Rede von
Aloys
Lenz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine
Damen und Herren! Die Gesetzesvorlage über die Abwicklung der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft und die Errichtung eines Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft — Drucksachen 804, zu 804 und Umdruck 170 — geht auf den Initiativantrag der Abgeordneten Naegel, Dr. Atzenroth, Samwer und weiterer Abgeordneten — Drucksache 719 — zurück. Diesem Antrage lag die Absicht zugrunde, die derzeitige Bundesstelle für den Warenverkehr in Frankfurt abzubauen und jene Aufgaben ihres Sachbereichs, die für die Zukunft noch einer zentralen behördlichen Bearbeitung bedürfen, einem Bundesamt zu übertragen.
Die Bundesstelle für den Warenverkehr wurde durch Gesetz vom 29. März 1951 errichtet. Als zentrale Bundesoberbehörde sollte sie nach Auslaufen des Fachstellen-Gesetzes nach dessen Verlängerung bis zum 31. März 1951 die noch verbliebenen , erheblich verringerten Aufgaben übernehmen. Wenn auch bereits damals in Rechnung gestellt wurde, daß ihr aus der Ausweitung des Außenhandels evtl. neue Aufgaben erwachsen könnten — eine Annahme, die sich übrigens bestätigt hat —, so hat es doch von Anfang an keinen Zweifel darüber gegeben, daß es sich um eine Einrichtung handelt, die nur von vorübergehender Dauer sein sollte. Das bis zum 30. Juni 1952 befristete Gesetz über die Errichtung dieser Stelle ist in seiner Geltungsdauer mehrfach verlängert und auch geändert worden, zuletzt durch Gesetz vom 28. Mai 1952.
Wenn nunmehr die Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft abgewickelt und aufgelöst und an ihrer Stelle ein neues Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft errichtet werden soll, so ist die organisatorische Neuregelung dadurch begründet, daß in dem Aufgabenbereich der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft seit ihrer Errichtung in der Zeit der wirtschaftlichen Krisenerscheinungen aus Anlaß des Korea-Konflikts sehr entscheidende Veränderungen und Verschiebungen eingetreten sind. Eine Weiterexistenz der alten Bundesstelle durch ein einfaches Verlängerungsgesetz wurde daher als nicht vertretbar angesehen. Auf der anderen Seite ist ein Kreis von wichtigen, zentralen Aufgaben, vorwiegend auf dem Gebiet der Außenwirtschaft bestehengeblieben, die nicht vom Ministerium, sondern nur von einer Bundesoberbehörde als Verwaltungsorgan wahrgenommen werden können. Wenn auch die fortschreitende Liberalisierung einen weiteren Rückgang bestimmter Aufgaben erwarten läßt, so ist doch eine gewisse Konsolidation des Aufgabenkreises eingetreten, welche die Errichtung des Bundesamtes in der im Gesetzentwurf vorgesehenen Weise rechtfertigt.
Für die Entscheidung über die Auflösung der bisherigen Stelle und die Errichtung einer neuen Behörde haben nur die genannten Aufgabenverschiebungen, nicht die sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen der Verwendung der bisherigen Angehörigen der Bundesstelle eine Rolle gespielt. Den berechtigten sozialen Interessen der ausscheidenden Angehörigen der Bundesstelle soll im Rahmen des Möglichen und durch verschiedene Maßnahmen Rechnung getragen werden.
Im Abschnitt I des vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Abwicklung der bisherigen Bundesstelle und das Außerkrafttreten des Bundesstellengesetzes zum 30. Juni 1955 vorgesehen. Durch die bereits erwähnte grundlegende Aufgabenverschiebung sind die zur Zeit der Errichtung der Bundesstelle 1951 im Vordergrund stehenden binnenwirtschaftlichen Bewirtschaftungsaufgaben vollständig weggefallen. Das bedingt auch einen Wegfall der im Gesetz vom März 1951 verankerten Sonderstellung der fachlichen Gruppen, der sogenannten Fachstellen, die bisher auch organisatorisch das Rückgrat und das Schwergewicht der Bundesstelle darstellten. Durch Streichung des § 3 Abs. 3 des Bundesstellengesetzes wurde dieses Ziel erreicht.
