Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich
begrüße Sie alle herzlich.
Wir setzen unsere Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt II – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2009
– Drucksachen 16/9900, 16/9902 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012
– Drucksachen 16/9901, 16/9902, 16/10426 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
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Redet
Alexander Bonde
Dazu rufe ich den Tagesordnungspunkt II.8 auf:
Einzelplan 04
Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und
des Bundeskanzleramtes
– Drucksachen 16/10404, 16/10423 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Petra Merkel
Jürgen Koppelin
Roland Claus
Omid Nouripour
Zu diesem Einzelplan liegen drei Änderu
der Fraktion Die Linke vor.
Frau Merkel, Sie haben am Sonntag ein bemerkens-wertes Interview gegeben. Mir geht es nicht um die öf-fentlichen Avancen an uns Liberale. Davon lassen wiruns nicht einlullen. Sie haben wörtlich gesagt: Wirt-schaft ist zum großen Teil auch Psychologie. – Sie habenvor einer durch Angst angetriebenen Abwärtsspirale ge- im gleichen Atemzug, es werde ein Jahrhrichten, und Ihr Adlatus Steinbrückassandrarufe gleich mit ein. Fataler gehtinem Vierteljahr war Realismus gefragt.ngsanträgewarnt. Sie sagenschlechter Nacstimmt in die Kes nicht. Vor e
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Rainer BrüderleDamals hat Schwarz-Rot noch alles schöngeredet. Jetzt,da die Regierung Zuversicht verströmen müsste, heiztsie bei den Menschen die Angst an.
Angesichts solch düsterer Stimmungen halten die Leuteihr Geld lieber zusammen.Nicht nur die Opposition sagt: Sie haben die Tiefeund die Schwere der Wirtschaftslage bis heute nicht er-kannt.
Das sagt man in Frankreich; das sagt man in Großbritan-nien; das sagt man sogar im Wahlkreis von HerrnKauder.
Jetzt ist handfeste Rezessionsökonomie gefragt. Jetztsind die Brot-und-Butter-Themen angesagt. Aber das istoffensichtlich nicht das Metier dieser Regierung. Wieman sieht, kann diese Regierung das nicht.
Die Menschen machen sich wieder Sorgen um ihrenArbeitsplatz. Es geht inzwischen nicht nur darum, dasssie Angst haben, dass ihr Erspartes bei der Bank nicht si-cher ist, sondern auch darum, dass Zweifel bestehen, obsie ihre Kreditzinsen noch pünktlich zahlen können. AlsReaktion darauf beschließt Schwarz-Rot das Maßnah-menpaket – die Titel sind immer sehr hübsch – „Be-schäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“. Dasklingt ja putzig. Selbst der Sachverständigenrat der Bun-desregierung sagt: Das ist ein Sammelsurium; da habendie Ressorts zusammengekehrt, was sie schon immermachen wollten. Es ist aber kein Programm aus einemGuss, das eine entsprechende Wirkung entfaltet.
Die Wachstumskräfte hätten Sie schon längst stär-ken können. In drei relativ guten Jahren haben Sie dieZeit verplempert, Deutschland fit zu machen. Es wardoch klar, dass dem Aufschwung wieder ein Abschwungfolgt. Auch diese Koalition setzt den Konjunkturzyklusnicht außer Kraft. Allerdings hat sie keine Vorbereitun-gen dafür getroffen.
Der private Konsum dümpelt schon lange. Die Hoch-steuerpolitik der Regierung ist dafür verantwortlich. Wasmachen Sie? Innerhalb weniger Tage jagt ein Opel-Gip-fel den nächsten. Frau Bundeskanzlerin, Sie müssen auf-passen, dass Opel nicht Ihr persönliches Holzmann-Er-lebnis wird.
Die entscheidende Frage ist: Wo ist Schluss mit der Ver-teilung von Steuergeldern? Die Regierung verfährt freinach dem Motto: „Wer will noch mal? Wer hat nochnicht?“ Man muss in Deutschland nur groß genug seinuiPgdKetd2Eb2LrI5ahd5BBgdlAItauSpSdscneslenShM
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die inter-nationalen Finanzmärkte sind in diesem Herbst in eineKrise geraten, wie sie die Welt seit Jahrzehnten nicht er-lebt hat. Das betraf auch wichtige deutsche Kreditinsti-tute. Die Politik hat zu außergewöhnlichen Mitteln grei-fen müssen. Wir alle haben gespürt, dass hier einLebensnerv unserer Volkswirtschaft in Gefahr geratenist. Wir spüren das natürlich umso mehr, weil Deutsch-land seit jeher eine offene Volkswirtschaft ist. Wir erar-beiten unseren Wohlstand ganz wesentlich auf den Welt-märkten. Es ist deswegen klar, dass wir unsereWirtschaft vor den konjunkturellen Folgen der interna-tionalen Finanzkrise nicht abschotten können.Die Wucht aber, mit der das erfolgt ist, können wirauch heute noch nicht vollständig abschätzen. Die Poli-tik ist in diesen Wochen und Monaten vor Herausforde-rungen gestellt, für die es kein Drehbuch gibt. Niemandvon uns kann auf wirklich vergleichbare Erfahrungs-werte zurückgreifen. Dies prägt natürlich auch – wiesollte es anders sein? – die diesjährigen Beratungen zumHaushalt.
Wir können nicht alle Entwicklungen voraussagen; dasgehört zur Wahrheit.
Wir wissen jedoch: 2009 wird ein Jahr schlechter Nach-richten sein. Wir bauen eine Brücke, damit es spätestens2010 wieder besser wird. Das ist der Ansatz der Bundes-regierung, und das ist auch der Ansatz der Mehrheit hierim Parlament.
Was ist klar? Klar ist, dass die aktuellen Prognosenbestenfalls ein marginales Wachstum für das kommendeJahr voraussagen. Das Bruttoinlandsprodukt wird imkommenden Jahr um mindestens 27 Milliarden Euroniedriger ausfallen, als wir alle bis zur Verschärfung derFinanzmarktkrise durch den Konkurs von LehmanBrothers erwarten konnten.Die täglichen Nachrichten, die wir aus der Automo-bilbranche, aus der Chemie und anderswoher erhalten,zeigen: Wir stehen vor einer schwierigen Wegstrecke fürDeutschland, für Europa, für alle Industrieländer und fürdie Schwellen- und Entwicklungsländer. Zur Dimensiondieser Krise gehört: Es hat selten eine wirtschaftlicheKrise gegeben, die gleichzeitig in den Vereinigten Staa-ten von Amerika, Europa und Asien stattfand. Das machtdiese ungewöhnliche Herausforderung aus.Die Bundesregierung wird mit dem Blick nach vorndas Notwendige tun, auch wenn es natürlich bisherigePlanungen verändert. Außergewöhnliche Umstände erfor-dern auch besondere Maßnahmen. Dabei gilt: Unser Zielist nicht, die Krise irgendwie zu überstehen, sondern unserZiel ist, mit neuen Chancen auf den Weg zu Wachstumund Wohlstand zurückzukehren. Wir sind überzeugt:Deutschland ist stark. Ich sage sogar: Deutschland istsehr stark. Wir haben weltweit wettbewerbsfähige Pro-dwErgfIkgRdultsSvDrKSHgsTR–sbwdMebdhnRDbgUiehcDktH
Vor allen Dingen – erinnern wir uns doch! –: Wireutsche haben schon in der Vergangenheit große He-ausforderungen gemeistert: den Wiederaufbau nach demrieg, den Aufbau in den neuen Bundesländern, einentrukturwandel, der aus Agrargebieten und Kohlerevierenightechstandorte gemacht hat, die technologische undesellschaftliche Revolution, die zur Wissensgesell-chaft führt, nicht zuletzt die jahrelange, zum großeneil hausgemachte Stagnation und die Umkehr von einerekordarbeitslosigkeit von 5 Millionen auf heute nurimmer noch zu viel – 3 Millionen Arbeitslose. All dasind Erfolge, all das waren Herausforderungen; die ha-en wir gestaltet, und die haben wir gepackt. Deshalberden wir es auch diesmal wieder schaffen.
All das war jedes Mal ein Beweis für die Lebenskrafter sozialen Marktwirtschaft. Mit ihrer Hilfe haben dieenschen, Arbeitnehmer wie Unternehmer, den Wandelrfolgreich bestanden. Deshalb sind wir jetzt besser vor-ereitet auf diese Krise: Wir haben den niedrigsten Stander Arbeitslosigkeit seit 16 Jahren, wir haben dieöchste Zahl von Beschäftigten überhaupt – 40,7 Millio-en in diesem Herbst –, wir haben einen deutlichenückgang der Lohnzusatzkosten, wir haben ein Maastricht-efizit von etwa 0 Prozent in diesem Jahr, und wir ha-en die niedrigste Staatsquote seit der Wiedervereini-ung.Richtig ist: Natürlich wird, weil außergewöhnlichemstände eine Antwort brauchen, das Haushaltsdefizitm kommenden Jahr ansteigen. Jawohl, das tut es. Imuropäischen Vergleich stehen wir trotzdem gut da. Des-alb können wir sagen: Alles in allem sind die öffentli-hen Haushalte in Deutschland solide aufgestellt.eshalb bleibe ich, auch mit Blick auf die auf uns zu-ommenden demografischen Veränderungen im nächs-en Jahrzehnt, dabei: Das Ziel eines ausgeglichenenaushaltes sollte, wenn irgend möglich, in der nächsten
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelLegislaturperiode erreicht werden. Auch dazu stehenwir.
Meine Damen und Herren, beides ist richtig: Wir ha-ben auf der einen Seite Deutschlands grundsätzlicheStärke und auf der anderen Seite die Dramatik des welt-weiten Konjunktureinbruchs. Deshalb braucht es jetztvor allem eines: eine Politik des Maßes, der Mitte undder praktischen Vernunft.
Das ist das, was wir machen. Dafür brauchen wir Grund-sätze, nach denen wir handeln.
Ich bin der tiefen Überzeugung: Gerade in Krisen mussman klare Grundsätze und Leitsätze haben, an denenman sich orientieren kann; und das tut die Bundesregie-rung.
Ein erster Grundsatz gilt für den Umgang mit dem Fi-nanzsektor: Der Staat muss dort mit voller Kraft eingrei-fen, wo die Volkswirtschaft in Gänze und das gesamtegesellschaftliche Leben unseres Landes in Gefahr gera-ten. So sehr eine einzelne Bank ein privates Unterneh-men ist, so sehr ist das Finanzdienstleistungswesen alsGanzes ein öffentliches Gut. Es ist nämlich existenziellfür die gesamte Volkswirtschaft. Deshalb war es unum-gänglich, in kurzer Zeit mit atemberaubenden Summenund kürzesten Entscheidungsfristen einzuspringen. Ichglaube, hier haben die Bundesregierung, der Bundestagund der Bundesrat sich der Herausforderung gestellt undgezeigt, dass sie sie bewältigen können.
Wo stehen wir heute? Es sind Anträge auf Garantienin Höhe von 100 Milliarden Euro eingegangen. Wir ha-ben insgesamt ein Volumen von 400 Milliarden Euro da-für vorgesehen. Zugleich liegen Anträge auf Rekapitali-sierungshilfe in Höhe von 10 Milliarden Euro vor. Sieerinnern sich: Wir haben hierfür 80 Milliarden Euro vor-gesehen. Das heißt also, das Maßnahmenpaket wirdSchritt für Schritt angenommen. Die Entscheidungen,die zu fällen sind, sind oft nicht einfach. Sie müssen mitder notwendigen Sorgfalt gefällt werden; denn im Rück-blick wird man fragen: Habt ihr das alles richtig ent-schieden? Gleichzeitig muss natürlich zügig gehandeltwerden.Weil viele angesichts der 500 Milliarden Euro für dieBanken fragen: „Was habt ihr für uns, die kleinen Unter-nehmen und die Mittelständler?“, möchte ich an dieserStelle noch einmal wiederholen: Wir haben dieses Paketnicht für die Banken gemacht. Wir haben dieses Paketfür unsere Volkswirtschaft, für die kleinen, mittleren undgroßen Unternehmen und für die Sparerinnen und Sparergemacht. Das war die erste Aktion zur Rettung unsererWirtschaft.ssaagnWwinveWtutumweBhnDGcaaMbz–deznwndhdwtcdBnIw
Wir müssen heute konstatieren: Das Vertrauen zwi-chen den Banken ist noch nicht wieder so weit herge-tellt, wie wir uns das wünschen. Deshalb zwei Zurufen die Finanzmarktteilnehmer: Erstens. Man sollte nichtus falschem Prestigedenken eine wettbewerbsfähige ei-ene Kapitalisierung verhindern oder nicht in Anspruchehmen.
ir haben das Paket gemacht, damit die Banken wettbe-erbsfähig bleiben. Zweitens ist es die Pflicht der Finanz-stitutionen, Unternehmen ausreichend mit Krediten zuersorgen. Beide Aufgaben stehen im Raum und müssenrfüllt werden.
Die Folge dieser Finanzmarktkrise ist ein scharferachstumseinbruch, qualitativ ein ganz anderer Wachs-mseinbruch, als wir ihn in einem auslaufenden Konjunk-rzyklus gehabt hätten. Diesen qualitativen Unterschiedüssen wir bei unseren Beratungen berücksichtigen,enn wir die richtigen Antworten finden wollen.Das führt mich zum zweiten Grundsatz: Für uns gehts bei der Wirtschaft um Hilfe zur Selbsthilfe, um dasauen von Brücken. Worum es nicht geht, sind dauer-afte Produktsubventionen oder gar die Verhinderung ei-es notwendigen Strukturwandels.
as kann der Staat nicht. Deshalb ist dieser zweiterundsatz wichtig.Das heißt also, unsere Maßnahmen bilden eine Brü-ke für Investitionen, für Beschäftigung, insbesondereuch für unsere Fachkräfte, bis der Aufschwung wiederus eigener Kraft trägt. Alle Ökonomen sagen uns, dieseaßnahmen sollten unmittelbar wirksam und zeitlichefristet sein. Deswegen führen wir zum Beispiel fürwei Jahre die degressive AfA ein. Wir haben gesagtes ist richtig –: bis zur Unternehmensteuerreform eineegressive AfA, Ersetzung durch die Unternehmensteu-rreform und jetzt mit den Abschreibungsmöglichkeitenusätzliche Hilfen, befristet auf zwei Jahre.Wir wissen natürlich auch: Damit eine solche Maß-ahme und andere Maßnahmen, die von uns angeregterden, überhaupt wirken können, brauchen die Unter-ehmen eine sichere Kreditversorgung. Diese ist heuteurch die Finanzinstitutionen nicht gewährleistet. Des-alb haben wir gesagt, dass die Kreditanstalt für Wie-eraufbau ein neues Finanzierungsinstrument auflegenird, mit dem wir private Investitionen und Betriebsmit-el im Umfang von insgesamt 20 Milliarden Euro absi-hern. Die Ausfallhaftung wird weitgehend von der Kre-itanstalt für Wiederaufbau getragen, damit wir denanken, Sparkassen und Raiffeisenbanken Risiken ab-ehmen, die sie zurzeit vielleicht nicht tragen können.ch sage hier: Die Anträge können ab Montag gestellterden. Das ist in vielerlei Hinsicht wichtig. Vielleicht
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelist dies eines der wirksamsten Mittel, um geplante Inves-titionen in dieser Zeit doch durchführen zu können.
Wir haben eine weitere Brücke vorgeschlagen: dieVerlängerung des Kurzarbeitergelds. Hier geht es darum,dass Fachkräfte nicht entlassen werden, dass wir die Zei-ten für Qualifizierung nutzen. Die Bundesagentur fürArbeit wird an genau dieser Stelle ansetzen. Natürlichwar es richtig, dass wir gesagt haben: Wir wollen zusätz-liches Personal einstellen, das sich mit der Vermittlungund mit der Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern befasst. Gerade auch die KfW-Pro-gramme werden an dieser Stelle sehr wichtig sein; dennwir wissen aus vielen Einzelbeispielen, dass die Unter-nehmen, die Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmenwollen, die Sozialversicherungsabgaben bezahlen müs-sen, dies oft nicht aus eigener Kraft leisten können unddeshalb einen Kredit dafür bekommen müssen. Ansons-ten würde das Kurzarbeitergeld völlig ins Leere laufen.Bei dem zweiten Grundsatz und der Frage „Wie hel-fen wir der Wirtschaft?“ gibt es auch besondere Fälle.Ein solcher Fall könnte Opel sein. Wir beraten darüber;wir wissen überhaupt noch nicht, ob hier eine Bürgschaftin Anspruch genommen werden müsste. Dieses Unter-nehmen könnte aber allein wegen einer Mutter in denVereinigten Staaten von Amerika, die in noch viel größe-ren Schwierigkeiten ist, in Schwierigkeiten geraten sein.Wir werden Opel deshalb keine Subventionen geben;aber ich halte es allemal für legitim, eine Brücke zubauen, damit Opel als überlebensfähiger Automobil-bauer nicht an den Schwierigkeiten der amerikanischenMutter scheitert. Wir werden das vernünftig machen.
Wir wissen, dass die Automobilbranche – eineKernbranche der Bundesrepublik – in einer schwierigenSituation ist. Deshalb haben wir die Aussetzung der Kfz-Steuer beschlossen. Deshalb werden wir die Kfz-Steuerzügigst durch eine CO2-Verbrauch-Steuer ersetzen. Ichglaube, dass die Bundesregierung die hierfür notwendi-gen Informationen hat, sodass wir das sehr schnell schaf-fen können. Wir werden natürlich auch die ökologischeWeiterentwicklung der Automobilbranche fördern, auchdurch Kredite der Europäischen Union bei der Europäi-schen Investitionsbank. Ich füge hinzu: Wir müssen beiden anstehenden Klimaverhandlungen in Brüssel, wogerade der Trilog mit dem Europäischen Parlament statt-findet, darauf achten, dass wir nicht durch unsinnigeStrafvorschriften im Bereich der CO2-Reduktion amEnde das wieder einreißen, was wir durch Hilfsmaßnah-men für die Automobilindustrie erreichen. Ich glaube,hier sind wir auf einem guten Weg.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mitden Chancen, die aus der Krise erwachsen, sind für denStandort Deutschland auch die Kommunikationsnetzevon entscheidender Bedeutung. Ob wir ein modernerSoeDmldeIvanI1nWVnsmbRugguDOsrwdDDbeurtSSmibWkvd
nd steuerliche Maßnahmen für nicht sinnvoll gehalten.er IWF warnt uns vor Mehrwertsteuersenkungen. DieECD empfiehlt schnelle Investitionen. Die Europäi-che Union wird heute ein Paket vorschlagen, in dem ge-ade Mehrwertsteuersenkungen gefordert werden.Was zeigt das? Es zeigt, dass wir einen Weg – ichiederhole es – des Maßes und der Mitte gehen sollten,er auch für die Situation in der Bundesrepublikeutschland maßgeschneidert ist.
eshalb werden wir uns zunächst am europäischen Sta-ilitäts- und Wachstumspakt ausrichten, nach dem erstinmal die automatischen Stabilisatoren wirken sollen,nd dann werden wir darüber hinausgehen. Die Bundes-egierung hat Vorschläge in Bezug auf Verkehrsinvesti-ionen gemacht, ganz im Einklang im Übrigen mit demachverständigenrat, der allerdings sehr viel größereummen ansetzt. Gespräche mit dem Verkehrsministerachen deutlich: Die Mittel für zusätzliche Maßnahmenm Bereich Infrastruktur können im nächsten Jahr ver-aut werden.
ir werden die Planungen beschleunigen, so gut wir dasönnen, und dann werden wir weiter in Infrastruktur in-estieren. Es hat aber keinen Sinn, 10 Milliarden Euro inen Haushalt einzustellen, um am Ende des Jahres
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)Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelfestzustellen, dass 8 Milliarden Euro nicht verbaut wur-den. Deshalb gehen wir realistisch an die Sache heran.
Wir haben gesagt, dass der Privatisierungskurs fort-gesetzt werden wird. Aber bei den augenblicklichenKursen an den Aktienmärkten würde eine Privatisierungbedeuten, Bundesvermögen zu verschleudern. Deshalbverschieben wir Privatisierungsvorhaben; das ist nichtals Abkehr zu verstehen.Zur Wahrheit gehört auch: Staatliches Handeln stößtin der Wirtschaft an seine Grenzen. Da dürfen wir unsnichts vormachen. Der Auslandsumsatz der deutschenChemie liegt bei gut 55 Prozent. Drei von vier Autos, diein Deutschland hergestellt werden, gehen in den Export.Der deutsche Maschinenbau exportiert 75 Prozent seinerProdukte. Wenn auf dem amerikanischen Markt der Ab-satz um 30 Prozent einbricht, wie das im Oktober derFall war, dann wird deutlich: Wir können nicht alle glo-balen Trends mit nationalen Mitteln bekämpfen. Viel-mehr ist gemeinsames europäisches Vorgehen gefragt.Eine Investition in den Strukturfonds der Weltbank zurAnkurbelung von Investitionen in Schwellen- und Ent-wicklungsländern kann genauso sinnvoll sein wie eineMaßnahme im eigenen Land. Deshalb wird die Bundes-regierung immer ein Vorgehen auf diesen drei Ebenen– national, europäisch und weltweit – praktizieren.
Mit Blick auf die jetzt stattfindende Entwicklungslän-derkonferenz in Doha sage ich: Wir müssen gerade indieser Zeit auch schauen, dass Länder, die auf dem Pfaddes wirtschaftlichen Wachstums waren – die afrikani-schen Länder haben in den letzten Jahren mit einemWachstum von durchschnittlich etwa 5 Prozent zumWeltwachstum beigetragen –, jetzt nicht im Stich gelas-sen werden und damit das Gesamtwachstum auf derWelt rapide sinkt. Nicht die europäischen Länder warendie Wachstumstreiber auf der Welt, sondern die Schwel-lenländer und die Entwicklungsländer. Genau dahinmüssen wir wieder kommen.
Aber natürlich können wir national einiges tun. Des-halb setzen wir das fort, was wir erfolgreich begonnenhaben: ökologische Gebäudesanierung, Handwerker-bonus und Bauvorhaben bei den Kommunen. An dieserStelle will ich noch einmal sagen: Deutschland ist – an-ders als andere europäische Länder – ein föderalerStaat. Unsere Maßnahmen sind immer die Summe vonMaßnahmen auf der Bundesebene plus der Länderebeneplus der kommunalen Ebene. Ich weiß, dass viele Bun-desländer jetzt zusätzliche Maßnahmen planen. Das istauch richtig so. Die Steuereinnahmen der Länder sindnicht schlechter als die des Bundes. Ich habe die Bitte,dass die finanziellen Haushaltsspielräume der Kommu-nen vielleicht etwas mehr genutzt werden,
damit wir zu dem Punkt kommen, dass notwendige In-vestitionen vor Ort durchgeführt werden können. Daske3hzdHvtdWHawrEdsbsmklwiilolJGBdDsMGsBmmwmgestidw
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Wir sind natürlich erfreut, dass der gewählte amerika-nische Präsident den Eindruck erweckt, dass er offenergegenüber dem Klimaschutz ist. Wir haben in diesemund im nächsten Jahr viel Gelegenheit, das abzuchecken.Aber wir brauchen natürlich weltweit ein vergleichbaresWettbewerbsfeld. Ansonsten würden wir unsere Stärkenwirklich schwächen.Meine Damen und Herren, ein dritter Grundsatz. Unsgeht es vor allen Dingen auch darum, die Mitte in unse-rem Land zu stärken, das heißt die Arbeitnehmer, die Fa-milien, die engagierten Älteren, den leistungs- und ver-antwortungsbewussten Mittelstand. Dazu brauchen wirnatürlich wo immer möglich finanzielle Entlastungender Menschen. Aber wir dürfen an dieser Stelle auch dieNachhaltigkeit nicht aus dem Auge verlieren. Ich willnur daran erinnern: Ein Treiber der jetzigen Krise wardie Tatsache des zu billigen Geldes in den VereinigtenStaaten von Amerika. Ich will hier nicht verhehlen, dassich mir erhebliche Sorgen mache, ob wir durch ein be-stimmtes Verhalten in manchen Teilen – dazu gehörtauch Amerika – diesen Trend vielleicht wieder verstär-ken und in fünf Jahren wieder davorstehen und sagen:Nun haben wir die gleiche Krise.
Deshalb plädiere ich an dieser Stelle für den Weg vonMaß und Mitte, der immer der Weg der sozialen Markt-whndDgWVmsdVdabDadts–Dmjdvvw1mdeHssanatspskEwdv
Man kann ja mal etwas dazulernen.
as soll auch bei der Sozialdemokratie schon vorgekom-en sein. Ich finde das nicht so schlimm. Ich möchteetzt nur die Aufmerksamkeit für die Familien haben.Wir entlasten Familien durch die Erhöhung der Kin-erfreibeträge und des Kindergeldes. Wir werden dieolle Absetzbarkeit der Aufwendungen für die Kranken-ersicherung einführen. Das alles wird, wenn es vollirksam sein wird, noch einmal eine Entlastung von4 Milliarden Euro mit sich bringen.Die Möglichkeit des Wirtschaftswachstums und da-it steigender Löhne in diesem Jahr wird dazu führen,ass die Rentnerinnen und Rentner im nächsten Jahrine gewisse Rentensteigerung erwarten können. Dieöhe kann man nicht voraussagen; aber im Altersvor-orgebericht der Bundesregierung wird gesagt: Das Ver-orgungsniveau im Alter wird weiter ansteigen, nichtbsinken. Das ist eine ganz wichtige Botschaft an dieje-igen, die unser Land aufgebaut haben und die natürlichuch nicht aus unserem Blickfeld geraten dürfen.
Ich will dann auch noch sagen, dass sich in den letz-en fünf Monaten in der Gesamtdiskussion, die sich mas-iv verändert hat, natürlich auch die Rolle der Energie-reise dramatisch geändert hat. Was wir im Sommerozusagen als Höchstpreise für Energie diskutiert haben,ann in der augenblicklichen Konjunktursituation alsntlastungsmoment für die privaten Haushalte gesehenerden. Deshalb können wir insgesamt davon ausgehen,ass die Mittel, die für den Binnenkonsum, für den pri-aten Konsum, zur Verfügung stehen, im nächsten Jahr
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelum etwa 0,4 Prozent steigen. Das sind knapp 6 Milliar-den Euro. Auch das ist etwas, was uns in der jetzigenKonjunkturschwäche helfen wird.Es gibt einen vierten Grundsatz – den dürfen wir indiesen Zeiten nicht aus den Augen verlieren –: Es gehtdarum, dass wir uns jetzt besonders anstrengen, dassGerechtigkeit und Zusammenhalt in unserer Gesell-schaft erhalten bleiben. Da geht es um langfristige Inves-titionen, zum Beispiel um Investitionen in Bildung. Ichwill noch einmal daran erinnern, dass wir auf unseremBildungsgipfel eine ganz klare Zielmarke gesetzt haben,die für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands von essen-zieller Bedeutung ist. Neben der Tatsache, dass wir bis2010 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Forschungund Innovation ausgeben werden – wir sind mit diesemHaushalt bei fast 2,9 Prozent, also auf einem wirklich er-folgreichen Pfad –, wollen wir bis 2015 10 Prozent desBruttoinlandprodukts für Forschung und Bildung ausge-ben. Das ist eine anspruchsvolle Quote. Ich sage aberauch: Das ist eine notwendige Quote.Wir haben mit der gemeinsamen Qualifizierungs-initiative für Deutschland als Bundesregierung auf allenStufen des Bildungslebens neue Impulse gesetzt: von derfrühkindlichen Bildung über Schule, Ausbildung undStudium bis hin zur berufsbegleitenden Weiterbildung.Wir haben in Dresden einiges erreicht: Die verbindlicheFeststellung des Sprachvermögens vor der Einschulungin allen Bundesländern bis 2010 ist eine Verpflichtungder Bundesländer. Der Bund wird das durch Sprachkursefür die Eltern von Migrantenkindern flankieren. Es gibtjetzt eine festgeschriebene Verpflichtung der Länder, dieZahl der Schul- und Ausbildungsabbrecher zu halbieren.Wir haben beschlossen, dass die Berufsorientierung anallen allgemeinbildenden Schulen verbindlich sein wird.Das ist eine Verabredung zwischen Bund und Ländern,die es in dieser Weise bisher noch nicht gegeben hat unddie natürlich zeigt, dass Bund und Länder an der Schnitt-stelle zwischen Schul- und Berufsleben zusammen-arbeiten müssen. Für Hauptschulabschlüsse wird einevertiefte Berufsorientierung angeboten, und wer seinenHauptschulabschluss im normalen Schulgang nicht er-reicht, hat einen Anspruch auf Förderung durch die Bun-desagentur für einen nachträglichen Abschluss. Wir set-zen auf bessere Aufstiegschancen durch bessereÜbergänge, Aufstiegsstipendien und die Öffnung vonHochschulen für beruflich Qualifizierte nach demMotto: Jedem eine Chance geben, aus eigener Kraft wei-terzukommen.Ich darf Ihnen sagen: Ein solches umfassendes Kon-zept von Bund und Ländern hat es in der Geschichte derBundesrepublik noch nicht gegeben. Das war eine rich-tige Initiative, auch wenn noch nicht alle davon über-zeugt sind, dass das der richtige Weg ist.
Wir haben mit dem Nationalen Integrationsplan ei-nen Prozess angestoßen. Wir können jetzt wirklich sagen– das hat sich beim dritten Integrationsgipfel gezeigt –:Von der Kommune über die Integrationsministerkonfe-renz bis hin zum Bund ist das Thema Integration nichtmgsgviptcdwGhkFwasgtgblbhuEddbdsnuKdwwpilSDSaMas
ie liegen, was die Krise anbelangt, dicht nebeneinander.ie Sorgen des Hausbesitzers in Kalifornien und dieorgen des Facharbeiters in Ludwigshafen nähren sichus ein und derselben Wurzel von Intransparenz undaßlosigkeit. Die Hoffnungen dieser Menschen ruhenuf den gleichen Kräften: einer international geordnetenozialen Marktwirtschaft.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008 20341
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelDeshalb müssen wir nicht nur unsere nationale Ant-wort nach den von mir dargestellten Leitsätzen ausrich-ten, sondern auch die internationale Antwort. Deshalbwar der Finanzgipfel mit den 20 führenden Industrie-staaten notwendig. Er war auch ein historisches Ereignis,weil Menschen mit ganz unterschiedlichen Kulturen,wirtschaftlichen Entwicklungen und Lebensstandardszusammengesessen haben und sich ihrer gemeinsamenVerantwortung bewusst geworden sind. Wir haben dortnicht nur diskutiert, sondern wir haben auch 50 Maßnah-men beschlossen. Wir werden uns Anfang April wiedertreffen. Die Finanzminister werden diese Maßnahmenumsetzen, damit sie wirksam werden. Ich kann nur sa-gen: Wir dürfen angesichts aller Schwierigkeiten derWirtschaft nicht vergessen, was die Ursache war, undwir müssen die Lehren daraus ziehen. Denn wir würdenvor der Geschichte versagen, wenn uns so etwas wiederpassiert. Ungeregelte Märkte führen ins Unglück. Wirbrauchen eine Ordnung auch auf globalem Niveau.
Wir werden dies im Rahmen der Offenheit unsererGesellschaft tun. Offenheit hat Deutschland stark ge-macht. Deshalb gibt es die feste Absicht, die Welthan-delsrunde noch in diesem Jahr zu einem Ende zu bringenund die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.Denn wir wissen: Nur ein offener und fairer Handel aufder Welt wird die Wachstumskräfte wieder stärken unddie Sicherheit geben, die wir für die wirtschaftliche Ent-wicklung brauchen.An dieser Stelle erleben wir noch etwas anderes, näm-lich wie sehr die klassische Sicherheit mit der Sicherheitdes Wirtschaftens heute vernetzt ist. Wenn wir über of-fene Märkte sprechen, sprechen wir über Transportwege,über sichere Transportwege. Dann sind wir schnell beieinem ganz anderen Thema, das sich mit Piraterie undanderen Fragen beschäftigt, bei dem die Bundesregie-rung natürlich auch ihre Verantwortung wahrnehmenwird. Denn was nützt uns ein freier Handel, wenn manmit einem Schiff nicht dahin kommt, wohin man will?
So hängen innere und äußere Sicherheit und die Fragenvon sicherem Wirtschaften und Sicherheit insgesamt imSinne einer zivilen Sicherheit aufs Engste zusammen,und die alten Trennlinien passen nicht mehr.
Deshalb sind wir in Afghanistan engagiert. Deshalbmüssen wir uns mit dem Iran und seinem Nuklearpro-gramm befassen. Deshalb haben wir die Aufgabe, beiunseren Entwicklungsanstrengungen nicht etwa nachzu-lassen, sondern sie zu stärken. Ich glaube, die Bundes-republik und die Bundesregierung sind mit ihrem Ansatzder vernetzten Sicherheit auf einem richtigen Weg. Wirwerden diesen Ansatz auch auf dem NATO-Gipfel imApril nächsten Jahres, der in Deutschland und Frank-reich gleichermaßen stattfindet, vorantreiben. Rein mili-tärische Aktionen helfen nicht, aber ohne militärischeAktionen werden wir die Sicherheit auch nicht gewähr-leisten. Deshalb werden wir für diesen Ansatz werben.Wir haben dafür schon eine große Mehrheit erhalten.sMuegswdsfwdmhdrbnsnVdomodDGhbwtdeNlrnösn
Nächster Redner ist der Kollege Oskar Lafontaine für
ie Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Auch nach der Diskussion der letzten Wochen blei-en wir dabei: Es handelt sich bei der Finanzmarktkriseicht um eine technisch-ökonomische Krise. Es handeltich um eine Krise unserer Wirtschafts- und Sozialord-ung. Diese Bemerkung bezieht sich nicht allein auf dieolkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, son-ern auf die Weltwirtschaft.
Wenn ich von einer Krise der Wirtschafts- und Sozial-rdnung spreche, dann geht es nicht nur um ökono-isch-technische Vorgänge. Es geht auch um die Wert-rientierung der Gesellschaft. Daher ist es zu begrüßen,ass jetzt auch in anderen Parteien und Fraktionen eineebatte darüber beginnt, ob die Wertorientierung deresellschaft in den letzten Jahren überhaupt gestimmtat. Wenn beispielsweise wieder die Grundsätze des ehr-aren Kaufmannes beschworen werden, dann kann manohl eines sagen: Auf den internationalen Finanzmärk-en herrschten vielleicht viele Grundsätze, aber niemalsie Grundsätze des ehrbaren Kaufmannes.
Wir hatten in den letzten Jahrzehnten die Ausbreitunginer gesellschaftlichen Philosophie, der Philosophie deseoliberalismus. Der Neoliberalismus ist eine Einstel-ung, eine Art Alltagsreligion. Diese Alltagsreligion be-uht auf bestimmten Denkfiguren und auf Denktraditio-en, die heute noch lange nicht überwunden sind. Wennffentlich kommentiert wird, der Neoliberalismus sei ge-cheitert, dann stimme ich dem, bezogen auf die Ergeb-isse, zu.
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Oskar LafontaineIch stimme aber niemals der Auffassung zu, seineDenktraditionen und seine Denkfiguren seien bereits ge-scheitert, denn Denktraditionen und Denkfiguren, dieüber Jahrzehnte geprägt wurden, können nicht von heuteauf morgen überwunden werden. Deshalb ist die Kern-frage heute die, ob wir denn die Grundsätze und Leit-sätze haben, die uns in die Lage versetzen, die jetzigeKrise zu überwinden. Über diese Kernfrage muss heutedebattiert werden.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben eben sehr richtigdarauf hingewiesen, dass man Grundsätze und Leitsätzehaben muss, um eine solche Krise zu überwinden. Wirsind aber der Überzeugung, dass Sie die falschen Grund-sätze und Leitsätze haben und dass Sie daher nicht in derLage sind, diese Krise zu überwinden. Das prognosti-ziere ich hier.
Ich möchte dies an dem Ergebnis des Gipfels derG 20 beleuchten. Natürlich war dort die Absicht, zu re-gulieren. Natürlich hat man näher hingeschaut: Was wirddenn jetzt das Ergebnis dieses Gipfels sein? Natürlichhat man nicht erwartet, dass dort bereits ein Ergebniswie nach dem Gipfel von Bretton Woods vorliegenwürde. Aber es gab zwei Feststellungen, die sehr be-denklich sind und die ich hier werten möchte. Die eineFeststellung im Hinblick auf die Ordnung der Finanz-märkte ist: Wir müssen weiterhin marktwirtschaftlicheGrundsätze berücksichtigen. Die andere Feststellung ist:Wir werden weiter am freien Kapitalverkehr festhalten.Dazu möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Wenn Sieweiterhin dem Irrtum unterliegen, dass Finanzmärkte ge-nauso wie Gütermärkte zu behandeln seien, dann wirddie Krise nicht überwunden werden können. Wenn Sieam freien Kapitalverkehr festhalten, dann legen Sieschon jetzt die Grundlage dafür, dass es in einiger Zeitdie nächste Finanzmarktkrise mit allen Folgen gebenwird. Mit diesem Problem sind wir heute konfrontiert.
Grundlage dieser Fehlentscheidungen ist aber derNeoliberalismus. Der Neoliberalismus hat zu der heuti-gen Krise geführt.
Der Neoliberalismus beruhte auf drei Prinzipien: Erstensforderte er die Deregulierung. Heute reden alle von Re-gulierung. Zweitens forderte er die Privatisierung. Wirfordern wieder öffentliche Verantwortung für die Berei-che der Daseinsvorsorge. Statt Privatisierung fordern wireine Wirtschaftsdemokratie mit Mitbestimmung und Be-legschaftsbeteiligung. Das ist ein anderes gesellschaftli-ches Konzept.
Drittens und vor allen Dingen forderte der Neoliberalis-mus die Flexibilisierung. Wir fordern stattdessen Ar-beitsplätze – jetzt kommt das Entscheidende; davon warheute aber noch gar nicht die Rede –, auf deren Grund-lgdrlDhnsrswfvnDwzaVmwVabiamk–orekDd–gKgW
ir haben im Parlament gewisse Spielregeln.
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Oskar LafontaineEs wäre wünschenswert, dass auch Sie etwas zuWechselkursen, freiem Kapitalverkehr oder Steueroasensagen würden.Man hat Ratingagenturen zugelassen, und man hat zu-gelassen, dass diese Ratingagenturen von denen finan-ziert werden, die die Nutznießer der Testate sind. WelcheKonsequenz hat man aus der Feststellung, dass diesschiefgegangen ist, gezogen? Ende der 80er-Jahre wur-den bei uns die Prüfmechanismen abgeschafft, die dieKundinnen und Kunden der Banken davor geschützt ha-ben, dass ihnen ein Vertreter falsche Papiere andreht.
Welche Konsequenz ziehen wir heute daraus? Vor ei-niger Zeit hat die Vorgängerregierung ein Gesetz vorge-legt, durch das diejenigen geschützt werden sollten, de-nen falsche Papiere angeboten wurden. Dieses Gesetz istaber auf Druck der Finanzindustrie zurückgezogen wor-den. Angesichts der schlechten Erfahrungen, die insbe-sondere alte Leute, denen man Lehman-Brothers-Papiere und Ähnliches angedreht hat, gemacht haben,wäre es an der Zeit, dieses Gesetz jetzt erneut vorzule-gen.
In diesem Zusammenhang geht es um zwei Punkte:Erstens. Solche Papiere müssen wieder testiert werden,und zwar von staatlicher Seite, nicht von Agenturen, dievon den Banken bezahlt werden. Zweitens. Was die Ver-jährungsfrist betrifft, kann man gerade bei Produkten,die zur Altersvorsorge erworben werden, nicht von ei-nem Jahr ausgehen, sondern man muss eine Verjäh-rungsfrist von mindestens drei, wenn nicht sogar vonzehn Jahren einführen, um die Kundinnen und Kundenzu schützen.
In Deutschland wurde auf nationaler Ebene eineganze Reihe von Deregulierungsmaßnahmen durchge-führt. Dazu hört man von Ihnen kein einziges Wort. Ihreganzen Bekenntnisse zur Regulierung sind völlig un-glaubwürdig. Wir haben Sie gefragt: Was haben Sie fürmehr Deregulierung unternommen? Daraufhin haben Sieeine ganze Reihe von Maßnahmen vorgetragen – ausZeitgründen nenne ich nur einige –: die Zulassung derHedgefonds, die Zulassung der Verbriefungen und dieZulassung der Zweckgesellschaften.Würden Sie eine Lehre aus den jüngsten Entwicklun-gen ziehen – dass Sie dies nicht tun, ist bedauerlich –,
dann würden Sie jetzt ankündigen, dass Sie diese Dere-gulierungsmaßnahmen zurücknehmen. Sonst sind allIhre Bekenntnisse zur Regulierung völlig unglaubwür-dig. Es wäre das Einfachste von der Welt, diese Gesetzejetzt einzukassieren, nachdem wir festgestellt haben,dass diese Mechanismen nicht funktionieren.öfmiUgBdfqdgUWkfctddmdwüzFdfdruLrghhndcItHwdma
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20344 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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– Ich stelle hier fest: Der Kollege Poß ist unschuldig ander Abschaffung der Vermögensteuer. Er wollte dasnicht. Das war eine andere Mehrheit. Wenn ich das Wort„Sie“ gebrauche, dann kann ich Sie, Herr Kollege Poß,nicht immer ausklammern. Ausnahmsweise möchte ichdas hier aber einmal feststellen.
Das ändert aber nichts an dem Sachverhalt, dass dieserWegfall der Vermögensteuer natürlich zu einer unglei-chen Verteilung von Einkommen und Vermögen inDeutschland geführt hat.Herr Kollege Poß, jetzt möchte ich Ihnen dann docheine Antwort geben.
Wenn Sie angesichts dieser Entwicklung die Erbschaft-steuer so regeln, wie sie jetzt geregelt wird, mit dem Er-gebnis, dass Milliardäre entlastet werden, dann habenSie überhaupt nichts von dem Aufbau und der Liquiditätder internationalen Finanzmärkte verstanden.
Unter den Bereich Privatisierung fällt auch die Ab-sicht, die Staatsquote sinken zu lassen. Die Bundes-kanzlerin war sehr stolz darauf, dass die Staatsquote sehrniedrig ist. Man kann ja dieser Auffassung sein, aberdann muss man auch wissen, was es heißt, wenn dieStaatsquote niedrig ist. Frau Bundeskanzlerin, solangeSie der Meinung sind, eine niedrige Staatsquote sei er-strebenswert, können Sie sich Ihre Bildungsgipfelchenwirklich sparen; denn eine niedrige Staatsquote bedeutetnun einmal weniger Geld für Bildung im Vergleich zuanderen Ländern, die eine höhere Staatsquote haben. DieGrundrechenarten sollte man in der Regierung doch zu-mindest noch kennen.
Eine niedrige Staatsquote bedeutet natürlich auch we-niger Leistungen für diejenigen, die soziale Leistungenbeziehen. Das ist nun einmal die Folge einer niedrigenStaatsquote. Deshalb sage ich: Orientieren Sie sich docheinmal an den Ländern, die in den Bereichen Bildungund soziale Sicherung erfolgreich arbeiten. Wenn Sieeinfach nur die internationalen Statistiken zur Kenntnisnalsfndsatd7tsgGdmrDrzGvhdwBdmNOwßDWbDdmdpZA
Diese Entwicklung hin zur Privatisierung – insbeson-ere verbunden mit der Senkung der Unternehmen-teuer, die die Kanzlerin vorhin auch wieder ganz stolzngeführt hat – hat dazu geführt, dass in Deutschlandeilweise nur 25 Prozent der Gewinne reinvestiert wor-en sind. Die Frage ist doch: Was ist mit den übrigen5 Prozent geschehen? Ist Ihnen denn nicht zu vermit-eln, dass dies eine der Ursachen dafür ist, dass wir bei-pielsweise jetzt Unternehmen haben, deren Gewinnrößer ist als der Umsatz? Ist denn nicht klar, dass dieelder nicht mehr in die Investitionen gehen, sondern inie internationale Spekulation? Sie bauen doch das allesit auf, ziehen aber nicht die geringste Konsequenz da-aus.
as ist die Fehlentwicklung, die wir in den nächsten Jah-en bitter zu spüren bekommen werden; das prognosti-iere ich an dieser Stelle.Deshalb sagen wir, dieser Privatisierung, die dierundlage dafür ist, dass sich die ungleiche Verteilungon Einkommen und Vermögen dramatisch entwickeltat, ist ein anderer Ansatz vorzuziehen: Wir wollen wie-er eine stärkere Beteiligung der öffentlichen Hand. Wirollen insbesondere eine Wirtschaftsdemokratie, die dieeschäftigten in weitaus stärkerer Form als derzeit anen Entscheidungen und an den Erträgen der Unterneh-en beteiligt.
Nun komme ich zu dem größten Flurschaden, den dereoliberalismus angerichtet hat – ich meine nicht denrdoliberalismus, Herr Kollege Brüderle;
enn genügend Zeit da wäre, könnte ich mich dazu äu-ern –: Das ist die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte.ies ist eines der törichtsten und verhängnisvollstenörter, die das Denken und Handeln vieler bestimmt ha-en und die zu enormen Schäden für viele Menschen ineutschland geführt haben. Nun nenne ich diese Schä-en.Erstens. Wer von der Flexibilisierung der Arbeits-ärkte spricht, der durchlöchert gerne und zuerst einmalie Tarifverträge mit all den Folgen für das Lohndum-ing, das wir in Deutschland beklagen.
umindest müsste doch festgestellt werden, dass wir allenstrengungen unternehmen müssen, um wieder einen
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Oskar Lafontainegeregelten Arbeitsmarkt zu haben, was die Höhe der Be-zahlung angeht.Zweitens. Sie waren stolz auf Mini- und Midijobs,die eingerichtet worden sind. Das hatte ja vielleicht ein-mal einen Sinn, als einige Studenten und Pensionäre be-schäftigt worden sind, um Zeitungen auszutragen oderauszuhelfen. Da mag das einen Sinn gehabt haben. Dassaber einzelne Unternehmen aus Gründen der Lohnkos-tensenkung jetzt flächendeckend Mini- und Midijobs inMillionenzahl ausgebaut haben, ist die Ursache dafür,dass es heute Menschen gibt, die ihr Leben nicht mehrplanen können und die, wenn man so will, schlicht undeinfach aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden.Genau das wollen wir nicht.
Dies sind falsche Grund- und Leitsätze, mit denen Siedie Krise niemals bewältigen können.Der dritte Punkt ist die Leiharbeit. Meine sehr geehr-ten Damen und Herren, in der Charta der Menschen-rechte steht, ein Grundsatz weltweit sei: gleicher Lohnfür gleiche Arbeit. In dem Moment, in dem Sie die Leih-arbeit ausufern ließen und zuließen, dass es so gehand-habt wurde, wie es jetzt geschieht, verstießen Sie sogargegen die Charta der Menschenrechte. Sie reden vonWerten. Ja, wo ist denn Ihre Wertorientierung an dieserStelle? Da wäre ich doch konkret, dann würde man sienachvollziehen können. Wer nichts gegen die Leiharbeittut und zusieht, wie Hunderttausende Leiharbeiter jetztin der Gefahr sind, ihren Job zu verlieren, wobei vieleTausende ihn schon verloren haben, der hat überhauptkeine Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen.
