Rede von
Heinz
Frehsee
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens meiner Fraktion den Antrag auf Umdruck 147*) Ziffer 8 zu § 11 Abs. 2 zu begründen. Die Ihnen vorliegende Ausschußfassung des zweiten Absatzes in § 11 — Aufbringung und Höhe der Beiträge — bezweckt eine gleichmäßige Belastung von Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft durch dieses Gesetz. Wie die dem Sozialpolitischen Ausschuß vorgelegten Berechnungen, die auf Unterlagen des Statistischen Bundesamtes fußen, ergeben haben, wird dieses Ziel mit der Bestimmung, daß jede bei einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zu errichtende Familienausgleichskasse ein Drittel der für ihren Bedarf an Kindergeld erforderlichen Mittel aufzubringen hat, für die augenblicklich gegebene Situation auch durchaus erreicht. Mit dieser Bestimmung ist nur nicht die Gewähr dafür gegeben, daß auch in Zukunft die Landwirtschaft relativ genau so hoch, nicht geringer und nicht höher als die gewerbliche Wirtschaft belastet wird.
Die Belastungsquote hängt naturgemäß von einer Reihe von veränderlichen Faktoren ab, so z. B. von der Kinderzahl oder von der Lohnsumme. Es ist durchaus nicht sicher, daß sich diese Faktoren im Laufe der Jahre in der Landwirtschaft immer genau so entwickeln werden wie in der gewerblichen Wirtschaft. Wer vermag zu sagen, ob in einem oder in zwei Jahren oder später die Kinderzahl in der Landwirtschaft genau in dem gleichen Verhältnis gestiegen oder gesunken ist wie in der gewerblichen Wirtschaft und daß sich gleichzeitig die Lohnsummen entsprechend entwickelt haben? Steigt die Kinderzahl in der Landwirtschaft relativ stärker als in der gewerblichen Wirtschaft, steigt aber die Lohnsumme nicht im gleichen Verhältnis und bleibt sie etwa gegenüber der Lohnsumme der gewerblichen Wirtschaft relativ zurück, so würde mit dem Drittel, das die Landwirtschaft für ihren Bedarf an Kindergeld aufbringen soll, die Belastung der Landwirtschaft stärker als die durchschnittliche Belastung der gewerblichen Wirtschaft. Das ist — insbesondere darf ich in diesem Zusammenhang die Abgeordneten der Landwirtschaft ansprechen — eine Entwicklung, die durchaus eintreten kann und die also eine Gefahr bedeutet, der die Landwirtschaft ausgesetzt ist.
Wir haben erst kürzlich bei der Paritätsdebatte hier in diesem Hause von allen Seiten gehört, daß der Rückstand, in dem sich die Landwirtschaft befindet, aufgeholt werden müsse und aufgeholt werden soll. Meine politischen Freunde haben in dieser Debatte kritisiert, daß die von der Fraktion der CDU/CSU und von den Fraktionen der FDP und der DP eingebrachten Gesetzentwürfe zuwenig konkrete Möglichkeiten für die Herbeiführung der echten Parität zwischen Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft beinhalten. Meine Damen und Herren, hier in diesem Falle, in Abs. 2 des § 11, besteht eine solche konkrete Möglichkeit, die Parität, die Sie alle anstreben, herzustellen.
Die Fraktion der SPD ist dazu durchaus bereit. Sie schlägt Ihnen vor, den Abs. 2 des § 11 zu ändern und ihm die in Umdruck 147 Nr. 8 vorliegende Fassung zu geben. Danach soll die Landwirtschaft nur diejenigen Mittel für ihren Bedarf an Kindergeld und Verwaltungskosten aufbringen, die durchschnittlich die Betriebe der gewerblichen Wirtschaft aufbringen. Damit ist die Gewähr gegeben, daß die der Landwirtschaft zu gebenden Zuschüsse elastisch den veränderten oder veränderlichen Bedingungen angepaßt werden. Mit dem Vorschlag, den der Ausschuß gemacht hat und der auch in dem jetzt vorliegenden Änderungsantrag der CDU enthalten ist, wonach die Landwirtschaft ein Drittel — es ist ganz bestimmt gesagt: ein Drittel — aufbringen soll, würde dieses Ziel nicht erreicht.
