Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Ich bitte, die Verspätung zu entschuldigen. Die Frak-tionen von SPD und Grünen hatten noch Fraktionssit-zungen. Jetzt können wir aber umso schneller in die Ta-gesordnung eintreten.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 46 a bis d sowieZusatzpunkt 5 auf:46 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zurÄnderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-schränkungen
– Drucksache 17/9852 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie RechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Gesundheitb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungSondergutachten der Monopolkommission ge-mäß § 44 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes gegenWettbewerbsbeschränkungenDie 8. GWB-Novelle aus wettbewerbsrechtli-cher Sicht– Drucksache 17/8541 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie RechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für GesundheitAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und Medienc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-nologie zu dem Antrag der Ab-geordneten Elvira Drobinski-Weiß, GabrieleHiller-Ohm, Dr. Wilhelm Priesmeier, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDFür faire Lebensmittelpreise und transparenteProduktionsbedingungen – Gegen den Miss-brauch von Marktmacht– Drucksachen 17/4874, 17/5824 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Georg Nüßleind) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-nologie zu dem Antrag der Frak-tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENPresse-Grosso gesetzlich verankern– Drucksachen 17/8923, 17/9989 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Georg NüßleinZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten KerstinAndreae, Dr. Tobias Lindner, Nicole Maisch,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENVerbraucherschutz und Nachhaltigkeit imWettbewerbsrecht verankern– Drucksache 17/9956 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie RechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Kultur und MedienNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt esWiderspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall.Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als ers-tem Redner das Wort dem Bundesminister Dr. PhilippRösler.
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Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Wirtschaftund Technologie:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungenist seit mehr als 50 Jahren gleichsam das Grundgesetzunserer Wirtschaftsordnung. Ludwig Erhard hat dasWettbewerbs- und Kartellrecht als einen wesentlichenBaustein in das Fundament der sozialen Marktwirtschafteingefügt. Die Bedeutung des Wettbewerbs galt damals,sie gilt allerdings natürlich auch noch heute, und zwargerade deshalb, weil sich die Märkte verändert habenund sich weiter verändern werden. Es ist unser Ziel, die-ses Grundgesetz der Wirtschaftsordnung den neuen Ge-gebenheiten anzupassen und es weiter zu modernisieren.Die Märkte haben sich, wie gesagt, verändert. Also müs-sen wir auch unseren Kartellbehörden neue Instrumentean die Hand geben. Sie brauchen schärfere Instrumentebis hin zur Ultima Ratio der Entflechtung.Wir brauchen auf und in diesen neuen Märkten mehrTransparenz; auch dafür sorgt diese Novelle. Schließlichwollen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher besserschützen. Am Ende nützt ein gutes Wettbewerbs- undKartellrecht nämlich vor allem den Menschen in unse-rem Land. Mit der Vorlage der 8. Novelle zum Gesetzgegen Wettbewerbsbeschränkungen bekennt sich dieseRegierungskoalition aus CDU/CSU und FDP klar zurBedeutung des Wettbewerbs. Denn wir wissen: DenWohlstand in unserem Lande verdanken wir dem Wachs-tum. Wachstum wird durch Wettbewerbsfähigkeit mög-lich. Und zur Wettbewerbsfähigkeit gehört eben auch eingutes Wettbewerbs- und Kartellrecht. Es wird durchdiese Novelle eindeutig verbessert.
Es geht um drei Bereiche:Erstens haben sich die Strukturen verändert. Es gibtheutzutage große Konzerne, und hier wollen wir einenbesseren Einblick bekommen. Wir brauchen mehr Trans-parenz, gerade für unsere Kartellbehörden, zum Beispielin den Bereichen Energie, also Strom und Gas, aber auchim Hinblick auf die Tankstellen. Mit dem Markttranspa-renzstellen-Gesetz schaffen wir eine gute Grundlage füreine noch einzurichtende Markttransparenzstelle. Wirwollen, dass die Kartellbehörden auch einen Einblick indie vertikalen Strukturen im Bereich der Energieversor-gung bekommen, um dann im Interesse der Verbrauche-rinnen und Verbraucher handeln zu können. Künftighaben auch die Verbraucherschutzverbände die Möglich-keit, gegen Kartellrechtsverstöße selber aktiv vorzuge-hen. Die Kartellbehörden wiederum haben die Möglich-keit der Vorteilsabschöpfung. Das nützt den Kundinnenund Kunden und zeigt, wie sehr das Wettbewerbsrechtauch dem Verbraucherschutz in Deutschland hilft unddient.
Der zweite Bereich, in dem sich die Märkte aus unse-rer Sicht dramatisch geändert haben und sich noch wei-ter ändern werden, sind die Verlage und die Medien. Wirstellen fest, dass die klassischen Verlage mehr und mehrdas Ziel verfolgen, sich zu Medienhäusern umzubauen,weil sie den Gegebenheiten auf den Märkten – bedingtdurch das Internet und die Globalisierung – gerecht wer-den wollen. Das Wettbewerbsgeschehen spielt sich künf-tig nicht mehr primär innerhalb von Kreisgrenzen, bei-spielsweise zwischen zwei Kreiszeitungen, und auchnicht zwischen zwei Landkreisen ab, sondern mindes-tens national, eher aber noch europäisch oder global.Es stellt sich so die Frage: Wie sehen die Märkte derZukunft aus? Wir wollen, dass auf diesen Märkten derZukunft künftig auch deutsche Verlage eine starke Rollespielen können. Dafür müssen sie die Möglichkeit be-kommen, selber zu wachsen und sich den neuen Struktu-ren anzupassen. Deswegen ist es richtig, dass wir dieAufgreifschwellen auch bei Pressefusionen weiter erhö-hen, damit unsere Unternehmen die Chance haben, zuwachsen und damit auf den globalen Märkten weiter ak-tiv und erfolgreich zu sein.Auch das zeigt: Wir haben erkannt, dass es neueMarktstrukturen gibt. Wir handeln, um unseren deut-schen Unternehmen auf den Weltmärkten auch künftigeine Chance geben zu können.
Der dritte Bereich ist das Gesundheitswesen. Einegute Versorgung fängt schon bei den Krankenkassen an:flexible Angebote, wenig Bürokratie, gute Leistungen.Wie in allen anderen Bereichen auch, ist die beste Ga-rantie dafür eben der Wettbewerb.
Deswegen müssen wir auch bei den Krankenkassenfür mehr Wettbewerb sorgen. Die Krankenkassen wer-den sich künftig auch dem Kartellrecht unterwerfenmüssen. Es kann nicht sein, dass sich Krankenkassenzum Beispiel bei Zusatzbeiträgen oder anderen Dingenabsprechen. Wenn sie im Sinne der Versicherten zusam-menarbeiten wollen, dann ist das gut. Wenn sie sich aberabsprechen, dann schadet das den Patientinnen und Pa-tienten.
Gleichzeitig wollen wir auch Krankenkassenfusionenwieder der Aufsicht des Kartellamts unterstellen. Wirwollen Vielfalt bei den Krankenhäusern und bei denKrankenversicherungen; denn dieser Wettbewerb durchWahlfreiheit nützt den Patientinnen und Patienten. Daszeigt ganz konkret, wie ein gutes Kartellrecht den Men-schen im Alltagsleben nützt.
All diese Beispiele zeigen, dass wir erkannt haben,dass sich die Märkte verändert haben. Also muss manauch das Wettbewerbs- und Kartellrecht entsprechendanpassen. Wir kommen zu Verbesserungen und zu einemmodernen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen,das für mehr Transparenz sorgt, schärfere Instrumentefür die Kartellrechtsbehörden bereitstellt und am Ende
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Bundesminister Dr. Philipp Rösler
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mehr Leistungen für die Verbraucherinnen und Verbrau-cher, für die Kundinnen und Kunden, ermöglicht.Das beweist: Wettbewerb nützt zuallererst den Men-schen, und das ist das Ziel eines gutes Wettbewerbs-rechts.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Barthel von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach je-dem Lebensmittelskandal, bei jeder Preiswelle bei Stromund Gas und bei jeder neuen Benzinpreisabzockerei kün-digen die schwarz-gelben Minister und Abgeordnete derKoalition verschärfte Maßnahmen an und drohen mitdem Kartellamt und dem Wettbewerbsrecht.
Geschehen ist bis heute nichts, lieber Kollege Hinsken.Die Bundesregierung lässt nämlich die Unternehmen,die sich fair verhalten, die Verbraucherinnen und Ver-braucher und die jeweils betroffenen Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer im Regen stehen.
Für einen Bundeswirtschaftsminister, der die Worte„Wettbewerb“ und „Wachstum“ wie ein Papagei – ge-fühlt dreimal pro Satz – vor sich hin redet,
muss es nach den Ankündigungen im Koalitionsvertrag,nach den vollmundigen Reden seines Amtsvorgängers,nach all den wüsten Drohungen, als es um Tankstellenund Steckdosen ging, anlässlich der Lebensmittelskan-dale und anlässlich der Verarmung der Presselandschaftdoch eher peinlich sein, hier zur besten Sendezeit einesolche Vorlage wie diese GWB-Novelle zu präsentieren.
An dieser Stelle muss man einmal ein paar grundle-gende Gedanken in Erinnerung bringen – Herr Röslerhat es schon angesprochen –: Das Wettbewerbsrecht be-steht in dieser Form seit den 50er-Jahren und stammt ausder Denkrichtung des Ordoliberalismus,
also einer Schule, mit der die heutige vom Neoliberalis-mus geprägte FDP und weite Teile der Union eigentlichnichts mehr zu tun haben wollen.
Diesem Wettbewerbsrecht lag doch die historischeErfahrung zugrunde, dass ungezügelte Märkte, also Ka-pitalismus pur, dazu neigen, den Wettbewerb als Grund-lage der Marktwirtschaft aus sich heraus selbst abzu-schaffen.
Das war die Erfahrung aus Kaiserreich und WeimarerRepublik.
Nach dem Faschismus und der Katastrophe des Zwei-ten Weltkriegs ging es darum, die Wirtschaft zu entflech-ten und wirtschaftliche Übermacht zu verhindern. Dankerfolgreicher kleinerer und mittlerer Unternehmen, dankgesetzlicher Regelungen, dank Kartellämtern und ande-rer Behörden stimmen wir sicher darin überein, HerrRösler, dass sich unser Wettbewerbsrecht bewährt hat.Aber der Punkt ist eben: Es hat sich in der Tat viel verän-dert.Ich fange einmal bei den Rohstoffen an. Unsere Ver-sorgung hängt von ganz wenigen Lieferanten auf derWelt und von Spekulationen ab, egal ob es dabei um Me-talle, Öl oder Lebensmittel geht. Es geht um weltweiteMarktmacht und um tatsächliche stoffliche Knappheiten.Da fällt der Bundesregierung nichts Besseres ein, alsHand in Hand mit den globalen Konzernen sogenannteRohstoffpartnerschaften einzugehen und dabei die Do-minanz dieser Konzerne zu zementieren.Beim letzten Glied in der Kette, zum Beispiel bei denTankstellen, kommen Sie dann und kontrollieren diesesletzte Glied. Ich behaupte ja nicht, dass es dort nicht ver-dächtige Vorgänge gibt. Aber wer allen Ernstes glaubt,dass der Benzinpreis an der Tankstelle gemacht wird, derglaubt auch, dass der Strom aus der Steckdose kommt.
Wer dann noch glaubt, dass man dem Problem mit einerneuen Behörde namens Markttransparenzstelle bei-kommt, der kommt aus derselben Denkschule wie die,die glauben, dass Betreuung von Betreuungsgeldkommt.
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Auch die Untersagung von Preis-Kosten-Scheren indiesem Bereich klärt doch die entscheidende Fragenicht, woher eigentlich der Preis kommt, den ein Öl-konzern verlangt. Die Bundesregierung macht sich nichteinmal die Mühe, die sogenannten dynamischen Preis-mechanismen, wie das wissenschaftlich heißt, aufzu-decken, die seltsamerweise besonders immer dann vielGeld in die Kassen der Konzerne spülen, wenn die Wareknapp ist und der Markt eigentlich dafür sprechenwürde, dass sich dann die Margen und Gewinne verrin-gern.Das Problem bei dieser Art von Tankstellenaktionis-mus ist doch, dass sich Staat und Politik lächerlich ma-chen – darüber müssen Sie sich wirklich im Klarensein –, wenn Sie immer so tun, als würden Sie jetzt dengroßen Hammer herausholen, aber Sie in Wirklichkeitnur mit den Fingerpuppen des Herrn Dr. Rösler spielen.
Völlig außen vor in der ganzen Debatte, in dieserWettbewerbsperspektive bleibt der globale Finanzsektor,die Banken und Schattenbanken. In diesem Bereich istdie Konzentration besonders hoch, mit Folgen nicht nurim Bereich des Bankensektors selber, sondern auch inder Realwirtschaft. Schon jetzt, drei Jahre nach derKrise, ist der weltweite Finanzkapitalumschlag wiedermehr als 70-mal so hoch wie der Austausch von Warenund Dienstleistungen. Sie müssen uns einmal erklären,warum es in diesem hochkonzentrierten Bereich – voneinem Markt kann man hier gar nicht reden – nicht end-lich einmal zu einer Entflechtung kommt. Da wäre Ent-flechtung gefragt. Das wäre doch mal was für einen libe-ralen Wirtschaftsminister, der überall von Mittelstand,Wachstum und Eigenverantwortung redet.