Wenn im ersten Abschnitt ein vorübergehendes Nebeneinanderbestehen beider Behörden mit vorläufiger Wahrnehmung der Geschäfte durch die Bundesstelle in Abwicklung vorgesehen ist, so hat dies seinen Grund darin, daß der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben werden muß, das neue Bundesamt mit einem zahlenmäßig sehr beschränkten, aber qualitativ besonders leistungsfähigen Mitarbeiterstab zu versehen. Die Fehler eines übereilten Behördenaufbaues, für die es in der Vergangenheit verschiedene Beispiele gibt, müssen vermieden werden. Eine Doppelarbeit findet in keinem Falle statt, da die Durchführung der Aufgaben auf das Bundesamt übergeht, sobald dessen Organisation arbeitsfähig ist.
In Abschnitt II des Gesetzes ist die Organisation und die Aufgabenstellung des neuen Bundesamtes geregelt. Im Vordergrund steht die Wahrnehmung der zentralen Verwaltungsaufgaben, die sich aus den Rechtsvorschriften über die Einfuhr und Ausfuhr einschließlich des Interzonenhandels ergeben. Formal ist hier die Tätigkeit des Bundesamtes wie bisher dadurch beschränkt, daß sie in den einschlägigen Rechtsvorschriften vorgesehen sein muß. Außerdem ist wie bisher das Erfordernis einer zentralen Bearbeitung Voraussetzung.
Neu und von entscheidender Bedeutung ist aber die Einschränkung des Tätigkeitsbereiches des Bundesamts, die sich aus den materiellen Vorschriften des Art. 9 des Gesetzentwurfs ergibt und bis zum Erlaß eines neuen deutschen Außenwirtschaftsgesetzes maßgeblich sein soll. In Art. 9 Nr. 1 Buchstaben a und b wird für alle Fälle, in denen es die wirtschaftliche, finanzielle und handelspolitische Lage der Bundesrepublik rechtfertigt, der Grundsatz aufgestellt, daß Ein- und Ausfuhrgenehmigungen nur als allgemeine Genehmigungen zur mengenmäßig unbeschränkten Einfuhr oder Ausfuhr ausgesprochen werden müssen.
Dadurch wird die Tätigkeit des Bundesamtes materiell auf die Fälle beschränkt, in denen nach Art. 9 Nr. 1 c in Verbindung mit Nrn. 2 und 3 Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von dem Prinzip der Erteilung all gemeiner Genehmigungen zu mengenmäßig unbeschränkter Ein- oder Ausfuhr rechtfertigen. Solche Umstände sind z. B. die Notwendigkeit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts unserer Zahlungsbilanz im Verhältnis zu einem fremden Währungsgebiet. Im übrigen liegen z. B. auf der Einfuhrseite ebenfalls solche Umstände heute noch vor, ganz besonders dann, wenn das Interesse an der Erhaltung der notwendigen konvertierbaren Währungsreserven oder die Vermeidung einer Schädigung wichtiger Belange der deutschen Volkswirtschaft zur Entscheidung stehen.
Außer diesen speziell für die Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Gebiete der Außenwirtschaft maßgeblichen Bestimmungen ist die Tätigkeit des Bundesamtes ganz allgemein unter die Herrschaft des Art. 8 gestellt. Er schreibt vor, daß alle Aufgaben nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen der Wirtschaftspolitik durchzuführen sind. Diese Festlegung auf das marktwirtschaftliche Prinzip ist besonders wichtig auch für die in Art. 10 genannte weitere Tätigkeit des Bundesamtes in Ausführung von Verwaltungsaufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die zur Sicherstellung der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft erlassen worden sind.