Meine Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei, unser Antrag entspricht eigentlich auch durchaus der Auffassung, die Sie, Herr Kollege Atzenroth, in dieser Beziehung gestern zum Ausdruck gebracht haben, und eigentlich auch dem, was Sie im Umdruck 157 beantragt haben.
Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, meine Damen und Herren, dann haben Sie der Landwirtschaft in der Frage der Kindergelder die Parität verschafft, die Sie ihr grundsätzlich zu geben bereit waren. Die Landwirtschaft würde damit nicht geringer belastet als die gewerbliche Wirtschaft, sie würde nicht geringer belastet, wenn die Formulierung gewählt würde, die Landwirtschaft solle genau so belastet werden wie durchschnittlich die gewerblichen Betriebe; sie würde aber andererseits davor bewahrt, bei geänderten Voraussetzungen durch das vorliegende Gesetz stärker in Anspruch genommen zu werden als die gewerbliche Wirtschaft.
Und noch ein übriges. Durch die Annahme des SPD-Änderungsantrages würden Sie, meine Damen und Herren, auch bewirken, daß nicht das eintritt, was einige Berufsgenossenschaften so außerordentlich fürchten und was, wie ich gehört habe, zum Teil auch hier bei den Besprechungen der einzelnen Fraktionen sehr stark befürchtet wurde: daß dadurch, daß die Landwirtschaft auch in den Kreis der vom Beitrag Befreiten — bis 3600 DM ursprünglich oder jetzt 4800 DM — einbezogen würde, die verbleibenden Beitragszahler in der Landwirtschaft unverhältnismäßig hoch belastet würden. Dieser Fall wird bei Annahme unseres Antrages nicht eintreten, denn es heißt ja darin, daß die Landwirtschaft nur bis zur durchschnittlichen Belastungsquote der gewerblichen Wirtschaft in Anspruch genommen werden soll. Das heißt, auch die Belastung der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe durch dieses Gesetz würde der durchschnittlichen Belastungsquote der gewerblichen Wirtschaft angepaßt. Das beinhaltet der von uns vorgelegte Änderungsantrag.
Sie können, wenn Sie die Dinge so sehen, mit ruhigem Gewissen auch die Landwirtschaft in die Regelung einbeziehen, daß die Betriebsinhaber mit einem Einkommen von weniger als 4800 DM von der Beitragszahlung für das Kindergeld befreit werden. Es würde natürlich eine Verlagerung dieser Mittel wieder auf die Allgemeinheit erfolgen, wie dieser Gedanke auch grundsätzlich dem § 11 dieses Gesetzes zugrunde liegt. Es würde aber
*) Siehe Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 44. Sitzung.
nicht eintreten, daß einzelne landwirtschaftliche Betriebe verhältnismäßig sehr stark belastet würden, was eine ungerechte und vielleicht auch, wenn man die Sache vom Gesichtspunkt der Rentabilität aus betrachtet, eine unmögliche Belastung wäre. Das würde alles verhindert. Sie würden also auch die verbleibenden Betriebe in der Landwirtschaft genau so hoch belasten wie in der gewerblichen Wirtschaft. Hier ist kein Protektionismus, hier ist keine Bevorzugung eines Kreises von landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber den gewerblichen Betrieben; hier handelt es sich lediglich um die echte und gerechte Parität.
Es ist dabei noch zu bemerken, meine Damen und Herren, daß die Bestimmung des Abs. 2 in § 11 der Ausschußfassung unbillig ist, daß die Landwirtschaft die vollen ihr durch die Errichtung der Familienausgleichskassen bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften entstehenden Verwaltungskosten zu tragen hat. Sie werden zweifellos ungleich höher sein als bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften bzw. bei den Familienausgleichskassen, die bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften zu errichten sind.
