Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Beratung zu Punkt 5 der heutigen Tagesordnung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 830, dem Antrag Drucksache 810 unverändert zuzustimmen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle fest: einstimmig angenommen.
Wir kehren damit zur Tagesordnung von gestern zurück. Da der Punkt 6 a und b abgesetzt ist, rufe ich auf Punkt 7, von dem der Buchstabe b durch interfraktionelle Vereinbarung ebenfalls bis zum 15. Oktober zurückgestellt ist:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzulage in
den gesetzlichen Rentenversicherungen ;
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung von Mehrbeträgen an alte Rentner in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Neufestsetzung des Beitrages in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeitslosenversicherung (Drucksache 820);
d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Erhöhung der Leistungen der öffentlichen Fürsorge ;
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Zahlung einer Teuerungszulage an die Rentner der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen .
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat wollten wir so verfahren, daß diese aufgerufenen Punkte nacheinander begründet und dann zur Debatte zusammengezogen werden.
Ich erteile das Wort dem Begründer des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion.
— Ist das Haus dieser Auffassung?
— Dann fahren wir fort in der Tagesordnung von gestern.
Ich rufe auf Punkt 8:
Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Gemeindegetränkesteuer .
Soll begründet werden? — Bitte!
Dr. Schild (DP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei politische Tatbestände liegen vor, die meine Fraktion veranlaßt haben, den Antrag auf Beseitigung der Gemeindegetränkesteuer zu stellen.
Der erste Tatbestand sind die Verhandlungen, Arbeiten und Entscheidungen dieses Hohen Hauses im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerreform, die ja in den nächsten Wochen zu irgendeiner Entscheidung gebracht werden muß. Die Vorlagen des Herrn Bundesfinanzministers lassen es nicht zu, daß die Fragen der Gemeindegetränkesteuer im Rahmen der Beratungen des Finanz- und Steuerausschusses vorgebracht werden, weil diese Fragen im Gegensatz zur Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Erbschaftsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer in den Vorlagen des Herrn Finanzministers gar nicht angeschnitten sind. Deshalb ist meine Fraktion der Ansicht, daß diese Frage besonders vorgebracht werden muß, um dem Finanz-und Steuerausschuß Gelegenheit zu geben, sie bei der gesamten Finanzreform, die ja nicht nur die Einnahmen des Bundes, sondern auch die der Länder und Gemeinden zu berücksichtigen hat, im Rahmen des Gesamtprojektes zur Sprache zu bringen. Bei den Gemeindeeinnahmen und damit auch bei der Beratung der finanziellen Fragen der Gemeinden spielen die Realsteuern und vor allem auch die Getränkesteuer eine wichtige Rolle.
Der zweite Tatbestand ist darin begründet, daß in jedem Frühjahr bei etwa 700 bis 800 Gemeinden unseres westdeutschen Bundesgebietes, in denen die Getränkesteuer erhoben wird, von den Ange-
hörigen der Berufsgemeinschaft des Gaststätten-und Hotelgewerbes, des Konditorhandwerks und anderer ähnlich gelagerter Berufe einschließlich der Industriegewerkschaft Nahrung und Genuß bei der Beratung der Gemeindehaushalte immer wieder der Versuch gemacht wird, die von diesen Kreisen als ungerecht empfundene Getränkesteuer zu beseitigen Es entspricht unseres Erachtens nicht einer echten gesellschaftlichen Beruhigung im gemeindlichen Leben, wenn man jedes Jahr wieder während der Beratung in den Gemeinden, in denen die Getränkesteuer erhoben wird, Plakate in den Gaststätten findet, die sich gegen die Getränkesteuer wenden, und wenn man durch öffentliche Presseverlautbarungen und öffentliche Kundgebungen die Kommunalpolitiker bzw. die Gemeindevertreter auf Beseitigung der Getränkesteuer anspricht, wobei der Erfolg immer sehr verschiedenartig ist. Es gibt Städte in unserem westdeutschen Bundesgebiet, die in den letzten Jahren die Getränkesteuer im Verfolg derartiger Wünsche beseitigt haben. Es gibt auch Städte, die diese Beschlüsse in ihren Gemeindevertretungen gefaßt haben, aber gegenüber ihrer Aufsichtsbehörde und gegenüber der Landesregierung nicht zum Zuge gekommen sind. Ich erinnere hier z. B. an die Stadt Solingen, die im Jahre 1952 die Beseitigung der Getränkesteuer beschlossen hat, aber bis heute wegen der Streitigkeiten und Differenzen zwischen der Aufsichtsbehörde und der Gemeindevertretung diese Beseitigung nicht hat durchführen können.