Beim Pressefusionsrecht – das haben Sie angespro-chen – kommt die neoliberale Handschrift noch deutli-cher heraus. Die Anhebung der Aufgreifschwellen sollFusionen im Verlagsbereich erleichtern, um mehr Wirt-schaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu ermögli-chen. Das ist ein Anliegen der Verlegerverbände, derenUnterstützung die Bundesregierung natürlich an andererStelle gut gebrauchen kann. Dieses Anliegen kam plötz-lich bei einem Ihrer zahllosen Koalitions- und Versöh-nungsgipfel Mitte März auf den Tisch, wie aus demNichts.Auch wir erkennen an, dass die bisherige Rechtslagedie Pressevielfalt nicht hinreichend sichern kann. Im Ge-genteil: Immer mehr Menschen in immer mehr Regionen– inzwischen sind es 60 Prozent der Landkreise – habennur eine Monopolregionalzeitung „zur Auswahl“. Endeder 60er-Jahre war das erst ein Viertel und Anfang der90er-Jahre aber immerhin schon die Hälfte der Land-kreise. „Die Axt tobt durch den Blätterwald“, schreibt ei-ner, der es wissen muss, der die Ökonomisierung und dieKonzentration in der Presselandschaft analysiert.Der Zeitungsjournalist Tom Schimmeck zitiert dendamaligen Hoffnungsträger des Hauses Bertelsmann, ei-nen gewissen Herrn Middelhoff, mit den Worten: „Wirbrauchen den Druck der Finanzmärkte“. Er beschreibt inseinem Buch Am besten nichts Neues die Bedrohung desQualitätsjournalismus und der Meinungsvielfalt, die Do-minanz des Anzeigengeschäfts und den gesteuertenKampagnenjournalismus. Wenn wir ehrlich sind, liebeKolleginnen und Kollegen auch von der Koalition, dannwird uns zur Entkräftung dieser alarmierenden Zustands-beschreibung relativ wenig einfallen.Die Ursachen dieser Entwicklungen sind sicherlichvielfältig, und die bekommen wir auch nicht allein mitdem GWB in den Griff. Aber schlicht davor zu kapitu-lieren und Zusammenschlüsse weiter zu erleichtern,ohne eine Gegenstrategie zu haben oder zu wollen, dasist doch erbärmlich.
Sie verzichten sogar darauf, diese Entwicklung einmalwissenschaftlich fundiert untersuchen zu lassen, wie wires in einem Antrag der Grünen und der SPD seit langemfordern.
Das nährt unseren Verdacht, dass Ihnen ein Schnell-schuss zugunsten der Großverlage aus dem Gebüschwichtiger ist als tatsächliche Medien- und Meinungsviel-falt in Deutschland.
Während also durch Erleichterungen im Pressefusions-recht die Meinungs- und Medienvielfalt möglicherweiseweiter gefährdet wird, enthält der Gesetzentwurf derBundesregierung keinen Vorschlag zur gesetzlichen Ab-sicherung des Presse-Grosso. Das Presse-Grosso sichertin seiner bisherigen Konstruktion eine flächendeckendeund diskriminierungsfreie Vertriebsstruktur für Presseer-zeugnisse
und schafft damit faire Wettbewerbsbedingungen zwi-schen kleinen und großen Verlagen. Es verhindert, dassgrößere Verlage einen besseren Zugang zu den Verkaufs-stellen haben und aufgrund ihrer Macht günstigere Kon-ditionen durchsetzen können.Dieses seit Jahren erfolgreiche System wird jetzt aufDruck und Klagen eines einzelnen Verlags durch Ge-richtsurteile infrage gestellt. Deswegen fordern die Frak-tionen von SPD und Grünen – die künftige Koalition –
in einem gemeinsamen Antrag, den wir heute beraten,eine gesetzliche Verankerung des Presse-Grosso. Dieskönnte zum Beispiel durch eine Ergänzung im GWB er-folgen, die dem Bundesverband Presse-Grosso die Mög-lichkeit gäbe, wie bisher für alle Grossisten gemeinsam
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Konditionen auszuhandeln. Unser Appell an die Bundes-regierung und alle Fraktionen lautet: Lassen Sie uns mitder GWB-Novelle eine rechtlich saubere und europa-rechtskonforme gesetzliche Neuregelung des Presse-Grosso im Sinne unseres Antrags auf den Weg bringen!
Es gäbe jetzt noch viel zu sagen. Bei der Wasserwirt-schaft und bei den Krankenkassen lässt die Bundesregie-rung erkennen, wohin die Reise gehen soll: Schrittweisesollen immer mehr Bereiche der Daseinsvorsorge unddes Sozialstaats dem Wettbewerb und der Privatisierungunterworfen werden. Sie machen das zugegebenermaßensehr geschickt: nach und nach. Beim Wassersektor sindSie jetzt einen Schritt zurückgegangen. Dafür schlagenSie bei den Krankenkassen voll zu. Aber dazu wirdnachher mein Kollege Lauterbach noch etwas sagen.Im Lebensmittelbereich treibt die Billigkultur täglichneue Blüten. Ich kann das jetzt nicht ausführen. Die Kol-legin Drobinski-Weiß wird nachher darauf eingehen.Aber eines ist schon jetzt erkennbar: Die GWB-Novellewird auch im Lebensmittelbereich den Problemen nichtgerecht.Letzten Endes sind wir sehr gespannt, was die Koali-tion zum Thema Entflechtung zu sagen hat und wie Siebegründen, dass von Ihren großen Ankündigungennichts übrig bleibt. Denn wir haben in der Tat das Pro-blem, dass wir in den privatisierten und liberalisiertenNetzinfrastrukturbereichen eben nicht einen blühendenWettbewerb, sinkende Preise und Investitionen vorfin-den, wie es uns in den Modellen immer angekündigtworden ist. Stattdessen erleben wir Preistreiberei beiStrom und Gas, schlechten Service bei der Telekom,Lohndumpingwettbewerb bei der Post
und vor allem eine erhebliche Investitionsblockade in al-len diesen Bereichen.Dem ist mit den Methoden, die Sie bisher vorzuwei-sen haben, nicht beizukommen. Die Frage ist doch, wa-rum zum Beispiel im Energiesektor eine Rendite von9,25 Prozent brutto für Netze nicht ausreichen soll, umInvestitionen anzuziehen, sodass jetzt nach dem Staatoder nach riesigen Milliardenbeiträgen der Verbrauche-rinnen und Verbraucher gerufen wird, um die Energie-konzerne und Netzbetreiber zu Investitionen zu bewe-gen.Es gibt viele Fragen; vieles bleibt offen in diesem Be-reich. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir das allesnicht mit dem Wettbewerbsrecht allein regeln können.Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass wir mit dieserRegierung keinen großen Wurf beim Wettbewerbsrechthinbekommen können.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich glaube – ich bin bei meinem letzten Satz, Herr
Präsident –, wir sollten die Anhörungen und die Aus-
schussberatungen in den nächsten Wochen wenigstens
dazu nutzen, um bei den Punkten, bei denen es möglich
ist, Änderungen zu erzielen und dem Gesetzentwurf die
Giftzähne zu ziehen. Wir sollten an der einen oder ande-
ren Stelle nachbessern und flankierende Regelungen
schaffen, wo immer es möglich ist. Wir bitten Sie herz-
lich, dass Sie sich auf diese Diskussion einlassen; denn
das, was bisher vorliegt, ist völlig unbefriedigend.
Für die CDU/CSU-Fraktion erteile ich jetzt dem Kol-
legen Dr. Georg Nüßlein das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nachdieser linken Fundamentalkritik,
bei der das Wenigste, was Sie gesagt haben, tatsächlichdas GWB betraf – es waren vielmehr allgemeine politi-sche Themen –, wieder zur Sache zurückzukehren, isteine schwierige, aber notwendige Aufgabe.
Ich möchte vorab betonen, dass wir sicher nicht vonder linken Seite dieses Hauses Nachhilfe bei den The-men Wettbewerb und Bedeutung des Wettbewerbs brau-chen.
Wettbewerb ist die Grundlage und der Motor unsererMarktwirtschaft.
Das müssen Sie uns doch nicht beibringen.
– Dazu werde ich noch etwas sagen. Warten Sie docheinmal ab! Vielleicht sind Sie überrascht. Zuhören istmanchmal erkenntnisreicher, als dazwischenzubrüllen.
Ich möchte vorab deutlich sagen, um welche Dimen-sion es hier geht. Man muss auch der Öffentlichkeit ein-mal darlegen, welchen volkswirtschaftlichen SchadenHardcorekartelle, also Kartelle, die durch AbsprachenMärkte aufteilen und Absatzquoten durchsetzen, anrich-
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ten. Die EU schätzt den Schaden durch solche Kartelleauf 12 bis 24 Milliarden Euro pro Jahr.
Man kann davon ausgehen, dass durchschnittlich 20 Pro-zent der Umsatzerlöse durch kartellbedingte Preiserhö-hungen zustande kommen.
– Die Antwort darauf ist, dass wir uns darüber Gedankenmachen müssen, wie man mit Bußen, aber auch mitSchadensersatzforderungen diese Schäden minimiertund Zusatzgewinne, die erzielt werden, abschöpft.
Darüber werden wir im parlamentarischen Verfahrennoch reden.
– Na ja!
– Zu solchen saudummen Zwischenrufen fällt einemwirklich nichts mehr ein. Ganz ehrlich.
Jedenfalls ist dieses Gesetz schon in der jetzigenForm geeignet, entsprechende Rahmenbedingungen zuschaffen, die Fusionskontrolle voranzubringen,
europäischen Vorgaben besser gerecht zu werden unddas Kartellrecht noch effizienter durchzusetzen. Ich ladeSie gerne ein, im parlamentarischen Verfahren mit unszusammenzuarbeiten. Konstruktiv mitzuwirken ist bes-ser, als hier Zwischenrufe zu machen. Dann werden wirsehen, was wir noch tun müssen.
Bei den Medien haben wir die größten Marktverände-rungen zu verzeichnen. Über diese Veränderungen hatauch der Minister gesprochen. Es gibt dramatische Auf-lagenrückgänge. Natürlich muss sich das Kartellrecht ander wirtschaftlichen Realität orientieren. Man muss sichfragen, was sich auf dem Markt tut. Herbeibeten kannman die Medienvielfalt nicht. Das, was sich auf demMarkt abspielt, resultiert aus einer anderen medialenNutzung. Das Verbraucherverhalten hat sich nun einmalgeändert. Das moderne Kartellrecht, das wir schaffen,wird sich dem anpassen müssen.Beim Pressefusionsrecht muss es darum gehen, Fu-sionen zuzulassen, wo sie unumgänglich sind. Das tunwir dadurch, dass wir die Aufgreifschwellen bei beab-sichtigten Fusionen im Bereich der Presse anheben, dasalso im unteren Bereich etwas leichter machen.
Wir tun das dadurch, dass wir die Bagatellmarktklauselso einführen, dass wir eine Zusammenschlusskontrollebei kleinen Verlagshäusern unnötig machen, weil wir se-hen, dass es einen riesigen Druck gibt, sich zusammen-zuschließen. Das haben wir nicht gern, aber das ist ebenso. Wir werden auch noch einmal über die Frage disku-tieren müssen, ob wir eine Sanierungsfusion brauchen.Was tut man, wenn absehbar ist, dass ein Verlag imMarkt nicht existieren kann?Das Nämliche gilt beim Presse-Grosso. Herr KollegeBarthel, Sie haben recht; ich unterstreiche Ihre Ausfüh-rungen dazu vollständig. Ich kann auch keinen großenDissens in diesem Hause erkennen. Wir wollen dafürSorge tragen, dass Medien, Journale und Zeitungen flä-chendeckend verteilt werden und dass kleine Verlage dieChance haben, in den Markt zu kommen. Dazu ist dasPresse-Grosso, wie wir es organisiert haben, ein gutesInstrument, das wir erhalten, aber auch so gestalten wol-len, dass es auf der einen Seite weder gerichtlich nocheuroparechtlich angegriffen werden kann,
dass auf der anderen Seite aber so viel Flexibilität imSystem bleibt,
dass beim Presse-Grosso den Tatsachen Rechnung getra-gen werden kann, dass die Auflagen zurückgehen unddass man Vertriebsstrukturen an eine solche Situationsinnvoll anpassen muss.
Die Union ist an dieser Stelle ganz klar positioniert.
Wir wollen das auch im Rahmen dieser GWB-Novelleentsprechend regeln. Glauben Sie uns: Das wird uns ge-lingen.
Lassen Sie mich etwas zu den Ausführungen vonKollege Barthel zum Benzinmarkt anmerken. Ich gehörezu denen, die sagen: Lasst uns keine falschen Erwartun-gen wecken. Ich glaube nicht, dass das, was wir als Ge-setzgeber an dieser Stelle tun können, einen Beitrag dazuleisten wird, dass die Benzinpreise sinken.
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Aber wir können doch etwas dafür tun, dass die Transpa-renz wächst und man genauer weiß, welche Tankstellezu welchem Zeitpunkt mit welchem Benzinpreis aufdem Markt ist. Das wird uns, wenn man die vom Minis-ter vorgeschlagene Markttransparenzstelle richtig ausge-staltet, insbesondere dadurch gelingen, dass man dieEndpreise über das Internet publiziert.
Ansonsten müssen wir alles tun, meine Damen undHerren, dass die freien Tankstellen, die eigentlichenWettbewerber zu den großen Ketten, die Möglichkeit ha-ben, weiter zu existieren.