Das ist das Ärgerliche an dieser Stelle. Warum legenSie nicht ein Gesetz vor, um diese Menschen in Zukunftzu schützen? Was soll denn das ganze Gerede von derWertorientierung, wenn Menschen darunter leiden, dasssie einfach hinausgeworfen werden, weil sie keineRechte haben, Sie aber nichts vorlegen, um das zu än-dern, obwohl auch die große Mehrheit der Bevölkerungder Auffassung ist, dass hier etwas geändert werdenmuss?Dann gibt es die befristeten Verträge. Meine sehrgeehrten Damen und Herren, das Leben der Menschenmuss planbar sein. Der große Soziologe Richard Sennettsagte, wenn die Arbeitsverhältnisse so organisiert wer-den, wie Sie sie organisiert haben, dann führt dies zurZerstörung des Charakters
– stellen Sie sich doch einmal diesem Vorwurf –, weildas Leben nicht mehr planbar ist, jedes menschliche Le-ben sich aber in beschützten Bereichen vollziehen muss.Wer also die Ausweitung der befristeten Arbeitsverträgezu verantworten hat, weil er an das neoliberale Credo derFlexibilisierung geglaubt hat, der hat großen Flurscha-den bei den Menschen angerichtet und ist mitverantwort-lich dafür, dass in Deutschland keine Familien mehr ge-gründet werden.
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Die Menschen haben ein Recht darauf, von uns zu er-fahren, wo der Staat helfen kann und wo er nicht helfenkann, wo er überfordert ist. Die Reihenfolge der Regie-rung war genau richtig: Zuerst haben BundeskanzlerinMerkel und Finanzminister Steinbrück klargestellt, dassder Staat für die Sicherheit der Spareinlagen steht.
Damit hat die Regierung um Vertrauen bei den Bürgerngeworben und verhindert, dass sie massenhaft ihre Kon-ten kündigen und damit den Geldverkehr zum Erliegenbringen. Umgekehrt: Wenn es nicht eine Instanz gegebenhätte, die den Sparern Vertrauen geschenkt hätten, hättedas Abräumen der Konten uns alle das Fürchten gelehrt.Insofern ist die schnelle Vertrauenserklärung von Kanz-lerin und Finanzminister nicht hoch genug einzuschät-zen.In einem zweiten Schritt hat die Regierung einen ge-waltigen finanziellen Schutzschirm über die Bankengespannt, um zum einen das Vertrauen unter den Bankenzu stärken und zum anderen ihre Liquidität bei der Kre-ditvergabe zu sichern. Diese Finanzoperation und Bürg-schaft waren kein Geschenk an wenige abgehobeneZocker in den Chefetagen deutscher Banken, sondernein Sicherheitsnetz für Wirtschaft und Sparer.
Lassen Sie mich etwas einfügen: Ich bin der festenÜberzeugung, dass die Politik in letzten Wochen viel anReputation zurückgewonnen hat, und zwar nicht, weilwir so gut waren, sondern weil die Menschen gespürt ha-ben, dass es außer ihrem Bankautomaten und ihrem An-lageberater noch etwas anderes geben muss, das für ihreDaseinsvorsorge eintritt, und das ist in diesem Fall derStaat.
Wir haben weltweit eine Renaissance des Staates er-lebt. Paradoxerweise war er dort plötzlich besondersstark und wurde er dort am heftigsten herbeigerufen, woer in der Vergangenheit nur noch ein Nachtwächterda-sein führen sollte.Dem Schutzschirm für die Finanzwirtschaft – das wareine Operation am offenen Herzen – hat die Bundesre-gierung dank einer Fülle von Initiativen von VizekanzlerFrank-Walter Steinmeier in einem zweiten Schritt einenSchutzschirm für Beschäftigung folgen lassen. Daswar eine Reparatur bei laufendem Motor. Will sagen:Wir haben die Räder nicht neu erfunden, indem wir denMotor erst einmal ausgestellt und dann neue TechnikenasdssnWBmuu5ngndIanusrd2ad3tinAbbrigEbASggbb2NDbfe
Die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnah-en fördern in den Jahren 2009 und 2010 Investitionennd Aufträge von Unternehmen, privaten Haushaltennd Kommunen in einer Größenordnung von rund0 Milliarden Euro. Ich will einen Satz zu den Kommu-en sagen und unterstreichen, was die Kanzlerin dazuesagt hat. Ich weiß, dass in manchen Ländern Kommu-en über Landesgesetze gehindert werden, die Mittel,ie wir bereitstellen könnten und würden, zu nehmen.ch fordere die Innenminister dieser Landesregierungenuf, diese Schranke zu beseitigen, weil gerade Investitio-en im kommunalen Bereich erfolgversprechend wärennd viel bewirken würden. Wir sollten da nicht nachlas-en.
Darüber hinaus gewährleisten Maßnahmen zur Siche-ung der Finanzierung und Liquidität von Unternehmenie Finanzierung von Investitionen im Umfang von gut0 Milliarden Euro. Zusammen mit den vom Kabinettm 7. Oktober beschlossenen Initiativen werden allein inen Jahren 2009 und 2010 Mittel von mehr als0 Milliarden Euro aus den öffentlichen Gesamthaushal-en zur Verfügung gestellt. Das Bündel der Instrumentest breit gefächert. Es reicht von der Auflegung eines In-ovations- und Investitionsprogramms Verkehr über dieufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogrammsis hin zur Entlastung privater Haushalte als Auftragge-er. Herr Kollege Brüderle, das CO2-Gebäudesanie-ungsprogramm als Styroporprogramm zu bezeichnen,st wirklich eine Unverschämtheit. Jeder weiß, welchroße Wirkung das in Bezug auf Energieeinsparung hat.
s ist auch besonders wichtig, dass wir beschlossen ha-en, die privaten Haushalte als Auftraggeber und alsrbeitgeber steuerlich zu entlasten. Natürlich sind dietärkung der Kaufkraft durch die Erhöhung des Kinder-eldes und des Wohngeldes genauso wichtig.Dieses Paket muss im Verbund mit Entscheidungenesehen werden, die wir längst getroffen haben. Wir ha-en durch die Senkung der Arbeitslosenversicherungs-eiträge von 6,5 Prozent auf 3 Prozent und weiter auf,8 Prozent dafür gesorgt, dass alle Arbeitnehmer mehretto vom Brutto haben. Ich erwarte an dieser Stelle denank der Arbeitgeber, die uns immer aufgefordert ha-en, diese Maßnahmen durchzuführen; jetzt, da sie er-olgt sind, werden weitere Forderungen gestellt. Es istin wichtiger Schritt, dass wir die Beiträge zur Arbeits-
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Dr. Peter Strucklosenversicherung im Laufe der drei Jahre dieser Wahl-periode halbiert haben. Ein Wort des Dankes wäre alsoschon angebracht.
Das sind nämlich insgesamt Entlastungen von mehr als30 Milliarden Euro für die Arbeitgeber und für die Ar-beitnehmer. Wir haben mit dieser Abgabensenkung vorallem den Beziehern unterer und mittlerer Einkommengeholfen.Eines will ich angesichts der aktuellen Debatte in derUnion zu Steuersenkungen auch einmal sagen: MitSteuersenkungen erreicht man Haushalte mit niedrigenEinkommen überhaupt nicht mehr, weil die Hälfte allerHaushalte – in absoluten Zahlen: 23,5 Millionen Haus-halte – überhaupt keine Einkommensteuer zahlen. Es er-gibt doch keinen Sinn, weiter über Steuersenkungen zureden, wenn eine Unternehmensteuerreform auf denWeg gebracht worden ist und der Staat in einer finanziel-len Situation wie der jetzt vorzufindenden ist. Ich emp-fehle dringend, die Debatte über Steuersenkungen seinzu lassen. Das wird nicht möglich sein. Das Geld istnicht da.
Wir werden morgen – die Vorredner haben das teil-weise schon angesprochen – nach langem Ringen, wieich es in dieser langen Zeit auch noch nicht erlebt habe,eine Erbschaftsteuer verabschieden, die den Erhalt vonUnternehmen belohnt und den Ländern gleichzeitig4 Milliarden Euro für Bildung und andere Zukunftsin-vestitionen zur Verfügung stellt. Es ist ein großer Erfolg,dass die Erbschaftsteuer erhalten bleibt, und zwar in demvon uns festgelegten Umfang.
Ein Wort zur Bildung. Eine der wichtigsten Bildungs-initiativen für den Arbeitsmarkt der Zukunft geht nichtvon dem Hause Schavan, sondern von dem Hause desArbeitsministers aus. Ich rede hier von dem Recht aufeinen Hauptschulabschluss; ein großer Erfolg im Be-reich der Bildungspolitik.
Wenn man weiß, dass von den 3 Millionen Arbeitslo-sen 500 000 ohne Hauptschulabschluss, überhaupt ohneeinen Schulabschluss sind, dann kann man erahnen, wiewichtig diese Qualifizierungsoffensive ist. Es darf näm-lich nicht sein, dass wir tatenlos hinnehmen, dass dieHälfte der Langzeitarbeitslosen über keinen Berufsab-schluss verfügt. Diese Initiative ist ein großer Fortschrittfür die 500 000 Arbeitssuchenden. Sie ist aber auch eingeeignetes Instrument, um in Zeiten drohenden Fach-kräftemangels die menschlichen Ressourcen und Fähig-keiten zu nutzen.Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegender Koalitionsfraktionen – an die möchte ich mich jetzteinmal besonders richten –, lassen Sie uns doch dasbreitgefächerte Bündel an Maßnahmen, das beschlossenworden ist, nicht kleinreden. Stattdessen sollten wir inuhLwddpwfskdAbsAvnKedmtvZEduzIgfOSMsuSgivnreEm
Ich will eine Anmerkung zur ökonomisch-ökologi-chen Diskussion machen. Es ist doch absurd, in der Dis-ussion so zu tun, als ginge es etwa in der Automobilin-ustrie darum, Klimaziele gegen Absatzziele undrbeitsplatzverluste auszuspielen. Auf eine solche De-atte – einerseits Klima, andererseits Autos – kann manich nur einlassen, wenn man nicht ahnen kann, was vonmerika auf uns zukommt. Der Wind of Change, deron Obama ausgeht, wird uns in dieser Frage in denächsten Monaten massiv beschäftigen. Obama sagt:lima ist das Wichtigste. Man muss sehen, dass darausine große Konkurrenz für Deutschland erwachsen kann,er wir weder taten- noch hilflos begegnen sollten; viel-ehr müssen wir im Bereich des Klimaschutzes etwasun. Dazu gibt es gar keine Alternative.
Wer glaubt, er könne einen Schutzzaun um die Klima-orgaben bauen, der kann seine Autos auf absehbareeit vielleicht nur noch in die Vereinigten Arabischenmirate verkaufen. Machen wir uns doch nichts vor: Dieeutsche Autoindustrie war zu sehr von sich überzeugtnd zu gesättigt, um in Sachen CO2-Reduzierung mehru tun.
ch bin mir sicher: Unsere Autobauer werden den nöti-en Kurswechsel schaffen. Sie haben ihn nur verschla-en. Sie müssen jetzt langsam in die Gänge kommen.
Ich befürchte, dass sich dieses Abwarten im Falle vonpel und Ford rächt, weil ihnen die Blaupausen in denchubladen fehlen, um gewichtigere Worte bei ihrenutterkonzernen in den USA mitreden zu können, wennie nach Obamas Ankündigungen von heute auf morgenmsteuern müssen. Die Entscheidung der Regierung inachen Opel steht noch bevor; die Kanzlerin hat davonesprochen. Da ich unseren Finanzminister kenne, weißch, dass sie bei der Regierung in guten Händen ist. Da-on unabhängig bin ich schon erstaunt, wer alles jetztach Hilfe vom Staat ruft und erwartet, dass der Staat esichten wird.Peer Steinbrück ist wirklich ein guter, ich sage sogar:in sehr guter Finanzminister.
r ist aber, erstens, keine Revisionsinstanz für Manage-entfehler in Deutschland.
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Dr. Peter StruckEr ist, zweitens, leider noch viel weniger Weltfinanzmi-nister. Ich weiß nicht, ob er das gern wäre; ich glaube esnicht. Er minimiert durch sein umsichtiges Verhalten dieGefahren für Deutschland; aber er kann den anderswo zuverantwortenden Crash der Weltfinanzen nicht unge-schehen machen. Das könnte er auch nicht, wenn wirihm – was er nicht will, was auch ich nicht will – immerweitere Milliarden für seine internationalen Verhandlun-gen als Blankoscheck geben würden. Der Finanzministerist an diesem Punkt eher ein bescheidener Mensch. Wirsollten ihm glauben: Am deutschen Finanzwesen wirdder Crash nicht genesen. – Wir können ihm noch so vieleMilliarden mitgeben: Deutsches Geld wird nicht reichen,um für uns ein Rundumwohlfühlpaket zu schaffen.Mich beeindruckt im Übrigen eine Fußnote im Welt-finanztheater. Zur Stabilisierung der amerikanischenWirtschaft wären zwei Drittel aller weltweiten Sparein-lagen vonnöten: von Australien bis Korea, von Japan bisArgentinien. Deutschlands Sparquote ist zwar hoch– das wissen wir –, aber auch da wären wir als alleinigerSpieler hoffnungslos überfordert.Deswegen finde ich es, drittens, klug, dass die Regie-rung auf eine enge internationale, vor allem europäi-sche Abstimmung setzt.
„Enge Abstimmung“ heißt aber nicht, auf nationaleMaßnahmen zu verzichten. Es muss einen Mix aus na-tionalen Wegen und europäischen Impulsen geben. Klugabgestimmt, können sie sich gegenseitig verstärken.Aber nicht jede getroffene nationale Maßnahme emp-fiehlt sich zum Kopieren in anderen Ländern – zu unter-schiedlich sind die wirtschaftlichen Ausgangslagen, zuverschiedenartig die Betroffenheiten durch den Zusam-menbruch der Finanzmärkte. Die Instrumente in einempostindustriellen Land wie Großbritannien können undmüssen anders aussehen als in stärker industriell gepräg-ten Ländern wie Frankreich oder Deutschland.Richtig ist aber auch, dass Europa gemeinsame Im-pulse für Beschäftigung setzen kann. Deshalb halte ichden von Außenminister Steinmeier vorgeschlagenenEuropäischen Zukunftspakt für Arbeit für sinnvoll undunterstützungswürdig.
Ich habe meine sozialdemokratischen Fraktionsvorsit-zendenkollegen in den Parlamenten der EuropäischenUnion gebeten, die Vorschläge in ihren nationalen De-batten zu unterstützen; denn wir müssen alles tun, umdie europäischen Möglichkeiten beim Ankurbeln derWeltwirtschaft optimal zu nutzen und zu stärken. Wennuns dies gelingt, liegt in der momentanen Krise auch dieChance, die Schlagkraft der europäischen Wirtschaftdurch ein sinnvolles Zusammenwirken insgesamt zustärken.Meine Damen und Herren, auf nationaler Ebene soll-ten wir trotz andersgerichteter Debatten im Augenblickdie Neuordnung der Finanzbeziehungen nicht aus denAugen verlieren. Gerade die gegenwärtig schwierigeLrGOdfSwKimzHIsskmucAnscsnisTGiKErcissulmbBü
emeinsam mit meinem Kovorsitzenden Güntherettinger werde ich alles tun, um auf Bundes- und Län-erebene ein sinnvolles und praktizierbares Schulden-rühwarnsystem zu installieren.Gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigenituation sollten sich alle Beteiligten fragen – das richtenir an die Kollegen von der FDP und auch an mancheollegen aus der Union –, ob ihre bisherigen Vorschlägen dieser Lage realitätstauglich gewesen wären. Nacheinem Verständnis haben die letzten Wochen eher ge-eigt, dass eine starre Schuldengrenze von null alleandlungsspielräume des Staates verschüttet.
nsofern kann es sich für die Debatte als Chance erwei-en, dass die Arbeit der Kommission erst jetzt in die ent-cheidende Phase geht. Es muss in diesem Jahr aberlargestellt werden, wohin die Reise gehen soll. Darüberüssen wir uns einigen.Einige wenige Anmerkungen zu aktuellen außen-nd sicherheitspolitischen Themen will ich doch ma-hen. Wir dürfen – das ist die Lehre aus der Finanzkrise –narchie und Gesetzlosigkeit auf internationaler Ebeneicht zulassen. Das gilt nicht nur für das Finanzsystem,ondern für die internationalen Beziehungen insgesamt.Vor der Küste von Somalia erleben wir derzeit, wel-he Folgen es hat, wenn Staaten zusammenbrechen, zuogenannten Failed States werden, wenn Regierungenicht mehr in der Lage sind, für Recht und Ordnung inhrem Hoheitsgebiet zu sorgen. Wir können nicht zulas-en, dass diese rechtsfreien Räume von Kriminellen underroristen usurpiert werden. Das kann eine zivilisierteesellschaft nicht dulden.Es steht für mich deshalb völlig außer Frage, dass dienternationale Gemeinschaft gegen die Piraten vor derüste Somalias vorgehen muss.
s steht ebenso außer Frage, dass Deutschland sich da-an beteiligen muss. Mit Blick auf die nicht ganz einfa-hen Beratungen innerhalb der Bundesregierung sagech aber auch: Wenn wir helfen wollen, Recht und Ge-etz auf internationaler Ebene durchzusetzen, dann müs-en wir auch selbst sehr genau darauf achten, nach Rechtnd Gesetz zu handeln. Ich warne jeden, der rechtsstaat-iche Bedenken mit einem Handstreich beiseitewischenöchte: Wir dürfen uns hier nicht auf eine schiefe Ebeneegeben. Wohin das am Ende führen kann, haben wir ameispiel Guantánamo erlebt. Das wollen wir natürlichberhaupt nicht herbeiführen, meine Damen und Herren.
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Dr. Peter StruckDeshalb unterstütze ich ausdrücklich die sorgfältigenVorbereitungen einer deutschen Beteiligung an der EU-Mission zur Pirateriebekämpfung durch die Bundes-regierung. Ich unterstütze mit Nachdruck auch den Vor-stoß von Außenminister Steinmeier bei den VereintenNationen, die Einrichtung eines internationalen Strafge-richtshofes zu prüfen; nach meinem Dafürhalten wäredies am Ende wahrscheinlich die beste und auch ein-fachste Lösung für uns.
Der Einsatz von Militär zur Bekämpfung von Gewaltund Terrorismus auf internationaler Ebene ist manchmalunabdingbar. Das gilt für die Piraten vor der KüsteSomalias ebenso wie für die Terroristen und ihre Unter-stützer in Afghanistan. Aber hier wie dort, in Somaliawie in Afghanistan, gilt: Am Ende werden wir nur er-folgreich sein, wenn wir eine politische Strategie haben,mit der wir die Ursachen bekämpfen. Wir setzen in Af-ghanistan deshalb auf eine Kombination von militäri-scher Absicherung und zivilem Wiederaufbau. Wir wer-den auch mit Blick auf Somalia intensiv darübernachdenken müssen, wie wir politisch zur Stabilisierungdieses innerlich zerrissenen Landes beitragen können.Mit Blick auf Afrika insgesamt füge ich eines hinzu– ich denke viel darüber nach, nicht nur aufgrund derFernsehberichterstattung –: Der Kampf gegen die Pira-ten ist natürlich dringend notwendig. Das ist gar keineFrage. Aber wir dürfen darüber nicht vergessen, was dieMenschen im Kongo und im Sudan nach wie vor zu er-leiden haben. Hier haben wir eine Verpflichtung, meineDamen und Herren. Wir dürfen dem nicht tatenlos zuse-hen.
Wenn es eine Konsequenz aus der Finanzmarktkrisegibt, dann an erster Stelle die, dass ein starker, hand-lungsfähiger Staat gerade in Zeiten globaler und offe-ner Märkte des 21. Jahrhunderts wichtiger ist denn je.Ich finde es erstaunlich, wer in den letzten Wochen undMonaten nach dem Staat gerufen hat. Gerade die verlan-gen jetzt Wunderdinge von ihm, die ihn noch vor einemhalben Jahr in die Mottenkiste verbannen wollten.
Der Staat kann nicht alles regeln. Das weiß ich; das wis-sen wir alle. Wir sollten aber jedem Allmachtswahn ei-nen Riegel vorschieben und uns vor nicht einhaltbarenVersprechen hüten.Aber der Staat kann eines: Er kann und muss für einegestaltete soziale Marktwirtschaft sorgen. Er muss demMarkt einen ethischen und rechtlichen Rahmen geben.Auch die Bedeutung des ethischen Rahmens ist geradeim Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise besondersdeutlich geworden.Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, dieChance nutzen, um diesen Rahmen bei allen wieder stär-ker ins Bewusstsein zu rufen. Ich bin der festen Über-zhFdSsbwuBnncdZSzSDrlenkdManHSv–hesufR
Ich erteile das Wort der Kollegin Renate Künast,
raktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-eskanzlerin, Sie haben hier eine Rede gehalten, bei derie mit dem Satz „2009 wird ein Jahr schlechter Bot-chaften“ jetzt schon einmal sicherheitshalber erklärt ha-en, für was alles Sie selbst nicht verantwortlich seinerden und was Sie alles nicht tun können. Sie habenns hier erzählt, Sie wollten aber in der Zeit der Not einerücke bauen, damit es 2010 besser werde. Ich muss Ih-en ehrlich sagen: Bei Ihrer Rede, Frau Merkel, habe ichicht verstanden, wohin die Brücke, von der Sie spre-hen, eigentlich führen soll.
Sie haben hier munter über das Sowohl-als-auch gere-et. Schauen wir uns einmal an, wie Ihre Politik in deneiten der Krise aussah. Ich gebe freihand vorneweg zu:ie haben an manchen Stellen zeitlich richtig reagiert,um Beispiel an dem Sonntag, als Sie und Herrteinbrück etwas zu den Sparguthaben gesagt haben.as, Frau Merkel, ist aber ehrlich gesagt schon alles. Sieeden über Brücken, die Sie in die Zukunft bauen wol-en. Dann fangen Sie hier an, uns zu erklären, dass Sieine Kfz-Steuer-Befreiung für den Porsche Cayenne fi-anzieren wollen. Diese Brücke führt nicht in die Zu-unft, sie geht rückwärts.
Sie haben hier erzählt, die Bundesregierung werdeas Notwendige tun. Sie wollten hier eine Botschaft vonaß und Mitte senden. Frau Merkel, „Mitte“ bedeutetber noch nicht Bewegung. An dieser Stelle haben Sieicht einmal Mut zur Zukunft.
err Kampeter, wenn ich mir anschaue, welche Schritteie in den letzten drei Jahren Ihrer Regentschaft hierollbracht haben, dann muss ich sagen: Es gibt für unsfür die Fraktion der Grünen und für das Land – über-aupt keinen Ansatzpunkt, zu glauben, dass Sie auch nurine Ihrer schönen Versprechungen in die Realität um-etzen würden.
In Ihrer Regierungszeit ist die Schere zwischen Armnd Reich noch größer geworden; Ihre Vorschläge lau-en darauf hinaus, sie noch größer zu machen. In Ihreregierungszeit sind wir bei den Umwelttechnologien
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Renate Künastkeinen einzigen Millimeter weiter vorangekommen. ImGegenteil: Sie sind die Regierung der Ausnahmen.
Sie loben sich für sinkende Arbeitslosigkeit, für dieSie und die Regierung aber gar nichts können. Sie hattennicht den Mut, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.Frau Merkel, Sie sagen hier: „Gerade in Krisen muss manklare … Leitsätze haben“, es brauche eine „Politik … derpraktischen Vernunft“ und eine ethische Dimension. Siekönnen es sich gerne selber schönreden; ich sehe dieseethische Dimension bei Ihnen nicht. Ich sehe nur: Heutehabe ich wieder eine neue Frau Merkel kennengelernt.Sie haben sich zum so und so vielten Mal neu erfunden:auf jedem Parteitag wieder, im letzten Wahlkampf undjetzt schon wieder. Es gibt gar keinen Grund, Ihnen auchnur ein Wort zu glauben.
Frau Merkel, jetzt müsste man den Mut haben, Zu-kunft zu wagen. Jetzt müsste man den Mut haben, sichvon den alten Lobbyistinnen und Lobbyisten loszusagen.Wir sehen doch, dass alle Prämissen erodieren, dass diealte Art des Wirtschaftens so nicht mehr funktioniertund nicht mehr akzeptiert wird. Mit Konsum und Wachs-tum geht es so nicht weiter, weil Natur, Menschen, dieStaaten im wahrsten Sinne des Wortes dagegenarbeiten.Sie haben den Zusammenbruch mit den drei Krisen ge-sehen. Die Grundlagen des Industriezeitalters sind unssozusagen unter den Füßen weggezogen worden. Dashaben Sie quasi selbst organisiert. Frau Merkel, in dieserZeit haben wir einen Mangel an Leitplanken, an Regeln,an Schutz und an internationalen Strukturen. Sie habendazu heute nur Allgemeinplätze geboten.
Frau Merkel, man muss dann auch sagen, dass mandie alten Regeln des Industriezeitalters über Bord wirft,weil gerade diese Wirtschaftsweise gescheitert ist. Mandarf hier nicht nur über grüne Technologie reden; jedesHandeln von Ihnen ist im Widerspruch zu dem, was Siehier erzählen, Sie tun ständig das Gegenteil.Wissen Sie, wie der Spitzname von Frau Merkel inBrüssel lautet? Madame Non. Sie tun nämlich so, alswürden Sie vorangehen wollen; aber am Ende tun Sieimmer wieder das Gegenteil.
Sie haben hier zu Anfang der Legislaturperiode gesagt:„Ich will Deutschland dienen.“ Sie haben gesagt, inDeutschland begännen „neue Gründerjahre“, es gebeeine „Koalition der neuen Möglichkeiten“ und: „Wirwollen niemanden zurücklassen.“Frau Merkel, Sie haben, wenn wir einmal zurück-schauen, in diesen drei Jahren Gipfel für Gipfel für Gip-fel erklommen und sich inszeniert; aber ich kenne keineneinzigen Gipfel, bei dem Sie am Ende Ihrer Wander-schaft die andere Seite des Berges erreicht haben. Siesind immer mit großem Tamtam und viel Medienauf-merksamkeit den Berg hinaufgestiegen; nachts sind Siean der gleichen Seite wieder heruntergegangen. Es hatsich nichts geändert, trotz der Mehrheiten, trotz der Tat-sache, dass Deutschland im konjunkturellen Auf-snBksvSucdsAeSdSCguobiMd–hVmVlUdeJdKzHfK
Da können Sie gerne zwischenrufen. Das ganze Landat es gesehen. Sie haben sich nicht mit der gleichenerve um Bildung für alle Kinder in diesem Land be-üht, mit der Sie sich darum bemüht haben, dass dieillen, die steuerfrei vererbt werden können, einen mög-ichst hohen Wert haben können.
nd wir sollen auch noch in Dankbarkeit niederknien,
ass Sie bei der Erbschaftsteuer überhaupt irgendetwasntschieden haben, an dessen Wirksamkeit im nächstenahr Sie selber gar nicht glauben. Was sollen eigentlichie Leute draußen bei dieser Inszenierung innerhalb deroalition und der Regierung denken? Sie mögen zwarahlenmäßig zurzeit die größte der Fraktionen in diesemause sein; aber die Leute draußen haben nicht das Ge-ühl, dass Sie sich um ihre Jobs und die Bildung ihrerinder kümmern. Sie kümmern sich nur um sich selbst.
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Renate KünastWenn ich daran denke, was die selbsternannte Klima-kanzlerin in der letzten Zeit alles zum Besten gegebenund welche Ziele sie für 2050 in die Umlaufbahn ge-schickt hat, kann ich nur sagen: Da muss man sich schoneinmal entscheiden. Will man wirklich ehrgeizige Kli-maziele für 2020 und 2050 setzen? Will man in der Au-tomobilindustrie Jobs durch die Produktion modernerAutos schaffen, oder will man bei Luxusschlitten mit390 Gramm CO2-Ausstoß für eine steuerliche Entlas-tung sorgen? Diese Entscheidung haben Sie bis heutenicht getroffen.
Sie sind an dieser Stelle die Partei des Sowohl-als-auch.Gestern gab es dann eine richtige Lachnummer.Nachdem Frau Merkel die CSU hinsichtlich der von ihrgewünschten Steuersenkung vor der Bayern-Wahl hatam ausgestreckten Arm verhungern lassen – da habenSie ja alle gelitten und gedacht, das Ergebnis der Wahlhätte besser sein können; Ihre gesamte Landesregierungist darüber implodiert –, ist nun der Zoff so groß, dassman sich vor den Neujahrsklausuren noch einmal treffenmuss, um doch wieder über eine Steuerreform zu reden,damit das Treffen in Wildbad Kreuth nicht wie eineAtombombe zündet. Was sollen die Leute eigentlichdenken? Ein Plan, eine Strategie für Deutschland, FrauMerkel, sieht anders aus.
Im Haushalt haben Sie die Finanzkrise bis zum Endegeleugnet. Sie rechnen sich die Zahlen heute immernoch schön. Sie haben die Absicht, einen Haushalt fürmorgen vorzulegen; aber in Wahrheit schieben Sie unsdie Zahlen von vorgestern unter. Sie legen einen Haus-halt vor, von dem Sie behaupten, es sei ein Haushalt vonmorgen; aber dieser Haushalt enthält die Werkzeuge undMaßnahmen von gestern. Mit den Ideen, die in diesemHaushalt stecken, werden wir die Zukunft dieses Landesnicht bauen können.Sie haben die Vernetzung von Klima, Ernährung undFinanzkrise bis heute nicht gesehen. Ich muss Ihnen so-gar vorwerfen, dass Sie wiederholt nicht nur das Gegen-teil von einer Bekämpfung der Krise tun, sondern dieKrise international noch verschärfen.Schauen wir uns einmal an, was Sie zum ThemaWelternährungskrise in den letzten Monaten gesagtund getan haben. Das ist im wahrsten Sinne des WortesDoppelbödigkeit. Sie haben bei der ersten Krise, die auf-getreten ist, Krokodilstränen geweint, sich, ganz christ-lich, Gedanken über die Welternährung gemacht und ge-sagt, Sie wollten die Menschen retten, die auf dieserWelt hungern. Was haben Sie dann getan? In diesemHaushalt ist immer noch nicht genug Geld für die Ent-wicklungshilfe vorhanden. Sie haben letzten Endes diealte Agrarlobby bedient und noch Exportsubventionenfür Schweinefleisch hinterhergeworfen. Das Schweine-fleisch aus Europa macht aber die Fleischmärkte inAfrika kaputt, weil die Leute dort ihre Produkte nichtmehr verkaufen können. Sie haben in Brüssel gegen eineReform der Agrarsubventionen und gegen einen Umbauhin zum Klimaschutz, zur Artenvielfalt und zum Tier-swzffRnahlkFdsmmsvasudauPEidadSgnlhKukBcKtldl
Sie haben einen Bildungsgipfel gemacht, von dem ichachte, dass da etwas Neues kommt. Dieser Gipfel istber ebenfalls Sinnbild der Merkel’schen erfolglosennd sinnlosen Gipfelstürmerei. Es wird zwar über großeakete gesprochen – wie auch hier –, aber kein einzigeruro wird in die Zukunft unserer Kinder investiert. Dasst nicht zukunftstragend, Frau Merkel.
Sie haben es nicht einmal geschafft, dafür zu sorgen,ass die Ministerpräsidenten zusagen, die Einsparungufgrund weniger Kinder, also die demografische Ren-ite, in Zukunft für die Bildung der Kinder einzusetzen.tattdessen bieten Sie uns hier und heute eine Kinder-elderhöhung an. Diese bieten Sie auch in Brüssel anach dem Motto: „Das große Konjunkturpaket Deutsch-ands enthält unter anderem 10 Euro Kindergelderhö-ung.“ So viel Mut muss man einmal haben, 10 Euroindergelderhöhung in ein Konjunkturpaket zu packennd als große Armutsbekämpfung zu betiteln. Dabeiann man über diese Erhöhung nur eines sagen: Dasundesverfassungsgericht hat Sie mit seiner Rechtspre-hung dazu gezwungen – nicht mehr und nicht weniger.
Sie haben nicht einmal die Frage beantwortet, wie dieinder der Ärmsten der Armen von der Erhöhung profi-ieren. Die 10 Euro Kindergelderhöhung werden näm-ich mit den Transferleistungen verrechnet. Das heißt,iese Kinder haben nichts von einer Erhöhung. Wir wol-en, dass uns in diesem Land jedes Kind gleich viel wert
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Renate Künastist. Aber die mit den Transferleistungen verrechneten10 Euro Kindergelderhöhung bringen uns da keinenSchritt weiter.
In einer Zeit des Wandels, wo wir wissen, dass Welt-ernährungskrise, Weltklimakrise und die Finanzkrise zu-sammenhängen und nur über nationale Grenzen hinweggelöst werden können, wo wir sehen, dass die alte Tech-nologie nicht mehr zieht – die Autos stehen bei denAutokonzernen auf Halde; das gilt besonders für dieUSA –, wo wir wissen, dass alle – die Privathaushalte,der Mittelstand und sogar die großen Konzerne – Sorgenwegen der Energiekosten haben, muss man Zukunft wa-gen. Man muss jetzt den Mut haben, nicht mehr in dasAlte zu investieren, sondern auf das Neue zu setzen unddie Jobs von morgen und die Grundlagen der Zukunft zuschaffen. Sie tun das an keiner Stelle.Ich will noch auf einige Punkte eingehen und zu-nächst zum Thema Klima etwas sagen. Frau Merkel, dieZiele, die Sie nennen, sind gut. Ich war beeindruckt, alsSie vor der UN gesagt haben, bis 2050 solle der CO2-Ausstoß halbiert werden. Bitte schön, fangen Sie an! Wirbrauchen gerade wegen der Finanzkrise eine harte undscharfe Klimapolitik und eine neue Energiepolitik, weilwir nur so volkswirtschaftliche Schäden vermeiden undnur so die Jobs von morgen schaffen können.Gerade heute lesen wir wieder – die Jahresabrechnun-gen kommen ja bald auf die Privathaushalte zu –: DieStrompreise werden sich im nächsten Jahr um mindes-tens 8,5 Prozent erhöhen. Die Bürgerinnen und Bürgerbrauchen keinen Eiertanz, sondern eine wirkliche Verän-derung. Dann haben Sie doch den Mut, das Soziale, dieÖkologie und die Ökonomie neu miteinander zu verbin-den, diese Prämissen neu zueinanderzubringen und zusagen: In Zukunft wirtschaften wir nicht mehr auf Kos-ten anderer, nicht mehr auf Kosten der Natur. Lassen Sieuns einen New Green Deal machen, einen neuen Deal,
der die Gesellschaft anders zusammenfasst und sagt:Jetzt gehen wir wirklich über die Brücke und verändernunsere Art zu wirtschaften.
Dieser New Green Deal wird ja nicht nur von uns vertre-ten. Obama nennt ihn; der UN-Generalsekretär nenntihn. Wir wissen, wie man an dieser Stelle neue Arbeits-plätze organisiert, und zwar nicht mit Spritschluckern,Herr Kampeter.
Sie behaupten immer, Ihr Wischiwaschi – Sie macheneine Reform, sehen aber keine Sanktionen und keineGrenzwerte vor; also ist es irgendwie wieder keine Re-form – sei im Interesse der Wirtschaft. Das ist falsch. Esist nicht im Interesse der Wirtschaft und nicht im Inte-resse der Arbeitsplätze.GkdM–DalBGnrdduaSDrsSitPskddsgfEWRdKS
nd schneller für Klimaschutz sorgen als Sie mit Ihremngeblichen Programm.
Sie machen sich an dieser Stelle mit Ihrer verbissenenalamitaktik auch beim Emissionshandel schuldig.ann tun Sie noch so mütterlich, als würden Sie die Inte-essen anderer Mitgliedstaaten mitvertreten wollen. Ichage Ihnen: Wir sehen, was Sie machen. Sie haben keineorge um Polen, sondern sind im Hinblick auf den Groß-nvestor RWE nicht am Klimaschutz, nicht an der Situa-ion in Polen interessiert, sondern schon wieder nur amrofit von RWE. So macht man aber keinen Klima-chutz, und so schafft man auch nicht die Jobs der Zu-unft.
Sie haben beim Thema Gerechtigkeit in den letztenrei Jahren nichts anderes bewirkt als die Tatsache, dassie Einkommensschere zwischen Arm und Reich in die-em Land noch größer wird. Warum können wir in weni-en Tagen ein Finanzmarktpaket aus dem Boden stamp-en, aber bis heute nicht die Regelsätze für Hartz-IV-mpfänger auf 420 Euro erhöhen?
ir alle wissen doch: Das Leben ist mit dem heutigenegelsatz nicht mehr bezahlbar. Warum reden Sie aufer einen Seite über ein stärkeres Anschieben deronjunktur und des Konsums, sagen auf der andereneite aber nicht, dass Sie mit Progressivmodellen, in
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Renate Künastdenen die Lohnnebenkosten übernommen werden, oderdurch vereinbarte Mindestlöhne dafür sorgen, dass dieÄrmeren ihr Leben finanzieren können? Dieses Geldwürden sie im Übrigen sofort investieren, und dieswürde zum Konsum beitragen.
Wieso behaupten Sie hier, Sie würden in die Zukunftgehen und Brücken bauen wollen, und haben an dieserStelle nicht den Mut, zu sagen: „Ab dem nächsten Jahrinvestieren wir über den Haushalt Geld in Bildung“? Indiesem Land gehen 20 Prozent der Schülerinnen undSchüler mit 15 aus der Schule, ohne lesen und rechnenzu können, also auf Grundschulniveau. Das ist nicht inOrdnung. Das ist ungerecht. Da antwortet man mit ei-nem Bildungssoli, indem die ganze Gesellschaft die Fi-nanzierung von Kindergärten und Schulen für jedesKind und nicht nur für die der Reichen übernimmt.
Man kann an dieser Stelle nur dankbar sein, dass sich derOsten dem westdeutschen System schon verweigert hat.Das Schulsystem im Osten ist eher Vorbild für den Wes-ten. Was machen Sie? Sie finanzieren weder Bildungnoch schaffen Sie mehr Studienplätze.Mein letzter Punkt: Frau Merkel, Sie haben beimThema Gerechtigkeit das Soziale und die Marktwirt-schaft angesprochen; so sage ich es einmal. Wir habenhier in wenigen Tagen ein Finanzmarktpaket aus demBoden gestampft. Was aber immer noch fehlt, ist, dassSorge dafür getragen wird, dass die Regeln für denFinanzmarkt endlich so aufgestellt werden, dass dieKundinnen und Kunden der Banken und Finanzdienst-leister, dass das Individuum, dass Otto Normalverbrau-cher nicht mehr über den Tisch gezogen werden können.Diesbezüglich haben Sie bisher noch gar nichts geleistet.
Mehreren Tausenden von Beratungsstellen und Filia-len der Finanzdienstleister und Banken stehen nur unge-fähr 180 Verbraucherzentralen gegenüber, wo maneine unabhängige Beratung bekommen kann. Ich frageSie: Wie finanzieren Sie die unabhängige Beratung derKunden in Zukunft? Wie finanzieren Sie jetzt die Bera-tung und den Schutz der vielen Opfer, zum Beispiel vonLehman Brothers? Wann schaffen Sie endlich eineFinanzaufsicht, die die einzelnen Produkte untersuchtund kontrolliert und die Produkte nur dann zulässt, wennsie okay sind? Schaffen Sie Regeln für das Zustande-kommen von Verträgen – das brauchen wir – und eineBeweislastumkehr bei falscher Beratung! Wir brauchenHaftungsregeln, damit diejenigen, die die Leute ins Un-glück „organisieren“, dafür auch privat haften.Sie tun so, als hätten Sie bei der FinanzmarktkriseIhre Hausaufgaben gemacht. Nein, Millionen von Bür-gern stehen heute, morgen und übermorgen vor der Citi-bank oder bei Lehman Brothers und fragen: Wo ist meinGeld? An der Stelle haben Sie nichts getan. Nur die Ban-ker und die Banken haben Sie geschützt.–rGswnrdumdzVRgstAWdbppIgnoCHcnhhwdsdku
Ich gebe ja zu, dass die Rede von Frau Merkel hintenaus ein bisschen besser wurde.Was macht Frau Mustermann? Sie fragt: Wo ist meineld geblieben? Wer hilft ihr, sich durchzusetzen? Werorgt dafür, dass die Menschen, die mehr Eigenverant-ortung für die Zukunft übernehmen sollen, in Zukunfticht wieder auf die falschen Finanzdienstleistungen he-einfallen? An dieser Stelle haben Sie nichts getan. Anieser Stelle zeigt sich aber, ob Sie es mit einer sozialennd – ich sage – ökologischen Marktwirtschaft ernsteinen. Eine soziale Marktwirtschaft ist unter den Be-ingungen des globalen Handels und der globalen Finan-en nur dann möglich, wenn Sie die Konsumenten, dieerbraucher wirklich rechtlich schützen.
Frau Merkel, Sie haben uns am Anfang Ihrer heutigenede erzählt, wie schwer die nächsten Jahre werden. Ichlaube, dass Ihre Rede über das Jahr 2009 dazu diente,ich vorab schon einmal zu exkulpieren, dass Sie nichtsun können. Wir warten darauf, dass es endlich einenufbruch gibt. Wir warten auf neue Bedingungen desirtschaftens. Wir warten darauf, dass man endlich ausem Stillstand der letzten drei Jahre ausbricht und dieehaupteten Ziele und Visionen endlich zu den Tatenassen.
Hören Sie endlich auf, den alten Lobbyismus zu pam-ern und zu unterstützen! Dieses Land muss losgehen.ch sage Ihnen ehrlich: Dieses Land hat eine bessere Re-ierung verdient, eine, die nicht über Brücken schwadro-iert, sondern selber eine Brücke baut, die zukunfts-rientierte Politik und keine rückwärtsgewandte macht.
Ich gebe das Wort dem Fraktionsvorsitzenden der
DU/CSU, Volker Kauder.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Dieser Bundeshaushalt gibt in außergewöhnli-her, in ungewöhnlicher Zeit Antworten. Er wurde zu ei-em Zeitpunkt aufgestellt, als ein paar von denen, dieeute sagen, sie hätten es damals schon gewusst, erkanntaben wollten, aber viele noch nicht erkennen konnten,as sich an den Finanzmärkten und in der Folge auch iner Wirtschaft entwickelt. Diese Regierungskoalition hatehr schnell reagiert. Sie hat nicht nur wie Frau Künastahergeredet, sondern sie hat konkret gehandelt. Sie gibtonkrete Antworten auf die Fragen, die die Menschen innserer Zeit stellen.
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Volker KauderDieser Bundeshaushalt, der konkrete Antworten gibt,trägt dazu bei, die Menschen zu stabilisieren, ihnen Zu-versicht zu geben. Frau Künast, was Sie hier gemachthaben, ist das genaue Gegenteil davon. Ich will Ihneneinmal sagen, wie die Realität in unserem Land ist. DasInstitut für Demoskopie in Allensbach hat in diesen Ta-gen die Meinung der Menschen erfragt. Dabei kam et-was ganz anderes heraus. Da sieht man, dass Sie in Ihrerideologischen Rede verfangen und meilenweit von denMenschen in unserem Land entfernt sind, Frau Künast.
Insgesamt, so das Institut in Allensbach, ist die Stim-mung der Bevölkerung von einer großen Skepsis, aberkeineswegs von einer krisengetriebenen Weltuntergangs-stimmung geprägt. Nur 27 Prozent sehen den kommen-den Monaten mit großen Befürchtungen entgegen,28 Prozent sehen ihnen mit abwartender Skepsis entge-gen, aber 35 Prozent sind nach wie vor optimistisch ge-stimmt, vor allem die junge Generation. Es gilt, diesengrundlegenden Optimismus, für den es aufgrund dessen,was die Regierungskoalition macht, auch Anlass gibt, zustärken und ihn nicht mit dümmlichen Reden zu schwä-chen.
Es kommt also ganz entscheidend darauf an, die Lagerealistisch einzuschätzen und daraus die richtigen Kon-sequenzen zu ziehen. Es kommt darauf an, den Men-schen die Wahrheit zu sagen. Dazu gehört, dass dieFinanzkrise natürlich Auswirkungen auf die Wirtschafthat. Dazu gehört aber auch, dass wir in diesem Landnach drei Jahren Regierung Merkel und Großer Koali-tion stärker sind als zuvor und deswegen diese Heraus-forderung packen und meistern können.
Ich kann nur sagen: Es ist gut, dass Merkel undSteinbrück die Krise managen und nicht Künast undLafontaine die Krise in unserem Land meistern müssen.
Man muss der Führung der Regierung außerordentlichdankbar sein.Welche Antworten gibt nun der Bundeshaushalt? DerBundeshaushalt zeigt: Wir müssen als Staat, als Landdas tun, was wir tun können.
Das heißt, wir müssen im nächsten Jahr Investitionen tä-tigen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Aber es geht nichtausschließlich darum, Arbeitsplätze zu erhalten, sondernauch darum, dass alle Maßnahmen, die wir als Staat er-greifen, darüber hinaus eine Zukunftsperspektive haben.Die habe ich bei Ihnen total vermisst.
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as heißt, dass wir in dem einen oder anderen Bereich,o wir noch etwas machen müssen, wo wir in der Ver-angenheit etwas weniger getan haben, weil wir unterem Gesichtspunkt der Haushaltskonsolidierung Inves-itionen nicht in dem Umfang haben tätigen können, wieir es uns gewünscht haben, durchaus ein Defizit haben.ie Bundeskanzlerin hat das angesprochen. Deswegenst es richtig, durch konjunkturstärkende Maßnahme ei-en Impuls zu geben, indem wir Investitionen tätigennd auslösen. Investitionsorientierte Verschuldung istie Antwort in diesem Haushalt. Das ist genau die rich-ige Antwort. Nicht Schulden für den Konsum, sondernchulden für Investitionen, die uns nach der Krise stär-er machen, das ist die Antwort, die wir jetzt geben.
Das sind die Investitionen im Straßenbau. Das sindie Investitionen über die Fördermittel der KfW, die ge-annt worden sind. Das sind natürlich auch die Investi-ionen in die Strukturen der Zukunft, nämlich in das In-ernet, die wir so dringend brauchen. Es gilt, in diesereit bei diesen Herausforderungen Kurs zu halten unden Kurs nicht aus den Augen zu verlieren.Kurs zu halten heißt: Die Ziele, die wir uns gesetztaben, verfolgen wir auch in dieser Situation weiter. Na-ürlich wollen und werden wir – das ist ein Ziel – unse-en Beitrag leisten, den Klimawandel zu bekämpfen. Derlimawandel lässt sich nämlich durch Finanzkrise undirtschaftskrise in keiner Weise beeindrucken. Deswe-en werden wir Kurs halten.Frau Künast, es ist überhaupt nicht die Rede davon,ass wir unsere Ziele aus den Augen verlieren.
ie aber haben einfach planlos ein Ziel formuliert, ohneu sagen, in welchen Schritten man es erreichen kann,odass Arbeitsplätze bestehen bleiben und die Klima-chutzziele erreicht werden. Genau das ist die intelli-ente Herausforderung, die wir annehmen und auch an-acken.
