne der Ausnutzung irgendeiner Zwangslage zu machen, sei es gegenüber den Verbrauchern in Form von höheren Preisen, sei es etwa gegenüber den Landwirten in Form von Preissteigerungen oder ähnlichen Dingen für das, was sie für die nächste Ernte brauchen; ich denke dabei in erster Linie an das Saatgut.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Fortgang der Beratungen folgendes festhalten. Es ist im Einverständnis mit den Antragstellern wegen Abwesenheit des Herrn Wohnungsbauministers vereinbart worden, den Punkt 2 der heutigen Tagesordnung, den Entwurf eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes, für heute abzusetzen.
— Er wird auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt. — Ich darf Ihr Einverständnis unterstellen.
Ich darf ferner mitteilen, daß interfraktionell vereinbart worden ist, von der gestrigen Tagesordnung die Punkte 9: Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1954, und 10: Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten der Länder, ebenfalls für heute abzusetzen. Ich darf Ihr Einverständnis auch damit unterstellen.
Wir fahren in der Sachdebatte fort. Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat den Eindruck, daß wir mit der Behandlung landwirtschaftlicher Themen, besonders von Ernteschäden, gerade immer zu einem Zeitpunkt vor den Bundestag treten, in dem der hungrige Magen sein Recht fordert.
Es ist ein Segen, daß trotz der eingetretenen Ernteschäden unsere Verbraucher auch in diesem Jahre mit einer stetigen Versorgung rechnen können und daß sie dabei, soweit wir das jetzt übersehen können, von höheren Preisforderungen frei bleiben werden, obgleich die Mißernte nicht nur Deutschland, sondern einen wesentlichen Teil Europas betroffen hat, so daß manche Einfuhren, auf die wir glaubten mit Sicherheit rechnen zu können, nicht hereinkommen. Es darf aber auch festgestellt werden, daß nicht nur die internationale Handelsverflechtung, sondern auch die deutsche Marktordnungsgesetzgebung die Regierung verpflichtet, Vorräte anzusammeln, die in schlechten Erntejahren den Verbraucher in vollem Umfange sichern sollen.
Nun zu den Ausführungen des Herrn Berichterstatters und den Ausführungen von Herrn Kollegen Kriedemann. Herr Kollege Kriedemann meint, die jetzige Regelung sei den Geschädigten abträglich, und zwar im wesentlichen dadurch, daß wir nicht auf dem Boden der Gesetzentwürfe geblieben sind, sondern einen Entschließungsantrag vorgelegt haben, der die Regierung auffordert, den Geschädigten zu helfen. Ich glaube, wenn die Gesetzesanträge in allen zuständigen Ausschüssen behandelt würden, hätten wir sicherlich bis Ende November warten müssen, bis Sie eine Aufforderung an die Regierung hätten richten können, die notwendigen Mittel zur Hilfe für die Geschädigten bereitzustellen. Dieser Entschließungsantrag tut dasselbe. Ihm ist ein Kabinettsbeschluß vorausgegangen, in dem die Regierung ihrerseits zum Ausdruck gebracht hat, daß sie bereit ist, die Ernteschäden abzumildern.
Der Wille zu helfen ist von sämtlichen Parteien dieses Hauses durch die Vorlage dieses Entschließungsantrages zum Ausdruck gebracht. Andernfalls hätten zunächst einmal die Schäden festgestellt werden müssen, und dadurch wäre eine wirksame Hilfe verzögert worden. Wie Sie sehen, liegt bereits ein Entwurf der Richtlinien vor, die allerdings noch vom Finanzminister und von den Ländern genehmigt werden müssen.
— Ich glaube, daß der Finanzminister schon rechtzeitig mittun wird. Es muß aber Vorsorge getroffen werden, daß auch die Länder mitwirken. Das halte ich für sehr viel schwieriger, als vom Herrn Finanzminister die notwendigen Mittel zu erhalten.
Allerdings hat der Herr Finanzminister dabei das Glück,
daß zunächst die Länder in langen Stiefeln vorangehen müssen.
Ein wesentlicher Punkt der Ausführungen von Herrn Kollegen Kriedemann war, daß in der Öffentlichkeit durch die letzten Presseäußerungen ein falscher Eindruck über die Höhe und Bedeutung der Schäden entstanden sei. Ich komme Ihrem Wunsche, hier im Plenum des Bundestages noch einmal über diese Dinge zu sprechen, gerne nach. Wir haben in diesem Jahr aus Gründen höherer Gewalt eine derart schlechte Ernte, daß wir bis in das Jahr 1922 oder 1910 zurückgehen müssen, um auch nur ähnliche Verhältnisse anzutreffen. Ich persönlich stehe nun mindestens 40 bis 45 Jahre mit Bewußtsein im landwirtschaftlichen Geschehen und kann sagen, in dieser Zeit hat es eine Ernte mit so schlechten Erträgen nicht gegeben. Ich komme aus dem Sauerland, wo wir, wie Sie wissen, schon manches verregnete Jahr hatten. Aber derartige Wassermassen sind noch selten dort festgestellt worden. Der Höhepunkt der Wetterkatastrophe war am 14. und 15. August. Von nachts 2 Uhr bis zum nächsten Nachmittag 16 Uhr sind 70 mm, an einzelnen Stellen sogar bis zu 100 mm Regen gefallen. Damit wurden große Teile unserer landwirtschaftlichen Nutzflächen unter Wasser gesetzt. Man mußte gleichzeitig das Vieh abtreiben, hat es entweder auf Pensionsweiden gegeben oder in die Ställe gebracht und verbraucht nunmehr das für den Winter vorgesehene Futter. Es wird also gar nichts anderes übrigbleiben, als für diese Fälle Sondervorsorge in der Beschaffung von Futter zu treffen, weil sich diese Bauern sonst nur durch den Verkauf von Rindvieh weiterhelfen können. Ich habe selbst an vielen Stellen in den Überschwemmungsgebieten feststellen müssen, daß sogar Züchter, deren Stall von Tierkrankheiten frei war, wesentliche Prozentsätze dieses hochgezüchteten Materials verkaufen mußten.
Dabei war nicht nur die Grünfutterernte, also auch das Heu, sondern waren auch die Kartoffeln und die Futterrüben geschädigt; und das Getreide war zu einem großen Teil nicht gedroschen, sondern lag in faulenden Haufen am Rande der Felder.
Wenn Sie unterstellen, daß es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt, sondern in den überschwemmten Gebieten die Regel war, dann werden Sie verstehen, daß auch der Milchertrag in den betroffenen Betrieben innerhalb weniger Tage um 50 % zurückgegangen ist.
Der Herr Berichterstatter, Kollege Glasmeyer, hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Überschwemmungsgebiete, in denen in der Regel auch die Kartoffeln verfault sind, gesondert behandelt werden müssen, weil hier außerordentliche Maßnahmen notwendig sind.
Der falsche Eindruck in der Presse ist im übrigen dadurch entstanden, daß man den Totalausfall an Getreide als Gesamtschaden gerechnet hat.
Wir hätten in diesem Jahr eine wundervolle Getreideernte bekommen, die etwa um eine Million to über der des Vorjahres gelegen hätte. Der Totalausfall beträgt nach den Probedruschen, die gemeldet wurden, bisher rund 650 000 to. Das sind vorläufige Feststellungen. Der Hauptschaden wird durch den ungeheuren Auswuchs verursacht, der in der langen Regenperiode entstanden ist. In den Stiegen ist das Getreide grün geworden; die Körner haben gekeimt. Damit beginnen die chemischen Umsetzungen im Getreidekorn. Wenn dann der Auswuchs eintrocknet, beträgt der Nährwert des
Korns nur noch einen Bruchteil. Die Mühlen nehmen Getreide, das mit diesem Auswuchs behaftet ist, für Brotgetreide höchstens in einer Menge von 3 %. Wir haben beispielsweise bei der Roggenernte in Schleswig-Holstein nach diesen Feststellungen nur ganze 31 % normal eingebracht. 69 % sind mit Auswuchs behaftet, so daß sie von den Mühlen und Bäckereien nicht mehr als voll mahl- bzw. backfähig angesehen werden. Dieses Getreide müssen wir also, soweit es nicht von selber den Weg in den Futtertrog geht, wo es natürlich auch nur einen geringeren Wert hat, diesen Schadensmengen hinzurechnen. Wenn wir dazu das gesamte Getreide rechnen, das feucht in die Scheune gekommen ist und nun zum Teil verdirbt oder qualitätsmäßig so verschlechtert wird, daß man es nicht mehr als vollwertige Ernte rechnen kann, kommen wir auf mindestens die doppelte Schadenssumme.
Nun werden Sie fragen: Woher wissen Sie das? Meine Damen und Herren, wir können nicht auf Zeitungsmeldungen und nicht auf Meldungen von Verbänden aufbauen, weil sie nur Einzelfeststellungen treffen können; wir haben für die Überprüfung der Roggen- und Weizenernte 800 Probevolldrusche in einer repräsentativen Verteilung vorgesehen, wobei man natürlich in der Beurteilung auch dann noch Vorsicht walten lassen muß. Bei Roggen liegen bis jetzt 280 Volldruschergebnisse, bei Weizen 182 vor. Die Probedruschergebnisse, die wir demnächst erwarten, werden Anfang nächster Woche vorliegen.
Daraus ergibt sich das Bild, das ich Ihnen eben dargelegt habe. Sie sehen, daß wir uns Mühe gegeben haben, die Mitteilungen, die wir Ihnen vorlegen, auf möglichst klaren Unterlagen aufzubauen. Sie können weiter feststellen, daß der Schaden nicht nur bei der Getreideernte entstanden ist. Es
Ügibt im Norden und im Süden auch außerhalb der berschwemmungsgebiete Gegenden, in denen das Heu verregnet und verfault ist und wo der Grummetschnitt nicht durchgeführt werden konnte. Auch hier haben wir außer einer schlechten Getreideernte den Ausfall der Futterernte zu beklagen. Dabei kann man aber sagen, daß die Kartoffelernte den vorhandenen Bedarf decken wird.
Überlassen wir nun die Betriebe draußen ihrem Schicksal? Werden die Wechseltermine, werden die Steuerfälligkeiten diese vom Wetter geschlagenen Menschen erdrücken? Es ist dafür Vorsorge getroffen worden, daß die Wechselverpflichtungen, die zur Beschaffung von Produktionsmitteln eingegangen worden sind, bis zum 31. Oktober dieses Jahres niemanden stören. Wenn die notwendige Hilfe bis dahin nicht oder nicht ausreichend in Gang gekommen ist, wird die Frist noch einmal verlängert, bis Beihilfen gewährt worden sind. Diese Erntebeihilfen werden zur Existenzsicherung gegeben. Die Notwendigkeit dieser Beihilfe zur Existenzsicherung besteht nach unserer Definition auch dann, wenn der Betroffene nicht aus eigener Kraft die nächste Ernte erstellen kann.
Diese beiden Punkte sind wesentlich in dem Antrag, den Sie unterschrieben haben und über den Sie gleich abstimmen. Das ist auch in die Richtlinien aufzunehmen, die für die Schadensabwicklung zu beachten sind. Da wird man fragen: Wie soll aber der Geschädigte die Wechsel abdecken? Eine kleine Genossenschaftskasse hier in der Nähe
hatte in der Regel um diese Zeit 300 000 DM Verpflichtungen des Dorfes aus Getreideverkäufen abgedeckt. In diesem Jahre sind die Schulden von 300 000 bereits auf 400 000 DM angestiegen. Wenn wir nun zur Sicherung der nächsten Ernte Beihilfen geben, die insbesondere in Steuerniederschlagungen, im Erlaß von Renten, in der Ausgabe von Gutscheinen für Handelsdünger und für Saatgut bestehen, so sitzt der Betroffene doch immer noch auf seinen Schulden. Diese Schulden können wir ihm nicht abnehmen. Die muß er zum Teil im nächsten Jahr mit Hilfe der nächsten Ernte und zum Teil vielleicht erst im übernächsten Jahr abtragen.
Was Sie also in Ihren Entschließungsanträgen gefordert haben und was die Regierung als Beihilfe bisher vorgesehen hat, das ist nicht etwa eine Gesamtlösung kollektiver Art, bei der jeder etwas erhält. Es ist nämlich die Forderung erhoben worden, pro Hektar eine Beihilfe für Handelsdünger in Höhe von 30 DM zu gewähren. Das wäre zwar eine sehr einfache, aber sehr teure Hilfe gewesen, wobei demjenigen, der schwer geschädigt worden ist, nicht entscheidend hätte geholfen werden können. Wir haben die individuelle Lösung gewählt, weil sie die gerechteste ist und weil auch von jedem Unternehmer ein normales Ernterisiko getragen werden muß.
Die Schwierigkeiten in der Landwirtschaft werden trotz dieser Hilfe noch sehr groß sein. Was wir jetzt an Erntebeihilfen gewähren, das hat sie also dringend notwendig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Elsner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Berichterstatter und meine Herren Vorredner haben bereits in eingehender und auch überzeugender Weise den vorliegenden Antrag begründet. Insbesondere haben sie auf die Auswirkung und das Ausmaß der Schäden und auf die gedrückte Stimmung hingewiesen, die sich weithin bemerkbar macht. Wir haben für eine solche Stimmung und ihre Ursachen Verständnis und begreifen die ernste Sorge um die gefährdete Existenz. Aus diesem Grunde und im Hinblick auf die Notwendigkeit, die kommende Ernte zu sichern, hat meine Fraktion an dem vorliegenden Antrag mitgewirkt und wird ihm geschlossen zustimmen. Ich kann mich deshalb kurz fassen, darf aber den grundsätzlichen Standpunkt meiner Fraktion vortragen.
Den Anträgen, die der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einstimmig beschlossen und den Fraktionen zugeleitet hat — nach diesen Anträgen sollen rund 300 Millionen DM für die Behebung der Hochwasser- und Ernteschäden in der Landwirtschaft gesetzlich bewilligt werden —, konnte meine Fraktion nicht beitreten, weil sie davon ausging, daß Hochwasserschäden nicht allein in der Landwirtschaft entstanden sind, sondern auch in anderen Berufs- und Schadensgruppen vorliegen. Sie hielt und hält es für nicht vertretbar, nur einen Berufsstand gesetzlich zu entschädigen und andere Berufs- und Schadensgruppen nicht zu berücksichtigen,
Schadensgruppen — um nur einige herauszugreifen - wie Hausbesitzer, Gewerbetreibende, Klein-
siedler, Haushaltsgeschädigte und andere. Deshalb fordert meine Fraktion für alle Hochwassergeschädigten Hilfe nach dem Maßstab der sozialen Dringlichkeit.
Hinsichtlich der Ernteschäden ist meine Fraktion der Meinung, daß sich die Hilfe der öffentlichen Hand in erster Linie auf solche Betriebe erstrekken sollte, deren Fortbestand gefährdet erscheint. Die Hilfe muß individuell, d. h. nach Schadensfeststellung im Einzelfall, erfolgen. Im Hinblick auf die Leistungen der Steuerzahler dürfen kollektive oder globale Maßnahmen nicht angewendet werden.
Der Herr Landwirtschaftsminister hat bereits eingehend dargelegt, welche wesentlichen Hilfsmaßnahmen er in die Wege geleitet hat: insbesondere die Steuererleichterungen, Krediterleichterungen, Erleichterungen bei der Saatgutanerkennung und vieles andere mehr. Maßnahmen, die heute bereits wirksam sind. Nunmehr kommt es aber darauf an, daß die im vorliegenden Antrag vorgesehenen Maßnahmen so schnell wie möglich durchgeführt werden, damit den Bedrängten die Hilfe zuteil wird, damit die Grundlagen für die neue Ernte gesichert werden und vor allem auch, damit nicht aus dem augenblicklichen Notstand noch größere Notstände erwachsen. Die Bundesmittel, die für die Schadensregulierung erforderlich werden, sollten — das ist die Auffassung meiner Fraktion — aus den Abschöpfungsbeträgen, die bei der Getreideeinfuhr anfallen, genommen werden. Da die Einfuhren größer sein werden als bisher, werden auch die Abschöpfungsbeträge höher sein. Dem Verbraucher kommt es darauf an, daß diese Gelder, die er jetzt schon zahlt, zweckgebunden verwendet werden. Die viel angefeindete Einfuhr- und Vorratsstelle hat in dieser ernsten Situation ihre Bewährungsprobe abzulegen, die darin besteht, möglichst schnell dem geschädigten Bauern das Getreide abzunehmen. Zum weiteren besteht diese Aufgabe darin, zu verhindern, daß der Verbraucher eine Preissteigerung auf dem Nahrungsmittelmarkt in Kauf nehmen muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Beratung zu Punkt 5 der heutigen Tagesordnung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 830, dem Antrag Drucksache 810 unverändert zuzustimmen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle fest: einstimmig angenommen.
Wir kehren damit zur Tagesordnung von gestern zurück. Da der Punkt 6 a und b abgesetzt ist, rufe ich auf Punkt 7, von dem der Buchstabe b durch interfraktionelle Vereinbarung ebenfalls bis zum 15. Oktober zurückgestellt ist:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzulage in
den gesetzlichen Rentenversicherungen ;
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung von Mehrbeträgen an alte Rentner in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Neufestsetzung des Beitrages in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeitslosenversicherung (Drucksache 820);
d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Erhöhung der Leistungen der öffentlichen Fürsorge ;
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Zahlung einer Teuerungszulage an die Rentner der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen .
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat wollten wir so verfahren, daß diese aufgerufenen Punkte nacheinander begründet und dann zur Debatte zusammengezogen werden.
Ich erteile das Wort dem Begründer des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion.
— Ist das Haus dieser Auffassung?
— Dann fahren wir fort in der Tagesordnung von gestern.
Ich rufe auf Punkt 8:
Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Gemeindegetränkesteuer .
Soll begründet werden? — Bitte!
Dr. Schild (DP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei politische Tatbestände liegen vor, die meine Fraktion veranlaßt haben, den Antrag auf Beseitigung der Gemeindegetränkesteuer zu stellen.
Der erste Tatbestand sind die Verhandlungen, Arbeiten und Entscheidungen dieses Hohen Hauses im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerreform, die ja in den nächsten Wochen zu irgendeiner Entscheidung gebracht werden muß. Die Vorlagen des Herrn Bundesfinanzministers lassen es nicht zu, daß die Fragen der Gemeindegetränkesteuer im Rahmen der Beratungen des Finanz- und Steuerausschusses vorgebracht werden, weil diese Fragen im Gegensatz zur Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Erbschaftsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer in den Vorlagen des Herrn Finanzministers gar nicht angeschnitten sind. Deshalb ist meine Fraktion der Ansicht, daß diese Frage besonders vorgebracht werden muß, um dem Finanz-und Steuerausschuß Gelegenheit zu geben, sie bei der gesamten Finanzreform, die ja nicht nur die Einnahmen des Bundes, sondern auch die der Länder und Gemeinden zu berücksichtigen hat, im Rahmen des Gesamtprojektes zur Sprache zu bringen. Bei den Gemeindeeinnahmen und damit auch bei der Beratung der finanziellen Fragen der Gemeinden spielen die Realsteuern und vor allem auch die Getränkesteuer eine wichtige Rolle.
Der zweite Tatbestand ist darin begründet, daß in jedem Frühjahr bei etwa 700 bis 800 Gemeinden unseres westdeutschen Bundesgebietes, in denen die Getränkesteuer erhoben wird, von den Ange-
hörigen der Berufsgemeinschaft des Gaststätten-und Hotelgewerbes, des Konditorhandwerks und anderer ähnlich gelagerter Berufe einschließlich der Industriegewerkschaft Nahrung und Genuß bei der Beratung der Gemeindehaushalte immer wieder der Versuch gemacht wird, die von diesen Kreisen als ungerecht empfundene Getränkesteuer zu beseitigen Es entspricht unseres Erachtens nicht einer echten gesellschaftlichen Beruhigung im gemeindlichen Leben, wenn man jedes Jahr wieder während der Beratung in den Gemeinden, in denen die Getränkesteuer erhoben wird, Plakate in den Gaststätten findet, die sich gegen die Getränkesteuer wenden, und wenn man durch öffentliche Presseverlautbarungen und öffentliche Kundgebungen die Kommunalpolitiker bzw. die Gemeindevertreter auf Beseitigung der Getränkesteuer anspricht, wobei der Erfolg immer sehr verschiedenartig ist. Es gibt Städte in unserem westdeutschen Bundesgebiet, die in den letzten Jahren die Getränkesteuer im Verfolg derartiger Wünsche beseitigt haben. Es gibt auch Städte, die diese Beschlüsse in ihren Gemeindevertretungen gefaßt haben, aber gegenüber ihrer Aufsichtsbehörde und gegenüber der Landesregierung nicht zum Zuge gekommen sind. Ich erinnere hier z. B. an die Stadt Solingen, die im Jahre 1952 die Beseitigung der Getränkesteuer beschlossen hat, aber bis heute wegen der Streitigkeiten und Differenzen zwischen der Aufsichtsbehörde und der Gemeindevertretung diese Beseitigung nicht hat durchführen können.
Der dritte Tatbestand, der uns veranlaßt hat, die endgültige Aufhebung dieser Getränkesteuer zu fordern, sind die ständig wachsende Verärgerung, der Mißmut und auch eine gewisse politische Unduldsamkeit, die sich in den betroffenen Kreisen des mittelständischen Gaststätten- und Hotelgewerbes mehr oder weniger breitmachen. Ich weise in diesem Zusammenhang nur auf den letzten großen Verbandstag hin, der vor einigen Tagen in Bremen stattgefunden hat, auf dem der Mißmut über diese Sonderbelastung, über diese Sonderumsatzsteuer in verschiedenartiger Höhe — 5 %, 10 % oder 15 % je nach Lage der betreffenden Gemeinde —, öffentlich zum Ausdruck gekommen ist.
Die Getränkesteuer ist von höchstens 700 bis 800 Gemeinden, vor allem von Städten, eingeführt worden, d. h. weit über 20 000 Gemeinden haben die Getränkesteuer nicht eingeführt. Das bedeutet praktisch, daß die Bevölkerung in zwei Gruppen eingeteilt ist, in die eine Gruppe, die Getränkesteuer bezahlen muß, und die andere, die sie nicht bezahlen muß.
Das bedeutet ferner, daß_ die Städte und Gemeinden, die die Getränkesteuer eingeführt haben, sogar an ihren nachbarlichen Grenzen völlig unterschiedliche Verhältnisse in den Verzehrpreisen in Gaststätten und Hotels haben. Es bedeutet weiterhin, daß auch der allgemeine Preisspiegel der Marktpreise im Gaststättenverzehr nicht den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft entspricht, d. h. daß er so unterschiedlich ist, daß sich die Bevölkerung letzten Endes über die Normalpreise infolge der Verschiedenartigkeit der Belastung durch Getränkesteuer kein zutreffendes Bild machen kann.
Die Getränkesteuer hat im westdeutschen Bundesgebiet im letzten Jahr ein Aufkommen von insgesamt 85 Millionen DM erbracht. Das sind im Verhältnis zu dem gesamten Steueraufkommen der Kommunen in Höhe von etwa 4,8 Milliarden DM knapp 2 °/o. Wenn Sie auf Bundesebene die Getränkesteuer als Teil aller Steuern, die überhaupt erhoben werden, betrachten, dann kann man von Prozentsätzen beinahe gar nicht mehr reden. Deshalb ist, vom finanzpolitischen Standpunkt aus gesehen, die Quote, die im Rahmen unseres Gesamtsteueraufkommens auf die Getränkesteuer entfällt, einerseits sehr gering und betrifft andererseits einen einzigen Berufsstand
— in der Erhebung —,
so daß man doch wohl überlegen müßte, eine derartige Sonderbehandlung langsam aber sicher aufzuheben.
Die Frage, ob der Bund dazu berechtigt ist oder die Länder, ist eine strittige Frage.
Zumindest gehen die Rechtsgelehrten in dieser Frage im wesentlichen mit den Rechtsauffassungen der Berufsvertretungen des Hotel- und Gaststättengewerbes konform. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat in seinen Begründungen und Darlegungen zur Steuer- und Finanzreform die Frage offengelassen, ob es sich um eine örtlich bedingte Steuer handelt oder um eine Steuer, über die die Bundesgesetzgebung zu entscheiden hat. Im erstgenannten Fall hätte ja die Landesgesetzgebung zu entscheiden.