Das machen wir über die Preis-Kosten-Schere sowieüber die Frage, wer wie beliefert wird. Dass sie von dengroßen Lieferanten nicht schlechter behandelt werdendürfen als eigene Tankstellen, ist ganz klar. Das wirdauch im GWB verankert bleiben. Zudem müssen wir da-rauf achten, dass wir im Wege der Fusionskontrolle si-cherstellen, dass es nicht zu einer weiteren Konzentra-tion in diesem Bereich kommt. Das halte ich für sehrentscheidend.Wir werden auch die Missbrauchsaufsicht für Stromund Gas weiter in der verschärften Art und Weise auf-rechterhalten; denn auch hierbei bin ich der Auffassung,dass der Wettbewerb noch nicht so ist, wie wir ihn unsalle miteinander wünschen. Deshalb macht es Sinn, diesaufrechtzuerhalten.Ich gebe ganz offen zu, Herr Minister, dass die CSUbeim Thema Krankenkassen ausgesprochen kritisch ist.Bei den Krankenkassen handelt es sich nämlich nicht umganz normale Unternehmen. Die Krankenkassen unter-liegen unserem Sozialrecht und sind vielfach sogar zurZusammenarbeit verpflichtet.
Das heißt, wenn man hier Eingriffe vornimmt, um denWettbewerb zu sichern – unstrittig ist, dass wir den Wett-bewerb erhalten wollen –, muss man gleichzeitig genaudiese Zusammenarbeitsmöglichkeiten einschränken,weil dieses Thema im Interesse der Patientinnen und Pa-tienten liegt. Man kann das nicht einfach grob über denKamm des Wettbewerbsrechts scheren. Vielmehr mussman ganz klar sagen: Bei einer Menge Dinge dient dieZusammenarbeit der Gesundheit der Patientinnen undPatienten. Deshalb werden wir auch an dieser Stellenoch einmal über die Frage reden müssen, wie man esschafft, das eine zu sichern, nämlich den Wettbewerb,und das andere nicht zu verhindern, nämlich die gesund-heitspolitisch sinnvolle Zusammenarbeit der Kassen.
Ein anderer Markt, der mir Sorgen macht, ist der Le-bensmittelmarkt. Da gibt es ein hohes Maß an Konzen-tration. Aber ich muss ganz ehrlich zugeben, dass dasKind da schon in den Brunnen gefallen ist. Wir hättenfrüher darüber nachdenken müssen, welche zusätzlichenFusionen man hier und da, etwa im Wege der Minister-erlaubnis, zulässt. Ganz offen gesagt, macht es mirschon Sorgen, wenn ich sehe, dass nur noch vier oderfünf Leute in dieser Republik, nämlich die Einkäufer dergroßen Lebensmittelkonzerne, über die Frage entschei-den, was ich mittags auf den Teller bekomme. Deshalbwerbe ich immer dafür, das Verbot des Verkaufs unterEinstandspreis zu erhalten. Ich freue mich, dass es unsgelungen ist, dies in diesem Gesetz zu sichern.
Denn jenseits der Frage, wie scharf dieses Schwert ist,ist es ein deutliches Signal, dass wir uns bestimmte Vor-gehensweisen – insbesondere solche mit einer ethischenDimension wie etwa der Umgang mit Lebensmitteln –nicht gefallen lassen.
Insgesamt ist diese Novelle in ihren Grundlagen, dieder Regierungsentwurf bietet, gut. Im parlamentarischenVerfahren wollen wir noch an der einen oder anderenStelle nachbessern.
Da, wo es Konsens gibt, beispielsweise beim ThemaPresse-Grosso, lade ich Sie gerne zum Mitmachen ein.Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dann der Kritikenthielten und uns gelegentlich einmal lobten. Das wäreeinmal etwas Neues.Vielen herzlichen Dank.
Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin
Ulla Lötzer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Rösler und Kol-lege Nüßlein, von Ihren großen Ankündigungen, Sie hät-ten etwas vorgelegt, das eine Anpassung an die Entwick-lung des Wettbewerbs bedeutet und der Konzentrationtatsächlich entgegenwirkt, ist in dem Entwurf überhauptnichts zu spüren. Allenfalls erfüllt der Entwurf einigewenige minimale Anforderungen: die Anpassung desdeutschen Rechts an die Definition von Marktmacht ineuropäischen Bestimmungen, die Formulierung vonPrüfkriterien, juristische Vereinfachungen, Klarstellun-gen und bessere Systematisierungen. Auch die Erweite-rungen im Hinblick auf das Kartellrechtsverfahren wer-den von uns begrüßt.Angesichts der realen Probleme mit der Marktmachtvon Konzernen in vielen Bereichen gibt es aber einemassive Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.Letztlich wiederholen Sie hier das übliche Schauspiel Ih-
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rer Regierungskoalition: Die Kernprobleme und Kon-fliktfelder werden ausgeblendet; der Rest wird mit vielheißer Luft zur Reform aufgeblasen. Das haben Sie hierheute Morgen sehr deutlich gemacht, Herr Rösler.
Diese Auffassung finden Sie auch in zahlreichen Stel-lungnahmen von Verbänden, Sachverständigen und so-gar konservativen Juristen. Lassen Sie mich einige zen-trale Punkte herausgreifen.Unternehmen erzielen, oft jahrelang, Erlöse und Ge-winne durch Absprachen mit Konkurrenten und zu hohePreise. Festzustellen ist: Von den bisherigen Kartellstra-fen und Bußgeldern geht keine abschreckende Wirkungaus. Die Strafen sind zu gering. Es lohnt sich, gegen dasGWB und andere Vorschriften zu verstoßen, bis manauffliegt. Das wird nach Ihrem Entwurf leider so blei-ben.Das gilt insbesondere für die Benzinpreise; HerrNüßlein hat eben etwas dazu gesagt. Das Bundeskartell-amt hat festgestellt, dass die Mineralölkonzerne denBenzinpreis künstlich in die Höhe treiben, ohne zu for-malen Preisabsprachen zu greifen. Natürlich ist ein Teildieser Preiserhöhungen durch steigende Nachfrage unddurch Spekulation entstanden oder dadurch, dass die Er-schließung neuer Ölfelder immer teurer wird. Dass indieser Situation die Mineralölkonzerne weiter ihre Ex-tragewinne aufgrund ihrer Oligopolstellung draufschla-gen können, ist umso weniger hinzunehmen – genausowenig wie Ihre Untätigkeit gegenüber der Spekulation.
Nach unzähligen Rettungsschirmen haben wir esheute mit Finanzmarktakteuren zu tun, die noch größerund damit noch systemrelevanter sind als 2007. Das Pro-blem des „too big to fail“ ist mithilfe der zugunsten derBanken mobilisierten Steuermittel und Garantien bei unsund in Europa noch drängender geworden statt kleiner.Darauf geben Sie keine Antwort. Der Entwurf ist diesbe-züglich ein Totalausfall.Ähnliches gilt für die viel diskutierte Frage der Pres-sefusionen. Knapp 60 Prozent aller Zeitungen werdenvon zehn großen Verlagen angeboten. Die Konzentrationsteigt von Jahr zu Jahr. Sie ist nicht das Ergebnis desWettbewerbs um die besten Presseprodukte, sondernschlicht das Ergebnis eines Verdrängungswettbewerbs,in dem die finanzstärksten Verlage dominieren.Natürlich wissen auch wir, dass weniger Konzentra-tion im Medienbereich nicht Garant ist für differenzierteBerichterstattung, Meinungsvielfalt und demokratischeStreitkultur. Aber ohne die Sicherung einer Vielzahl un-abhängiger Medien ist der Anspruch darauf überhauptnicht zu erfüllen. Ohne Maßnahmen gegen die Konzen-tration finden viele engagierte Verlage und Journalisten,insbesondere bei kleineren Regionalzeitungen, erst rechtkeinen Platz mehr. Stattdessen – das haben Sie beidedeutlich gemacht – wollen Sie die Global Player im Me-diengeschäft auf europäischer Ebene fördern. Das ist un-erträglich angesichts der Bedeutung der Medien in derDemokratie.
Während Sie in dem einen Bereich zu wenig regeln,überregulieren Sie in dem anderen, bei den Krankenkas-sen. Diese sollen in das Kartell- und Wettbewerbsrechteingebunden und damit in Zukunft wie privatwirtschaft-liche Unternehmen behandelt werden. Über diesen Um-weg wollen Sie dem gerade von der FDP lang gehegtenZiel einer schrittweisen Privatisierung des Gesundheits-wesens näher kommen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft soll Kontrollbe-fugnisse im öffentlich-rechtlichen Gesundheitswesen er-halten. Krankenkassen sind nach unserer Auffassungkeine Unternehmen. Deshalb müssen sie aus der Novelleherausgenommen und von Herrn Röslers Kontrollbefug-nissen ausgenommen werden.
Kolleginnen und Kollegen, die skizzierten Problem-felder sind uns allen längst bekannt. Letztlich versagt diePolitik seit Jahrzehnten, wenn es darum geht, die Markt-macht von Unternehmen konkret zu begrenzen. HerrRösler, trotz GWB und Fusionskontrolle auf deutscherund europäischer Ebene steigt die Konzentration. Ab-sprachen und Preiskartelle werden immer wieder aufsNeue aufgedeckt. Oft werden Verfahren nur durch Aus-sagen von Kronzeugen und Mitbewerbern möglich; Ver-bote werden dann ausgesprochen und Kartellrechtsstra-fen verhängt. Weiter bestimmen auf vielen Märkten nurwenige große Unternehmen über Angebotsmengen undPreise. Der in Ihren Reden immer wieder beschworenefreie Wettbewerb findet nicht oder nur eingeschränktstatt.Das Problem ist: Sie gehen nicht an den Kern des Pro-blems heran. Marktbeherrschende Unternehmen unter-liegen der Missbrauchsaufsicht. Sie gehen aber nicht dasGrundproblem der Vermachtung der Märkte mit all ihrensozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen an.Seit langem verweisen Bundeskartellamt und Monopol-kommission darauf, dass sich der Machtmissbrauch indiesen Bereichen oft nicht nachweisen lässt. Deshalbmüsste eine Entflechtung an eine marktbeherrschendeStellung gebunden werden – sie darf nicht erst Instru-ment der Missbrauchsaufsicht sein –, und genau das tunSie nicht.
Die Umsetzung Ihrer vollmundigen Ankündigung,Herr Rösler, ein wirkungsvolles Entflechtungsgesetz indiesem Sinne zu formulieren, ist schlicht ausgeblieben.Jetzt bleibt uns bis zur Verabschiedung des vorliegendenGesetzentwurfs tatsächlich nur noch der Wettbewerb umeinen besseren Entwurf, damit Sie, Herr Nüßlein, in denDebatten, in den Anhörungen und im weiteren Verfahren
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Ulla Lötzer
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von der Linken lernen können, was Wettbewerb undWettbewerbsförderung in einer sozialen Marktwirtschafttatsächlich sind.Danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Andreae für
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Eine erstaunliche Fusion von Frau Lötzer und HerrnBrüderle bei der Frage eines möglichen Entflechtungs-instruments! Ich komme noch dazu.Vorab vielleicht eines: Ich finde, es ist wirklich einesehr intensive und sehr fachliche Debatte, in der wir unsmit dieser GWB-Novelle auseinandersetzen. Ich glaube,dass wir im Verfahren auch noch Verbesserungen errei-chen, weil wir alle eine unternehmerische Landschaftwollen, in der es Kreativität und Flexibilität gibt, weilwir vermachteten Strukturen entgegenwirken wollen,weil wir wollen, dass nicht der Stärkere, sondern derBessere die Nase vorn hat und die Verbraucher profitie-ren.Herr Rösler, ich fände es wirklich passend, wenn Siedieser Debatte aufmerksamer folgten, als Sie es tun.
– Doch! Da brauchen Sie nicht „Oh!“ zu sagen. – HerrRösler, Sie haben sehr viele Kollegen im Kabinett, dieimmer dann, wenn es um Debatten zu ihrem Bereichgeht, sehr aufmerksam dabei sind, das Parlament ernstnehmen und im Hinblick auf die Frage: „Welche Verbes-serungsmöglichkeiten und Ideen gibt es noch?“ die De-batte wirklich aufmerksam verfolgen. Das nehme ich beiIhnen leider gerade nicht wahr. Ich hatte die letzten40 Minuten die Möglichkeit, Sie zu beobachten. Ichmuss sagen: Ich würde mir mehr Aufmerksamkeit vonIhnen wünschen.
Der Gesetzentwurf, den die Regierung hier vorgelegthat, erfüllt noch nicht die Voraussetzungen, die wir brau-chen, um den Wettbewerb als Herz der Marktwirtschaftzu schützen, um wirklich faire Spielregeln aufzustellen.
Das Entflechtungsinstrument ist derzeit noch ein zahn-loser Tiger. Ich habe es gesagt: Der damalige Wirt-schaftsminister Brüderle hat den sinnvollen Vorschlaggemacht, wonach nicht der Nachweis des Missbrauchsdurch die marktbeherrschenden Unternehmen entschei-dend sein sollte; vielmehr sollte allein die Tatsache, dasses ein marktbeherrschendes Unternehmen gibt, Anlassdazu geben, das Entflechtungsinstrument anzuwenden.Die Monopolkommission und das Kartellamt haben die-sen Vorschlag bekräftigt. Wider besseres Wissen ver-schimmelt dieser Vorschlag nun in der Schublade. Eswäre doch wirklich gut, wenn Sie ihn noch einmal her-vorholten. Was Sie jetzt praktizieren, ist ein Einknickenund dient weder dem Wettbewerb noch dem Markt.
Bei der Anwendung des Entflechtungsinstruments habenSie nicht den entscheidenden Schritt getan.Vielleicht gibt es noch Bewegung. Wir werden Ihnendiesen Vorschlag noch einmal unterbreiten. Wir hoffen,dass wir dann zumindest auf die Stimmen der FDP zäh-len können.