Es ist ein wesentliches und für das reibungslose Funktionieren der deutschen Wirtschaft entscheidendes Anliegen, daß sämtliche hier in Bezug genommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen des Bundes bei ihrer Erfüllung im Inland auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft nur von wirtschaftsnahen Behörden und im Rahmen marktwirtschaftlicher Grundsätze vollzogen werden sollen. Der Grundsatz wird insbesondere in den in Frage stehenden Rechtsvorschriften und bei den einschlägigen organisatorischen Maßnahmen noch weiter auszugestalten sein.
Damit sind die entscheidenden Aufgaben des Bundesamtes und die für ihre Durchführung maßgeblichen Grundsätze behandelt. Bei der in Art. 4 genannten Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen und Zusammenstellungen handelt es sich nur um einen Ausfluß der Tätigkeit auf dem Gebiete der Außenwirtschaft, der wegen seiner besonderen Bedeutung, z. B, für Handelsvertragsverhandlungen, als Beispiel einer Tätigkeit auf dem Gebiete des Berichtswesens hervorgehoben ist.
Das Gesetz über die Errichtung der Bundesstelle sah bei den fachlichen Gruppen — nur bei diesen — die Bildung von Beiräten vor. Mit der veränderten Stellung der fachlichen Gruppen, die ich bei den Übergangsvorschriften für die Bundesstelle
bereits erwähnt habe, ergab sich für das Bundesamt die Notwendigkeit einer Änderung der einschlägigen Vorschriften. In der Organisation der Bundesstelle vom März 1951 hatten die Beiräte als beratende Gremien der fachlichen Gruppen, die den Hauptbestandteil der Bundesstelle ausmachten und mit entscheidenden Befugnissen auf dem Gebiet der Binnenbewirtschaftung ausgestattet waren, ein Vetorecht gegenüber allen beabsichtigten grundsätzlichen Maßnahmen der fachlichen Gruppen. Nach der Aufhebung aller binnenwirtschaftlichen Lenkungsvorschriften und der entsprechenden Befugnisse der Fachgruppen fällt ein solches Vetorecht weg; es darf erwähnt werden, daß es auch bei der Bundesstelle entsprechend der geschilderten Verschiebung der Aufgabenstellung in der Praxis nicht mehr zur Einlegung eines Vetos gekommen ist.
Andererseits soll der in jeder Hinsicht bewährte Grundsatz der ständigen Fühlungnahme zwischen der Bundesoberbehörde und den Kreisen der Wirtschaft und den Gewerkschaften aufrechterhalten und organisatorisch im Gesetz unterbaut werden. Daher sieht Art. 5 vor, daß der Bundesminister für Wirtschaft dem Bundesamt auf einzelnen Fachgebieten Sachverständigenausschüsse zur Beratung beiordnen kann, deren Aufgabe die laufende Beratung des Bundesamtes sein wird. Der Minister kann die Beiordnung auf jedem Fachgebiet je nach dem bestehenden Bedürfnis vornehmen; sie ist nicht wie bei der Bundesstelle auf die bestehenden fachlichen Gruppen beschränkt. Aus den Erfahrungen mit den Beiräten der Bundesstelle hat der Ausschuß erkennen können, daß der entscheidende Wert der beratenden Gremien in der Initiative und Mitarbeit ihrer Mitglieder liegt und daß die Aktivität der einzelnen Beiräte dementsprechend auch sehr differenziert gewesen ist. Er hat mit Rücksicht hierauf davon abgesehen, die Beiordnung von Sachverständigenausschüssen für alle Fachgebiete obligatorisch zu machen.