Wie die Dinge aber auch immer liegen, die Befürworter der Getränkesteuer — —
— Sicher kann jede Gemeinde sie aufheben, wenn nicht durch die Haushaltserlasse der Länder die meisten Gemeinden, wenn sie sie einmal eingeführt haben, mehr oder weniger gezwungen werden, sie fortzuführen, und zwar auch gegen den Willen der Gemeindevertretung.
— Ob wir daran etwas ändern können, hängt ja von der Rechtsfrage ab, ob der Bund oder das Land zuständig ist. Diese Frage hat zumindest in den Vorlagen des Herrn Bundesfinanzministers, die zur Steuerreform vorgelegt worden sind, keine Klärung gefunden.
Sooft die Befürworter der Getränkesteuer auf Landesebene oder Gemeindeebene angegriffen werden, heißt es: „Wir können in der Sache nichts machen; der Bund ist zuständig." Wenn aber die Getränkesteuer auf Bundesebene angegriffen wird, dann wird von seiten der Befürworter der Getränkesteuer behauptet, das Land, die Landesgesetzgebung sei zuständig.
So kommen wir ja in dieser Frage nicht weiter. Deshalb sind wir der Auffassung, daß auch die Rechtsfrage, wer denn nun wirklich zuständig ist, geklärt werden muß, und zwar in diesem Hause geklärt werden muß. Nach den bisherigen Darlegungen, Erläuterungen und Kommentaren zum Grundgesetz läßt sich eine eindeutige Klärung dieser Rechtslage im Augenblick nicht geben.
Von den Befürwortern der Getränkesteuer wird immer wieder darauf hingewiesen, sie belaste die breite Masse des Volkes gar nicht so sehr, daß man überhaupt darüber reden könne. Nun sind heute in den Großstädten ganz bestimmte Bevölkerungsteile aus der Lebenslage, in der sie sich befinden, gezwungen, in Gaststätten zu verkehren. Es ist keineswegs gesagt, daß diese Bevölkerungskreise nun gerade zu den begüterten gehören. Denken Sie nur an die reisenden Kaufleute, Handelsvertreter und Handelsmakler, die ständig auf der Straße liegen müssen! Denken Sie an einen großen Teil der im Berufsleben stehenden Jugendlichen zwischen 20 und 25, 26 Jahren, die in Berufs- und Fachschulen und in sonstiger Berufstätigkeit versuchen, sich einen Beruf zu erobern, die nicht zu Hause wohnen, keinen Haushalt haben können, also gezwungen sind, mehr oder weniger in Gaststätten zu leben! Denken Sie an die alleinstehenden Männer und Frauen ohne Haushalt, die im wesentlichen auf Gaststätten angewiesen sind. Ein großer Teil der Bevölkerung fühlt sich dadurch belastet, in Gaststätten Gaststättenverzehr zu sich zu nehmen, aus der Zwangslage einer Lebenshaltung heraus, in der sich diese Menschen befinden.
Man kann also nicht sagen, daß die breite Masse kein Interesse an dieser Frage habe. Man kann das um so weniger sagen, als bei all den Besprechungen in den Gemeinden über die Aufhebung der Getränkesteuer doch auch die Industriegewerkschaft Nahrung und Genuß als Vertreter der Arbeiterschaft, und zwar nicht nur der einschlägigen Facharbeiterschaft, sondern darüber hinaus auch als Vertreter der Gesamtarbeiterschaft, sich immer wieder für diese Belange eingesetzt hat.
Das Gewerbe selbst — und die Ansicht des Gewerbes macht sich die Fraktion der Deutschen Partei zu eigen — betrachtet diese Steuer als eine Sonderumsatzsteuer, eine Umsatzsteuer sowohl der Höhe wie dem Grunde nach, als Sonderumsatzsteuer, mit der bisher kein Gewerbe belastet ist. Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist ferner der Auffassung, daß diese Sonderumsatzsteuer auch eine ungerechte Steuer ist.
Es ist nunmehr bei der Steuer- und Finanzreform zu prüfen, ob man nicht endgültig dazu übergehen sollte, diese Steuer bei den Gemeinden zu beseitigen und sie aus dem Recht der Selbstverwaltung herauszunehmen. Es geht auf die Dauer nicht an, dieses Getränkesteuerrecht beizubehalten, wenn von über 20 000 Gemeinden knapp 700 bis 800 davon Gebrauch machen und der größte Teil der Gemeinden noch nicht einmal aus Gründen einer sozialen Notlage die Getränkesteuer einführt oder beibehalten möchte.
Einer der wesentlichsten Gründe, die für die Beseitigung der Getränkesteuer vorgebracht werden müssen, ist die Tatsache, daß die Getränkesteuer zu einem ganz bestimmten, gesetzlich dekretierten Zweck, der ausdrücklich in den Erlassen zur Durchführung der Brüningschen Notverordnungen von 1930 erwähnt ist, eingeführt worden ist: nämlich zur Deckung von Aufwendungen, die den Gemeinden aus der WohlfahrtsErwerbslosenfürsorge entstanden, und zwar in den dreißiger Jahren, als es sich um 6 bis 7 Millionen Arbeitslose handelte. Dieser Grund, dieser gesetzlich dekretierte Zweck ist in der heutigen Zeit nicht mehr gegeben, weder formell noch materiell. Deshalb müßte schon aus Gründen einer Klarstellung der Rechtsverhältnisse die Getränkesteuer nun langsam, aber sicher verschwinden.
Meine Partei beantragt deshalb, diese Frage dem Finanz- und Steuerausschuß — federführend —, dem Rechts- und Verfassungsausschuß, dem Kommunalpolitischen Ausschuß und dem Mittelstandsausschuß — mitberatend — zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in meinem Leben immer sehr darauf gehalten, mit den Gasträten in einem guten menschlichen Einverständnis zu stehen.
Das könnte dazu verleiten, in eine ebenso sachlich breite Debatte einzutreten wie mein Kollege Dr. Schild. Aber das will ich mir versagen; denn meine Freundschaft zu den Gastwirten ist unbestritten, ich brauche sie nicht erst unter Beweis zu stellen.
Deshalb will ich es kurz machen.
Da es sich hier in erster Linie um die Klärung einer Rechtsfrage handelt, obschon der Begriff „Steuern mit örtlich begrenztem Wirkungskreis" im Grundgesetz meines Erachtens auf den Landesgesetzgeber verweist, beantrage ich Überweisung an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß — Herr Schild, sehen Sie mal, was ich für ein netter Mensch bin; ich bin Mitglied des Steuerausschusses und schalte den Steuerausschuß vollkommen aus! — und beantrage weiterhin Mitberatung im Ausschuß für Kommunalpolitik. Meine Damen und Herren, im benachbarten Köln gilt das Wort: „Schmitz, mer kann och alles överdrieve". Sie werden ja inzwischen etwas rheinisches Platt gelernt haben, so daß ich mich in dieser Sprache ausdrücken kann.
Ich halte dafür, daß wir bei dieser Frage nicht so viele Ausschüsse belasten sollten. Herr Kollege Schild, sind Sie so nett und stimmen Sie zu: federführend der Rechtsausschuß, damit die auch von Ihnen als Rechtsfrage anerkannte Frage zunächst geklärt wird, und dann an den Kommunalpolitischen Ausschuß, und damit ist es dann genug.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Sie brauchen keine Sorge zu haben; ich will mit diesem Buch nicht schmeißen!
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir brauchen uns mit dieser Frage nur kurz zu befassen, wenn auch die Ausführungen des Herrn Schild dazu reizen, sich grundsätzlich mit der Frage der Getränkesteuer auseinanderzusetzen. Aber ich bin der festen Überzeugung, daß wir nicht zuständig sind. Herr Schild, ich möchte das an zwei Punkten aus dem Grundgesetz beweisen. Es ist ganz klar und eindeutig, daß von den Verbrauch- und Verkehrsteuern die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis, insbesondere die Grunderwerbsteuer, die Wertzuwachssteuer und die Feuerschutzsteuer, als Länder- und damit als örtliche Steuern gemeint sind. Der Herrenchiemseer Entwurf des Grundgesetzes sagt schon in der Erläuterung dazu, daß von den Verbrauchsteuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis z. B. die Schlachtsteuer und die Getränkesteuer gemeint seien.
Ich möchte mich aber eigentlich auf die Arbeit der DP im Parlamentarischen Rat berufen. Wir, die wir damals im Parlamentarischen Rat dabei waren, wissen, daß ihre Zweimannfraktion eine der fleißigsten gewesen ist und uns mit Anträgen am meisten eingedeckt hat. Wir wissen auch, daß der heutige Fraktionsvorsitzende der DP damals der beste Zuarbeiter von Herrn Seebohm gewesen ist und wir gar nicht in die Verlegenheit gekommen sind, im Parlamentarischen Rat nicht genügend Anträge zu haben. Herr Seebohm hat z. B. im Hauptausschuß „seine Stellungnahme vor allen Dingen auf das Prinzip der Selbstverwaltung von Bund, Ländern und Gemeinden abgestellt". Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Dreiteilung, die Herr Seebohm damals anerkannt hat, auch heute anerkennen, dann müssen Sie die Verantwortung für eine Getränkesteuer nun einmal den Gemeinden lassen.
Sie müssen die Frage dann da entscheiden, wo sie entschieden werden muß, nämlich in den Gemeindeparlamenten von dem Standort jeder einzelnen Gemeinde aus.
Wenn wir uns den einzelnen Interessentengruppen immer wieder stellen wollen, dann erleben wir es nämlich eines Tages, daß wir es unter denselben Bedingungen wie heute mit der Getränkesteuer morgen mit der Vergnügungssteuer zu tun haben, und an einem andern Tag werden es die Hebesätze bei den Realsteuern der Gemeinden sein. Wir erleben es ja heute schon, daß verschiedene Interessentengruppen auf die politischen Vertreter in den Gemeinden einen erheblichen und nicht immer nur sehr sittlichen Druck ausüben.
Meine Damen und Herren! Der Vertreter der DP, Herr Schild, hat das Wort, das uns in den letzten Wochen immer wieder erzählt wird, wenn es um die Getränkesteuer geht, vorhin nicht gesagt. Aber wir sollten doch endlich einmal auch dieses Wort aussprechen und zurückweisen. Es gibt keine für irgendeinen Stand diskriminierende Steuer; denn kein Stand zahlt die Steuer, sondern die zahlt der Verbraucher. Man kann sich darüber unterhalten, ob man nicht eine bessere Steuerform im ganzen Steuerverbund finden kann. Aber ich glaube; daß um die Getränkesteuer von einer
ganz bestimmten Interessentengruppe zuviel Theaterdonner gemacht worden ist.
Ich bin also der Meinung, daß wir uns gar nicht so sehr von Plakaten beeindrucken lassen, sondern daran denken sollten, daß der Bund hier — das ist meine feste Überzeugung — keine Zuständigkeit besitzt. Ich bin mit Herrn Kollegen Dresbach der Meinung, daß der Rechtsausschuß diese Frage federführend prüfen muß. Wenn wir nämlich zu diesem Ergebnis kommen, daß wir hier keine Zuständigkeit haben, brauchen wir in die ins einzelne gehende sachliche Debatte nicht mehr einzutreten. Ich hoffe, daß es nicht notwendig sein wird, sondern wir können das den Gemeinden und den Ländern überlassen. Aber wenn der Bund wieder einmal an die Steuerquelle der Gemeinden herangeht, dann soll er endlich auch — und das habe ich in Ihrem Antrag vermißt — die Ersatzlösung schaffen, wie die Gemeinden für dieses dauernde Anzapfen an ihren Haushalten durch die Bundesgesetzgebung entschädigt werden.
Es wird eine Doktorarbeit wert sein, die Bundesgesetzgebung daraufhin zu überprüfen, wie eine laufende Belastung der Gemeinden für den Bundeshaushalt eingetreten ist.
Sie haben richtig gesagt: Es sind ungefähr 90 Millionen. Es gibt aber einzelne Städte, bei denen die Getränkesteuer ungefähr 2 Millionen ausmacht. Sie haben dann vorhin davon gesprochen, daß die Wohlfahrtslasten nicht mehr so hoch seien. Aber denken wir doch einmal an ein anderes Problem der Kommunen. Wieviel Städte haben wir heute noch in Deutschland, die infolge des Bombenkrieges noch zwei- und dreischichtigen Schulunterricht haben? 2 Millionen können zwei Schulen bedeuten. Die Probleme in den Kommunen sind nicht gelöst.
Ich glaube, wenn Sie wirklich etwas tun wollen, um den indirekten Steuerdruck von dem Verbraucher zu nehmen, dann sollten wir uns einmal darüber unterhalten, ob wir die Zucker- und die Zündholzsteuer nicht langsam auf den Stand bringen können, der für die Bevölkerung erträglich ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung der ersten Lesung des Gesetzes.
Es liegen nun verschiedenartige Anträge vor. Wie das Haus gehört hat, haben die Antragsteller beantragt: Federführend Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Zwei große Fraktionen — das darf ich wohl unterstellen — haben beantragt: federführend Rechts- und Verfassungsausschuß, damit vorab die Rechtsfrage geklärt wird und sich dann erst die Fachausschüsse mit der Frage befassen. Ich lasse deshalb über den letzten Antrag zuerst abstimmen. Wer der Meinung ist, daß dieser Gesetzentwurf an den Rechts- und Verfassungsausschuß — federführend — gehen soll, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Nun zu der Frage, ob noch an irgendwelche Fachausschüsse zusätzlich überwiesen werden soll. Es liegen vor ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Kommunalpolitik, ein Antrag auf
Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Mittelstandsausschuß.
— Kommunalpolitik. Ist das Haus der Meinung, oder soll ich abstimmen lassen?
Also Kommunalpolitik. Darüber ist man einig. Dann ist so beschlossen.
Ich höre hier: Und Mittelstand! Machen wir es doch kurz und debattieren wir nicht lange. Wer der Meinung ist, daß auch an den Mittelstandsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden soll, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit ist Punkt 8 der gestrigen Tagesordnung abgeschlossen.
Ich kehre zu dem vorhin schon aufgerufenen
Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung betreffend Rentenversicherungen usw.
zurück. Ich brauche wohl die einzelnen Punkte nicht noch einmal zu verlesen. Ich erteile jetzt das Wort zur Begründung der Drucksache 788 dem Herrn Abgeordneten Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit fast einem Jahr hat die Regierung Versprechungen hinsichtlich einer Verbesserung der Rentenleistungen abgegeben. Der Herr Bundeskanzler hat sich in seiner Regierungserklärung mit der Rentenfrage beschäftigt und das bemerkenswerte Eingeständnis gemacht, daß die Rentner bisher nicht ausreichend am wirtschaftlichen Aufstieg teilgenommen haben. In diesem Zusammenhang hat der Herr Bundeskanzler eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Rentner als ein besonderes Anliegen der Bundesregierung bezeichnet. Der Herr Bundesarbeitsminister hat in Reden und sonstigen Verlautbarungen vielfach eine Erhöhung der Renten in Aussicht gestellt und hierüber sowohl konkrete Termine wie konkrete Beträge genannt. So wurde von einer durchschnittlichen Rentenerhöhung von 30 DM je Rente und Monat gesprochen und erklärt, daß das Gesetz, vom November 1953 an gerechnet, in einem halben Jahr, also im Mai dieses Jahres, in Kraft treten werde. Diese Ankündigungen mußten von den Rentnern als Zusagen der Regierung aufgefaßt werden und haben bei Millionen von Rentnern feste Hoffnungen auf eine Rentenerhöhung geweckt. Das führte, da bisher keine Rentenerhöhung eintrat, für viele Rentner zu Enttäuschungen.
Aus diesem Grunde hat meine Fraktion in ihrer Großen Anfrage zur Sozialreform, über die am 21. Mai hier eine Aussprache stattfand, auch die Frage der Erhöhung der Renten angesprochen und die Regierung um Auskunft über den Stand dieser Angelegenheit gebeten. Bei der Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesarbeitsminister wörtlich folgendes erklärt:
Die Arbeiten zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Rentenangleichung werden mit besonderem Nachdruck und in Zusammenarbeit mit den erfahrensten Praktikern der Rentenversicherung durchgeführt. Sie stehen unmittelbar vor dem Abschluß.
Auch das hat bei den Rentnern wieder Hoffnungen erweckt. Zwar hat der Herr Bundesarbeitsminister im Juli seinen Gesetzentwurf dem Kabinett vorgelegt, aber die Gesetzesvorlage über die Rentenerhöhungen ist im Kabinett erheblichen Schwierigkeiten begegnet. Infolgedessen trat eine weitere Verzögerung in der Rentenerhöhung ein. Dadurch wurde die Enttäuschung der Rentner, die nun schon viele Monate auf eine Erhöhung ihrer spärlichen Renten warten, verstärkt. Diese vielfachen Verzögerungen machen dringend Sofortmaßnahmen für die sozial Schwachen, die ihr Recht auf Sicherung des Lebensbedarfs nicht selber vertreten können, erforderlich.
Deshalb hat meine Fraktion am 1. September den vorliegenden Antrag auf Gewährung einer Sonderzulage eingebracht, die im Oktober zur Auszahlung kommen soll. Meine Fraktion beantragt, zu den laufenden Renten eine Sonderzulage in Höhe einer Monatsrente zu gewähren. Diese Zulage soll an alle Rentner der Rentenversicherung gewährt werden. Wiederholt hat der Herr Bundesarbeitsminister davon gesprochen, daß das Mißverhältnis zwischen Löhnen und Renten beseitigt werden muß. Unter diesem Mißverhältnis leiden aber — unabhängig von einer Altersgrenze — alle Rentner.
Es könnte vielleicht entgegnet werden, der Bundesarbeitsminister habe in anderem Zusammenhang lediglich eine Anpassung der Renten an die heutige Kaufkraft des Geldes angekündigt, und hierfür kämen — so wird argumentiert — nicht alle Rentner, sondern nur die Rentner in Frage, die Beiträge vor einem bestimmten Stichtag entrichtet haben. Um einem solchen Einwand von vornherein zu begegnen, weise ich darauf hin, daß die Zahl der Rentner, die vor 1939 keine Beiträge geleistet haben, außerordentlich niedrig ist. Sie beträgt noch nicht einmal 1 % aller Rentner.
Wenn aber über 99 % der Rentner von Veränderungen der Kaufkraft des Geldes seit der Zeit, in der sie Beiträge geleistet haben, betroffen werden, dann ist es ratsam, zweckmäßig und notwendig, alle Rentner in den Genuß einer Sonderzulage kommen zu lassen. Zudem hat auch der Herr Bundeskanzler dadurch, daß er von einer Anpassung der Renten an das gestiegene Sozialprodukt sprach, Hoffnungen auf Erhöhung a 11 e r Renten geweckt.
Meine Fraktion hat beantragt, den Rentnern eine Sonderzulage in Höhe einer Monatsrente zu gewähren. Der Betrag einer Monatsrente rechtfertigt sich in doppelter Weise. Erstens erfolgten die letzten bescheidenen Rentenerhöhungen durch das Grundbetrag-Erhöhungsgesetz in Höhe von 5 DM, 4 DM und 2 DM monatlich mit Wirkung vom 1. Dezember 1952, also vor rund zwei Jahren. Seit dieser Zeit ist das Sozialprodukt um etwa 12 bis 15 % gestiegen. Wenn meine Fraktion als Sonderzulage eine Monatsrente fordert, so bedeutet das, bezogen auf das letzte Jahr, eine Rentenerhöhung um etwa 8 %. Die von meiner Fraktion geforderte Sonderzulage bleibt also noch hinter der Erhöhung des Sozialprodukts, auf die sowohl der Herr Bundeskanzler wie auch der Herr Bundesarbeitsminister in ihren Erklärungen zur Rentenfrage Bezug genommen haben, erheblich zurück.
Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß nach den Erklärungen des Herrn Bundesarbeitsministers ursprünglich eine Rentenerhöhung vom Mai 1954 an erfolgen sollte, und zwar, wie damals gesagt wurde, in Höhe eines Aufwands zwischen 750- und 800 000 000 DM jährlich. Da nach den jetzigen Plänen der Regierung bzw. der Regierungsparteien, die beim nächsten Punkt der Tagesordnung erörtert werden, das sogenannte Rentenmehrbetragsge-
setz aber erst am 1. Dezember dieses Jahres in Kraft treten soll, ist es auch finanziell gesehen gerechtfertigt, die seit Mai dieses Jahres nicht ausgezahlten Mittel für Rentenerhöhungen in Gestalt einer Sonderzulage den Rentnern zukommen zu lassen.
Im Gesetzentwurf meiner Fraktion ist vorgesehen, daß die Sonderzulage auf andere Sozialleistungen nicht angerechnet werden darf. Auf diese Weise soll sichergestellt sein, daß die Sonderzulage wirklich den Rentnern zugute kommt und nicht zur finanziellen Entlastung anderer Einrichtungen führt.
Bezüglich der Finanzierung der Sonderzulage schlägt meine Fraktion in ihrem Gesetzentwurf vor, die endgültige Aufbringung der Mittel dem weiteren Gesetz über Neuregelung der Rentenerhöhungen vorzubehalten. Das ist deshalb erforderlich, weil zu unserem lebhaften Bedauern der Herr Bundesarbeitsminister seine am 21. Mai diesem Hause abgegebene Erklärung bezüglich Vorlage von Zahlenmaterial über die deutsche Rentenversicherung bis jetzt nicht erfüllt hat. Der Herr Minister hat am 21. Mai erklärt — ich zitiere wörtlich —:
Im Ministerium für Arbeit wird seit Monaten an einer versicherungsmathematischen Bilanz gearbeitet. Mit dem Abschluß dieser Arbeiten ist Mitte dieses Jahres zu rechnen.
Es ist mir nicht bekannt, ob diese Arbeiten abgeschlossen sind. Ich kann nur feststellen, daß das Haus diese Unterlagen bis zur Stunde nicht erhalten hat. In der gleichen Sitzung am 21. Mai hat der Herr Bundesarbeitsminister erklärt, daß die ersten Ergebnisse der sogenannten Sozialenquete im August dieses Jahres zu erwarten seien. Auch diese Unterlagen sind dem Hause bisher unbekannt. Ohne dieses Zahlenmaterial kann aber eine endgültige Entscheidung über die Aufbringung der Mittel für die Sonderzulage nicht getroffen werden.
Meine Fraktion schlägt vor, daß die durch die Sonderzulage entstehenden Aufwendungen von den Trägern der Rentenversicherung bevorschußt werden. Das ist den Rentenversicherungsträgern auf Grund ihrer Vermögenslage durchaus möglich. Denn wir haben gestern in der Fragestunde von dem Herrn Bundesarbeitsminister erfahren, daß der Vermögensstand der deutschen Rentenversicherungsträger gegenwärtig rund 5 Milliarden DM beträgt und sich am Schluß des Jahres voraussichtlich auf 5,6 oder 5,7 Milliarden DM belaufen wird. Die Rentenversicherungsträger verfügen, abgesehen von ihren Vermögensanlagen, auch über genügend Barmittel, so daß sie in der Lage sind, vorschußweise bis zur endgültigen Regelung durch den Gesetzgeber diese Beträge zu verauslagen.
Durch den vorgelegten Entwurf meiner Fraktion über die Gewährung einer Sonderzulage in Höhe einer Monatsrente wird weiteren Regelungen zur Erhöhung der Renten selbstverständlich nicht vorgegriffen. Die Sonderzulage bezieht sich, wie aus dem Gesetzentwurf meiner Fraktion hervorgeht, nur auf die Zeit bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung.
Erfreulicherweise hat allein schon die Tatsache, daß meine Fraktion den Gesetzentwurf über die Gewährung einer Sonderzulage eingebracht hat, die Arbeiten an dem von der Regierung seit fast einem Jahr angekündigten Gesetzentwurf außerordentlich beschleunigt. Seit Vorliegen unseres Antrags wurden die Beratungen in der Bundesregierung und bei den Regierungsparteien sehr beschleunigt, so daß die Presse — ich zitiere die „Welt" — sogar von einer „Durchpeitschung des Gesetzentwurfs im Kabinett" gesprochen hat. Wie sich die Dinge im einzelnen vollzogen haben, ist der Opposition nicht bekannt. Wir können nur den Tatbestand als solchen feststellen. Im Interesse der Rentner ist es jedenfalls zu begrüßen, daß die Rentenfrage jetzt auch bei der Regierung und den Regierungsparteien mit Beschleunigung behandelt wird und daß auf Grund unseres Gesetzentwurfs über die Gewährung einer Sonderzulage die Rentenfrage endlich in Bewegung geraten ist.