– Ich finde schon, dass Sie sich mit der Frage auseinan-dersetzen müssen, wie Sie dieses Entflechtungsinstru-ment – Sie führen immer wieder an, dass Sie wollen,dass es wie ein scharfes Schwert wirkt; der Minister hates als Ultima Ratio bezeichnet – so anwenden, dass esgreifen kann. Unter den jetzigen Voraussetzungen kannes nicht greifen; das wissen Sie im Übrigen so gut wieich. Für Sie stellt sich natürlich die Frage, ob Sie hiernicht noch nachbessern sollten.Entscheidend ist, dass die verhängten Bußgelder auchgezahlt werden. Bisher funktioniert das ganz gut: Rund80 Prozent der Bußgelder, die verhängt werden, werdengezahlt. 2011 wurden Bußgelder in Höhe von ungefähr190 Millionen Euro verhängt; davon sind 162 MillionenEuro gezahlt worden. Nun ist Folgendes passiert: DerBGH hat im Jahr 2011 zwei Grundsatzentscheidungengefällt. Er hat dadurch potenziellen Kartellsündern auf-gezeigt, wie man durch Umstrukturierungen in einemUnternehmen in der Lage ist, solchen Bußgeldern zuentgehen. Jetzt muss die entstandene gesetzliche Lückegeschlossen werden. Es geht zum einen um das Geld,das dem Bundeshaushalt nicht zufließt, zum anderen umdie Glaubwürdigkeit des gesamten Verfahrens. Wir müs-sen alle Lücken schließen, die sich bei der Frage erge-ben, wie man Bußgelder und Kartellbescheide umgehenkann, damit wir als Staat deutlich machen: Uns ist esernst mit Wettbewerb. Uns ist es ernst damit, vermach-tete Strukturen und Kartelle zu bekämpfen. Wir werdenuns hier für den Mittelstand, für die kleinen Unterneh-merinnen und Unternehmer einsetzen.
Der Schutz des Wettbewerbs ist auch Verbraucher-schutz. Das ist bereits erwähnt worden; wir teilen dieseAuffassung. Der Verbraucherschutz muss daher als
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Kerstin Andreae
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Schutzzweck in das Gesetz aufgenommen werden. Eswäre ganz wichtig, dass Sie sich hinstellen und sagen:Ja, Verbraucherschutz ist Zweck des Gesetzes.
Die Verbraucherverbände sagen uns: Die Hürden für dieMöglichkeiten, dem Verbraucherschutz tatsächlich nach-zukommen, sind nach wie vor zu hoch. Es muss nachge-wiesen werden, dass Absprachen getroffen worden sind.Ein solcher Nachweis ist nicht zu leisten. Die Gewinnab-schöpfungsmöglichkeit ist nach wie vor nicht gegeben.Wir müssen die Vorteilsabschöpfung, die man durchKartellbildung hat – oft liegen die Kartellrenditen zwei-bis dreimal höher als die zu zahlenden Bußgelder –,wirklich ernst nehmen. Die Verbraucherverbände solltengestärkt werden. Hier müssen wir nachbessern; sonstbleibt das Ganze eine Fata Morgana.
Jetzt noch ein Wort zur Frage der Ministererlaubnisund der Rolle des Parlaments. Es ist angesprochen wor-den, dass wir in der Vergangenheit mehrere Minister-erlaubnisse hatten. Jede zweite Ministererlaubnis istübrigens gegen das Votum der Monopolkommission aus-gesprochen worden.
Ein Mal war es unter Beteiligung der Grünen, übrigensdrei Mal unter Beteiligung der FDP. Jeder von uns hatalso ein Päckchen zu tragen. Die Ministererlaubnis alsInstrument muss bei der Frage nach einem überragendenInteresse eine Rolle spielen. Das, was wir wollen, habenwir in unseren Antrag geschrieben: Stärken Sie die Rolledes Parlaments! Die Ministererlaubnis muss erst einmaldurch den Bundestag. Es geht nicht, dass der Wirt-schaftsminister allein entscheidet. Wenn Sie sich nichtdazu durchringen können, dass der Bundestag entschei-det, so sollte das ganze Kabinett über eine Ministerer-laubnis beschließen. Die Ministererlaubnis darf nicht al-lein in der Hand des Wirtschaftsministers bleiben.
Also: Den Gesetzentwurf werden wir im parlamenta-rischen Verfahren sehr ernsthaft mit Ihnen diskutieren.Wir werden Ihnen Vorschläge machen. Wir haben schonVorschläge in einem Antrag festgehalten. Wir finden eswichtig, dass hier nachgebessert wird zum Schutz desWettbewerbs, den wir alle wollen, aber auch zum Schutzder Verbraucherinnen und Verbraucher, denen der Wett-bewerb nutzt.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Martin Lindner
von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Kol-legin Andreae, das Thema, das wir hier behandeln, be-rührt den Kernbereich liberalen Denkens. Natürlich gehtes – Kollege Barthel, Sie haben recht – um Ordolibera-lismus. Sie konstruieren hier allerdings einen Gegensatzzum Neoliberalismus, der einer historischen Analyseüberhaupt nicht standhält. Der Neoliberalismus, auchOrdoliberalismus genannt, war in der Nachkriegszeit dieAntwort der klassischen Lehre auf den Laisser-faire-Liberalismus des davorliegenden Jahrhunderts. Dieserwurde noch vertreten von von Mises. Die Vertreter desOrdoliberalismus – Müller-Armack, Eucken undandere – setzten dem ein Modell – jeder kann machen,was er will – entgegen, bei dem der Staat ein starkerSchiedsrichter, ein starker Regelgeber ist, aber kein Mit-spieler. Das ist der Unterschied zu Ihrer Denklehre. Sievertreten eine Denkschule, in der der Staat durch öffent-liche Unternehmen selbst eine starke Rolle spielt. Diesevertreten wir nicht. Wir bekennen uns aber zu einemstarken Staat als Regulierer und Aufsichtsführendenüber die wirtschaftlichen Prozesse in diesem Lande.
Dies ist in der Tat die Grundvoraussetzung, dass sichWettbewerb zugunsten des Verbrauchers entwickelt. Da-rin stimme ich mit Ihnen vollständig überein. Der Libe-ralismus und hier speziell das Wettbewerbsrecht hat diezentrale Rolle, dem Verbraucher zu nutzen, indem er ihmein möglichst breites Angebot zur Verfügung stellt undnicht den Markt auf Oligopole oder gar Monopole be-schränkt, seien sie staatlich oder privat. Hier muss ichsagen, dass mir das öffentliche Monopol lieber ist als dasprivate Monopol. Auch dies gehört zur Wahrheit.Wir haben in Deutschland – das muss man klar be-kennen; deswegen danke ich dem Minister für die Vor-lage dieses Gesetzes – Entwicklungen, die durchausschwierig sind und einer besonderen Beobachtung be-dürfen, so zum Beispiel im Einzelhandel. Man mussganz klar sehen, dass es dort eine unerfreuliche Tendenzzu weniger dominierenden Unternehmen und herstellen-den Unternehmen gibt, die in ihrem Bereich durchauseine Marktpotenz haben. Sie geraten dann in Schwierig-keiten, wenn in den Regalen nur noch ein Miniaturanteilangeboten wird. Dies bringt die Lebensmittelhandelsbe-triebe in eine sehr starke Stellung. Deswegen ist es rich-tig, dass wir hier vorgehen und ein starkes Gesetz behan-deln.
Der zweite Aspekt, den ich hier aufgreifen möchte, istdie Entwicklung der Mineralölpreise. Dies ist einschwieriges Feld. Heute liegt der Preis für 1 Liter Rohöl
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Dr. Martin Lindner
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bei 49 Cent. Wenn Sie jetzt den staatlichen Anteil hinzu-nehmen – also die Steuern: Mineralölsteuer, Ökosteuer,Umsatzsteuer, Steuer auf die Steuer –, kommen Sie aufetwa 90 Cent. Wenn Sie das addieren, kommt man aufden Bereich, der in Deutschland überhaupt einer Regu-lierung zugänglich ist; der liegt bei etwa 20 Cent. Dasbetrifft die Raffinierung des Öls, den Vertrieb und dieTankstellen. Wenn Sie von dieser Summe jetzt noch diePositions- und Herstellungskosten abziehen, erkennenSie, über welchen Bereich wir hier tatsächlich diskutie-ren.Wenn Ihnen der Vorschlag des Ministers nicht weitgenug geht und Sie sagen: „Das reicht uns nicht“, dannmachen Sie Vorschläge.
Es gibt ja internationale Ideen, zum Beispiel das soge-nannte westaustralische Modell, das sich bemerkenswer-terweise schon im restlichen Australien nicht durchge-setzt hat, weil es nichts taugt.
Es gibt das sogenannte österreichische Modell, ebenfallsein Regulierungsmodell, das aber eher zur Erhöhung derPreise geführt hat.
Wenn Sie jetzt fordern, dass wir in diesem Bereich zuEntflechtungen kommen sollen, Kollege Barthel undKollegin Andreae, dann müssen Sie schon sagen, wasSie entflechten wollen und was Sie entflechten können.
Entflechten können Sie ja nur die Kette zwischen Raffi-nierung, Vertrieb und Tankstelle. Ich garantiere Ihnen:Das wird nicht zu sinkenden, sondern zu steigendenPreisen führen.
Deswegen ist es richtig, dass wir uns auf eine Markt-beobachtung konzentrieren. Deswegen ist das von derKoalition gewählte Mittel das einzig vernünftige.
Sie aber haben keine Vorschläge, wie immer in den De-batten, die wir hier gemeinsam führen.
Im Medienbereich haben wir eine besondere Situa-tion, die ebenfalls unsere Aufmerksamkeit verdient.
Eine Medienkonzentration gibt es nur noch teilweise. Inden meisten Regionen Deutschlands ist der Medien-markt im Grunde intakt. Kein Mensch kann doch be-haupten, dass es zu wenig Verlagsprodukte gibt. Aller-dings gibt es tatsächlich – Herr Barthel, spitzen Sie IhreOhren – in einigen Bereichen der Printmedien eine Kon-zentration; zum Beispiel dort, wo der SPD-eigene Me-dienverlag ddvg unterwegs ist,
der regelmäßig im Kommissionsbericht der KEK, derKommission zur Ermittlung der Konzentration im Me-dienbereich, erwähnt wird.
Deswegen mein Rat: Fangen Sie einfach einmal beisich an!
Machen Sie das Ganze doch transparent. Schreiben Sieauf jede Ihrer Publikationen oben drauf, dass sie derSPD gehört. Dann wissen die Leser wenigstens, was da-rin steht oder warum es darin steht.
Ich würde an Ihrer Stelle erst einmal bei mir selbst an-fangen, bevor ich mit dem Finger auf andere zeige.
– Ich will Sie doch nicht enteignen. Ich will nur, dass dieLeser wissen, wer der Urheber des ganzen Unsinns ist,der teilweise darin steht. Nur darum geht es mir.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einige grundsätz-liche Bemerkungen zum Wettbewerb in der Daseinsvor-sorge machen.
Der Wettbewerb in der Daseinsvorsorge ist auch einezentrale Forderung und die Grundvoraussetzung für sin-kende Preise. In diesem Zusammenhang mache ich Ih-nen klar: Das, was wir fordern, ist kein Etikettenschwin-del in dem Sinne, dass ein öffentliches Unternehmenjetzt in eine private Rechtsform gegossen wird und dasGanze dann als Privatisierung läuft. Vielmehr interes-siert uns auch hier der Wettbewerb, weil auch hier nurder Wettbewerb zu günstigen Preisen führt.Ihre Vorgehensweise – vor allem in den Ländern unterSPD-Verantwortung –, bei den Wasserbetrieben Minder-
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Dr. Martin Lindner
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heitsbeteiligungen an Unternehmen der Daseinsvorsorgein private Hand zu geben, ohne Wettbewerb zu schaffen,ist ein sozialdemokratisches Modell des Wettbewerbs;das ist nicht unseres.
Dieses Modell würde überhaupt nur Sinn machen, wennhier durch eine Vergabe dafür gesorgt würde, dass die öf-fentlichen Ansprüche gedeckt werden.Das gilt übrigens auch bei den Krankenkassen. DieQualität des Produkts wird durch Aufsicht und die Regu-lierung erreicht, aber nicht durch die Tatsache, dass dasGanze durch öffentlich Bedienstete ausgeführt wird. Dasbringt überhaupt nichts. Man merkt es aber: Jedes Mal,wenn es um Ihre heiligen Kühe, die öffentlichen Unter-nehmen, geht – das war auch bei der Kollegin Lötzer so –,dann kreischen Sie auf und nennen das Ganze „Überre-gulierung“.
– Herr Heil, das hat mit dem Sozialen doch gar nichts zutun. Das Soziale kommt dann ins Spiel, wenn im Rah-men des Wettbewerbs vernünftige Leistungen zu günsti-gen Preisen angeboten werden.
Schauen Sie sich einmal Ihren Sozialstaat hier in Ber-lin an, wo Ihre Partei dafür sorgt, dass beispielsweise imBereich der S-Bahn ein Monopol quasi zementiert wird!Anstatt hier Leistungen zu vergeben und öffentlich aus-zuschreiben, sorgen Sie dafür, dass immer wieder der-selbe Anbieter die Leistungen anbietet, und wundernsich, dass diese Leistungen dann eben nicht mehr ad-äquat sind.
Herr Lindner, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ganz zum Schluss mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsi-
dent, ein Satz zum Thema Ministererlaubnis. Sie versu-
chen immer wieder, die Belange der Exekutive und die
der Legislative zu mischen.