Der dritte Tatbestand, der uns veranlaßt hat, die endgültige Aufhebung dieser Getränkesteuer zu fordern, sind die ständig wachsende Verärgerung, der Mißmut und auch eine gewisse politische Unduldsamkeit, die sich in den betroffenen Kreisen des mittelständischen Gaststätten- und Hotelgewerbes mehr oder weniger breitmachen. Ich weise in diesem Zusammenhang nur auf den letzten großen Verbandstag hin, der vor einigen Tagen in Bremen stattgefunden hat, auf dem der Mißmut über diese Sonderbelastung, über diese Sonderumsatzsteuer in verschiedenartiger Höhe — 5 %, 10 % oder 15 % je nach Lage der betreffenden Gemeinde —, öffentlich zum Ausdruck gekommen ist.
Die Getränkesteuer ist von höchstens 700 bis 800 Gemeinden, vor allem von Städten, eingeführt worden, d. h. weit über 20 000 Gemeinden haben die Getränkesteuer nicht eingeführt. Das bedeutet praktisch, daß die Bevölkerung in zwei Gruppen eingeteilt ist, in die eine Gruppe, die Getränkesteuer bezahlen muß, und die andere, die sie nicht bezahlen muß.
Das bedeutet ferner, daß_ die Städte und Gemeinden, die die Getränkesteuer eingeführt haben, sogar an ihren nachbarlichen Grenzen völlig unterschiedliche Verhältnisse in den Verzehrpreisen in Gaststätten und Hotels haben. Es bedeutet weiterhin, daß auch der allgemeine Preisspiegel der Marktpreise im Gaststättenverzehr nicht den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft entspricht, d. h. daß er so unterschiedlich ist, daß sich die Bevölkerung letzten Endes über die Normalpreise infolge der Verschiedenartigkeit der Belastung durch Getränkesteuer kein zutreffendes Bild machen kann.
Die Getränkesteuer hat im westdeutschen Bundesgebiet im letzten Jahr ein Aufkommen von insgesamt 85 Millionen DM erbracht. Das sind im Verhältnis zu dem gesamten Steueraufkommen der Kommunen in Höhe von etwa 4,8 Milliarden DM knapp 2 °/o. Wenn Sie auf Bundesebene die Getränkesteuer als Teil aller Steuern, die überhaupt erhoben werden, betrachten, dann kann man von Prozentsätzen beinahe gar nicht mehr reden. Deshalb ist, vom finanzpolitischen Standpunkt aus gesehen, die Quote, die im Rahmen unseres Gesamtsteueraufkommens auf die Getränkesteuer entfällt, einerseits sehr gering und betrifft andererseits einen einzigen Berufsstand
— in der Erhebung —,
so daß man doch wohl überlegen müßte, eine derartige Sonderbehandlung langsam aber sicher aufzuheben.
Die Frage, ob der Bund dazu berechtigt ist oder die Länder, ist eine strittige Frage.
Zumindest gehen die Rechtsgelehrten in dieser Frage im wesentlichen mit den Rechtsauffassungen der Berufsvertretungen des Hotel- und Gaststättengewerbes konform. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat in seinen Begründungen und Darlegungen zur Steuer- und Finanzreform die Frage offengelassen, ob es sich um eine örtlich bedingte Steuer handelt oder um eine Steuer, über die die Bundesgesetzgebung zu entscheiden hat. Im erstgenannten Fall hätte ja die Landesgesetzgebung zu entscheiden.
Wie die Dinge aber auch immer liegen, die Befürworter der Getränkesteuer — —
— Sicher kann jede Gemeinde sie aufheben, wenn nicht durch die Haushaltserlasse der Länder die meisten Gemeinden, wenn sie sie einmal eingeführt haben, mehr oder weniger gezwungen werden, sie fortzuführen, und zwar auch gegen den Willen der Gemeindevertretung.
— Ob wir daran etwas ändern können, hängt ja von der Rechtsfrage ab, ob der Bund oder das Land zuständig ist. Diese Frage hat zumindest in den Vorlagen des Herrn Bundesfinanzministers, die zur Steuerreform vorgelegt worden sind, keine Klärung gefunden.
Sooft die Befürworter der Getränkesteuer auf Landesebene oder Gemeindeebene angegriffen werden, heißt es: „Wir können in der Sache nichts machen; der Bund ist zuständig." Wenn aber die Getränkesteuer auf Bundesebene angegriffen wird, dann wird von seiten der Befürworter der Getränkesteuer behauptet, das Land, die Landesgesetzgebung sei zuständig.