— Ich glaube, Herr Kollege Horn, wenn Sie die Presse der letzten 14 Tage seit Einbringung unseres Antrags verfolgt haben, dann werden Sie diese Dinge bestätigen müssen. Ich bin gern bereit, Ihnen an Hand von Zeitungsausschnitten einzeln zu belegen, wie sich vom Eingang unseres Antrags an die Dinge bei den Regierungsparteien entwickelt haben.
Die Meldungen waren außerordentlich interessant. Ich will nur einiges aus dem Gedächtnis zitieren. An einem Tag — ich glaube es war am Dienstag, dem 14. September — hieß es, das Bundeskabinett habe sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt, aber noch grundsätzliche Bedenken; es sollten deshalb Sondermaßnahmen erwogen werden, über die aber auch noch Beratungen stattfinden müßten. Am nächsten Tage hieß es, daß keine Sondermaßnahmen beabsichtigt seien, sondern daß das Gesetz im Kabinett verabschiedet sei. Das Gesetz wurde aber
— Herr Kollege Horn, ich möchte nicht dem nächsten Punkt vorgreifen — in einer Fassung verabschiedet, die wenig gründlich durchgearbeitet ist. Ich möchte — weil Sie die Frage angeschnitten haben — z. B. nur darauf hinweisen, daß die Begründung, die dem Bundesrat vorgelegt worden ist, in der Paragraphenfolge nicht mit dem Text des Gesetzes übereinstimmt
und daß wesentliche Vorschriften, beispielsweise die Vorschriften über die Erhöhung der Beiträge, über Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung, in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht erwähnt worden sind. Dann behaupte ich — da Sie die Frage angeschnitten haben
— in aller Öffentlichkeit, daß das Zahlenmaterial, mit dem die Bundesregierung operiert — wenn ich die Zahl richtig im Gedächtnis habe, handelt es sich um 684 Millionen DM —, sich auf frühere Entwürfe bezieht und nicht mit dem gegenwärtigen Gesetzestext über die Festsetzung einer Höchstgrenze usw. in Einklang steht.
Das nur als Antwort an Sie, Herr Kollege Horn!
Auf Grund unseres Antrags sind die Dinge jetzt erfreulicherweise in Bewegung gekommen. Meine Fraktion wird alles tun, um diese Angelegenheit so lange nicht mehr zur Ruhe kommen zu lassen, bis eine wirkliche soziale Sicherung für die Rentner gewährleistet ist.
Als erster Schritt hierzu ist nach Ansicht meiner
Fraktion die Gewährung einer Sonderzulage an
alle Rentner erforderlich. Eine solche Maßnahme kann in wenigen Tagen durchgeführt sein. Alle anderen gesetzlichen Regelungen, bei denen Berechnungen durchgeführt werden müssen, erfordern einige Zeit. Schließlich hat das Bundesarbeitsministerium selbst fast ein Jahr benötigt, um überhaupt einen Gesetzentwurf, der recht kompliziert ist, fertigzustellen. Für die Rentner ist aber schnelle Hilfe erforderlich. Deshalb muß vorweg als Sofortmaßnahme eine Sonderzulage gewährt werden. Das duldet keinen Aufschub. Wir sprechen deshalb die Erwartung aus, daß der Sozialpolitische Ausschuß, dem wir unseren Gesetzentwurf zu überweisen bitten, seine Beratung so gestaltet, daß die zweite und dritte Lesung bereits in der nächsten Plenarsitzung durchgeführt werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Begründung des Gesetzentwurfs Drucksache 820 unter Punkt 7 c hat das Wort der Abgeordnete Stingl.
Stingl , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der Koalitionsparteien legen dem Hause den Entwurf eines Gesetzes zur Gewährung von Mehrbeträgen an alte Rentner in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Neufestsetzung des Beitrages in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeitslosenversicherung vor. Herr Professor Schellenberg hat schon erwähnt, daß von der Regierung der gleiche Entwurf sogar in demselben Wortlaut. wie er Ihnen hier vorliegt, dem Bundesrat zugeleitet worden ist. Daraus, daß sich die Fraktionen der Koalitionsparteien entschlossen haben, den Entwurf, obwohl er dem Bundesrat schon vorliegt, auch als Initiativgesetzentwurf im Bundestag einzubringen, wollen Sie erkennen, daß wir der Meinung sind, daß es höchst dringlich und eilig ist, unseren Altrentnern eine Besserung ihrer Lebensverhältnisse zu gewähren.
Meine Damen und Herren, ich darf mir die Bemerkung gestatten, daß Herr Professor Schellenberg darauf hingewiesen hat, das Bundesarbeitsministerium habe seit fast einem Jahr an diesem Entwurf gearbeitet. Sie können versichert sein, daß auch wir — ich kann das insoweit natürlich nur für meine Fraktion sagen — mit Ungeduld auf den Entwurf gewartet haben, jedoch davon überzeugt sind, daß die in diesem Jahr geleistete Vorarbeit an dem Entwurf die Gewähr dafür gibt, daß hiermit eine Regelung gefunden wird, die wir den Rentnern gegenüber verantworten können. Ich darf den Vorwurf zurückweisen, daß uns überhaupt erst die Initiative der SPD veranlaßt habe, uns in den Fraktionen mit dem Problem zu beschäftigen und seine Dringlichkeit zu erkennen.
— Ich kann Ihnen zur Kenntnis geben, daß, bevor Ihr Antrag kam, in unserer Fraktion immer wieder darauf gedrängt wurde, daß dieser Antrag fertiggestellt würde.
Ich darf bemerken, daß der Umstand, daß wir den gleichen Entwurf einreichen, den die Bundesregierung dem Bundesrat zugeleitet hat, natürlich einschließt, daß die Fraktion der CDU/CSU und gewiß auch andere Fraktionen der Regierungskoalition in den Ausschußberatungen noch gewisse Dinge besprechen und vielleicht in einigen Punkten Änderungen vorschlagen werden.
— Ich bin nicht ganz Ihrer Meinung; aber das ist nun ihre Auffassung.
Bei diesem Gesetz geht es darum, die echte Not der alten Rentner zu beheben und ihnen die Möglichkeit zu geben, nunmehr aus ihrer Bedrängnis und der Sorge um den täglichen Lebensunterhalt herauszukommen, die Sie ja aus den Briefen alle genau so gut kennen wie ich.
Ich darf im übrigen daran erinnern, daß dieser Entwurf nicht die erste Maßnahme seit dem Zusammenbruch ist, womit versucht wird, die Lage der Rentner an die veränderte Kaufkraft und das veränderte Preis- und Lohngefüge anzupassen. Sie wissen alle selbst, daß das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz schematisch eine Erhöhung um 15 DM und eine Festsetzung der Mindestrente auf 50 DM in der Invalidenversicherung brachte. Sie wissen auch, daß das Rentenzulagengesetz von 1951 insoweit eine schematische Aufbesserung der Renten brachte, als 25 % zur Gesamtrente zugeschlagen wurden, also sowohl zum individuellen Teil wie zum generellen Teil, zur Grundrente und zum Steigerungsbetrag. Die Erhöhung des Grundbetrags der Rente im Jahre 1953 wiederum brachte ebenfalls einen generellen Zuschlag, der sich nicht auf die Beitragsleistungen der Rentenempfänger bezog. Diese Regelungen — ich darf es noch einmal betonen — waren also alle schematisch. Im übrigen beinhaltet der SPD-Antrag auch eine schematische Erhöhung.
Von diesem Prinzip der schematischen Erhöhung aller Renten geht unser Entwurf nun ab. Der Grundgedanke dabei ist, daß wir zunächst die Altrentner herausnehmen wollen, weil wir der Meinung sind, daß sie nicht in der Lage sind, noch zu warten, bis eine Gesamtreform der Sozialversicherung, die ja erarbeitet wird, durchgeführt werden kann. Wir sind also der Meinung, daß die bisherigen Regelungen nicht ausreichten, und wollen deshalb die Altrenter besserstellen.
Woher ergeben sich nun die Gründe für die Besserstellung derjenigen, die vor diesen beiden großen Eingriffen — 1939 Ausprägung der Rüstungswirtschaft und 31. Dezember 1923 Ende der Inflation — günstiger dagestanden haben? Wir wissen, daß wir es bei der Beitragszahlung in der Rentenversicherung — und das ist der erste Grund — mit einem unterschiedlichen Wert der geleisteten Beiträge zu tun haben. Der weitere Grund ergibt sich daraus, daß die in der Rentenversicherung Beiträge zahlenden Arbeitnehmer früher unterversichert waren, unterversichert nicht nur deshalb, weil sie im Vergleich zum heutigen Lohngefüge einen geringeren Lohn bezogen, sondern unterversichert auch deshalb, weil die Beitragsgrenze, also das zur Sozialversicherung herangezogene Einkommen, wesentlich niedriger lag, als wir es heute gewohnt sind. Diese Unterversicherung wirkt sich natürlich bei der Berechnung der Steigerungsbeträge aus. Gerade die alten Rentner, die schon sehr lange
Beiträge gezahlt haben, erhalten nicht die ihren damaligen Einkommensverhältnissen entsprechenden Rentenleistungen. Dabei muß erwähnt werden, daß die Rentenversicherung zur Zeit ihrer Gründung und in den ersten Anfängen schließlich nicht als alleinige Alterssicherung für die Rentenbezieher gedacht war, sondern daß man der Meinung war, jeder Rentner werde in seinem Alter von dem, was er sich auch sonst erspart habe, noch leben können. Die beiden Inflationen und die Kriege überhaupt mit ihren Folgen haben diese Vorsorge des einzelnen, des Privaten, weithin zunichte gemacht. Infolgedessen sind wir gezwungen, heute auf gesetzgeberischem Wege demjenigen, der in einem langen, arbeitsreichen Leben Beiträge zur Rentenversicherung geleistet und eine Pflichttreue und Treue zur Rentenversicherung bewiesen hat, das auch zu vergelten. Wir meinen dabei, daß sich diese Anhebung der Renten der Alten irgendwie auf den Entgelt beziehen muß, den sie zur Zeit ihrer Beitragsleistungen bezogen haben. Das ist ein wesentlicher Grundgedanke dieses Gesetzes. Insofern unterscheidet sich die von uns vorgeschlagene Regelung von einer schematischen Anhebung. Wer in seiner Versicherungszeit annähernd gleichen Entgelt bezogen hat, soll für sich auch die annähernd gleiche Erhöhung der Renten in Anspruch nehmen können; eine völlige Gleichstellung wird sich nicht erreichen lassen. Wir wollen damit erreichen, daß sowohl individuell die Beitragsleistungen des Versicherten berücksichtigt werden als auch zugleich auf das Gesamteinkommen abgehoben wird, das er zu der Zeit hatte, als er in die Versicherung einzahlte.
Im einzelnen darf ich zu dem Entwurf des Gesetzes bemerken, daß, ausgehend von diesem Gedanken, der § 1 die Regelung auf diejenigen Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, und auf diejenigen Witwen und Witwer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, begrenzt, im Moment also auf solche, die bereits im Genuß der Rente sind.
— Weil wir der Meinung sind, daß die Regelung für die Bezieher von Invalidenrente oder einer sonstigen Rente, die unter 65 bzw. 60 Jahre alt sind, eine Angelegenheit ist, die im Zuge der gesamten Regelung der Sozialversicherung erledigt werden muß.
Nach dem § 2 — das ist ja wohl selbstverständlich — soll diesen Mehrbetrag nur derjenige erhalten, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt.
Die praktische Durchführung des Gesetzes für den Kreis der Rentenberechtigten ergibt sich aus dem § 3 bzw. den §§ 4 und 5. Der § 3 des Gesetzentwurfs beschäftigt sich damit, wie die Errechnung des Mehrbetrages durchzuführen ist, wenn eine Rente neu festgestellt wird, also für diejenigen Rentenberechtigten, die nach dem Erlaß dieses Gesetzes in die Rente hineinwachsen und 65 Jahre als Versicherte, 60 Jahre als Witwer und Witwen alt werden. Sicherlich ist Ihnen hier beim Lesen des Gesetzentwurfs aufgefallen, daß in Abs. 2 Buchstabe a und in Abs. 2 Buchstabe b die Vomhundertsätze, mit denen die Beitragsleistungen der Versicherten multipliziert werden sollen, in den einzelnen Versicherungsarten verschieden sind. In der Rentenversicherung für Arbeiter sollen sie für
die Zeit bis zum 31. Dezember 1923 80 v. H. betragen, in der Rentenversicherung der Angestellten 120 v. H. und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 40 v. H. In der Zeit nach dem 1. Januar 1924 bis zum 31. Dezember 1938 sollen die Vomhundertzahlen jeweils die Hälfte der eben angegebenen betragen. Die unterschiedliche Bewertung in den verschiedenen Rentenversicherungsarten ergibt sich daraus, daß die Berechnung der Steigerungsbeträge in den einzelnen Rentenversicherungsarten verschieden ist.
— Wir wollen die Grundbeträge so lassen, wie sie sind, und wollen bei dem Mehrbetragsgesetz auf die Steigerungsbeträge abheben — ich sagte es vorhin schon — unter Bezugnahme sowohl auf die geleisteten Beiträge wie unter Bezugnahme auf das Entgelt, das derjenige bezogen hat, der die Versicherungsbeiträge geleistet hat.
Ich sagte, die Verhältniszahlen, die Sie hier finden, erklären sich daraus, daß die Steigerungsbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter, also in der Invalidenversicherung, mit 1,2 %, in der Rentenversicherung der Angestellten mit 0,7 und in der knappschaftlichen Rentenversicherung mit 2,4 % berechnet werden.
In Abs. 3 legen wir fest, daß für die Ersatzzeiten ebenfalls diese Zulagen, soweit Steigerungsbeträge zu gewähren sind, berechnet werden sollen. Für diejenigen Rentner, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits ihre Rente bekommen, deren Rente also schon festgestellt ist und die über 65 bzw. 60 Jahre alt sind, mußte naturgemäß ein anderes Verfahren gefunden werden. Hierin ist der Grund zu suchen, weshalb umfangreiche und sehr langwierige Vorarbeiten bis zur Einbringung dieses Gesetzes notwendig waren. Hier mußte ja — ich darf es noch einmal erwähnen — davon ausgegangen werden, daß man ungefähr feststellt oder einen Anhaltspunkt dafür findet, wie lange und in welcher Höhe der Versicherte Beiträge geleistet hat. Dafür ist natürlich zunächst der Steigerungsbetrag ein Maßstab, aber nicht für sich allein. Er muß selbstverständlich zum Beginn der Beitragsleistung in der Rentenversicherung in Beziehung gesetzt werden. Da bei den meisten Rentenversicherungsträgern Unterlagen nicht nur durch den Krieg verlorengingen, sondern auch deshalb nicht mehr vorhanden sind, weil sie nach Feststellung der Rente nach einer gewissen Zeit vernichtet werden, mußte man von der Wahrscheinlichkeit eines normal verlaufenen Arbeitslebens ausgehen. Das hat dazu geführt, daß man als Anhaltspunkt neben dem Steigerungsbetrag das Geburtsjahr des Versicherten berücksichtigt und dann im allgemeinen einen Normalbeginn des Arbeitslebens festlegt. Auch diese Relation allein genügt jedoch nicht. Man muß auch noch berücksichtigen, zu welcher Zeit dem Rentenempfänger seine Rente festgestellt wurde. Erst dann wird sich ja zeigen, welche Beitragsanteile er in den von uns zu erfassenden Zeiten mit anderem Lohn- und Preisgefüge, also vor 1923 bzw. 1938, geleistet hat. Diese Berechnung ist naturgemäß für die Einzelrente äußerst schwierig. Es kam uns aber darauf an — und das Arbeitsministerium ist diesem Wunsch gefolgt —, die Errechnung des Mehrbetrages zwar individuell, aber so schnell wie möglich durchzuführen. Deshalb ist für die Rentenversicherung der Angestellten und für die der Arbeiter eine Tabelle erstellt
)
1 worden, die nach den von mir eben genannten Grundsätzen errechnet ist und die — das darf ich mit allem Nachdruck sagen — es ermöglicht, die Arbeit zur Erhöhung der Renten auch von Hilfskräften durchführen zu lassen.
Wie mir gesagt wurde, haben einige Rentenversicherungsträger, einige Landesversicherungsanstalten, erklärt, die Durchführung sei in dieser Form mit einem Lochkartensystem sehr einfach. Im übrigen können wir uns, wenn wir im Ausschuß der Meinung sein sollten, auch diese Art ergebe eine allzu lange Verzögerung, über eine Vorschußzahlung durchaus unterhalten.
In der knappschaftlichen Rentenversicherung liegen die Dinge, da die Unterlagen vorhanden sind, einfacher. Hier können wir auch bei den schon festgestellten Renten darauf zurückgreifen, was wir bei den noch festzustellenden gesagt haben und was in § 3 festgelegt ist.
§ 6 unseres Gesetzentwurfes besagt, daß dieser Mehrbetrag ein Bestandteil der Rente ist. Ich habe im Anfang angemerkt, die Einreichung der gleichlautenden Anträge hier und im Bundesrat werde dazu führen, daß im Ausschuß auch von uns unter gewissen Bedingungen Änderungen dieser oder jener Art vorgeschlagen würden. Ich darf für die CDU/CSU bemerken, daß wir uns gewiß über eine Unter- und Obergrenze dieses Mehrbetrages im Ausschuß eingehend unterhalten werden. Wir werden hier sicherlich zu einer allseits befriedigenden Lösung kommen.
Der Mehrbetrag dieser Rentenerhöhung wird gezahlt mit Beginn des Monats, in dem das maßgebende Lebensjahr vollendet wird; das weicht also von der sonstigen Handhabung, bei der die Rente erst im nächsten Monat beginnt, etwas ab.
Die Leistungen sollen unbeschadet des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes von dem Träger der Rentenversicherung der Arbeiter oder dem Träger der Rentenversicherung der Angestellten aufgebacht werden, je nach dem, von wem sie festgestellt sind.
Nun zu § 9 dieses Gesetzenwurfes! Herr Professor Schellenberg hat vorhin bemerkt, dieser § 9 sei offenbar nicht die glänzendste Lösung, die man sich denken könne. In § 9, meine Damen und Herren, mußte ja für die Deckung eine Möglichkeit gefunden werden. Herr Professor Schellenberg hat den Betrag von 684 Millionen DM genannt. Das ist der Mehrbetrag, der ohne diese Begrenzung in Höhe von 30 DM entsteht. Insoweit gebe ich Ihnen recht, Herr Professor.
Ich darf aber bemerken, daß dieser jährliche Aufwand von 684 Millionen DM mit der Zeit abnehmen wird, nämlich insofern, als ja immer weniger Rentenempfänger in die Rentenversicherung hineinwachsen, die vor den beiden Stichtagen Beiträge an die Rentenversicherung geleistet haben. Allerdings ist das etwas, was in weiter Ferne liegt.
Nun, diese Mehrleistung, die wir hier erbringen wollen, muß getragen werden. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, einen Ausgleich zu suchen in den Beiträgen, die den Versicherten abgezogen und vom Arbeitgeber getragen werden, und zwar nach dem Gesetzentwurf in der Form, daß bei der Rentenversicherung zusätzlich 1 % Beiträge eingeführt werden, aber bei der Arbeitslosenversicherung 1 % weniger. Der Zeitpunkt des Beginns dieser Neuregelung der Beiträge, der auf den 1. April 1955 festgelegt ist, sagt Ihnen schon, daß wir die Vorhaben der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in diesem Jahr keineswegs gefährden wollen. Er besagt aber zugleich, daß wir uns auch über diesen Punkt im Ausschuß unterhalten müssen. Ich darf hier anmerken, daß ich nachher den Antrag stellen werde, zur Mitberatung auch den Ausschuß für Arbeit zuzuziehen, und zwar gerade wegen dieser Angelegenheit in § 10.
Daß das Gesetz auch in Berlin gelten soll, braucht, glaube ich, nicht besonders erwähnt zu werden, sondern versteht sich von selbst.
Meine Damen und Herren, durch dieses Gesetz werden 2 195 300 Rentenempfänger, die selbst versichert waren, einen Mehrbetrag bekommen. Ich glaube, daß das schon eine Leistung ist, mit der wir — in diesem Ansatz — unseren Alten entgegenkommen. Die beste Lösung, die wir uns denken konnten, war die, die möglichst schnell und möglichst umfassend denen hilft, die in einem langen und arbeitsreichen Leben Versicherungstreue bewiesen haben, die außerdem in dieser Sozialversicherung von Gesetzes wegen versichert waren und somit einen Anspruch darauf haben, daß ihnen ihr Lebensabend durch den Gesetzgeber gesichert wird, der sie ja in diese Versicherung hineingebracht hat. Wir sind der Meinung, daß in dieser Form eine wirksame Hilfe für die Alten gebracht wird, denen wir nicht zumuten wollen, auf die Gesamtreform der Sozialversicherung zu warten.
Ich darf Sie bitten, den Gesetzentwurf federführend dem Ausschuß für Sozialpolitik und zur Mitberatung dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Atzenroth als Mitantragsteller.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich diesem gemeinsamen Koalitionsantrag angeschlossen, weil auch sie der Meinung ist, daß unter allen Umständen eine Erhöhung der Altrenten durchgeführt werden muß und daß sie schnell erfolgen muß, so wie wir es schon gelegentlich der Beratung über die Sozialreform zum Ausdruck gebracht haben. Sie identifiziert sich aber nicht mit der hier vorgeschlagenen Form der Aufbringung der Mittel.
Ich verweise deswegen auch auf unsere Ausführungen gelegentlich der Beratung über die Sozialreform. Wir sind der Meinung, daß es sich hier nicht um eine Versicherungsleistung handelt, sondern um eine soziale Leistung, die allerdings dringend notwendig ist; darüber kann es keinen Zweifel geben. Aber die Mittel dafür sollen nicht aus dem Fonds der Sozialversicherung genommen werden. Denn es besteht die Gefahr, daß uns das, was wir heute aus dem Sozialversicherungsfonds nehmen, in den Jahren, in denen es für die heutigen Beitragszahler gebraucht wird, nicht mehr zur Verfügung steht und in doppeltem Umfange fehlt.
Wir werden bei den Ausschußberatungen diese Einwendungen zum Ausdruck bringen und hoffen,
daß wir dann zu einer anderen Form der Finanzierung kommen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Scheuren zur Begründung des Antrags Drucksache 815.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Sozialpolitik hat am 30. Mai 1952 mit Drucksache Nr. 3444 beantragt, daß seitens der Bundesregierung beschleunigt ein Gesetzentwurf über die endgültige Regelung der Verhältnisse der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen, Körperschaft des öffentlichen Rechts, vorgelegt wird. Am 18. Juni 1952 hat der Bundestag diesem Antrag entsprochen und hat die Regierung in gleichem Sinne beauftragt, einen Gesetzentwurf über diese Angelegenheit vorzulegen. Seither sind mehr als zwei Jahre vergangen. Mein Freund Baur hat ausweislich der Drucksache 186 am 21. Januar 1954 in der Fragestunde um Auskunft gebeten, wann die Regierung gedenkt, den vom Bundestag bereits am 18. Juni 1952 geforderten Gesetzentwurf über die Neuregelung der Kassenverhältnisse vorzulegen.
In der Zwischenzeit haben sowohl die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr als auch die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands immer wieder mit Nachdruck in Wort und Schrift auf die Notwendigkeit dieser gesetzlichen Neuregelung und insbesondere auf die Not hingewiesen, in der sich die Pensionäre befinden, solange eine gesetzliche Neuregelung ausbleibt. Ebenso haben das die berufenen Kassenorgane immer wieder mit Nachdruck sowohl bei den Fraktionen dieses Hauses als auch bei den Regierungsstellen betrieben. Trotzdem ist bis jetzt noch nicht zu erkennen, wann die Bundesregierung gedenkt, der Aufforderung des Bundestages nachzukommen. Diese Lage, die in zahlreichen Notschreiben der betroffenen Rentner charakterisiert ist und von der ich annehme, daß sie zahlreichen Mitgliedern dieses Hauses bekannt ist, da sie ähnliche Schreiben erhalten haben, zwang die Fraktion der SPD, den in der Drucksache 815 enthaltenen Antrag zu stellen, die Pensionskasse zur sofortigen Zahlung von Teuerungszulagen an ihre Rentner zu ermächtigen.