Herr Lindner, nein, Sie müssen jetzt zum Schluss
kommen, bitte.
Das sind klassische Einzelfallentscheidungen, und
das werden sie auch bleiben.
Ich freue mich auf die Beratungen und wünsche Ihnen
ein schönes Wochenende.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elvira Drobinski-
Weiß von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Sehr verehrte Damen und Herren! Aus Ver-brauchersicht enthält dieser Regierungsentwurf, HerrMinister, nur Placebos. Wirksame Mittel für den Ver-braucher sind im Vorschlag dieser Bundesregierungnicht enthalten; Sie täuschen das nur vor.So wollen Sie zum Beispiel den Verbraucherverbän-den ein Klagerecht einräumen, wie es das für Unterneh-mensverbände schon seit der 7. GWB-Novelle gibt. Dasist gut; denn damit greifen Sie einen Vorschlag der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2005 wieder auf.
Damals hatten Sie das Verbandsklagerecht für Verbrau-cherverbände im Vermittlungsverfahren wieder heraus-geworfen. Ich hoffe nun, dass das nicht wieder passiert.
Dennoch ist das Klagerecht ein Placebo; denn wir allewissen inzwischen, dass die Klagebefugnis allein nichtreicht. Der Vergleich mit dem Klagerecht der Unterneh-mensverbände und den ähnlich gestalteten Regelungenim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zeigt: DasKlagerecht allein ist noch kein wirksames Mittel.Stattdessen müssen wir erstens Anreize schaffen, so-dass die Verbraucherverbände das Klageinstrument auchnutzen. Wenn der Vorstand einer Verbraucherzentraleauf der Grundlage des Regierungsentwurfs versuchenwürde, die zulasten der Verbraucher erlangten Vorteilebei einem Unternehmen abzuschöpfen, bringt es ihn indie Nähe einer Untreuehandlung; denn das Prozessrisikoträgt allein seine Verbraucherzentrale. Das kann für dieVerbraucherzentrale sehr schnell zu Kosten im fünfstelli-gen Bereich führen. Gewinnt die Verbraucherzentrale,muss sie die abgeschöpften Unrechtsgewinne an dieBundeskasse abführen. Warum also sollte sie klagen?Der Bundesrat schlägt deshalb vor, ein Sondervermö-gen zu bilden, in das die abgeschöpften Vorteile fließensollen. Damit könnten die Arbeit der Verbraucherzentra-len und die Prozessrisiken finanziert werden. Wir habenbereits vor zwei Jahren gefordert, die abgeschöpften Un-rechtsgewinne mit demselben Ziel der Deutschen Stif-tung Verbraucherschutz zur Verfügung zu stellen. Klarist: Auf gar keinen Fall dürfen die Unrechtsgewinnebeim Unternehmen verbleiben; denn Wettbewerbsver-stöße dürfen sich nicht lohnen.
Das Kaffeerösterkartell, das im Jahr 2009 vom Kar-tellamt aufgedeckt wurde, hat bei den Verbrauchern nachSchätzungen der Verbraucherverbände einen Schadenvon rund 4,8 Milliarden Euro verursacht. Die verhängten
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Elvira Drobinski-Weiß
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Kartellbußen betrugen dagegen nur 159,5 MillionenEuro. Also haben sich die Preisabsprachen selbst nachAbzug der Bußgelder doch für die Kaffeeröster gelohnt.Zweitens müssen im parlamentarischen Verfahren dieVoraussetzungen für eine Vorteilsabschöpfung refor-miert werden. Bisher muss den Kartellsündern Vorsatzoder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Das ist eineso hohe rechtliche Hürde, dass es weder die Verbändenoch das Kartellamt bisher gewagt haben; KolleginAndreae hat bereits darauf hingewiesen.Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Bundes-kartellamt macht gute Arbeit. Gerade im Konsumgüter-bereich hat es in letzter Zeit eine Reihe von Kartellenaufgedeckt. Auf die Ergebnisse beispielsweise der Sek-toruntersuchung im Bereich des Lebensmitteleinzelhan-dels sind wir schon sehr gespannt. Ich glaube, dass sichöffentliche Rechtsdurchsetzung durch das Kartellamtund private Rechtsdurchsetzung durch die Verbraucher-verbände sinnvoll ergänzen können. Hinweise, die beiden Verbraucherzentralen eingehen, sollten vom Kartell-amt stärker genutzt werden, und dessen Arbeit kann vonden Verbraucherverbänden sinnvoll für Klagen auf Un-rechtsgewinnabschöpfung genutzt werden.Im Dezember 2009 hat die Bundesministerin Aigner,die für den Verbraucherschutz zuständig ist, einen gutenVorschlag gemacht. Ein Teil der Kartellbußgelder sollden Verbraucherverbänden zur Finanzierung ihrer Arbeitzufließen. Dieser Ankündigung der Ministerin sind lei-der – wie so oft – keine Taten gefolgt. Unsere Anträgedazu in den Haushaltsberatungen vergangener Jahrewurden von der Koalition regelmäßig abgelehnt, obwohldas Kartellamt gerade bei den Konsumgütern besondersaktiv war. Der Bundesrat hat unsere Forderung in seinerStellungnahme aufgegriffen und gefordert, dass 20 Pro-zent der Bußgelder zur Finanzierung der Verbraucherar-beit verwendet werden. Ich fordere die Koalition auf,sich diesem Vorschlag anzuschließen. Wenn Sie das tun,Herr Nüßlein, können wir Sie dafür loben.
Wirtschaftspolitik sorgt für fairen Wettbewerb undverhindert den Missbrauch von Marktmacht; das ist so-gar schon einmal bei der FDP angeklungen. Unter einemsolchen Missbrauch leiden die Verbraucher, die Produ-zenten, die Zulieferer, die Beschäftigten und die Um-welt. Gute Wirtschaftspolitik richtet sich gegen unfaireProduktionsbedingungen und intransparente Märkte.Gerade im Lebensmittelbereich – sogar die FDP hat dasschon festgestellt – beobachten wir, welche Folgen dieNachfragemacht weniger Lebensmittelhandelskettenhat. Im Gesetzentwurf vermissen wir dazu Vorschläge.So wollen wir eine Ombudsstelle einrichten, die zwi-schen Herstellern und Handel schlichten soll. In einerAnhörung des Verbraucherausschusses haben sich alleExperten für eine solche Ombudsstelle ausgesprochen.Ich bin gespannt, sehr verehrter Herr Minister, liebe Kol-leginnen und Kollegen von der Koalition, ob Sie unserendiesbezüglichen Vorschlag aufgreifen werden.Vielen Dank.
Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Matthias Heider
von der CDU/CSU.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! So wie die Debatte heutemorgen verläuft, scheint es nicht zu schaden, wenn wiruns noch einmal das Grundanliegen des GWB vor Au-gen führen. Gerade kam die Bemerkung, dass die bayeri-sche Sichtweise hier nicht richtig sei. „Wohlstand durchWettbewerb“, schreibt Ludwig Erhard
in seinem Buch Wohlstand für alle im Jahr 1957, genauin dem Jahr, in dem das Gesetz gegen Wettbewerbsbe-schränkungen von diesem Hause beschlossen wordenist.
Erhards Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft auf Ba-sis der Wettbewerbswirtschaft gilt auch heute noch.Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist es, im Interessealler Unternehmen, unabhängig von Größe und Rechts-form, einen möglichst uneingeschränkt funktionierendenWettbewerb zu gewährleisten. Davon profitieren auchdie Verbraucher. Funktionierender Wettbewerb ist einewesentliche Voraussetzung für Wachstum und Beschäfti-gung. Wettbewerb fördert Innovation, optimale Ressour-cenverteilung und begrenzt wirtschaftliche Macht. Dasswir nunmehr im Bundestag bereits über die achte No-velle zum GWB beraten, zeigt, dass das Prinzip, das vor55 Jahren Geltung erlangt hat, nach wie vor Maßstab un-seres wirtschaftlichen Handelns ist und dass auch wett-bewerbliche Rahmenbedingungen von Zeit zu Zeit ange-passt werden müssen. Das tun wir, indem wir mit dieserNovelle Fusionskontrolle, Missbrauchsaufsicht, Buß-geldvorschriften und Kartellverfahren auf den neuestenStand der Rechtspraxis bringen und europakonform aus-gestalten.
Die achte Novelle, Herr Kollege Barthel, bringt zumeinen deutliche Verbesserungen mit sich und behält zumanderen bewährte Instrumente und Vorschriften bei. Ichwill mich auf einige konzentrieren und durchaus am An-fang einen technischen Aspekt nennen, nämlich denÜbergang vom Marktbeherrschungstest zum sogenann-ten SIEC-Test im Fusionskontrollverfahren. Hiernachwird künftig maßgeblich sein, ob ein Zusammenschlussbereits eine „erhebliche Behinderung wirksamen Wett-bewerbs“ darstellt. Das bislang geltende Kriterium derMarktbeherrschung wird beibehalten. Dass die Einzel-marktbeherrschungsschwelle auf 40 Prozent angehobenwird, entspricht mittlerweile der wirtschaftlichen Reali-tät. Ich halte eine Anhebung der Schwelle für die kollek-tive Marktbeherrschung für diskussionswürdig. Das
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Dr. Matthias Heider
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sollte in unseren Ausschussberatungen Berücksichtigungfinden.Neben der Ausgestaltung der Untersagungskriteriensind auch die Abwägungstatbestände zu berücksichti-gen. In diesem Zusammenhang halte ich es für sinnvoll,weiterhin an den praxisbewährten Instrumenten der Ab-wägungs- und Bagatellklausel sowie der Ministererlaub-nis festzuhalten. Frau Kollegin Andreae, Ministererlaub-nis ist exekutives Handeln. Ich glaube nicht, dass unserHaus eine solche Entscheidung an sich ziehen sollte.
Lassen Sie uns einen Blick auf den Antrag der Grü-nen zum Thema missbrauchsunabhängiges Entflech-tungsinstrument werfen. Sehr geehrte Kolleginnen undKollegen von den Grünen, in Ihrem Antrag zur GWB-Novelle fordern Sie die Bundesregierung auf, als UltimaRatio ein Entflechtungsinstrument einzuführen, selbstwenn überhaupt kein Missbrauch vorliegt. Sie verweisenauf das entsprechende Sondergutachten der Monopol-kommission, allerdings nur lückenhaft.Dazu einige Bemerkungen. Erstens sieht die Mono-polkommission die Implementierung einer sogenanntenobjektiven Entflechtungsregel ausdrücklich nicht alsvordringliche Maßnahme an. Zweitens macht die Mono-polkommission hinreichend deutlich, dass mit einer ob-jektiven Entflechtung auch immer die Gefahr verbundenist, dass Unternehmen alleine wegen der Existenz einessolchen Instruments Investitionen und Innovationen un-terlassen werden, um dem Risiko einer Entflechtung zuentgehen.
Ich frage Sie: Wollen Sie in der jetzigen wirtschaftlichenLage wirklich, dass die Investitions- und Innovationsbe-reitschaft deutscher Unternehmen dadurch gehemmtwird?
Das fördert bzw. schützt den Wettbewerb wohl kaum.Drittens verweist die Monopolkommission darauf, dassRationalisierungsvorteile zunichtegemacht und Größen-und Verbundvorteile gefährdet werden. Diesen Nachtei-len, so die Monopolkommission – man höre! –, könnedurch Kompensationszahlungen aus öffentlichen Mittelnbegegnet werden. Auch das scheint mir wenig markt-konform zu sein, und unsere Haushalte sind eh schon be-lastet genug.Meiner Ansicht nach birgt eine nicht austarierte undvorschnelle Ausgestaltung eines missbrauchsunabhängi-gen Entflechtungsinstruments die Gefahr,
dass wir gegen die eingangs genannten ordnungspoliti-schen Leitbilder unserer Wirtschaft verstoßen; denn derAnknüpfungspunkt ist gerade nicht wettbewerbsschädli-ches Fehlverhalten. Mit den in Ihrem Antrag genanntenMaßnahmen werden auch Fälle erfasst, in denen sich er-folgreiches Unternehmenswachstum widerspiegelt. Ichbegrüße es daher sehr, dass das Instrument der objekti-ven Entflechtung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in denRegelungskatalog des GWB aufgenommen wird. DieAbhilfemaßnahmen struktureller Art hingegen sind imvorliegenden Gesetzentwurf enthalten.Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu Unter-Ein-standspreis-Verkäufen und dem Verbot der Preis-Kosten-Schere sagen. Eines muss klar sein: Die wenigen kartell-rechtlichen Mittel, die wir der Preistreiberei mancherOligopolisten entgegenhalten können, dürfen zum Jah-resende nicht achtlos auslaufen. Ein alle Autofahrer be-lastender Nachahmungswettbewerb ist an den Tankstel-len zu beobachten. Ein afrikanisches Sprichwort sagt:„Willst du den Preis wissen, musst du über den Marktgehen.“ Millionen von Autofahrern fahren täglich überdiesen Markt und können die Preise sehen. Beim Blickin den Rückspiegel sehen sie meist, dass sich die Preiseschon wieder geändert haben.
Insofern begrüße ich es sehr, dass die Bundesregierungan diesen wichtigen Verbotsmöglichkeiten festhält.Dass die vorhandenen Instrumente auch konsequentumgesetzt werden, Frau Lötzer, zeigt sich darin, dass dasKartellamt vor wenigen Wochen gegen die fünf großenMineralölkonzerne ein Verfahren wegen des Verdachtsdes Preismissbrauchs eingeleitet hat.