Es kommt ganz entscheidend darauf an, dass wir bei-pielsweise in der Automobilindustrie sowohl das Zieles Klimaschutzes als auch des Erhalts von Arbeitsplät-en verfolgen. Ich glaube aber auch, dass wir der Auto-obilindustrie sagen müssen: Es geht nicht nur darum,ich Gedanken zu machen, wie wir neue Automobile aufen Markt bringen können, sondern wir müssen uns Ge-anken darüber machen, wie wir miteinander Mobilitätroduzieren und wie wir auf bestimmte Situationen rea-ieren. Da halte ich Ansätze, wie wir sie heute erleben,
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Volker Kauderfür völlig richtig: der Einstieg in das Elektroauto, in dasHybridauto und in neue Konzepte für Bewegung undMobilität in unserem Land.
Genau das sind die richtigen Themen.
Ich sage auch in Richtung Opel: Überall dort, wo derStaat hilft, überall dort muss er auch Wert darauf legen,dass es nicht nur ein „Weiter so“, sondern dass es auchneue, in die Zukunft gerichtete Ansätze gibt.
Es geht nicht nur ausschließlich darum, Arbeitsplätze zuerhalten, sondern auch darum, in dieser Krise ganz be-sonders Zukunftsaspekte zu stärken.Wenn wir sagen, wir dürfen unsere Ziele nicht ausden Augen verlieren, gilt dies natürlich auch für unsereHaushaltsziele. Ich kann mich manchmal nur wundern,wenn ich morgens die Zeitungen aufschlage und lese,was da jeden Tag für neue Vorschläge kommen, geradeauch von denen, die uns noch vor einigen Tagen undWochen gesagt haben, vor allem für die nachfolgendeGeneration sei nichts schlimmer als Verschuldung undwir dürften den Haushalt nicht außer Rand und Band ge-raten lassen. Deswegen kommt es auch jetzt wieder da-rauf an, den richtigen Mix aus einer investitionsstimulie-renden, akzeptablen Verschuldung und der Erkenntnis zufinden, dass die Schulden von heute die Steuern vonmorgen sind und dass sie eines Tages gezahlt werdenmüssen.Wir werden – darüber sind wir uns in der Koalition ei-nig – kein Wettrennen machen und jeden Tag neue Mil-liarden auf den Markt werfen, sondern wir werden sehrgenau prüfen, was Sinn macht. Nicht jeden Tag neueMilliarden anbieten macht Sinn, sondern genau zu über-legen, was wir tun müssen, also Investitionen tätigen undauslösen, Arbeitsplätze sichern und neue Strukturen auf-bauen, aber nicht ein Wettrennen in der Weise veranstal-ten, dass derjenige, der am meisten fordert, auch ammeisten Applaus in unserem Land erhält.
Ich bin überzeugt davon, dass wir dieses Ziel des aus-geglichenen Haushalts erreichen können. Wenn wir jetztdas Richtige tun, dann werden die Antriebskräfte imnächsten Jahr dazu führen, dass wir wirtschaftlich zwarkein Wachstum haben, dass wir aber für 2010 wiedereine Perspektive entwickeln können. All die Befürchtun-gen, die jetzt laut werden, es würde über das Jahr 2009hinaus schwieriger, kann ich überhaupt nicht teilen. Ichbin zuversichtlich, dass das, was wir mit diesem Haus-halt in dieser Woche auf den Weg bringen, die Basis da-für ist, dass wir im nächsten Jahr eine Perspektive fürEntwicklung haben werden.Ich sage Ihnen weiter, dass wir an dem Ziel der Null-verschuldung auch in der Föderalismusreform II fest-hnMabINqDRdwamrtdZeddguddanawdlsSmhsssBdeBsts
eswegen fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion imahmen der Föderalismusreform II eine Nullverschul-ung mit Ausnahmemöglichkeiten, aber keine aufge-eichte Nullverschuldung.
Wir wollen an unseren Zielen festhalten. Dazu gehörtuch das, was der Kollege Struck angesprochen hat: Wirüssen uns auch in Zukunft gegen den weltweiten Ter-or wehren; denn der weltweite Terror hat seine Aktivi-äten nicht eingestellt. Deswegen kann ich nur hoffen,ass der Bundesinnenminister doch noch die notwendigeustimmung zu seinem BKA-Gesetz bekommt, sodasss in Kraft treten kann. Ich hoffe, dass es uns gelingt,ieses Gesetz, das die Koalition und der Deutsche Bun-estag beschlossen haben und das Peter Struck als einutes Gesetz bezeichnet hat, über die Rampe zu hebennd dafür zu sorgen, dass das Bundeskriminalamt, füras Wolfgang Schäuble zuständig ist, so arbeiten kann,ass es den Terrorismus wirksam bekämpfen kann.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, was geschah,ls die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor einigen Mo-aten ihre Sicherheitsstrategie vorgelegt hat, in der wiruch einige Punkte, die für Wirtschaft und Welthandelichtig sind, erwähnt haben. Es wurde eine Diskussionarüber begonnen, was die Unionsfraktion damit eigent-ich vorhat. Zum Teil wurde unsere Sicherheitsstrategieogar ins Lächerliche gezogen. Wir haben darin einenatz formuliert, der heute Allgemeingut ist, über denan damals aber gestaunt hat: Wir müssen unsere See-andelswege schützen, weil sie die Voraussetzung dafürind, dass auch in Zukunft wirtschaftliche Entwicklungtattfinden kann.Vor diesem Hintergrund halte ich es für selbstver-tändlich, dass wir die Piraterie bekämpfen. Ich bin derundesregierung dankbar, dass sie jetzt schnell handelt,amit wir uns daran beteiligen können. Es wäre wirklichin unmöglicher Zustand, wenn sich alle Länder an derekämpfung der Piraterie beteiligen würden, die Deut-chen aber abseits stünden, obwohl auch ihre Schiffe be-roffen sind. Ich fordere die Bundesregierung auf, jetztchnell Ergebnisse zu erzielen.
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Volker KauderViele wissen vermutlich gar nicht, dass die Pirateriekein Randereignis ist. Seit Jahresbeginn wurden auf un-seren Seewegen mehr als 90 Schiffe gekapert. Wir erfah-ren von solchen Vorfällen immer nur dann, wenn es umgroße Schiffe geht. Insgesamt sind aber mehr als90 Schiffe betroffen. Fast 400 Mann Besatzung sind vorSomalia festgesetzt. Es besteht die zwingende Notwen-digkeit, etwas dagegen zu unternehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir ha-ben allen Grund, an dieser Stelle nicht nur der Bevölke-rung für ihre Vernunft und ihr Augenmaß in dieser Krisezu danken, sondern auch all denjenigen Dank zu sagen,die dabei helfen, diese Krise zu überwinden und die dasRückgrat der deutschen Wirtschaft sind: den mittelstän-dischen Unternehmerinnen und Unternehmern,
die nicht bei jedem Windstoß umfallen, die ihre Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer nicht entlassen, sondernüberlegen, wie sie auf andere Art und Weise über dieRunden kommen können, und die lieber etwas Geld ausihrem Privatvermögen nehmen, als die Leute, die ihreFirma seit vielen Jahren mit ihnen gemeinsam gestalten,in die Wüste zu schicken.Es ist richtig, dass die Regierungskoalition und dieBundesregierung einen Schwerpunkt darauf legen, diemittelständischen Unternehmen zu stützen. Ich bin fürdie Zusage der Bundeskanzlerin, dass das Programm derKfW am Montag starten kann, dankbar. Ich hoffe, dassdie Prüfung nicht wie sonst mehrere Wochen oder Mo-nate dauert, sondern dass schnell gehandelt werdenkann, sodass unsere mittelständischen Unternehmerin-nen und Unternehmer sagen können: Von dieser Regie-rung bekommen wir in schwieriger Zeit Hilfe; wir wer-den dafür sorgen, dass dies auch die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer in unseren Firmen spüren.
In diesen Tagen wird sehr viel über Manager gespro-chen. Wir haben allerdings allen Grund, auch denen zudanken, die ihren Anteil daran haben, dass wir in denletzten drei Jahren gut vorangekommen sind: den Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern in unserem Land, denRentnerinnen und Rentnern und den mittelständischenUnternehmern. Allen dreien, den Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmern, den Rentnerinnen und Rentnern undunseren mittelständischen Unternehmerinnen und Unter-nehmern, dient unser Konzept. Wir haben eine richtigeAntwort auf das, was jetzt auf uns zukommt, und ichrate, das jetzt umzusetzen und nicht bereits wieder mitneuen Dingen zu kommen und die Menschen zu irritie-ren. Ich sage den Menschen in diesem Land: Wir fahrenauf Sicht, und wir reagieren sofort, wenn es notwendigwird, aber wir geben ihr Geld nicht unnötigerweise aus,nur um zu zeigen, dass wir als Politikerinnen und Politi-ker einfach alles können. Das tun wir nicht.
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Für die FDP-Fraktion gebe ich ihrem Fraktionsvorsit-
enden Dr. Guido Westerwelle das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich will zunächst eine Bemerkung an meinenollegen Volker Kauder richten. Was Sie, Herr Frak-ionsvorsitzender, lieber Volker, hier am Anfang gesagtaben, finde ich an einer Stelle sehr schwierig und mei-er Meinung nach der Debatte auch nicht angemessen.Wir befinden uns hier in einer Generaldebatte undtreiten doch nicht über die Qualität von Deutschland,ondern über die Qualität der Politik der Regierung.
enn die Opposition die Regierung kritisiert, dann redetie Deutschland nicht schlecht, sondern wir sind genausoatrioten. Ob wir auf der Regierungsbank, in der Oppo-ition oder in den Koalitionsfraktionen sitzen, wir liebennser Land. Deswegen wollen wir eine andere Politik,m das an dieser Stelle klar zu sagen.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben in Ihrer Rede imrunde genommen tatsächlich vorgebaut. Sie haben hieresagt, 2009 werde das Jahr der schlechten Nachrichtenein. Das ist natürlich eine politisch vorbeugende bzw.orsorgende Erklärung, die hier abgegeben worden ist.eil das aber die letzte Haushaltsdebatte sein wird, dieir in dieser Legislaturperiode führen werden, möchtech schon noch einmal an die großen Debatten erinnern,ie wir in den letzten Jahren geführt haben, also an dieetzten drei Haushaltsdebatten, seitdem die sogenannteroße Koalition im Amt ist. Jedes Mal haben Sie sichier hingestellt und gesagt, dass das Ihr Aufschwung ist.as war entweder einmal ein Schröder-Aufschwung,der es war ein Merkel-Aufschwung. Mit dem Ab-chwung wollen Sie nichts zu tun haben. Der Auf-chwung war Merkel, der Abschwung ist Bush. Daslaubt Ihnen niemand. Das ist absoluter Unfug.
Wir brauchen keine Regierung, die vor schwierigeneiten warnt, sondern wir brauchen eine Regierung, dien schwierigen Zeiten handelt.
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Dr. Guido WesterwelleDas ist das Entscheidende, worum es geht. Wir brauchenauch keine Regierung, die den Deutschen gut zuredet,sondern die Deutschen brauchen eine Regierung, dieGutes für sie tut. Das ist das Entscheidende, weshalb wirdas, was Sie uns hier vorgelegt haben, völlig anders be-werten.Natürlich haben Sie nicht tatenlos herumgesessen. Siesind verantwortungsvolle Persönlichkeiten. Wer bestrei-tet das denn?
Natürlich haben Sie in Anbetracht einer Krise nicht ta-tenlos zu Hause gesessen und Däumchen gedreht. Natür-lich haben Sie sich abgearbeitet. Das ist doch gar keineFrage. Wir kritisieren weniger, dass Sie ein Sammel-surium von Maßnahmen gefunden haben. Das ProblemIhrer Regierung ist, und zwar auch aufgrund der Un-einigkeit in Ihrer Koalition, dass Sie in Wahrheit keinengemeinsamen Weg mehr finden können.Herr Kollege Kauder, Sie sagen, Sie fahren auf Sicht.Ich sage: Sie stehen mitten im Nebel. Sie fahren aufSicht, und Sie wissen nicht, wohin Sie wollen.
Wer keinen Standpunkt hat, der kann seinem Landauch keine Orientierung geben. Sie haben keinen ge-meinsamen Standpunkt mehr. Das drückt sich hier aus.Das ist alles aus der Not geboren. Das mit dem Sammel-surium ist ja nicht etwa die Kritik der bösen oppositio-nellen FDP, sondern das ist das, was Ihnen Ihr eigenerWirtschaftssachverständigenrat sagt. Der Sachverständi-genrat der Bundesregierung sagt: Sie haben ein sinnlosesSammelsurium beschlossen.
– Frau Kollegin Künast, das ist ein wichtiger Zwischen-ruf, den Sie gerade gemacht haben. Der Sachverständi-genrat der Bundesregierung kritisiert die Bundesregie-rung, sagt, das, was Sie jetzt in der Krise machen, seiputzig und ein sinnloses Sammelsurium, und die Ant-wort der Koalition in Form von Herrn Kollegen Struckist: Dann schaffen wir diesen Sachverständigenrat ebenab.
Das kennen wir aus der Antike: Man köpft den Boten,weil einem die Nachricht nicht passt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wolleneinmal über das reden, womit Sie sich an die Bürger undBürgerinnen wenden. Das ist das, was Sie im Augen-blick in Anzeigen millionenfach verbreiten: Häkchen-politik, acht Häkchen. Das ist das, warum sich Deutsch-land keine Sorgen mehr machen soll. Das sind die vieleMillionen teuren Anzeigen der Bundesregierung, millio-nenfach herausgegeben von Ihnen auf Kosten der Steu-erzahler: Liebe Deutsche, macht euch keine Sorgen. Wirhaben acht Häkchen für euch gefunden. Acht Häkchen!iedStoIdn–LgImdswswisfbvinbSPsnrgwhdldTn
Herr Kollege Kampeter, mich für Herrn Kollegenafontaine verantwortlich zu machen, ist ihm und miregenüber sehr ungerecht.
ch glaube, das können Sie getrost zurücknehmen.
Wir werfen Ihnen ja nicht vor, Frau Bundeskanzlerin,eine Damen und Herren von der Bundesregierung,ass die Krise da ist. Wir wissen, dass sowohl der Auf-chwung als auch der Abschwung sehr viel mit der Welt-irtschaft zu tun hat und dass wir nicht alles beeinflus-en können. Wir würden uns auch überheben, wolltenir diese Illusion bei den Bürgern hervorrufen.
Aber das Entscheidende ist: Nicht, dass die Krise dast, kritisieren wir an der Arbeit der Bundesregierung,ondern wir kritisieren, dass Sie in guten Zeiten, in denetten Jahren für die mageren Jahre nicht vorgesorgt ha-en und dass Sie jetzt, da die mageren Jahre weiß Gottor der Tür stehen – in Wahrheit sind wir mittendrin –,mmer noch nicht beherzt handeln, sondern sich immeroch mit einer Politik der kleinen Schritte zufriedenge-en. Sie merken gar nicht: Ihre Politik der kleinenchritte, die einmal von der Großen Koalition als neuesolitikprojekt gelobt wurde, ist eine Politik der einge-chlafenen Füße geworden, weil Sie sich nicht mehr ei-ig sind. Das ist das eigentliche Problem dieser Regie-ung.
Nun wird einem Abgeordneten der Opposition – dasilt für alle, wenn auch mit großen Unterschieden –,enn er hier spricht, immer der Vorwurf gemacht – wiraben ihn eben auch gehört –: Sie reden ja nur, Sie han-eln nicht. Was für ein – entschuldigen Sie bitte – bana-er Vorwurf! Die Opposition hat immer nur die Machtes Wortes, und die Regierung hat die Pflicht zur gutenat. An beiden muss der Wähler sie messen. So ist esun einmal in der Demokratie aufgeteilt.
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Dr. Guido WesterwelleÜbrigens: Tut mal nicht so, als wärt ihr als Regie-rungsabgeordnete auf die Welt gekommen. Wir saßenbis vor drei Jahren noch zusammen. Da habt ihr es auchnicht gemocht, wenn es immer hieß, ihr redet das Landschlecht. Also fangt nicht an, so über uns zu reden, nurweil ihr jetzt drei Jahre auf der Regierungsbank sitzt –wer weiß, wie lange noch, meine sehr geehrten Damenund Herren.
– Volker, ist geschenkt. Warten wir einmal ab, wie langenoch! Macht ist ja begrenzt, und es ist nicht ausgemacht,ob einer Kiesinger wird oder Kohl. Das muss man alleseinmal abwarten. Wie es weitergeht, entscheiden dieWählerinnen und Wähler.Meine Damen und Herren, ich möchte an der Stelleaber nicht nur uns einbringen, sondern ich möchte, wennSie erlauben, noch darauf eingehen, dass es immer heißt,international sei die Politik der Regierung unumstritten;das sei alles wunderbar. Das entspricht nämlich nichtden Tatsachen.Wenn Sie mit internationalen Gästen zu tun haben,die uns besuchen und die anschließend von Ihnen be-sucht werden – weil Sie eine mächtige Frau sind, will ichdie Namen nicht nennen –, dann hört man schon einmalden Satz: „First she came too late and then she waswrong“.
Diese Meinung wird nicht nur in Großbritannien undin der Europäischen Union vertreten, sondern das konn-ten alle Deutschen am Montag bei Ihrem Besuch in Parisam Fernsehschirm verfolgen. Da steht die deutsche Re-gierungschefin, der ich in Herzlichkeit zugewandt bin
– ich darf Sie in aller Freundlichkeit bitten, durch IhrRaunen keine wirklich absurden Gerüchte in die Welt zusetzen –,
neben dem französischen Staatspräsidenten, sie erzählenin großer diplomatischer Manier, was man immer so tut,nach dem Motto „Wir sind uns alle einig“, und dann sagtFrankreichs Präsident Sarkozy – Angela Merkel stehtdaneben, und es gefriert ihr das Lächeln –: Wir sind unseinig, dass wir weitere Maßnahmen ergreifen müssen.Frankreich arbeitet daran. Deutschland denkt darübernach.
Das sind die internationalen Bewertungen. FrauBundeskanzlerin, das war kein Handkuss; das war eineOhrfeige.
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ill die Steuern senken. Die Ministerpräsidenten Herrüller und Herr Seehofer wollen die Steuern senken.Wir halten Folgendes fest: Die SPD will nicht dieteuern senken. Die Grünen wollen nicht die Steuernenken. Die Linkspartei will nicht die Steuern senken.
rau Merkel will nicht die Steuern senken. Frau Merkel,ie befinden sich in der falschen Gesellschaft. Da müs-en Sie wieder raus!
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Sie la-hen jetzt,
eil Sie sich darüber freuen; denn Sie werden ganz mu-ig als Heldinnen und Helden der Unionsfraktion nächsteoche auch einmal für Steuersenkungen stimmen dür-en – folgenlos auf eurem Bundesparteitag. Ihr solltetber nicht auf eurem Bundesparteitag nächste Woche fürteuersenkungen stimmen, sondern im Deutschen Bun-estag. Das wäre eure Verantwortung für Deutschland.
er Sachverständigenrat und alle anderen empfehlenas.Es heißt immer, Deutschland habe kein Geld für Steu-rsenkungen. Mittlerweile macht sich eine spannendergumentation breit. Gehen wir doch einmal im Haus-alt der Frage nach, ob wir kein Geld für Steuersenkun-en haben. Abgesehen davon sollten wir aber festhalten,ass die Europäer Steuersenkungen durchführen. Statt-essen erhöhen Sie die Steuern.Nach dem von Ihnen gefundenen Erbschaftsteuer-ompromiss, der mit neun zu elf Stimmen unterbwesenheit aller anderen CSU-Abgeordneten in der
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Dr. Guido WesterwelleLandesgruppe mutig beschlossen wurde, hat Finanz-minister Peer Steinbrück einen bemerkenswerten Briefverfasst. Wir halten zur Erbschaftsteuerreform eines fest– wie Sie gemerkt haben, formuliere ich diplomatischer,seitdem wir dort zusammen regieren –: Die Länder umuns herum reden nicht darüber, wie man die Erbschaft-steuer erhöhen könnte, und sie verkünden auch keinenSieg, wie es Herr Steinbrück per Brief an die SPD-Abge-ordneten geschrieben hat: Was für ein Erfolg für die So-zialdemokraten!
Wir haben das Volumen der Einnahmen aus der Erb-schaftsteuer erhöht.
Ich halte fest, dass die Erbschaftsteuerreform ein Erfolgder Sozialdemokraten in der Koalition ist. Ich finde ihnaber furchtbar. Gerade deswegen kritisiere ich ihn andieser Stelle.
Was mir nicht einleuchten will, ist die lustvolleFreude, mit der Sie einen solchen Unfug bei der Erb-schaftsteuer mitmachen. Die anderen schaffen die Erb-schaftsteuer ab, während wir darüber reden, wie man sieerhöhen kann. Nun hat man einen großartigen Begriffgefunden, um der Verfassungswidrigkeit zu entgehen:die Kernfamilie. Um es auf den Punkt zu bringen: Wennein Onkel oder eine Tante Nichten und Neffen und wenneine Schwester ihrem Bruder etwas vererben will, danngilt ein Freibetrag in Höhe von 20 000 Euro. Anschlie-ßend werden Steuersätze von 30 bis 50 Prozent erhoben.Das ist in meinen Augen eine Enteignung durch denSteuerstaat. Was dort stattfindet, ist unfair. Sie werdendas beschließen. Wie können Sie nur!?
– Sie haben eine andere Haltung dazu. Das ist auch legi-tim. Aber Sie erlauben mir, dass ich unsere Haltung da-gegenstelle.
Nehmen wir als Beispiel die Familienbetriebe. Sietun so, als wäre alles prima.160 Familienbetriebe sagen:Um Gottes willen, lasst diesen Murks bei der Erbschaft-steuer! Diese Familienbetriebe haben sich vor zehn Ta-gen schriftlich an die Bundesregierung gewendet undgesagt: Wir werden gezwungen sein, ins Ausland abzu-wandern. – Das ist aus unserer Sicht ein ganz schwererFehler zulasten der Familienbetriebe. Was machen Sie?Sie sagen: Wenn man zehn Jahre den ererbten Betriebmit derselben Lohnsumme, also mit der gleichen Zahl anArbeitsplätzen, die man im Durchschnitt in den letztenfünf Jahren hatte, fortführt, dann ist man erbschaftsteuer-frei. Das ist absoluter Irrsinn; denn jeder weiß, dass diewirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zehn Jahrenim Schnitt vermutlich schwächer sein wird als in denletzten Jahren. Jeder weiß, dass niemand eine solche Ga-rantie für zehn Jahre geben kann. Wir hatten gute fünfJeDHuiAmswu–nUNmsswucitwmndwdlmadgscSg–iSI„vgdwhri
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Sie sind genauso wie Herr Eichel gescheitert. Das erklärtauch die Aggression, Ihre Angriffe gegen die liberaleOpposition, die wir Ihnen an dieser Stelle aber nichtdurchgehen lassen.
Sie wissen es doch selber – und das hat nichts mit man-gelnder menschlicher Wertschätzung zu tun; wir schla-gen vielmehr einen anderen politischen Weg vor –: Siesetzen in dieser Woche hier im Deutschen Bundestag ei-nen Haushalt durch, der auf einem Wachstum von0,2 Prozent basiert. Niemand von Ihnen glaubt daran,dass wir im nächsten Jahr ein Wirtschaftswachstum von0,2 Prozent haben werden. Jeder von Ihnen weiß, dasswir das nicht erreichen werden.
Jeder Kaufmann, der seine Bücher so frisieren würde,landete vor Gericht. Wir erwarten auch von Ihnen, dassSie endlich ehrliche Zahlen vorlegen. Das ist das Min-deste, was man vor Ihrem Abgang verlangen kann.
73 Milliarden Euro Schulden hat diese Koalition beiSteuermehreinnahmen von 160 Milliarden Euro ge-macht, die sie in dieser Legislaturperiode von den Bür-gerinnen und Bürgern bekommen hat. Was wir machenmüssen, ist relativ klar. Was wir mit einem einfachenPlan – das ist nicht irgendein kleines Häkchenkonzept –machen müssten, wäre, dafür zu sorgen, dass wir demAbschwung entgegenwirken, indem wir die Kräfte frei-setzen, die in unserer Volkswirtschaft schlummern. Dazugehört erst einmal die Leistungsbereitschaft unseresVolkes. Das geht nur, indem sich Leistung lohnt und in-dem wirklich ein niedrigeres, einfacheres und gerechte-res Steuersystem alle für ihre Leistungen belohnt, alleArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, alle Mittelständ-ler und alle Unternehmer, damit alle wirklich etwas vonihrer Leistung haben. Ein niedrigeres, einfacheres undgerechteres Steuersystem müsste jetzt beschlossen wer-den. Sie werden es niemandem erklären können, auchnicht auf Ihrem Parteitag, wenn die Union nächste Wo-che sagt, Deutschland brauche Steuersenkungen. Es gibtin Anbetracht unserer dramatischen Lage keinen Grund,damit noch ein Jahr zu warten. Es muss jetzt gehandeltwerden.
Sie müssten die Bremsen für Investitionen lösen. Ichwill nicht alles aufgreifen, was Frau Kollegin Künast ge-sagt hat. Ich teile vieles nicht, aber in einem Punkt williSüGJlVsDDGBeJWmIwfsgtIüKtsEn2swrzgaddvBifkPeB8S
as ist absurd, und das wissen auch Sie.
as ist sehr weit weg vom Leben. Schauen Sie in dieesichter der Bürgerinnen und Bürger! Keiner von denürgerinnen und Bürgern dort oben auf der Tribüne wirdin einziges Auto kaufen, nur weil Sie 109 Euro für einahr nachlassen. Absurd ist das. Das weiß jeder.
elchen Weg man bei der Kfz-Steuer geht, darüberüsste gestritten werden. Das tun wir dann auch. Aberhr Vorschlag ist gar nichts. Was wir machen müssten,äre, die Bremsen zu lösen, und das gilt insbesondereür die Investitionen.Nehmen wir nur einmal die Investitionen im Energie-ektor: Wir reden nicht darüber, dass der Staat Geld aus-ibt, sondern wir reden nur darüber, dass Energieinves-itionen stattfinden, die sowieso stattfinden müssen,nvestitionen in Leitungsnetze, Gleichstromleitungen,brigens auch in den Bau von sauberen und modernenohlekraftwerken, damit wir dreckige und alte abschal-en können. Wenn Sie, die Regierung, nur diese Brem-en, die Verwaltungs- und Genehmigungsbremsen in dernergiewirtschaft, lösen würden, dann müssten Sie kei-en einzigen Euro dazutun, und trotzdem würden etwa0 Milliarden Euro an Investitionen in unsere Volkswirt-chaft fließen. Das bedeutete Arbeitsplätze, und dasäre etwas, was in Deutschland hilft.Auch das muss ich Ihnen sagen, Frau Bundeskanzle-in: Es ist richtig, dass Sie das Thema Bildung zu einementralen Punkt machen. Das ist doch vernünftig. Übri-ens – damit hier nichts missverstanden wird; das giltusdrücklich auch für die beiden Damen im Kabinett,ie in diesem Falle besonders mitwirken –, es ist richtig,ass das von Ihnen sozusagen mit einem Ausrufezeichenertreten wird. Aber tun Sie bitte nicht so, als sei dieserildungshügel ein Gipfel gewesen. Gut, wenn man flachm Gras liegt, dann ist auch ein Maulwurfshügel ein Gip-el.
Wenn Sie es ernsthaft als Erfolg, als Durchbruch ver-ünden, dass Deutschland – das mache ich gar nicht anarteien fest; da können wir die Länder völlig zu Rechtinbeziehen; ich sage das, damit wir da einig sind – seineildungsinvestitionen bis zum Jahr 2015 von jetzt,9 Prozent auf 10 Prozent steigert, dann sage ich Ihnen:ie sind nicht ehrgeizig genug für unser Land. Wer sich
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Dr. Guido Westerwelledamit zufriedengibt, gibt sich mit zu wenig zufrieden.Das ist nicht vernünftig.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben viele Brücken bauenwollen. Sie haben über alles gesprochen, über AfA, überHauptschulen, über Piraterie, über CO2; aber Sie habennicht gesagt, wo Deutschland morgen stehen soll. Sie ha-ben sich mit den Themen unserer Zeit nicht wirklich aus-einandergesetzt. Nicht wir sind diejenigen, die in derMinderheit in Europa sind, nur weil wir hier im Deut-schen Bundestag in der Minderheit sind, wenn es umSteuersenkungen geht; vielmehr gibt es in Europa eineklare Mehrheit. Es ist eine Mehrheit für entschiedenePolitik, für eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.Es wird Zeit, dass nicht nur Europa, sondern auchDeutschland eine solche, eine neue, vernünftige Mehr-heit bekommt.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Ludwig Stiegler,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man musssich Sorgen um den Kollegen Westerwelle machen.
Er denkt immer nur an das eine: also, nicht an FrauMerkel,
sondern immer nur an Steuersenkungen. Beim Früh-stück, beim Mittagessen und beim Abendessen denkt eran Steuersenkungen. Er ist besessen von Steuersenkun-gen. Habt Erbarmen mit ihm!
Diese Denkweise
besagt: Wenn jeder für sich selber sorgt, ist für alle ge-sorgt.
Das war das Glaubensbekenntnis von Westerwelle, undgenau dieses Glaubensbekenntnis hat die Welt in dieseKatastrophe geführt.
Lieber Kollege Westerwelle, denken Sie deshalb mehran Frau Merkel und weniger an Steuersenkungen.
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Ludwig StieglerWir haben Zusammenarbeit in der EuropäischenUnion. Ich hoffe auch, dass die Welthandelsorganisationwieder aus dem Scheintod aufwacht. Ich danke vor al-lem Frank-Walter Steinmeier dafür, dass er auch aufeuropäischer Ebene gemeinsames Handeln angestoßenhat. Kein Land kann sich allein aus der Krise ziehen. Nurdann, wenn alle miteinander handeln, wenn jeder seinenBeitrag leistet, werden wir gemeinsam aus der Krisekommen. Das ist ein unglaublicher Fortschritt in derWeltwirtschaftspolitik, den wir wie unseren Augapfelhüten sollten.
Was ist unser Beitrag, den Westerwelle und der Sach-verständigenrat „Sammelsurium“ nennen? Die sind derTonnenideologie verhaftet. Die können wir zurzeit inAmerika sehen. Dort besteht aber eine andere Ökono-mie. Dort hat man vor ein paar Monaten 150 Milliardenauf die Bürger abgeworfen. Was ist davon übrig geblie-ben? Nur die Erhöhung der Staatsschuld ist davon übriggeblieben, aber kein Wachstumsimpuls. Deshalb ist un-ser gezielter Ansatz – wir setzen vor allem auf Investitio-nen und ermuntern die privaten Verbraucher, zu investie-ren – richtig.Wir haben primär eine Exportkrise. Diese Export-krise kann nicht primär mit nationalen Mitteln adressiertwerden. Aber all das, was die Chinesen tun, all das, wasdie Japaner tun, und all das, was wir tun, um die Importezu steigern, ist ein Beitrag dazu. Langfristig werden wirunsere Exportabhängigkeit redressieren müssen. Wirsind zurzeit einen Tick zu exportabhängig, und das Beinder Binnenwirtschaft ist zu asthenisch.Wir könnten vielleicht größere Initiativen starten,wenn wir eine voll entwickelte Bauwirtschaft hätten.Aber nach dem Rückbau ihrer Kapazitäten kann mannicht über Nacht Milliarden in diesen Bereich schüttenund denken, dass gleich Millionen marschieren undNeues bauen. Das dauert vielmehr eine gewisse Zeit.Angesichts dessen ist es notwendig, anderes zu machen,zum Beispiel Kurzarbeit zu fördern. Ich danke OlafScholz, dass er den Zeitraum für die Gewährung vonKurzarbeitergeld verlängert hat.
Für die deutsche Wirtschaft muss gelten: Kurzarbeitszei-ten sind das Trainingslager bzw. die Qualifikationszeitenfür den nächsten Aufschwung. Das ist das Entschei-dende. Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung müs-sen in dieser Zeit stattfinden, statt die Menschen in dieArbeitslosigkeit zu entlassen. Das ist unser Ansatz.
Meine Damen und Herren, wir stärken auch die Bin-nennachfrage. Wir haben gute Lohnrunden hinter uns.Dank an die Gewerkschaften! Wir haben Gott sei Dankwieder stabile Preise. Allein der Ölpreis ist um zweiDrittel gesunken. Das bedeutet aufs Jahr gerechnet einenPush der Massenkaufkraft von rund 23 Milliarden Euro.Vor dem Hintergrund von sinkenden Preisen und stei-genden Löhnen besteht die Aussicht, dass die Massen-kaufkraft im nächsten Jahr steigt, wenn es zugleich ge-lWdtGgfdrnaSvIdünVgskttabvdgdumpsdsLaBPeoItaeNSth
Meine Damen und Herren, wir fordern auch die Län-er auf, mitzumachen. Es ist unmöglich, dass bei einero zentralen Debatte die Bundesratsbank leer ist. Dieänder wollen alle nur beim Bund abkassieren. Es kannber nicht sein, dass ausschließlich Forderungen an denund gerichtet werden. Auch die Länder stehen in derflicht. So ist zum Beispiel die Universität Regensburgine Tropfsteinhöhle. Der Freistaat Bayern könnte dahne weiteres 200 Millionen Euro und mehr investieren.
n Passau und anderen Orten gilt das Gleiche. Ebensorifft das auch auf andere Länder zu. Die Länder müssenlso mitmachen; dafür müssen sie auch die Gemeindenntsprechend unterstützen.Wir wollen, dass gerade die Städte im Westen und imorden, die unter einem Haushaltsdeckel aufgrund ihrerchulden leiden, in die Lage versetzt werden, zu inves-ieren. Wir können nicht zulassen, dass die Lebensver-ältnisse weiter auseinanderdriften. Lasst uns vielmehr
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20364 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Ludwig Stieglergemeinsam mit den Ländern den Kommunen in Nord-rhein-Westfalen, in Niedersachsen, in Schleswig-Hol-stein oder in den neuen Ländern dabei helfen, dass siedie notwendigen Investitionen, die sie sofort tätigenkönnten, auch wirklich tätigen können.
Es wurde schon angesprochen, dass Regulierung alsInvestitionsbremse wirkt. Wir sind dagegen, flächende-ckend – wie mit der Schrotflinte – Steuersenkungen ein-zuführen.
– Ihr würdet gerne breit streuen.
Wir alle wissen, dass die Sparquote in Deutschlandhoch ist. Die OECD geht in ihrer jüngsten Prognose voneiner Sparquote von über 10 Prozent aus. Diese Erspar-nisse bleiben aber liegen. In Deutschland gibt es viel we-niger Investitionen, als es die Ersparnisse hergeben wür-den. Deshalb wird Kapital exportiert, das in zweifelhafteAnlagen fließt und mit zweifelhaften Infektionen zu-rückkommt. Steuersenkungen sind also nicht der richtigeWeg. Vielmehr sollte der Staat, wenn er Mittel hat, In-vestitionen anstoßen, die die Privaten veranlassen, ihrenTeil zu leisten. Es sollten Investitionen getätigt werden,von denen morgen nicht nur Schulden übrig bleiben.Konsum über Schulden ist keine gute Idee und geht aufDauer nicht gut.
Investitionen stützen auch die Wirtschaft unserer Ex-portpartner. Wir müssen kapieren: Wir müssen eine in-ternationale Wirtschaftspolitik betreiben; wir könnennicht nur an Deutschland denken, sondern müssen auchandere Länder berücksichtigen. Gerade die Länder, mitdenen wir Exportüberschüsse haben, müssen wir in denBlick nehmen. Wenn wir hier investieren, dann steigtauch unsere Importquote. Im dritten Quartal beispiels-weise ist unsere Importquote gestiegen. Das hilft derWeltwirtschaft insgesamt.Schauen wir uns die Rolle des Staates an. Wir habengesehen: Mit Marktdisziplin allein funktioniert es nicht;der Staat muss Regeln setzen und sie auch durchsetzen.Wir, gerade die SPD, mussten uns jahrelang von den li-beralen Egoisten verleumden und verhöhnen lassen: Wirwollten alles regulieren und die Wirtschaft fesseln. –Ihre entfesselte Wirtschaft ist im Straßengraben gelan-det. Wir dürfen sie jetzt herausziehen.
Wir verlangen nicht einmal Dank oder ein Trinkgeld.
– Das kann man von denen nicht erwarten; denn die ha-ben immer recht. Ultra posse nemo obligatur. Da kannman nichts machen.rvnbhwtDdDBaZbsTiBsDntwbbr–JibNwonsse
as ist die Situation: Sie kommen wie die Küken unterie Henne, und wir müssen den Habicht abwehren.
er Westerwelle wird dann wieder sagen: Das ist derundesadler, der einem das Einkommen nehmen will.Jetzt zur Rolle der Zentralbanken und dazu, was diemerikanische Zentralbank, aber auch die Europäischeentralbank gemacht haben. Die Bilanzen der Zentral-anken sind angeschwollen. Wir werden uns noch um-chauen, wenn wir deren Bilanzentwicklung betrachten.rotzdem war es nötig, was sie getan haben. Die Fed hathr Pulver weitgehend verschossen. Wir sollten aber dieekehrung der Europäischen Zentralbank feiern. Dasind die Weisen, die vom Irrtum zur Wahrheit reisen.eshalb begrüßen wir, dass die Europäische Zentralbankicht mehr mit schlechtem Gewissen, sondern optimis-isch und vorsätzlich Zinssenkungen beschließt.
Herr Weber, Herr Trichet und vor allem Jürgen Stark,illkommen im Klub! Das war eine Bekehrung. Die ha-en noch im Sommer die Zinsen erhöht, jetzt sind sie da-ei, sie zu senken. Im Hause des Vaters ist über eineneuigen Sünder mehr Freude denn über 100 Gerechte.
Genau, es sind nur 99 Gerechte.
awohl! Wo Sie recht haben, haben Sie recht; das mussch zugeben. Das kommt selten genug vor. Wenigstenseherrschen Sie die Bibel. Das ist schon ein Vorteil.Meine Damen und Herren, der Staat ist der Hüter derachhaltigkeit in Bezug auf Bildung, Forschung, Ent-icklung und Klima. Aber jetzt heißt es: We have tovercome. Nun müssen wir die Krise überwinden. Dieächsten vier Quartale erfordern unsere gesamte An-trengung. Die Weltwirtschaft ist nicht nur unser Schick-al, sondern auch ein gestaltbares Geschick. Wir sindntschlossen, unser Geschick zu gestalten.Danke.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008 20365
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Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Frau Bundeskanzlerin! Liebe Kolle-ginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Von der heutigen Debatte geht unter anderemeine Botschaft aus: dass wir den Bundeshaushalt 2009 ineinem außergewöhnlich schwierigen konjunkturellenund weltwirtschaftlichen Umfeld beraten. Aber – ichhabe das schon mehrfach öffentlich betont – bei allersorgfältigen und gewissenhaften Betrachtung, Analyseund Entwicklung von Gegenmaßnahmen dürfen wirnicht in eine Weltuntergangsstimmung verfallen undeine Apokalypse heraufbeschwören. Deswegen war esausgesprochen wichtig, dass die Bundeskanzlerin heutean unser Selbstvertrauen appelliert hat, indem sie betonthat, dass wir Deutsche schon andere gewaltige Heraus-forderungen in den letzten Jahrzehnten gemeistert habenund dass wir, wenn wir alles richtig machen, gestärkt ausdieser Krise hervorgehen werden.
Herr Kollege Lafontaine, Demagogie hilft hier nichtweiter. Derjenige, dessen Antwort in Demagogie be-steht, versündigt sich an unserem Volk und löst nicht dieProbleme, die wir haben, sondern verschärft sie eher.
Ich bin deshalb froh, dass der Chef der Bundesagenturfür Arbeit, Weise, in aller Nüchternheit darauf hingewie-sen hat – das ist richtig –, dass sich ein schwächeresWachstum weniger auf die Arbeitslosenzahlen auswir-ken wird, als viele befürchten. Bei einem Rückgang derWirtschaftsleistungen um 0,5 Prozent, wie wir es imnächsten Jahr vielleicht erleben werden, werde die Ar-beitslosigkeit insgesamt um nur – in Anführungszeichen –130 000 steigen. Ich verstehe das als eine Ermutigung, indieser Krise um jeden Arbeitsplatz entschlossen zukämpfen.
Deswegen kommt es jetzt darauf an, dass wir gemein-sam handeln und unserer Wirtschaft einen verlässlichenRahmen geben. Das Erste, was wir beschlossen habenund was Wirkung zeigt, ist das Finanzmarktpaket, mitdem die Eskalation der Finanzkrise gebrochen wordenist. Jetzt kommt es unter anderem darauf an, dass die Ge-schäftsbanken in Deutschland ihrer Verantwortung ge-recht werden, nämlich die Wirtschaft mit Geld zu versor-gen. Ich sage das vor allen Dingen vor dem Hintergrund,dass wir mit unserem Impulsprogramm eine Reihe vonzusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten gerade für denMittelstand schaffen. Es ist wichtig, immer wieder zubetonen, dass wir das, was wir gemacht haben, nicht nurfür die Banken getan haben und dass für uns jemandnicht erst dann hilfsbedürftig ist, wenn er im Gewandund in der Größe von Opel daherkommt, sondern dassuugmtISstwensnIWsvsstsWctsSmussgVgFiSdWazwm
ch rufe die Banken in Deutschland auf: Fallen Sie beiicherheitsbewertungen jetzt nicht in das andere Extrem,ondern helfen Sie mit, die bestehende Krise zu meis-ern!Ich möchte darauf hinweisen, was vor 80 Jahrenahrscheinlich falsch gemacht worden ist. Was zunächstine reine Bankenkrise war, ist erst durch eine engstir-ige Wirtschaftspolitik zu der gewaltigen Weltwirt-chaftsdepression geworden. Wir dürfen diesen Fehlericht wiederholen.Wir müssen – das ist der zweite Punkt – anderenstrumente wie die Stärkung des Freihandels und dasiederbeleben der Doha-Runde nutzen. Dort engagiertich unser Wirtschaftsminister Michael Glos gegen Sub-entionswettläufe zwischen den einzelnen Volkswirt-chaften. Ein solcher Wettlauf wäre Gift. Wir brauchentattdessen mehr Freihandel. Das hilft einer exportorien-ierten Nation wie der unsrigen.
Dritter Punkt. Es ist schon das Spannungsfeld zwi-chen Klimaschutzzielen auf der einen Seite und denirtschaftsproblemen auf der anderen Seite angespro-hen worden. Bei den aktuellen Problemen, die die Au-oindustrie im Augenblick hat, können wir nicht einfachagen „Weiter so“. Das würde in der augenblicklichenituation heißen, dass wir Arbeitsplätze in Deutschlandutwillig gefährden. Ein Auto wird nicht allein dadurchmweltfreundlicher, dass es nicht mehr in Deutschland,ondern irgendwo im europäischen oder außereuropäi-chen Ausland gebaut wird. Das müssen wir uns vor Au-en halten.Frau Künast, Sie haben an die Bundeskanzlerin denorwurf gerichtet, sie werde in Brüssel „Madame Non“enannt. Ich bin froh darüber – dafür danke ich Ihnen,rau Bundeskanzlerin –, dass Sie, wenn es erforderlichst, in Brüssel oder sonstwo in Europa zu den anderentaatsführern sagen: Non, das machen wir wegen dereutschen Interessen nicht mit.
ir nehmen zwar Rücksicht auf europäische Interessen,ber wir, das Parlament und die Bundesregierung, sinduerst dazu da, deutsche Interessen zu wahren. Das er-artet auch die Öffentlichkeit in Deutschland von uns.
Forderungen in Bezug auf Klimaschutz – ja, aber sieüssen auch erfüllbar sein.
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20366 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Dr. Peter RamsauerDazu gehört auch – ich glaube, da sind wir auf einemvernünftigen Weg, Herr Bundeswirtschaftsminister –,dass wir die energieintensiven Industrien von der Ver-steigerung der Zertifikate ausnehmen müssen.Ein Wort an Bundesumweltminister Gabriel. LieberHerr Gabriel, unsere Position für Arbeitsplätze und Kli-maschutz haben Sie bisweilen kritisiert. Aber da kannich Ihnen nur zurufen: Was unsere Landwirtschafts-ministerin Ilse Aigner in Brüssel kann, nämlich deutscheInteressen durchsetzen, das sollten auch Sie gefälligstkönnen.
Ein vierter Punkt. Es geht natürlich auch um Steuer-senkungen; Herr Kollege Westerwelle, Sie haben daraufhingewiesen. Es ist keineswegs so, dass davon nicht dieRede ist. Ich möchte vorlesen, was auf dem CDU-Parteitagin Stuttgart, der vom kommenden Sonntag bis Dienstagstattfindet – ich werde selbst als Gast in Stuttgart sein –,beschlossen werden soll.
– Hören Sie mir doch zu, lieber Ludwig Stiegler! – Ichdarf zitieren:Der derzeitige Tarifverlauf führt dazu, dass Lohn-steigerungen oder Überstunden zu wenig bei denMenschen ankommen. Diese leistungsfeindlicheWirkung des Steuerrechts werden wir ändern.
Wir werden den Tarifverlauf so gestalten, dass Ge-haltserhöhungen oder Mehrarbeit nicht durch diekalte Progression minimiert werden, sondern beiden Arbeitnehmern auch stärker ankommen.
Dazu kann ich nur sagen: Bravo, CDU-Parteitag!Vonseiten der CSU haben wir das Notwendige hierzuschon längst gesagt.
– Ich beantworte Ihre Zwischenfrage später, Herr Kol-lege Westerwelle. Denn dann können Sie das ThemaErbschaftsteuer inkludieren.
Das Thema Erbschaftsteuer ist in dieser Debatte zuRecht schon mehrfach angesprochen worden. Ich bin zu-tiefst davon überzeugt, dass die Frage, wie Erbschaften– egal ob landwirtschaftlich, betrieblich oder privat –steuerlich behandelt werden, ein außerordentlich wichti-ger Standortfaktor für Deutschland ist. Denn jeder machtsich Gedanken darüber, wie in einem Land mit dem Ei-gentum umgegangen wird. Eine kluge Erbschaftsteuer-reform ist auch ein exzellentes Konjunkturprogramm.Das müssen wir uns immer vor Augen halten.Ich habe in den vergangenen Monaten und Jahren mitEntschiedenheit und mit großem Verantwortungsbe-wssvdkDwwdDtiehbgtzL–DklWdtrhtsB„dggvnsDrS
erjenige, der einen Familienbetrieb, der über Genera-ionen hinweg besteht, als Erbe übernommen hat, sollhn weitergeben können. Er kann ihn an seinem Lebens-nde nicht mitnehmen. Alle diejenigen, die Eigentumaben, unter Generalverdacht zu stellen, es zu verscher-eln und es irgendwo auf der Welt zu verjubeln, ist eineemeine Anklage gegen all diejenigen, die verantwor-ungsvoll in unzähligen Familienbetrieben Deutschlandsusammen mit den dortigen Beschäftigten arbeiten undeistung erbringen.