Wir hatten und haben die Absicht — das möchte ich hier noch einmal betonen —, in allen Fragen, die die Vorlage des Gesetzentwurfs und die gesetzliche Neuregelung der Kassenverhältnisse betreffen, mit allen Fraktionen dieses Hauses gemeinsam zu arbeiten, wie wir es in der Vergangenheit bereits getan haben. Ich bitte Sie daher, nicht anzunehmen, daß in der Initiative, über die ich gleich sprechen werde, eine Abweichung von dieser Absicht, wie sie der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vorschwebt, zum Ausdruck kommt. Diese Angelegenheit, die ein gemeinsames Anliegen dieses Hauses darstellt, verträgt jedoch keinen weiteren Aufschub mehr, da die Not der Pensionäre der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen von Tag zu Tag größer wird. Ich betone das mit Nachdruck und ohne jede Übertreibung. Im Gegensatz zu den Rentnern der Sozialversicherung, deren Rente seit dem Währungsstichtag bereits dreimal erhöht worden ist und bezüglich deren hier im Bundestag bereits über die vierte Erhöhung gesprochen wird, handelt es sich hier um Rentner, die bisher nicht einmal ihre normalen Leistungen nach der Satzung bekommen, geschweige denn Teuerungszulagen.
Daher haben wir den Antrag eingebracht, der Ihnen in der Drucksache 815 vorliegt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt,
die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Köln, zu ermächtigen, ihren Rentnern ab sofort in Höhe von 25 v. H. der laufenden
Monatsrenten Teuerungszulage zu zahlen. Diese Regelung
— das haben wir vorsorglich eingebaut —
gilt bis zum Inkrafttreten des vom 1. Bundestag in seiner Sitzung am 18. Juni 1952 geforderten Gesetzes über die endgültige Regelung der Verhältnisse dieser Anstalt.
Die Mittel für diese Teuerungszulage sind im Prinzip vorhanden, und zwar im Haushaltsplan 1954 unter Einzelplan 60 Kap. 6004 Tit. 541. Das heißt, ohne daß jetzt zusätzlich Mittel zur Verfügung gestellt werden, könnte die Kasse, wenn sie die Ermächtigung der Bundesregierung bekommt, ihren Rentnern sofort helfen. Allerdings würden damit nach den Schätzungen der Kasse im Haushaltsjahr 1955 etwa 2 Millionen DM Mehrbetrag erforderlich werden. Da jedoch in dem Betrag von 6 Millionen DM, der für 1954 zur Verfügung gestellt ist, noch eine beachtliche Zahl von Rentennachleistungen enthalten war, brauchte der Gesamtbetrag nicht erhöht zu werden. Wie man nach den Untersuchungen und Schätzungen der Kasse annehmen darf, kann also mit dem jetzigen Ansatz in Höhe von 6 Millionen DM, der ja bereits festgelegt ist, auch diesen bedauernswerten Menschen geholfen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas über die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen sagen. Sowohl die Organe als auch die Gewerkschaften haben sich in der Vergangenheit sehr viel Mühe gemacht, über die eigenartige Struktur dieser Kasse in der Öffentlichkeit und vor allem in den gesetzgebenden Körperschaften zu berichten.
Die Pensionskasse besteht seit dem Jahre 1888. Sie hat eine ganz besondere Entwicklung gehabt. Damals, zur Zeit ihrer Gründung, liefen auch die Verkehrsmittel der nicht bundeseigenen Bahnen an. Der Gesetzgeber machte diesen Bahnen in den Konzessionsurkunden die Auflage, für ihre Bediensteten beamtenähnliche Versorgung zu gewährleisten. Das ist der Sinn und Zweck des Entstehens dieser Kasse. Der Gesetzgeber hat, da sie in Ordnung war, da sie mit ihrem Deckungsstock gesunde Verhältnisse hatte, keinen Anlaß gefunden, sie etwa bei Begründung der Invalidenversicherung oder später bei Aufhebung der Ersatzkassen zur Angestelltenversicherung aufzuheben; er hat sie bestehen lassen. Die Kasse ist nur unschuldig, völlig ohne daß sie es zu verantworten hätte, durch die politischen Ereignisse zweimal sehr schwer angeschlagen worden, einmal nach dem ersten verlorenen Weltkrieg und neuerdings durch die Währungsreform bzw. durch den Zusammenbruch im Jahre 1945. Die noch vorhandenen Mittel der Kasse, die früher ihren Sitz in Berlin hatte, wurden damals durch Maßnahmen der Sowjetischen Militär-
Administration blockiert, sind niemals mehr zum Tragen gekommen. Die Kasse hat dann ihren Sitz nach dem Westen verlegt, und zwar nach Köln.
In ihrer Art nimmt sie eine eigenartige, eine einmalige Sonderstellung ein, auf die sich keine andere Versorgungskasse mehr berufen kann. Sie versichert einen Kreis von Personen, der an sich entweder in der Invalidenversicherung oder in der Angestelltenversicherung sozialversicherungspflichtig wäre. Ich erwähnte schon, daß der Gesetzgeber diesen Bahnen die Auflage einer beamtenähnlichen Versorgung ihrer Bediensteten gemacht hat, an die ebenso wie an die Bediensteten der Bundesbahn hohe Anforderungen in zerissenem Tages- und Nachtdienst gestellt werden müssen.
Hier warten also jene Menschen, die dreißig, vierzig und mehr Jahre lang in diesen Betrieben auf Treu und Glauben gearbeitet haben und die in dem Glauben lebten und bis heute leben, daß sie nicht so ohne weiteres beiseitegedrückt werden können, da sie ja wohlerworbene Rechte haben. Sie hätten beamtenähnliche Versorgungsleistungen zu beanspruchen. Im Gegensatz zu den Beamten zahlen sie aber ihre Beiträge zu der Pensionskasse selbst, und zwar zu einem Satz von 19 %.
Der Kreis der Versicherten dieser Kasse ist auf Grund von Bundesratsbeschlüssen aus dem Jahre 1913 und aus dem Jahre 1915 von der Versicherungspflicht in der Invaliden- und Angestelltenversicherung befreit. Die Organe der Kasse haben aber von sich aus, in weiser Überlegung, damit eine dritte Katastrophe diesen Versichertenkreis nicht mehr treffen kann, von jetzt ab alle Versicherten auf Grund freiwilliger Vereinbarungen in der gesetzlichen Rentenversicherung rückversichert. Sie können jedoch von den Gesetzen, die seit der Währungsreform für die Rentenversicherten ergangen sind, nämlich vom Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, vom Rentenzulagengesetz und vom Gesetz über die Erhöhung der Grundrenten, noch keinen Gebrauch machen. Wir sind der Überzeugung, daß eine fünfundzwanzigprozentige Teuerungszulage gerechtfertigt ist. So wie die Teuerungszulagen der Sozialversicherung vom Bund finanziert werden, so muß diese Mehrbelastung, die auf rund 2 Millionen DM pro anno geschätzt wird, vom Bund getragen werden, und zwar in Konsequenz des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 15. Dezember 1951, in dem ausdrücklich festgestellt wird, daß die Kasse ihre Leistungen so wie die Sozialversicherung im Verhältnis 1 : 1 umzustellen hat und daß der Bund für diese Umstellung die Mittel zur Verfügung zu stellen hat.
Meine Damen und Herren, vielleicht wird von Ihrer Seite noch ein Versuch gemacht, diese Ermächtigung für die Bundesregierung nicht auszusprechen bzw. sie zu beauftragen, daß sie die Kassenorgane ermächtigt, Rententeuerungszulagen zu zahlen. Vielleicht haben Sie auch den Wunsch, den Antrag an einen Ausschuß zu verweisen. Ich bitte Sie im Namen der wirklich in Not befindlichen Rentner, die Beschlußfassung über den Antrag in keiner Weise zu verzögern und entsprechend unserm Antrag zu beschließen, damit endlich die in bedauernswerter Lage lebenden Rentner zu ihrem Recht kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Begründung der vorliegenden Gesetzentwürfe und Anträge ist damit abgeschlossen. Ich trete in die Beratung ein. Ich erteile das Wort dem
Bundesminister für Arbeit, Herrn Minister Storch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg hat sich wieder einmal besonders bemüßigt gefühlt, sich an dem Bundesarbeitsminister zu reiben. Ob das nun ein besonderer Akt der Liebe und der Freundschaft sein soll oder andere Gründe hat, weiß ich nicht.
Ich möchte ihm nur folgendes sagen: Ein großer Teil seiner Parteifreunde, die in ihrem ganzen Leben und vor allen Dingen in der Nachkriegszeit an der Gesundung unserer sozialen Ordnung mitgearbeitet haben und heute noch daran mitarbeiten, sind wesentlich anderer Meinung. Er hat vorhin den Gesetzentwurf, den die Regierungsparteien eingebracht haben, als sehr oberflächlich, als nicht ausreichend usw. bezeichnet. Gestern hat man sich im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundesrates mit derselben Gesetzesvorlage beschäftigt, und Herr Staatssekretär Auerbach, der Ihnen doch gewiß ein guter Freund ist, hat dabei von einer klaren und sorgfältig durchgearbeiteten Vorlage gesprochen.
Sehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten nicht zweierlei Reden halten: einmal Reden zum Fenster hinaus und dann Reden unter den Leuten, die sich in der wirklich ehrlichen Sorge für die alten Menschen bemühen, eine bessere Ordnung herbeizuführen.
Herr Professor Schellenberg war in der ersten Zeit nach dem Kriege nicht bei uns, auch nicht im Vereinigten Wirtschaftsgebiet mit tätig, als wir die ersten Anfänge für eine Gesundung der Verhältnisse unserer Alten und Rentner suchten. Damals, bei der Schaffung des SozialversicherungsAnpassungsgesetzes, Herr Kollege Schellenberg, sind wir, nicht nur die heute zu den Regierungsparteien gehörenden Menschen, sondern auch die Sozialpolitiker, die auf Ihrer Seite sitzen, der Meinung gewesen, man sollte den Prozentsatz der Arbeitsunfähigkeit, der früher bei 662/3 v. H. den Rechtsanspruch auf Gewährung der Rente in der Invalidenversicherung begründete, auf 50 v. H. heruntersetzen, um diesen Rentnern eine Vorleistung zu geben, damit sie auf dem Arbeitsmarkt gegen den Nichtbeschädigten bestehen können und konkurrenzfähig sind.
Also es war eine bewußte Leistung an Leute, die nun einmal auf Grund ihrer Gesundheit oder aus anderen Gründen nicht mehr mit dem voll Arbeitsfähigen konkurrieren konnten. Niemand hat daran geglaubt, daß man diesen Leuten nunmehr eine Rente, die die Lebensgrundlage darstellen kann, geben könnte — niemand! Die Herren, die dabei gewesen sind, werden sich dieser Dinge sehr wohl erinnern.
Nun liegt der von Herrn Professor Schellenberg vorgetragene Gesetzentwurf seiner Partei vor. Darin wird gesagt: Jeder Sozialversicherungsrentenempfänger, gleichgültig, ob er noch arbeitet oder nicht, soll eine Monatsrente zusätzlich bekommen. Herr Professor Schellenberg weiß genau so gut wie
ich, daß wir durch die unglücklichen gesetzlichen Bestimmungen in den letzten Jahren nicht davon abgekommen sind, daß der wirkliche Altrentner deshalb, weil er seine Beiträge 20 Jahre früher als ein anderer gezahlt hat, in einem Rückstand steht. In manchen Zweigen unserer Sozialversicherung erreichen die Renten doch auch Höhen von 250 und 300 DM. Herr Professor Schellenberg verlangt nun für die neue moderne Rente, daß diejenigen, die diese hohen Renten erhalten, einen derartigen Monatsbetrag zusätzlich bekommen. Und das arme Luder, das vielleicht schon seit 20 Jahren Rentenempfänger ist und dessen Beitragszahlung bis in die Zeit des vorigen Jahrhunderts zurückreicht, bekommt, weil er auf Grund dieser Rechnung nur einen Rentenanspruch von 60 DM hat, eben diese 60 DM. Ich gebe also wiederum demjenigen, der schon mehr hat, mehr als demjenigen, der weit hinten hängt.
Ich bin der Meinung, wir sollten uns im Ausschuß sehr deutlich und sehr klar über diese Dinge unterhalten, und ich glaube, bei der ruhigen Arbeit im Ausschuß werden wir uns auch sehr schnell näherkommen.
Nun ist mir von Herrn Professor Schellenberg gesagt worden, daß die Sozialstatistik immer noch nicht herausgebracht worden ist. Ich darf Ihnen in aller Ehrlichkeit folgendes sagen. Zuerst hatte man mir vom Statistischen Bundesamt erklärt, ich könnte diese Unterlagen im Mai bekommen, und ich war wirklich der Meinung, daß ich diese Unterlagen bei der Fertigstellung eines derartigen Gesetzes sehr wohl gebrauchen könnte. Dann sollte ich sie im Oktober bekommen. Nun wird mir gesagt, sie werden jetzt in Druck gegeben. Glauben Sie mir, das Fehlen dieser Zahlen hindert mich in meiner Arbeit im Ministerium mindestens ebenso wie Sie, und wir sind mit Ihnen daran interessiert, daß wir diese Unterlagen so schnell wie möglich bekommen.
Dann habe ich anläßlich der damaligen Aussprache — im Mai war es wohl — erklärt, wir wollen eine versicherungsmathematische Bilanz aufstellen und diese auch für die Arbeit hier im Hause so bald wie möglich zur Verfügung stellen. Diese Bilanz ist in meinem Hause fertiggestellt worden; damit sie aber bei der Beratung dieses Gesetzes als etwas Unanfechtbares angesehen werden kann, wird sie zur Zeit noch einmal von dritten Leuten überarbeitet. Ich habe die Gewißheit, daß wir bei der Behandlung des Gesetzentwurfs der Regierungsparteien diese eminent wichtige Arbeitsgrundlage zur Verfügung haben. Es wird manches leichter sein, wenn man es mit diesen Zahlen belegen kann.
Ferner hat Herr Professor Schellenberg angeführt, ich hätte schon vor der und der Zeit von einer Erhöhung der Renten um 30 DM gesprochen. Ich darf Ihnen sagen, daß ich nach einer Besprechung in einem sehr internen Kreis in Königswinter erschrocken war, als am andern Tag in der Bonner Rundschau und in einigen anderen Zeitungen die Behauptung von einer Rentenerhöhung von 30 DM stand. Ich habe nicht nur die Pressevertreter, sondern auch die Verlage gefragt: Wo habt ihr denn diese Meldung her? Es ist nachher das Pressegeheimnis gewesen, das einen großen Schleier darüber gedeckt hat. Ich kann unmöglich — das werden mir alle sozialpolitisch eingestellten und arbeitenden Mitglieder dieses Hohen Hauses bestätigen — auf jede Pressemeldung, die nicht stimmt, ein Dementi setzen. Dann müßte ich nämlich in meinem Ministerium noch extra eine neue Abteilung einrichten.
Wir wollen doch folgendes tun: die Gesetzentwürfe, wie sie uns jetzt vorgelegt worden sind, se schnell und so gründlich wie möglich in den Ausschüssen behandeln, damit wir denen am schnellsten eine wirksame Hilfe bringen können, die es am notwendigsten haben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich darf wohl annehmen, daß Sie damit einverstanden sind, wenn ich zunächst auf die Drucksache 815 zu sprechen komme, in der von der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen die Rede ist. Mit diesem Antrag wird ein Problem angeschnitten, das zu dem ganzen Fragenkomplex der betrieblichen Altersversorgung gehört. Wir wissen aus den vielen Zuschriften — ich gehöre diesem Hohen Hause erst ein Jahr an, und trotzdem habe ich eine Vielzahl von Zuschriften aus den Kreisen solcher Pensionäre bekommen —, daß es diesen Kreisen außerordentlich schlecht geht. Es wird nicht möglich sein, diese Angelegenheit heute hier zu einer Entscheidung zu bringen, aber es ist dringend notwendig, daß wir uns im Ausschuß für Sozialpolitik sehr ernsthaft mit dieser Frage beschäftigen. Namens meiner Fraktion beantrage ich deshalb, den Antrag Drucksache 815 dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Wir sollten uns bemühen, diese Frage recht schnell zu bearbeiten.
Nun zu der in den Drucksachen 788 und 820 behandelten Materie! Wir sind der Auffassung, daß man den Antrag der SPD, Drucksache 788, in Verbindung mit dem Entwurf eines Renten-Mehrbetrags-Gesetzes, Drucksache 820, sehen muß, den die Koalitionsparteien eingereicht haben. Meine Fraktion hat diesen Antrag gern mit unterschrieben, weil wir darin den Beginn der Lösung einer Frage gesehen haben, die auch uns — uns ganz besonders — schon seit langer Zeit unter den Nägeln gebrannt hat, weil wir andererseits wissen — das habe ich bei anderer Gelegenheit schon zum Ausdruck gebracht —, daß wir mit der Rentenreform als einem Teil der Sozialreform vorläufig gar nicht rechnen können. Ich möchte dazu Stellung nehmen, inwieweit der Antrag Drucksache 820 den Bedürfnissen der Altrentner entspricht. Meine Fraktion hat sich entschlossen, dem Bundestag noch heute einen Antrag einzureichen, jene Rentnerkreise einzuschließen, die noch nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben. Wir haben in diesem Änderungsantrag vorgeschlagen, in § 1 Abs. 1 unter Buchstabe a) die Worte „nach Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres" und unter Buchstabe die Worte „nach Vollendung des sechzigsten Lebensjahres" zu streichen. Durch einen besonderen Zusatz soll die Möglichkeit gegeben werden, auch die Waisenrenten in das Renten-MehrbetragsGesetz einzubeziehen.
Ich komme nun auf eine Frage zu sprechen, die doch sicherlich ein Anliegen aller Abgeordneten dieses Hauses ist. Unter § 1 des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes sind nämlich nicht diejenigen erfaßt, die in dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz mit erfaßt sind. Das sind gerade diejenigen Kreise, die in erster Linie zu den Heimatvertriebenen gehören. Diese können wir unter gar keinen Umständen vom Renten-Mehrbetrags-Gesetz ausschließen. Aus diesem Grunde haben wir auch
an diesen Kreis gedacht, und der Ausschuß wird sich mit unserem Änderungsantrag ernsthaft beschäftigen müssen.
Sie werden nun fragen: Habt ihr auch an die Finanzierung gedacht? — In diesem Falle allerdings. Der § 9 müßte einen Zusatz erhalten, daß, wenn die Versicherungsträger mit ihren Mitteln nicht restlos dafür einstehen können, eben Bundesmittel eingesetzt werden müssen.
Ich erkenne selbstverständlich durchaus die Schwierigkeiten an, die Sie, Herr Bundesarbeitsminister, mit der Frage des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes haben. Ich stimme Ihnen auch vollkommen zu, daß wir die Dinge mit aller Verantwortung und mit allem Ernst durchberaten müssen. Aber ich möchte davor warnen, daß es nicht allzu wenig wird und wir nicht nachher, wenn es einmal mit einer zahlenmäßigen Mehrheit durchgepaukt ist, mit einer gesetzgeberischen Flickschusterei anfangen. Das möchten meine politischen Freunde und ich vermeiden. Wir wollen der Wirklichkeit ins Gesicht sehen und lieber von Anfang an den Kreis der Betroffenen weiter ziehen, als daß wir uns nachher von der Wirklichkeit belehren lassen müssen, daß auf diesem Gebiet zu wenig getan worden ist.
Nun zu dem Antrag der SPD Drucksache 788 auf Gewährung einer Sonderzulage! Herr Kollege Stingl, Sie haben davon gesprochen, daß dieses Gesetz am 1. Dezember in Kraft treten soll. Meine politischen Freunde befürchten, daß die Vorarbeiten noch nicht so weit gediehen sind, daß schon zum 1. Dezember ausgezahlt werden kann, sondern wir müssen annehmen, daß die erste Auszahlung vielleicht erst am 1. Januar erfolgt. In diesem Falle wären wir allerdings dafür, den Antrag der Opposition ins Auge zu fassen, nach dem eine einmalige Sonderzulage gewährt werden soll. In welcher Höhe diese Sonderzulage gegeben werden soll, wäre im Ausschuß noch zu beraten. Ich habe durchaus Verständnis für die Einwendungen, die der Herr Bundesarbeitsminister in diesem Falle gemacht hat. Ich kann aber auch die Beweggründe der Opposition durchaus verstehen.
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks ist damit einverstanden, daß sowohl die Drucksache 788 als auch die Drucksache 820 dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen wird. Ich möchte heute schon darauf hinweisen, daß wir dann auch unseren Änderungsantrag behandelt sehen möchten.
Das Wort hat der Abgeordnete Preller!
Herr Präsident Meine Damen und Herren! Es ist das dritte Mal in diesen zwei Tagen, daß wir uns mit wichtigen innenpolitischen Fragen beschäftigen. Bei aller Bedeutung, die gerade wir Sozialdemokraten auch den außenpolitischen Fragen zubilligen, muß man sagen, das ist gut so. Die Fragen, die heute und gestern angestanden haben, sind Fragen, die die großen Massen interessieren. Diejenigen, die in Arbeit stehen und auf ihren Lebensabend sehen, oder diejenigen, die Renten bekommen, sagen — ich darf es ruhig einmal aussprechen —: Uns sitzt das sozialpolitische Hemd näher als der außenpolitische Rock. Sie alle sagen: Da haben wir dieses Altrentengesetz, das soviel besprochen, womit soviel Propaganda — auch Wahlpropaganda — getrieben worden ist; es ist unter Schmerzen geboren worden. Nun fragen sie:
Ist es ein schönes Kind, ist es ein häßliches Kind,
ist es ein Zwitter, was hat uns der Storch gebracht?
Wir sind uns alle darüber einig, daß es ein wirklich sehr brauchbarer Gedanke des Herrn Bundesarbeitsministers war, die Not der Rentner einmal dort anzugehen, wo alte Beiträge entwertet sind und kein Äquivalent in den Leistungen der Gegenwart finden. 150 Mark aus der Kaiserzeit sind, das wissen wir alle, sehr viel mehr gewesen als 150 DM in der Gegenwart. Es ist zweifellos ungerecht, Prozentsätze der damaligen Beiträge so zu behandeln, als ob inzwischen nicht mehrere Inflationen über uns gegangen wären.
Man fragt sich nun, wie soll eigentlich ein solches Altrentengesetz aussehen? Da möchte ich einige Postulate aufstellen, von denen ich sogar annehme, daß wir sie gemeinsam aufstellen könnten und sollten.
Zunächst einmal das Postulat, daß jedem Altrentner ohne Ausnahme geholfen wird. Meine Damen und Herren, die Not ist unteilbar!
Zweitens sollten wir den Altrentnern, die niedrige Renten haben — das sind die wahrhaft Notleidenden — mehr helfen als denen, die zwar keine ausreichende, aber immerhin eine bessere, eine höhere Rente haben.
Drittens sollten wir den Versuch machen, zu vermeiden, daß künftig die Rentner außerdem noch zur Fürsorge laufen müssen, um überhaupt existieren zu können. Denn wer alt ist, hat doch nun einmal einen Anspruch darauf, einen sorgenfreien Lebensabend zu haben, und Fürsorgerichtsatz und sorgenfreies Leben, das paßt nicht zueinander.
Endlich sollten wir die Gelegenheit benutzen, die Rentenberechnung so zu vereinfachen, daß sie jeder verstehen kann. Es ist doch heute so, daß selbst den Fachleuten diese Versicherung manchmal ein Buch mit diversen Siegeln ist.
— Der Mehrbetrag ist einfach. Aber sonst sind Berechnungen dabei — auch bei dem Mehrbetrag; ich werde darauf noch zu sprechen kommen, Herr Kollege Stingl —, die nicht ganz so einfach sind.
Nun liegt also der Gesetzentwurf vor, den die Regierungsparteien neben dem Regierungsentwurf eingebracht haben. Wir müssen uns ganz klarmachen — ich möchte sagen, nüchtern — was er wirklich bedeutet, eben weil diese Propaganda damit gemacht worden ist und weil soviel Nebel
— wollen wir ganz ruhig sagen — ein Jahr lang um diesen Gesetzentwurf gewesen ist.
— Nein, nein, der Nebel ist von anderer Seite gemacht worden.
Sind alle Altrenten berücksichtigt worden? Darüber sind schon Ausführungen gemacht worden. Nein, sie sind nicht alle berücksichtigt. Amtlich wird von 3,3 Millionen gesprochen. Herr Stingl, ich nehme an, Sie haben vorhin nur die Rentner und nicht die Witwen berücksichtigt, als Sie von 2,3 Millionen sprachen.