Nun wird geprüft, ob der Treibstoff unter Einstandspreisverkauft worden ist und ob für die Belieferungen freierTankstellen höhere Preise verlangt worden sind als beiden eigenen Kunden. In dem einen oder anderen Antragwird behauptet, dass es an einer effizienten Kartellver-folgung fehle. Angesichts dieser Vorgänge ist mir einesolche Aussage unverständlich.
Das heißt nicht, dass es in den Missbrauchs- und Un-tersagensverfahren keine Verbesserungsmöglichkeitengibt. Im eben genannten Verfahren, Frau KolleginAndreae, war das Kartellamt zunächst gezwungen, denbetroffenen Unternehmen förmliche Auskunftsersuchenzuzustellen, um überhaupt belastbare Daten zu erhalten.In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass markt-konforme Maßnahmen und Instrumente tatsächlich wei-terentwickelt werden müssen, um effektiv vorgehen zukönnen. Dazu zählt auch die Einrichtung der Markttrans-parenzstelle beim Bundeskartellamt, die den Handel mitKraftstoffen durchgängig beobachten muss, um schnel-
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Dr. Matthias Heider
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ler reagieren zu können. Ein entsprechender Regierungs-entwurf wird bereits heute im Bundesrat beraten.Es ist richtig: Die Preise für Kraftstoffe steigen auflange Sicht an. Das ist ein Ärgernis für uns Verbraucherund eine ernste Kostenbelastung für unsere Unterneh-men. Die Bundesregierung kann die Preise aber nicht perVerordnung einfach ändern. Das wäre Planwirtschaft.Das ist nicht unser Modell. Unsere Aufgabe muss essein, strukturelle Voraussetzungen für funktionierendenWettbewerb zu schaffen. Das werden wir mit dieser No-velle angehen. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbsdroht immer. Deshalb ist es Aufgabe des Staates, denOrdnungsrahmen für den Wettbewerb von Zeit zu Zeitneu zu schaffen.Zum Schluss:Wenn ein Unternehmen auf Dauer bestehen undfortschrittlich bleiben will, gibt es nichts Schlim-meres, als keine Wettbewerber zu haben.Das sagte Robert Bosch, ein deutscher Unternehmer undErfinder. Ihm ist zuzustimmen, auch dem Entwurf dieserNovelle.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin
Caren Lay.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! In einem sind wir uns hoffentlich einig: Die Ver-braucherinnen und Verbraucher müssen im Wettbe-werbsrecht endlich gestärkt werden;
denn die Bürgerinnen und Bürger sind die Leidtragendenvon Monopolen und Preisabsprachen. Ob bei Kaffee-,Benzin- oder Strompreisen, die Schäden für die Verbrau-cherinnen und Verbraucher sind enorm. Die Verbrauche-rinnen und Verbraucher zahlen nach Berechnungen desUmweltbundesamts allein 10 bis 15 Milliarden Euro imJahr zu viel an die Stromkonzerne. Ich finde, das kannman so nicht hinnehmen. Das ist wertvolles Geld, dasden Bürgerinnen und Bürgern im Portemonnaie fehlt.Das müssen wir endlich angehen.
Mit dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, wirddas leider nicht geändert. Dieser Gesetzentwurf ist reineSymbolpolitik. Dieser Gesetzentwurf ist einfach nur Au-genwischerei. Ich will Ihnen das an einigen Beispielenerläutern:Erstens: die angebliche Stärkung der Verbraucherver-bände im Kartellrecht. Die Verbraucherverbände selbstsagen, dass durch diesen Gesetzentwurf kein messbarerFortschritt zu erwarten ist. Das sollte Ihnen zu denkengeben. Die Möglichkeiten, die Sie den Verbraucherver-bänden einräumen, werden nicht greifen. Wir wissendoch, dass das in der Realität so nicht funktioniert. DieBeweislast soll bei den Verbraucherverbänden liegen.Die Schäden sollen sie selbst ermitteln. Das ist doch völ-lig unrealistisch. Das ist unpraktikabel. So funktioniertdas einfach nicht.
Eines ist für uns als Linke völlig klar: Wenn es Preis-absprachen und Kartellverstöße gibt, zahlen die Verbrau-cherinnen und Verbraucher Milliarden Euro zu viel.Dieses Geld aus Unrechtsgewinnen müssen die Verbrau-cherinnen und Verbraucher in vollem Umfang zurücker-halten.
Bisher stehen die Bußgelder – dieses Beispiel istschon genannt worden – in keinem Verhältnis zu denUnrechtsgewinnen der Unternehmen. Beispiel Kaffee:Geschätzt 4,8 Milliarden Euro haben die Unternehmenaufgrund des Kaffeerösterkartells zu viel verdient. DieBußgelder betrugen gerade einmal 160 Millionen Euro.Das steht in keinem Verhältnis. An diese Regelungenmüssen wir endlich heran. Wir als Linke sagen gemein-sam mit dem vzbv: Wir wollen dieses Geld in vollemUmfang zurückfordern.
Ich finde, dass dieses Geld nicht einfach in das Staats-säckel wandern sollte. Es sollte, wann immer es geht,den Verbraucherinnen und Verbrauchern individuell zu-gutekommen. Für die Fälle, in denen das nicht möglichist, hat Ministerin Aigner einen durchaus interessantenVorschlag gemacht. Sie hat gesagt: Dieses Geld aus denKartellstrafen soll der Verbraucherarbeit zugutekom-men. Das wären trotz der gerade skizzierten laschen Re-gelung in den letzten zehn Jahren immerhin 1 MilliardeEuro gewesen. Das sind für uns Verbraucherschützerganz utopische Summen. Die Verbraucherministerin istleider ihrem Ruf als Ankündigungsministerin wieder ge-recht geworden. Ich hätte mich gefreut, wenn sie zumin-dest an der heutigen Debatte, in der es ja um die Ver-braucherrechte geht, teilgenommen hätte.
Ein letztes Beispiel: die Strompreise. Sie schlagenvor, bestehende Regelungen zu verlängern. Ich sage:Das wird es nicht bringen; denn es hat auch schon in denletzten Jahren nicht funktioniert. In den letzten Jahrenhat die Missbrauchsaufsicht den enormen Anstieg derStrompreise nicht eindämmen können. In den letztenzehn Jahren haben sich die Strompreise verdoppelt. Imgleichen Zeitraum haben die vier Energieriesen über100 Milliarden Euro Gewinne eingestrichen. Deswegensage ich hier ganz klar: Das Problem ist nicht der Miss-brauch, sondern das Problem sind die vier großen Ener-gieriesen, die den gesamten Markt beherrschen, die denVerbraucherinnen und Verbrauchern das Geld aus derTasche ziehen und das eigene Säckel damit füllen. Dasist der Regelfall auf dem Strommarkt. Dieses Problemmüssen wir endlich angehen.
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22210 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012
Caren Lay
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Wir als Linke sagen: Wir brauchen eine staatlichePreisaufsicht. Wir wollen diese Konzerne auch entflech-ten. Mit diesem Gesetzentwurf kommen wir bei der Ent-flechtung keinen Schritt voran. Dieser Gesetzentwurfdient nicht dem Verbraucherschutz, er dient bestenfallsder Verbrauchertäuschung.Vielen Dank.
Jetzt hat das Wort die Kollegin Birgitt Bender von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem
vorliegenden Entwurf soll das Kartellrecht auf das Ver-
hältnis der Krankenkassen untereinander ausgedehnt
werden. Da stellt sich die Frage: Passen Kartellrecht und
das Sozialgesetzbuch V eigentlich zusammen? Die Ant-
wort heißt Ja, wenn es um die Vergabe öffentlicher Auf-
träge geht, etwa bei Rabattverträgen. Die Antwort heißt
auch Ja, wenn es um das Verhältnis von Krankenkassen
und Leistungserbringern geht, auch wenn Handwerk und
Krankenhäuser da noch Nachbesserungsbedarf sehen.
Die Antwort heißt vielleicht Ja, wenn es um das Verhält-
nis der Krankenkassen zu ihren Versicherten geht und
wir über Verbraucherschutz reden. Auch Krankenkassen
sind keine Heiligen. Wir hören von den Verbraucher-
schutzverbänden, dass Kassen zunehmend in der
Akquise zu Cold Calls greifen, nicht auf die Rechte der
Versicherten bei der Einführung von Zusatzbeiträgen
hinweisen oder gar versuchen – wir alle wissen, dass
dies geschieht –, unliebsame Versicherte abzuschrecken.
Die Antwort lautet aber klar Nein, wenn das Kartell-
recht auf die Beziehungen zwischen den Krankenkassen
ausgeweitet werden soll. Was steht denn im SGB V?
Krankenkassen sind zur Zusammenarbeit verpflichtet.
Gleichzeitig soll ihnen das durch das Kartellrecht nun
wieder verboten werden. So etwas nennt man politische
Schizophrenie.
Man kann es auch anders ausdrücken: Die Regierung
fordert von den Kassen die Quadratur des Kreises. Nor-
menklarheit, Herr Minister Rösler, sieht anders aus. Die
FDP redet ja gerne von Bürokratieabbau, aber hier füh-
ren Sie sowohl bei der Aufsicht als auch bei den Rechts-
wegen Doppelzuständigkeiten ein. Die Folgen werden
ständige Abgrenzungsprobleme und ständige Rechtsun-
sicherheit sein.
Das Ergebnis lautet dann: mehr Staat statt mehr Wett-
bewerb. Denn dann muss man wieder vorschreiben, dass
die Kassen etwa bei regionalen Versorgungskonzepten
zusammenarbeiten dürfen oder gar müssen. Das sieht
auch Herr Singhammer so. Leider reden Sie heute nicht.
Das ist schade, Herr Singhammer, Sie hätten von uns
wahrscheinlich viel Beifall erhalten.
Warum nun diese Nacht-und-Nebel-Aktion zweier
FDP-Minister? Es scheint ja so, dass dem Bundeskartell-
amt die Arbeit ausgeht, weil immer mehr Zuständigkei-
ten von der EU wahrgenommen werden. Soll das jetzt
also eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zulasten der
Krankenkassen sein, oder will das Wirtschaftsministe-
rium Kontrollbefugnisse über das Gesundheitswesen er-
langen, um die Privatisierung des Gesundheitswesens
voranzutreiben, für die Sie ja nicht einmal in Ihrer Koali-
tion eine Mehrheit haben? Solch eine Politik durch die
Hintertür ist überhaupt nicht akzeptabel.
Wir brauchen spezifische Wettbewerbsregeln im So-
zialrecht. Man muss einmal über das Verhältnis zwi-
schen Kollektiv- und Selektivverträgen reden und über
die unterschiedlichen Aufsichten in Bund und Ländern.
Dort besteht Reformbedarf, aber die Regierung traut sich
nicht, dies anzugehen. Stattdessen agieren Sie hier aus
rein ideologischen Gründen an der völlig falschen Stelle.
Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Karl Lauterbach
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Anwendung des Kartellrechts auf die Kran-kenkassen
ist ein großer Schritt in die falsche Richtung.
Ich versuche, das, bevor ich es kritisiere, zunächst ein-mal zu erläutern, sodass wir überhaupt wissen, worüberwir reden.Erstens bedeutet dies, wie eben schon von FrauBender dargestellt, dass viele Initiativen der Kranken-kassen, die derzeit gemeinsam durchgeführt werden,dann nicht mehr möglich sind. Die Krankenkassen sinddann nämlich Teilnehmer im Wettbewerb und nichtmehr Agenten der Versicherten. Das hat zum Beispielzur Folge, dass Zusammenschlüsse von Krankenkassen,in deren Rahmen sie gemeinsam Kliniken bewerten, Re-gister zur Qualität bestimmter Eingriffe erstellen oderdie Vorbeugung organisieren, zum Beispiel die Krebs-vorsorge durch Mammografie- und Darmkrebs-Scree-nings, dann nicht mehr möglich sein werden, wenn nur
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Dr. Karl Lauterbach
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eine Krankenkasse nicht mitmacht. Diese kann dannnämlich auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts gegenden Verbund der anderen klagen. Auch die privatenKrankenversicherungen, die nicht mitmachen dürfen,zum Teil qua Gesetz, könnten dann klagen, weil sie ei-nen Wettbewerbsnachteil gegenüber den gesetzlichenKassen haben. Das muss man zu Ende denken.Herr Rösler – es würde sich vielleicht lohnen, eineSekunde zuzuhören –, Sie höhlen damit einen großenTeil des Qualitätswettbewerbs zugunsten der Versicher-ten aus, ohne dass irgendjemand etwas davon hat.
Wozu brauchen wir ein Recht, das die Qualitätskontrol-len in unserem Gesundheitssystem und die Initiativender Kassen zur Vorbeugung zurückfährt und schwächt,statt sie, was sich der Verbraucher eigentlich wünscht, zustärken?