Ich bin noch nicht fertig.
azu ist viel zu sagen. Als liberaler Christsozialerönnte ich mehr zu diesem Thema sagen, als die Formal-iberalen dazu überhaupt zu sagen haben.
Ich stelle steuerpolitisch und grundsätzlich eines fest:ir müssen mit der Frage, inwieweit sich der Staat beier Weitergabe von Eigentum durch Besteuerung gütlichut, sehr sorgfältig umgehen. Wenn sich jemand aus be-eits versteuertem Einkommen Eigentum schafft, dannat der Staat bei der Weitergabe an die nächste Genera-ion nicht mehr Hand anzulegen. Unsere Maßgabe mussein: Respekt vor Eigentum, Respekt vor Leistung.
Eines gehört noch hierher: die gesellschaftspolitischeedeutung des Themas Erben bzw. Erbschaftsteuer.Respekt vor Eigentum“ habe ich gesagt. Eigentum istie Voraussetzung für Freiheit. Wir wollen nicht den ei-entumslosen Staatsbürger; denn dieser kann keine Ei-enverantwortung und keine Freiheit haben. Wir wollenielmehr den freien Bürger, der für sich selbst sorgt undicht am Tropf des Staates hängt.Eigentum ist die Voraussetzung nicht nur für Freiheit,ondern auch für etwas, auf das wir im Sozialstaateutschland besonders stolz sind. Es ist nämlich die Vo-aussetzung für Solidarität. Ohne Eigentum funktioniertolidarität nicht. Ohne Eigentum kann es keine Solidari-
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Dr. Peter Ramsauertät geben. Denn derjenige, der kein Eigentum hat, kannauch keine Solidarität üben. Eine Gesellschaft ohne Ei-gentum ist eine Gesellschaft ohne Solidarität und nurnoch eine Mangelverwaltung. Dies wollen wir nicht.
Deswegen ein klares Ja zum Eigentum, ein klares Jazur Leistung, ein klares Ja zur Weitergabe des Eigen-tums. Dann sind wir auf dem richtigen Weg und schaffeneine großartige Standortvoraussetzung in schwierigenwirtschaftlichen Zeiten.Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
Kollegen Guido Westerwelle.
An den liberalen Christsozialen gerichtet: Die Rede
hat uns viel Freude gemacht. Jetzt weiß man auch, wa-
rum wir in Bayern gut zusammen regieren werden.
Als Zweites möchte ich ansprechen: Sie haben hier,
wie ich finde, sehr klug auf die entscheidenden Sätze aus
dem Leitantrag der CDU hingewiesen, Herr Kollege.
Werden Sie in Ihrer Eigenschaft als Mitglied der Füh-
rung der Unionsfraktion dafür eintreten, dass das, was
die CDU auf dem Parteitag mutmaßlich beschließen
wird, noch vor der Bundestagswahl hier im Hohen
Hause beschlossen wird oder danach? Ich richte meine
Frage an den unabhängigen liberalen Christsozialen, der
jetzt aus seinem Herzen keine Mördergrube machen
muss. Reden Sie bitte frei!
– Nur mal so unter uns. – Bitte!
Herr Kollege Ramsauer, ich habe eine weitere Bitte
nach einer Kurzintervention vorliegen, und zwar vom
Kollegen Ernst. Wollen Sie die Frage des Kollegen
Westerwelle gleich beantworten oder anschließend?
Dann habe ich zwei mal vier Minuten.
Zwei mal drei Minuten.
Gut. Dann kommt jetzt der Herr Kollege Ernst.
Herr Ramsauer, Sie haben über die Erbschaftsteuer
gesprochen und erklärt, warum es notwendig ist, dass
man das Vermögen an die jeweils nächste Generation
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!unächst zum Kollegen Ernst – ich bedanke mich für dieelegenheit, meiner Rede einen Punkt hinzuzufügen,en ich vorhin aus Zeitgründen nicht mehr darlegenonnte –: Vererben hat für uns in der CDU und der CSUehr viel mit unserem Familienbild zu tun.
amit haben Sie und Ihre Partei, Die Linke, vielleichtrobleme. Unsere Grundüberzeugung hat sich vor langereit in der bayerischen Verfassung niedergeschlagen.ir wollen, dass innerhalb der Familie erbschaftsteuer-rei vererbt werden kann. Das gab es noch nie. Auchach dem jetzigen Erbschaftsteuerrecht ist es nicht mög-ich, dass zwischen Ehegatten sowie Eltern und Kindernollkommen erbschaftsteuerfrei, ohne Rücksicht auf denert der Immobilie, vererbt wird.Jetzt sage ich Ihnen, wer einer der größten Nutznießerieser Regelung für den privaten Bereich ist. Sie undhre Parteifreunde haben immer wieder demagogisch aufrgendwelche imaginären Villen am Starnberger Seeder in meiner Heimat, am Chiemsee oder am Königs-ee, verwiesen. Ich kenne eine wirkliche Luxusvilla imundesland Saarland.
a, auch das muss man sagen. Hier sitzt er: Ihr Fraktions-itvorsitzender Lafontaine ist einer der obersten Nutz-ießer dessen, was die CSU durchgesetzt hat.
ir haben auch für Sie aus christlicher Nächstenliebend einem ordentlichen Familienbild heraus einenchutzschirm gestaltet, den Ihnen Ihre eigene Parteiicht gönnen würde.
Sehr geehrter Herr Kollege Westerwelle, zu Ihrerrage: Eines haben wir sicherlich schon jetzt geschafft:ir haben die Neugier auf den CDU-Parteitag gefördert.ie gesagt, wir werden aus geschwisterlichem Zugetan-ein dort anwesend sein. Wir lernen viel voneinander.
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20368 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Dr. Peter RamsauerWichtig ist Ihre Frage, ob diese Steuererleichterungenvor der Bundestagswahl oder nach der Bundestagswahlkommen.
Sie kommen dann, wenn sie erforderlich sind.
– Entschuldigung, die CDU-Vorsitzende sitzt auf demStuhl der Bundeskanzlerin. Insofern bin ich jetzt sozusa-gen der Interpret von CDU-Politik, was ich außerhalbBayerns oft und gerne bin. Ich habe mir den zehnseitigenEntwurf des Leitantrages sehr genau durchgelesen. Ichfinde es großartig, dass sich zwei Seiten davon, also20 Prozent, ausschließlich mit Steuersenkungen befas-sen. Ich habe das ausgesprochen aufmerksam gelesen.Das vielleicht Wichtigste ist: Es steht nicht drin, dass dieSteuersenkungen erst nach der Bundestagswahl kom-men. Es steht kein Zeitpunkt drin, wann das alles getanwird. Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir allemiteinander, CDU und CSU, den richtigen Zeitpunkt fürdie richtigen Steuersenkungen festlegen werden.Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Merkel, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Ich hätte eigentlich liebernach der Rede von Herrn Kollegen Kauder gesprochen,weil ich sie angenehm und wohltuend fand. Stattdessenmuss ich jetzt nach Ihnen, Herr Ramsauer, sprechen. Ichmöchte Herrn Röttgen, der sich für die moralischen Fra-gen innerhalb der CDU/CSU-Fraktion häufig zuständigfühlt, bitten, sich die Rede von Herrn Ramsauer anzuse-hen und sie in Bezug auf Gerechtigkeit, Solidarität undVerantwortung zu analysieren. Das wäre ein gutes Werk.
Wir hatten wahrlich ungewöhnliche Haushaltsbera-tungen, und wir befinden uns in einer Situation, die sichniemand von uns vor einigen Monaten hätte vorstellenkönnen. Der im Sommer von der Bundesregierung vor-gelegte Haushaltsentwurf musste nach der Finanzkriseauf eine sich abzeichnende Wirtschaftskrise ausgerichtetwerden. Darüber ist gestern und heute viel diskutiertworden.taHiddDdtVVmswpJZhzsgdlddhFmtbnunAdtktmAudDdgs
Lassen Sie mich Folgendes betonen: Das Maßnah-enpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstums-tärkung“ konnten wir guten Gewissens beschließen,eil wir vorher einen verantwortungsvollen Sanierungs-fad eingeschlagen hatten, und das übrigens seit zehnahren unter sozialdemokratischer Verantwortung. In dereit haben wir Strukturveränderungen durchgesetzt.
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist beispiel-aft, weil es nach zwei Seiten erfolgreich ist: Es hilft,ur Senkung der Energiekosten beizutragen, und eschafft neue Arbeitsplätze. Das sind Strukturveränderun-en, die in die richtige Richtung gehen. Der Klimawan-el kann nicht warten.Wir Abgeordnete müssen den Staat gerade jetzt hand-ungsfähig halten, zur Not auch mit höherer Verschul-ung, um Investitionen zu ermöglichen. Wir dürfen inieser Zeit den Staat nicht kaputtsparen. Das sage ichier auch als Mitglied des Haushaltsausschusses und deröderalismuskommission ganz klar und deutlich. Wirüssen allerdings auch die eingestellten Mittel so effek-iv wie möglich zur Sicherung und Schaffung von Ar-eitsplätzen einsetzen. Ich habe dafür Beispiele aus mei-em Haushalt, dem Haushalt des Beauftragten für Kulturnd Medien, herausgesucht, die zeigen, dass Investitio-en in Kultur nicht nur der Bildung dienen, sondern auchrbeitsplätze und bleibende Werte schaffen.
Im Etat des Beauftragten für Kultur und Medien,em Etat des BKM, werfen wichtige Jubiläen und wich-ige Ereignisse schon jetzt ihre Schatten voraus. Wironnten in diesem Jahr den zehnten Geburtstag des Am-es des Beauftragten für Kultur und Medien feiern. Dreiännliche und eine weibliche Beauftragte haben diesesmt bislang innegehabt, alle mit ihren Schwerpunktennd jede und jeder auf seine oder ihre besondere Weise,ie jeweils gut war. Herzlichen Glückwunsch dazu!
ass es das Amt des Beauftragten für Kultur und Me-ien seit 1998 gibt, verdanken wir übrigens dem damali-en Bundeskanzler Schröder. Die Kultur wird von die-em Parlament ganz besonders gut behandelt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008 20369
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Petra Merkel
Jetzt komme ich zu dem, was ich vorhin schon ange-sprochen habe, zu den Investitionen in Kultur, die Ar-beitsplätze schaffen. Im Etat des Beauftragten für Kulturund Medien findet sich das Programm „Anreiz zur Stär-kung der Filmproduktion in Deutschland“, für das jähr-lich 60 Millionen Euro vorgesehen sind, die dazu die-nen, die Filmproduktion in Deutschland zu unterstützen.Dieses Programm ist sehr erfolgreich. InternationaleFilmproduktionen zieht es vermehrt nach Deutschland,vor allem nach Berlin, aber nicht nur in die Hauptstadt.Die Bilanz nach den ersten zwei Jahren dieses Anreiz-programms kann sich sehen lassen. Die ersten Schätzun-gen ergeben, dass für jeden ausgegebenen Euro über6 Euro zurückkommen. Das nenne ich eine gute Rendite.
Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor. Ich werde mich aberhüten, Kultur allein darüber zu definieren. Dieser Wirt-schaftsfaktor wird allerdings nicht oft genug gesehen.Ich zitiere in diesem Zusammenhang gern unserenFinanzminister, der das Maßnahmenpaket mit den Wor-ten beschrieben hat: langfristig sinnvoll, kurzfristig um-setzbar, rasch wirksam. Das sind die Investitionen inKultur allemal.Ein weiteres Beispiel für Investitionen im Kulturbe-reich ist Folgendes: Wir haben im letzten Jahr mit demNachtragshaushalt 2007 400 Millionen Euro im Kultur-etat für Investitionsmaßnahmen verankert, davon 40 Mil-lionen Euro für ein Sonderprogramm Denkmalschutz,das in diesem Jahr sehr erfolgreich angelaufen ist. Dieerste Tranche haben wir im September im Haushaltsaus-schuss verabschiedet, die zweite Tranche läuft jetzt, undeine dritte folgt im nächsten Jahr.40 Millionen Euro dienen zur Sanierung und Restau-rierung von akut vom Verfall bedrohten Denkmälern.Durch diese 40 Millionen Euro sind weitere 40 MillionenEuro von den Ländern, Gemeinden oder Privaten locker-gemacht worden, die sich zur Hälfte an der Finanzierungbeteiligen müssen. Insgesamt sind es also 80 MillionenEuro, die gerade kleinen und mittleren Handwerksbetrie-ben, die an der Sanierung beteiligt sind, zugutekommen.Die Sanierung, die Rekonstruktion eines Gebäudes, be-deutet an manchen Orten die Steigerung der Attraktivi-tät, vielleicht auch höhere Tourismusraten und dadurchwieder mehr Arbeitsplätze.
Ich möchte gerne weitere Bereiche im Kulturetat her-vorheben, die deutlich machen, wie sich Investitionenauszahlen. Das nun folgende Programm befindet sichzwar nicht in meinem Etat, sondern im Etat des Ministe-riums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Aber esgeht um den Kulturbereich, und deswegen möchte ichdiesen Punkt erwähnen. Wir haben insgesamt 150 Mil-lionen Euro eingestellt und fördern damit in den nächs-ten fünf Jahren die UNESCO-Weltkulturerbestätten inDeutschland. 33 Denkmäler und Denkmalkomplexe inDeutschland gehören zum Weltkulturerbe. Dieses För-derprogramm soll die Erhaltung und Sanierung der bau-lichen Anlagen der Weltkulturerbeliste unterstützen.SdbnEwEBELkGgInvWbdPeDvsdiewllwi–
assen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen: Wieann man sich in eine Jury berufen lassen, wenn man einegner des Rekonstruktionsbaus ist? Es gibt klare Vor-aben durch den Bundestagsbeschluss.
ch zitiere hier mit Erlaubnis der Präsidentin den Berli-er Kulturstaatssekretär André Schmitz im Tagesspiegelom 21. November 2008:Mehrheitsfähig und demokratisch legitimiert isteinzig die historische Rekonstruktion. Nicht nur,dass sich die Bürgerinnen und Bürger das Stadt-schloss zurückwünschen, das SED-Chef Ulbrichteinst sprengen ließ. Auch der Deutsche Bundestaghat … 2007 den Wiederaufbau eindeutig beschlos-sen.ir erwarten, dass in dem Wettbewerb die klaren Vorga-en, die der Bundestag beschlossen hat, auch erfüllt wer-en, egal was einzelne Jurymitglieder derzeit in derresse erzählen mögen.
Die komplexen Baumaßnahmen machen es nötig, hierine Struktur zu schaffen, die dieses Projekt begleitet.iese neue Stiftung soll nun als Bauherr der zentrale underantwortliche Ansprechpartner für alle den Bau undpäter den Betrieb betreffenden Angelegenheiten wer-en. Mit dem Humboldt-Forum sollen die Weltkulturenns Zentrum Berlins geholt und in den Dialog mit denuropäischen Kulturen auf der Museumsinsel gesetzterden. Die außereuropäischen Sammlungen des Ethno-ogischen und des Asiatischen Museums in Dahlem sol-en in das zukünftige Humboldt-Forum einziehen. Somiterden die weltbedeutenden Berliner Sammlungen auchnternational in den Fokus gerückt.Die Bundesrepublik Deutschland ein Zitat aus dem Bundestagsantrag –nimmt somit die historische Chance wahr, in derMitte der Hauptstadt ein zukunftsweisendes Signalihres kulturellen Selbstverständnisses zu setzen.
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20370 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Petra Merkel
Der Haushalt 2009 ist auch der Haushalt für ein span-nendes Gedenkjahr. Manchmal sind Daten gut, um etwaszu bewegen oder anzustoßen. Als Erstes möchte ich mitIhnen auf das Jahr 2010 blicken. Da wird die RegionRuhr eine der Kulturhauptstädte Europas sein. Wir konn-ten in diesem Haushalt 5 Millionen Euro zusätzlich zurVerfügung stellen, um Projekte für die Kulturhaupt-stadt Ruhr 2010 zu unterstützen. Was besonders wich-tig ist: Diese Mittel werden schon 2009 fließen, sodassdie Arbeit konkret losgehen kann. 2010 wird der Bund13 Millionen Euro geben, also eine Summe von insge-samt 18 Millionen Euro, ohne die Mittel aus der Bundes-kulturstiftung, die wir übrigens um 1 Million Euro auf-gestockt haben.Da ich gerade über das Jahr 2010 spreche, kann ichden Bogen zu einem Projekt schlagen, das mir besondersam Herzen lag und liegt und für das ich zum Glück vielebegeistern konnte. Nach einem Besuch der VillaMassimo im Rom vor einigen Jahren habe ich davon ge-träumt, dass es einen ähnlichen Ort auch in Istanbul ge-ben sollte, einen Ort, an dem deutsche Künstlerinnenund Künstler aus den unterschiedlichen Sparten – Film,Literatur, Musik, bildende und darstellende Kunst – eineZeit lang leben und arbeiten und dadurch in der manch-mal vertrauten, manchmal fremden Metropole Istanbulneue Impulse für ihre Arbeit erhalten können. Gleichzei-tig sind diese Künstlerinnen und Künstler auch Mittlerund schaffen ein weiteres Glied in der Kette der zahlrei-chen Verbindungen zwischen der Türkei und Deutsch-land.Ich konnte meinen Koalitionspartner SteffenKampeter sehr schnell für diese Idee gewinnen; ichglaube, das gilt auch für Gesine Lötzsch, die bei derReise nach Istanbul dabei war. Wir haben dort einen Ortgefunden: die ehemalige Sommerresidenz des deutschenBotschafters in Istanbul. Der Ort heißt Tarabya; diesenNamen müssen Sie sich merken.Diese Idee scheint nun Wirklichkeit zu werden. Na-türlich ist dies nicht zuletzt auch der Unterstützung unse-res Außenministers Frank-Walter Steinmeier zu verdan-ken, der dieses Projekt begrüßt hat und es tatkräftigunterstützt, ebenso wie der Beauftragte der Bundesregie-rung für Kultur und Medien, Bernd Neumann.In den Haushaltsberatungen ist es uns gelungen, diesedeutsche Kulturakademie sowohl im Etat des BKM alsauch im Haushalt des Auswärtigen Amtes zu etablierenund im Etat des Auswärtigen Amtes schon für das kom-mende Jahr mit Blick auf die sanierungsbedürftigenHäuser in Tarabya Baumittel bereitzustellen. Es scheintalles auf gutem Weg zu sein, damit wir 2010 den Start-schuss geben können, in dem Jahr, in dem sowohl Istan-bul als auch die Region Ruhr Kulturhauptstädte Europassind. Welcher Zeitpunkt wäre passender?Ich komme auf das Jahr 2009 zurück. Nun geht esganz in die Nähe, in die Normannenstraße, Haus 1, inBerlin. Ich weiß nicht, ob Sie, liebe Kolleginnen undKollegen, schon einmal in Haus 1 in der Normannen-straße gewesen sind. Es ist das ehemalige HauptquartierdewmpstdibSddeWzriwhdgbadhesEd–sRdhnBMmC
Danke. – Wichtig war uns darüber hinaus, dafür zuorgen, dass unter Berücksichtigung dieses finanziellenahmens auch eine sichtbare Würdigung des Beitragser Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig zur Ein-eit Deutschlands erfolgt.
Ich komme zum Schluss. Ich bedanke mich bei mei-en Kolleginnen und Kollegen, beim Beauftragten derundesregierung für Kultur und Medien und bei seinenitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gute Zusam-enarbeit.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Börnsen,DU/CSU-Fraktion.
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Die Kultur gehört zum Etat der Bundeskanzlerin.Dort ist sie passend eingebunden. Gleichzeitig erfährt siedort eine umfassende Förderung.Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Petra Merkel, herzlichen Dank für die verständnis-volle Kulturrede, die Sie gehalten haben. Kultur brauchtVerbündete.
Um mit einem wirklichen Kulturthema zu beginnen:Die 1. Fußball-Bundesliga verzeichnet jährlich 10 Mil-lionen Besucher. 396 Fußballerbeine sorgen täglich fürSchlagzeilen, und wenn Ballacks Bein keine Beule hat,dann sind wir mit der Nationalmannschaft auch erfolg-reich.Mit unseren Kulturerfolgen tun wir uns viel schwerer.Obwohl wir in vielen Bereichen meisterlich – sogar Spit-zenklasse – sind, üben wir uns in Bescheidenheit.10 Millionen Fußballfans – das begeistert. Jährlich besu-chen aber 100 Millionen Menschen unsere Museen. Dasist erst recht eine tolle Botschaft.
35 Millionen Theatergänger und 35 Millionen Kon-zert- und Kunsthalleninteressierte haben wir in unseremLand. Die Beschäftigung mit Kunst und Kultur ist nebendem Breitensport die größte Bürgerbewegung unsererRepublik. Wir sind eine Kulturnation.
750 Staats- und Symphonieorchester musizieren inunserem Land. Nirgendwo auf der Welt gibt es mehr.Drei von ihnen gehören seit diesem Jahr zu den bestenzehn dieser Welt: die Berliner Philharmoniker, das Sym-phonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dieSächsische Staatskapelle. Herzlichen Glückwunsch!
Wir fühlen uns Beethoven, Bach, Brahms und allen an-deren großen Komponisten verpflichtet.Es gibt aber auch 50 000 Chöre und 50 000 Rock-,Pop- und Jazzbands zwischen Flensburg und Konstanz.Wir bieten den viertgrößten Musikmarkt der Welt mit ei-nem Umsatz von fast 5 Milliarden Euro. In der Klassiksind wir die Nummer zwei. Und das Interesse wächst.Deshalb ist es klug, mit der Bundesinitiative Musik ei-nen weiteren Förderschwerpunkt zu setzen: für denNachwuchs, für den Export und für die Integration. Wirsind ein Musikland, und wir wollen es auch bleiben.
Wir als Bundesrepublik wollen auch ein Filmlandbleiben und uns weiter nach vorne bringen. Wir wollenudngrEl1lsdbaJfettF–gpDhnsgrusaKEeukssmwwDaS
Deshalb war es weise, die Mittel für die Denkmal-flege anzuheben. Durch die 40 Millionen Euro für dasenkmalschutz-Sonderprogramm ergaben sich bis-er 300 Projekte und Investitionen von über 100 Millio-en Euro. Durch den Denkmalschutz wird die Ge-chichte gesichert, werden aber auch Arbeitsplätzeeschaffen.
Unsere Verantwortung als Parlamentarier geht da-über hinaus. Wir sind auch gegenüber den Künstlernnd den Kreativen selbst in einer Verantwortung. Ihreoziale Absicherung muss unser Anliegen sein. Für unsls Union und für alle ist eindeutig und klar: An derünstlersozialversicherung wird nicht gerüttelt.
s gibt sie seit 1983, seit Helmut Kohls Regierung sieingeführt hat, sie ist weltweit beispielgebend gewordennd wird von allen Kulturpolitikern hier mitgetragen.
Für vier Fraktionen gibt es eine weitere Gemeinsam-eit, sie wollen nämlich mit 35 Millionen Euro gemein-am für die Realisierung des Gedenkstättenkonzeptsorgen. Das ist nicht selbstverständlich. Den Freien De-okraten und den Bündnisgrünen danke ich für die Mit-irkung am Gedenkstättenkonzept. Die vier Fraktionenaren auch bereit, den Protest gegen die Absicht dereutschen Post mitzutragen – die jetzt glücklicherweiseufgegeben worden ist –, die Zwangsvereinigung vonPD und KPD von 1946 auf einer Silbermünze zu ehren.
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Herr Kollege Börnsen!
Ich komme zum Ende. – Das ist ein Ansinnen ohne
historisches Fingerspitzengefühl.
In einer weiteren Sache sind wir uns einig – damit
komme ich wirklich zum Schluss –: Der in dieser Legis-
laturperiode erzielte Kulturerfolg wird von uns laut, von
den meisten jedoch verhalten leise und eher zurückhal-
tend deutlich gemacht. Er ist mit einem Namen verbun-
den. Bernd Neumann, dem Staatsminister, gelang es, vier
Mal einen Anstieg seines Haushaltsvolumens zu errei-
chen –
Herr Kollege Börnsen!
– und den Koalitionsvertrag insoweit sogar zu
110 Prozent zu erfüllen.
Danke schön.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Man-ches machen wir ja ganz gut in Deutschland, auch weilwir uns, Herr Westerwelle, so viel darüber streiten, wieviel Staat wir eigentlich haben wollen. Wie wichtig einestarke öffentliche Kulturförderung ist, zeigt sich in deraktuellen Finanzkrise ganz besonders; denn dort, woKultureinrichtungen vorwiegend auf Fundraising oderprivate Förderer angewiesen sind, stehen weitaus weni-ger Gelder zur Verfügung als in Deutschland. Jetzt istdas kulturelle Angebot gerade dort direkt bedroht.Würde oder könnte Guido Westerwelle in Deutsch-land bestimmen, was sich niemand wünschen kann, wä-ren wir heute genau da, wo andere sind, die sich großeSorgen machen.
Das gilt natürlich nicht nur für den von den Liberalenangeblich so geschätzten Kulturbereich.
In New York zum Beispiel müssen einige Museen nichtzuletzt deshalb ihr Personal reduzieren oder geplante Aus-stellungen ganz und gar abblasen, weil Lehman Brothersein wichtiger Förderer von Kultureinrichtungen war.3AYEwSdUdgfwggzjgEVziEodsAkmgbDnSKlnrInuttzlD
Sosehr wir uns natürlich privatwirtschaftlichesngagement in der Kultur wünschen, so sehr brauchenir gerade hierfür einen vernünftig handelnden, starkentaat.
Kulturinstitutionen dürfen nicht vom Gutdünken, voner aktuellen Situation privater Geldgeber oder gar dennwägbarkeiten globaler Finanzmärkte abhängig sein;enn auch hier in Deutschland zeichnet sich ab, dass we-en der Finanzkrise weniger privates Geld in die Kulturließen wird. Das wird übrigens erst recht geschehen,enn die Bundeskanzlerin, wie sie es in den letzten Ta-en – heute nicht, aber in den letzten Tagen – ausführlichetan hat, darüber redet, was für ein fürchterlich schwar-es Jahr wir vor uns haben.Wenn das so ist, dann müssen wir aus meiner Sichtetzt sehr aufpassen, mit welcher Haltung wir gerade mitesellschaftlichen Fragen, mit Bürgerschaftlichkeit undngagement in unserer Bürgergesellschaft umgehen.iele fragen sich heute: Werde ich, wenn 500 Milliardenur Verfügung stehen – wir alle wissen, wie es gemeintst; dennoch ist dieses Gefühl vorhanden –, mit meinemngagement vor Ort eigentlich noch gebraucht? Die daben drehen das ganz große Krisenrad. Werden wir inieser Gesellschaft in Zukunft überhaupt noch vonnötenein?Natürlich ist es immer ärgerlich, wenn die eigenennträge zum Haushalt abgelehnt werden; das ist ganzlar. Aber ich will an dieser Stelle auf eine Haltung auf-erksam machen, die mir Sorge macht. Es sind nämlicherade die Projekte abgelehnt worden, bei denen es ganzesonders um bürgerschaftliches Engagement geht.Ein Beispiel: Der „Zug der Erinnerung“, der an dieeportationen mehrerer Hunderttausend Kinder erin-ert, wird nun nicht durch Europa fahren, weil dieumme von 400 000 Euro fehlt. Viele von Ihnen, liebeolleginnen und Kollegen, haben den Zug wahrschein-ich in Ihrem Wahlkreis ganz in der Nähe besuchen kön-en. Der „Zug der Erinnerung“ wird nun nicht mehr fah-en. Dabei handelt es sich um eine bürgerschaftlichenitiative, die sehr viele Jugendliche erreicht hat, die ih-en gezeigt hat, was Erinnerungskultur heute bedeutet,nd die ihnen deutlich gemacht hat, dass sie selbst etwasun können und auch etwas tun müssen. Ich finde esraurig und sehr dramatisch, dass wir das nicht unterstüt-en.
Es gibt ähnliche Beispiele. Nehmen wir die ausdrück-iche Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur ineutschland“, die deutlich gemacht hat, dass wir mehr
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Katrin Göring-EckardtGeld für die soziokulturellen Zentren in der Republikbrauchen. Gerade sie gestalten Kultur von unten undbinden Kinder und Jugendliche ein, die sonst keineChancen haben. Auch diese Empfehlung wurde abge-lehnt. Manchmal hat man das Gefühl, die Ablehnung er-folgt pauschal immer dort, wo es um das Engagementder Bürgerinnen und Bürger geht.
Auf der anderen Seite stehen Großprojekte wie dasFreiheits- und Einheitsdenkmal. Ich bin sicherlich dieLetzte, die im Verdacht steht, gegen Freiheit und Einheitzu sein bzw. gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz reicht esnicht aus, ein Denkmal zu errichten, vor allem dannnicht, wenn man es auf Biegen und Brechen durchsetzenwill, wenn statt 5 Millionen Euro plötzlich 15 Millio-nen Euro gebraucht werden, wenn es im Prinzip immernoch keinen Entwurf gibt – er wird hoffentlich im nächs-ten Jahr vorliegen, wenn der große Jahrestag begangenwird – und man es unbedingt auf einen bestimmten So-ckel stellen muss.Ich finde, der Ansatz für das Denkmal ist gut. Freiheitund Einheit sollten wir zuerst diskutieren. Erst dann kön-nen wir ein Denkmal bauen, das den Bürgerinnen undBürgern wirklich aus der Seele spricht. Darum muss esdabei gehen.
Ich komme zum letzten Punkt. Auch hierbei geht esum die Frage, welche Prioritäten wir setzen. Wir wissengenau – das hat auch der Bildungsgipfel deutlich ge-macht –, wie wichtig auch kulturelle Bildung ist. „Je-dem Kind ein Instrument“ ist ein Projekt, das, glaubeich, viele von uns als etwas besonders Hervorragendesansehen. Der Antrag, dieses Projekt bundesweit zu ver-netzen, um es allen Kindern und Jugendlichen zugäng-lich zu machen, ist abgelehnt worden. Ich finde, wir hät-ten uns dazu bekennen sollen, dass wir mit kulturellerBildung und musischer Förderung auch die Kinder errei-chen können, deren Eltern sie nicht automatisch in derMusikschule anmelden und sie dann auch noch einmalpro Woche dorthin kutschieren.
Frau Kollegin.
Es geht um die Kinder, die diese Chance nicht haben.
Es wäre gut gewesen, wenn wir einen anderen Schwer-
punkt gesetzt hätten.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Monika Griefahn,
SPD-Fraktion.
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Die Kulturstiftung des Bundes, die bereits seit ihrerründung 2002 innovative Projekte mit nationaler undnternationaler Strahlkraft fördert, ist ein Schwerpunktnseres Engagements. Die Einschnitte bei der Projekt-örderung 2007 waren falsch, weil gerade die Projekteehr wesentlich sind, um die Bevölkerung mit einzube-iehen. Deswegen bin ich sehr froh, dass im Haushalter Jahre 2008 und 2009 wieder 1 Million Euro zusätz-ich zur Verfügung steht, damit wir gerade auch solcherojekte fördern können und nicht immer nur Vorhabenon bestehenden Institutionen. Herzlichen Dank auchafür.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es lohnend ist,us den zusätzlichen Mitteln eine Aufstockung desonds Soziokultur vorzunehmen. Das ist eine Empfeh-ung der Enquete-Kommission. Gerade die Zahl der Pro-ekte im interkulturellen Bereich nimmt zu. Die Zahl dernträge steigt. Deswegen ist es sinnvoll, hier mehr Gelduszugeben. Ich freue mich zudem, dass das Institut fürulturpolitik zusätzlich Geld bekommt, um im Auftrager Enquete-Kommission eine Evaluation der soziokul-urellen Zentren vorzunehmen. So sehen wir, wie die Ar-eit weitergeht.
Die „Ruhr 2010“ bekommt schon 2009 Geld. Das istehr sinnvoll. Ich komme aus dem Ruhrgebiet und weißm die dortige kulturelle und soziale Vielfalt sowie um
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Monika Griefahndie vielen verschiedenen Initiativen. Wenn hier tatsäch-lich Sachen auf den Weg gebracht und verwirklicht wer-den, dann hat das eine nachhaltige Wirkung; denn imRuhrgebiet zeigt sich die Bedeutung des Zusammenle-bens sehr stark. Das ist ein sehr guter Punkt.
Auch das Zusammenleben mit den Sorben ist sehrwichtig. Das Parlament hat 600 000 Euro mehr geneh-migt, sodass die kulturelle Identität der Sorben erhaltenund dafür mehr getan werden kann. Das ist ein positiverSchritt.
Initiative Musik. Nach anfänglichen Schwierigkeitenhaben wir das Gefühl, dass hier viel Gutes bewegt wird.Dafür werden die Mittel erhöht. Damit betreiben wiraber keine Wirtschaftsförderung. Stattdessen steht indem entsprechenden Haushaltsvermerk: „Die Erhöhungder Mittel dient der Durchführung von Maßnahmen imBereich Jazzmusik.“ Es geht nicht darum, ausschließlichden Stil Jazz zu fördern. Vielmehr geht es um diejenigen,die in vielen Bereichen auch ehrenamtliche Arbeit leis-ten, Musiker, Veranstalter und andere Engagierte. Esgeht um ein Förderprogramm für Konzertklubs, Initiati-ven und Spielstätten, die sich der Livemusik widmen.Diese kommen sonst zu kurz. Ich finde es sehr gut, dasswir sie jetzt stärker berücksichtigen können.
Im nächsten Jahr gibt es sehr viele Gedenktage. Wirhaben in der letzten Sitzungswoche über das Gedenk-stättenkonzept gesprochen. Ich bin froh, dass wir dienotwendigen Mittel haben, um vieles von dem, was wirbesprochen haben, zu verwirklichen, und dass wir Geldfür die Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an diefriedliche Revolution von 1989, aber auch für diejeni-gen, die sich für Freiheit und Einheit eingesetzt haben,eingestellt haben. Sachsen und insbesondere Leipzigwerden dabei integriert. Wir bekommen beides hin. So-wohl in Leipzig als auch in Berlin soll der Menschen ge-dacht werden, die sich aktiv eingesetzt haben. Ich be-wundere diese Menschen. Ich habe damals, als ichBildungsreferentin beim CVJM war, mitbekommen, wiees in den Kirchen brodelte und was dort los war. Ichfreue mich, dass wir das, was geplant ist, im nächstenJahr auf den Weg bringen können. Wir werden im nächs-ten Jahr sicherlich sehr viel mit den Gedenkveranstaltun-gen zu tun haben.Herzlichen Dank an alle, die mitgeholfen haben.
Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Jörg
Tauss, SPD-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Vielleicht ist es ganz gut, wenn zum Ende dieser DebatteedrLkhstgddfdhWqusmslfsufneMAKghauetiswLnvmg–
Der Etat für Kultur und Medien ist sicherlich nichter größte, aber er ist gut. Wir wollen etwas im Bereiches Deutschen Presserates tun. Wir werden ihn auchür den Onlinebereich zuständig machen. Wir werdenie vorhandenen Informationsdefizite im Zusammen-ang mit der Pressestatistik in diesem Land beseitigen.ir wissen als Medienpolitiker zu wenig über die Ver-uickungen von medialen Entwicklungen im Fernseh-nd im Printbereich. Wir setzen mit dem Etat ein ent-prechendes Signal; das ist gut so.
Wir werden last, but not least nicht, wie die Gelben esit den Schwarzen in Bayern tun wollen, Computer-piele verbieten – lieber Herr Stadler, da haben Sie kläg-ich versagt –, sondern wir haben intelligente Lösungenür diesen Bereich. Wir reden nicht darüber, sondern wirchaffen ein Netz für Kinder und fördern vernünftigend gute Computerspiele. Auch das steht in diesem Etat,ür den wir gemeinsam gesorgt haben.
Ich hätte mir von Herrn Westerwelle – er ist nach sei-er fulminanten Rede nicht mehr da – gewünscht, dassr sich ähnlich wie Banker und Manager verhält, die imoment mit Demut durch das Land gehen.
ufgeblasen und arrogant verkörpert er weiter die altenonzepte bis hin zu den Steuersenkungen, die heute an-esprochen worden sind und gegen die niemand etwasat. Lieber Kollege Ramsauer, Sie haben es wunderbaruf den Punkt gebracht. Da sitzt der reiche Lafontainend hat eine Villa zu vererben. Ich wünsche Lafontainein langes Leben – politisch natürlich nicht, aber ansons-en schon –, aber wenn er sie vererbt, dann werden Siehm die Erbschaftsteuer erspart haben, wo er sie docho gerne zahlen würde. Vielleicht wäre das ein Punkt,orüber Sie noch einmal nachdenken sollten. Reicheeute, die Villen zu vererben haben, sollten einen klei-en Anteil dem Staat zukommen lassen. Das wäre eineernünftige Politik.
Nun hat Herr Westerwelle das Ziel, das zusammenit Frau Merkel und Frau Schavan auf dem Bildungs-ipfel vereinbart wurde, nämlich 7 Prozent für Bildungeine alte SPD-Forderung – und 3 Prozent für den Be-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008 20375
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Jörg Taussreich Forschung auszugeben, richtig madig und lächer-lich gemacht. Wissen Sie, was das heißt? Wenn wir diese10 Prozent erreichen würden, hieße das, dass in dennächsten Jahren pro Jahr durch Bund, Länder, Gemein-den und Wirtschaft 40 Milliarden Euro mehr für den Be-reich Bildung zur Verfügung gestellt würden. Das steckthinter dem 10-Prozent-Ziel. Herr Westerwelle hat dasmadiggemacht. Ich sage Ihnen: Ich werde alle Kerzen inAltötting aufkaufen und sie in den Kirchen entzünden,wenn wir das große Ziel erreichen würden, in Bildungund Forschung voranzukommen.
Sie haben nichts anderes getan, als darüber zu reden,wie man die Menschen entlasten soll. Ich bin sehr dafür.Aber eines muss an dieser Stelle gesagt werden: Seienwir doch kritisch gegenüber diesen Steuersenkungspro-pheten. Wir haben in Rheinland-Pfalz etwas geschafft,was die Menschen wirklich entlastet. Wir werden dieKindergartengebühren kontinuierlich abschaffen, auchdie Gebühren für das letzte Jahr. Wir erheben keine Steu-ern in Form von Studiengebühren für Menschen, die ihreKinder auf Universitäten schicken. Das sind Entlastun-gen für die Menschen, die wichtig und besser sind alsmanches, was Sie mit Ihrem Gießkannenprinzip vor-schlagen.
Ich sage deshalb ausdrücklich in Richtung FDP – auchsie kann dazulernen –: Misstrauen wir allen diesen Steu-ersenkungsexperten! Auch ich bin keiner, der gerneSteuern zahlt, aber ich bin jemand, der gerne in einemStaat lebt, wo es Dörfer gibt, in denen es noch Polizeiund Grundschulen gibt, in einem Staat, der eine guteVerkehrsinfrastruktur aufweist und in dem es Unis gibt,auf die auch Menschen, die weniger Geld haben, ihreKinder schicken können. Ich bin ein Mensch, der gernein einem Staat lebt, in dem die Leute ihre Kinder aufGymnasien schicken können und in dem die Jugend-arbeitslosigkeit bekämpft wird, die Sie, Frau Flach, nichtmehr bekämpfen wollen. Wenn Ihre Pläne in die Realitätumgesetzt werden, dann können nur noch die Menschenim Schwimmbad baden, die sich einen privaten Swim-mingpool leisten können. Aus diesem Grunde: Misstrautdiesen falschen Propheten! Ein handlungsfähiger Staatist das, was wir brauchen; einen handlungsfähigen Staathaben wir mit diesem Etat.Ich danke Ihnen.
Damit schließe ich die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-plan 04 – Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt – inder Ausschussfassung. Hierzu liegen drei Änderungs-anträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerstabstimmen wollen.Kann bitte jemand das Mikrofon lauter stellen?
–IssmmsgsmEsDFSDüirndSPsnSFbAc1gWlrbMefZ1)
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-ache 16/11042? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältich? – Damit ist dieser Änderungsantrag bei Zustim-ung durch die einbringende Fraktion und Gegenstim-en durch das übrige Haus abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-ache 16/11048? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-en? – Damit ist auch dieser Änderungsantrag bei Zu-timmung durch die Fraktion Die Linke, bei Gegenstim-en durch die Große Koalition und die FDP und beinthaltung von Bündnis 90/Die Grünen1) abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-ache 16/11049? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –ieser Änderungsantrag ist bei Zustimmung durch dieraktion Die Linke und die FDP, bei Gegenstimmen derPD, der CDU/CSU und bei Enthaltung von Bündnis 90/ie Grünen ebenso abgelehnt.Jetzt kommen wir zur namentlichen Abstimmungber den Einzelplan 04 in der Ausschussfassung. Bevorch die Abstimmung eröffne, möchte ich nochmals da-auf hinweisen, dass wir im direkten Anschluss an dieseamentliche Abstimmung eine Wahl durchführen wer-en. Ich bitte Sie daher, hierzubleiben. Ich bitte jetzt diechriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenenlätze einzunehmen. – Sind alle Plätze an den Urnen be-etzt? – Das ist der Fall. Dann ist die Abstimmung eröff-et.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seinetimme nicht abgegeben hat? – Das scheint nicht derall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung. Ichitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit deruszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentli-hen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt III auf:Wahl des Bundesbeauftragten für den Daten-schutz und die InformationsfreiheitDie Bundesregierung hat mit Schreiben vom6. Oktober 2008 Herrn Peter Schaar für die Wahl vor-eschlagen.Sie benötigen dazu eine Stimmkarte und Ihren weißenahlausweis. Die Stimmkarten sind hier im Saal erhält-ich. Ihren Wahlausweis können Sie auch jetzt noch Ih-em Stimmkartenfach entnehmen, soweit Sie das nichtereits getan haben.Der Kandidat ist gewählt, wenn er die Stimmen derehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich ver-int. Das heißt, es müssen mindestens 307 Abgeordneteür ihn stimmen.Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen,usätze oder Zeichnungen enthalten, sind ungültig.Anlage 2
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Vizepräsidentin Katrin Göring-EckardtDie Wahl ist nicht geheim. Sie können das Kreuz aufder Stimmkarte deshalb auch an Ihrem Platz machen.Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen wer-fen, geben Sie bitte Ihren Wahlausweis bei den Schrift-führerinnen und Schriftführern ab. Die Abgabe desWahlausweises gilt als Nachweis der Teilnahme an derWahl.Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführererneut, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ist dasgeschehen? Das scheint mir der Fall zu sein. Dann er-öffne ich die Wahl.Konnten jetzt alle, die es wollten, ihre Stimmkarte ab-geben, oder hat jemand seine Stimmkarte noch nicht ab-gegeben? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich dieWahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ih-nen später bekannt gegeben.1)Ich würde jetzt gerne die Haushaltsberatungen fort-setzen. – Ich rufe Tagesordnungspunkt II. 9 auf:Einzelplan 05Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts– Drucksachen 16/10405, 16/10423 –Berichterstattung:Abgeordnete Herbert FrankenhauserLothar MarkJürgen KoppelinMichael LeutertOmid NouripourEs ist verabredet, hierüber zwei Stunden zu debattie-ren. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es sobeschlossen.Wenn hier alle wieder Platz nehmen würden, könnteich die Debatte eröffnen. Ich weiß, dass das auch in Ih-rem Interesse ist.Das Wort hat der Kollege Dr. Werner Hoyer für dieFDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Da meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushalts-ausschuss auf Redezeit verzichtet haben und heute fürdie FDP nur ein Außen- und ein Europapolitiker reden,möchte ich zu Beginn auch eine Bemerkung zum Haus-halt des Auswärtigen Amtes machen.Wir sind uns einig: Wir brauchen einen gut ausgestat-teten, gut finanzierten und hochmotivierten AuswärtigenDienst. Ich möchte darauf hinweisen, dass in IhremHaus, Herr Minister, doch einige Unruhe herrscht. Eswäre wichtig, dass Sie sich persönlich darum kümmern.Erster Punkt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdes Hauses leiden unter einem neuen Beurteilungssys-tem, was sie in hohem Maße verunsichert, insbesonderewdwuhbufmPdGvdnDd–eßFAsDAgdvsf1wvdhBlSzIzbnUnb1) Ergebnis Seite 20380 D
eswegen würde ich mir wünschen, dass das Haus aufiesem Gebiet mehr Aktivitäten entwickelt.
Liebe Frau Kollegin, zunächst einmal ist das Themarst in den letzten Jahren wirklich brisant geworden. Au-erdem – auch wenn es keiner glauben mag – leitet dieDP schon seit zehn Jahren nicht mehr das Auswärtigemt. Es ist höchste Zeit, dass wir das wieder ändern. In-ofern fasse ich Ihren Zuruf als Ermunterung auf.
Dritter Punkt. Das Kerngeschäft des Auswärtigenienstes findet nun einmal draußen statt; das hat einuswärtiger Dienst so an sich. Deswegen ist es auch ausutem Grunde so – wir haben lange dafür gekämpft, dassas möglich wurde –, dass die Dienstposten im Auslandon den pauschalen Stellenkürzungen ausgenommenind. Ich freue mich, dass das so ist. Aber was passiertaktisch? Allein in dieser Legislaturperiode sind bereits40 Dienstposten aus dem Ausland ins Inland verlagertorden, teilweise mit Begründungen, die nur auf eineorübergehende Verlagerung hindeuteten. Hinterher istas aber nie wieder rückgängig gemacht worden. Daseißt, draußen, wo die Arbeit als Serviceleistung für dieürgerinnen und Bürger dieses Landes und unsere aus-ändischen Partner erbracht werden muss, fehlen diesetellen. Es kommt hinzu: Nach der Logik der Regelungur pauschalen Stellenkürzung können Stellen, die insnland verlagert worden sind, der pauschalen Stellenkür-ung zum Opfer fallen. Das heißt, Sie schießen sich sel-er ins Knie. Auch hier wäre es wünschenswert, dassachgebessert wird.
Zum Inhalt der Außenpolitik. Die Welt ist in enormernordnung. Nach 1990 ist noch keine neue Weltord-ung zustande gekommen; sie wird aber dringend ge-raucht. Die einfache Fortschreibung dessen, was im
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Dr. Werner HoyerKalten Krieg angesagt war, zieht nicht mehr. Ich sagedas ohne Schuldvorwürfe; aber jetzt ist es an der Zeit, zuhandeln. Plötzlich wundern sich so viele, dass völligneue Mächte in Erscheinung treten, die ihren Platz ein-fordern, zum Beispiel im Rahmen von G 20. Im Umgangmit den großen, aufstrebenden Nationen wird sich zei-gen, dass die G 8, nachdem sich die G 20 einmal getrof-fen hat – ich halte das für eine gute Entwicklung, der wiruns stellen müssen –, in Zukunft nicht einfach so weiter-machen kann.