3,3 Millionen betroffene Renten wären es also. Nun wissen wir aber, daß es heute über 6 Millionen Renten gibt. Das heißt, daß nur etwas mehr als die Hälfte aller Rentner den Mehrbetrag bekommen. Wer fällt nun in die Hälfte, die den Mehrbetrag nicht bekommen wird? Da geschieht das Unglaubliche: gerade diejenigen, die notorisch kleine Renten haben, die das Unglück hatten, schon mit 40, mit 50 Jahren invalide, krank, erwerbsunfähig zu werden, die für sich selbst und manchmal für ihre Familie eine besondere Schwierigkeit, ich möchte sagen, eine Bitterkeit sind, läßt man aus. Leute mit geringen Renten, die in jüngeren Jahren noch nicht genügend Beiträge haben ansammeln können, um höhere Renten zu bekommen, läßt man aus. Aber gerade die Leute mit geringen Renten haben große Ausgaben, weil sie krank, weil sie leidend sind. Diese Frühinvaliden läßt der Entwurf aus.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ich beneide Sie wirklich nicht darum, daß Sie diesen Entwurf infolge der Säumigkeit des Herrn Bundesarbeitsministers übernehmen mußten. Wir haben ja schon gehört, daß das auch von einer der Regierungsparteien, die mit unterschrieben hat, vom GB/BHE, ebenso empfundenwird. Was wollen Sie denn den Frühinvaliden sagen? Sollen die etwa zu hören bekommen, sie sollen warten, bis sie das 65. Lebensjahr erreicht haben? Das sind ja kranke Leute; sie stehen in der Gefahr, früher zu sterben. Soll man ihnen diesen Trost geben, der kein Trost ist?
Es ist zuzugeben, daß die Witwen dieser Frühinvaliden den Mehrbetrag nicht erst vom 65., sondern vom 60. Jahre an erhalten sollen. Das scheint uns durchaus recht so; denn die Witwenrente ist sowieso niedrig. Wir haben immerhin 1 600 000 Witwen, von denen nach Ihrem Entwurf 600 000 nicht in Betracht kommen, weil sie das 60. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Glaubt man, daß diese Witwen unter 60 Jahren nicht auch den Mehrbetrag nötig hätten?
Ich möchte gleich hinzusetzen: Was ist denn mit der Millionenzahl der Waisen, für die nach dem Versicherungsprinzip seinerzeit auch in Goldmark oder Rentenmark gezahlt worden ist? Warum fallen sie aus diesem Renten-Mehrbetrags-Gesetz heraus?
Es gibt aber noch weitere sehr, sehr groteske Ergebnisse des Entwurfs — anders kann man es nicht ausdrücken —, den die Koalitionsparteien vertreten. Ein Beispiel: Von zwei Schwestern hat die eine geheiratet und ist nicht zur Arbeit gegangen, die andere muß sich als Unverheiratete ihr Brot selbst verdienen. Die Arbeitende bekommt, wenn sie etwa mit 61 Jahren invalide wird, keinen Mehrbetrag; denn er gilt ja erst vom 65. Lebensjahr an. Die andere aber, wenn sie Witwe wird, bekommt von ihrem 60. Lebensjahr an den Mehrbetrag. Nun, wir gönnen das der Witwe durchaus; aber wo bleibt in diesen Fällen, wie das Beispiel zeigt, die Gerechtigkeit, von der ein solcher Entwurf doch ausgehen muß? Soll die Arbeiterin sagen: Man hat mich abgeschrieben?
Und wie steht es mit der Aufbesserung der Kleinrenten? Ich meine hier nicht nur die Mindestrenten, die, wie ich zugebe, ein Sonderproblem bilden, sondern jene kleinen Renten, die mit vieljährigen geringen Beiträgen erworben worden sind, weil der Betroffene vielleicht das Unglück hatte, längere Zeit arbeitslos zu sein, oder weil er
in seinem Dorf nur eine gering entlohnte Arbeit gefunden hat. Wir müssen auch daran denken, daß es sich um Renten handelt, für die Beiträge zu einer Zeit geleistet worden sind, als teilweise nur 36 Beitragsstunden in der Woche angerechnet wurden,
wo also noch nicht so hohe Beträge gegeben werden konnten. Das sind Rentner, die es zweifellos besonders nötig haben. Wie steht es denn nun mit den ganz Armen, die sich in einer Weise durch das Leben schlagen, daß wir uns manchmal fragen, wie sie überhaupt durchkommen?
Werden sie bevorzugt? Nein! Auch hier wird nur prozentual gegeben, und weil die bisherige Rente gering war, erhält dieser arme Teufel — kann man nur sagen — nach diesem Gesetzentwurf nur 3 oder 4 oder 5 DM, nicht die 20 oder 30 DM monatlich, die andere nach dem Entwurf bekommen.
— Nein, nein! Das hat damit nichts zu tun. Das ist eine Abgeltung für einmal. Das ist ein Übergang. Hier aber handelt es sich um eine endgültige Regelung, Herr Stingl. Es gibt nach unseren Berechnungen dabei auch Rentner, die nur 1,40 DM Mehrbetrag bekommen. Es gibt Witwen, die nur einen Mehrbetrag von 70 Pf. bekommen. Das ist doch wohl nicht in Ordnung. Sie werden sagen: Das ist eine Konsequenz des Versicherungsprinzips. Aber von diesem Prinzip werden die Rentner nicht satt. Das können Sie in jeder Versammlung, in jedem Gespräch mit Rentnern heraushören. Im übrigen ist das Versicherungsprinzip in diesem Gesetz — ich werde noch darauf zu sprechen kommen — mehrfach durchbrochen worden.
Zunächst möchte ich ein Wort zur Fürsorge sagen. Gerade weil die Rentenaufbesserung in solchen Fällen zu gering ist, werden diese Rentner die Fürsorgeleistungen weiter beziehen müssen. Nun wissen wir doch, daß die Fürsorgeexperten seit Jahr und Tag erklären, dieses Mischsystem sei verkehrt, sie wollten von diesen laufenden Unterstützungen befreit werden. Sie wünschen das, was richtig ist und was wirklich not tut, nämlich eine klare und saubere Grenzziehung. Wäre dieses Gesetz nicht eine passende Gelegenheit gewesen, dieses dringende Anliegen einer echten Sozialreform vorwegzunehmen, etwa indem man den Fürsorgerichtsatz mit einem angemessenen Aufschlag als Ausgangspunkt für eine Staffelung genommen hätte, die ja nach oben hätte abfallen können, indem man also einen Mindestsatz für den Rentner mit langjährigen Beiträgen eingeführt hätte?
Die Begründung, die dem Gesetzentwurf im Bundesrat beigefügt worden ist, spricht davon — und Herr Kollege Stingl hat das auch erwähnt —, daß durch die bisherigen pauschalierten Zwischenlösungen der individuelle Ablauf des Versicherungslebens nicht genügend berücksichtigt worden sei. Nun, das klingt so, als ob das jetzt geändert, als ob das Versicherungsprinzip erfüllt werden sollte. Wie ist die Wirklichkeit? Wenn ich zu jedem Steigerungsbetrag aus der Zeit vor 1924 jene 80 oder 120 oder 40 % zuschlage und zu dem späteren Betrag bis 1938 40, 60 oder 20 %, — heißt das nicht wieder pauschalieren? Sicher, man wird es kaum anders machen können. Aber dann soll der Vater dieses Gesetzes, unser verehrter Herr Bundesar-
beitsminister — um einmal mit seinen Worten zu sprechen —, nicht „hergehen" und so tun, als ob damit eine Individualisierung erreicht würde. Der Mehrbetrag ist variiert, das stimmt; aber die Variierung selbst ist pauschaliert. Das ist alles. Was ist der Erfolg? Die an sich schon recht unglückselige Streuung der Renten, die wir heute haben — Minimalrenten um 50 DM herum bis zu Renten um 200 DM; es gibt sogar Renten um 400 DM —, wird noch vergrößert. Die Rentner werden sich das nicht erklären können, und die Undurchsichtigkeit des Rentensystems wird noch mehr verdichtet als bisher.
In diesem Zusammenhang noch etwas anderes. Die Mehrbeträge errechnen sich nach unterschiedlichen Prozentsätzen. Die Angestellten — das sagte ich — bekommen die 120 %, die Arbeiter 80, die Bergleute 40. Die Begründung heißt — das hat Herr Stingl auch ausgeführt -: Der eine erhält von seinem Beitrag 0,7 % Steigerungsbetrag, der andere 1,2 %, der dritte 2,4 %. Insoweit ist die Erklärung durchaus begreiflich. Aber wenn man schon auf gleiche Leistungen aus gleichen Beiträgen zusteuert — und das scheint uns durchaus richtig zu sein —, warum macht man dann nicht reinen Tisch und gleicht auch die Grundbeträge an?
Denn jenen 1,2 % Steigerungsbetrag der Arbeiter entspricht doch der niedere Grundbetrag von augenblicklich insgesamt 40 DM im Monat, dem niederen Steigerungsbetrag der Angestellten von 0,7 % der höhere Grundbetrag von 70 DM, und die Bergleute mit 2,4 % Steigerungsbetrag haben im Augenblick einen Grundbetrag von 23,75 DM, wie man in der Begründung nachlesen kann.
Wenn ich das hier anführe, dann komme man doch nicht damit, daß man den Grundsatz einer Angleichung in dem Entwurf durchführen wolle; denn der Entwurf hat diesen Grundsatz der Angleichung selbst dadurch durchbrochen, daß wieder ein Höchstbetrag von 30 DM eingeführt worden ist. Der Grundsatz wird also nicht eingehalten, und das widerspricht nun wirklich dem Grundgedanken der Versicherung, wie ja auch die Variierung des Mehrbetrags, von der vorhin die Rede war, dem Grundgedanken der Versicherung zweifellos widerspricht. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam. Dieser Grundsatz der Versicherung heißt: Für gleichen Beitrag gleiche Leistungen!
Ich habe einige Rechenbeispiele hier, die zeigen, daß noch viel tollere Ergebnisse aus diesem Entwurf herauskommen. Ein Arbeiterrentner, dessen Rente erst in den kommenden Jahren festgesetzt wird, bekommt nach diesem Gesetz 26 % Mehrbetrag; sein Kollege, der nach dieser Tabelle behandelt wird, weil er jetzt schon Rente bezieht, bekommt aber nicht 26 %, sondern nur 18 %. Das sind 8 DM im Monat Unterschied bei völlig gleichen Voraussetzungen. Wo bleibt denn hier die Gerechtigkeit? Bei den Angestellten ist es ähnlich. Der eine, dessen Rente erst später berechnet wird, bekommt nach diesem Rechenbeispiel 51 %, der andere nur 42 %. Effekt: 10 DM monatlich Unterschied!
Nun sagte der Herr Bundesarbeitsminister häufig, zuletzt in seiner Rede in Bad Nauheim vor dem Verband der Rentenversicherungsträger im März dieses Jahres, man solle das Versicherungsprinzip einhalten. Was hier geschieht, hat mit diesem Prinzip, das Sie ja so hochhalten und das wir in gewissen Fällen auch hochgehalten sehen
möchten, nichts mehr zu tun. Es bleibt eine ganz unbegreifliche, unerklärliche Ungerechtigkeit. Wenn schon Angleichung, dann volle Angleichung, und wenn Gerechtigkeit, dann volle Gerechtigkeit! Ich habe vorhin gehört, daß auch der BHE hinsichtlich der Gerechtigkeit Bedenken hat, etwa wegen der Herausnahme der Vertriebenen und der Sowjetzonenflüchtlinge dadurch, daß diejenigen, die unter das Fremdrentengesetz fallen, praktisch von diesem Gesetz nicht erfaßt werden.
Nur die Hälfte aller Rentner wird also praktisch in den Genuß dieses Renten-Mehrbetrags kommen. Aber auch von dieser Hälfte wird mancher leer ausgehen. All denen nämlich, die bisher außerdem Leistungen aus der Kriegsopferversorgung oder eine Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich oder Ausgleich aus der Fürsorge hatten, wird mit der linken Hand wieder genommen, was man mit der rechten Hand zunächst angeblich gibt. In dem früheren Entwurf des Bundesarbeitsministers, der, soviel wir wissen, noch dem Kabinett vorgelegen hat, war wenigstens für die Gruppe, die in § 1274 RVO und den benachbarten Paragraphen angesprochen ist, die Anrechnungsbestimmung gestrichen. Diese Sache ist aus jedenfalls mir nicht begreiflichen und unbekannten Gründen jetzt weggefallen. Erfolg: daß die Unfallrentner, die Kriegsopfer, die Vertriebenen, dazu viele Frauen wieder einmal die Ungerechtigkeit der Anrechnungsbestimmungen zu spüren bekommen werden. Warum macht man denn eigentlich immer wieder den gleichen Fehler, von dem wir jedesmal bei solchen Gesetzen sprechen müssen!
Nun ist endlich noch gesagt worden, die Durchführung dieses Gesetzes werde schnell ermöglicht werden. Eine Feststellung, die vom Bundesarbeitsministerium kommt: Zunächst einmal müssen 3 1/2 Millionen Fragebogen gedruckt, ausgegeben und von den Rentnern ausgefüllt werden. Es müssen demnach 3 1/2 Millionen Renten neu berechnet werden, darunter vor allem die Renten der Wand erversicherten, das sind immerhin 60 % aller Renten, die mehrfache Rechengänge erfordern. Das will man angeblich in kurzer Zeit bewältigen. Ich glaube, man kann voraussagen: keine Rente wird im Dezember dieses Jahres gegeben werden können, wenige Renten im Januar, die meisten vielleicht zu Ostern, zum Teil noch viel später. Mir liegen Äußerungen von Landesversicherungsanstalten vor, die sagen, es dauere bis zu neun Monaten, ehe das alles ausgearbeitet worden sei.
Hier darf ich eine Bemerkung zu dem machen, was der Herr Bundesarbeitsminister vorhin angeführt hat. Er hat darauf hingewiesen, daß Herr Staatssekretär Auerbach gestern in dem Bundesratsausschuß gesagt habe, dies sei ein Entwurf, der klar und sorgfältig ausgearbeitet worden sei. Ich will das nicht bestreiten, ich war nicht dabei. Ich weise nur darauf hin, Herr Bundesarbeitsminister: damals bei unserer Sozialreformdebatte sind Sie mit einer solchen Behauptung auch reingeflogen. Was Herr Auerbach gemeint hat, kann doch nur die Form betroffen haben. Inhaltlich ist dieses Gesetz unzulänglich; und daß Herr Auerbach das meint, weiß ich von ihm selbst.
Nun komme ich nach einmal auf die Abschlagszahlungen zurück. Wenn en solches Rechenwerk durchgeführt werden muß, ist vorauszusehen, daß mich die Abschlagszahlung, die sich doch in irgendeinem Verhältnis zu dem Mehrbetrag verhalten muß, ebenfalls längere Zeit dauern wird.
Was ich anführe, sind mehr als Schönheitsfehler. Mir scheint, daß die Dinge zum Teil — lassen Sie mich das ganz offen aussprechen — bis an die Fahrlässigkeit hinanragen, Dinge, die in einem Gesetz, das doch von einem Dutzend Ministerialreferenten, zum Teil, wir wir gehört haben, in strenger Klausur ausgearbeitet worden ist, einfach nicht passieren dürfen. Es sind systematische Fehler, zum Teil Ungeheuerlichkeiten wie die Herausnahme der Frühinvaliden und der vom Fremdrentengesetz Betroffenen, Dinge, die menschlich und politisch unbegreiflich sind.
Lassen Sie mich von der Systematik her noch einiges sagen. Für die Aufbringung der Mittel für diese Mehrbeträge hat man, bekanntlich nach einem sehr harten Kampf im Kabinett, jetzt eine Lösung gefunden, die ich beinahe genial nennen möchte, wenn sie nicht einen ungeheuren Haken hätte. Der Sachverhalt ist folgender. Da der Herr Bundesfinanzminister fürchtete, daß die Beträge, die sein Kollege Storch aus dem gegenwärtigen Rentenfonds nehmen wollte, in wenigen Jahren nicht mehr verfügbar seien und daß damit die Zahlungsverpflichtung auf ihn, den Finanzminister, zurückfallen werde, fand man den Ausweg, den Großteil der erforderlichen Summen — ich glaube, es ist sogar die gesamte Summe — aus der Arbeitslosenversicherung zu nehmen.
Der Rentenversicherung bleibt damit der gegenwärtige Kassenüberschuß, allerdings, meine Damen und Herren, zu einem hohen Preis. Sie setzen nämlich damit die Schraube der Beitragserhöhung an, die wir doch alle vermeiden wollten und sollten.
— Ja, ja, bis dahin noch lange Zeit! Aber heute kommt es darauf an, daß wir nicht etwas beginnen, was uns später Sorgen machen wird. Herr Finanzminister Schäffer glaubt nun, daß er nichts zu befürchten hat; denn die Absichten, die er sowieso auf die Mittel der Arbeitslosenversicherung hatte, gehen nun in Erfüllung. Aber eines, meine Herren von der Regierung, bleibt nach wie vor unverändert: es sind die Versicherten, die mit der Aufwertung dieser Rente belastet werden. Denn auch die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung werden bekanntlich von den Arbeitern und Angestellten aufgebracht. Die versicherten Arbeitnehmer sind damit die einzigen, die die Last ihrer Rentenaufwertung selbst zu tragen haben. Jedem, der ein Sparkassenbuch hatte, jedem Inhaber eines Bankkontos, einer Lebensversicherung hat der Staat die 6,5 oder 10 % Aufwertung gegeben, die die Währungsumstellung gebracht hat.
— Herr Stingl, ich komme gleich darauf zu sprechen: In der Sozialversicherung wurde im Verhältnis 1 : 1 umgestellt, aber das Vermögen dieser Sozialversicherung ist restlos weggenommen worden im Gegensatz zu allen anderen Vermögen. Und wer bezahlt denn diese Aufwertung 1 : 1? Doch wieder zu mindestens zwei Dritteln die Versicherten selbst, wie wir alle wissen. Jetzt aber, wo eine echte Aufwertung erfolgen soll, werden wieder die Versicherten herangezogen, und ihnen verweigert man die staatliche Wiedergutmachung.
Wir befinden uns mit dieser Auffassung in sehr guter Gesellschaft, nicht nur in Übereinstimmung
mit den Gewerkschaften und mit den Arbeitgebern, sondern auch, wie wir eben aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Atzenroth entnommen haben, in Übereinstimmung mit der FDP, die in ihrem Zwölfpunkte-Sozialprogramm ausdrücklich darauf hinweist, daß diese Mittel auch vom Staat gegeben werden sollten. Darüber hinaus befinden wir uns aber auch in Übereinstimmung mit der sozialpolitischen Wissenschaft und nicht zuletzt mit jener Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und Versicherungsgestaltung, der ja einige Herren Ihres Ministeriums, Herr Minister Storch, nicht ganz fernstehen. Alle diese Experten, alle diese Sachverständigen haben vor diesem Sachverhalt gewarnt. Sollen die Warnungen in den Wind gesprochen sein? Will der Finanzminister den Arbeitnehmern verweigern, was den Bankkonteninhabern zugebilligt wurde?
Nun, Herr Kollege Storch, haben Sie die Versicherungsansprüche häufig mit Eigentumsansprüchen verglichen, die nicht angetastet werden sollen, und jene Gesellschaft für Versicherungswissenschaft hat das aufgegriffen. Was hier aufgewertet wird, sind zweifellos jene von Ihnen angesprochenen Eigentumsansprüche. Warum, Herr Kollege Storch, Herr Bundesarbeitsminister, stehen Sie nicht jetzt, wo es auf die Tat ankommt, zu diesem Ihrem Wort, das Sie so oft wiederholt haben? Sie könnten es, denn die Bundesregierung hat offenbar schon damit gerechnet, diese Leistungen doch übernehmen zu müssen. Ich habe hier die Drucksache 808, die Antwort auf die Kleine Anfrage betreffend Förderung der Zonenrandgebiete. Darin sagt der Bundeswirtschaftsminister, Herr Dr. Erhard, daß eine Erhöhung der verfügbaren 120 Millionen DM nicht möglich sei, weil von verschiedenen Seiten auf den Bundeshaushalt „Anforderungen zukämen durch die Steuerreform und die Erhöhung der Sozialleistungen". So der Herr Bundeswirtschaftsminister. Ich weiß, der Herr Finanzminister hat sich gesträubt, die Dinge zu übernehmen. Entweder war er letztlich doch bereit, diese Mittel zu übernehmen, oder der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in dieser Antwort, nun, sagen wir, ein wenig ungenaue Angaben gemacht.
Besonders gestraft wird dabei eine Arbeitnehmergruppe, nämlich die höher bezahlten Angestellten und die freiwillig Versicherten. Die Angestellten mit einem Gehalt von 500 bis 750 DM müssen ihre Rentenmehrbeträge selbst bezahlen wie alle anderen. Aber außerdem müssen sie noch 1% Beitrag mehr zahlen, denn sie sind' ja nicht arbeitslosenversicherungspflichtig. Aus diesem Grunde kommt die Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrags um 1 % auf diese höher bezahlten Angestellten selbst zu.
Wir sollten im übrigen nicht übersehen, daß die Fürsorge zum Teil — nicht überall — auch wiederum entlastet wird, allerdings entlastet wird auf Kosten eben der versicherten Arbeitnehmer, die diese Mehrbeträge, wie ich Ihnen zeigte, selbst zahlen müssen. Die Fürsorge wird also durch die Beiträge der versicherten Arbeitnehmer entlastet. Darüber werden wir uns noch unterhalten müssen. Ich möchte nur auf eins hier schon hinweisen: die Stadtkämmerer und die Kreiskämmerer in den Gemeinden und Kreisen sollten nun nicht kommen und etwa der Fürsorge diese Mittel wegnehmen wollen, die hier erspart werden; sie sollten dafür
sorgen, daß diese Ersparnisse nun dafür gebraucht werden, wofür sie da sind, für die individuelle Fürsorgeleistung.
Noch etwas anderes werden die Rentner schwer zu spüren bekommen. Was ihnen mit einen Mehrbetrag, der in der Großzahl der Fälle um 10 DM herum liegen wird — die 30 DM sind fast die Ausnahme —, gegeben wird, das wird ihnen gleichzeitig ganz oder teilweise durch die Mieterhöhung wieder weggenommen.
Der Entwurf der Regierung für die Mieterhöhung ist doch nicht zufällig gleichzeitig erschienen. Der Herr Bundeswohnungsbauminister Preusker hat schon am Anfang dieses Jahres gesagt, Mieterhöhung und Rentenerhöhung müßten gleichzeitig vor sich gehen. In der Begründung zu dem Mieterhöhungsgesetzentwurf spricht man es ganz deutlich aus; man spekuliert auf die Rentenerhöhung, damit man keine Beihilfe für die Mieterhöhung zu gewähren braucht. Nun, über die Beihilfen für Rentner und andere sozial Bedürftige wird man bei dem Gesetzentwurf über die Mieterhöhung sprechen müssen. Aber, meine Damen und Herren, dem Rentner ein Jahr lang von Rentenerhöhung zu sprechen, die seine Not lindern soll, und ihm dann diese Erhöhung in Form von höheren Mieten teilweise wieder abzuknöpfen, das ist doch eine Grausamkeit und muß als solche empfunden werden.
Außerdem mache ich noch auf folgendes aufmerksam. Diese Koppelung von Mieterhöhung und Rentenerhöhung
wird auf Grund des Finanzierungssystems, das hier gewählt worden ist, doch nichts anderes heißen, als daß die versicherten Arbeitnehmer den Rentnern auch noch die Mieterhöhung zahlen sollen. Das ist ein Taschenspielerkunststück; anders kann man es gar nicht bezeichnen.
Was ich hier aufzähle, sind Dinge, die die Rentner und die Arbeitnehmer, die unmittelbar Beteiligten, angehen. Dieses Gesetz wurde draußen schon diskutiert, und es wird sicher jetzt weiter diskutiert werden, in der Fabrik, im Altersheim und in der Familie. Ich fürchte, es werden nicht sehr freundliche Worte sein, die die Regierung und die Regierungsparteien hier zu hören bekommen. Es wird heißen: warum waren und sind die Gelder etwa für Beträge an die Industrie, für Subventionen an die Landwirtschaft, für Diäten, für militärische und andere Zwecke da, und warum verschließt sich der Säckel des Finanzministers nun, wo es an die Altrenten geht? Sind die Altrentner nicht bereits um ein Jahr Rentenerhöhung gebracht worden dadurch, daß der Arbeitsminister leider die Tat nicht seinen Reden unmittelbar folgen ließ?