Für die Berufung der Mitglieder der Sachverständigenausschüsse sieht der Gesetzentwurf die gleichen Voraussetzungen vor, die das Bundesstellengesetz für die Mitglieder der Beiräte bereits kannte: der Bundesminister für Wirtschaft hat vor der Bestellung und vor der Abberufung der Mitglieder die beteiligten Wirtschaftskreise und die Gewerkschaften zu hören. Die besondere Erwähnung der Außenseiter und der Heimatvertriebenen hei der Anhörung der Beteiligten ist nur deswegen unterblieben, weil es als selbstverständlich angesehen wurde, daß mit ihnen als einem integrierenden Bestandteil der Wirtschaftskreise in angemessener Weise und überall, wo es notwendig ist, Fühlung genommen wird.
Der Bundesfinanzminister hat bei den Beratungen im Ausschuß beantragt, in dem Gesetzentwurf die Regierung zu ermächtigen, bei der Bundesstelle Gebühren zu erheben. Da er dem Ausschuß jedoch keine Unterlagen über Art, Umfang und Auswirkung der Gebührenordnung vorgelegt hat, hat der Ausschuß, ohne zu dem Vorschlag Stellung zu nehmen, es abgelehnt, die Frage zu behandeln.
Schließlich liegt Ihnen mit Drucksache zu 804 ein Nachtrag zum Mündlichen Bericht vor, in dem Ihnen vorgeschlagen wird, dem Art. 10 eine andere Fassung zu geben. Nach Abschluß der Beratungen hat sich herausgestellt, daß die allgemeine Fassung des Art. 10, wie sie in Drucksache 804 enthalten ist, nicht dem entspricht, was der Ausschuß beab-
sichtigt hat. Die Schwierigkeiten ergaben sich dadurch, daß das Sicherungsgesetz, dessen Durchführung bisher der Bundesstelle für den Warenverkehr oblag, am 30. September dieses Jahres ausläuft. Der Ausschuß wollte zum Ausdruck bringen, daß das Gesetz über die Sicherstellung der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft, das an die Stelle des Sicherungsgesetzes treten soll, ebenfalls von dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft durchgeführt werden soll. Hierbei ergab sich die formelle Schwierigkeit, ein Gesetz, das noch nicht in Kraft ist, zu zitieren. Der Ausschuß hat den Ihnen vorliegenden Ausweg gefunden, indem er die materielle Vorschrift des Sicherungsgesetzes, die unverändert in dem nachfolgenden Gesetz übernommen werden wird, zitierte. Er beabsichtigt, bei Beschlußfassung zu dem Gesetz über die Sicherstellung der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft diese Bestimmung des Art. 10 so abzuändern, daß sie in Zukunft der Vorschrift des Gesetzes selber entspricht.
Das Gesetz soll — eventuell rückwirkend — am 1. Oktober 1954 in Kraft treten. Im Gegensatz zum Bundesstellengesetz ist eine zeitliche Befristung diesmal nicht vorgesehen. Der Ausschuß war der Ansicht, daß nach dem starken Wechsel der Aufgabenstellung in den ersten Jahren des Bestehens der Bundesstelle nunmehr eine Konsolidierung eingetreten ist, die mit Rücksicht auf die zweifellos vorhandenen, nicht nur vorübergehenden Aufgaben des Bundesamtes, den Erlaß eines unbefristeten Gesetzes rechtfertig. Es ist auch berücksichtigt worden, daß dabei das erforderliche hockqualifizierte Personal, um die Aufgaben mit einem kleinen Mitarbeiterstab durchführen zu können, leichter heranzuziehen ist. Die Grundsätze für die Beschränkung des Tätigkeitsbereiches der Bundesstelle nach dem Maß der Wiederherstellung der Freiheit des Waren-, Dienstleistungs- und Zahlungsverkehrs sind in Art. 8 des vorliegenden Gesetzentwurfs so deutlich herausgestellt und festgelegt, daß es im Rahmen dieser Grundsätze ohne weiteres möglich ist, etwa erforderliche Personaleinschränkungen im Rahmen der jeweiligen Haushaltsberatungen zu bestimmen.
Im Auftrag des Ausschusses bitte ich Sie, dem Gesetz in erster und zweiter Lesung Ihre Zustimmung zu geben.