Man muss auch darauf Rücksicht nehmen, dass wir esheute mit Staaten zu tun haben, die 1990 noch zu denVerlierern zu gehören schienen, aber angesichts ihrer fi-nanziellen Ausstattung aufgrund von Rohstoffvorkom-men und anderer Geldquellen heute vor Kraft kaum lau-fen können.In dieser Phase verlieren die USA, unser nach wie vorwichtigster Partner außerhalb Europas, gewissermaßenihre Rolle als alleiniger Pol; wir sind in der multipolarenWelt angekommen. Natürlich stellen die Amerikaner im-mer noch die stärkste militärische Macht dar; es handeltsich auch um die größte Volkswirtschaft, die jetzt beson-ders große Probleme hat. Die USA sind aber nicht mehrdas unumstrittene Leitmodell. Nicht zuletzt haben siesich moralisch diskreditiert. Ob wir es wollen oder nicht:In einer Welt zeitverzugsloser Informationsübermittlungprägen die Bilder von Guantánamo Bay und AbuGhureib das Image Amerikas stärker als die Freiheitssta-tue.In dieser Phase aber – das finde ich so ermutigend –definiert sich Amerika gewissermaßen neu, entdecktsich selbst. Welche Selbstreinigungskräfte der amerika-nischen Demokratie werden da sichtbar! Wir konntenbeobachten, dass Wählerinnen und Wähler sechs odersieben Stunden vor Wahllokalen warten, um ihre Stimmeabgeben zu dürfen, während sich unsere Wahlbeobachterdarüber mokierten, dass die Organisation der Wahlen soschlecht ist. Ich würde mich freuen, wenn ich mir vor-stellen könnte, ein Wähler oder eine Wählerin inDeutschland würde auch nur eine Stunde vor einemWahllokal warten, um die Stimme abzugeben, nachdemman sich vier Wochen vorher aktiv darum bemühenmusste, sich registrieren zu lassen, um überhaupt wählenzu dürfen, wenn man also nicht einfach ein Postkärtchenins Haus bekommt, auf dem mitgeteilt wird, wann dieWahl stattfindet, gefolgt von der Bitte, einfach mit demPersonalausweis zum Wahllokal zu kommen und zuwählen. Wir können auch auf dem Gebiet der Mobilisie-rung von Wählerinnen und Wählern, auf dem Gebiet desHerausholens der Wählerinnen und Wähler aus derWahlenthaltung, viel von Amerika lernen.
Wir müssen manches von der Überheblichkeit abwerfen,die wir bisweilen gegenüber Amerika zeigen.Amerika findet zu seinen besten Tugenden zurück,auch zu den Werten, die das ausmachen, was wir als„den Westen“ bezeichnen. Der Westen ist hier kein geo-grafisches Konstrukt, sondern eine philosophischeGrazetdDaDzRVVwFEdfEWpvwkcdFPutvlCDknskdsfwrlbzGNldveNd
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Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelDr. Peter GauweilerDr. Jürgen GehbNorbert GeisEberhard GiengerMichael GlosMMMMOHGUUMJBECRKFJAHDDADBHSABichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grütterslav Guttingolger Haibacherda Hasselfeldtrsula Heinenda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskenhristian Hirteobert Hochbaumlaus Hofbauerranz-Josef Holzenkampoachim Hörsternette Hübingerubert Hüpper. Peter Jahrr. Hans-Heinrich Jordanndreas Jung
r. Franz Josef Jungartholomäus Kalbans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard KasterKristina Köhler
Manfred KolbeNorbert KönigshofenDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerDr. Günter KringsDr. Martina KrogmannDr. Hermann KuesDr. Karl Lamers
Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertHelmut LampKatharina LandgrafDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingDr. Klaus W. LippoldPatricia LipsDr. Michael LutherThomas MahlbergStephan Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzLaurenz Meyer
Maria MichalkLeo Dautzenberg Hermann Gröhe Jens Koeppenwird, wie es schon Harmel gefSeite müssen Vertrauensbilduntungskontrolle und Abrüstung udie Fähigkeit zur ganz konkretgung gestärkt werden. Wir soHarmel-II-Bericht entwickeln.nach meiner Auffassung aktuelIn diesen Zusammenhang gmit welchen Abrüstungsinitirung starten will.
ma wiederholt angespro-onkret ist nichts gesche-e klare Positionierung zu George Shultz, Henryn zweimal im Wall Street dem sich Barack Obamawäre, zu glauben, inner- alle Nuklearwaffen los-ten Überzeugung ist, dassiel setzt, die Chance hat,stung mit Nuklearwaffen,in den Vereinigten Staa- erreichen, weil er näm-ss Nuklearwaffen in Zei-tTZhdebAsFmSA5uEr. Ralf Brauksiepeonika Brüningeorg Brunnhuberajus CaesarRPDUen des Kalten Krieges – aucheil der Problemlösung geweseiten asymmetrischer Konflierrschbarer Proliferation ein Ten sind.Auf diese Fragen müssen wrwarte ich Antworten der Bunisher viel zu wenig. Meinemerikaner werden die Handie ergreifen, und wir müssenragen antworten wollen.Vielen Dank.
ring-Eckardt:vorangegangen Abstim-n Schriftführerinnen undbnis der namentlichen04 bekannt: Es wurdena haben 415 Kolleginnenein 144. Damit ist der
olker Kauderckart von Klaeden
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Vizepräsidentin Katrin Göring-EckardtDr. h. c. Hans MichelbachPhilipp MißfelderDr. Eva MöllringMarlene MortlerCarsten Müller
Stefan Müller
Dr. Gerd MüllerBernd Neumann
Dr. Georg NüßleinFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzDaniela RaabThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerPeter RauenEckhardt RehbergKatherina Reiche
Klaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerJohannes RöringKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckPeter RzepkaAnita Schäfer
Hermann-Josef ScharfDr. Wolfgang SchäubleDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerGeorg SchirmbeckBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Andreas Schmidt
Ingo Schmitt
Dr. Andreas SchockenhoffDr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerWilhelm Josef SebastianKurt SegnerMarion SeibBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnChristian Freiherr von StettenGero StorjohannAndreas StormMax StraubingerMatthäus StreblThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenHans Peter ThulAntje TillmannDAVAGMKMPGInKAKWEDWWSDGGNInREDDKSDUKDUPVKGDKWBEMUDCMDDKDEGDSSHPKAEGr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Uwe Vogelndrea Astrid Voßhofferhard Wächterarco Wanderwitzai Wegnerarcus Weinbergeter Weiß
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go Wellenreutherarl-Georg Wellmannnette Widmann-Mauzlaus-Peter Willschilly Wimmer
lisabeth Winkelmeier-Beckeragmar Wöhrlolfgang Zöllerilli ZylajewPDr. Lale Akgünregor Amannerd Andresiels Annengrid Arndt-Brauerainer Arnoldrnst Bahr
oris Barnettr. Hans-Peter Bartelslaus Barthelören Bartolirk Beckerwe Beckmeyerlaus Uwe Benneterr. Axel Bergte Bergetra Bierwirtholker Blumentritturt Bodewigerd Bollmannr. Gerhard Botzlaus Brandnerilli Braseernhard Brinkmann
delgard Bulmahnarco Bülowlla Burchardtr. Michael Bürschhristian Carstensenarion Caspers-Merkr. Peter Danckertr. Herta Däubler-Gmelinarl Dillerr. Carl-Christian Dressellvira Drobinski-Weißarrelt Duinetlef Dzembritzkiebastian Edathyiegmund Ehrmannans Eicheletra Ernstbergerarin Evers-Meyernnette Faßelke Fernerabriele FograscherRGDPSMIGADMGAWWHBKAMHDRDGPGPGIFEKCLBJJJUDUCHADWKRENVADJHUDCCDGDLCHMainer Fornahlabriele Frechenagmar Freitageter Friedrichigmar Gabrielartin Gersterris Gleickeünter Gloserngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausolfgang Gunkelans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachichael Hartmann
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osip Juratovicohannes Kahrslrich Kasparickr. h. c. Susanne Kastnerlrich Kelberhristian Kleimingerans-Ulrich Klosestrid Klugr. Bärbel Kofleralter Kolbowarin Kortmannolf Kramerrnst Kranzicolette Kresslolker Kröningngelika Krüger-Leißnerr. Hans-Ulrich Krügerürgen Kucharczykelga Kühn-Mengelte Kumpfr. Uwe Küsterhristine Lambrechthristian Lange
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urkhardt Müller-Sönksenirk Niebelans-Joachim Otto
etlef Parrornelia Pieperisela Piltzrank Schäfflerr. Konrad Schilyarina Schusterr. Hermann Otto Solmsr. Max Stadlerr. Rainer Stinnerarl-Ludwig Thielelorian Toncarr. Daniel Volkhristoph Waitzr. Guido Westerweller. Claudia Wintersteinr. Volker Wissingartfrid Wolff
IE LINKEüseyin-Kenan Aydinr. Dietmar Bartscharin BinderMUDDKWPBEPVDDDFDABGKVCBDrgebnis der Wahl destenschutz und die Infor-554 Stimmen abgegeben.it Nein 52, 12 haben siche Stimmen.1)ch möchte ihm ausdrück-auses und meine persön-en.l) vielen Dank für das be-HdAHghdsuichael Leutertlla Lötzerr. Gesine Lötzschorothée Menznerersten Naumannolfgang Neškovićetra Pauodo Ramelowlke Reinkeaul Schäfer
olker Schneider
r. Herbert Schuir. Ilja Seifertr. Petra Sitterank Spiethr. Axel Troostlexander UlrichÜNDNIS 90/DIERÜNENerstin Andreaeolker Beck
ornelia Behmirgitt Benderr. Thea DückertJKWOBCKMCIrDGRSDHDJWJfrAHGDamit komme ich zurück zuaushalt des Auswärtigen Amem Bundesminister Dr. Frank-
ier, Bundesminister deshr verehrten Damen undh der Finanzkrise ist seit beschrieben worden. Wir Politik ebenso wie überrochen. Aber selbstver-nicht nur über WirtschaftEngelbert Wistuba Jan Mücke Oskar Lafontaine Nicole MaischJella TeuchnerDr. h. c. Wolfgang ThierseJörn ThießenFranz ThönnesRüdiger VeitSimone ViolkaJörg VogelsängerDr. Marlies VolkmerHedi WegenerAndreas WeigelPetra WeisGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Rainer WendLydia WestrichDr. Margrit WetzelAndrea WickleinHeidemarie Wieczorek-ZeulJoachim Günther
Heinz-Peter HausteinElke HoffBirgit HomburgerDr. Werner HoyerMichael KauchDr. Heinrich L. KolbHellmut KönigshausGudrun KoppJürgen KoppelinHeinz LanfermannHarald LeibrechtIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerMichael Link
Markus LöningDr. Erwin LotterHorst MeierhoferEDRSDWDKWDDLCIDUDDJ
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Warum kommt es aus meiner Sicht darauf an? Seltenzuvor haben die Menschen so wie jetzt hautnah erlebt,dass das 21. Jahrhundert das erste globale Jahrhundertist. Jetzt wissen wir, dass die Frage, wie modern chinesi-sche Kohlekraftwerke sind, darüber mitentscheidet, obunsere Enkel noch schneebedeckte Gipfel in den Alpensehen werden. Seit wenigen Wochen wissen wir auch,dass das Verhalten von Spekulanten in New York auchArbeitsplätze und die Zukunft von Familien in Europabetrifft.
Wir wissen auch, dass sich Wachstumsraten in Asien aufdie Frage auswirken, wie viele Autos aus deutscher Pro-duktion verkauft werden. Bei genauem Hinschauenmuss man sagen: Keine dieser Erkenntnisse ist wirklichneu. Aber sie schärfen das Bewusstsein, dass wir zen-trale Fragen der Menschheit in Zukunft wohl nur nochgemeinsam werden lösen können.
Wir brauchen ein Verantwortungsbewusstsein, das übernationale und regionale Nachbarschaft weit hinausreicht.Politik kann nicht dafür sorgen, dass wir von solchenKrisen, die wir jetzt erleben, verschont bleiben. Aber wirkönnen dafür sorgen – das erwarten die Menschen vonuns –, dass unsere Antworten auf die gestellten Fragenanspruchsvoll sind und dass sie eine langfristige Per-spektive in den Blick nehmen. Auf die Außenpolitik an-gewendet heißt das: Ziel unserer Arbeit muss es sein,dass wir Schritt für Schritt eine – ich nenne es so – glo-bale Verantwortungspartnerschaft schmieden. Das istmühsam; Fortschritte gibt es nicht jeden Tag; das ist Ar-bcbwdZtwWsgGbeNgBtisumtdmsduBmzdsKJwaüSedcP6aDr
Der Haushalt 2009 zeigt aus meiner Sicht, dass dieeichen der Zeit erkannt sind, dass wir die Verantwor-ung unseres Landes in der Welt ernst nehmen und dassir für unsere Kultur und für unser Lebensmodell in derelt aktiv werben. Ich sage Ihnen: Das muss unser Wegein. Ich bedanke mich bei dem Haushaltsausschussanz herzlich für die Unterstützung auf diesem Weg.anz besonders bedanke ich mich natürlich beim Haupt-erichterstatter Jürgen Koppelin und bei den Bericht-rstattern Lothar Mark, Herbert Frankenhauser, Omnidouripour, Michael Leutert und – wir haben die Gründeehört, warum er nicht hier sein kann – Alexanderonde.Dass der Haushalt des Auswärtigen Amtes im nächs-en Jahr um 5,9 Prozent steigt, ist ein gutes Signal. Diesst nicht nur ein gutes Signal für das Auswärtige Amt,ondern auch für unser Land insgesamt, dessen Rollend dessen Engagement auf der internationalen Bühneehr gefragt ist denn je. Deshalb ist das ein verantwor-ungsvoll aufgestellter Haushalt.
Weil es sonst oft nur am Schluss von Reden und iner Regel immer nur am Schluss von Debatten erfolgt,öchte ich ganz besonders Dank sagen für die Unter-tützung, die ich bei der Reform und der Neuaufstellunger auswärtigen Kulturpolitik erfahren habe. Es geht hierm nicht mehr, aber auch um nicht weniger als um dasild, das wir Deutschen von uns selbst im Ausland ver-itteln. Das ist in Zukunft besser möglich mit der finan-iellen Ausstattung, die wir vorsehen. Das ist eine Frage,ie auch die Zukunft dieses Landes berührt. Deshalbage ich herzlichen Dank dafür, dass insbesondere derulturhaushalt in unserem Bereich in den letzten dreiahren um jeweils annähernd 10 Prozent angehobenorden ist. Das gibt Möglichkeiten. Jeder Euro ist da gutngelegt.
Auch ich erlebe es zum ersten Mal, dass wir nichtber die Rettung bzw. Sanierung oder gar über diechließung von Goethe-Instituten reden müssen. Zumrsten Mal sind wir vielmehr wieder in der Situation,ass wir neue Goethe-Institute fördern und neue entspre-hende Programme auflegen können.Wir werden im Jahre 2009 die Zahl der weltweitenartnerschulen auf 1 000 – in vier Jahren um immerhin00 – erhöht haben. Wir werden mit diesem Haushaltuch in der Lage sein, den Wissenschaftsstandorteutschland in der Welt wesentlich besser zu präsentie-en, als das in der Vergangenheit der Fall war. All das
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeiersind Investitionen in die Zukunft dieses Landes undletztendlich in das, was ich das Wurzelwerk der globalenVerantwortungsgemeinschaft nenne. Es sind richtige undnotwendige Investitionen.
Ich denke, wir sind uns einig: Für die Welt von mor-gen, die noch nicht – Herr Hoyer, Sie haben recht – klarabsehbar ist, deren Konturen sich aber abzuzeichnen be-ginnen, werden jetzt und nicht irgendwann die Weichengestellt. Es ist eine Zeit, in der unsere Prinzipien vonAußenpolitik – Verständigung, Zusammenarbeit undDialog – aus meiner Sicht so aktuell sind, wie sie nie zu-vor waren. Deshalb müssen wir jetzt ganz besonders in-tensiv dafür werben.Was folgt aus all dem für unser Handeln in der Au-ßenpolitik? Drei Dinge: Erstens. Wir setzen nachschwierigen Tagen, die wir mit Europa in diesem Jahrhatten, ganz bewusst – das betone ich hier – auf Europa.Die EU hat sich nämlich, wenn man sich das genauer an-schaut, gerade in der Krise der letzten Wochen und desletzten Sommers sowohl außenpolitisch wie in der Wirt-schafts- und Finanzpolitik als handlungsfähig erwiesen.Sie hat Stabilität und Verlässlichkeit just in den Momen-ten ausgestrahlt, als es darauf ankam. Daran sollten wiruns gelegentlich erinnern, wenn im nächsten Jahr imWahlkampf für das Europäische Parlament der eine oderandere wieder schlecht über Europa denkt.
Auch beim Weltwirtschaftsgipfel – ich darf daran er-innern; er liegt noch nicht so weit zurück – hat die EUihre Führungsrolle am Ende, Frau Bundeskanzlerin,ganz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Viele Ele-mente des Aktionsplanes, die da verabschiedet wordensind – Regeln, Prinzipien für eine Regulierung und Auf-sicht der Finanzmärkte und für Transparenz –, gehen aufVorschläge zurück, auf die wir uns in Europa bereits imAktionsprogramm ein paar Tage zuvor verständigt ha-ben.Gemeinsames Handeln ist auch dann gefragt, wenn esum die Bewältigung der Finanzkrise nicht unmittelbar,sondern um die Folgen der Finanzkrise für die Realwirt-schaft geht. Das, was wir sinnvoll auf europäischerEbene bewerkstelligen können – ich unterstreiche das –,müssen wir gemeinsam und koordiniert miteinander an-gehen.
In dieser Krisenzeit wächst ganz offenbar europaweit,teilweise sogar über Europa hinaus – das spüren wir indiesen Tagen besonders stark –, das Bewusstsein dafür,dass diese Europäische Union nicht nur eine starke Ge-meinschaft ist, sondern sie auch einen Wert hat und ge-rade den kleineren Partnern Schutz bietet. Ich höre vonden Iren – das mag den einen oder anderen von uns er-staunen –, dass gerade jetzt, in Zeiten der Krise, in Irlanddie Zustimmung zur Europäischen Union wieder steigt.Für mich ist es ein gutes Zeichen, dass Länder wieSgrESgeEdvieWmsacnVdFwHtuAiaMDsrzdGHaKlwFhFehoiWNddn
Zweitens. Wir werden – auch da hat Herr Hoyer recht –n den nächsten Tagen, Wochen und Monaten den ganzngen Schulterschluss mit den USA suchen müssen. Inashington steht ab Januar ein Partner zur Verfügung,it dem wir – das wissen wir – in vielen Fragen gemein-ame Visionen teilen. Die neue Administration bietetus meiner Sicht die Chance – darauf weisen die Gesprä-he, die wir hatten, hin –, dass wir eine grundlegende Er-euerung des transatlantischen Verhältnisses, auch mitorteilen für uns, wirklich schaffen. Ich denke dabei anurchaus anspruchsvolle Dinge wie eine gemeinsameührungsrolle Europas und der Vereinigten Staaten beimeltweiten Klimaschutz, auch bei der Abrüstung, Herroyer, bei der Nichtverbreitung von Massenvernich-ungswaffen, bei der Lösung von regionalen Konfliktennd vor allen Dingen bei der – das ist keine ganz leichteufgabe – friedlichen Einbindung jener Spieler auf dernternationalen Bühne, die dort politisch bisher nichtusreichend präsent waren und nicht in ausreichendemaße politische Verantwortung übernommen haben.arauf kommt es im transatlantischen Verhältnis zwi-chen Deutschland und den USA an.Ich glaube, wir haben unsererseits aber auch ein da-über hinausgehendes Interesse daran, dass sich die Be-iehungen zwischen den USA und Russland entschei-end verbessern, dass eine bessere und belastbarerundlage für das Verhältnis gefunden wird. Ich will dieoffnung nicht aufgeben, dass das mit zwei Präsidentenn der Spitze, deren Denkmuster nicht mehr vom Kaltenrieg geprägt worden sind, gelingt. Da muss mehr mög-ich sein, als wir in der Vergangenheit erlebt haben. Ichünsche mir das sehr und will dafür arbeiten.
Dahinter stecken gemeinsame Fragen, nicht nur dierage, wie wir uns zu Nonproliferationsvorschlägen ver-alten, sondern auch die schwierig zu beantwortenderage, wie wir uns zu anderen Vorschlägen für eine neueuropäische Sicherheitsarchitektur verhalten. Wie ver-alten wir uns bei der Frage der weiteren Annäherung Ge-rgiens und der Ukraine an die NATO? Das wird bereitsn allernächster Zukunft, am Mittwoch der kommendenoche, Hauptgesprächsgegenstand beim Treffen derATO-Außenminister in Brüssel sein. Ich will mich iniesem Hohen Haus nicht um eine klare Position herum-rücken. Meine Überzeugung ist und bleibt: Es gibt kei-en Grund, jetzt, einige Monate nach dem NATO-Gipfel
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008 20383
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierim März, über die Beschlüsse von Bukarest hinauszuge-hen.
Wir sollten darüber nachdenken, wie man unterstützendgegenüber Georgien und der Ukraine in den gemeinsa-men NATO-Georgien- bzw. NATO-Ukraine-Kommis-sionen tätig werden kann, aber bei den Beschlüssen vomMärz bleiben.Wenn die USA und Europa wieder stärker an einemStrang ziehen, dann werden wir auch in Zukunft – da binich mir sicher – großen Einfluss auf die Gestaltung derpolitischen Globalisierung haben. Aber dennoch ist ausmeiner Sicht klar – ich hoffe, dass das die allermeistenhier im Hohen Haus so sehen –: Es wird ganz unzweifel-haft zu globalen Gewichtsverschiebungen kommen. Ichhabe schon vor einigen Monaten angemahnt, aufstre-bende Mächte aus Asien, Lateinamerika und Afrika beider Gestaltung der globalen Zukunft wesentlich stärkerzu berücksichtigen.Deshalb – das ist die dritte Schlussfolgerung, die ichaus der gegenwärtigen Krise ziehe – plädiere ich dafür,dass wir die Konstruktion der G 8 weiterentwickeln. Wirhaben in Heiligendamm im vergangenen Jahr einen ent-scheidenden Schritt in die richtige Richtung gemacht.Wir sollten jetzt die nächste G-8-Präsidentschaft, die Prä-sidentschaft Italiens, nutzen, um zu Klärungen zu kom-men. Jedenfalls ist aus meiner Sicht für alle Staaten, dieich eben genannt habe, eines unverzichtbar: Ihnen musssozusagen der Weg vom Katzentisch der internationalenGemeinschaft zum Konferenztisch eröffnet werden. Dasist nicht nur zum Vorteil dieser Staaten, wie manchemissverständlich meinen, sondern das wird am Endeauch unser Vorteil sein. Ich bin fest davon überzeugt.Beim Weltfinanzgipfel in Washington hat sich das schongezeigt.
Afghanistan wird uns im nächsten Jahr aufgrund derPräsidentschafts- und Parlamentswahlen dort intensivbeschäftigen. Natürlich wird es darauf ankommen, dasswir neben dem militärischen Engagement unser zivilesEngagement weiter ausbauen. Wir haben dafür ver-mehrte finanzielle Möglichkeiten. Ich bedanke mich da-für bei den Haushältern. Ich sage auch mit Blick auf das,was eben schon gesagt worden ist, hier noch einmal aus-drücklich: Es wird nicht ausreichen, sich auf Afghanis-tan zu konzentrieren. Es ist hoffentlich auch aus meinenBemühungen deutlich geworden, dass wir einen regiona-len Ansatz verfolgen und dass wir Pakistan, diesesSchlüsselland für die Stabilität in der Region, von vorn-herein in die Betrachtung einbeziehen müssen.
Um es klar zu sagen: Das nächste Jahr wird auch au-ßenpolitisch mit Blick auf die internationale Konflikt-situation kein einfaches Jahr werden. Es wird ein Jahrder Weichenstellung sein: in Europa, in den transatlanti-schen Beziehungen, in der Weltwirtschaft und bei derGVndsssBgDdHHgsdüwdniK–dDdtdt5dnle4FdzAect
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Wir haben den schon. – Ich freue mich, dass den meis-en Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen auchie Oppositionsfraktionen zugestimmt haben. Das wirdie aber nicht davon abhalten, letztlich wieder dagegen-ustimmen.
Wir haben die humanitären Minenräummaßnahmenöher dotiert. Wir haben auch die Ausstattungshilfe, aufie der Haushaltsausschuss besonders großen Wert legte der Verteidigungsminister nimmt das bitte zur Kennt-is –, höher dotiert. Außerdem haben wir 100 Millionenuro für Afghanistan und Umgebung bereitgestellt – dererr Außenminister hat schon darauf hingewiesen –,nd zwar 50 Millionen Euro in bar und 50 Millionenuro als Verpflichtungsermächtigungen. Allerdings ha-en wir diese Mittel mit einer Sperre versehen, Herr Au-enminister. Sie werden nur unter der Maßgabe zur Ver-ügung gestellt, dass die Bundesregierung ein nochesser abgestimmtes Programm über das Vorgehen infghanistan vorlegt.
Es gibt innerhalb der Koalition immer die Möglichkeitur Steigerung, Herr Kollege.
Wir meinen, dass der Erfolg aufgrund der hohen An-ahl von mittlerweile über 100 Einzelmaßnahmen insbe-ondere im zivilen Bereich möglicherweise nicht mehrewährleistet ist.
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Herbert FrankenhauserWir sind der Meinung, dass der Krieg in Afghanistannicht gewonnen werden kann, wenn wir nicht auch dieMenschen dort gewinnen.
Darüber hinaus haben wir die Mittel für die Schulen imAusland erneut höher dotiert.Jetzt wende ich mich an die „überfüllte“ Bundesrats-bank.
Ich halte es für ein nicht hinnehmbares Vorgehen, dasssich die Finanzminister der Länder per Beschluss aus deranteiligen Finanzierung der Lehrkräfte, die an den deut-schen Auslandsschulen tätig sind, zurückziehen wollen.
Ich appelliere an alle Kolleginnen und Kollegen, beimMinisterpräsidenten und beim Kultusminister ihres Bun-deslandes dafür zu werben, dass dies nicht getan wird.Schließlich werden diese Schulen auch von den Kindernder von Unternehmen aus allen deutschen Bundeslän-dern ins Ausland entsandten Arbeitskräfte besucht; nichtalle von ihnen kommen aus der Bundeshauptstadt. Sonstmüssten wir darüber nachdenken, die Eltern der betroffe-nen Schüler mit einem besonderen Obolus zu belegen.Das würde den Druck in den einzelnen Bundesländernvielleicht erhöhen.Apropos Schulen. Trotz der schwierigen Haushalts-lage war es unser Anliegen, das deutsche Auslandsschul-wesen wegen seiner besonderen Bedeutung zu stärken.So ist es uns gelungen, dafür zu sorgen, dass die deut-sche Schule in Madrid, die die örtlichen gesetzlichenVorgaben längst nicht mehr erfüllt, neu gebaut wird.
Wir haben auch sichergestellt, dass eines der Leucht-turmprojekte unserer ausländischen Kulturarbeit, dasDeutsche Archäologische Institut in Rom, ordentlich„zwischenuntergebracht“ wird und die bisherigen Räum-lichkeiten adäquat saniert werden.
Ich möchte noch zwei Punkte inhaltlicher Art anspre-chen. Erstens möchte ich an die Innenpolitiker appellie-ren, unsere Visavergabepraxis zu überdenken.
Ein Beispiel: Das deutsche Konsulat in Petersburg stelltmittlerweile nur noch etwa 40 000 Visa pro Jahr aus, derSchengen-Mitgliedstaat Finnland hingegen 140 000. Ichmuss sagen: Unter sicherheitspolitischen Gesichtspunk-ten ist das für einen Haushälter nicht zu erschließen. Wiedie Sicherheit besonders gewährleistet wird, wenn dannLrnAÄstedrwMlnDbcrldSvJaevHN1gßWghfegAwk
Ich denke jedenfalls, dass das auch nicht die alleinigeufgabe des Auswärtigen Amtes ist, das sich bei einernderung der Praxis schließlich wieder in einem Unter-uchungsausschuss wiederfindet und vom Parlament kri-isiert wird. Ich bin der Meinung, das Parlament sollte zuiner abgestimmten Meinung darüber kommen, wie wiras künftig, weil wir das offensichtlich nicht europäischegeln können – jeder Schengen-Staat verhält sich ja,ie er lustig ist –, national regeln, und zwar so, dass dieenschen, die in Deutschland Geschäfte machen wol-en, nicht erst zu den Finnen gehen müssen, um mit we-iger Aufwand nach Deutschland einreisen zu können.iese lachen uns ja aus. Ich halte das für nicht akzepta-el.
Weil wir gerade von der Europäischen Union spre-hen: Sie wissen, dass ich bei jeder meiner Haushalts-eden einen kleinen Hinweis auf die doch sehr, sehr so-ide Haushaltspolitik gebe.
Die Europäische Kommission hat jetzt überraschen-erweise festgestellt, dass in Bulgarien ein bestimmtesystem der Zuwendungsempfänger besteht. Das konnteorher natürlich niemand wissen.
etzt wurde ein Teil der Mittel gesperrt, aber es gibt nochndere Möglichkeiten der kreativen Geldschöpfung ausuropäischen Töpfen.In Rumänien gibt es zum Beispiel für die Rodungon Weinbergen eine Prämie von etwa 4 000 Euro proektar. Selbstverständlich gibt es auch Mittel für dieeuanpflanzung. Diese belaufen sich auf 10 000 bis2 000 Euro pro Hektar. Im Sinne der Vereinfachungab es rumänische Familien – ich glaube, in Italien hei-en sie Familien –, die den kleinen Weinbauern ihreeinberge abgekauft und sie in großem Stile zunächsterodet und danach neu bepflanzt haben, bis sie gemerktaben, dass der Aufwand viel zu groß ist. Jetzt wird ein-ach mitgeteilt, dass gerodet worden ist, und nach Ablaufiner gewissen Zeit wird der Europäischen Kommissionesagt, dass neu angepflanzt worden ist. Ohne großenufwand kommt man also an den Fördertopf heran.Jetzt weiß ich nicht, ob wir auch in Deutschland so et-as anwenden könnten. Dadurch könnten unsere etwasnappen Haushaltsmittel merklich erhöht werden.
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20386 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Herbert FrankenhauserIch wäre ausgesprochen dankbar, sehr geehrter Herr Au-ßenminister, wenn Sie einem solchen Blödsinn Einhaltgebieten könnten.Zum Abschluss habe ich an Sie in Ihrer Eigenschaftals Botschafter des Bieres die Bitte, die Überlegungen inder Europäischen Union, Warnhinweise auf Bier- oderWeinflaschen zu verordnen, endgültig im Papierkorbverschwinden zu lassen.Vielen Dank.
Jürgen Trittin hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrFrankenhauser, bei dem kritischen Unterton Ihrer Redefrage ich mich, ob die Frage hinsichtlich des Weinbergesin erster Linie vielleicht an den Kollegen Jung gerichtetgewesen ist.
Wir haben ja eine paradoxe Situation: Eigentlichfreuen wir uns alle, dass Barack Obama in den USA dieWahl gewonnen hat. Ich finde es aber erstaunlich, was inTeilen der veröffentlichten Meinung geäußert wird. Eswird jetzt darüber philosophiert – bevorzugt von jenenKommentatoren, die uns eigentlich damals schon mit inden Irak schicken wollten –, was nun alles Schrecklichesauf uns zukommt, weil Barack Obama Präsident wird.Man macht das vor allen Dingen an der Frage fest, obund inwieweit es Forderungen hinsichtlich zusätzlicherdeutscher Soldaten geben wird. Ich will an dieser Stelleeines sagen: Ich bewerte diesen Wechsel bzw. dieseWahl positiv, und wir sollten uns wirklich genau aufdiese positive Seite konzentrieren.Wir werden mit Barack Obama zum ersten Mal eineAdministration haben, mit der wir über die Strategie unddas Vorgehen in Afghanistan überhaupt reden und ver-handeln können. Ich finde, diese Chance sollten wir alsBundesrepublik Deutschland nutzen.
Das wird allerdings, liebe Bundesregierung, eines vo-raussetzen, nämlich dass man da, wo man Zusagen inBezug auf Afghanistan gemacht hat, auch tatsächlich lie-fert, also Schluss macht mit der – um den KollegenFrankenhauser noch einmal zu zitieren – zerstreuten – sohaben Sie gesagt – Aufbauhilfe in Afghanistan. Dannmuss man auch Schluss machen mit einer Politik, die200 Polizisten verspricht und gerade einmal in der Lageist, 72 zu liefern. Das wird nicht mehr gehen. So wirdman die Chancen, die sich aus dem Wechsel in den USAergeben, nicht nutzen können.UzWmmrhgimrdgakdslgvSrvmmtBsdphrsbrRnslHKPs
Es ist überhaupt mein Eindruck: Das, was aus denSA herüberkommt, erwischt diese Koalition eigentlichu einem sehr schlechten Zeitpunkt. Während dort überandel, Veränderung und Optimismus geredet wird, hatan sich hier sozusagen schon im Vorwahlkampf einge-auert. Die Kanzlerin und der Vizekanzler streiten da-über, wer am besten Opel retten kann. Frank-Walter hatier im Bundestag inzwischen eine Tonalität angeschla-en wie sonst nur auf dem SPD-Parteitag.
Das schlägt sich auch in der Außenpolitik nieder. Wasst eigentlich aus den Schwerpunkten des Bundesaußen-inisters geworden? Was ist aus dem Schwerpunkt Ab-üstung geworden? Was ist aus dem Anspruch gewor-en, zu mehr Multilateralität bei der Bewältigunglobaler Krisen auf den Finanzmärkten, bei der Energie-ußenpolitik und im Umgang mit dem Klimawandel zuommen? Wie geht die Bundesrepublik Deutschland miten häufiger werdenden Krisen um, die aus solchen Ri-iken und Konflikten erwachsen, die Staaten zerfallenassen?Ich finde, die Bilanz ist – mit Verlaub – nicht überzeu-end. Schauen wir uns die Abrüstung an. Sie haben beierschiedenen Gelegenheiten gesagt, das ist einer derchwerpunkte. Aber gleichzeitig hat diese Bundesregie-ung dafür gestritten, dass es Ausnahmen beim Verboton Streumunition gibt. Ich finde, das geht nicht zusam-en. Man kann nicht Abrüstung predigen und Ausnah-en für Streumunition einklagen.
Nehmen wir ein anderes Beispiel, die Nichtverbrei-ungspolitik. Wir alle wollen nicht, dass der Iran in denesitz von Atomwaffen kommt. Dafür bedarf es einesoliden und festen Nichtverbreitungsregimes. Was machtiese Bundesregierung? Ihr ist es wichtiger, das außen-olitische Erbe von George W. Bush zu sichern, und sieilft im letzten Moment der Lieferung von Nuklearmate-ial an Indien über die Hürde. So sorgt man nicht für bes-ere Nichtverbreitung, sondern so begünstigt man Ver-reitung.
Oder nehmen wir die Äußerungen dieser Bundes-egierung zu der Frage, wie man mit dem Aufbau einesaketenabwehrsystems umgeht, das offensichtlich in-erhalb der EU eine spaltende Wirkung entfaltet und un-er Verhältnis zu Russland beschädigt. Gibt es da eigent-ich eine konsistente Position beider Teile diesesauses? Ich kann das nicht erkennen.
Wo ist denn Ihr Vorstoß im Zusammenhang mit demSE-Vertrag gewesen? Wir haben uns alle über Herrnutin erregt. Aber wo ist eigentlich Ihr Vorschlag gewe-en als Zeichen der Bereitschaft, das hier einzubringen
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Jürgen Trittinund zu ratifizieren? Warum halten Sie, wenn Sie es ernstmeinen mit Abrüstung und Nichtverbreitung, fürDeutschland weiterhin an der nuklearen Teilhabe fest?Das passt doch alles nicht zusammen.
Herr Bundesaußenminister, Sie haben gesagt, Europaund die USA wollen beim Klimaschutz zusammen eineInitiative ergreifen und Führung übernehmen. Ja, esstimmt: Die Probleme dieser Welt werden nur mit In-dien, China, Russland und all diesen Staaten sowie einerstarken EU gelöst werden können. Aber wenn ich mirangucke, was in den letzten Tagen beim Klimaschutzpassiert ist, so muss ich sagen: Ich bin da sehr skeptischgeworden. Zum ersten Mal haben wir eine Chance, miteiner kommenden Administration tatsächlich über einvölkerrechtlich verbindliches Abkommen zu reden. Wasaber passiert in der Bundesregierung? Sie diskutierenden ganzen Tag darüber, wie man die Klimaschutzzielein der Europäischen Union aufbohren, aufschrauben undabschwächen kann. Das ist das Gegenteil von Führung.
Um es ganz konkret auszudrücken – die Bundeskanz-lerin weiß das genau –: Es wird nur dann einen Beitragder USA zum Klimaschutz geben, wenn es in den USAgelingt, ein Cap-and-Trade-System – also ein Emissions-handelssystem – auf den Weg zu bringen. In der Situationdiskutiert man hier in Europa, das Emissionshandelssys-tem nicht nach dem Grundprinzip der Auktionierung zugestalten, sondern die Emissionsrechte gratis zu verge-ben.Es wird aber in den USA kein solches System geben,wenn wir in Europa nichts Entsprechendes liefern. Ohneein solches System in den USA wird es nicht gelingen,China, Indien und andere Schwellenländer in ein inter-nationales Klimaabkommen einzubeziehen. Das ist IhreVerantwortung. Sie müssen zu Hause, in Europa liefern,damit Sie global etwas bewegen können.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Bezüglichdes Iran werden wir sicherlich über viele Chancen ver-handeln. Wir nutzen übrigens die Chancen, Herr Bun-desaußenminister, die sich aus der inzwischen wiederleicht positiven Entwicklung im Irak ergeben. Wir hattengute Chancen, in Kurdistan etwas zu machen. Ich ver-misse Ihre Initiativen in diesem Bereich.Ich will mit Blick auf die Auseinandersetzung nocheinen Punkt ansprechen, der gerade für Europa wichtigist. Es wird auch mit Barack Obama Interessenkonfliktegeben. Die Haltung der USA beispielsweise zu Geor-gien ist eine andere als die vieler Europäer. Aber weilunsere Interessen berührt sind, erwarte ich in einer sol-chen Frage von Ihnen, dass Sie öffentlich sagen, worumes uns geht, statt an dieser Stelle wegzutauchen.ducaWmlmstnhnzktgZcdtWbdds–gwttvhmafnteudtcIvd
Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Wir habenittlerweile 7 000 Soldatinnen und Soldaten im Aus-and stationiert, die dort übrigens in der Regel UN-andatiert und zunehmend UN-kommandiert in Stabili-ierungseinsätzen tätig sind. Ich finde, dass diese Solda-innen und Soldaten eine Antwort auf die Frage verdie-en, nach welchen Kriterien sie entsandt werden. Sieaben in Ihrem Weißbuch angegeben, es gehe um ver-etzte Sicherheit und darum, diese effizient auf den Wegu bringen.Stellen Sie sich einmal der Wirklichkeit! In Wirklich-eit fehlen regelmäßig die zivilen Partner, und die Solda-innen und Soldaten müssen regelmäßig die zivilen Auf-aben mit übernehmen. Ich glaube, dass wir diesenustand nicht weiter akzeptieren können.Etwas Weiteres ist notwendig. Wenn wir so etwas ma-hen, dann brauchen die Menschen, die dort für die Bun-esrepublik Deutschland und die Vereinten Nationen tä-ig sind, klare und unzweideutige Rechtsgrundlagen.as ist das Prinzip für das Engagement der Bundesrepu-lik vor dem Horn von Afrika? Es gibt die NATO undie „Coalition of the Willing“. Die einen jagen Piraten;ie anderen jagen Terroristen. Man muss froh sein, dassie sich nicht gegenseitig jagen.
Das ist so. – Es soll eine EU-Mission hinzukommen.Ich stimme mit Ihnen völlig überein, dass es eine Auf-abe der internationalen Gemeinschaft ist, die Handels-ege zu sichern. Ich glaube, dass es auch eine Verantwor-ung der internationalen Gemeinschaft ist, dafür Sorge zuragen, dass die Schiffe des Welternährungsprogramms,on denen die Versorgung von 3,5 Millionen Somalis ab-ängig ist, durchkommen.Aber wenn man zu dieser Verantwortung steht, dannuss man hier für Klarheit sorgen. Klarheit kann nur soussehen, Herr Außenminister: Beenden Sie die Beru-ung auf OEF am Horn von Afrika! Hören Sie auf, eineeue Existenzberechtigung der NATO hineinzuinterpre-ieren! Sorgen Sie für ein einheitliches Kommando bzw.in einheitliches Mandat! Es gibt eine UN-Resolutionnd einen Beschluss des Europäischen Rates. Sorgen Sieort für eine einheitliche EU-Mission! Das ist der rich-ige Weg, statt mit diesem Nebeneinander weiterzuma-hen.
ch füge hinzu: Sie müssen das mit politischen Initiati-en begleiten. Dieser Konflikt wird nicht auf See, son-ern am Ende nur in Afrika, im Land selber, gelöst
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20388 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Jürgen Trittinwerden können. Es stimmt mich daher sehr misstrauisch– wenn ich das sagen darf –, dass Sie bisher weitgehendabgetaucht sind, wenn es um den Kongo ging. Sie habenes bislang für nicht nötig befunden, hier politische Initia-tiven zu entwickeln. Das ist aber nötig, gerade wenn maneiner größeren Verantwortung gegenüber unserem Nach-barkontinent Afrika gerecht werden will.
Die Orientierungslosigkeit der Bundesregierung inder Außenpolitik kann man in drei Punkten festhalten.Genauso wie die Linkspartei bekennen Sie sich zum Pri-mat der Vereinten Nationen. Aber Sie scheuen die Kon-sequenzen, was man im Kongo leider beobachten kann.
Sie sprechen von einer Stärkung der europäischen Au-ßen- und Sicherheitspolitik, vermeiden es aber, sich demZielkonflikt zu stellen, was das für die Rolle der NATObedeutet. Sie bekennen sich zwar zur transatlantischenFreundschaft, reden aber nicht offen mit Ihren Freunden,wenn es um Kerninteressen Europas geht. Hier wird inder Tat nur noch Stillstand produziert. Ich finde, dass essich lohnt, diesen Stillstand zu überwinden. Aber ich be-fürchte, dass das erst nach der Großen Koalition möglichsein wird.
Als Nächster hat das Wort der Kollege Lothar Mark
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Ich will auf die Ausführungen von Jürgen Trittinnicht im Detail,
lediglich auf die letzten drei Punkte pauschal eingehen.Das Auswärtige Amt und der Minister des Auswärtigenbetreiben sehr wohl eine klar definierte Außenpolitik imInteresse der Bundesrepublik Deutschland, der Europäi-schen Union, der Vereinten Nationen und der Mensch-lichkeit. So viel dazu.
Als Haushälter, der zusammen mit HerbertFrankenhauser in der Koalition für den Etat des Auswär-tigen Amtes zuständig ist, will ich nun doch gern etwaszum Haushalt sagen. Der Haushalt des AuswärtigenAmtes hat in diesem Jahr die 3-Milliarden-Grenze über-schritten, Herr Minister. Das ist ein besonderes Ereignis.Im letzten Jahr hatten wir uns noch darüber gefreut, dassdie 1-Prozent-Marke, gemessen am Gesamthaushalt,überschritten wurde. Die Überschreitung der 3-Milliar-den-Grenze bedeutet, dass diese Marke nun deutlichübertroffen ist. In Zukunft muss sichergestellt werden,dass dieser Entwicklungsprozess weitergeht.DHci–rVhwKa5ZpgdrusdgnEuliarwsnVhdmudawh–nDwdndWAEpw
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Ich glaube, dass dies für die Zivilgesellschaft und für dievolkswirtschaftlichen Entwicklungen sehr bedeutsamist.Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen. Die hu-manitäre Minenräumung spielt bei uns immer einesehr große Rolle. Die Bundesrepublik Deutschland hatsich seit 1992 mit 166 Millionen Euro an dieser humani-tären Minenräumung beteiligt. Das ist nicht überwälti-gend viel, aber wenn man diese Summe zu den Beiträ-gen anderer Länder in Bezug setzt, ist das unendlich viel.Wir sind bisher in 38 Ländern engagiert gewesen. OhneFrage sind auch in den kommenden Jahren weitere inter-nationale Anstrengungen nötig, um die durch dieOttawa-Konvention vorgegebenen völkerrechtlichenVerpflichtungen einzuhalten. 156 Länder haben bisherdie Ottawa-Konvention ratifiziert, 38 weitere Länder ha-ben sie unterschrieben. Dennoch: Deutschland solltemeines Erachtens mehr Druck auf die USA – das ist so-fort ein Thema, Herr Minister –, Russland, China, Indienund Pakistan ausüben, der Konvention endlich beizutre-ten. Deutschland sollte mit dafür sorgen, dass europäi-sche Staaten, zum Beispiel England auf den Falkland-inseln, ihren Verpflichtungen zur Räumung nachkommen.
Ein großer Erfolg unter anderem des „AktionsbündnisLandmine“ ist es, dass Antipersonenminen inzwischenweltweit geächtet sind und legal nicht mehr hergestelltwerden dürfen.Ich komme noch zu einigen Aussagen zur aus-wärtigen Kultur- und Bildungspolitik. HerbertFrankenhauser hat ihren Stellenwert bei uns sehr deut-lich aufgezeigt, insbesondere den des deutschen Aus-landsschulwesens. Ich will darauf hinweisen, dass wirmit unserem Außenminister auch in der zurückliegendenZeit ganz klare Akzente gesetzt haben. Wir haben 2007gesagt, dass das Goethe-Institut auf eine neue Basis ge-stellt und gesichert werden müsse. 2008 haben wir danndas deutsche Auslandsschulwesen verstärkt unterstützt,und 2009 wird die internationale Außenwissenschaft be-sonders von uns gefördert. Ich muss nicht im Einzelnenaufzeigen, welche Bedeutung dies für uns haben wird.Zum bereits angesprochenen Versorgungszuschlag fürdeutsche Lehrer im Ausland will ich nur folgenden Hin-weis geben: Wenn ab 2010 die deutschen Bundesländernicht mehr ihren Teil des Versorgungszuschlags über-nehmen, dann würde dies bedeuten, dass der Bund, alsodas Auswärtige Amt, mit über 20 Millionen Euro zusätz-lich belastet würde oder 200 Lehrerstellen im Auslandabgebaut werden müssten. Dies kann nicht gewollt sein.Wir sollten mit allen Kräften versuchen, dies zu verhin-dern.
ub5UcfwgDblgmwmdtdswEAWdamuEsskagszepmzt5w
ie immer sofort alles geliefert haben, was wir bei ihnenngefordert haben. Das war also eine ganz tolle Zusam-enarbeit. Ich danke auch Dr. Frank-Walter Steinmeier,nserem Außenminister, den Staatsministern Gernotrler und Günter Gloser sowie dem früheren Staats-ekretär Georg Boomgaarden und den jetzigen Staats-ekretären Peter Ammon und Reinhard Silberberg. Dan-en will ich aber auch Herbert Frankenhauser und dennderen Berichterstatterkollegen.Ganz am Schluss will ich Gert Weisskirchen danksa-en. Er hat als Sprecher der SPD-AG „Außenpolitik“ehr kooperativ und konstruktiv mit mir als Haushälterusammengearbeitet. Ich wiederum habe eine genausonge Zusammenarbeit mit Herbert Frankenhauser ge-flegt. Dies ist ein Beispiel dafür, wie man gut zusam-enarbeiten kann.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir die finan-iellen Mittel nicht nur erhöht, sondern bei einzelnen Ti-eln auch ganz gewaltig abgesenkt haben. Bis auf die0 Millionen Euro, die mittlerweile mehrfach erwähnturden, ist alles in diesem Haushalt gedeckt finanziert.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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20390 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Michael Georg Link hat jetzt das Wort für die FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Vorredner und auch die, die nach mir sprechenwerden, werden es mir nachsehen, wenn ich sage, dassder eigentliche Höhepunkt heute für mich als Europapo-litiker nicht diese Debatte ist, sondern das Urteil destschechischen Verfassungsgerichts, das am heutigenTage die Vereinbarkeit des Vertrags von Lissabon mitder tschechischen Verfassung erklärt hat.