Nicht nur die Rentner werden sich Gedanken machen, sondern auch diejenigen, die die Notwendigkeit, ja, ich möchte sagen, die Überfälligkeit der Sozialreform kennen. Sie fragen sich doch: wie verhält sich dieses Altrentengesetz zu jener vom Bundeskanzler zugesagten umfassenden Sozialreform? Diese Besorgten, diese Wissenden werden auf die Verzerrung des Rentengefüges hinweisen, die hier noch vergröbert wird, wovon ich sprach, und sie werden sagen: Hier wird etwas getan, was die
Richtung der Sozialreform vorwegbestimmt, ohne daß man gewiß sein kann, daß das, was hier geschieht, nun in die Rentenreform auch tatsächlich hineinpaßt. Fast 700 Millionen DM werden für diesen Teil der künftigen Sozialreform ausgegeben, und damit zweifellos ein großer Teil der gesamten Mittel, die überhaupt für die Sozialreform in Betracht zu ziehen sind. Andere Gruppen — ich erinnere an die sogenannten älteren Witwen oder an die Militärpflichtigen des Kaiserreichs oder diejenigen, die im ersten Weltkrieg Dienst getan haben —, diese und andere, die, wie wir alle wissen, gewisse Ungerechtigkeiten aus der Sozialversicherung zu erleiden haben, werden damit evtl. vor die Lage gestellt, daß man ihnen sagt: Für euch ist kein Geld mehr da. Jede Teilreform, auch diese hier, muß notwendig mit dem Blick auf die Gesamtreform angelegt werden; sonst wird die Gesamtreform immer schwieriger. Der Beirat beim Bundesarbeitsminister ist zweifellos nicht zu beneiden, da er wiederum vor eine Tatsache gestellt wird, auf die er selbst gar keinen Einfluß hatte. Ihm werden die Wege damit vorgeschrieben. Und wie soll denn eine organische Sozialreform zustande kommen, wenn auf Veranlassung des zuständigen Ressortministers so unsystematisch, so nebeneinander her, so ohne Rücksicht auf die Zukunft gearbeitet wird?!
Es handelt sich nicht um eine kleine, um eine bedeutungslose Angelegenheit, die man etwa vorweg so nebenher mal erledigen kann. Es sind 5 Millionen Menschen, und ich schätze; mit ihren. Angehörigen und Wohnungsgenossen etwa 10 Million Menschen, die auf diesen Augenblick gewartet haben. Die Hälfte von ihnen wird, wie ich sagte, enttäuscht sein, daß sie gar nichts bekommen wird, und die andere, daß das Wort des Bundesarbeitsministers von den 30 DM nicht erfüllt worden ist. Ich nehme gern zur Kenntnis, daß dieses Wort von Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, in dieser Form nicht ausgesprochen wurde. Aber, Herr Minister, dieses Wort hätten Sie dementieren müssen! Es ist hinausgegangen in die Rentnerkreise. Ich habe es selbst erlebt, daß einer gesagt hat: „Von irgendeinem Monat an bekomme ich 30 Mark mehr, und da kann ich ein Abzahlungsgeschäft drauf aufbauen." Meine Damen und Herren, so kann man nicht Sozialpolitik machen, so kann man auch nicht wichtige innerpolitische Fragen behandeln. Es kann hier als zu leicht genommen empfunden werden, was doch von höchstem Gewicht für die Gesamtheit ist. Ich muß hier zum wiederholten, zum hundertsten Male sagen: das große Versäumnis des amtierenden Bundesarbeitsministers, vor nunmehr drei Jahren jene Soziale Studienkommission nicht angenommen, nicht in Lauf gesetzt zu haben, rächt sich gerade jetzt wieder einmal recht bitter. Die Altrentenerhöhung war eine Notwendigkeit. Aber sie hätte ein organischer Bestandteil der Gesamtreform sein müssen. Ich glaube mich berechtigt, nicht nur von der Opposition aus davor zu warnen, diesen Weg weiter zu beschreiten.
Ich möchte im übrigen aber ganz deutlich sagen: die Grundgedanken des Gesetzes halten wir für gut. Wir bejahen die Aufwertung jener alten Beiträge und die Erhöhung der Leistung, die hier erfolgt, und wir halten es für notwendig, diese Angelegenheit vorweg zu regeln. Was wir vermissen, ist etwas anderes: die Erfüllung jener vier Grundforderungen, die ich an den Anfang meiner Ausführungen gestellt habe, der Forderung, allen Sozialrentnern zu helfen, niedrige Renten besonders zu berücksichtigen, die Fürsorge nach aller Mög-
lichkeit auszuschalten und eine Rente zu schaffen, die jeder sich ohne Mühe selbst berechnen kann. Wenn man von diesen Grundsätzen ausgegangen wäre, hätte man ein Gesetz bekommen, dessen Leitgedanke gleichzeitig der großen Sozialreform gedient hätte.
Wir wissen, daß wir in dieser Kritik nicht nur mit den Rentnern und mit den Arbeitnehmern, sondern auch mit den Arbeitgebern und der Sozialwissenschaft einig gehen. Was wir besonders beklagen — das möchte ich zum Ende sagen —, das ist die Form dieser Regelung. Wir beklagen sie auch aus allgemein politischen Gründen. Wir haben doch jetzt so häufig gehört, welche Bedeutung der Innenpolitik gerade im gegenwärtigen Kalten Krieg zukommt. Der Herr Bundesinnenminister hat seine Erklärung zum Fall John auf dieser These aufgebaut. Nun fragen wir: dient der Entwurf dem, was man soziale Befriedung nennt? Wird der Sohn befriedigt sein können von der Rente, die der alte Vater erhält? Wird dieser Sohn an seinem Arbeitsplatz beruhigt arbeiten, wenn er weiß, daß ihm, wenn er frühzeitig invalide wird, weniger zugebilligt wird als einem älteren Rentner? Und wird dieser Sohn bereit sein, im gegebenen Falle mit echter, innerer Anteilnahme ein System zu verteidigen, das den Vater am Rande der Not hält? Denn so sieht doch die Bevölkerung diese Dinge!
Das ist nicht professoral, Herr Zwischenrufer,
sondern das sind die Dinge, die Sie draußen, wenn Sie in die Versammlungen gehen, immer wieder zu hören bekommen, und Sie müssen den Menschen, die Sie doch auch gewählt haben, etwas sagen, was sie verstehen können. Diese Menschen messen das Parlament doch an dem, was sie selbst kennen und was ihnen auf den Nägeln brennt. Ihnen von der Regierungskoalition und insbesondere von der CDU kann niemand die große Verantwortung abnehmen, die Sie mit Ihrer Mehrheit erhalten haben. Sie sollten dabei auch auf die Stimmen jener hören, die doch wohl teilweise auch Ihnen Ihr Vertrauen geschenkt haben!
— Dann machen Sie ein anderes Gesetz! Übernehmen Sie nicht solche Gesetze, Herr Horn! Die Forderung, daß die Innenpolitik gegenüber dem bisherigen Primat der Außenpolitik stärker zur Geltung kommen müßte, ist ja in der letzten Zeit, auch hier im Parlament, laut und lauter geworden. Dieser Entwurf, meine ich, hätte ein Beweis dafür sein können, daß die Regierung diesen Mahnruf verstanden hat. Ich befürchte allerdings, daß diese Probe von der Regierung wiederum nicht bestanden worden ist, und ich darf ruhig sagen, daß wir dies bedauern. Denn in einem sollten wir doch wohl einig sein: für die, die ein Leben lang für uns gearbeitet haben und auf deren Leistungen das wirtschaftliche Fundament unseres gegenwärtigen Staates beruht, für die Alten und die Siechen, die Väter und die Mütter sollte das Beste gerade gut genug sein. Dieser Entwurf aber ist nicht gut. Er gibt weithin Almosen, wo wir Opfer bringen sollten.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich in Frankfurt das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz eingebracht habe, habe ich einen festen Stamm von Gegnern dieses sozialen Wollens gekannt. Die Leute Ihrer Partei, Herr Professor, waren damals nicht dabei. Herr Professor Preller, ich möchte Ihnen eines sagen. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, ich solle mir sogar einmal die Stellungnahme ansehen, die die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung erarbeitet hat, und nun anscheinend in einer Front mit diesen Leuten gegen dieses Gesetz kämpfen wollen, dann tun Sie mir allerdings leid. Das sage ich Ihnen in aller Offenheit. Das, was die Leute in Köln erarbeitet haben, ist doch nichts anderes als ein Vorschlag, alle Rentner, die vor Beendigung des Krieges vorhanden waren, dem Herrn Bundesfinanzminister und damit letzten Endes den Wohlfahrtsämtern zu übergeben.
Derjenige, der arbeitet, fühlt sich mit dem Alten, der heute Rentner ist, solidarisch,
und das können manche Leute einfach nicht verstehen. Als wir in Frankfurt zusammen waren, da hatten wir die Frage der Aufbringung von 2 1/2 % Beitrag bei den Bergarbeitern zu lösen. Damals hat man unter den Politikern gesagt, das könne man den Bergleuten nicht zumuten. Ich war damals beim Bergarbeiterverband, habe mich zwei Stunden mit den Leuten unterhalten, und als ich wegging, da sagte der damalige Vorsitzende des Bergarbeiterverbandes zu mir: „Anton, du kannst getrost gehen; die Geschichte klappt. Wir haben für unsere Alten zu sorgen". Was wir jetzt tun wollen, ist letzten Endes dasselbe.
Sie sagen, das hätte der Bundesfinanzminister zu bezahlen. Nun, ich will Ihnen in aller Offenheit sagen: für den Bundesfinanzminister ist dieses Gesetz ein Teil einer Ordnung der Schäden, die aus dem Währungsverfall entstanden sind. Wollen wir auf sozialpolitischem Gebiet warten, bis wir eine derartige Aufwertungsquote bekommen können, daß wir damit die alten Leute versorgen können? Nein! Damals in Frankfurt haben es die Arbeiter ganz klar verstanden, daß man zur Aufrechterhaltung der sozialen Verpflichtungen den Beitrag von 5,6 auf 10 % erhöht hat. Kein Mensch draußen hat auch nur ein Wort dagegen gesagt. Die Leute sind nicht hergekommen und haben große Rechnungen aufgemacht und sich gefragt: Was ist denn das Versicherungsrisiko, .das sich in der Zukunft für mich realisieren muß?, sondern sie haben gesagt: Wie kann der arme Kerl, der vorher gearbeitet hat, nun in der Zukunft leben? Wir sollen doch nicht immer wieder auf den Staat und den Finanzminister verweisen. Wenn Walter Freitag , der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, einmal verkehrt verstanden worden ist, dann war es vor anderthalb oder zwei Jahren., als er seinen Leuten gesagt hat: Wer ist denn der Staat? Der Staat sind wir!
— Das hat er doch gesagt!
— Was hat er denn gesagt?
— Na also.
— Also, mein lieber Freund, ich habe mich mit Walter Freitag selber über die Frage unterhalten und mich darüber gefreut, daß er das gesagt hat, aus einem einfachen Grunde. Er wollte damit dokumentieren: 16 Millionen Menschen in unserem Volk sind heute Arbeitnehmer, und wenn wir sie mit ihren Familienangehörigen zusammennehmen, dann sind sie der weit überwiegende Teil unseres Volkes. Alle Forderungen, die wir an den Staat stellen, stellen wir damit doch an uns selbst.
Ich bin wirklich der Meinung, daß wir uns heute diese sozialpolitische Vorlesung des Herrn Professor Preller hätten ersparen können.
— Wir arbeiten heute anscheinend überhaupt mit sehr billigen Argumenten
Ich will Ihnen noch etwas anderes sagen. Sie haben erklärt, das Gesetz sei überhaupt nicht durchführbar. Wir unterhalten uns bei der Erstellung derartiger Gesetze nun nicht nur mit Leuten, die die Dinge draußen in der Öffentlichkeit vertreten, sondern wir haben uns wegen der Möglichkeiten der Vorauszahlungen mit den Leuten in den Sozialversicherungsträgern unterhalten, und alle sind der Meinung, daß man, wenn das Gesetz heute in der ersten Lesung über die Bühne geht, die Voraussetzungen dafür schaffen kann, daß am 1. Dezember Vorauszahlungen geleistet werden können, ohne daß Fragebogen ausgefüllt werden. Das ist doch das Entscheidende.
Es geht doch darum, daß die Leute, die diese Arbeit zu machen haben, sie für möglich halten, und nicht darum, daß man aus lauter Theorie heraus sagt: Weil das nicht möglich ist — und nach unserer Meinung ist es nicht möglich —, deshalb ist das alles schlecht. Daß ich hier in diesem Hause und in der Öffentlichkeit noch manche Angriffe wegen dieses Gesetzes erhalten würde, darüber war ich mir völlig klar, denn wir betreten ein völlig neues Gebiet. Wir versuchen, durch dieses Gesetz die Dinge, die uns zwei Weltkriege und die beiden Geldentwertungen oktroyiert haben, in eine gerechtere Ordnung zu bringen. Sehen wir uns die Rentenbescheide an. Ein Mann, der seinen Rentenbescheid vor 30 Jahren bekommen hat, hat eine Rente von 60 Mark, und jemand, der genau so lange gearbeitet hat und seinen Rentenbescheid heute bekommt, erhält eine Rente von 150 DM. Helfen Sie doch selber mit, daß dieser arme Kerl, der eben für die Rentenversicherung zu früh geboren ist, zu seinem Recht kommt, das dem entspricht, was er für die Volkswirtschaft und für die Sozialversicherung geleistet hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß Sie meinen, ich spreche hier als Theoretiker, sondern Sie werden mir zutrauen, daß ich von der Praxis der deutschen Sozialversicherung etwas verstehe.
Es wird Sie vielleicht interessieren, aus der Perspektive der Praxis einiges zu den Dingen zu hören.
Zunächst zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat. Der Herr Minister hat bedauert, daß ich in diesem Hause immer wieder seine Arbeit kritisiere. Herr Minister, das ergibt sich leider aus dem Tatbestand, daß Sie nun einmal Repräsentant der Sozialpolitik der Bundesregierung sind, und diese Sozialpolitik der Bundesregierung wird von meiner Partei nicht für sinnvoll gehalten. Vielleicht haben Sie persönlich in bezug . auf diese Sozialpolitik ein anderes Wollen, aber dieses Wollen konnten Sie nicht in dem vorliegenden Gesetz verwirklichen. Ich habe beispielsweise Kenntnis davon, daß Sie ursprünglich eine andere Konzeption für dieses Gesetz wollten. Jedenfalls haben Sie sich im Anfang anders über Altrenten ausgesprochen. Sie haben vielleicht ursprünglich daran gedacht, alle Rentner, auch die Invaliden, einzubeziehen, und das ist Ihnen dann von der Regierung unmöglich gemacht worden. Sie haben ursprünglich keinen Höchstbetrag, Sie haben ursprünglich keine Kürzungen gemäß den §§ 1274 bis 1279 RVO. gewollt. Aber hier in diesem Hause vertreten Sie die Sozialpolitik der Bundesregierung, und die Sozialpolitik der Bundesregierung in bezug auf dieses Gesetz ist nach meiner Auffassung unglücklich gelaufen.
Herr Minister, Sie haben wiederholt Herren zitiert, die hier im Hause nicht anwesend sind, Herrn Dr. Auerbach, Herrn Stock usw. Ich halte das für etwas bedauerlich, denn wir können die betreffenden Herren nicht befragen.
Ich habe nicht an der Sitzung des Ausschusses des Bundesrates teilgenommen und habe auch nicht mit Herrn Dr. Auerbach über dieses Gesetz gesprochen. Während dieser Sitzung habe ich eine Kollegin gebeten, mit Herrn Auerbach zu telefonieren, weil ich an den Beratungen hier teilnehmen wollte. Herr Dr. Auerbach gibt eine andere Darstellung der Verhandlungen im Bundesratsausschuß. Aber wir vermögen das jetzt hier nicht nachzuprüfen. Wir werden im Sozialpolitischen Ausschuß die Möglichkeit haben, auch die Vertreter des Bundesrats zu hören, und dann können sie uns ihre Meinung sagen, auch Herr Dr. Auerbach.
Sie haben dann Herrn Stock als Vorsitzenden des Verbandes der Rentenversicherungsträger zitiert. Dazu darf ich Ihnen sagen: ich habe auch mit Herrn Stock gesprochen — in den Ferien in aller Ruhe — und kenne seine Vorstellungen zu diesen Dingen im Positiven und im Negativen. Aber das ist hier nicht entscheidend.
Entscheidend scheint mir zu sein — und diesen Vorwurf muß ich aufrechterhalten —, daß dieses Gesetz eine überhastete Arbeit ist. Einen solchen Vorwurf muß ich begründen. Meine Damen und Herren, nehmen Sie sich doch bitte einmal die Begründung, die dem Bundesrat zugegangen ist, vor — Sie werden sie sich sicher beschafft haben -
und schauen Sie bitte einmal hinein. In der Begründung steht — um nur ein Beispiel zu nehmen — auf Seite 4 unter der Überschrift „Zu § 10", daß das Gesetz am 1. Dezember 1954 in Kraft treten soll, und das wird dann erläutert. Der tatsächliche § 10 behandelt aber die Arbeitslosenversicherung und enthält die Vorschrift, daß der Beitrag in der Arbeitslosenversicherung drei vom Hundert ist.
Das sind doch Dinge, die einfach nicht passieren dürfen.
Oder etwas anderes! Ich möchte meine Behauptung weiter belegen, damit ich nicht in den Verdacht komme, nur Kritik üben zu wollen. Lesen Sie sich bitte die Begründung durch, „Technischer Teil"! Sie sehen auf der Seite 10 eine Aufstellung: Berechnung der Angestelltenversicherung, mit Mehrbeträgen beginnend von 43 DM über 49 DM, 48 DM usw. Es wird für die einzelnen Renten berechnet, was der gesamte Mehrbetrag ausmacht. Das wird hinten übernommen, mit 12 multipliziert, 15 % zugeschlagen, ergibt den Aufwand. Das ist eine Berechnung, die für einen ganz anderen Entwurf, so vermute ich, aufgestellt worden ist, zu einem Entwurf, der noch keinen Höchstbetrag enthielt. So etwas kann man uns doch nicht vorlegen! Es ist eine interne Angelegenheit des Ministeriums, die Dinge vorher auszubügeln, bevor sie den offiziellen Weg zum Bundesrat gehen.
Oder um ein Weiteres zu nennen: die Berechnungen in der finanziellen Anlage schließen ein, daß keine Anrechnung nach den Kürzungsvorschriften der §§ 1274 bis 1279 RVO. - was das ist, wissen wir alle — erfolgt. Davon sind Sie ursprünglich ausgegangen. Nachher wurde Ihnen vielleicht in Kabinett oder irgendwo — ich weiß es nicht — eine solche Vorschrift gestrichen, und Sie mußten einen anderen Text des Gesetzentwurfs vorlegen. Aber es ist übersehen worden, die Berechnungen zu ändern. Wenn so etwas geschieht, dann bezeichne ich das als eine überhastete Arbeit.
Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Von den Vorschriften der §§ 1274 ff. werden nach meinen Unterlagen über 380 000 Witwen usw. betroffen. Das ist doch keine Kleinigkeit, und das muß doch bei Dingen, die gesetzesreif sein sollen, berücksichtigt werden.
Noch etwas anderes, meine Herren! Ich bezweifle, daß die Vorschrift des § 10 bezüglich des Beitrags der Arbeitslosenversicherung vorher mit den Organen der Bundesanstalt besprochen worden ist. Ich vermag das nicht nachzuprüfen, weil ich nicht Mitglied der Organe bin.
Aber Sie werden das selbst feststellen können. Wir werden auch bei den Sachverständigenberatungen nachprüfen können, ob diese Stellen vorher befragt worden sind. Ich muß es bezweifeln, zumal es die Regierung verabsäumt hat, in der Begründung über diesen doch sehr wichtigen Tatbestand auch nur ein Wort zu sagen. Diese Dinge sind doch von volkswirtschaftlicher Bedeutung.
Ein Weiteres! Die Beiträge in der Rentenversicherung werden auf 11 % erhöht. Das ist doch keine Kleinigkeit! Sie sagen: dafür werden sie in der Arbeitslosenversicherung gesenkt. Aber das hat doch Auswirkungen, die in der Hast nicht voll bedacht worden sind.
Auch der Beitrag in der freiwilligen Versicherung wird erhöht. Für jeden der vielen Millionen Männer und Frauen, die freiwillig Beiträge zur Rentenversicherung kleben, muß nach der Fassung, wie ich sie verstehe — ich bitte mich nötigenfalls zu belehren —, eine Erhöhung um 10 % eintreten, ohne daß die Betreffenden eine erhöhte Leistung erhalten; denn die erhöhte Leistung wird nur für Beiträge bis 1939 gewährt und nicht für diese neuen Beiträge.
Das sind doch Tatbestände, die überlegt werden müssen. Ich kann hierzu nur erklären: diese Dinge sind vorher nicht genau überlegt worden. Wie es sich im einzelnen vollzogen hat, weiß ich nicht. Ich vermute, daß im letzten Augenblick andere Stellen außerhalb des Arbeitsministeriums gekommen sind und andere Vorstellungen durchgesetzt haben. Diese Dinge sind in letzter Minute hineingearbeitet worden, und dann ist die Begründung in der alten Fassung, die für einen ganz anderen Gesetzentwurf bestimmt war, herausgegangen. Das spricht meiner Überzeugung nach dafür, daß die Dinge übereilt in die jetzige Fassung gebracht worden sind. Das habe ich behauptet, und ich bitte, mich im Ausschuß zu belehren, wenn ich mich täusche.
Nun etwas anderes. Der Herr Minister hat uns berichtet, er habe selbst darüber Klage geführt, daß die Sozialenquete noch nicht vorliegt. Ich habe das mit Interesse zur Kenntnis genommen. Meine diesbezügliche Kritik bitte ich dann an den verantwortlichen Minister — ich glaube, es ist der Bundesminister des Innern — weiterzugeben. Da hat dieses Ministerium die Termine, die in Aussicht gestellt worden sind, nicht eingehalten.
Nun wurde sowohl von Herrn Kollegen Stingl wie von dem Herrn Bundesarbeitsminister erklärt, daß die Gesetzesvorlage der Sozialdemokratischen Partei schematisch sei. Man kann natürlich sagen, daß es eine schematische Regelung sei, wenn man jedem als Sonderzulage eine Monatsrente zahlt. Das soll aber keine endgültige Regelung sein, sondern wir haben ausdrücklich erklärt, daß es eine Sofortmaßnahme ist. Wenn wir unterstellen, daß die Renten, die jetzt laufen, einigermaßen sozial gerecht sind, dann ist die Lösung mit der 13. Monatsrente als Sofortmaßnahme geeignet. Ist dagegen eine Monatsrente als Sonderzahlung falsch, dann ist die gegenwärtige Rentengestaltung ungerecht, und wir müssen an die Regierung die Bitte richten, dieses Gefüge schleunigst zu verändern. Man muß fragen, warum nicht schon längst etwas getan wurde, wenn hier ein großer Mißstand vorhanden ist. Ich glaube aber, man kann bei einer Sofortmaßnahme, die schnellstens durchgeführt werden soll, durchaus berechtigt von dem gegenwärtigen Tatbestand ausgehen.
Aber noch etwas anderes. Sowohl der Herr Kollege Stingl wie der Herr Bundesarbeitsminister haben gesagt, durch die Regelung der Regierungsparteien würde eine bessere Gerechtigkeit geschaffen. Ich bin nicht dieser Auffassung. Für einen großen Teil der Rentner trifft das nicht zu; es mag sein, daß es vielleicht für einen anderen Teil der Fall ist. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel an Hand der Tabelle des Entwurfes einmal darlegen. Ich nehme zwei Personen, die heute 60 Jahre alt sind, die das gleiche Arbeitsleben haben, genau die gleichen Beiträge in der gleichen Zeit entrichtet haben. Die Voraussetzungen sind bei beiden Personen völlig gleich. Der eine von diesen beiden ist im Jahre 1939 invalide geworden und bezieht seit 1939 eine Rente. Soweit ich die Tabelle übersehe, erhält er einen Mehrbetrag in Höhe von 45 % seines Steigerungsbetrages. Der andere hat bis 1939 die gleichen Beiträge gezahlt, ist dann in diesem Jahre aus der Versicherung ausgeschieden, weil er sich selbständig gemacht hat oder weil sein Verdienst über der Einkommensgrenze lag. Er beantragt jetzt, im Jahre 1954, seine Rente. Mit den gleichen Beiträgen bis 1939 erhält er, wie Sie aus der Tabelle sehen, einen Mehrbetrag von 16 % des Steigerungsbetrags, also etwa ein Drittel von dem, was der erste erhält. Das scheint mir mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit nicht vereinbar zu sein.