Zweitens wird die Anwendung des Kartellrechts aufdie Krankenkassen darauf hinauslaufen, dass unser Ge-sundheitssystem teurer wird. Denn das eine oder andere,was derzeit zur Preissenkung beiträgt, wird dann schwe-rer oder nicht mehr möglich sein. Ich denke hier zumBeispiel an die Festbetragsregelungen für Arzneimittel.Festbeträge sind Regelungen zugunsten der gesetzlichenKrankenkassen. Für die privaten Krankenversicherun-gen gelten diese Festbeträge aber nicht. Sie hätten dannein Klagerecht. Wenn sich eine einzelne Kasse nicht ander Festbetragsregelung beteiligen will, dann bestündeplötzlich die Möglichkeit, die Festbetragsregelung kom-plett auszuhöhlen. Das hätte erhebliche Zusatzkosten zurFolge, ohne dass der Verbraucher in irgendeiner Weisedavon profitiert.Das Gleiche gilt übrigens auch für die Hilfsmittelvor-gaben. Preisvorgaben für Hilfs- und Heilmittel, die der-zeit eingehalten werden, sind freiwillige Absprachen derKrankenkassen. Sie senken derzeit das Preisniveau unse-rer Versorgung und sichern die Qualität, weil sie immermit Qualitätsvorgaben einhergehen. Auch das wäre dannnicht mehr möglich. Somit würde das System teurer.Auch Rabattverträge für Kassengruppen wären dannnicht mehr möglich. Die AOK als Einzelkasse könntezwar noch einen Rabattvertrag abschließen, weil sie einUnternehmen ist. Würden sich mehrere kleine Kassenzusammenschließen, dürften sie das aber nicht; dieswürde dann nämlich einen Verstoß gegen das Wettbe-werbsgesetz darstellen. Man muss sich fragen: Wer hatdaran ein Interesse? Ich meine, dass das wahrscheinlichnicht zu Ende gedacht ist; denn dadurch wird der Wett-bewerb, den wir gemeinsam stärken wollen, geschwächt.Drittens. Auch das EU-Kartellrecht kommt hier sofortzum Tragen. Wo in Deutschland das deutsche Kartell-recht gilt, gilt sozusagen im überregionalen Bereich dasEU-Kartellrecht. Das bedeutet, dass wir einen Teil unse-rer Gesundheitspolitik nach Europa verlagern. Wer kanndaran ein Interesse haben? Wer kann zum Beispiel einInteresse daran haben, dass Europa eine Handhabe hat,den Leistungskatalog, den wir den gesetzlichen Kran-kenkassen vorgeben, auszuhöhlen?
Er ist die Grundlage unseres Solidarsystems. Ist daswirklich zu Ende gedacht? Wo ist an dieser Stelle dieCSU, die sich immer wehrt, wenn es um die Verlagerungvon Kompetenzen nach Europa geht?
Hierdurch würden doch die zentralen Bausteine unseresSolidarsystems nach Europa verlagert, ohne dass wir ir-gendetwas davon hätten.
Wo ist der Widerstand der Union? Ich sehe hier nicht ei-nen einzigen Gesundheitspolitiker von der Union. Istden Kollegen nicht klar, worum es hier geht? Ist ihnendie Tragweite dieses Gesetzentwurfs nicht bewusst? Ichkann daher nur davor warnen.Wer profitiert überhaupt von diesem rein ideologischbestimmten Vorhaben? Es profitiert zum einen natürlichwie immer die private Assekuranz, weil viele Wettbe-werbsvorteile der gesetzlichen Krankenversicherung da-mit zunichtegemacht werden.
Zum anderen profitieren auch die Pharmaindustrie unddie Medikalprodukteindustrie.Lassen wir uns aber nicht täuschen: Das ist ein ganzklarer Gesetzentwurf gegen die Versicherten und gegendie Patienten. Herr Rösler, einen solchen Gesetzentwurfbrauchen wir nicht, selbst wenn Sie ihn jetzt in Ihrerneuen Funktion einbringen. Das haben wir nicht ver-dient; das hat niemand verdient.
Ich komme zum Schluss. Sie haben eben relativschlicht, wenn mir diese Bemerkung gestattet ist, überLudwig Erhard und die soziale Marktwirtschaft gespro-chen. Soziale Marktwirtschaft bedeutet: Es gibt einenBereich des Sozialen, in dem das Sozialrecht gilt, und esgibt einen Bereich des Markts, in dem im Prinzip dasKartellrecht gilt.
Sie vermengen das hier in einer unzulässigen Art undWeise. Das ist nicht die Art und Weise, in der LudwigErhard darüber gedacht hat.Man kann sich Gedanken darüber machen, ob Sie ah-nungslos sind oder ob Sie versuchen, uns etwas vorzu-machen. Ich persönlich bin mir nicht sicher, was schlim-mer wäre.
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Dr. Karl Lauterbach
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Ich kann nur alle, die hier sind, einschließlich der Kolle-gen und Kolleginnen von der CSU, darum bitten: Ma-chen Sie sich klar, was das bedeuten würde, und helfenSie uns, diesen Unsinn, diesen Murks gemeinsam zu ver-hindern; denn das wäre ein Schritt, den wir nur schwerzurückgehen könnten.Vielen Dank.
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Ernst
Hinsken das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Als ich mich auf diese Debatte vorberei-tete, habe ich mir gedacht: Sie eignet sich eigentlichnicht für Polemik, sie sollte nicht ideologiebehaftet sein.Ich habe auch nicht gedacht, dass sich verschiedeneRedner nur auf einzelne Bereiche beziehen und dasgroße Gemeinsame, das sich hier in dieser Novelle be-findet, vergessen.
Es wäre deshalb angebracht, dass man sich, bevorman sich hier ans Rednerpult begibt, genau darüber in-formiert, was Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundes-regierung ist.
Verehrter Herr Kollege Barthel, ich schätze Sie persön-lich sehr, nur: Heute haben Sie mich enttäuscht, weil das,was Sie hier ausgeführt haben, ein bisschen danebenwar.
Herr Minister Rösler, das, was Sie gesagt haben, wardagegen wohltuend.
Sie haben kurz und prägnant auf den Punkt gebracht,was Inhalt dieser Novelle ist und was das insgesamt ge-sehen bedeutet.
Es ist doch erfreulich und unbestritten: Das GWB hatsich bewährt.
Es hat international anerkannte Maßstäbe gesetzt undden Mittelstand unserer Republik einmal großgemacht.
Nach sieben Jahren steht wieder einmal eine GWB-No-velle auf der Tagesordnung bei uns im Deutschen Bun-destag. Ich möchte darauf verweisen – das darf ich mitbesonderer Genugtuung tun –: Bislang hatten wir bei denÄnderungen immer einen Konsens. Diese wurden immermit größter Sorgfalt, ohne Zeitdruck und unter Berück-sichtigung des Rats Sachverständiger vorgenommen.
Auch dieses Mal wollen wir die Sachverständigen hören.Wir haben eine Anhörung anberaumt, die in der über-nächsten Woche stattfinden wird, bevor wir in die zweiteund dritte Lesung hier im Deutschen Bundestag gehenwerden.Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, verges-sen wir doch eines nicht: Das GWB ist das Grundgesetzder sozialen Marktwirtschaft unserer Republik.
Kapieren Sie das doch auch einmal und richten Sie sichdanach! Wettbewerb ist das Herzblut einer funktionie-renden Marktwirtschaft. Unsere Wirtschaft und geradeder Mittelstand brauchen ein klares Bekenntnis zurMarktwirtschaft und zu freiem und fairem Leistungs-wettbewerb.
Wettbewerb reguliert sich doch nicht ganz von selbst.
Es gilt, zu verhindern, dass große Unternehmen ihreMarktmacht schrankenlos ausspielen.
Deshalb ist auch von mir heute ein klares Bekenntnis zurAufgabenstellung des Kartellamts zu hören, des Grals-hüters des Wettbewerbs.
Warum braucht man überhaupt das GWB? Erstens,um die Freiheit des Wettbewerbs zu schützen, zweitens,um den Erhalt eines marktwirtschaftlichen und wettbe-werblichen Wirtschaftssystems für alle Teilnehmer zusichern, und drittens, um die individuelle Handlungsfrei-heit der Marktteilnehmer zu gewährleisten und wirtschaft-liche Macht zu begrenzen.
Die drei Säulen des Gesetzes sind erstens die Kartellbe-kämpfung, zweitens die Fusionskontrolle und drittensdie Missbrauchsaufsicht.
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Ernst Hinsken
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Ich sage das, verehrte Kolleginnen und Kollegen,weil viele Leute – auch diese Debatte wird über Phoenixübertragen – uns zuhören, doch Verschiedene nicht wis-sen, wie sie den Inhalt der Reden deuten sollen, weil sieuns vielfach nicht mehr verstehen.
Wir müssen deshalb schon auf den Kern der Sache kom-men und darauf verweisen, was überhaupt Inhalt des Ge-setzes ist.
Das Kartellverbot und die Kontrolle von Unterneh-menszusammenschlüssen
dienen dazu, wettbewerbliche Marktstrukturen zu erhal-ten und der Entstehung von Marktmacht entgegenzuwir-ken,
und – ganz wichtig! – im Rahmen der Missbrauchsauf-sicht wird überwacht, dass sich schon bestehende markt-mächtige Unternehmen gegenüber anderen Marktteil-nehmern fair verhalten.Ich meine schon, hier besonders unterstreichen zukönnen: Mit dieser Novelle bringen wir ein wichtigesVorhaben des Koalitionsvertrages auf den Weg. Wir hal-ten Wort, wie das auch auf anderen Gebieten erkennbarist.
Damit verbessern wir den Wettbewerbsrahmen inDeutschland noch weiter. Schließlich ist die Reform desGWB ein klares ordnungspolitisches Signal, um dieWachstumskräfte am Standort Deutschland nachhaltigzu stärken.
– Weil Sie es vorhin anscheinend nicht kapiert haben,hole ich so umfangreich aus,
damit Sie den Zusammenhang erkennen und wissen, wasim Gesetzentwurf steht. Das soll allen, auch den Bürge-rinnen und Bürgern, klar werden.
Die Verbraucher sollen und werden davon profitieren.Auch das wollen wir. Das wollen schließlich doch auchSie; das habe ich zumindest bis vor einer Stunde ge-meint.
Aber Sie haben völlig danebengelangt, Herr KollegeBarthel. Ich hätte mir gerade von Ihnen als Arbeiterfürerder SPD
Richtungsweisenderes erwartet.
Was ist denn überhaupt das Ziel? Mit der 8. GWB-Novelle sollen die Unterschiede zwischen deutscher undeuropäischer Fusionskontrolle verringert und der Hand-lungsspielraum kleiner und mittlerer Presseunternehmenangemessen erweitert sowie die Durchsetzungsmöglich-keiten des Kartellrechts durch die Verbraucherverbändegestärkt werden.Es ist deshalb richtig, wenn die Bundesregierung auswettbewerbs- und mittelstandspolitischen Gründen da-ran festhält, nicht nur marktbeherrschende, sondern auchmarktstarke Unternehmen mit sogenannter relativerMarktmacht einer Aufsicht zu unterwerfen und die ent-sprechenden Regelungen einfacher und verständlicherzu gestalten. Das wollen wir, und das werden wir auchbei den Beratungen und der Beschlussfassung im Aus-schuss und im Plenum nachhaltig vertreten.
Des Weiteren erhalten Verbraucherverbände, die vonden Vorrednern mehrmals angesprochen wurden, dieMöglichkeit, Unternehmen wegen eines Kartellrechts-verstoßes auf Unterlassung und auf Vorteilsabschöpfungzugunsten der Bundeskasse für Schäden in Anspruch zunehmen, die eine Vielzahl von Verbrauchern betreffen.Sammelklagen wollen wir aber nicht einführen. Auchdas sollte klar sein.
Zugleich erhalten die Kartellbehörden die Möglich-keit, die Rückerstattung zu Unrecht erhaltener Zahlun-gen, zum Beispiel bei überhöhten Preisen im Strombe-reich, an die Verbraucher anzuordnen. Das ist geradejetzt ein Gebot der Stunde. Wir schalten, walten und han-deln im Interesse des Bürgers. Das ist unser Anliegen.Ich bin Ihnen deshalb, verehrte Frau Kollegin Andreae,für das, was Sie hierzu sach- und fachgerecht ausgeführthaben, dankbar.
Zudem sind Fusionen vom Bundeskartellamt zukünf-tig zu untersagen, wenn sie wirksamen Wettbewerb er-heblich behindern. Die deutsche Fusionskontrolle legtdamit den gleichen Prüfmaßstab an wie die europäische.Auf diese Weise wird erreicht, dass das Bundeskartell-amt und die Europäische Kommission Fusionsvorhabenweitgehend gleichlautend beurteilen. Wir wollen einengemeinsamen Weg gehen und sind uns bewusst: Ohnedie EU wird nichts laufen, und in der EU wird ohne
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Deutschland nichts laufen. Wir wollen das Gemeinsamein den Vordergrund stellen.Wir werden gleichzeitig auch dafür sorgen, dass Be-währtes wie zum Beispiel die Ministererlaubnis beibe-halten wird. Bewährt hat sich auch die Überprüfbarkeitvon Minderheitsbeteiligungen durch das Bundeskartell-amt, das heißt Beteiligungen, die keine vollständigeKontrolle ermöglichen, aber einen für den Wettbewerbrelevanten Einfluss verschaffen. Dies ist der Europäi-schen Kommission nicht möglich. Aber bei uns kann dasBundeskartellamt damit vor allem im Bereich der Ener-gieversorgung den Wettbewerb wirksamer schützen.Abschließend möchte ich noch anmerken, dass die Si-cherung der Presse- und Meinungsvielfalt in Deutsch-land für uns alle unverzichtbar ist. Die Erhöhung derAufgreifschwelle für die Fusion von Zeitungs- und Zeit-schriftenverlagen weitet die Erlaubnis für kleine undmittlere Verlage aus, sich ohne Anmeldung beim Bun-deskartellamt zusammenzuschließen. Dies fördert dieWettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Verlage ineinem geänderten Medienumfeld und gewährleistet aucheine vielfältige Presselandschaft in der BundesrepublikDeutschland, die wir sicherlich alle zusammen wollen.