Das ist ein wirklicher Erfolg und ein Hoffnungsschim-mer für den Vertrag von Lissabon, den wir uns ge-wünscht und für den wir gekämpft haben. Ich würdemich freuen, wenn dieses Urteil – man kann es baldnachlesen – dazu führte, dass man sich bei der Linkspar-tei vielleicht noch einmal überlegt,
ob es in dem wichtigen vor uns liegenden Jahr der Euro-pawahlen – der Bundesaußenminister hat es vorhin an-gesprochen – nicht sinnvoller wäre, für die EU einzutre-ten, anstatt sich gegen sie zu profilieren.
In der Haushaltsdebatte soll traditionell auch auf denEU-Haushalt eingegangen werden. Ich komme gleichdazu, will aber, weil „Tschechische Republik“ gefallenist, noch ein Wort dazu verlieren.Die Tschechische Republik hat heute einen positivenAkzent gesetzt. Ich glaube, in der Tschechischen Repu-blik kommt einiges in Bewegung. Es wäre sehr wichtig– das ist eine Erwartung an die Bundesregierung, die wirsehr klar formulieren –, mit der Tschechischen Republikund mit Polen, diesem so wichtigen Partner, neue Lösun-gen in der Frage der Raketenstationierung zu finden –weg von einseitigen, an EU und NATO vorbei geplantenMaßnahmen.
Hier hat die Bundesregierung eine Riesenchance, das zuerreichen. Auf diesem Wege werden wir sie gern unter-stützen, wenn sie ganz konkrete Maßnahmen ergreift.Der EU-Haushalt ist erwähnt worden. HerrFrankenhauser, ich fürchte, Sie haben mit Ihren Bemer-kungen heute – ich denke etwa an das schöne Beispielvon den bulgarischen Verrechnungsmethoden – einigeerst auf Ideen gebracht. Leider ist genau das die Art vonEU, die wir nicht wollen. Aber eine Institution wie dieEtrwmhdGhdrlIAARgdFnwdlhdRarPvVKTgbirRsnddeSAEtWmw
2009 wird uns nicht nur den klassischen Jahreshaus-alt der EU bringen; das Jahr wird uns auch die Vorlageer Kommission über den zukünftigen EU-Haushalts-ahmen bringen; er soll voraussichtlich im März vorge-egt werden. Uns besorgt sehr, dass Frankreich jetzt einenitiative angekündigt hat – es gibt einige ganz aktuellegenturmeldungen zu Präsident Sarkozy –, nach der diegrarpolitik möglichst noch während der französischenatspräsidentschaft in der ersten Säule – Direktzahlun-en – festgeschrieben werden soll. Hierzu will ich fürie FDP klipp und klar sagen: Wir werden auf keinenall akzeptieren, dass bereits jetzt, lange bevor dieächste finanzielle Vorausschau wirklich verhandeltird, in einem Bereich Fakten geschaffen werden sollen,er – Herr Frankenhauser hat es mit guten Beispielen be-egt – sehr fehleranfällig ist. Es muss klar sein: Die Ver-andlungen über die finanzielle Vorausschau gehörenorthin, wo das vorgesehen ist, nämlich zunächst in denat, vorbereitet auch im Bundestag, und sie müssen vorllem zeitlich richtig eingeordnet werden, eben nicht be-eits in diesem Jahr. Hier sollten wir der französischenräsidentschaft, die im Krisenmanagement sicherlichiel Gutes erreicht hat, klar entgegentreten.
Es hat uns gefreut, dass die Bundesregierung bei denerhandlungen über den Haushalt 2009 der EU klareante gezeigt hat, über lange Zeit hinweg, was dashema Übersetzungsregime angeht. Das ist ein wichti-er Punkt. Der Bundestag hat immer wieder darum ge-eten, dass man an dem Thema dranbleibt. Uns würdenteressieren, ob es jetzt tatsächlich konkrete Verbesse-ungen gibt. Inzwischen wurde dem 2009er-Haushalt imat Zustimmung signalisiert, aber über konkrete Verbes-erungen beim Übersetzungsregime haben wir leiderichts gehört. Ich denke, dazu werden wir von der Bun-esregierung noch konkrete Informationen bekommen.Es gibt heute in der FAZ einen schönen Artikel mitem Titel „Der Aufschwung kann nicht warten“. Es istin Namensartikel von der Frau Bundeskanzlerin undtaatspräsident Sarkozy. Darin wird von einer flexiblenuslegung des Stabilitäts- und Wachstumspakts derU gesprochen. Das nehmen wir als Liberale mit Miss-rauen zur Kenntnis.
as heißt das? Was wird da vorbereitet? Punktuell kannan in Krisenzeiten sicherlich über vieles reden, aberir als Liberale werden das Gefühl nicht los, dass Präsi-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008 20391
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Michael Link
dent Sarkozy die Finanzkrise nutzt, um das Thema Wirt-schaftsinterventionismus wieder auf die Tagesordnungzu bringen und dort auch zu belassen. Wir werden einenklaren Kurs dagegen fahren.
Auch seine Versuche, die Unabhängigkeit der Euro-päischen Zentralbank im Zuge der europäischen Ver-tragsrevision zu beschneiden, haben zumindest wir nochnicht vergessen. Wir müssen aufpassen, dass es nichtwieder in diese Richtung geht.Die Kommission hat heute ihr konkretes Konjunk-turprogramm vorgestellt. Es umfasst nun plötzlich200 Milliarden Euro, nicht nur 130 Milliarden Euro. Essind 70 Milliarden Euro mehr, als es noch gestern seinsollten. Wir warten auf die Erklärungen. Es ist sicherlichnoch zu früh, sich endgültig eine Meinung darüber zubilden; aber wir sind schon sehr gespannt darauf, welcheErklärungen dazu gegeben werden. Ich kann mich desEindrucks nicht erwehren, dass in der Kommission auchin diesem Bereich der Aktionismus teilweise etwas zuweit getrieben wird.
Wenn es darum geht, Maßnahmen der Strukturpolitikbzw. insbesondere des Kohäsionsfonds vorzuziehen, las-sen wir durchaus mit uns reden. Wenn es aber um eineAushöhlung des Kreditaufnahmeverbots der EU oder garum einen Einstieg in eine EU-Steuer geht, zum Beispieldurch Abzweigen gewisser Erlöse aus dem CO2-Zertifi-katehandel für die EU, sind wir der Meinung, das gehtganz eindeutig in die falsche Richtung.
Eine EU-Steuer, in welcher Form auch immer, ist näm-lich aus unserer Sicht kontraproduktiv.Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss: Steuernund EU sind ein wichtiger Punkt, der uns auf jeden Fall inden nächsten Jahren beschäftigen wird. Die Kommissionschlägt in ihrem heute vorgestellten Programm erneutvor, vermehrt reduzierte Mehrwertsteuersätze einzufüh-ren und generell die Mehrwertsteuersätze zu senken. Hierhat die Bundesregierung die große Chance, zu einempositiven Image der EU beizutragen.Es wurde heute gesagt, dass wir die Europawahlennicht nutzen sollten, um Europa schlechtzureden. Wir alsFDP werden das niemals machen, weil für uns die EUein enormes Friedensprojekt ist.
Herr Kollege.
Die EU muss aber auch lernen, bescheidener zu sein,
wenn es um die Besteuerung und Belastung der Bürger
geht. Die Bundesregierung hat hier als wichtiges Mitglied
im Rat eine enorme Chance, durch die Aufgabe ihres Ver-
hinderungskurses bezüglich der ermäßigten Mehrwert-
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r ist ja mit seiner selbstgestellten Aufgabe, die Bundes-egierung für so ziemlich alle negativen Entwicklungenn der internationalen Politik verantwortlich zu machen,randios gescheitert.
as wäre dann nicht besonders bedauerlich, wenn er hiericht Dinge behauptet hätte, die sich nur dann so darstel-en lassen, wenn man wesentliche Fakten unter denisch fallen lässt.Das gilt zum Beispiel für die Frage des amerika-isch-indischen Nukleardeals.
ie haben ja behauptet, dies würde unsere Möglichkei-en, den Iran wieder zur Einhaltung des internationalenechts zu bewegen, beeinträchtigen. Der wesentlichend qualitative Unterschied zwischen den Ländern In-ien und Iran ist, dass Indien nicht Unterzeichner desichtverbreitungsvertrages ist und deswegen auch nichtegen ihn verstoßen hat bzw. gegen ihn verstoßen kann,ährend der Iran Unterzeichner des Nichtverbreitungs-ertrages ist und fortwährend gegen ihn verstößt.
ichtsdestotrotz hat der Generaldirektor der Internatio-alen Atomenergie-Behörde erklärt, dass die einstim-ige Genehmigung der Lieferung von zivilem Nuklear-aterial an Indien und die Kooperation mit Indien iniesem Bereich Indien näher an den Nichtverbreitungs-ertrag heranführt und deswegen eine Stärkung desichtverbreitungsvertrages darstellt.
Das müssen Sie Herrn al-Baradei fragen. Aber viel-eicht stellen Sie eine Zwischenfrage,
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20392 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Eckart von Klaedenwenn Sie noch weiteres Informationsbedürfnis haben;ansonsten geht das nämlich alles von meiner Redezeitab.Al-Baradei hat davon gesprochen, dass das den NPTstärkt und Indien mit seinem Verhalten auch ein Beispieldafür geben kann, wie andere Staaten, die den NPT nichtunterzeichnet haben, an dieses Regime herangeführtwerden können. Wenn Sie aber die HeranführungIndiens an den NPT durch die einstimmige Genehmi-gung der Nuclear Suppliers Group für einen so großenFehler halten, dann frage ich mich in der Tat, warum dieBundesregierung, in der die Grünen den Außenministerstellten, mit der G-4-Initiative auch Indien in den Welt-sicherheitsrat bringen wollte. Es macht doch keinenSinn, ein Land in den Weltsicherheitsrat bringen zu wol-len, das angeblich durch seine Politik die Nichtprolifera-tion gefährdet, aber zugleich verhindern zu wollen, dasses an den NPT herangeführt wird. Das ist keine konsis-tente Position.
Nun zu dem, was Sie zum KSE-Vertrag gesagt ha-ben.
Die Behauptung, es habe von der Bundesregierung, ins-besondere vom Außenminister, keine Initiative gegeben,die Ratifizierung des KSE-Vertrages möglich zu ma-chen, ist entweder ein Zeichen von Unkenntnis oder vonBösartigkeit.
Denn es hat gerade vom Auswärtigen Amt mehrere Ini-tiativen gegeben, eine Ratifizierung Zug um Zug mög-lich zu machen. Der KSE-Vertrag wurde deswegen nichtratifiziert, weil sich Russland nach wie vor nicht an dieVerpflichtungen hält, die es 1999 in Istanbul eingegan-gen ist.
Herr Kollege Trittin, das unter den Tisch fallen zu las-sen, ist wirklich keine Position, die man als redlich be-zeichnen kann.
Ihre Unterstellung, Ihre Behauptung, der im Augustin Georgien geführte russisch-georgische Krieg sei eineFolge der Beschlüsse von Bukarest, ist nun wirklichnichts als die Wiedergabe russischer Propaganda.
– Doch, das haben Sie gesagt.
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Denn Obama steht vor großen Herausforderungen. Esandelt sich um eine dreifache Herausforderung, die ei-entlich nur mit der in der Zeit von Franklin D.oosevelt zu vergleichen ist:Erstens muss Obama versuchen, eine ökonomisch tieferunsicherte sowie eine politisch und sozial polarisiertemerikanische Gesellschaft zu versöhnen.Zweitens muss er den von vielen innerhalb und außer-alb der USA perzipierten wirtschaftlichen und außen-olitischen Niedergang und den damit einhergehendenngeblichen Verlust amerikanischer Führungskraft stop-en und umkehren.Schließlich muss er das Ansehen und die Glaubwür-igkeit der Vereinigten Staaten – auf Neudeutsch gesagt:ie Soft Power der USA – wiederherstellen.Bereits im Wahlkampf hat sich Obama sowohl alsdealist als auch als Pragmatiker gezeigt. Dabei hat erin gutes und ausgewogenes Verhältnis zwischen denotwendigkeiten amerikanischer Führungsstärke einer-eits und den Grenzen amerikanischer Führungsstärkendererseits gefunden.Das bringt die Europäische Union ins Spiel. Dennuch nach seiner Wahl sind die Probleme, die heutechon angesprochen wurden, nicht weniger komplex undicht einfacher zu lösen. Deswegen erwarte ich auch kei-en radikalen Wandel in der amerikanischen Europapoli-ik. Vielmehr gehe ich davon aus, dass Obama an dieeit der zweiten Administration von George Bush undn die von Clinton anknüpfen wird, wenn es um dierage geht, so viel Multilateralismus wie möglich und soenig Unilateralismus wie nötig einzusetzen. Wenn esu der von vielen vorhergesagten oder angekündigtenerufung von Hillary Clinton zur Außenministerin
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Eckart von Klaedenkommt, dann wird diese personelle Anknüpfung ganzbesonders deutlich werden.Wir haben in unserem Koalitionsvertrag von demPrinzip des effektiven Multilateralismus gesprochen.Das Prinzip des effektiven Multilateralismus lässt sichwie folgt am besten erklären: Einerseits müssen die Ver-einigten Staaten von Amerika zu multilateralem Handelnbereit sein. Andererseits müssen aber auch wir bereitsein, unser außenpolitisches Handeln nicht allein amVerfahren, sondern auch an seinen Ergebnissen, also sei-ner Effizienz, messen zu lassen.Es gibt von Niklas Luhmann das schöne Wort, dassDemokratie Legitimation durch Verfahren sei. Aber inder Politik kommt es eben wesensnotwendig nicht nurauf die Legitimation durch das Verfahren, sondern auchauf die Legitimation durch den Erfolg an. Wenn wir inunserer Außenpolitik diese neue Chance der transatlanti-schen Zusammenarbeit im Wesentlichen nur dazu nutzenwürden, auf Verfahrensfragen und nicht auf den Erfolgabzustellen, dann würden wir in den USA wieder dieje-nigen stärken, die die Forderung nach multilateralemVorgehen als eine Ausrede der Europäer diffamieren, siewollten eigentlich nichts tun.Es gibt also eine ganze Reihe von Handlungsfeldern,wo wir relativ schnell die Initiative ergreifen müssen.Wir sollten – da stimme ich dem Kollegen Hoyer zu –nicht abwarten, was die neue amerikanische Administra-tion vorschlägt und wo sie uns zur Kooperation einlädt,sondern die nächsten Wochen und Monate unsererseitsnutzen, um auf die neue Administration zuzugehen unddie Punkte zu nennen, die aus unserer Sicht besonderswichtig sind.An erster Stelle steht in der Tat die Bewältigung deriranischen Nuklearkrise. Dabei müssen wir deutlich ma-chen, dass wir in dem Fall, dass Iran nicht bereit ist, dieneuen Gesprächsangebote der amerikanischen Adminis-tration anzunehmen, zu schärferen Sanktionen bereitsind. Es ist damit zu rechnen, dass die Double-Track-Strategie, die die Europäer und die Amerikaner schonbisher gemeinsam vertreten haben, in beiden Richtungenausgeweitet wird: stärkere Gesprächsangebote auf dereinen Seite, aber eben auch die Bereitschaft zu stärkerenSanktionen auf der anderen Seite.Außerdem geht es um die Stabilisierung des Irak. Esgeht um unser Engagement in Afghanistan, um das ge-meinsame Ziel, eine dauerhafte Stabilisierung des Lan-des zu erreichen. Es geht um eine aktivere Rolle Europasbei der Lösung des Nahostkonfliktes. Da ist zu hoffen,dass Obama nicht den Fehler seiner beiden Vorgängerwiederholt,
sich erst zum Ende seiner Amtszeit dieses Konfliktes an-zunehmen, sondern das, was er verändern will, verän-dert, aber die Initiative einer Nahostfriedenskonferenz,wie sie mit dem Annapolis-Prozess begonnen wordenist, weiter fortsetzt.wTkBsRsmniEGIdbhzImßsdsDBimhcItaEmad
Schließlich ist – auch das ist hier schon angesprochenorden – die Bekämpfung der alten Geißel Piraterie einhema, über das wir voraussichtlich im Dezember dis-utieren und wozu wir ein entsprechendes Mandat imundestag verabschieden werden.Es gibt also ein großes Feld der Kooperation zwi-chen den USA und Europa. Das gilt nicht zuletzt für dieusslandpolitik. Unsere Aufgabe muss es jetzt sein, un-ere eigenen Vorstellungen vorzutragen und so viel wieöglich davon bei der Entstehung der Konzeption dereuen amerikanischen Administration einzubringen. Dasst dann möglich, wenn für uns klar ist, dass Einfluss undinsatz zwei Seiten einer Medaille sind.
Jetzt spricht für die Fraktion Die Linke Wolfgang
ehrcke.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!ch hatte mir eigentlich gewünscht und hatte erwartet,ass wir, weil wir es mit einer neuen Situation zu tun ha-en, die ja auch beschrieben worden ist, hier die Chanceaben, über Grundlinien der Außenpolitik miteinanderu diskutieren.
ch hatte eigentlich auch gedacht, dass Sie, Herr Außen-inister, uns eine Neuorientierung der deutschen Au-enpolitik zumindest anhand von einzelnen Punkten vor-tellen. Was Sie beschrieben haben, waren die Faktoren,ie die neue Lage ausmachen. Aber Sie haben nicht be-chrieben, was die Neuorientierung beinhaltet.
as halte ich für einen großen Mangel. Entweder hat dieundesregierung keine solche Neuorientierung, oder siest nicht in der Lage, sie zu beschreiben.Die Faktoren sind wenig umstritten. Ich rufe noch ein-al einige in Erinnerung: die weltweite Finanzkrise, dro-ende Staatsbankrotte – davon ist noch gar nicht gespro-hen worden –, die militärischen Konflikte und Kriege imrak und in Afghanistan, im Kaukasus und im Nahen Os-en, Hunger- und Armutskatastrophen – auch darauf mussufmerksam gemacht werden –, die Endlichkeit vonnergiequellen, der drohende Klimakollaps und anderesehr. Es kann vor dem Hintergrund dieses Tableaus nichtngehen, dass die deutsche Außenpolitik sagt: Wir han-eln im Grundsatz so, wie wir bisher gehandelt haben.
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Wolfgang GehrckeDas ist keine Konzeption. Ich hätte gedacht, dass Sie einbisschen mehr liefern würden. Es muss nicht meine Zu-stimmung finden; aber Ideen könnten anregend sein.Ich möchte zumindest ein paar Punkte benennen, vondenen ich glaube, dass eine kategorische Kurswendenotwendig ist. Ich denke, der Deutsche Bundestag wirdirgendwann einmal die Kraft haben, zu sagen, dass diePolitik des Krieges gegen den Terror gescheitert ist.
Wir werden irgendwann einmal – nicht in dieser Legisla-turperiode – die Kraft haben, festzustellen, dass es falschwar, dass sich Deutschland an den Kriegen in Afghanis-tan und im Irak beteiligt hat. Das einzige Ergebnis dieserKriege sind Zehntausende Tote und HunderttausendeMenschen auf der Flucht.Ein weiteres Ergebnis dieser Politik ist, dass dieHochrüstung einen gigantischen Umfang angenommenhat. Jährlich wird über 1 Billion US-Dollar für Rüstungverschwendet, das heißt, in Krieg und Mord umgesetzt.Auch das muss man hier einmal aussprechen.
Ich glaube, man kann sich darin einig sein, dass dieZeit einer unipolaren Weltordnung ihrem Ende entge-gengeht. Die USA waren weder politisch, sozial, ökono-misch noch moralisch in der Lage, die von ihnen bean-spruchte Rolle eines Weltpolizisten auszufüllen. Jetzt istes notwendig, gegenüber dem neuen amerikanischenPräsidenten deutlich zu machen, dass es um keine neueRunde im Kampf um die Vorherrschaft in der Welt ge-hen kann und gehen darf, sondern dass wir es mit einerNeuregelung der internationalen Beziehungen zu tunhaben. Die Basis, die dafür unbedingt notwendig ist,sind für mich das Völkerrecht ohne Abweichungen undglobale soziale Gerechtigkeit. Sicherheit im umfassen-den Sinne kann nur bedeuten, dass man gleichberechtigtmiteinander und nicht gegeneinander handelt. Das ist diepolitische Richtung, die man einschlagen muss.Ich gebe zu, dass die Forderung nach einer neuenWeltordnung für mich immer etwas Bedrohliches hatte.Aus den USA kam die Forderung nach einer Neuauftei-lung der Welt. Die Welt braucht in der Tat eine neueOrdnung. In diesem Zusammenhang finde ich es sehr in-teressant, was der ehemalige Außenminister HerrGenscher jüngst in einer Rede dazu gesagt hat. Er be-nutzte den Begriff „Weltnachbarschaftsordnung“, dermir sehr sympathisch ist. Die Linke ist so frei, diesenvernünftigen Begriff zu übernehmen und zu benutzen.
Wenn man über eine Weltnachbarschaftsordnungnachdenkt, dann kommt man zu dem Schluss, dass dasVerhältnis EU-USA-Russland neu ausbalanciert werdenmuss. Wir müssen einen Rückfall in Zeiten des KaltenKrieges verhindern. Deswegen muss man klar sagen:Ukraine und Georgien werden nicht in die NATO aufge-nommen; die NATO wird nicht erweitert. Man muss au-ßerdem völlig klar sagen: Deutschland ist dagegen, dassin Polen und Tschechien Raketensysteme stationiertwerden.BsmKkIfmscjdmzAmOIKIzklddwedtKSrmvzdbghw
Sie reden immer um eine klare Bestimmung herum.ei Ihren Ausführungen besteht das Problem, dass manie so oder so verstehen kann. Sie können das als „diplo-atisch“ bezeichnen. Aber es hat aus meiner Sicht mitlarheit in der Politik wenig zu tun.Ich habe nie verstanden – damit will ich zum Schlussommen –, warum die deutsche Außenpolitik nicht dienitiative des russischen Präsidenten für eine neue Kon-erenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu-indest aufgegriffen hat, der gesagt hat, die NATO habeich überlebt und solle durch ein nichtmilitärisches Si-herheitssystem in Europa ersetzt werden. Man muss esa nicht so umsetzen, aber man muss darüber miteinan-er reden und verhandeln. Das würde signalisieren, dassan bereit ist, sich den neuen Bedingungen in der Weltu stellen.
ber da kommt von Ihrer Seite nichts.
Bislang wollten Sie sich, Herr Außenminister, nichtit den USA anlegen. Im Moment wissen Sie nicht, wasbama machen will. Das verunsichert Sie. Ich glaube,hre Reden werden etwas deutlicher werden, wenn derurs der amerikanischen Regierung klar wird. Ich willhnen aber ehrlich sagen: Passen Sie auf, dass Sie nichtu einem Ankündigungsminister werden, auf dessen An-ündigungen nie reale Politik folgt.Schönen Dank.
Jetzt spricht Gert Weisskirchen für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Ich stimme dem Außenminister ausdrücklich zu,er sehr klar gesagt hat, dass das Jahr 2009 zu einem Jahrer globalen Verantwortungsgemeinschaft werdenird. Deutschland wird innerhalb dieser Gemeinschaftine konstruktive Rolle spielen und dazu beitragen, dassie Krisenmomente, die wir gegenwärtig erleben, bewäl-igt werden, sodass wir aus dieser großen internationalenrise herausfinden. Ich bin ganz gewiss: Die dreichwergewichte dieser Regierung – die Bundeskanzle-in, der Finanzminister und der Außenminister – werdenaßgeblich dazu beitragen, dass die drei großen Krisen,or denen wir stehen, beherrscht werden können.Die erste Krise ist die internationale Finanzkrise. Dieweite, in der wir uns bereits gegenwärtig befinden, istie internationale Wirtschaftskrise. Auf eine, die uns erstevorsteht, möchte ich hinweisen – wir sollten unser Au-enmerk darauf richten –: Das ist die zu befürchtendeumanitäre Krise; denn am meisten unter diesen Krisenerden diejenigen leiden müssen, die die Schwächsten
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Gert Weisskirchen
auf dieser Erde sind, insbesondere in Schwarzafrika oderin anderen Regionen dieser Erde. Ich glaube, dass es un-sere gemeinsame große Aufgabe ist, diesen drei Krisenkonstruktiv zu begegnen und dafür zu sorgen, dass nichtdie Schwächsten dieser Erde am schlimmsten unter denKrisenmomenten zu leiden haben.
Das ist in der Tat unsere gemeinsame Aufgabe. Deswe-gen ist das Wort von der globalen Verantwortungsge-meinschaft so wichtig und richtig.Was bedeutet das denn, liebe Kolleginnen und Kolle-gen? Schauen wir uns doch einmal an, wie die Situationin Schwarzafrika ist. Ich erinnere nur an ein einzigesDetail – man kann es heute in der Neuen Zürcher Zei-tung nachlesen –: In Schwarzafrika haben es jetzt zweiLänder – Kenia und Ghana – nicht schaffen können, Ob-ligationen in Höhe von 800 Millionen Dollar für sichselber zu akquirieren. Das ist ein schreckliches Signal,ein Zeichen dafür, dass diese Länder leider als Allererstein Schwarzafrika unter die Räder geraten können.Was auch immer der IWF beschließen wird oder imRahmen des Mandats beschlossen wird, das die G 20 mitBlick auf Ende März nächsten Jahren erteilt haben: Wirmüssen ein deutliches Signal aussenden. Denn wenn esso ist, dass wir eine globale Verantwortungsgemein-schaft auf dieser Erde entwickeln wollen und wir uns da-bei konstruktiv verhalten wollen, dann kommt es daraufan, dass diejenigen Länder und Menschen, die am ge-fährdetsten sind, eine Chance haben, mit uns gemeinsamdurch diese drei Krisen hindurchzusteuern. Das ist un-sere gemeinsame Verantwortung.
Ich möchte nur zwei Details nennen: 40 Prozent dergesamten Weltbevölkerung leben – man muss sich daswirklich vor Augen führen – von 2 Dollar pro Tag und1 100 Millionen Menschen von 1 Dollar pro Tag. Wirgehören zum reichen Gürtel dieser Erde. Natürlich ste-hen auch wir vor schwierigen Auseinandersetzungenund vor Konfliktlagen, durch die wir hindurchsteuernmüssen. Aber wenn es uns nicht gemeinsam gelingt, dieMillenniumsziele, die von Kofi Annan formuliert wur-den und die sich das ganze Haus angeeignet hat, Schrittfür Schritt zu realisieren, dann wird das dazu führen,dass die Armut dieser Erde eben nicht bis zum Jahr 2015um die Hälfte verringert werden kann. Es besteht immernoch die Chance, dass wir das schaffen. Aber wir schaf-fen es nur dann – ich bin dankbar, Herr Außenminister,dass Sie sich diesen Zielen verpflichtet fühlen –, wennwir diese Verantwortung für unsere Außenpolitik ernstnehmen. Die Haushälter haben dafür gesorgt, dass einematerielle Grundlage für eine konstruktive Außenpolitiksichergestellt worden ist. Ich danke ausdrücklich dafür,dass die Haushälter das für das Jahr 2009 geschafft ha-ben.
Ban Ki-moon hat sich gerade an die G 20 mit derdringenden Bitte gewandt, dass die Chance genutzt wird,dgtGakrwIcvpUdnNkMkgdwEtlsbMkadbDeugvktnvNVsrduav
Das Wort hat jetzt der Kollege Rainder Steenblockon Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iele von uns haben in dieser Haushaltswoche festge-tellt, dass die politische und ökonomische Kraft der Eu-opäischen Union zur Bewältigung der aktuellen Kriseringend notwendig ist, dass wir diese Kraft brauchennd die Bürgerinnen und Bürger Europas – das zeigenlle Umfragen – auf die Kraft der Europäischen Unionertrauen, dass sie darin ein Lösungsinstrument sehen,
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Rainder Steenblockdas über die Möglichkeiten der Nationalstaaten hinaus-geht.Das ist insbesondere für die Debatte über den Lissa-bon-Vertrag wichtig; denn die Handlungsfähigkeit derEuropäischen Union, die die Menschen von der EU er-warten, damit solche Krisen auch auf struktureller Ebeneüberwunden werden können, wird durch den Lissabon-Vertrag verbessert. Das wissen alle. Die Handlungsfä-higkeit und die demokratischen KontrollmöglichkeitenEuropas werden durch den Lissabon-Vertrag gestärkt.Deshalb ist es ein gutes Signal, dass das tschechischeVerfassungsgericht heute grünes Licht für Tschechiengegeben hat. Damit sind wir der Stärkung der Hand-lungsfähigkeit Europas einen Schritt näher gekommen.Das ist wichtig. Das sollten wir begrüßen.
Allerdings war es für mich sehr befremdlich – gestat-ten Sie mir, das einmal zu sagen –, dass der PräsidentTschechiens das Verfassungsgericht seines Landes ges-tern noch einmal aufgefordert hat, in seinem Sinne zuentscheiden, weil die Souveränität des Landes gefährdetsei.
Heute hat das Verfassungsgericht aber gesagt – das zeigtdie demokratische Kultur Tschechiens –: Es ist uns völ-lig egal, was der Präsident sagt; wir entscheiden nachden Gesetzen dieses Landes.
Das ist ein wichtiges Signal. Die Tatsache, dass derPräsident, der die Souveränität seines Landes immerhochhält, heute gesagt hat: „Ob ich jetzt unterschreibe?Wollen wir erst einmal abwarten, ob die Iren unterschrei-ben“, er seine Entscheidung über die Ausübung zentralerSouveränitätsrechte also von der Entscheidung eines an-deren Landes abhängig macht, zeigt seine politische Ge-sinnung. Auch das muss an dieser Stelle einmal gesagtwerden.
Ich möchte mich an die Haushaltspolitiker wendenund mich einmal ganz herzlich bedanken. HerbertFrankenhauser, aber auch der Kollege Mark und anderehaben schon deutlich gemacht, dass die Aufstockungdieses Haushaltes, gerade was die auswärtige Kulturpo-litik angeht, ein sehr positives Signal ist. Rot-Grün hatdamit in der vergangenen Legislaturperiode begonnen.Die Große Koalition hat diesen Weg fortgesetzt. Ichhalte das für eine der – im wohlverstandenen Sinne –besten Interessenwahrnehmungen Deutschlands, die wirin unserer auswärtigen Politik machen können. Dafürnoch einmal herzlichen Dank an das Ministerium undden Minister.diibhSkaf4gSnLaTWsgPG3tWdmwcnvmlkebrPlredetWhwsrs
Ich habe eine zweite Bitte. Kollege Frankenhauser,as, was Sie über die Europäische Union gesagt haben,st richtig. Ich bitte Sie, sich noch einer anderen Fragem Haushaltsbereich zuzuwenden, die mir große Sorgeereitet. Das ist die Hilfe für Georgien. Wir sind unsier völlig einig, dass dieses Land unabhängig von derchuldfrage, die in einem anderen Zusammenhang ge-lärt werden muss, Unterstützung braucht. Den Wieder-ufbau des Landes wollen wir. Aber wir geben jetzt Hil-en in Höhe von 4,5 Milliarden Euro; das sind fast0 Prozent eines Haushalts dieses Landes. Wir wissenenau, was passiert, wenn wir in so kleine Länder solcheummen geben,
icht nur hinsichtlich der Absorptionsfähigkeit dieseränder – das können sie nicht absorbieren –, sondernuch hinsichtlich der Preissteigerung, der inflationärenendenzen durch so viel Geld, das von außen kommt.enn dieses Geld, wie es im Augenblick aussieht, sozu-agen nur in Haushaltsbeihilfen fließt, das heißt nicht inezielte Maßnahmen, dann ist das natürlich auch einrogramm zur Wiederankurbelung der Korruption ineorgien. Ich glaube, dass wir – Deutschland gibt4 Millionen Euro – ein großes Interesse haben, zu kon-rollieren, was mit diesem Geld passiert.
ir brauchen Transparenz und sollten es nicht zulassen,ass dieses Geld allgemein in den Haushalt fließt. Viel-ehr sollte es für konkrete Maßnahmen ausgegebenerden. Das ist meine Bitte an den Haushaltsausschuss.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Thema anspre-hen, das ich wichtig finde. Ich glaube, dass diese Fi-anzkrise die Chance bietet, einen großen Partner östlichon uns, der zum Teil mit uns zusammen, aber nicht im-er mit uns zusammen Politik macht, nämlich Russ-and, sozusagen wieder ins Boot zu ziehen. Die Finanz-rise hat Russland und denen, die eine – ich sage esinmal so – eher national-chauvinistische Politik betrei-en, deutlich gemacht, dass die Kooperation mit den Eu-opäern dringend geboten ist, um all die gravierendenrobleme, die auf die Russische Föderation zukommen,ösen zu können.Dass wir im Rahmen des Partnerschafts- und Koope-ationsabkommens wieder anfangen zu verhandeln, istin guter Schritt. Ein gutes Signal ist auch, dass Putineutlich gemacht hat, dass der WTO-Beitritt Russlandstwas positiver sein könnte, als es in den letzten Mona-en dargestellt worden ist. Wir brauchen die russischeTO-Mitgliedschaft, um das PKA umzusetzen. Diesalte ich für wichtig. Mir wäre es allerdings auch lieb,enn der russische Präsident in diesem Zusammenhangeine Definition von Einflusszonen um dieses Land zu-ücknehmen würde. Die ehemaligen Sowjetrepublikenind selbstständige Staaten,
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Rainder Steenblock
und sie entscheiden selber über ihre Zukunft. Das ist inunserem Interesse. Das gehört zusammen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Alois Karl von der CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Der Haushaltstitel des Außenministers umfasst le-diglich 1 Prozent des Gesamthaushaltes. Dies ist alsokein Megathema, könnte man sagen. Viele der Ausgabengehen in die Finanzierung der Auslandsvertretungen,sind also nicht operativ. Viele Ausgaben sind Beiträgezur Finanzierung internationaler Organisationen, zumBeispiel des Internationalen Strafgerichtshofes, oderzum humanitären Minenräumen. Es finden sich alsovielfältige humanitäre Aspekte in Ihrem Haushalt, HerrAußenminister. Diese Aspekte werden nicht nur im Aus-wärtigen Ausschuss behandelt, sondern auch im Aus-schuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe.In diesem Zusammenhang trifft es sich gut, dass esheuer, 2008, im Zusammenhang mit den Menschenrech-ten ungewöhnlich viele Termine gibt, an die erinnertwerden sollte. Wir haben sie nicht besonders gefeiert.Dennoch möchte ich – sozusagen als Fußnote dieserHaushaltsdebatte – darauf hinweisen, dass vor 160 Jah-ren, im Dezember 1848, in der Frankfurter National-versammlung erstmals ein „Gesetz, betreffend dieGrundrechte des deutschen Volks“ beschlossen wordenist. Heute ist uns das natürlich geläufig. Damals wurdeschon nach drei Jahren das Gesetz über die Grundrechtewieder aufgehoben.In wenigen Tagen begehen wir ein weiteres histori-sches Datum: Vor etwa 60 Jahren wurde die AllgemeineErklärung der Menschenrechte von den Vereinten Na-tionen verabschiedet. Diese Erklärung der Menschen-rechte dient der Achtung und Förderung der Grundrechtefür alle ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Spra-che, Religion usw. Aber auch soziale Grundrechte findensich in dieser Erklärung, zum Beispiel das Recht auf Ar-beit und das Recht auf einen angemessenen Lebensstan-dard. Auch unsere heutige Politik lässt sich danach beur-teilen, ob diese Grundrechte in der Innenpolitik wie inder Außenpolitik implementiert sind.Vor zehn Jahren hat der Bundestag beschlossen, eineneigenen Ausschuss für Menschenrechte und HumanitäreHilfe einzurichten.
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In Westeuropa ist Krieg kein Mittel der Machtpolitik.ennoch sehen wir in Georgien, im Kongo und in Dar-ur im Sudan, dass dort das Gegenteil der Fall ist.Die Menschenrechte stehen in weiten Teilen der Erden gar keiner Weise im Mittelpunkt der Politik. Die Un-erstützung der Menschenrechte wäre aber auch für un-ere eigene Politik in Europa bzw. in Deutschland wich-ig. Wir, die wir im Ausschuss für Menschenrechte undumanitäre Hilfe tätig sind, wissen, dass dies immer dasohren dicker Bretter bedeutet. Wir können nicht weg-chauen, wenn wir in den Fortschrittsberichten lesen,ass in den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien kaumortschritte zu verzeichnen sind und dass in diesen Län-ern Korruption und organisierte Kriminalität immeroch an der Tagesordnung sind. Sehr geehrter Herr Au-enminister, hier wären klare Worte oft besser als diplo-atische Verbrämungen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf dieustände in der Türkei eingehen. Die Glaubensfreiheitteht dort eben nicht unter staatlichem Schutz, weder imegativen noch im positiven Sinne. Unsere Außenpolitikarf nicht vorgaukeln, dass Länder in die Europäischenion aufgenommen werden, die die Grundsätze derenschenrechte nicht achten.Ein anderes Thema: Die USA haben bald eine neueegierung. Ich denke, dass die deutsche Außenpolitikas Thema Guantánamo nicht außer Acht lassen darf.ie deutsche Außenpolitik muss hier einen deutlichentandpunkt einnehmen. Guantánamo ist eine unerträg-ich klaffende Wunde in der Menschenrechtspolitik welt-eit. Hier haben wir unsere Aufgaben.
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20398 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Alois KarlWir müssen auch über den Skandal im Irak sprechen.Wir erleben heute eine der weltweit größten Christen-verfolgungen aller Zeiten. Es ist ein Skandal, dass200 Millionen Christen auf der Welt in 50 Ländern ver-folgt werden. Wenn im Irak davon gesprochen wird, dassein Bereich „christenfrei“ ist, dann weckt dieser Duktusund dieser Sprachgebrauch in Europa und insbesonderein Deutschland ganz schmerzliche Erinnerung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die deutscheAußenpolitik muss auch künftig all ihre Möglichkeiteneinsetzen, um den universell geltenden Menschenrech-ten zur Achtung zu verhelfen. Der Einsatz hierfür lohntsich. Deutschland steht auf diesem Feld seit mehr als160 Jahren in einer guten Tradition. Diese gilt es fortzu-setzen. Möglichkeiten dazu gibt es für unsere Außenpo-litik weltweit genug. Hierfür wünschen wir Ihnen allesGute und viel Glück, sehr geehrter Herr Außenminister.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Diether Dehm von
der Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-deskanzlerin hat heute früh in ihrer Haushaltsrede dieNotwendigkeit deutlich gemacht, die Praxis der EU-Bei-hilfekontrolle vorübergehend zu lockern und die Gren-zen, ab wann die bürokratischen Kontrollen der EU-Kommission beginnen, anzuheben. Das ist richtig, aberzu kurz gedacht.Herr Steinmeier hat gesagt – als ich das hörte, habeich meinen Ohren nicht getraut –, Politik könne Krisennicht verhindern. Herr Steinmeier, das ist eine Kapitula-tion. Diese Krise wurde hauptsächlich durch diemarktradikale Ausrichtung der EU verursacht.
Ihre Folgen können nicht ohne einschneidende Änderun-gen im Bereich der EU bewältigt werden.Die EU-Kommission tut gegenwärtig zwar so, alshandele sie bei der Subventionskontrolle flexibel undschnell. Aus ihrem aktuellen Bericht über staatliche Bei-hilfen vom 17. November dieses Jahres geht aber hervor,dass Flexibilität und Zügigkeit nur kurzfristig praktiziertund die staatlichen Einflüsse und Regulierungen schnellzurückgenommen werden sollen.Angesichts der Erfahrungen mit dieser Krise ist es er-forderlich, die konkrete Praxis der EU-Kommission beider Beihilfekontrolle und die Art. 87 bis 89 des EG-Ver-trages radikal zu korrigieren. Die Einordnung derDienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Inte-resse – auf Deutsch: die Daseinsvorsorge – in Wettbe-werbsrecht und Beihilfekontrolle ist rückgängig zu ma-chen. Art. 86 des EG-Vertrages darf nicht so bleiben, wieer ist.ldWrsAIttrDswFRüfIdüikudsNsSVndgvs
Schließlich gibt es noch die vom Europäischen Ge-ichtshof in seinem unseligen Urteil gegen das VW-Ge-etz häufig beschworene Kapitalverkehrsfreiheit. Inrt. 56 des EG-Vertrages heißt es, es seien – Zitat –alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs … zwi-schen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern ver-boten.ch wiederhole: Auch Beschränkungen gegenüber drit-en Staaten sind verboten. Der ursprüngliche EWG-Ver-rag war an dieser Stelle übrigens nicht so strikt neolibe-al ausgerichtet. Dort hieß es in Art. 67 noch:Soweit es für das Funktionieren des GemeinsamenMarktes notwendig ist, beseitigen die Mitgliedstaa-ten untereinander … alle Beschränkungen des Ka-pitalverkehrs in bezug auf Berechtigte, die in denMitgliedstaaten ansässig sind, …ie jetzige Regelung darf daher nicht bestehen bleiben.Herr Trittin, Sie wollen mich fragen, warum wir zuge-timmt haben. Selbstverständlich stimmen wir immer zu,enn es um Belegschaften geht. Trotzdem muss dierage beantwortet werden – in der taz wurde sie zuecht aufgeworfen –, was zu tun ist, damit das Geld, dasber Bürgschaften mobilisiert wird, nicht in die USA ab-ließt. Sie können Ihre Frage aber gerne stellen.
ch wäre Ihnen für jede Redezeitverlängerung dankbar.Die aktuelle Finanzkrise beruht auf der Einkommens-iskrepanz zwischen Arm und Reich. Aus hohen undbermäßig stark gestiegenen Einkommen fließen Geldern spekulative Anlagen. Wegen der mangelnden Kauf-raft der abhängig Beschäftigten und der Rentnerinnennd Rentner fehlt es an Binnennachfrage zur Belebunger Realwirtschaft. Der Europäische Gerichtshof hat miteinem Rüffert-Urteil zum Vergabegesetz des Landesiedersachsen verboten, für anständige Arbeit eine an-tändige tarifliche Bezahlung zu verlangen. Das ist einkandal. Um solche Urteile zu verhindern, muss das EU-ergaberecht geändert werden.Wir brauchen im EU-Primärrecht sofort eine soge-annte soziale Fortschrittsklausel; dies wird auch vonen Gewerkschaften gefordert. Insgesamt bedarf es einerrundlegenden Revision des EU-Vertragsrechts, wegom Neoliberalismus der geltenden Verträge, zum Bei-piel des gescheiterten Vertrags von Lissabon. Durch die
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Dr. Diether DehmEntscheidung des irischen Volkes haben wir dieseChance bekommen. Nutzen wir sie!Die Frau Bundeskanzlerin hat heute Morgen dieGrundwerte beschworen. Die Grundwerte der EU, dieKapitalfreiheit und der unverfälschte Wettbewerb, habenzur aktuellen Spekulationsblase und damit zu dieserKrise geführt. Was Europa jetzt vor allem braucht, ist dieVerwirklichung eines Grundwerts, nämlich des Grund-werts der Solidarität.
Das Wort hat der Kollege Kurt Bodewig von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirkennen diese Debatte aus dem Europaausschuss, und ei-gentlich kennen wir dies auch hinsichtlich des Verfas-sungsvertrags. Lieber Kollege Dehm, das ist die gleicheIrrhaltung; denn auch dort lehnen Sie etwas ab, dessenUmsetzung dazu führen würde, dass wir Europa sozialergestalten. Ich glaube, das ist inkonsequent.
Ich hätte eben spontan nicht die Frage gestellt, was zutun ist, sondern ich hätte gefragt: Was denn nun? DieDoppelbödigkeit haben Sie mit Ihrem eigenen Abstim-mungsverhalten natürlich beschrieben. Ich glaube, Poli-tik muss gestalten.Es gibt ein schönes Buch von Enzensberger über ei-nen demokratischen General in der Weimarer Zeit, näm-lich Hammerstein oder der Eigensinn. Er sagt: „Angstist keine Weltanschauung“. Genau das ist diese Aus-einandersetzung. Ich kann etwas dramatisieren, was zurVerunsicherung führen und die Sparquote in Deutsch-land noch weiter hochtreiben kann, oder ich kann sagen:Politik hat die Aufgabe, mit Augenmaß klare Aktivitätenzu entfalten, die zur Wiedergewinnung des Vertrauensgeeignet sind.
– Das heißt, dass wir gehandelt haben.Wer hätte sich denn vor zehn Jahren vorstellen kön-nen, dass die Europäische Union in allen wichtigenIndustrieländern Europas in einer relativ kurzen Zeit ab-gestimmte Krisenpakete zur Stabilisierung der Finanz-märkte bewirken kann?
Es waren doch die USA, die Lehman Brothers bewusstin den Konkurs haben gehen lassen. In den USA gab esdie Theorie: Lassen wir Lehman Brothers in Konkursgehen, dann wird das disziplinierend wirken. Genau dasGegenteil erfolgte. Deswegen ist diese Politik auchfalsch.–gdE–vnhswKKddvesKdKkgmpSSbdgprdtwRmkpwFes–8saga
Wir brauchen darüber hinaus aber natürlich auch dieolitischen Initiativen. Die Wiederbelebung des Weima-er Dreiecks war wichtig und richtig. Das darf aber nichtazu führen, dass wir etwa den Dialog mit Russland un-erbrechen. Das Beispiel NATO hat doch genau gezeigt,ie falsch es ist, Dialogstrukturen zu unterbrechen.ussland zieht sich dann aus der militärischen Zusam-enarbeit zurück. Eine neue Ost-West-Konfrontationönnen wir nicht zulassen.Ich nenne ein nächstes Thema, nämlich die Ostsee-olitik. Herr Außenminister, ich glaube, dass es richtigar, das zu reaktivieren, und dass das ein ganz wichtigeseld ist. Es ist eine dynamische Region und das einzigeuropäische Binnenmeer. Es gibt Streitpunkte, zum Bei-piel die Pipeline. Ist aber die Alternative zur Pipelineetwa aus schwedischer Sicht –, dass dann vielleicht00 LNG-Schiffe pro Jahr durch die Ostsee, eines derensitivsten Meere, fahren?Das zeigt eigentlich auch, dass wir einen Interessens-usgleich nur über Dialoge erreichen können. Das dienterade Polen und den baltischen Staaten, aber natürlichuch der Energieversorgung in Westeuropa.