Es gibt aber noch viele, viele andere Unterschiede zwischen invalidenversicherten Arbeitern und Angestellten. Das werden wir im Ausschuß im einzelnen sehr eingehend erörtern. Ich gehe nur deshalb hier darauf ein, weil mir gesagt wurde, die Regelung des Regierungsentwurfes sei gerecht.
Gestatten Sie mir, daß ich zum Abschluß folgendes sage. Wir erheben auch den Vorwurf, daß dieser Gesetzentwurf als eine vorläufige Maßnahme
— er bringt keine endgültige Rentenreform — eine zu komplizierte Regelung darstellt. Ich muß diesen Einwand aufrechterhalten, weil die Feststellung des Tatbestandes, was Rentenbeginn ist, ein Problem für eine Doktorarbeit ist.
— Lassen Sie sich das mal von den Sachverständigen im Ausschuß sagen, Herr Kollege Arndgen. Wir werden sie darüber befragen, und Sie werden da manches zu hören bekommen. Bei den Vertriebenen ist meiner Überzeugung nach der Rentenbeginn gar nicht exakt festzustellen. Bisher war es nicht wichtig, wann die Rente in der Heimat begonnen hat, ich weiß nicht, in Polen, in der Tschechoslowakei oder sonstwo. Dieser unsichere Tatbestand soll hier zu einem wesentlichen Inhalt des Gesetzes erhoben werden, davon ist nämlich die Höhe des Mehrbetrags in wesentlichen Punkten abhängig.
Das gibt uns Anlaß zur Sorge. Selbstverständlich müssen wir uns darüber sehr eingehend unterhalten und überlegen, welche andere Regelung getroffen werden kann. Das ist aber nicht eine Sache, die über den Daumen gepeilt werden kann. Gerade deshalb schlägt meine Fraktion eine Sofortmaßnahme vor.
Meine Herren, insbesondere von der CDU, vergleichen Sie die Gestaltung dieses Gesetzentwurf es, bitte, mit dem, was der Parteitag der CDU in Hamburg in seinem Programm zur Wahl des Bundestags bezüglich der Rentenversicherung als Forderung aufgestellt hat. Ich möchte es Ihnen kurz vorlesen:
Dazu ist notwendig . . . Überführung des bisherigen, von der Not aufgezwungenen Zulagensystems in der Rentenversicherung in ein übersichtliches Berechnungssystem, das eine Selbstberechnung auch für die Empfänger der Altersrenten ermöglicht.
Ich glaube, daß der Gesetzentwurf mit diesem Grundsatz nicht in Einklang zu bringen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns, seitdem der Kollege Professor Dr. Schellenberg diesem Hohen Hause angehört, schon daran gewöhnt, daß er sich, allerdings in unterschiedlichen Graden, an dem Herrn Arbeitsminister reiben muß.
Ich will nicht näher darauf eingehen. Eines hätte ich aber bei der Stellungnahme des Herrn Professor Schellenberg doch erwartet, daß er nämlich aus seiner reichen Erfahrung als Chef eines Versicherungsträgers in einer Zeit, wo er ziemlich frei in dieser Einrichtung walten konnte,
Vorschläge unterbreitet hätte, wie man die Dinge besser machen könnte, als in unserem Entwurf vorgeschlagen ist.
Dann ist hier eine sehr lange professorale Vorlesung gehalten worden.
Mir haben Abgeordnete dieses Hauses gesagt: „Man soll nicht annehmen, wir wären Studenten." „Das ist ja nicht mehr anzuhören, wie hier professoral mit uns herumexerziert wird."
Wenn man die Rede auf ihren Extrakt hin prüft, weiß man nicht, was man damit anfangen soll.
Er hat an dem Entwurf, den wir eingebracht haben, auch nicht ein gutes Haar gelassen. Aber am Schluß mußte derselbe Herr Professor feststellen, daß dieses Gesetz in seinen Grundzügen gut sei.
Wenn dem so ist, Herr Professor, dann habe ich Ihre lange Rede, in der Sie versucht haben, dieses Gesetz zu zerfetzen, nicht verstanden. Man sollte, wenn das Gesetz in seinen Grundzügen gut ist, demselben zustimmen und im Ausschuß versuchen, in einmütigen Beratungen die Mängel zu beheben, die ihm noch anhaften sollen.
Wir werden aber bezüglich der Altersversorgung in der Invalidenversicherung usw. kaum zu einer ein-
heitlichen Auffassung kommen, und zwar so lange nicht, als Ihr Endziel die allgemeine Volksversorgung ist. Wenn ich mir Ihren Gesetzentwurf bezüglich der einmaligen Rente als Ausgleich ansehe, dann muß ich sagen: dieses Gesetz ist ein Weg, zu Ihrem Ziel, zur endgültigen Volksversorgung zu kommen.
Demgegenüber halten wir an der Aufgliederung der Versorgung unserer Menschen fest, nämlich an dem Grundsatz, daß neben der Versicherung die Versorgung und neben der Versorgung die Fürsorge zu stehen hat. Solange wir an dieser Aufgliederung festhalten, müssen wir die Versicherung so formen, wie wir es jetzt mit unserem Gesetz wollen, ein erster Schritt zur Wiederherstellung des Versicherungsprinzips sein soll.
Ich habe gar nicht die Absicht, auf alle Ihre Ausführungen einzugehen. Es genügt hier, festzustellen, daß Sie selbst sagen: Dieses Gesetz ist in seinen Grundzügen ein gutes Gesetz.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will keine professorale Rede halten.
Ich will hier aber auch nicht mit Schlagworten und Phrasen operieren.
Beides ist falsch. Wir sollten hier kurz und nüchtern zur Sache Stellung nehmen. Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, Ihnen an Hand von einigen Beispielen meine Ansicht zu den wesentlichsten Bestimmungen des Gesetzes, und zwar zu den Bestimmungen, nach denen die Aufwertung der Renten berechnet werden soll, noch klar zum Ausdruck zu bringen, nachdem wir heute immerhin einen sehr anstrengenden Tag hatten. Ich hoffe, daß Sie wenigstens noch in der Lage sind, mich zu verstehen.
Ich glaube, daß wir dann zu einer sachlichen Beratung kommen werden.
Sie wissen doch alle — ich will Ihnen keinen Vortrag halten und Sie nicht als Studenten ansehen —, daß die Renten der Angestellten und die der Arbeiter aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag bestehen. Sie wissen, daß der Steigerungsbetrag in der Angestelltenversicherung 0,7 % des Beitrags und in der Arbeiterversicherung 1,2 % des Beitrags ausmacht. Dieser Unterschied ist die Ursache der Schwierigkeiten, an denen wir aber alle schuld sind. Ob der Beitrag gleichhoch oder verschieden ist, richtet sich nach dem Lohn. Aber der Unterschied im Steigerungsbetrag ist da. Sie wissen, daß der Grundbetrag in der Arbeiterversicherung nach den verschiedenen Erhöhungen in den letzten Jahren nur 40 DM ausmacht, während er sich in der Angestelltenversicherung auf 70 DM beläuft. Das ist das zweite Übel unserer Rentenversicherung. Ein gleicher Versicherungszweig wird bei zwei Gruppen der Arbeitnehmerschaft, bei den Angestellten und den Arbeitern, trotz gleicher Beiträge derart verschieden behandelt. Ich rede nicht davon, ob das gerecht ist, ob das vernünftig ist, ich stelle nur eine Tatsache fest, sonst gar nichts.
Und nun kommt dieses Gesetz. Da habe ich mir wie Sie alle Gedanken gemacht. Ich habe mich gefragt: Warum kommt man hier auf die Idee, den Steigerungsbetrag des jetzigen Rentners in der Angestelltenversicherung um 120% zu erhöhen, den des Invalidenrentners jedoch nur um 80 %? Ich habe mir gesagt, das wird wohl deshalb so sein, weil der Steigerungsbetrag in der Angestelltenversicherung nur 0,7 %, der Steigerungsbetrag in der Rentenversicherung der Arbeiter aber 1,2 % ausmacht. Ich habe mir aber doch gesagt, wenn man ein und dasselbe aufwertet, also den Steigerungsbetrag in der Rentenversicherung, ob Arbeiter oder Angestellter, dann kann die Aufwertung doch nicht verschieden hoch sein. Die Aufwertung muß doch gleich hoch sein. Ich bin deshalb der Auffassung, daß der Aufwertungssatz für die Arbeiterrentenversicherung ebenfalls 120% betragen muß. Wenn Sie sagen: „Nein, das geht nicht", wenn Sie hier nicht nur aufwerten, sondern den Steigerungsbetrag des Angestellten an den höheren Steigerungsbetrag des Arbeiterrentners angleichen wollen, dann müssen Sie doch auch den Grundbetrag der Arbeiterrente an den wesentlich höheren Grundbetrag der Angestelltenrente angleichen. Wenn Sie also in einer Sache, und zwar beim Steigerungsbetrag, auszugleichen versuchen wollen — was ich sehr begrüße —, dann müssen Sie das nach dem Grundsatz der Gerechtigkeit doch auch bei dem Grundbetrag machen, so daß eben der Arbeiter, der denselben Beitrag gezahlt hat, die gleiche Rente bekommt, die gleiche Chance hat wie der Angestellte. Meiner Ansicht nach können Sie nicht nur eine Seite erhöhen.
— Es handelt sich nur um den Mehrbetrag für die Rente, und zwar erreichen Sie den Mehrbetrag auf Grund des gewährten Steigerungsbetrags.
Aber es handelt sich um die Altrentner, und da die Geldentwertung doch die Ursache der unglücklichen Verhältnisse ist, ist es doch praktisch eine Aufwertung des entwerteten Geldes, und zwar in dem Bestandteil „Steigerungsbetrag" bei der Rentenversicherung.
Nun habe ich einmal ein Beispiel ausgerechnet. Es steht amtlich fest, daß die Durchschnittsrente in der Arbeiterrentenversicherung pro Monat 78,50 DM beträgt. Es ist weiter amtlich festgestellt, daß die Durchschnittsrente in der Angestelltenversicherung 121 DM beträgt. Nun habe ich von der Durchschnittsarbeiterrente die 40 DM Grundbetrag abgezogen, und da bleiben 38,50 DM, die durch Steigerungsbeträge — im Durchschnitt gesehen — zusammengekommen sind. Dann habe ich die 70 DM Grundbetrag bei dem Durchschnittsbetrag der Angestelltenrente von 121 DM abgezogen, und da bleiben 51 DM Steigerungsbetrag dieser Rente. Und nun hören Sie: Nun werden diese 38,50 DM bzw. der Teil, der bis zum 31. Dezember 1938 zusammengekommen ist — sagen wir: die Hälfte; es sind nur Beispiele —, um 80 %
erhöht. Die Hälfte sind 19,25 DM, davon 80 % gibt einen Mehrbetrag von 15,40 DM pro Monat. Die Hälfte des Steigerungsbetrags von 51 DM in der Angestelltenversicherung aber sind 25,50 DM. Dieser Betrag wird nun um 120 % erhöht, und das sind 30,60 DM an Mehrbetrag im Monat. Ich glaube, so geht es nicht.
Ich wollte Ihnen lediglich dieses Beispiel vorgeführt haben. Ich glaube, wir müssen dieses Problem im Ausschuß eingehend besprechen. Hier handelt es sich nicht darum, den Angestellten zu benachteiligen und den Arbeiter vorzuziehen. Dagegen bin ich ganz entschieden. Hier handelt es sich um gleiches Recht für alle, wenn wir hier den alten Steigerungsbetrag — errechnet bis 1938 — entsprechend der normalen Geldentwertung, die nichts mit Inflation und Währungsumstellung zu tun hat, erhöhen, also eine Gerechtigkeit auf diesem Gebiet durchführen wollen.
Das wollte ich erwähnt haben, und ich bitte, daß wir uns bis zu unserer ersten Ausschußsitzung, die hoffentlich bald stattfinden wird, Gedanken machen, um eine gerechte Lösung dieses Problems zu finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will diese Debatte nach den voraufgegangenen Vorträgen nicht noch weiter verlängern. Es ist aber notwendig, noch ein paar Sätze zu der Drucksache 815 zu sagen, in der die Zahlung einer Teuerungszulage an die Rentner der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen gefordert wird. Erstmalig ist das Hohe Haus im Juni 1951, gelegentlich der Beratung der Drucksache Nr. 2334, mit der Lage dieser Pensionskasse befaßt worden. Der Bundestag hat die Regierung in einem Beschluß vom 18. Juni 1952 beauftragt — das wurde vorhin bei der Begründung schon gesagt —, erstens einen Gesetzentwurf über die Sanierung dieser Pensionskasse vorzulegen und zweitens zwischenzeitlich durch finanzielle Hilfe dafür zu sorgen, daß die Rentenzahlungen an die Pensionäre dieser Kasse gesichert blieben. Die zweite Forderung ist von der Bundesregierung auch von dem damaligen Zeitpunkt an erfüllt worden. Vorher war der Kasse schon finanzielle Hilfe von Länderseite zuteil geworden. Ich will nur erwähnen, daß im Bundeshaushalt 1953 ein Darlehen in der Höhe von 4 Millionen DM und im Bundeshaushalt dieses Jahres ein solches von 6 Millionen DM enthalten sind.
— Darlehen, verehrter Herr Kollege! Erst das kommende Sanierungsgesetz soll aus diesen Darlehen, sagen wir einmal, verlorene Zuschüsse machen. Vorläufig ist es haushaltsmäßig nicht anders möglich, als es im Haushalt selber als Darlehen zu bezeichnen. Darüber hinaus hat die Pensionskasse noch etwa — wenn ich recht unterrichtet bin — 2,5 Millionen DM Einnahmen aus Ausgleichsforderungen, so daß ihr für die Bestreitung ihrer Verpflichtungen im laufenden Rechnungsjahr im ganzen 8 1/2 Millionen DM zur Verfügung stehen.
Nun hat der Bundestag im Juni 1953, weil bis dahin die Vorlage der Regierung noch nicht vorlag, zum zweiten Mal einen derartigen Auftrag an die Regierung erteilt, und es ist festzustellen, daß es der Bundesregierung auch bis heute noch nicht möglich gewesen ist, diese Vorlage dem Hause zu erbringen. Ich habe Verständnis für gewisse Schwierigkeiten, die in dieser Problematik im ganzen liegen. Bei der Begründung vorhin ist darauf hingewiesen worden, daß diese Kasse eine einzigartige Stellung einnimmt, eine einzigartige Struktur hat, wie sie keine andere Pensionskasse aufweisen kann. Trotzdem darf wohl darauf hingewiesen werden, daß es natürlich auch noch andere ähnliche Einrichtungen gibt. Ich darf beispielsweise auf die Pensionseinrichtung der deutschen Presse verweisen,
auch noch auf andere, die ebenfalls unter Schwierigkeiten leiden. Man muß bis zu einem gewissen Grade verstehen, daß auch sie nach einer Hilfe rufen. Aber diese Dinge machen der Bundesregierung die Lösung des Gesamtproblems natürlich nicht leichter. Ich weiß, seit dem Jahre 1951/52 ist diese Frage das Anliegen aller Fraktionen dieses Hauses. Speziell meine Fraktion hat sich in der Zwischenzeit — das wird auch durch die Leitung der Pensionskasse sicherlich bestätigt werden können — immer wieder mit dieser Frage befaßt und auch in soundso oft wiederholten Unterredungen mit den daran beteiligten Ressorts der Bundesregierung darüber diskutiert. Aus der letztgeführten Unterredung kann ich sagen, daß der Entwurf über die Sanierung, wie er vom Bundestag damals gefordert wurde, fertiggestellt ist. Ich kann hier nur dem ganz dringenden Ersuchen an die Regierung Raum geben, daß sie nunmehr, nachdem also offenbar auch die letzte Klippe überwunden ist, dem Hohen Hause mit dieser Vorlage mit aller Beschleunigung diene. Bei der letzten im Finanzministerium geführten Unterhaltung ist mir eine Angabe der Leitung der Pensionskasse bestätigt worden, daß dieses Anliegen, die Gewährung von Teuerungszulagen, aus den zur Verfügung stehenden Mitteln bestritten werden kann, ohne daß dafür zusätzliche Anforderungen etwa an den Bundeshaushalt gestellt werden müssen. Eine solche Tatsache, meine Damen und Herren, macht natürlich die Lösung eines solchen Problems sympathischer oder, ich will einmal sagen, leichter. Ich möchte hier erklären, daß das Anliegen als solches, das diese Pensionäre oder Rentner haben, dem Grunde nach bei uns positive Aufnahme findet und daß wir durchaus bereit sind, an der Lösung dieser Frage mitzuarbeiten.
Wir hätten nur gewünscht — das habe ich auch im Finanzministerium zum Ausdruck gebracht —, daß man die Gewährung der Teuerungszulage gleichzeitig mit der gesamten Sanierungsvorlage hätte beschließen können. Ich möchte auch jetzt die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben, daß das möglich sein wird.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen, was immerhin bei der Gesamtbeurteilung dieses Problems gesagt werden muß. Bei der besonderen Struktur dieser Pensionskasse und bei der besonderen Verpflichtung der Arbeitgeber, die hinter dieser Pensionskasse stehen, kann man auch im Zusammenhang mit der eventuellen Erhöhung der Pensionen nicht so ohne weiteres über diese Verpflichtung der Arbeitgeber hinwegsehen. Man sollte sie zumindest in das Betrachtungsfeld mit einbeziehen, um damit deutlich zu machen, daß eine Verpflichtung, in dieser Frage etwas zu tun, nicht einseitig auf den Bund verlagert werden
kann, sondern daß sich die verehrlichen Arbeitgeber dieser Einrichtung darüber auch ihre gewissenhaften Gedanken machen sollen. Ich will das in diesem Zusammenhang wenigstens einmal angedeutet haben.
Meine Damen und Herren, meine Freunde sind also bereit, an der Lösung dieses Problems auch immer mit dem Blick auf die echte Sanierung dieser Kasse mitzuarbeiten, so wie es im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen ist. Wir sehen uns allerdings außerstande, wie der Kollege Scheuren hier eigentlich gewünscht hat, diesem Antrag im Plenum ohne weiteres unsere Zustimmung zu geben. Wir beantragen Überweisung dieser Drucksache 815 an den Sozialpolitischen Ausschuß.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht, so wie es die vorigen Redner zum Ausdruck gebracht haben, abgeneigt, mir eine professorale Rede anzuhören. Das hängt vielleicht damit zusammen, daß ich noch zu den Jüngeren hier zähle. Aber eines, Herr Professor Preller, darf ich feststellen. Ich habe Ihren Ausführungen sehr wohl entnommen, daß Sie im Prinzip auf eine Staatsversorgung hinauswollen. Sie haben in Ihren Ausführungen betont, daß Sie eine gleich große Rente erreichen wollen, wenn ich Sie recht verstanden habe. Gerade das wollen wir nicht. Wir wollen davon ausgehen, daß das Arbeitsleben Bezug hat auf die Rente, die der einzelne erhält.
Dem Herrn Kollegen Richter möchte ich sagen, daß ich schon in der Begründung betont habe, daß es uns bei dem Mehrbetrag nicht darum geht, den Steigerungsbetrag oder den Grundbetrag zu erhöhen, sondern darum, als drittes Element den Mehrbetrag einzuführen. Dieser Mehrbetrag der Rente soll sich nach unserem Willen aus dem Arbeitsleben des einzelnen Rentenempfängers ergeben. Dafür ist nun leider kein Schema vorhanden, nach dem wir völlig gerecht verfahren könnten. Dafür sind, wie Sie aus den §§ 4 und 5 ersehen — weil wir die Unterlagen nicht haben —, maßgebend das Geburtsjahr und der vermutliche Beginn der Rentenbeitragsleistung. Maßgebend sind der Beginn der Rente und der Steigerungsbetrag, also drei Elemente, die erst einen Schluß darauf zulassen, wie das Arbeitsleben verlaufen ist und welches Entgelt der einzelne erhalten hat. Daß diese Berücksichtigung des Geburtsjahres und des Rentenbeginns in § 3 nicht zu finden ist, versteht sich von selbst, weil hier die Rente erst später festgestellt wird.
Meine Damen und Herren, sicherlich werden wir im Ausschuß darüber reden müssen, ob diese Vom-
Hundert-Sätze haargenau stimmen oder ob wir sie hier und da ein bißchen modifizieren können. Die letzte Vollendung der Gerechtigkeit werden wir nie erreichen können, die müssen wir schon dem Herrgott überlassen.
Meine Damen und Herren, es liegen nun keine Wortmeldungen mehr vor.
Ich kann zu den Abstimmungen kommen. Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzulage in den gesetzlichen Rentenversicherungen, Drucksache 788 — das
ist Punkt 7 a der Tagesordnung —, dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich schlage Ihnen vor, Punkt 7 c — Entwurf eines Gesetzes zur Gewährung von Mehrbeträgen an alte Rentner in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Neufestsetzung des Beitrages in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeitslosenversicherung, Drucksache 820 — an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß zu überweisen und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Dann schlage ich vor, Punkt 7 d — Antrag der Fraktion der SPD betreffend Erhöhung der Leistungen der öffentlichen Fürsorge, Drucksache 789 — an den Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge zu überweisen. — Es ist so beschlossen.
Schließlich schlage ich vor, Punkt 7 e — Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zahlung einer Teuerungszulage an die Rentner der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen, Drucksache 815 — an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß und an die Ausschüsse für Sozialpolitik und für Geld und Kredit zur Mitberatung zu überweisen. — Auch hier erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich darf feststellen, daß wir damit am Ende der gestrigen Tagesordnung angekommen sind.
Wir kommen nunmehr zur heutigen Tagesordnung. Ich darf Ihnen vorschlagen, den Punkt 1
a) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Starke, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Henn, Wacher und Genossen betreffend Wirtschaftsplan des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1954, hier: Förderungsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet (Drucksache 741);
b) Große Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen, Dr. Starke, Wacher , Dr. Henn und Genossen betreffend Richtlinien der Bundesregierung für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Drucksache 745);
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Starke, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Henn, Wacher und Genossen betreffend Weiterführung der Förderungsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet im Haushaltsjahr 1955 (Drucksache 742);
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Henn, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Starke, Wacher und Genossen betreffend Anwendung der Richtlinien der Bundesregierung für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf Aufträge der Besatzungsmächte (Drucksache 743);
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wacher , Dr. Starke, Frau Dr. Brökelschen, Dr. Henn und Genossen betreffend Richtlinien der Bundesregierung für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Drucksache 744),
abzusetzen, da der Herr Vizekanzler dienstlich verhindert ist. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Punkt 2 wurde bereits abgesetzt.
Es wird vorgeschlagen, auch Punkt 3
a) Große Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Investitionshilfe ;
b) Beratung des Antrags des Abgeordneten Raestrup, Stücklen, Spies , Dr. Dollinger und Genossen betreffend Rückerstattung aus dem Investitionshilfe-Aufkommen (Drucksache 676),
abzusetzen. — Es ist ebenso beschlossen. Dann rufe ich Punkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Naegel, Dr. Atzenroth, Samwer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Abwicklung der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft und die Errichtung eines Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft (Drucksache 719, Umdrucke 170, 164);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksachen 804, zu 804).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Lenz .
Meine
Damen und Herren! Die Gesetzesvorlage über die Abwicklung der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft und die Errichtung eines Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft — Drucksachen 804, zu 804 und Umdruck 170 — geht auf den Initiativantrag der Abgeordneten Naegel, Dr. Atzenroth, Samwer und weiterer Abgeordneten — Drucksache 719 — zurück. Diesem Antrage lag die Absicht zugrunde, die derzeitige Bundesstelle für den Warenverkehr in Frankfurt abzubauen und jene Aufgaben ihres Sachbereichs, die für die Zukunft noch einer zentralen behördlichen Bearbeitung bedürfen, einem Bundesamt zu übertragen.