So kommen wir ja in dieser Frage nicht weiter. Deshalb sind wir der Auffassung, daß auch die Rechtsfrage, wer denn nun wirklich zuständig ist, geklärt werden muß, und zwar in diesem Hause geklärt werden muß. Nach den bisherigen Darlegungen, Erläuterungen und Kommentaren zum Grundgesetz läßt sich eine eindeutige Klärung dieser Rechtslage im Augenblick nicht geben.
Von den Befürwortern der Getränkesteuer wird immer wieder darauf hingewiesen, sie belaste die breite Masse des Volkes gar nicht so sehr, daß man überhaupt darüber reden könne. Nun sind heute in den Großstädten ganz bestimmte Bevölkerungsteile aus der Lebenslage, in der sie sich befinden, gezwungen, in Gaststätten zu verkehren. Es ist keineswegs gesagt, daß diese Bevölkerungskreise nun gerade zu den begüterten gehören. Denken Sie nur an die reisenden Kaufleute, Handelsvertreter und Handelsmakler, die ständig auf der Straße liegen müssen! Denken Sie an einen großen Teil der im Berufsleben stehenden Jugendlichen zwischen 20 und 25, 26 Jahren, die in Berufs- und Fachschulen und in sonstiger Berufstätigkeit versuchen, sich einen Beruf zu erobern, die nicht zu Hause wohnen, keinen Haushalt haben können, also gezwungen sind, mehr oder weniger in Gaststätten zu leben! Denken Sie an die alleinstehenden Männer und Frauen ohne Haushalt, die im wesentlichen auf Gaststätten angewiesen sind. Ein großer Teil der Bevölkerung fühlt sich dadurch belastet, in Gaststätten Gaststättenverzehr zu sich zu nehmen, aus der Zwangslage einer Lebenshaltung heraus, in der sich diese Menschen befinden.
Man kann also nicht sagen, daß die breite Masse kein Interesse an dieser Frage habe. Man kann das um so weniger sagen, als bei all den Besprechungen in den Gemeinden über die Aufhebung der Getränkesteuer doch auch die Industriegewerkschaft Nahrung und Genuß als Vertreter der Arbeiterschaft, und zwar nicht nur der einschlägigen Facharbeiterschaft, sondern darüber hinaus auch als Vertreter der Gesamtarbeiterschaft, sich immer wieder für diese Belange eingesetzt hat.
Das Gewerbe selbst — und die Ansicht des Gewerbes macht sich die Fraktion der Deutschen Partei zu eigen — betrachtet diese Steuer als eine Sonderumsatzsteuer, eine Umsatzsteuer sowohl der Höhe wie dem Grunde nach, als Sonderumsatzsteuer, mit der bisher kein Gewerbe belastet ist. Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist ferner der Auffassung, daß diese Sonderumsatzsteuer auch eine ungerechte Steuer ist.
Es ist nunmehr bei der Steuer- und Finanzreform zu prüfen, ob man nicht endgültig dazu übergehen sollte, diese Steuer bei den Gemeinden zu beseitigen und sie aus dem Recht der Selbstverwaltung herauszunehmen. Es geht auf die Dauer nicht an, dieses Getränkesteuerrecht beizubehalten, wenn von über 20 000 Gemeinden knapp 700 bis 800 davon Gebrauch machen und der größte Teil der Gemeinden noch nicht einmal aus Gründen einer sozialen Notlage die Getränkesteuer einführt oder beibehalten möchte.
Einer der wesentlichsten Gründe, die für die Beseitigung der Getränkesteuer vorgebracht werden müssen, ist die Tatsache, daß die Getränkesteuer zu einem ganz bestimmten, gesetzlich dekretierten Zweck, der ausdrücklich in den Erlassen zur Durchführung der Brüningschen Notverordnungen von 1930 erwähnt ist, eingeführt worden ist: nämlich zur Deckung von Aufwendungen, die den Gemeinden aus der WohlfahrtsErwerbslosenfürsorge entstanden, und zwar in den dreißiger Jahren, als es sich um 6 bis 7 Millionen Arbeitslose handelte. Dieser Grund, dieser gesetzlich dekretierte Zweck ist in der heutigen Zeit nicht mehr gegeben, weder formell noch materiell. Deshalb müßte schon aus Gründen einer Klarstellung der Rechtsverhältnisse die Getränkesteuer nun langsam, aber sicher verschwinden.
Meine Partei beantragt deshalb, diese Frage dem Finanz- und Steuerausschuß — federführend —, dem Rechts- und Verfassungsausschuß, dem Kommunalpolitischen Ausschuß und dem Mittelstandsausschuß — mitberatend — zu überweisen.