Ich möchte aber nun in diesem Zusammenhang über Durchführbarkeit oder Undurchführbarkeit dieses Gesetzes nicht mehr sprechen; das ist ja schon geschehen. Ich möchte nur darauf hinweisen
— und dabei muß ich noch einmal auf die Resolutionen kommen, die uns in großer Zahl von den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und vom Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zugegangen sind —, daß mit den Mitteln, die die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften haben, und mit den Unterlagen, die ihnen zur Verfügung stehen, dieses Gesetz so nicht durchgeführt werden kann. Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes ist es notwendig, daß sich die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zunächst die notwendigen Unterlagen beschaffen. Das geht ganz klar aus diesen Resolutionen hervor. Herr Kollege Arndgen hat zwar gesagt, daß noch in diesen Tagen mit den Berufsgenossenschaften ein volles Einvernehmen über die Durchführung dieses Gesetzes bei ihnen herbeigeführt worden sei.
— Herr Kollege Arndgen, Sie haben das gestern gesagt. Allerdings, Herr Kollege Arndgen, habe ich gerade heute wieder eine Resolution aus Hannover bekommen.
— Sie auch. Offensichtlich sind die Dinge da doch nicht ganz in Ordnung.
Es gibt Schwierigkeiten — ich will mich hier auf einen Punkt beschränken — in bezug auf die Verwaltungskosten, die dadurch entstehen, daß sich die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften erst einen neuen Apparat zur Durchführung dieses Gesetzes schaffen müssen. Das steht zweifellos fest. Ich möchte das bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften gar nicht ansprechen. Diese haben vielleicht geeignetere Unterlagen und kennen die Lohnsummen ihrer Betriebe; aber die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften kennen die Lohnsummen gar nicht. Sie wissen überhaupt nicht, wie viele Arbeitnehmer der unfallversicherte Betrieb hat, und sie wissen auch nicht, wie viele Kinder da vielleicht zu betreuen sein werden. Diese Unterlagen fehlen sämtlich. Die
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bemessen ja die Umlage nach dem Arbeitsbedarf oder in einigen Fällen nach dem Einheitswert. Kurzum, sie werden sich die Unterlagen erst beschaffen müssen. Das erfordert, daß ein Apparat aufgezogen und räumlich untergebracht wird. Es wird also zweifellos notwendig sein, daß wieder neue Gebäude für die Familienausgleichskassen zum mindesten bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften errichtet werden. Das kostet Geld, meine Damen und Herren, das kostet mehr Geld als in den gewerblichen Berufsgenossenschaften.
Alle Sachverständigen sind sich eigentlich darüber einig, daß mit den 5 % Verwaltungskosten, die bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften angenommen sind — es ist noch sehr fraglich, ob die ausreichen werden —, bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften auf keinen Fall auszukommen ist. Eine Berufsgenossenschaft schreibt, sie rechne mit 7 1/2 %; eine andere rechnet mit über 10 %. Das Bundesernährungsministerium hat sich in den Beratungen in etwa dahin geäußert — auch nicht ganz konkret —, daß man in der Landwirtschaft mit Verwaltungskosten von 10 % der insgesamt aufzubringenden Mittel rechnen müsse; aus den Unterlagen, die uns zugegangen sind, war das auch zu ersehen. Das bedeutet, daß die landwirtschaftlichen Betriebe, wenn sie diese Verwaltungskosten allein tragen sollen, sehr viel stärker belastet würden als die gewerblichen Betriebe, und auch das wollen wir mit unserem Änderungsantrag zu § 11 Abs. 2 verhindern. Wir wollen auch in dieser Beziehung die echte Parität, die gleichmäßige Belastung aller Betriebe der gewerblichen Wirtschaft und der Landwirtschaft, weil hier einmal die konkrete Möglichkeit gegeben ist. für diese Parität, von der soviel gesprochen wird, praktisch etwas zu tun.
Meine Damen und Herren, wenn Sie also eine gleichmäßige und gerechte Belastung der Landwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft durch das Kindergeldgesetz wünschen, wenn Sie der Landwirtschaft in diesem konkreten Fall die Parität sichern wollen, dann müssen Sie dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 147 Nr. 8 Ihre Zustimmung geben.