Die Bundesstelle für den Warenverkehr wurde durch Gesetz vom 29. März 1951 errichtet. Als zentrale Bundesoberbehörde sollte sie nach Auslaufen des Fachstellen-Gesetzes nach dessen Verlängerung bis zum 31. März 1951 die noch verbliebenen , erheblich verringerten Aufgaben übernehmen. Wenn auch bereits damals in Rechnung gestellt wurde, daß ihr aus der Ausweitung des Außenhandels evtl. neue Aufgaben erwachsen könnten — eine Annahme, die sich übrigens bestätigt hat —, so hat es doch von Anfang an keinen Zweifel darüber gegeben, daß es sich um eine Einrichtung handelt, die nur von vorübergehender Dauer sein sollte. Das bis zum 30. Juni 1952 befristete Gesetz über die Errichtung dieser Stelle ist in seiner Geltungsdauer mehrfach verlängert und auch geändert worden, zuletzt durch Gesetz vom 28. Mai 1952.
Wenn nunmehr die Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft abgewickelt und aufgelöst und an ihrer Stelle ein neues Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft errichtet werden soll, so ist die organisatorische Neuregelung dadurch begründet, daß in dem Aufgabenbereich der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft seit ihrer Errichtung in der Zeit der wirtschaftlichen Krisenerscheinungen aus Anlaß des Korea-Konflikts sehr entscheidende Veränderungen und Verschiebungen eingetreten sind. Eine Weiterexistenz der alten Bundesstelle durch ein einfaches Verlängerungsgesetz wurde daher als nicht vertretbar angesehen. Auf der anderen Seite ist ein Kreis von wichtigen, zentralen Aufgaben, vorwiegend auf dem Gebiet der Außenwirtschaft bestehengeblieben, die nicht vom Ministerium, sondern nur von einer Bundesoberbehörde als Verwaltungsorgan wahrgenommen werden können. Wenn auch die fortschreitende Liberalisierung einen weiteren Rückgang bestimmter Aufgaben erwarten läßt, so ist doch eine gewisse Konsolidation des Aufgabenkreises eingetreten, welche die Errichtung des Bundesamtes in der im Gesetzentwurf vorgesehenen Weise rechtfertigt.
Für die Entscheidung über die Auflösung der bisherigen Stelle und die Errichtung einer neuen Behörde haben nur die genannten Aufgabenverschiebungen, nicht die sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen der Verwendung der bisherigen Angehörigen der Bundesstelle eine Rolle gespielt. Den berechtigten sozialen Interessen der ausscheidenden Angehörigen der Bundesstelle soll im Rahmen des Möglichen und durch verschiedene Maßnahmen Rechnung getragen werden.
Im Abschnitt I des vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Abwicklung der bisherigen Bundesstelle und das Außerkrafttreten des Bundesstellengesetzes zum 30. Juni 1955 vorgesehen. Durch die bereits erwähnte grundlegende Aufgabenverschiebung sind die zur Zeit der Errichtung der Bundesstelle 1951 im Vordergrund stehenden binnenwirtschaftlichen Bewirtschaftungsaufgaben vollständig weggefallen. Das bedingt auch einen Wegfall der im Gesetz vom März 1951 verankerten Sonderstellung der fachlichen Gruppen, der sogenannten Fachstellen, die bisher auch organisatorisch das Rückgrat und das Schwergewicht der Bundesstelle darstellten. Durch Streichung des § 3 Abs. 3 des Bundesstellengesetzes wurde dieses Ziel erreicht.
Wenn im ersten Abschnitt ein vorübergehendes Nebeneinanderbestehen beider Behörden mit vorläufiger Wahrnehmung der Geschäfte durch die Bundesstelle in Abwicklung vorgesehen ist, so hat dies seinen Grund darin, daß der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben werden muß, das neue Bundesamt mit einem zahlenmäßig sehr beschränkten, aber qualitativ besonders leistungsfähigen Mitarbeiterstab zu versehen. Die Fehler eines übereilten Behördenaufbaues, für die es in der Vergangenheit verschiedene Beispiele gibt, müssen vermieden werden. Eine Doppelarbeit findet in keinem Falle statt, da die Durchführung der Aufgaben auf das Bundesamt übergeht, sobald dessen Organisation arbeitsfähig ist.
In Abschnitt II des Gesetzes ist die Organisation und die Aufgabenstellung des neuen Bundesamtes geregelt. Im Vordergrund steht die Wahrnehmung der zentralen Verwaltungsaufgaben, die sich aus den Rechtsvorschriften über die Einfuhr und Ausfuhr einschließlich des Interzonenhandels ergeben. Formal ist hier die Tätigkeit des Bundesamtes wie bisher dadurch beschränkt, daß sie in den einschlägigen Rechtsvorschriften vorgesehen sein muß. Außerdem ist wie bisher das Erfordernis einer zentralen Bearbeitung Voraussetzung.
Neu und von entscheidender Bedeutung ist aber die Einschränkung des Tätigkeitsbereiches des Bundesamts, die sich aus den materiellen Vorschriften des Art. 9 des Gesetzentwurfs ergibt und bis zum Erlaß eines neuen deutschen Außenwirtschaftsgesetzes maßgeblich sein soll. In Art. 9 Nr. 1 Buchstaben a und b wird für alle Fälle, in denen es die wirtschaftliche, finanzielle und handelspolitische Lage der Bundesrepublik rechtfertigt, der Grundsatz aufgestellt, daß Ein- und Ausfuhrgenehmigungen nur als allgemeine Genehmigungen zur mengenmäßig unbeschränkten Einfuhr oder Ausfuhr ausgesprochen werden müssen.
Dadurch wird die Tätigkeit des Bundesamtes materiell auf die Fälle beschränkt, in denen nach Art. 9 Nr. 1 c in Verbindung mit Nrn. 2 und 3 Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von dem Prinzip der Erteilung all gemeiner Genehmigungen zu mengenmäßig unbeschränkter Ein- oder Ausfuhr rechtfertigen. Solche Umstände sind z. B. die Notwendigkeit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts unserer Zahlungsbilanz im Verhältnis zu einem fremden Währungsgebiet. Im übrigen liegen z. B. auf der Einfuhrseite ebenfalls solche Umstände heute noch vor, ganz besonders dann, wenn das Interesse an der Erhaltung der notwendigen konvertierbaren Währungsreserven oder die Vermeidung einer Schädigung wichtiger Belange der deutschen Volkswirtschaft zur Entscheidung stehen.
Außer diesen speziell für die Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Gebiete der Außenwirtschaft maßgeblichen Bestimmungen ist die Tätigkeit des Bundesamtes ganz allgemein unter die Herrschaft des Art. 8 gestellt. Er schreibt vor, daß alle Aufgaben nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen der Wirtschaftspolitik durchzuführen sind. Diese Festlegung auf das marktwirtschaftliche Prinzip ist besonders wichtig auch für die in Art. 10 genannte weitere Tätigkeit des Bundesamtes in Ausführung von Verwaltungsaufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die zur Sicherstellung der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft erlassen worden sind.
Es ist ein wesentliches und für das reibungslose Funktionieren der deutschen Wirtschaft entscheidendes Anliegen, daß sämtliche hier in Bezug genommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen des Bundes bei ihrer Erfüllung im Inland auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft nur von wirtschaftsnahen Behörden und im Rahmen marktwirtschaftlicher Grundsätze vollzogen werden sollen. Der Grundsatz wird insbesondere in den in Frage stehenden Rechtsvorschriften und bei den einschlägigen organisatorischen Maßnahmen noch weiter auszugestalten sein.
Damit sind die entscheidenden Aufgaben des Bundesamtes und die für ihre Durchführung maßgeblichen Grundsätze behandelt. Bei der in Art. 4 genannten Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen und Zusammenstellungen handelt es sich nur um einen Ausfluß der Tätigkeit auf dem Gebiete der Außenwirtschaft, der wegen seiner besonderen Bedeutung, z. B, für Handelsvertragsverhandlungen, als Beispiel einer Tätigkeit auf dem Gebiete des Berichtswesens hervorgehoben ist.
Das Gesetz über die Errichtung der Bundesstelle sah bei den fachlichen Gruppen — nur bei diesen — die Bildung von Beiräten vor. Mit der veränderten Stellung der fachlichen Gruppen, die ich bei den Übergangsvorschriften für die Bundesstelle
bereits erwähnt habe, ergab sich für das Bundesamt die Notwendigkeit einer Änderung der einschlägigen Vorschriften. In der Organisation der Bundesstelle vom März 1951 hatten die Beiräte als beratende Gremien der fachlichen Gruppen, die den Hauptbestandteil der Bundesstelle ausmachten und mit entscheidenden Befugnissen auf dem Gebiet der Binnenbewirtschaftung ausgestattet waren, ein Vetorecht gegenüber allen beabsichtigten grundsätzlichen Maßnahmen der fachlichen Gruppen. Nach der Aufhebung aller binnenwirtschaftlichen Lenkungsvorschriften und der entsprechenden Befugnisse der Fachgruppen fällt ein solches Vetorecht weg; es darf erwähnt werden, daß es auch bei der Bundesstelle entsprechend der geschilderten Verschiebung der Aufgabenstellung in der Praxis nicht mehr zur Einlegung eines Vetos gekommen ist.
Andererseits soll der in jeder Hinsicht bewährte Grundsatz der ständigen Fühlungnahme zwischen der Bundesoberbehörde und den Kreisen der Wirtschaft und den Gewerkschaften aufrechterhalten und organisatorisch im Gesetz unterbaut werden. Daher sieht Art. 5 vor, daß der Bundesminister für Wirtschaft dem Bundesamt auf einzelnen Fachgebieten Sachverständigenausschüsse zur Beratung beiordnen kann, deren Aufgabe die laufende Beratung des Bundesamtes sein wird. Der Minister kann die Beiordnung auf jedem Fachgebiet je nach dem bestehenden Bedürfnis vornehmen; sie ist nicht wie bei der Bundesstelle auf die bestehenden fachlichen Gruppen beschränkt. Aus den Erfahrungen mit den Beiräten der Bundesstelle hat der Ausschuß erkennen können, daß der entscheidende Wert der beratenden Gremien in der Initiative und Mitarbeit ihrer Mitglieder liegt und daß die Aktivität der einzelnen Beiräte dementsprechend auch sehr differenziert gewesen ist. Er hat mit Rücksicht hierauf davon abgesehen, die Beiordnung von Sachverständigenausschüssen für alle Fachgebiete obligatorisch zu machen.
Für die Berufung der Mitglieder der Sachverständigenausschüsse sieht der Gesetzentwurf die gleichen Voraussetzungen vor, die das Bundesstellengesetz für die Mitglieder der Beiräte bereits kannte: der Bundesminister für Wirtschaft hat vor der Bestellung und vor der Abberufung der Mitglieder die beteiligten Wirtschaftskreise und die Gewerkschaften zu hören. Die besondere Erwähnung der Außenseiter und der Heimatvertriebenen hei der Anhörung der Beteiligten ist nur deswegen unterblieben, weil es als selbstverständlich angesehen wurde, daß mit ihnen als einem integrierenden Bestandteil der Wirtschaftskreise in angemessener Weise und überall, wo es notwendig ist, Fühlung genommen wird.
Der Bundesfinanzminister hat bei den Beratungen im Ausschuß beantragt, in dem Gesetzentwurf die Regierung zu ermächtigen, bei der Bundesstelle Gebühren zu erheben. Da er dem Ausschuß jedoch keine Unterlagen über Art, Umfang und Auswirkung der Gebührenordnung vorgelegt hat, hat der Ausschuß, ohne zu dem Vorschlag Stellung zu nehmen, es abgelehnt, die Frage zu behandeln.
Schließlich liegt Ihnen mit Drucksache zu 804 ein Nachtrag zum Mündlichen Bericht vor, in dem Ihnen vorgeschlagen wird, dem Art. 10 eine andere Fassung zu geben. Nach Abschluß der Beratungen hat sich herausgestellt, daß die allgemeine Fassung des Art. 10, wie sie in Drucksache 804 enthalten ist, nicht dem entspricht, was der Ausschuß beab-
sichtigt hat. Die Schwierigkeiten ergaben sich dadurch, daß das Sicherungsgesetz, dessen Durchführung bisher der Bundesstelle für den Warenverkehr oblag, am 30. September dieses Jahres ausläuft. Der Ausschuß wollte zum Ausdruck bringen, daß das Gesetz über die Sicherstellung der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft, das an die Stelle des Sicherungsgesetzes treten soll, ebenfalls von dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft durchgeführt werden soll. Hierbei ergab sich die formelle Schwierigkeit, ein Gesetz, das noch nicht in Kraft ist, zu zitieren. Der Ausschuß hat den Ihnen vorliegenden Ausweg gefunden, indem er die materielle Vorschrift des Sicherungsgesetzes, die unverändert in dem nachfolgenden Gesetz übernommen werden wird, zitierte. Er beabsichtigt, bei Beschlußfassung zu dem Gesetz über die Sicherstellung der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft diese Bestimmung des Art. 10 so abzuändern, daß sie in Zukunft der Vorschrift des Gesetzes selber entspricht.
Das Gesetz soll — eventuell rückwirkend — am 1. Oktober 1954 in Kraft treten. Im Gegensatz zum Bundesstellengesetz ist eine zeitliche Befristung diesmal nicht vorgesehen. Der Ausschuß war der Ansicht, daß nach dem starken Wechsel der Aufgabenstellung in den ersten Jahren des Bestehens der Bundesstelle nunmehr eine Konsolidierung eingetreten ist, die mit Rücksicht auf die zweifellos vorhandenen, nicht nur vorübergehenden Aufgaben des Bundesamtes, den Erlaß eines unbefristeten Gesetzes rechtfertig. Es ist auch berücksichtigt worden, daß dabei das erforderliche hockqualifizierte Personal, um die Aufgaben mit einem kleinen Mitarbeiterstab durchführen zu können, leichter heranzuziehen ist. Die Grundsätze für die Beschränkung des Tätigkeitsbereiches der Bundesstelle nach dem Maß der Wiederherstellung der Freiheit des Waren-, Dienstleistungs- und Zahlungsverkehrs sind in Art. 8 des vorliegenden Gesetzentwurfs so deutlich herausgestellt und festgelegt, daß es im Rahmen dieser Grundsätze ohne weiteres möglich ist, etwa erforderliche Personaleinschränkungen im Rahmen der jeweiligen Haushaltsberatungen zu bestimmen.
Im Auftrag des Ausschusses bitte ich Sie, dem Gesetz in erster und zweiter Lesung Ihre Zustimmung zu geben.
Es handelt sich um die zweite und dritte Lesung. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat zum Ausdruck gebracht, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß eine Vorschrift über die Möglichkeit einer Gebührenerhebung nicht in Erwägung gezogen hat. Ich darf dazu bemerken, daß es üblich ist, daß der Staat für hoheitsrechtliche Handlungen, die zugunsten bestimmter Wirtschaftskreise vorgenommen werden, Gebühren erhebt. Auf dem landwirtschaftlichen Sektor bestehen seit langer Zeit derartige Gebührenvorschriften. Der Haushaltsausschuß des Hohen Hauses hat schon seit mehreren Jahren das
Fehlen der Gebührenerhebung hier beanstandet. Auch der Bundesrat und der Bundesrechnungshof haben darauf hingewiesen. Nachdem in dem Ihnen vorliegenden Entwurf eine Vorschrift dieses Inhalts nicht enthalten Ist, wohl aber in der Regierungsvorlage, wird sich die Bundesregierung bemühen, diese Lücke so bald wie möglich durch eine neue Vorlage auszufüllen.
Meine Damen und Herren! Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich auf zur Einzelberatung. Art. 1, — Art. la, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4 mit der Ihnen mit Umdruck 170 zugegangenen, vom Herrn Berichterstatter offenbar erwähnten Berichtigung, — Art. 5, — Art. 6. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln zuzustimmen wünschen, eine Hand zu heben. — Das ist einstimmig angenommen.
Zu Art. 7 liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Serres, Dr. Bürkel, Dr. Dr. h. c. Müller , Umdruck 164*), vor. Herr Abgeordneter Hoogen zur Begründung, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Umdruck 164 haben wir verlangt, Art. 7 des vorliegenden Gesetzentwurfs zu streichen. Dieser Artikel besagt, daß das mit dem Gesetz zu errichtende Bundesamt auskunftsberechtigte Stelle im Sinne der Verordnung über Auskunftspflicht vom 13. Juli 1923 sein soll. Das Bundesamt soll also Auskunft verlangen können, und die auskunftspflichtigen Personen müssen die verlangte Auskunft erteilen. Der Umfang des Rechtes auf Auskunft und damit der Umfang der Pflicht, die Auskunft zu erteilen, sollen sich aus der Verordnung vom Juli 1923 ergeben.
Meine Damen und Herren, schon das Datum „Juli 1923" regt zum Nachdenken an. Es war die Zeit der höchsten Inflation und der größten Not des Vaterlandes, in der die Verordnung auf Grund eines Notgesetzes vom April 1923 erlassen wurde. Sie hatte im übrigen dem Inhalt nach ihre Vorläufer in Verordnungen aus dem Jahre 1917, aus dem Jahre 1915, ja sogar aus den Augusttagen des Jahres 1914, also aus der Zeit der ersten Tage des ersten Weltkriegs. Der Form nach wurde sie zwar in einigen Punkten geändert; es muß aber als außerordentlich interessant erscheinen, daß gerade der Inhalt der Strafdrohungen in den seit 1914 auf uns überkommenen Verordnungen bis zu der, die wir heute in diesem Hohen Hause legalisieren sollen, sich von 3000 Mark Geldstrafe bis zu einem Jahr Gefängnis — wie es heute die Verordnung aus dem Jahre 1923 noch vorsieht — gesteigert hat. Man mag das Verfeinerung nennen, man kann es auch Vergröberung nennen, es kommt darauf an, wie man zur Freiheit des Bürgers steht.
Man fragt sich daher mit Recht, ob man heute noch eine Verordnung aus dieser verworrenen und tatsächlich ganz anders gelagerten Zeit heranziehen soll. Diese Frage ist aber, wie die Antragsteller meinen, unter allen Umständen und in jedem Fall zu verneinen, wenn man sich den Inhalt dieser Verordnung genauer ansieht. Ich fürchte, daß das — das Ansehen des Inhalts — entweder nicht geschehen ist oder daß es tatsächlich an irgendeiner Stelle
*) Siehe Anlage 7.
im staatlichen Getriebe Personen gibt, die heute noch Verordnungen mit solchem Inhalt wollen.
§ 1 dieser Verordnung gibt den Regierungen des Bundes und der Länder und allen von ihnen beauftragten Stellen das Becht, Auskunft über wirtschaftliche Verhältnisse, insbesondere über Preise und Löhne, über Leistungen und — man höre und staune — über die Leistungsfähigkeit von Unternehmungen zu verlangen.
§ 2 verpflichtet alle gewerblichen und auch landwirtschaftlich en Unternehmer und Betriebsinhaber zur Erteilung der Auskunft. Er verpflichtet sogar Personen zur Auskunft, die früher einmal im Besitze von Gegenständen gewesen sind, auf die sich die Auskunftspflicht erstreckt. Das neue Bundesamt soll auch befugt sein, Abschriften, Auszüge und Zusammenstellungen aus Geschäftsbüchern, Geschäftspapieren und Unterlagen über die Bemessung von Preisen und Löhnen zu verlangen. Es soll ferner berechtigt sein — und zwar selbst dann, wenn es vorher keine Auskunft verlangt hat —, die Geschäftsbücher und Geschäftsbriefe sowie die Kalkulationsunterlagen und die Betriebseinrichtungen selbst zu besichtigen oder sogar zu durchsuchen. Es gibt eigentlich nichts mehr, wozu das Bundesamt nicht berechtigt sein soll, und das, meine Damen und Herren, soll der Bundestag heute beschließen!?
Ich glaube, nachdem ich Ihnen den Inhalt dieser Verordnung in großen Zügen aufgezeigt habe, keine Fehlbitte zu tun, wenn ich Sie namens der Antragsteller bitte, den Art. 7 zu streichen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Naegel, — ich vermute zu der Feststellung, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß das nicht übersehen hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im Wirtschaftspolitischen Ausschuß die Frage der Auskunftserteilung auf Grund der Verordnung von 1923 schon des öfteren behandelt, angefangen bereits bei den Beratungen in Frankfurt zum Energienotgesetz und später bei all den Gesetzen, die man als Marktordnungsgesetze hier im Bundestag beschlossen hat. Es ist aber auch Tatsache, daß der Bundesgerichtshof vor gar nicht allzu langer Zeit noch einmal festgestellt hat, daß diese Verordnung noch rechtskräftig ist.
Das nur zur Kennzeichnung dessen, was geschehen ist.
Wir haben uns bei der Beratung darauf verlassen, daß unsere Helfer in diesen Fragen, die Vertreter des Ministeriums, natürlich auch diese Dinge im einzelnen überprüft haben. Ich bin Herrn Kollegen Hoogen dankbar, daß er hier die Frage aufgeworfen hat, wieweit nicht nur die Verordnung in diesem Einzelfall, sondern auch noch eine Fülle von anderen Verordnungen, die sich noch so hinschleppen, einmal überprüft werden müssen.
Ich bin auch der Meinung, daß wir heute schon beschließen sollten, den Text des vorliegenden Gesetzes entsprechend zu ändern. Ich darf Ihnen folgenden Änderungsantrag*) vortragen und um Ihre I Unterstützung bitten:
Der Bundestag wolle beschließen, dem Art. 7 folgende Fassung zu geben:
Die Abschnitte V bis VII des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke vom 3. September 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 1314) finden entsprechende Anwendung.
Zur Begründung dieses Antrags — den ich Ihnen, Herr Präsident, überreiche — folgendes. Wir haben bei der Beratung des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke seinerzeit nicht auf die alte Verordnung zurückgegriffen, sondern dort in eingehenden Feststellungen genau umrissen, welche Auskünfte gegeben werden müssen und welche Auskunftspflicht besteht. Soweit es sich um die Geheimhaltung handelt, sind entsprechende Vorschriften da. Natürlich sind auch für den Fall der Auskunftsverweigerung bei berechtigtem Ersuchen entsprechende Strafbestimmungen vorgesehen. Dieses Gesetz ist nicht aus dem Jahre 1923, sondern aus dem Jahre 1953 und ist hier in diesem Hohen Hause beschlossen worden, so daß ich keine Bedenken habe, Ihnen zu empfehlen, meinem Vorschlage zu folgen.
Ich habe zunächst, um dem großen Problem, welches der weitergehende Antrag ist, zu entgehen, an den Herrn Abgeordneten Hoogen die Frage, ob er unter diesen Umständen auf seinen Antrag verzichtet.
Herr Präsident, ich bin bereit, auf den Antrag zu verzichten, wenn der Antrag des Herrn Kollegen Naegel zunächst zur Abstimmung gestellt wird. Ich möchte das Ergebnis dieser Abstimmung abwarten.
Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung, zunächst über den Antrag, den der Abgeordnete Naegel gestellt hat und der auf ein Gesetz dieses Hauses, das zweifellos Gewähr für Qualität bietet,
Bezug nimmt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Herrn Abgeordneten Naegel betreffend den Art. 7 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist offenbar einstimmig angenommen.
— Erledigt. Damit ist der Art. 7 in dieser Fassung beschlossen.
Ich rufe auf Art. 8, — 9, — 10 in der abgeänderten Fassung des 21. Ausschusses, — 11, — 12, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Zur allgemeinen Aussprache in der
dritten Beratung
wird nicht das Wort gewünscht. Ich stelle das fest. Einzelberatung entfällt.
*) Umdruck 168.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, um es abgekürzt zu zitieren. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz in der Schlußabstimmung insgesamt zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich stelle fest, daß das Gesetz in der Schlußabstimmung einstimmig angenommen worden ist. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wir hatten uns vorgenommen, um 17 Uhr zu schließen. Ich habe Ihnen also den Vorschlag zu machen, den Punkt 6
der Tagesordnung betreffend Sanierungsmaßnahmen für Kreise im Spessart-Gebiet abzusetzen. — Die Antragsteller sind damit einverstanden.
Damit wären wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 46. Sitzung auf Donnerstag, den 14. Oktober 1954, 9 Uhr, und schließe die 45. Sitzung.
Ich danke Ihnen.