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20400 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2008
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Kurt Bodewig– Herr Löning, das ist nicht zynisch, sondern ein Aus-druck dafür, dass man gemeinsame internationale Pro-bleme nur durch Kooperation lösen kann. Durch einenRückfall in die alte Ost-West-Konfrontation werden dieProbleme verschärft und nicht gelöst.
Ich freue mich auch – das ist gerade aktuell –, dass inTschechien dieses Verfassungsgerichts-Urteil gefällt wor-den ist und dass Präsident Klaus, ein Euroskeptiker, un-terlegen ist. Ich hoffe, es wird ihm eine Lehre sein. Aberes wäre ein sehr deutliches Signal für Irland, wenn rati-fiziert würde; dies würde den irischen Prozess befördern.In Irland gab es eine dubiose Unterstützung der Libertas-Bewegung. Das kam aus irgendwelchen Quellen. Dashat ja in Irland zu einer Reaktion geführt. Nur noch39 Prozent lehnen den Vertrag ab. Aber es gibt noch Un-entschiedene. Ich glaube, es wird in Irland im zweitenAnlauf gelingen, diesem wichtigen Vertrag, der dieHandlungsfähigkeit Europas sicherstellt, zum Durch-bruch zu verhelfen. Ich jedenfalls freue mich darauf. Wirunterstützen die Iren in ihren Bemühungen.
Das Wort hat die Kollegin Veronika Bellmann von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Ein wesentlicher Verantwortungsbe-reich des Auswärtigen Amtes ist neben der Außenpolitikdie Europapolitik. Wir debattieren heute schon die ganzeZeit darüber, vor welch große Herausforderungen unsdie finanz- und wirtschaftspolitische Situation stellt. Wirmüssen uns fragen: Wo agieren wir? Wo reagieren wir?Welche neuen Fragen gibt es, und welche neuen Antwor-ten müssen wir geben? Das gilt insbesondere auch fürdie Europäische Kommission. Ich denke hierbei an dieBeihilfeproblematik. Welche Strenge wird die Kommis-sion an den Tag legen und welche Maßstäbe gibt es fürdie Einhaltung einer verantwortlichen Haushaltsdiszi-plin, wenn die Nationalstaaten ihre Schutzschirme fürdie Aufrechterhaltung ihrer Wirtschafts- und Finanzord-nung aufspannen?Welche Antworten gibt die Europäische Gemein-schaft auf die Frage der Ausgestaltung der Klimaschutz-programme, der Regelung der CO2-Emissionen für Kfz,für energieintensive Industrien unter den Bedingungender weltweiten Rezession? Was wird aus der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung – nur nochein Rettungspaket? Welche Aufgaben bekommen unterden geänderten Vorzeichen die europäischen Banken?Was die Europäische Zentralbank angeht, so mussman sich fragen, wieso sich das deponierte Bankengeldausgerechnet jetzt auf das 500- bis 1 000-Fache gegen-über normalen Zeiten beläuft? 240 Milliarden Euro lie-gen dort. Ich hoffe nicht, dass ausgerechnet die Staats-gelder, die zur Rettung der Banken initiiert worden sind,dort deponiert werden.RdImkdsawuninKtMMrmkSmdddaeGBzhslBÜfDgWAAvfekS
Das fällt der EU in vielerlei Hinsicht schwer, vor allemenn es um die Einhaltung ihres Kompetenzrahmensnd des Subsidiaritätsprinzips bei den vielen Richtli-ien, Mitteilungen und Verordnungen geht. Hier wünschech mir – genauso wie Sie, Herr Außenminister – eine Re-aissance Europas, nämlich eine Rückbesinnung auf dieernaufgaben.
Ich nenne als Beispiel die EU-Mitteilung zum Ak-ionsrahmen für die Bekämpfung der Finanzkrise. Maß,itte und Vernunft gelten natürlich zuallererst bei denanagergehältern. Aber müssen sie deswegen gleich eu-opaweit geregelt werden?Ich gehe in einen anderen Politikbereich und bezieheich auf die Forderung nach dem sozialen Europa. Einünftiges soziales Europa kann vieles aus dem deutschenozialstaatsmodell übernehmen. Unsere Standards sindit Sicherheit in vielen Bereichen beispielgebend. Ichenke an die Mitbestimmung, aber ich denke auch anas Thema Antidiskriminierung.Es liegt die fünfte Antidiskriminierungsrichtlinie aufem Tisch. Die vorhergehenden sind noch nicht einmaluf ihre Wirkungsweise hin endgültig überprüft odervaluiert, da liegt schon die fünfte auf dem Tisch. Dereltungsbereich soll auf alle Bereiche außerhalb voneruf und Beschäftigung erweitert werden. Das ist einiemlich starker Eingriff auch in die Vertragsfreiheit. Daabe ich größte Bedenken, ob das überhaupt der Recht-etzungskompetenz der EU entspricht.Ein anderes Beispiel ist die von der Gemeinschaft er-assene Verordnung zur Abgabe von Nahrungsmitteln anedürftige. Sie wurde 1987 eingeführt und regelte, dassberschussbestände – sogenannte Interventionsbestände –ür Nahrungsmittelhilfe freigegeben werden können.er Anteil dieses Überschusses ist stetig zurückgegan-en. Deshalb wurden die Nahrungsmittel zugekauft.Nach der neuen Richtlinie sind Nahrungsmittel imert von 500 Millionen Euro vorgesehen, die aus demgrarhaushalt kommen. Das heißt, Mittel aus demgrarhaushalt werden für ein fachfremdes Programmerwendet. Es hat sicherlich niemand etwas gegen Hilfeür Bedürftige. Aber wir haben etwas dagegen, wennine rein sozialpolitische Maßnahme in die Regelungs-ompetenz der EU fällt.
Ich nenne ein weiteres Beispiel: das sogenanntechulobstprogramm. Mit diesem Programm für eine
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Veronika Bellmannkostenlose Abgabe von Obst und Gemüse an Schulensoll ein politischer und finanzieller Rahmen geschaffenwerden, um den Obst- und Gemüseanteil an der Ernäh-rung von Kindern dauerhaft zu erhöhen. Das Ziel der ge-meinsamen Marktorganisation soll die Steigerung desObst- und Gemüseverbrauchs sein.Dazu gibt es fünf flankierende Maßnahmen, die sichwie ein Rundumsorglospaket lesen. Am Ende kommtdann noch heraus, dass diese Richtlinie in die Lehrpläneder Schulen eingreifen soll. Lehrpläne von Schulen fal-len aber nicht in die Regelungskompetenz der Mitglied-staaten, sondern sind in unserem föderativen System inDeutschland eindeutig Sache der Länder. Da hat die EUweiß Gott nichts zu suchen.Die Einhaltung des Kompetenzrahmens und des Sub-sidiaritätsprinzips ist meiner Ansicht nach sehr wichtig,nicht nur für die Akzeptanz der EU im Allgemeinen,sondern auch hinsichtlich der Haushaltsrelevanz sowohlfür Deutschland als auch für die EU. Dabei gilt es, nichtnur nach Brüssel zu blicken – meine Vorredner habenschon darauf hingewiesen – und auf die EuropäischeKommission oder das Europäische Parlament zuschimpfen, sondern die Kritik richtet sich auch an dieRegierungen der Mitgliedstaaten. Denn diese haben imEuropäischen Rat ein gewaltiges Wörtchen mitzureden.Dabei möchte ich auch die deutsche Regierung in diePflicht nehmen und deutlich auf die Beteiligung des Par-laments hinweisen.Die EU ist immer noch ein Staatenbund; sie ist keinBundesstaat. Insofern gilt es, sich auf ein vernünftigesMaß der Regulierung und Aufgaben zu beschränken.Das mag schwer sein, vor allen Dingen, wenn sich jederimmer wieder in seiner Wichtigkeit bestätigt fühlen will.Aber die Selbstbeschränkung gilt nicht nur für die Ak-teure des Finanzmarktes. Dabei mag uns eine Volksweis-heit trösten, die unsere Zukunft so trefflich beschreibt:Kein Vormarsch ist so schwer wie der Weg zurück zurVernunft.In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksam-keit.
Als letztem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich
dem Kollegen Erich Fritz von der CDU/CSU das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Sie warten sicherlich alle mit großer Spannung aufden letzten Beitrag in dieser Debatte.
Trotzdem will ich versuchen, ein neues Thema in dieDebatte einzuführen.Ich will nur kurz auf die Aussage von Herrn Trittineingehen, er vermisse die deutliche Sprache bei der Bun-desregierung. Ich erinnere mich an ein Interview einesfrüheren Außenministers, in dem ich diese deutlicheSprache bewundert habe. Er kam aus Tschetschenien,hvhdaeubghgtddaüwvWdvWGagdjttrssOsVosthPSdsnEfdk
nd dort, wo Pragmatismus angebracht ist und Gesprächs-ereitschaft erst hergestellt werden muss, auf eine jeweilseeignete Weise vorgehen und der Versuchung widerste-en, Außenpolitik für populistische Auseinandersetzun-en zu missbrauchen. Denn Zuverlässigkeit und Ver-rauenswürdigkeit müssen ein Markenzeichen dereutschen Außenpolitik bleiben. Dafür steht diese Bun-esregierung.
Die Finanzkrise wächst sich zu einer Wirtschaftskriseus. Wer sich in diesen Tagen die OECD-Nachrichtenber den vermutlichen wirtschaftlichen Rückgang in denichtigen Industrieländern, zum Beispiel in den USA,or Augen führt, weiß, dass schwere Zeiten kommen.er die Prognosen für die Schwellenländer betrachtet,er kann vermuten, dass auch dort nicht alles ohne gra-ierende Veränderungen ablaufen wird. Herr Professoreisskirchen hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieefahr in den Ländern, in denen die Hoffnung besteht,us der Armut herauszukommen, und es gute Beispieleibt, denen die Menschen nacheifern, am größten ist,ass Entwicklungen abgeschnitten werden, und dass die-enigen, die noch nicht in das Weltwirtschaftssystem in-egriert sind wie das Afrika südlich der Sahara, am meis-en unter der derzeitigen Entwicklung zu leiden haben.Es wurde gesagt, 2009 sei ein Jahr der Neuorientie-ung des internationalen Systems. Entscheidend wirdein, ob die bestehenden Institutionen im Kern geeignetind, Antworten auf die Frage zu geben, wie eine neuerdnung aussehen soll, ob eine Gruppe bestimmter In-titutionen und Länderorganisationen auf der Basis vonertrauen und gemeinsamen Interessen geeignet ist oderb es regionale Strukturen sind, die sich verstärken las-en. Ich glaube, dass wir in Kooperation über den Atlan-ik hinweg – dazu wurde bereits viel gesagt – die Chanceaben, Pfeiler für eine neue Ordnung zu setzen. Diesefeiler werden das Gebäude aber nicht tragen, wenn diechwellenländer nicht dabei sind und wenn diejenigen,ie nach einer kurzen Schwächephase aufgrund des Roh-toffverkaufs wieder zu reichen Ländern geworden sind,icht ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten.In der jetzigen Situation zeigt sich, wie gut wir alsuropäer beraten waren, zu sagen: Eine wichtige Re-orm ist – am liebsten durch einen Verfassungsvertrag –ie Herstellung der außenpolitischen Handlungsfähig-eit der Europäischen Union.
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Erich G. FritzDieses Ziel zu verfolgen, dafür zu werben, ist deshalb sowichtig, weil nur eine wirklich handlungsfähige Euro-päische Union zusammen mit einem neuen Partner inden USA wesentliche Beiträge leisten und es ermögli-chen kann, dass im Umfeld unseres Lebensraumes, inZentralasien und im Nahen Osten, Konfliktlösung be-trieben wird.Mir liegt noch etwas anderes am Herzen. In diesenZeiten stellt sich die Frage, woran sich künftig die Welt-politik orientieren soll. Diese Frage wird oft gestellt,wurde aber bis heute nicht richtig beantwortet. Was isteigentlich Global Governance? Wer sind die Beteilig-ten? Woher kommen die Impulse, die ein neues Regel-system – das muss entstehen – den Menschen als Mög-lichkeit zur Lösung von Zukunftsaufgaben plausibelmacht? Wenn wir über internationale soziale Marktwirt-schaft und Nachhaltigkeit sprechen, dann geht es immerum die Frage, wie man eine effektive Wirtschaft, die denMenschen möglichst überall Wohlstand bringt, mit demSchutz der Ressourcen und der natürlichen Lebens-grundlagen, sozialer Verantwortung, Entwicklungschan-cen für diejenigen, die noch nicht so weit sind, und derDurchsetzung der Menschenrechte und demokratischerOrdnungen verbinden kann.
Die jetzige Situation eröffnet auch Chancen; dennman muss vieles neu reflektieren und auf neue Beinestellen. Man muss einen Weg finden, eine solche Ord-nung herzustellen, sowie Global Governance aus derDiskussion an den Hochschulen und in Initiativen he-rausholen und zum Gegenstand der internationalen Poli-tik machen.Herr Außenminister, für das, was Sie sich in der deut-schen Außenpolitik vorgenommen und hier überzeugenddargelegt haben, wünschen wir alle Ihnen eine glückli-che Hand.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 05 – Auswärtiges Amt – in der Ausschussfassung.
Wer stimmt für den Einzelplan 05 in der Ausschussfas-
sung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 05 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen ange-
nommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.10 auf:
Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Verteidigung
– Drucksachen 16/10413, 16/10423 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Susanne Jaffke-Witt
Bartholomäus Kalb
Johannes Kahrs
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
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as ist etwas, was wir nicht nachvollziehen können.
Spätestens mit der Vorlage des Weißbuches imktober 2006 war klar, dass eines der wesentlicheniele auch dieser Bundesregierung die Sicherung derransportwege und auch die Bekämpfung der Piraterieein wird. In dieser Zeit hätte die Möglichkeit bestanden,en notwendigen rechtlichen Rahmen für unsere Sol-atinnen und Soldaten zu setzen. Wir diskutieren heuteber den Haushalt. Ich habe bis heute nicht gehört, wel-he Kosten auf den Einzelplan 14 zukommen werdenzw. ob die finanziellen Mittel, die für diesen Einsatzufzuwenden sind, aus dem allgemeinen Haushalt be-ahlt werden. Ich hoffe, dass wir heute von Ihnen, Herrinister – Sie werden noch dazu reden –, erfahren, wieieser zusätzliche Einsatz finanziert werden wird.Die Last, die wir der Bundeswehr inzwischen mit dennterschiedlichsten Auslandseinsätzen aufbürden, istnorm. Zu Recht wird uns auch von unseren Soldatinnennd Soldaten häufig genug die Frage gestellt, welcheeutschen Interessen denn in den verschiedenen Einsatz-ebieten vertreten werden sollen und welche Rolle dieundeswehr dabei spielt. Zudem ist die Bundesregie-
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Elke Hoffrung bis heute die Antwort auf eine grundsätzliche Frageschuldig geblieben, die sich auch auf die Verteilung derFinanzen im Haushalt auswirkt. Entsenden wir die Bun-deswehr nach Afghanistan zu ihrem bedeutendsten Ein-satz nun in einen militärischen Einsatz mit einer zivilenAufbaukomponente oder in einen zivilen Aufbaueinsatzmit einer militärischen Komponente? Ein Blick in diebisherigen Haushalte spricht für die erste Variante. Nachwie vor steht das Geld, das wir für den Militäreinsatz inAfghanistan ausgeben, in keinem ausgewogenen Ver-hältnis zu den Mitteln für den zivilen Wiederaufbau.
Wenn sich aber inzwischen alle Akteure darüber einigsind, dass eine erfolgreiche Aufstands- und Terrorismus-bekämpfung in Afghanistan allein militärisch nicht zuerreichen ist, sollten wir endlich damit aufhören, derBundeswehr fast die gesamte Last aufzubürden. Wirmüssen vielmehr endlich dafür Sorge tragen, dass dasgemeinsame Ziel, nämlich die Menschen vor Ort auf un-sere Seite zu bringen, auch erreicht werden kann. Wennbeispielsweise der zügige Aufbau der afghanischen Si-cherheitskräfte der Weg zu einer absehbaren Beendigungdes Einsatzes sein soll, muss schon jetzt die Frage beant-wortet werden, wie der afghanische Staat zukünftigüberhaupt in der Lage sein soll, diese Sicherheitskräftezu finanzieren. So wie es jetzt aussieht, ist es ein unmög-liches Unterfangen. Auch dieses Thema wird uns in denHaushaltsdebatten wieder einholen.Wenn ein Comprehensive Approach, wie von Ihnen,Herr Minister, zu Recht in jeder Ihrer Reden angedeutet,tatsächlich der Schlüssel zum Erfolg sein soll, warumverabschieden wir dann hier im Deutschen Bundestagnicht auch ein gemeinsames Mandat für die Auslands-einsätze,
mit dem allen beteiligten Ressorts der finanzielle und in-haltliche Handlungsrahmen gesetzt wird?
Wir als Parlament hätten wirklich die Möglichkeit,diese Einsätze noch mehr als bisher zu unterstützen.Warum soll es nicht möglich sein, die Basis für den Wie-deraufbau in Afghanistan mit all seinen vernetzten Maß-nahmen und Projekten festzulegen, wenn es inzwischensogar möglich ist – wie im Mandat zur Operation Endu-ring Freedom geschehen –, die Einsatzbedingungen bisauf Längen- und Breitengrade festzulegen? Warum solles dann nicht auch möglich sein, die konkreten Ziele fürden Wiederaufbau in Afghanistan mit all seinen vernetz-ten Maßnahmen und Projekten festzulegen? Warumsollte das, was wir beispielsweise in der Regionalpla-nung in Deutschland seit langem erfolgreich praktizie-ren, nicht auch in den Regionen Afghanistans möglichsein – unter einer umfassenden Einbeziehung der lokalenBevölkerung, mit dem gezielten AufeinanderabstimmenaemnabwükrmbumvhzKuwmbuhbemvgI–Shbs
Durch eine Ausrichtung auf ein gemeinsames Mandatird auch der Einsatz aller finanziellen Ressourcen,ber die wir entscheiden, klarer und effizienter. Wirönnten unseren Bürgern – diese Fragen werden uns ge-ade im nächsten Jahr besonders beschäftigen; das kannan heute in jeder Veranstaltung feststellen – besser alsisher Rede und Antwort über die konkreten Fortschrittend über die Verwendung der Gelder stehen.Diplomatisches Können, geduldiger ziviler Aufbauit Zielen, die auch erreicht werden können, Respektor der spezifischen Kultur des Gastlandes, Einbezie-ung aller regionalen Akteure in einen politischen Pro-ess, die umfassende Förderung der demokratischenräfte, die ständige Überprüfung der eigenen Strategiennd vor allem eine klare Zuordnung persönlicher Verant-ortung würden unseren gemeinsamen Anstrengungenehr Dynamik und damit auch mehr Erfolg verleihen alsisher
nd mittelfristig auch etwas Druck vom Verteidigungs-aushalt nehmen. Es ist eine gemeinsame Aufgabe. Ichin der Meinung, wir müssen unsere Bundeswehr hierin Stück weit entlasten, zumal wir wissen, dass es alleinilitärisch nicht zu bewerkstelligen ist.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ernst-Reinhard Beck
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Liebe Frau Hoff, zu Beginn vielleicht zwei Sätze zuhnen.
Es können auch drei sein, Ernst; das ist richtig.
Zunächst einmal: Ich bin sehr dafür, dass wir das, wasie am Schluss verlangt haben – gemeinsam für Sicher-eit und Frieden zu sorgen –, als gemeinsame Aufgabeegreifen und dabei viel stärker ressortübergreifend zu-ammenarbeiten. Diese Anregung nehme ich gern auf.
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Ernst-Reinhard Beck
Im Übrigen war im Verteidigungsausschuss vor kurzemdie Frau Parlamentarische Staatssekretärin im BMZKortmann zu Gast. Die entsprechenden Ansätze sindvorhanden; sie sind ausbaufähig. Ich glaube, dass unsereArbeit in die richtige Richtung gehen wird. Daher wärehier durchaus einmal Beifall vonseiten der Oppositionmöglich.Ich muss Ihnen aber auch widersprechen. Ich finde, esist schon ein starkes Stück, wenn Sie den Minister be-schuldigen, das Mandat im Hinblick auf die Piraterienicht vorbereitet zu haben. Ich habe an sämtlichen Sit-zungen des Verteidigungsausschusses teilgenommen:Wir haben das Thema Piraterie im Grunde das gesamteJahr hindurch besprochen. Die rechtlichen Rahmenbe-dingungen sind nun einmal so, wie sie sind. Im Augen-blick müssen die Rahmenbedingungen auch internatio-nal erst noch geklärt werden. Darüber, wer was dazubeiträgt, welche Aufgaben und welches Mandat es gibt,wird im Augenblick auf der internationalen Ebene ver-handelt. Dieses Parlament wird damit befasst werden,wenn es so weit ist – ich hoffe, möglichst bald –, wennwir hier wirklich über Sachfragen diskutieren können.Liebe Frau Hoff, möglicherweise ist es in der Opposi-tion manchmal so, dass man besonders herausgefordertwird und bestimmte Detailfragen hoch aufhängt, sie sodiskutiert, als ob sie das Allerwichtigste wären, und dassman darüber im Grunde das Ganze etwas aus dem Augeverliert.
– Der Gesamtansatz, liebe Frau Kollegin Homburger, istim Grunde völlig klar: Es geht um die Sicherung vonSeewegen.
Es geht um die Bekämpfung von internationaler Krimi-nalität.
– Ja natürlich; wir sind dabei. Auf Wunsch wird gehext,und Unmögliches wird sofort erledigt.
Ich bitte Sie sehr, hier auf dem Boden der Realität zubleiben.Ich möchte auf den Einzelplan 14 zurückkommen. Ei-nen Punkt sollte man vielleicht von vornherein sehen:Wir sind in der Gefahr, auch bei den Etatberatungen,Einzelprobleme, Einzelfragen und einzelne Beschaffun-gen in den Mittelpunkt zu stellen, wenn Attentate oderandere punktuelle Ereignisse stattgefunden hatten. BeimEinzelplan 14 oder beim Haushalt generell geht es aberdarum, die weiter reichende Fragestellung nicht aus demAuge zu verlieren: Was ist notwendig? Was ist für dieSicherheitsvorsorge dieses Landes wichtig? WelchenBeitrag gibt es? Was sind die langfristigen Weichenstel-lungen? Welche Ressourcen und welche Instrumentemüssen wir unseren Streitkräften dafür zur Verfügungstellen? Das sind Fragen, die weit über den Tag, auchweit über eine Aktion gegen Piraten in Somalia hinaus-rfheaVseRUdfMhrdlingScargAnszhzkI„htTgdwmldSdtsawlcI
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Der Verteidigungshaushalt, den die Große Koalitionorgelegt hat, steht nicht für Friedenspolitik. Es handeltich um einen Aufrüstungshaushalt. Er zielt auf die Teil-ahme an Kriegen.
Ich weiß, das Wort hören Sie nicht gerne. Sie reden lie-er von Missionen, von Einsätzen und von einem Ein-atzhaushalt.
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Inge HögerViele Soldaten sind da längst deutlicher geworden:„Wir befinden uns in einem Krieg“, so beschrieb derscheidende Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, HerrGertz, die Lage der Bundeswehr in Afghanistan.
– In dieser Frage stimme ich ihm zu.Die in Ihrem Einsatzhaushalt vorgesehenen Ausgabenermöglichen sowohl die Vorbereitung als auch dieDurchführung von Kriegen. Damit gerät Deutschlandimmer tiefer in eine politische und auch finanzielleSackgasse. Anstatt angesichts der globalen Finanzkriseendlich umzusteuern, geben Sie noch mehr für Rüstungaus. Der militärische Wahnsinn wird zusehends teurer.Deutschland will nächstes Jahr nach den Kriterien derNATO 33,5 Milliarden Euro für militärische Zweckeeinsetzen. Hinsichtlich der Militärausgaben liegt Deutsch-land damit unter allen Ländern dieser Welt auf Platz 6 –ein trauriger Spitzenplatz.
Bei der Entwicklungshilfe hingegen dümpelt Deutsch-land nur auf Platz 12 der 22 OECD-Geberstaaten.Für die Linke ist verantwortungsvolle Außenpolitiketwas ganz anderes.
Die sogenannten Rüstungsinvestitionen sollen im Jahr2009 erneut wachsen, dieses Mal um 540 Millionen Euro.Die größte Verschleuderung von Steuergeldern stelltnach wie vor der Eurofighter dar.
Die Gesamtkosten summieren sich inzwischen auf22 Milliarden Euro. Die Kosten für dieses Kampfflug-zeug sind nach wie vor ein aktuelles Thema. Der Vertragüber die dritte und letzte Lieferung 68 weiterer Eurofigh-ter ist noch nicht unterschrieben. In den nächsten Mona-ten ist mit einer Entscheidung zu rechnen.Es geht dabei um viel Geld. Etwa 120 Millionen Eurokostet nur eines dieser Kampfflugzeuge. Insgesamt gehtes um über 8 Milliarden Euro. Herr Jung, ich sage Ihnen:Noch ist der Ausstieg aus diesem Irrsinn möglich.
Um skandalöse Geldverschwendung geht es auch beieinem anderen Projekt, dem Schützenpanzer Puma. Ein-schließlich Bewaffnung soll es etwa 5 Milliarden Eurokosten. Sie sagen, mit dem Puma solle die Schlagkraftder Bundeswehr in weltweiten Einsätzen erhöht werden.Ich sage: Mit Verteidigung hat das nichts zu tun. DieLinke fordert: Lassen Sie die Hände weg vom Puma!
Auch der Militärtransporter Airbus A400M ver-schlingt mit insgesamt 9,3 Milliarden Euro unglaublicheSummen. Hier gibt es Verzögerungen in der Produktion.NsrsvdpszdewzDFKdSsadvAefLKgvgpzBGDwlusnApzemÜ
ie Linke sagt: Das ist ein gefährliches Spiel mit demeuer. – Wir wissen gesichert, dass deutsche Waffen imaukasus- und auch im Libanon-Krieg eingesetzt wur-en. Anschließend schicken Sie dann Soldatinnen undoldaten in diese Regionen. Das mag zwar mancheschlechte Gewissen beruhigen. Die Konflikte lassen sichber mit Militär nicht lösen. Denken Sie eigentlich aucharan, dass durch deutsche Waffen Menschen sterben?Ich sage: Deutschland braucht ein durch und durch zi-iles Zukunftsinvestitionsprogramm. Nur durch einenusstieg aus der Hochrüstung bleibt genügend Geld fürine vernünftige Investitionspolitik in Deutschland undür eine verantwortungsvolle Außenpolitik übrig.
Mein Kollege Paul Schäfer hat bereits bei der erstenesung dieses Haushaltes erläutert, wie die Lage vonranken oder Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfän-ern mit den Geldern des Verteidigungsetats konkreterbessert werden könnte.Fakt ist aber auch, dass es Projekte der Bundeswehribt, die nicht nur Geld kosten, sondern direkt Arbeits-lätze vernichten. Ich sage nur: Bombodrom. Nach etwawei Dutzend verlorenen Gerichtsprozessen hält dieundeswehr immer noch an ihrem Plan fest, auf demelände wieder militärische Übungen durchzuführen.er Lärm durch Tiefflüge und Explosionen wird eineneiteren Ausbau des Tourismus in der Region unmög-ich machen. Ich war gerade letzte Woche in der Regionnd habe mir von der Tourismusindustrie erklären las-en, dass bestehende Projekte in dem Fall in der Zukunfticht weitergeführt werden können. Die existierendenrbeitsplätze und Investitionen werden durch den ge-lanten massiven Übungsbetrieb mit bis zu 1 700 Einsät-en im Jahr bedroht. Die Linke sieht darin eine Kriegs-rklärung an die gesamte Region und lehnt dieilitärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide alsbungsplatz ab.
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Inge HögerIm Übrigen gratuliere ich den Bürgerinitiativen gegendas Bombodrom von ganzem Herzen zu dem Regine-Hildebrandt-Preis, den sie gerade erhalten haben.
Wer Frieden will, braucht Aufklärung und Bildung.Eine Investition in Bildung ist auf jeden Fall eine klugeZukunftsinvestition. Eine Grundbildung für alle Kinderdieser Welt würde laut UNESCO 11 Milliarden Dollarim Jahr kosten. Das entspricht der Summe, die Deutsch-land für die dritte Tranche des Eurofighters ausgebenwill. Natürlich wird Deutschland diese Kosten nicht dau-erhaft alleine tragen können. Aber was spricht eigentlichdagegen, wenigstens in einigen Ländern damit anzufan-gen? Bildung statt Rüstung, das ist Armutsbekämpfung.Auch eine gute Gesundheitsversorgung gehört für alleMenschen dieser Welt zu den Grundrechten. Die Weltge-sundheitsorganisation, WHO, rechnet mit etwa 25 Europro Kopf und Jahr für eine Basisgesundheitsversorgung.Für Afghanistan wären das insgesamt etwa 750 Millio-nen Euro. Das entspricht in etwa den Zusatzkosten fürden Einsatz der Bundeswehr in den nächsten 14 Mona-ten in diesem Land.Die Linke verfolgt ein klares Ziel: Wir wollen denAusstieg aus den militärischen Strukturen, die einen An-griffscharakter haben. Wer Eurofighter für Flächenbom-bardements umrüstet oder Fregatten für die Seekriegs-führung bestellt, der verabschiedet sich von einem reindefensiven Verteidigungsbegriff. Friedens- und Sicher-heitspolitik sieht aus Sicht der Linken anders aus.So wie das internationale Bündnis gegen das NATO-Jubiläum 2009 glauben auch wir, dass eine friedlicheWelt möglich ist. Deshalb unterstützt die Linke die Pro-teste gegen die NATO.
Ich schließe mich dem Aufruf des Protestbündnisses an.Um unsere Vision einer friedlichen Welt zu erreichen,lehnen wir militärische Antworten auf globale und regio-nale Krisen ab. Sie sind Teil des Problems und nicht derLösung.
– Genau. – Wir weigern uns, unter dem Terror vonAtomwaffen zu leben, und widersetzen uns einem neuenRüstungswettlauf. Wir müssen die Militärausgaben re-duzieren und die dadurch frei werdenden Ressourcen zurBefriedigung menschlicher Bedürfnisse einsetzen.Ich denke, die NATO hat in diesen Ländern keinenKrieg zu führen. Es gibt kein überzeugendes Argumentfür Kriege und für diesen Rüstungshaushalt.Vielen Dank.
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ie hat gesagt, Armutsbekämpfung ist Friedenspolitik.as ist vollkommen richtig. Wenn man sich anschaut,as Frau Wieczorek-Zeul als Entwicklungshilfeministe-in tut und welche Aufwüchse es in ihrem Etat gibt, siehtan, dass sich das auch im Haushalt widerspiegelt. Jedereiß, dass Entwicklungshelfer und Organisationen, dieilfe, Unterstützung und Nahrungsmittel bringen, nurann in die betreffenden Länder kommen können, wennie geschützt werden, wenn dort ein Zustand herrscht,er es möglich macht, dass überhaupt geholfen werdenann.
Ich bin relativ bereit, mit Ihnen inhaltlich darüber zuiskutieren. Aber wenn Sie plumpe Parolen bringen,abe ich auch eine auf Lager. Sie haben ja eben über dieyritz-Ruppiner Heide als Truppenübungsplatz gespro-hen. In der Vergangenheit hat die SED, die später erstur PDS und dann zur Linkspartei wurde, den Laden be-rieben, und in der Zeit sind jedes Jahr 20 000 scharfeinsätze geflogen worden. Vielleicht sollten Sie erst ein-al Ihre Geschichte aufarbeiten und hier nicht laufendnsinn erzählen.
Wie lautet der Spruch? Getroffene Hunde bellen.Der Verteidigungshaushalt hat ein Volumen von unge-ähr 31 Milliarden Euro. Das sind 1,6 Milliarden Euroehr als im letzten Haushalt. Diese Anhebung ist des-egen zielführend, weil es viel Bedarf gibt, der sich ausen Personalkosten, der Wehrpflicht und dem AVZ er-ibt.Sie erlauben, dass ich die eine oder andere Zahl an-ühre; anscheinend bin ich hier der einzige Haushälter,er in dieser Debatte spricht. Die Kosten für Material-rhaltung sind in diesem Jahr konstant geblieben; sieiegen bei circa 2 Milliarden Euro. Trotzdem werden wirerade in diesem Bereich mit zahlreichen Problemenonfrontiert. Ich glaube, dass wir Haushälter dem Minis-erium stärker als bisher empfehlen müssen, ein Augen-erk auf diese Kosten zu legen. Denn besonders im Be-eich der Materialerhaltung haben wir Probleme. Dasilt nicht nur für die Fregatten F 122, sondern auch fürlle anderen Bereiche. Ich glaube, hier müssen wir inukunft mehr tun. Wir brauchen eine tragfähige Lösung.
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Johannes KahrsDie Kosten für Infrastruktur steigen leicht auf950 Millionen Euro und die Kosten für Beschaffung auf5,2 Milliarden Euro. Die Privatisierungsvorhaben, dieBetreiberlösungen, kosten uns 1,5 Milliarden Euro proJahr. Auch hier müssen wir jedes Jahr neu überprüfen, obes die wirtschaftlichste Lösung ist. Die Personalausgabensteigen von 11,5 Milliarden auf über 12 Milliarden Euro.Dieser Aufwuchs ist vor allem auf die Besoldungs- undTarifverbesserung, den AVZ und die Erhöhung desWehrsoldes zurückzuführen. Wir Sozialdemokraten ha-ben uns dafür starkgemacht. Ich glaube, dass es gut war,dass die Koalition diese Erhöhungen durchgesetzt hat.
Mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz haben wireinen kleinen Schritt in Richtung Verbesserung der Be-soldung gemacht. Diese Verbesserung kommt allerdingsnur einigen zugute; nur Ärzte und Transportpiloten pro-fitieren davon. Im Einzelfall kann man dies begründen;denn in diesen Bereichen gibt es besorgniserregende Ab-wanderungstendenzen. Aber letzten Endes ist es nur einfinanzielles Pflaster, mit dem man den Rohrbruch nichtbeheben kann. Wir haben bei der Bundeswehr, was ihreAttraktivität angeht, ein strukturelles Problem. Das hatauch etwas mit der Besoldung des Personals zu tun. Die-ses Problem bekommen wir nicht allein mit dem Dienst-rechtsneuordnungsgesetz in den Griff.Herr Minister, ich habe manchmal den Eindruck, imVerteidigungsministerium wartet man gespannt auf dasnächste Leck, das sich demnächst auftut, um dann mitgeringstmöglichem Aufwand eine bestimmte Gruppe zu-friedenzustellen und in dem jeweiligen Einzelfall zu hel-fen. Ich glaube, dass das auf Dauer nicht trägt. Wir So-zialdemokraten sollten uns ein Konzept überlegen – dassollte die Koalition insgesamt tun –, wie wir auf dieLage am Arbeitsmarkt reagieren und die jungen Frauenund Männer gewinnen können, die die Bundeswehr ei-gentlich braucht.Unter Rudolf Scharping wurden die ersten Schritte indie richtige Richtung unternommen, was die Veränderungbei den Strukturen angeht. Die Besoldungsstufen A 1und A 2 wurden abgeschafft. Diejenigen, die sich im öf-fentlichen Dienst auskennen, wissen, dass es die Besol-dungsstufen A 1 und A 2 sonst nirgendwo gibt. Ichglaube, dieses strukturelle Problem muss man in dernächsten Legislaturperiode einmal angehen. Es hilftnämlich nicht, nur einigen zu helfen. Ich persönlich kannmir vorstellen – darüber diskutieren wir zurzeit –, dassman in der nächsten Legislaturperiode die Besoldung inzwei Schritten strukturell ändert. Wir müssen nicht im-mer neue Dienstgrade und neue Schulterklappen erfin-den, sondern man muss dafür sorgen, dass die vorhande-nen Dienstgrade mit höheren Besoldungsstufen unterlegtwerden.Das würde bedeuten: Die Besoldungsstufen A 3, A 4und A 5 werden nach A 6 angehoben, danach A 6 nachA 7, A 7 nach A 8, A 8 nach A 9, A 9 nach A 10, A 10nach A 11 und A 11 nach A 12. An dieser Stelle kannman aufhören. Diese Anhebung ist notwendig, weil wirin diesem Bereich grundlegende Probleme haben. WirhaKnvddmAAvsd1msgFsettcdItsw–rsumgKhwdpebsdmDh
Das Thema Rechtsschutz ist uns wichtig. Herr Minis-er, Sie haben in den letzten Wochen einen diesbezügli-hen Missstand beseitigt, und das ist gut so. Ich findeas sehr vernünftig. Das haben Sie gut hinbekommen.ch finde es immer gut, wenn Anregungen der Haushäl-er vom Ministerium so schnell aufgegriffen und umge-etzt werden. Das erfüllt uns Haushälter mit einem ge-issen Stolz. Der Kollege Kalb müsste jetzt klatschen.
Er tut es. Wunderbar! – Es ist gut, wenn Haushälter ih-en Einfluss nutzen und dies für die Soldaten so umge-etzt wird. Wichtig ist, dass der Bundeswehrverband annserer Seite gestanden hat, dass man dies zusammenit dem Bundeswehrverband gemacht hat. Deswegenebührt dem Bundeswehrverband, den Kolleginnen undollegen und dem Ministerium, Herr Minister, unsererzlicher Dank, dass da so schnell etwas geregelturde.
Was die Ausrüstung angeht: Wir haben sehr viel füren Schutz der Soldaten getan. Das geschützte Trans-ortfahrzeug Eagle IV ist beschafft worden. Es gehtben nicht immer nur darum, wie es uns die Linken glau-en machen wollen, dass man teures Kriegsgerät be-chafft, sondern vor allen Dingen auch darum, dass manie Soldaten mit Gerät in den Einsatz schickt, das größt-öglichen Schutz bietet.
as gilt übrigens auch für den Puma. Ich glaube, das hatöchste Priorität.
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Johannes KahrsWichtig ist allerdings, dass auch die Industrie dasnicht für einen kurzen Sprint hält, um wieder einmal ei-nen Auftrag zu ergattern. Das hat vielmehr etwas mitMarathonläufen zu tun. Man muss langfristig planen, umvernünftigen Schutz hinzubekommen, sodass er, wenn ergebraucht wird, auch vorhanden ist. Ich glaube, diejeni-gen, die dies betrifft, wissen das.Die unglaubliche Vielfalt an Fahrzeugen, die wir inden Streitkräften haben – Duro, Mungo, Yak, Eagle IV,Dingo –, spricht da Bände. Wenn jede Teilstreitkraft ihreigenes Fahrzeug fordert, dann hat man sowohl bei derLogistik als auch bei der Instandhaltung riesige Pro-bleme. Ich kann das im Einzelfall immer verstehen. Aberdann bestellen wir 44 Fahrzeuge davon, 60 Fahrzeugedavon und 80 Fahrzeuge davon. Als Haushälter sage ich:Das ist der Fluch der kleinen Zahl. Das ist Manufaktur-arbeit. Die Dinger werden immer teurer. Das heißt, wennman etwas will, muss man sich eine Plattform aussu-chen, davon die richtige Menge bestellen und schauen,dass die Teilstreitkräfte damit auskommen und es ver-nünftig machen. Nur dann können auch Verbesserungeneingearbeitet werden. Nur dann lohnt es sich, ein Modellweiterzuentwickeln.Deswegen würde ich mich freuen, wenn das Ministe-rium darauf achtet, dass die Instandsetzungs- und Logis-tikkette nicht aufgebläht wird. Dieser Fluch der kleinenZahlen wird uns verfolgen. Wir als Haushälter müssenda ein bisschen nachhelfen.Ich finde es manchmal schwer, nachzuvollziehen– das ist vorhin schon angesprochen worden –, was mitdem NH 90, dem Tiger, dem A400M und anderen pas-siert. Ich hoffe, dass die Kosten für die späte Ausliefe-rung nicht auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Ichgehe davon aus, dass die Verträge eingehalten werden.Ich glaube nicht, dass wir als Steuerzahler letztendlichdafür geradestehen sollten. Deswegen bitte ich, insbe-sondere auch beim A400M für das Einhalten der Ver-träge zu sorgen.Wir haben schon viel über die Infrastruktur gespro-chen. Ich habe hier häufig über Schwarzenborn geredet.Ganz ehrlich, Herr Minister, ich möchte Sie noch einmaldarum bitten: Es funktioniert noch immer nicht so rich-tig. Wir brauchen immer noch fünf Jahre für eine großeBaumaßnahme und drei Jahre für eine kleine. Wenn manes schaffen würde, in der Kette der Instanzen etwas zu-sammenzulegen, dann bekäme man das irgendwie hin.Noch immer gehen Bauanträge über viel zu vieleSchreibtische. Es gilt immer noch der Spruch: Viele Kö-che verderben den Brei. Historische Informationen kannman beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt inPotsdam oder beim Militärarchiv in Freiburg archivie-ren. Die sollten nicht die Realität bestimmen. Wir müs-sen die Vorschriften ändern. Wir müssen dafür sorgen,dass zivile und militärische Vorgänge zusammengelegtwerden. Es darf nicht fünf Jahre an einem Gebäude gear-beitet werden.Wenn es dann nicht anders klappt, dann sollten wiruns in der Großen Koalition einmal über den Art. 87 bdes Grundgesetzes unterhalten und diese Sache grund-seIPSmtRbsnnzafdhdWnSwwtdfkVtDZBVsmFAmlwdIknhfnttnPfB
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Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inder ersten Lesung dieses Haushaltsentwurfs hat KollegeBonde kritisch zu verschiedenen Einzeltiteln Stellungbezogen, vor allem zu einigen sehr fragwürdigen und be-sonders teuren Rüstungsprojekten. Ich möchte zu einemanderen Punkt Stellung nehmen.Herr Minister, Sie stellen seit mehr als zwei Jahrenden Begriff der vernetzten Sicherheit immer wieder inden Vordergrund. Dieser ist bekanntlich in die entspre-chenden Dokumente der NATO eingegangen. Internatio-nale Krisenbewältigung im Auftrag der Vereinten Natio-nen ist Auftrag und Einsatzrealität der Bundeswehr.Uns ist bekannt, dass heutige Konflikte militärischnicht zu lösen sind, erst recht nicht durch militärischeSiege, sondern nur durch das Zusammenwirken der ver-schiedenen diplomatischen, militärischen, polizeilichenund zivilen Akteure. Deshalb ist der Ansatz der vernetz-ten Sicherheit in der Tat eine Schlüsselvoraussetzung fürerfolgreiche Krisenbewältigung und Gewaltminimie-rung.Der Anspruch ist richtig. Wie steht es um die Wirk-lichkeit? Ich nenne als erstes Beispiel eine Mission, diewir vor zwei Jahren durchgeführt haben. In diesen Tagenjährt sich zum zweiten Mal die Wahl von Joseph Kabilazum Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo.Dass die Wahl damals überraschend friedlich ablief, waruAOrDAZlKWshddsRudnJprmdsUsStulgdATmAmStgvSsMdrwmdld
uf der anderen Seite werden die Warnzeichen schlim-er und beunruhigender. Ich nenne als Beispiel nur dieicherheitsvorfälle, also Anschläge, Gefechte und Rake-enüberfälle. Die Zahl der Sicherheitsvorfälle hat sichegenüber dem Vergleichszeitraum des vorigen Jahreserdoppelt. Fast noch wichtiger ist die Frage, wie dietimmung im Lande ist, wie es um Angst und Ein-chüchterung steht. Hier bekommen wir verschiedeneeldungen, die zeigen, dass Angst und die Distanz zuen Internationalen eindeutig zunehmen.Schließlich lautet der Auftrag von ISAF, ein sichere-es Umfeld zu schaffen. Inzwischen ist die Tendenz ineiten Landesteilen leider gegenläufig. Im nächsten Jahrüssen wir wegen der Wahlen mit einer Verschärfunger Situation rechnen. Die Frage an die Bundesregierungautet: Was tut sie zusammen mit ihren Partnern, umiese negative Dynamik aufzuhalten und möglichst um-
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Winfried Nachtweizukehren? Ich appelliere ausdrücklich an Sie: Nutzen Siedie relative Winterruhe, um neue ressortübergreifendeInitiativen und Anstrengungen zu entwickeln, und war-ten Sie nicht darauf, bis Obama bzw. die neue US-Admi-nistration kommt, die zwar neue Chancen bietet, aberauch Ansprüche stellen wird.
Der Ansatz der vernetzten Sicherheit muss sich inStrukturen und Fähigkeiten abbilden. Aber wie sieht daskonkret aus? Ein gemeinsames integriertes Lagebild beiKrisenengagements – Fehlanzeige. Gemeinsame Planungim Vorfeld – Fehlanzeige. Gemeinsame Wirkungsanaly-sen als Antwort auf die Frage, was dabei herauskommt –Fehlanzeige. Hie und da gibt es zwar eine Evaluation,aber keine gemeinsame Wirkungsanalyse.Mit der Bundeswehrtransformation wird das ehr-geizige Ziel verfolgt, dass in einigen Jahren bis zu14 000 Soldaten gleichzeitig bei bis zu fünf Stabilisie-rungseinsätzen über längere Zeit eingesetzt werdenkönnen. Wenn von Stabilisierungseinsätzen die Rede ist,dann stellt die Staatsaufbauunterstützung einen zen-tralen Bereich dar. Das bekommt man nicht einfach mitgutem Willen hin oder indem man bei einer Telefonkon-ferenz verschiedene Polizeidienststellen fragt, wer dennmal Zeit hat bzw. wer entbehrlich ist. Nein, so geht esnicht. Vielmehr muss man sukzessive entsprechende Fä-higkeiten aufbauen und besonders qualifiziertes Personalzur Verfügung stellen, das schnell einsatzbereit ist.Die EU hat in diesem Zusammenhang bemerkenswer-terweise sogenannte zivile Planziele 2008 und 2010 fürzentrale Bereiche der Unterstützung des Staatsaufbausaufgestellt. Wir haben in diesem Zusammenhang bei derBundesregierung nachgefragt, wie das auf bundesdeut-scher Ebene aussieht. Denn wenn die EU so etwasmacht, dann müssen doch auch wir solche Planziele ent-wickeln. Aber Fehlanzeige! Das hält man nicht für not-wendig.Der umfassende Ansatz von vernetzter Sicherheitwird von Ihnen, Herr Minister Jung, im Mund geführt.Mir ist aufgefallen, dass die Bundeskanzlerin in der ers-ten Beratung des Haushaltes und auch heute diesen Be-griff ebenfalls aufgenommen hat. Von anderen Ressort-ministern – ich habe das genau beobachtet – werden Siemit diesem Anspruch beschwiegen. Das muss man sofeststellen.Was folgt daraus? Der Ansatz umfassender vernetzterSicherheit ist offenbar in der Bundesregierung nicht an-gekommen. Das ist nicht nur ein fundamentaler Mangel,sondern das verdunkelt zugleich die Chancen der Tau-senden von Diplomaten, Soldaten, Polizisten und Ent-wicklungshelfern, die sehr verdienstvolle und gute Ar-beit in den Krisenregionen leisten, erfolgreich tätig zusein. Dazu sind wir verdammt noch mal verpflichtet.