Dagegen unterliegt die Übernahme kleiner Verlagedurch Großverlage weiterhin der Kontrolle durch dasBundeskartellamt. Somit ist sichergestellt: Auch in Zu-kunft findet im Pressebereich eine effektive Fusionskon-trolle statt, die dessen Besonderheiten Rechnung trägtund im Interesse der Pressevielfalt keine wettbewerbs-schädliche Konzentration zulässt.Das sind die Leitgedanken, die unser Handeln bestim-men. Dafür werden wir eintreten. Um diese umzusetzen,werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Wirwerden damit Sorge tragen, dass gerade das Wettbe-werbsrecht für unsere Marktwirtschaft weiterhin vongroßer Bedeutung bleibt und die Möglichkeit gibt,Deutschland weiter nach vorne zu bringen. Genau dashaben wir uns ja insgesamt gesehen als großes Ziel ge-setzt.Herzlichen Dank.
Nun hat der Kollege Wolfgang Börnsen für die
Unionsfraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Lieber Ernst Hinsken, deine letztenAusführungen sind gut geeignet, um daran anzuschlie-ßen. Als der dritte amerikanische Präsident, ThomasJefferson, gewählt wurde, sagte er in seiner Einführungs-rede:Wenn ich zu wählen hätte zwischen einem Land mitRegierung, aber ohne Zeitungen, und einem Landmit Zeitungen, aber ohne Regierung, dann würdeich das Land ohne Regierung wählen.Für ihn würde es also kein Land ohne Zeitungen geben.Beides ist für uns jedoch unvorstellbar: ein Land ohneRegierung und ein Land ohne Zeitungen. Wir wollen allegemeinsam, dass Deutschland weiter ein Zeitungszu-kunftsland bleibt.
Deshalb ist die Änderung des Gesetzes gegen Wettbe-werbsbeschränkungen nicht nur ein wirtschaftspoliti-sches Thema; sie hat auch eine enorme medienpolitischeBedeutung.Zu den medienpolitischen Zielen der Union zählendie Sicherung der Medien- und Meinungsvielfalt und dieSchaffung der geeigneten Rahmenbedingungen. Wir allesind nicht weit weg von diesem Ziel. Die Rahmenbedin-gungen sollen den Wettbewerb auf den nationalenMedienmärkten ermöglichen und zur internationalenWettbewerbsfähigkeit der deutschen Medienanbieterbeitragen. Zwei Themen stehen aktuell im Blickpunktder Medienmärkte: die Pressefusionskontrolle und dasPresse-Grosso.Es wird in den nächsten Tagen entschieden, ob wirbeim Grosso etwas gesetzlich regeln müssen. Es hat inseiner Funktion und Form seit Jahrzehnten maßgeblichzur Medienvielfalt in Deutschland beigetragen. Es ga-rantiert Neutralität und Überallerhältlichkeit, Presse-und Medienvielfalt überall in Deutschland und faireMarktchancen für neue Titel. Das Grosso hat sich be-währt.
Zwar hat es einen monopolartigen Charakter – den darfman nicht verschweigen –, jedoch haben seine Vorzügefür alle Beteiligten, Leser, Zeitungs- und Zeitschriften-käufer und kleine Verlage, stets überwogen.Grundlage dafür war die „Gemeinsame Erklärung“von 2004.
Verdienstvolle Vermittlerin dieser Regelung war die da-malige Kulturstaatsministerin Christina Weiss. Fortge-führt wurde dies durch kluge Verhandlungen am rundenTisch von Bernd Neumann, und wieder aufgenommenwurde diese Idee der „Gemeinsamen Erklärung“ jetztdurch Hans-Joachim Otto.
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Wolfgang Börnsen
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Wenn es doch noch irgendeinen Weg zurück zu dieser„Gemeinsamen Erklärung“ gibt, sollten wir ihn gehen,und zwar alle gemeinsam. Eine gesetzliche Regelungdes zentralen Verhandlungsmandats kann nur die letztealler Lösungen sein.
Abgesehen davon ist eine gesetzliche Regelung vollerRisiken; denn eine europarechtliche Prüfung wird erfol-gen. Wenn spezielle Verantwortliche eines bedeutendenVerlags nicht noch zur Einsicht finden, wird der Gesetz-geber handeln.Trotzdem halte ich es für zeitlich unpassend, dassRot-Grün heute hierzu ihren Antrag auf die Tagesord-nung gesetzt hat; denn Ende April fand im Bundeswirt-schaftsministerium ein runder Tisch zum Thema Presse-Grosso statt.
Alle Streitpartner waren dabei, auch die Opposition. Da-mals wurde einhellig vereinbart, sich vor der Sommer-pause ein zweites Mal zu treffen, um eine gütliche Lö-sung zu finden. Als Termin wurde von allen Beteiligtenauf Vorschlag von Hans-Joachim Otto der 28. Juni ak-zeptiert und für gut befunden. Vor Abschluss der GWB-Novelle sollte Klarheit geschaffen werden.Warum also setzen SPD und Grüne heute ihren An-trag gegen diese Absprache auf die Tagesordnung?
Ich glaube nicht – ich sage euch jetzt etwas Nettes –,dass man so kleinkariert denkt und es darum geht, einenmöglichen Erfolg von Hans-Joachim Otto zu verhindern,ihm die Show zu stehlen.
Ich glaube auch nicht, dass man das Thema Presse-Grosso einseitig parteipolitisch ausschlachten und alsPluspunkt für sich verbuchen möchte. Nein, es geht denbeiden Oppositionsfraktionen um ihre Reputation unddarum, öffentlich deutlich zu machen, wie flexibel manist. 2004 verdammte Rot-Grün bei fast gleichem Sach-verhalt ein Gesetz und pries die Verhandlungslösung.Man wollte die „Gemeinsame Erklärung“. 2012, nuracht Jahre später, verdammt man die Freiwilligkeit undfordert nach dem Motto: „Unser Grundsatz ist, keinenGrundsatz zu haben“, das Fallbeil des Gesetzgebers.Auch beim Pressefusionsrecht – nimmt man die Länder-auffassung dazu –
huldigt die Opposition dem Zeitgeist und beschwört,was eigentlich unnötig ist, alte Feindbilder.Um die Verlage in unserer Republik zu stützen und zustärken, muss die Politik handeln.
Die Verlage in unserer Republik – Sie kennen doch dieWirklichkeit – fühlen sich durch die Googles und Applesdieser Welt bedrängt. Nach ihrer Auffassung würdendiese international operierenden Multimediakonzernebei uns – das ist auch der Fall – weit weniger reguliertals die deutschen Verlagshäuser. So weit die Kritik, undsie trifft zu.Die untersagte Übernahme von ProSiebenSat.1 durchdas Haus Springer war damals beispielhaft und hat dieseSituation gekennzeichnet. Deshalb ist der Reformansatzder Bundesregierung beim Pressefusionsrecht richtig. Ergreift zwei medienpolitische Erfordernisse auf: Die fürPresseunternehmen bislang geltende Aufgreifschwellewird von 25 Millionen Euro auf 62,5 Millionen Euro he-raufgesetzt.
Die Schwelle für den Bagatellmarkt wird entsprechendvon 750 000 Euro auf rund 1,9 Millionen Euro angeho-ben. Verlagsbündnisse werden möglich. Die Wettbe-werbsfähigkeit wird verbessert, aber marktbeherr-schende Positionen werden durch das Bundeskartellamtweiter verhindert.Die neue Rechtsetzung wurde erleichtert, weil sichder Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und derVerband Deutscher Lokalzeitungen im Vorfeld abge-stimmt und sich auf eine Lösung geeinigt haben. Dafürgebührt ihnen Dank und Anerkennung.Stark unterschiedliche Interessen auf einen gemein-samen Nenner zu bringen – das wissen wir aus unseremeigenen Alltag –, ist nicht immer einfach. Die Verlegerhaben im vergangenen Herbst noch weitergehende Vor-schläge vorgelegt. Diese betreffen zum Beispiel dieNachbarschafts- und die Sanierungsfusion. Auch sie ver-dienen es, von uns ernsthaft geprüft zu werden.Die von der Bundesregierung jetzt geplanten Ände-rungen sichern den Markt der Marken und die Medien-vielfalt. Die Aufgreifschwelle ist seit 1976, also seit36 Jahren, nicht mehr angepasst worden. Die geplanteErhöhung wird nun zu einem Kaufkraftausgleich führen.Die Verlage haben seit Jahren steigende Kosten. Es wirdaufwendig produziert. Die Inhalte sind im Internet nurschwer refinanzierbar. Deshalb sind höhere Erträge not-wendig. Das hilft der Medienvielfalt; denn kleine und re-gionale Zeitungshäuser sollen nach unserer Auffassungüberleben und stark sein, und sie sollen die Meinungs-vielfalt sichern.Was nützt es uns, wenn Redaktionen zusammenge-strichen werden und wenn ganze Zeitungen eingestelltwerden? Dann wird das Medienangebot für uns alle ge-ringer. Die Vielfalt sinkt, die Konzentration steigt. Klug-heit ist gefragt, nicht die reine Lehre!
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Wolfgang Börnsen
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Noch ein Punkt ist uns wichtig: Wenn wir keine Re-form betreiben, sitzen die Nutznießer in Kalifornien.Wollen wir, dass sie den Reibach machen? Haben wirnicht eine Verantwortung für die Pressesituation und dieLage der Verlage in unserem Land? Bei uns müssen wirfür Reformen sorgen, damit unsere Verlage gestärkt wer-den und die notwendige Freiheit bekommen. Ihnen wirddamit auch mit Blick auf die internationalen Wettbewer-ber geholfen.
Der Kulturstaatsminister hat auf Veranlassung desDeutschen Bundestages eine Studie zur Medienmei-nungsvielfalt in Deutschland in Auftrag gegeben. DieResultate liegen nun vor. Sie zeigen unter anderem, dassGoogle.de zur Meinungsbildung bei politischen Themenbereits die am zweithäufigsten genutzte Einzelmarke ist.Den Versuch, dieser Entwicklung entgegenzusteuern,sollten wir unternehmen. Wir wollen damit die Verlagestärken. Wir wollen den Journalismus in Deutschlandstärken. Wir wollen die Medienvielfalt garantieren, diedie Stellung unseres Landes als demokratisches Land si-chert. Damit wollen wir einen Punkt für die Zukunft desZeitungsmarktes in Deutschland setzen.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 17/9852, 17/8541 und 17/9956 andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Sind sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-logie zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel„Für faire Lebensmittelpreise und transparente Produk-tionsbedingungen – Gegen den Missbrauch von Markt-macht“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 17/5824, den Antrag derFraktion der SPD auf Drucksache 17/4874 abzulehnen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Be-schlussempfehlung mit den Stimmen der Unionsfraktionund der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der FraktionDie Linke und der SPD-Fraktion bei Enthaltung derFraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antragder Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-nen mit dem Titel „Presse-Grosso gesetzlich verankern“.Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/9989, den Antrag der Fraktionen derSPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache17/8923 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss-empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? Es tut mir leid; das Präsidium ist sich im Mo-ment nicht einig bei der Feststellung des Abstimmungs-ergebnisses.
Wir können noch die Gegenprobe machen.
Ich möchte noch einmal wissen: Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen?
– Es gibt keine Einigkeit im Präsidium. Damit bitte ichSie alle, den Saal zu verlassen. Nach § 51 Abs. 2 unsererGeschäftsordnung stellen wir nun das Abstimmungs-ergebnis per Hammelsprung fest.Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfrak-tion und aus der FDP-Fraktion, ich weiß, es gibt amFreitagmittag unheimlich viel zu besprechen. Trotzdembitte ich Sie, sich auf den Weg vor den Saal zu machen,damit wir dann den Hammelsprung durchführen können.Während die letzten Kolleginnen und Kollegen denWeg aus dem Saal suchen, bitte ich die Schriftführerin-nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzu-nehmen. Soweit ich das von hier erkennen kann, sindnoch nicht alle drei Abstimmungstüren ordnungsgemäßbesetzt.Ich bitte um ein Zeichen, ob die Türen geschlossenwerden können oder ob noch Kollegen den Weg aus demSaal suchen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitteSie, den Saal durch die Tür Ihrer Wahl wieder zu betre-ten, damit wir das Abstimmungsergebnis feststellen kön-nen. Die Abstimmung ist damit eröffnet.Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, welche nochvor den Abstimmungstüren verharren, bitten, nun denSaal zu betreten, damit wir das Abstimmungsergebnisfeststellen können.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde indrei Minuten die Abstimmung beenden. Ich bitte dieKolleginnen und Kollegen, die schon im Saal sind, mirden Blick auf die Türen freizumachen. Es könnte ja sein,dass noch eine Kollegin oder ein Kollege daran gehin-dert wird, durch diese Türen zu gehen. Dann muss ichihr bzw. ihm natürlich zu ihrem bzw. seinem Recht ver-helfen.Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-rerinnen und Schriftführer, mir das Ergebnis mitzuteilen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schriftführerin-nen und Schriftführer haben mir das Ergebnis der Ab-stimmung mitgeteilt: 204 Kolleginnen und Kollegen ha-ben mit Ja gestimmt, 7 haben mit Nein gestimmt, keinKollege und keine Kollegin hat sich enthalten.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22217
Vizepräsidentin Petra Pau
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Das heißt, es haben 211 Kolleginnen und Kollegen ander Abstimmung teilgenommen. Damit ist gleichzeitigdie Beschlussunfähigkeit des Deutschen Bundestagesfestgestellt worden. Entsprechend § 45 Abs. 3 GO-BTbin ich verpflichtet, nach Feststellung der Beschluss-unfähigkeit die Sitzung sofort aufzuheben.Das tue ich hiermit: Die Sitzung ist aufgehoben.Ich bitte die Parlamentarischen Geschäftsführerinnenund Geschäftsführer aller Fraktionen zu mir zur Bespre-chung des weiteren Verfahrens.