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Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-ung:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Kollege Nachtwei, gestatten Sie mir eineleine Vorbemerkung, bevor ich auf den Haushalt zuprechen komme. Ich finde, dass wir in Bezug auffghanistan unser Licht nicht unter den Scheffel stellenollten. Ich verwende bewusst diesen von Ihnen ge-rauchten Ausdruck. Wir haben im Jahre 2003 als Ersteegonnen, die vernetzte Sicherheit in Afghanistan zuealisieren. Wir haben die Wiederaufbauteams in Kun-uz und in Faizabad gegründet. Wir haben die Dingeeiter fortentwickelt. Wir haben dafür gesorgt, dass esinen gemeinsamen, internationalen Konsens gibt. Ichtimme Ihnen zu, dass das für Gesamtafghanistan nochesser implementiert werden muss. Aber wir haben beins beispielsweise nicht nur die Abstimmung auf Staats-ekretärsebene, sondern haben auch den Einsatzfüh-ungsstab, in dem auch die anderen Ressorts entspre-hend tätig sind, sodass wir gerade auf diesem Gebieteiterkommen. Wie Sie wissen, haben wir auch den An-eil für den Bereich Entwicklung in Afghanistan in die-em Jahr auf 170 Millionen Euro erhöht. Deshalb findech, dass es richtig und klug ist, dass wir diese Strategie,ie wir auch im Weißbuch als Bundesregierung einheit-ich beschlossen haben, in Afghanistan umsetzen. Dennur so werden wir erfolgreich sein.
Jetzt zum Haushalt. Ich denke, wir haben mit diesemaushalt eine gute Grundlage dafür geschaffen, dass un-ere Bundeswehr weiterhin einsatzfähig und leistungsfä-ig bleibt, dass wir unsere Soldatinnen und Soldaten gutusbilden und gut ausrüsten können und dass sie auch inukunft eine positive Motivation für ihren schwierigeninsatz haben.Meine sehr verehrten Damen und Herren, da wir jetztber eine Erhöhung der Mittel um 1,7 Milliarden Euro,ür die ich dankbar bin, sprechen, sollten wir auch zurenntnis nehmen, dass die Herausforderungen für dieundeswehr enorm gestiegen sind. Beispielsweise isticht jedermann in unserem Land bewusst, dass ich iniesem Sommer mit dem 17. Einsatzkontingent den50 000 Soldaten der Bundeswehr in einen Auslands-insatz geschickt habe.Daran wird, wie ich finde, deutlich, welch enormeerausforderungen auf die Bundeswehr zukommen, seis durch unseren Einsatz in Afghanistan, sei es durch un-eren Einsatz auf dem Balkan, also im Kosovo und inosnien-Herzegowina, sei es durch unseren Einsatz vorer Küste des Libanon, sei es durch unseren Einsatz un-er OEF-Mandat am Horn von Afrika oder die Operationctive Endeavour im Mittelmeer, sei es durch unsere
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Bundesminister Dr. Franz Josef JungEinsätze im Sudan, in Darfur, oder in Georgien. Eineweitere Herausforderung, über die gegenwärtig disku-tiert wird und auf die wir uns notwendigerweise vorbe-reiten müssen, ist die Mission zur Piraterie vor derKüste Somalias.
– Ja, gegen die Piraterie.Frau Kollegin Hoff, zu diesem Thema möchte ichnoch Folgendes sagen: Die Verteidigungsminister habendarüber auf europäischer Ebene diskutiert. Dabei habeich gespürt, dass diese Frage nicht nur in Deutschlandder rechtlichen Klärung bedarf. Ich halte es für notwen-dig und richtig, dass wir einen klaren Operationsplan,klare Einsatzregeln und eine klare Rechtsgrundlage fürdas Handeln unserer Soldatinnen und Soldaten haben.Dafür zu sorgen, ist unser Bestreben. Auf dieser Grund-lage werden wir dann das Parlament bitten, einem sol-chen Einsatz zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass dieEinsatzfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Bundeswehrgroß sind. Dann ist es auch notwendig, dass wir diesozialen Rahmenbedingungen für unsere Soldatinnenund Soldaten den Anforderungen an sie einigermaßenanpassen. Das tun wir mit dem vorliegenden Haushalt.Was heißt das? Das heißt, dass wir den Tarifvertragfür den öffentlichen Dienst jetzt auch auf unsere Solda-tinnen und Soldaten und auf die zivilen Mitarbeiter derBundeswehr übertragen. Das ist eine kluge Entschei-dung, stellt für den Verteidigungshaushalt allerdings eineenorme Belastung dar. Dennoch halte ich es für notwen-dig, dafür zu sorgen, dass auch unsere Soldatinnen undSoldaten und die zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr andieser Entwicklung teilhaben.Wir verfügen über eine Armee, die – wenn ich das sosagen darf – gegenseitig ausgebildet und ausgerüstetworden ist. Die Bundeswehr hat sich nach der deutschenEinheit, die wir zum Glück erreicht haben, in hervorra-gender Art und Weise integriert. Heute haben wir nichtnur eine Bundeswehr für unser gesamtes Vaterland, son-dern wir leisten auch einen Beitrag dazu, dass innerhalbder Bundeswehr die Angleichung der Ost- an dieWestbesoldung vorgenommen wird. Das ist, wie ichdenke, eine gute Grundlage, die wir mit diesem Haushaltbeschließen.
Meine Damen und Herren, es findet auch eine struk-turelle Entwicklung statt. Dieser Haushalt enthält7 000 Beförderungsmöglichkeiten. Dabei wurde auchdie Situation berücksichtigt, dass unsere Soldatinnenund Soldaten in einer Gefahrensituation besonders ge-fordert sind. Es ist richtig, dass wir darüber hinaus eineErhöhung des Auslandsverwendungszuschlags vorneh-men. Natürlich geht es nicht nur um das Finanzielle; dasinucergbelDidügtnfbuVpdfddwdzVzBBVDhwdhJFtfzgDwS
Auch den Wehrsold konnten wir um 2 Euro pro Tagrhöhen; dafür bin ich dankbar. Im Rahmen der Dienst-echtsneuordnung haben wir außerdem, wie vom Kolle-en Kahrs bereits angesprochen wurde, Stellenzulagenerücksichtigt: eine Stellenzulage für die Spezialkräfte,ine Stellenzulage für die Transportpiloten und eine Stel-enzulage für die Ärzte.Ich stimme Ihnen aber in einem Punkt natürlich zu:abei geht es nicht nur um die Stellenzulage, sondernch habe sowohl den Inspekteur Sanitätsdienst als auchen Inspekteur der Luftwaffe gebeten, dass wir nochber gemeinsame Veränderungen von Rahmenbedingun-en sprechen, um dadurch eine zusätzliche Attraktivi-ätssteigerung zu erreichen; denn es ist sinnvoll undotwendig, dass wir auch in Zukunft hervorragendes undachlich qualifiziertes Personal in der Bundeswehr ha-en. Dieses brauchen wir zur Erfüllung unseres Auftrags,nd deshalb kommen die Stellenzulage, aber auch dieeränderung von Rahmenbedingungen hinzu, um eineotenzielle Personalnot in Zukunft wirkungsvoll verhin-ern zu können.
Es wurde angesprochen, dass wir den Rechtsschutzür unsere Soldatinnen und Soldaten verbessert haben,ass wir das Kasernensanierungsprogramm West durchiesen Haushalt ebenfalls weiter vorantreiben – ichürde mir wünschen, dass auch dort das eine oder an-ere vielleicht noch ein Stück zügiger geht; das ist sofortugestanden – und dass wir auch dem Kriterium derereinbarkeit von Familie und Dienst unseren Blickuwenden; denn es sind jetzt 15 000 Soldatinnen in derundeswehr. Dies ist mit Sicherheit ein Gewinn für dieundeswehr, und ich glaube, dass wir dem Kriterium derereinbarkeit von Familie und Dienst, wie wir es in derienstvorschrift Innere Führung auch formuliert haben,ier in Zukunft konkreter Rechnung tragen sollten.
Dazu gehört dann auch der investive Anteil. Natürlicherden wir durch diese Auslandseinsätze herausgefor-ert, aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bineute noch froh darüber, dass wir bereits Ende desahres 2006 entschieden haben, nur mit geschütztenahrzeugen in Afghanistan zu fahren. Wie viele Solda-en haben überlebt, weil sie im Dingo oder im Fuchs ge-ahren sind? Wir haben jetzt rund 700 geschützte Fahr-euge in Afghanistan. Wir haben den ursprünglicheplanten Anteil von 30 Dingos auf 100 Dingos erhöht.as hat auch etwas mit Kosten zu tun.Deshalb werbe ich auch um Verständnis dafür, dassir, wenn wir den Schutz für unsere Soldatinnen undoldaten verbessern wollen, dafür auch die notwendigen
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Bundesminister Dr. Franz Josef Jungfinanziellen Grundlagen brauchen. Mit diesem Haushaltwerden die Grundlagen dafür gelegt.
Ich finde, all diese Punkte gehören zusammen. Durchsie wird die notwendige finanzielle Grundlage darge-stellt, die benötigt wird, damit die Bundeswehr ihrenAuftrag zum Schutz unserer Interessen – sei es im Rah-men der Auslandseinsätze, sei es zum Schutz Deutsch-lands und zur Gewährleistung von Frieden, Recht undFreiheit – auch in Zukunft weiterhin erfüllen kann. Des-halb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Haushalt.Besten Dank.
Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir heute über den Haushaltsansatz 2009 spre-
chen, dann sprechen wir auch über die Bilanz von drei
Jahren Verteidigungspolitik unter Verteidigungsminister
Jung.
Wenn ich mir diese Bilanz anschaue, dann kann ich
zunächst einmal sagen, dass es in der Zwischenzeit mehr
Auslandseinsätze gibt. Gleichzeitig haben wir die Si-
tuation, dass die Zahl der Fragen der Soldatinnen und
Soldaten über die Perspektiven dieser Einsätze zuge-
nommen hat. Dem muss man sich auch stellen.
Das bedeutet, dass vor allen Dingen die diplomati-
schen und politischen Anstrengungen vor allem zur
Flankierung immer dann drastisch ausgeweitet werden
müssen, wenn man die Bundeswehr in einen Einsatz
schickt. Das ist etwas, was wir ganz augenfällig bei dem
Einsatz im Kongo zu verzeichnen haben. Der Kollege
Nachtwei hat das angesprochen. Herr Minister, ich sage
aber auch hinsichtlich Afghanistan: Wir haben die Man-
date gerade wieder beschlossen, und ich habe ein biss-
chen den Eindruck, dass jetzt Funkstille herrscht.
Mit dem Militär allein werden wir die Herausforde-
rungen dort nicht bewältigen. Deswegen ist es wichtig,
in Afghanistan vor allen Dingen die nichtmilitärischen
Mittel zu forcieren. Sie haben es selbst gesagt: Es geht
jetzt um die Umsetzung des vernetzten Ansatzes. Genau
diese Umsetzung muss gelingen. Das heißt: Jetzt müssen
bei der Ausbildung von Militär und Polizei die notwen-
digen Anstrengungen unternommen werden. Jetzt müs-
sen die Weichen dafür gestellt werden, dass im Frühjahr
die Umsetzung des verstärkten Wiederaufbaus tatsäch-
lich gelingt.
Jetzt entscheidet sich, ob wir Erfolg haben werden
oder ob die Situation in Afghanistan noch schwieriger
wird. Jetzt, Herr Minister, muss gehandelt werden, nicht
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Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist
olgender: Wenn ich Ihre Amtszeit und auch dieses Jahr
etrachte, dann habe ich das Gefühl, es gibt ein – ich for-
uliere es einmal positiv – etwas angestrengtes Verhält-
is zum Parlament. Oft genug erleben wir, dass wir
nformationen nicht erhalten, sondern dass zunächst
inmal irgendwie die Presse informiert wird. Jetzt haben
ir wieder eine solche Situation. Im Zusammenhang mit
er Diskussion über ein neues Mandat zur Piraterie-
ekämpfung vor Somalia erfahren wir aus der Zeitung,
ass Sie offensichtlich 1 400 Soldaten dorthin schicken
ollen. In der Rede, die Sie hier gehalten haben, sind Sie
arauf nicht eingegangen.
Im Übrigen haben Sie im Rahmen der Haushaltsbera-
ungen auch nicht die Frage beantwortet, wie dieser zu-
ätzliche Einsatz denn finanziert werden soll. Hierzu
age ich für meine Fraktion ganz deutlich: Wir sind nicht
ereit zu akzeptieren, dass das wieder alles aus dem Ein-
elplan 14 erwirtschaftet werden muss und damit zulas-
en von Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten im
insatz geht. Das kann nicht sein, Herr Minister.
Wenn ich mir die Diskussion um die Piraterie vor
omalia anschaue, dann frage ich mich, warum Sie ei-
entlich nicht handeln. Ich zitiere den Herrn Parlamenta-
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Es geht darum, dass wir unsere Verpflichtungen, diewir im Seerechts-Übereinkommen übernommenhaben, von denen machen lassen, die das auch kön-nen.r meinte damit die Bundeswehr. Die Bundeswehr, dieeutsche Marine, ist vor Ort, Herr Minister. Sie ist vorrt im Rahmen von OEF und der Standing NATO Mari-ime Group. Warum darf die deutsche Marine sich ei-entlich nicht an dem beteiligen, was alle Partnernatio-en dort machen? Es gibt eine einfache Antwort: weilie die Marine nicht lassen. Die rechtlichen Vorausset-ungen für einen solchen Einsatz sind längst vorhanden.ir haben das Seerechts-Übereinkommen Mitte der0er-Jahre ratifiziert. Das ist Bestandteil von Art. 25 desrundgesetzes, antwortet die Bundesregierung, also Be-tandteil des allgemeinen Völkerrechts und damit unmit-elbar gültig. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Es ist nichtinnehmbar, dass die Bundesregierung unsere Soldatin-en und Soldaten vor Ort im Hinblick auf die Kollegin-en und Kollegen aus anderen Nationen immer wieder inchwierige Situationen bringt. Die Bundesregierung bla-iert die Bundeswehr bis auf die Knochen. Wir fordernie auf: Machen Sie endlich Schluss damit und gebenie den Soldatinnen und Soldaten vor Ort eine klareandlungslinie.
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Birgit HomburgerHerr Präsident, ich komme zum Schluss und fasse zu-sammen: Es gäbe zu diesem Etat noch viel zu sagen.
Bevor die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wieder fragt,weil sie nicht auf die Abstimmung warten kann, sageich: Wir haben auch in diesem Jahr wieder die falscheSchwerpunktsetzung im Etat moniert. Der Vorwurf derfalschen Schwerpunktsetzung gilt auch für die Politikder letzten drei Jahre. Es waren drei verlorene Jahre.
Deswegen können Sie nicht davon ausgehen, dass wirdiesem Etat zustimmen.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Merten von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirhaben im Laufe dieser Debatte auch über die Rahmenbe-dingungen gesprochen, die sicherstellen, dass die Bun-deswehr, die sich um die Besten bemühen muss, diesauch tun kann.Das personelle Eignungsprofil unserer Soldatenwird künftig durch die Beherrschung militärischer Fä-higkeiten, durch moralisch-ethische Integrität, geistigeFlexibilität und lebenslanges Lernen gekennzeichnetsein. Sprachkenntnisse, interkulturelle und soziale Kom-petenz, Innovationsfähigkeit, technisches Verständnis,Leistungs- und Einsatzbereitschaft, psychische und phy-sische Belastbarkeit sind dabei wichtige Voraussetzun-gen, die die Soldatinnen und Soldaten erfüllen müssen.Dabei wissen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen:Der Geburtenrückgang wirkt sich mittlerweile deutlichauf das Bewerberaufkommen für einen Dienst in denStreitkräften aus. Im Ergebnis wird der demografischeWandel fast unvermeidlich zu einer Umkehrung derWettbewerbsposition führen. Qualifizierte Arbeitskräftewerden in wenigen Jahren ein knappes Gut sein. Deshalbsind schon heute erhebliche Anstrengungen und neueKonzepte erforderlich, um in Zukunft ausreichend quali-fizierten Nachwuchs für die Streitkräfte zu gewinnen.Zum Konzept der Vereinbarkeit von Familie und Be-ruf bzw. Familie und Dienst ist schon einiges gesagtworden. Deshalb will ich mich auf eine Bemerkung be-schränken, die mir sehr wichtig erscheint. Ich glaube,der Mentalitätswandel wird von allen – sicherlich auchvon den Soldatinnen und Soldaten – positiv vermerkt.WeerrBbdnslSrdAphgaGMBDan1btwdksddsAawwtKEdepündl
Wir haben Anfang des Jahrzehnts ein Attraktivitäts-rogramm mit der Neuordnung der Laufbahn, der An-ebung der Eingangsbesoldung und den zahlreichen An-eboten der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildungufgelegt. Damit wurde ein wichtiger Eckpfeiler für dieewinnung junger bildungsorientierter und engagierteränner und Frauen für den freiwilligen Dienst in derundeswehr geschaffen. Die Möglichkeit, zu Beginn derienstzeit in der Bundeswehr eine Berufsausbildung zubsolvieren, wird von sehr vielen jungen Menschen ge-utzt. So stehen seit einigen Jahren ständig circa0 000 Soldatinnen und Soldaten in der beruflichen Aus-ildung.Jedes Jahr verlassen circa 25 000 ausgebildete Solda-innen und Soldaten die Bundeswehr, häufig mit einerährend der Dienstzeit erworbenen Qualifikation aufer Meisterebene. Deswegen glaube ich, dass die Fähig-eiten, die in der Bundeswehr erworben werden, auchpäter für die Wirtschaft von unschätzbarem Wert sind.Wenn wir eine ausreichende Zahl von Bewerbern füren freiwilligen Dienst in der Bundeswehr wollen, auser die Besten ausgewählt werden können, dann müssenich jedes Jahr circa 50 000 junge Menschen bewerben.ngesichts der demografischen Entwicklung müssen wirus meiner Sicht aber schon heute darüber nachdenken,ie wir diesen jährlichen Bedarf reduzieren können. Esird uns nichts anderes übrig bleiben.Langfristige Planbarkeit und eine qualitativ hochwer-ige Berufsausbildung sind starke Argumente für einearriere bei der Bundeswehr auf allen Laufbahnebenen.in Weg, um dies zu realisieren, besteht zum Beispielarin, dass die Mannschaftsdienstgrade die Möglichkeitrhalten, sich bis zu zwölf Jahre als Zeitsoldat zu ver-flichten.Der Bundestag hat im letzten Jahr aus dem Berichtber den maroden Zustand der westdeutschen Kaser-en Konsequenzen gezogen. Die Haushaltsmittel füren Bauunterhalt und für Baumaßnahmen wurden deut-ich erhöht. Darüber hinaus wurde ein Infrastruktur-Son-
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Ulrike Mertenderprogramm „Sanierung Kasernen West“ für die Sanie-rung und Modernisierung westdeutscher Kasernenverabschiedet. Hierfür sind für den Zeitraum 2009 bis2011 weitere 542 Millionen Euro eingeplant. Dabei wirdschrittweise ein neuer Unterbringungsstandard realisiert– das wird höchste Zeit –, der den geänderten Anforde-rungen der Bundeswehr an eine zeitgemäße Unterbrin-gung Rechnung trägt. Auch das gehört zur Attraktivität.
Darauf wurde bereits hingewiesen, aber ich möchtedas wiederholen: Es ist sehr bedauerlich, dass die Pla-nungskapazitäten der Bau- und Liegenschaftsbetriebeder Bundesländer in einigen Wehrbereichen nicht ausrei-chend sind, sodass die bereitgestellten Mittel für die Sa-nierung und Modernisierung 2008 nicht genutzt werdenkonnten. Ich hebe das hervor, damit klar wird, dass dasParlament seine Hausaufgaben gemacht hat. Weiterhindringlich bleibt, dass die Modellversuche zum Bau derPendlerappartements realisiert werden, um der großenZahl von Soldatinnen und Soldaten, die nicht mehr an denneuen Standort umziehen – diese Zahl steigt ständig –,eine angemessene Unterkunft zur Verfügung zu stellen.Eine bedrohungsgerechte und moderne Ausrüstungist insbesondere für die Auslandseinsätze von großerBedeutung. Darüber haben wir nicht nur heute das eineoder andere gehört. Mir haben die verantwortlichenKommandeure versichert, dass sie mit der Ausrüstungim Einsatz sehr zufrieden sind. Wenn ein neuer Bedarfauftritt, wird dieser im Rahmen des einsatzbedingten So-fortbedarfes – auch kurzfristig – gedeckt. Aufgrund deserreichten hohen Ausstattungsgrades der Auslandskon-tingente haben sich die Ausgaben in Höhe von fast400 Millionen Euro im Jahr 2003 auf 105 MillionenEuro im letzten Jahr reduziert. An dieser Stelle darf manzu Recht den Mitarbeitern des Bundesamtes für Wehr-technik und Beschaffung für ihre kompetente undschnelle Arbeit bei der kurzfristigen Beschaffung für dieAuslandseinsätze danken. Allerdings sehe ich die Not-wendigkeit, in Zukunft neben dem Ankauf auf demMarkt verfügbarer Produkte langfristig stärker anforde-rungsgerechte Eigenentwicklungen in unsere Überlegun-gen wieder einzubeziehen. Auf einen dieser Aspekte hatKollege Kahrs – aus meiner Sicht zu Recht – hingewie-sen.Bei der Gewährleistung der Sicherheit unseres Lan-des sind wir darauf angewiesen, leistungsfähige Männerund Frauen für den Dienst in der Bundeswehr zu gewin-nen. Dazu gehört – machen wir uns nichts vor – auchund in erster Linie eine auskömmliche Besoldung. Inden letzten Jahren haben wir mit mehreren gesetzlichenNachbesserungen die Voraussetzungen für die Steige-rung der Attraktivität des Dienstes in den Streitkräftengeschaffen; darauf wurde bereits mehrfach hingewiesen.Wir sind im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgeset-zes wichtige Schritte gegangen, um die drohende Ab-wanderung und Abwerbung qualifizierter Kräfte aus derBundeswehr zu verhindern. Wenn wir uns aber auch inZukunft um die Besten bemühen wollen, wird am Endeein Gesamtkonzept stehen müssen, um die AttraktivitätdG–pafbAakgSskdHkEgdauZmDngsevshgrBEtdmtswwhdid
Als letzter Redner zum Einzelplan 14 hat das Wort
er Kollege Hans Raidel von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Lassen Sie mich nur einige ganz kurze Anmer-ungen zu dem Haushalt machen.Wir im Parlament tragen die Verantwortung für dieinsatzfähigkeit der Bundeswehr, und wir habenleichzeitig die Fürsorgepflicht. Daraus ergeben sichrei Themenbereiche, auf die sich unsere besondere Ver-ntwortung erstreckt. Erstens. Reichen die Mittel aus,m Personal und Ausstattung weiterzuentwickeln?weitens. Kann die Bundeswehr in den laufenden undöglichen künftigen Einsätzen erfolgreich bestehen?rittens. Ist die Bundeswehr auch künftig attraktiv ge-ug, um qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl zuewinnen? Vor diesem Hintergrund muss jeder, der die-en Haushalt objektiv beurteilt, feststellen: Der Haushaltntwickelt sich in die richtige Richtung. Wir könneniele Notwendigkeiten, die hier schon dargestellt wordenind, zum Beispiel Lohn-, Gehalts- und Wehrsolderhö-ungen, abdecken. Die Verteidigungsinvestitionen stei-en um rund 620 Millionen Euro. Der Investitionsspiel-aum für die Einsatzfähigkeit, also die militärischeneschaffungen, erweitert sich um rund 600 Millionenuro.Wir sind hier auf einem guten Wege, aber wir sind na-ürlich noch nicht am Ziel. Das weiß jeder, der sich miten Einzelheiten beschäftigt. Wir drücken alle die Dau-en, dass die wirtschaftliche Entwicklung die Nachhal-igkeit, die im Wehretat gefordert werden muss, nichttört. Wir reden heute über den Haushalt 2009, aber wirissen nicht, wie die Entwicklung im nächsten Jahr seinird. Möglicherweise werden die wirtschaftlichen Ver-ältnisse andere Maßnahmen erfordern. Deswegen plä-iere ich dafür, dass wir die Nachhaltigkeit besondersm Auge behalten und bei den Beschaffungen auch aufie Modernisierung achten. Trotz aller positiven
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Hans RaidelArgumente stellen wir fest, dass viele Beschaffungen erstbis zum Jahre 2015 oder zu einem noch späteren Zeit-punkt realisiert werden können. Das heißt, dass der Spiel-raum, den wir im Haushalt haben, nach wie vor eng ist.Gleichwohl plädiere ich sehr dafür, dass wir uns derVerantwortung stellen. Das heißt in erster Linie: Wirstimmen diesem Haushalt zu; denn ohne diese Grund-lage sind alle anderen Vorstellungen nur schöne Reden.Wer sich der Zustimmung zum Haushalt entzieht, kannzwar über die Verantwortung für die Bundeswehr reden,er zeigt aber, dass er nicht willens und bereit ist, sie zutragen. Wir stellen uns dieser Verantwortung und stim-men diesem Haushalt zu.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 14 – Bundesministerium der Verteidigung – in der
Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zu-
erst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag
auf Drucksache 16/11054? – Wer ist dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Änderungsantrag ist damit mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion und der
Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 14 in der Ausschuss-
fassung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Ein-
zelplan 14 ist damit mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen
angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.11 auf:
Einzelplan 23
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung
– Drucksachen 16/10419, 16/10423 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen Borchert
Iris Hoffmann
Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Alexander Bonde
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann können wir so
verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Hellmut Königshaus für die FDP-
Fraktion das Wort.
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Iris Hoffmann
den Asiatischen Entwicklungsfonds und den Internatio-nalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung.Wir weiten aber auch den Spielraum der staatlichenbilateralen Entwicklungszusammenarbeit deutlich aus.Allein die Finanzielle Zusammenarbeit wird im kom-menden Jahr fast 230 Millionen Euro mehr Barmittel zurVerfügung haben. Die Verpflichtungsermächtigungenwerden sogar um gut 300 Millionen Euro erhöht. Damitwurden seit 2005 sowohl die Barmittel als auch die Ver-pflichtungsermächtigungen der Finanziellen Zusammen-arbeit um mehr als 80 Prozent gesteigert.Zudem sind im parlamentarischen Verfahren die Rah-menbedingungen für die Finanzielle Zusammenarbeit er-leichtert worden. Die Haushaltsvermerke und Erläute-rungen wurden so angepasst, dass zukünftig unterbestimmten Voraussetzungen auf den Abschluss völker-rechtlicher Verträge verzichtet werden kann.Diese Maßnahmen ermöglichen es, die Initiativen desG-8-Gipfels in Heiligendamm inhaltlich und finanziellauf breiter Grundlage fortzusetzen. Mit ihnen werdenvor allem die innovativen Instrumente der finanziellenZusammenarbeit wie Zinssubventionen, Programm-orientierte Gemeinschaftsfinanzierung oder auch länder-übergreifende Vorhaben gestärkt.Insbesondere die länderübergreifenden Ansätze wiebeispielsweise der regionale Mikrofinanzfonds fürAfrika werden zukünftig im Rahmen der Umsetzung derParis-Deklaration eine noch größere Bedeutung erfah-ren. Da sich diese Instrumente von der sogenannten klas-sischen bilateralen Finanziellen Zusammenarbeit unter-scheiden, ist für sie im Haushalt 2009 ein neuer, eineigener Titel ausgebracht worden.Sehr geehrte Damen und Herren, gerade angesichtsder zunehmenden Programmorientierung in der interna-tionalen Entwicklungszusammenarbeit ist auch ein Aus-bau der Technischen Zusammenarbeit absolut unab-dingbar. Nur durch den Aufbau von Kapazitäten in denPartnerländern lassen sich beispielsweise Budgethilfenvernünftig vorbereiten, begleiten und nachhaltig in Wertsetzen. Getreu dem Motto: „Man kann nicht das einewollen, ohne das andere zu tun“, wurde deshalb in denparlamentarischen Beratungen der Titel „Technische Zu-sammenarbeit“ gegenüber dem Regierungsentwurf ver-stärkt. Der Barmittelaufwuchs erreicht mit knapp 8 Pro-zent gegenüber dem Vorjahr zwar bei weitem nicht dieSteigerungsraten der Titel der Finanziellen Zusammen-arbeit oder der Weltbank, aber ich denke, mit den nunzur Verfügung stehenden Geldern und den erhöhten Ver-pflichtungsermächtigungen lässt sich vernünftig umge-hen und arbeiten.Wie in den vergangenen Jahren war es auch bei dendiesjährigen Haushaltsberatungen unser Anliegen, dassdie kleineren Programme und die zivilgesellschaftlicheEntwicklungszusammenarbeit angemessen an der positi-ven Entwicklung des Einzelplanes partizipieren. Es wur-den unter anderem die Mittel für die entwicklungspoliti-sche Bildung, die Förderung der Sozialstruktur, diepolitischen Stiftungen, die EntwicklungspartnerschaftenmsshWldwSwmPbbdsDwF2eFhrSeudvugwsmwDjlmSzdrdudvs
Zwei Beispiele für die gute und wichtige Arbeit die-er Organisationen und Institutionen möchte ich heuteerausgreifen. Zunächst zum DGB Bildungswerk.enn Sie sich den Haushalt des Einzelplans anschauen,iebe Kolleginnen und Kollegen, werden Sie feststellen,ass das DGB Bildungswerk namentlich nicht erwähntird. Es ist einer der Träger des Titels „Förderung derozialstruktur“. Dennoch ist die Arbeit des Bildungs-erkes wichtig für die deutsche Entwicklungszusam-enarbeit, insbesondere mit seiner Konzentration aufrojekte zur Durchsetzung von Kernarbeitsnormen, Ar-eitnehmerrechten und internationalen Standards im Ar-eits- und Gesundheitsschutz. Es ist deshalb ein Erfolg,ass maßgeblich auf Bestreben des Parlaments – dasollte hier angemerkt werden – der Baransatz für dasGB Bildungswerk seit 2005 weit mehr als verdoppelterden konnte.
ür 2009 werden die Mittel für das Bildungswerk auf,6 Millionen Euro angehoben. In dieser Richtung solltes in den kommenden Jahren weitergehen.Als zweites Beispiel möchte ich kurz den Zivilenriedensdienst ansprechen. Der Zivile Friedensdienstat sich als ein wichtiges Instrument der Bundesregie-ung zur zivilen Krisenprävention in Ländern wie demudan, Afghanistan oder Nepal bewährt. Die durch ihnntsandten Friedensfachkräfte vermitteln bei Konfliktennd leisten einen ungemein wichtigen Beitrag zum Wie-eraufbau und zur Versöhnung. Folgerichtig wird der Zi-ile Friedensdienst nun ausgebaut, sein Profil geschärftnd seine Wirksamkeit noch weiter verbessert. Das spie-elt sich auch in der Mittelausstattung wider. Für 2009ird der Baransatz um 60 Prozent erhöht.
Abschließend möchte ich noch auf ein Instrument un-erer Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen kom-en, das mir persönlich sehr am Herzen liegt: den ent-icklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“.urch „weltwärts“ bietet sich uns die große Chance,unge Menschen für die Notwendigkeit von Entwick-ungszusammenarbeit zu sensibilisieren. „weltwärts“ er-öglicht es, Begriffe wie internationales Engagement,olidarität oder die Idee von der Einen Welt persönlichu erfahren und bewusst zu leben. Diese Erfahrungen,ie die Jugendlichen durch ihren Einsatz in einem unse-er Partnerländer machen, können in ihrer Bedeutung fürie Akzeptanz von Entwicklungszusammenarbeit beins in Deutschland nicht hoch genug eingeschätzt wer-en.
Es freut mich deshalb sehr, dass „weltwärts“ sowohlon den Freiwilligen als auch von den Entsendeorgani-ationen sehr gut angenommen wird und sich im ersten
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Iris Hoffmann
Jahr seines Bestehens absolut positiv entwickelt hat. DieBilanz nach acht Monaten kann sich sehen lassen: Bereitsmehr als 200 Organisationen haben einen Antrag auf An-erkennung als Entsendeorganisation gestellt, 164 wurdenschon zugelassen. Knapp 2 500 der 3 000 eingereichtenAnträge auf Einsatzplätze wurden anerkannt. Mehr als10 000 junge Leute haben sich für einen Einsatz bewor-ben, über 1 500 sind ausgereist. Die ersten Teilnehmersind bereits zurückgekehrt. – Ich kann die Lektüre derErfahrungsberichte auf der Homepage von „weltwärts“eigentlich nur jedem wärmstens empfehlen und nahele-gen.Der Freiwilligendienst ist also auf einem guten Wegund wird planmäßig weiter ausgebaut. Die Barmittelan-sätze für das kommende Jahr wollen wir dementspre-chend um 20 Prozent anheben.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen: Für dasJahr 2009 ist der Entwicklungshaushalt gut aufgestellt.Aber es ist ganz klar, dass wir uns auf diesen Erfolgennicht ausruhen dürfen und werden, sondern dass wir ge-meinsam alle Anstrengungen unternehmen müssen, da-mit diese Entwicklung in den kommenden Jahren unterden erschwerten gesamtwirtschaftlichen Bedingungenfortgesetzt werden kann. Ich bin davon überzeugt, dasswir nicht nur im Interesse unserer Partnerländer, sondernauch in unserem eigenen Interesse alles daransetzenmüssen, die Entwicklungszusammenarbeit weiter voran-zubringen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Hüseyin Aydin für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!Der Etat des Entwicklungsministeriums soll imJahr 2009 gegenüber dem letzten Jahr um 12 Prozentsteigen. Allerdings bleibt es bei einer ODA-Quote von0,37 Prozent. Damit wird nicht, wie von Frau Merkel inHeiligendamm vollmundig versprochen, die Anhebungder Entwicklungshilfe bis zum Jahre 2010 auf 0,51 Pro-zent des Bruttoinlandsprodukts erfolgen. Das wurde ver-kündet, aber nicht eingehalten. Das zeigt, wie wichtigbzw. – genau genommen – unwichtig Ihnen die Entwick-lungshilfe ist.
Sie könnten, wenn Sie wollten. Das zeigt die Höheder Bürgschaften zur Rettung der Banken. Derzeit hun-gern 932 Millionen Menschen auf der Welt. 23 Milliar-den Euro pro Jahr wären nötig, um dieses Problem zu lö-sen, sagte Jacques Diouf, der Generaldirektor der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft. DasRettungspaket der Regierungen Deutschlands, EnglandsuEpHMvtlaUlcAfhg3mdRfzgWnEstDduhGDkssbHdIjsettLdHnws
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!um Abschluss der Haushaltsberatungen 2009 möchtech mich sehr herzlich bei meiner Kollegin und Mitbe-ichterstatterin Iris Hoffmann bedanken. Unsere Zusam-enarbeit in den letzten vier Haushaltsberatungen warmmer sehr offen und konstruktiv. Liebe Iris, herzlichenank für die gute Zusammenarbeit.
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Jochen BorchertGenauso will ich mich aber auch bei den Kollegen deranderen Fraktionen bedanken. Ich denke, die diesjähri-gen Beratungen haben wieder gezeigt, dass die Kollegenim Haushaltsausschuss über die Fraktionsgrenzen hin-weg ein großes Interesse an der Entwicklungszusam-menarbeit haben und sich engagiert dafür einsetzen.
Für diese gute und erfolgreiche Arbeit möchte ich michbei allen sehr herzlich bedanken.Unser Dank gilt aber auch Ihnen, Frau Ministerin,und Ihrem Hause. Auf unsere vielfältigen Fragen habenwir immer ausführliche und offene Informationen be-kommen. Das machte uns die Arbeit leichter, Ihre gele-gentlich schwerer. Vor allem machte es Ihnen und IhremHaus mehr Arbeit. Herzlichen Dank für die gute Zusam-menarbeit. Der Ministerin gilt aber auch Dank dafür,dass sie sich so engagiert für die wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung einsetzt, und das auch, wennes um die hart umkämpften Haushaltsmittel geht.Unterstützt durch unsere Bundeskanzlerin, der dieEntwicklungszusammenarbeit am Herzen liegt, ist derEtat des BMZ während der Großen Koalition um gut50 Prozent gestiegen. Das sind rund 2 Milliarden Euromehr als im letzten Etat der rot-grünen Regierung. Icherspare es mir, jetzt auf die Argumente der Linken einzu-gehen. Ich denke, das lohnt nicht.
Einschließlich der Mittel in anderen Etats stehen derBundesregierung insgesamt fast 2,6 Milliarden Euromehr für die Entwicklungspolitik zur Verfügung als nochim Jahr 2005.
Ich denke, das ist überaus erfreulich, stellt uns aber auchvor einige Herausforderungen. Denn die zusätzlichenODA-Mittel sind nicht nur im Einzelplan 23 veran-schlagt. Auch im Etat des BMU und des AuswärtigenAmtes sind die ODA-Mittel stark angewachsen. Auchim Forschungsministerium sind Mittel für die wirtschaft-liche Zusammenarbeit etatisiert.Diese Diversifizierung darf nicht zu einer Zersplitte-rung der EZ führen. Wer mit ODA-Mitteln arbeitet,muss die entwicklungspolitische Ausrichtung gewähr-leisten. Das bedeutet, es muss einheitliche Verfahren undRichtlinien für den Einsatz dieser Mittel geben. Es kannnicht sein, dass innerhalb der Bundesregierung unter-schiedliche Regeln für den Umgang mit ODA-Mittelnherrschen. Das würde der Entwicklungszusammenarbeitund unserem internationalen Ansehen schaden. Ichdenke, nie war Kohärenz in der Entwicklungspolitik derBundesregierung so wichtig wie heute; denn Entwick-lungspolitik ist eine echte Querschnittsmaterie und einwichtiger Baustein unserer internationalen Politik, unse-rer globalen Strukturpolitik. Die Beratungen im Haus-haltsausschuss haben auch gezeigt, Herr KollegeKönigshaus, dass die Bundesregierung dies erkannt haturDslAAusPrvfbmzAsdDzMhawaBsbDwsdEdGlBmBF
a greife ich gerne Ihre Kritik auf.Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf zwei Themen-chwerpunkte möchte ich eingehen: Afrika und die länd-iche Entwicklung.Nicht erst seit dem G-8-Gipfel in Heiligendamm stehtfrika im Fokus der Entwicklungszusammenarbeit.uch hier gab es ein klares Bekenntnis der Kanzlerinnd der Ministerin, die Hilfe für Afrika massiv aufzu-tocken. Dies geschieht völlig zu Recht, sind doch dierobleme auf dem afrikanischen Kontinent am schwie-igsten. Aber man darf dabei die anderen Regionen nichternachlässigen, vor allem die Länder, die auf einem er-olgreichen Entwicklungspfad sind. Gerade diese Länderrauchen unsere Unterstützung jetzt am nötigsten, umöglichst schnell völlig unabhängig von unserer Hilfeu werden. Dies muss doch das eigentliche Ziel unsererrbeit sein.
Auch die Schwellenländer brauchen da unsere Unter-tützung, natürlich eine angepasste Hilfe. Es kann nichtie gleiche Unterstützung sein.
a geht Ihre Kritik ins Leere. Natürlich ist die Unterstüt-ung in den Schwellenländern der Situation angepasst.it genau angepassten Maßnahmen wollen wir ihnenelfen, den Weg weiterzugehen und am Ende völlig un-bhängig von unserer Hilfe zu werden.
Auch wenn Afrika im Fokus steht, leben – dies dürfenir nicht vergessen – zwei Drittel aller absolut Armenuf dem asiatischen Kontinent. Dies gerät leicht aus demlickfeld, wenn nur das Wachstum und die technologi-che Entwicklung in einigen asiatischen Ländern die De-atte bestimmen.Lassen Sie mich zu Afrika zurückkommen, vor alleningen zu Afrika südlich der Sahara. Staatskrisen, be-affnete Konflikte, Naturkatastrophen, HIV/Aids, Ver-chuldung, Kapitalflucht, unausgewogene Regelungenes Welthandels, dies sind nur einige Aspekte, die dientwicklung der Gesellschaften und der Wirtschaft iniesen Ländern hemmen. Die momentane Antwort derebergemeinschaft darauf ist: mehr Geld. Darüberässt sich trefflich streiten. Es gibt auch Fachleute undetroffene, die der Meinung sind: Afrika braucht nichtehr Geld, sondern mehr Bildung, mehr Wissen, mehreratung.
Worüber man aber trefflich streiten kann, ist dierage, wie die Partnerländer das Geld bekommen sollen.
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Jochen BorchertIm Mittelpunkt dieser Diskussion steht vor allen Dingendie Budgethilfe. Sie wissen, dass es über Fraktionsgren-zen hinweg Befürworter und Kritiker dieses entwick-lungspolitischen Instrumentes gibt. Beide Seiten habengute Gründe. Je nachdem, wie die Situation und die Ent-wicklung der parlamentarischen Demokratie, derRechtsstaatlichkeit, der Haushaltskontrolle, der Schat-tenhaushalte, der Korruption und weiterer Kriterien, diewir unter Good Governance zusammenfassen, beurteiltwerden, kommt man zu sehr unterschiedlichen Ergebnis-sen. Das BMZ hat Good-Governance-Kriterien für dieVergabe der Budgethilfe entwickelt. Wir unterstützendieses Vorgehen, und wir erwarten, dass diese Kriterienstrikt eingehalten werden, auch dann, wenn es manchmalunbequem wird.
Es geht dabei nicht darum, dass wir unsere Hilfe fürdiese Länder kürzen wollen. Die Entscheidung drehtsich einzig und allein um die Wahl des Instrumentes. Wirmüssen die Situation vor Ort sehr genau überprüfen, umherauszufinden, welches das richtige Instrument ist.Grundsätzlich bin ich der Meinung: Solange wir nochkeine belastbaren Ergebnisse über die Budgetfinanzie-rung haben, sollten sich sowohl die Exekutive als auchdas Parlament die Mühe machen, jeden Einzelfall zu be-trachten und dann zu entscheiden.
Lassen Sie mich bei der Wahl der Instrumente nochauf einen anderen Aspekt hinweisen, der bei den diesjäh-rigen Haushaltsberatungen wieder ein Thema war: dieAufteilung zwischen multilateraler und bilateraler Hilfe.Ich halte unsere Arbeit bei den wichtigen multilateralenOrganisationen für wichtig. Ich halte es aber für genausowichtig, unsere bilaterale staatliche Hilfe und die Unter-stützung der zivilgesellschaftlichen Gruppen zu stär-ken. Wir haben in den vergangenen Jahren in diesem Be-reich in der parlamentarischen Beratung immer wiederVeränderungen vorgenommen. Vor allem haben wir unsimmer wieder darum bemüht, die Etats der zivilgesell-schaftlichen Gruppen so zu gestalten, dass sie am allge-meinen Etataufwuchs teilhaben. Vor allem Kirchen undStiftungen leisten eine wichtige Entwicklungszusam-menarbeit, und sie sollten an diesen Steigerungen betei-ligt werden.
Sie können in Bereichen tätig werden, in denen es derstaatlichen Hilfe, aber auch den multilateralen Organisa-tionen eben nicht in diesem Umfang möglich ist. Des-halb brauchen wir eine starke bilaterale EZ und starke zi-vilgesellschaftliche Gruppen.
Sie werden verstehen, dass ich dem Thema „länd-liche Entwicklung“ besonders verbunden bin. Nicht nurmeine Nähe zu diesem Thema, sondern auch seine Aktu-alität und Bedeutung lassen mich hier einen Schwer-punkt setzen. 75 Prozent der ländlichen Bevölkerung inEntwicklungsländern leben in extremer Armut. Gleich-zgwEvmEddVNswdgsesrKurnPsVttnidslwhsmAtUSndbFskHSggVEnwRHg
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Wir haben eine globale Verantwortung und dürfenuns jetzt nicht hinter den Herausforderungen der Finanz-krise verstecken. Deshalb plädiere ich dafür und unter-stütze Sie, Frau Ministerin, gern darin, dass wir an derFortschreibung der Steigerungsraten bei den ODA-Mit-teln dringend festhalten müssen. Denn Entwicklungs-politik ist keine Einbahnstraße. Sie ist eine Investition indie Zukunft der Entwicklungsländer und in die ZukunftDeutschlands.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Thilo Hoppe für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Borchert, Sie sind gerade stark auf dieländliche Entwicklung eingegangen. Da sprechen Siemir aus dem Herzen.
Das möchte ich mit Nachdruck unterstützen. Ich habedieses Thema jetzt nicht besonders herausgegriffen, weilwir höchstwahrscheinlich in der nächsten Woche überzwei oder drei Anträge zur ländlichen Entwicklung dis-kutieren werden.In einem Punkt möchte ich Ihnen aber widersprechen.Sie haben einen Gegensatz zwischen der Unterstützungfür ländliche Entwicklung und Maßnahmen gegen denKlimawandel aufgebaut. Dies muss konsequent zusam-mengebracht werden. Auch Sie wissen: Die Art undWeise, wie Landwirtschaft betrieben wird, kann entwe-der ein Beitrag zum Klimaschutz sein, wenn sie denn an-gepasst ist, oder kann das Klimaproblem verschärfen.Einerseits sollen mehr Gelder für ländliche Entwicklungbereitgestellt werden – das ist absolut richtig und gut –,aber wir sehen mit Sorge, dass andererseits Programmeangeschoben werden nach dem Motto: Wir düngen dieWelt mit Stickstoffdünger, wir überziehen die Welt mitPestiziden und Insektiziden.
Dies kann ein Beitrag sein, der die Klimakatastrophe so-gar verschärft. Wir brauchen also eine angepasste grüneRevolution im doppelten Sinne, auch eine ökologischegrüne Revolution.
Wenn man die Summen auf sich wirken lässt, über dievon diesem Pult und in diesem Haus in den letzten Tagenund Wochen im Rahmen der Finanzmarktdebatten undim Rahmen der Debatten über die Konjunkturpro-gramme diskutiert wurde, dann fällt es ein bisschenschwer, jetzt in die Detailarbeit zu gehen und über dievddi5atWFlmzwrlDndTngAfAfgmKumAtteüddreArnnsdra
ir diskutieren im Entwicklungsausschuss über einünftel der Menschheit, über Menschen in Entwick-ungsländern, die mit 350 Dollar im Jahr auskommenüssen und damit ihre Familien durchbringen müssen.Wir befinden uns in einer Zeit ungeheurer Turbulen-en auf den Finanzmärkten, die zunehmend die Real-irtschaft erfassen. Präsident Lula hatte leider nichtecht, als er sagte, dass die Entwicklungs- und Schwel-enländer von dieser Krise verschont bleiben würden.ie ärmsten Staaten befürchten, dass die ODA-Zusagenicht eingehalten werden, dass die Gelder gekürzt wer-en. In Japan und vielen anderen Ländern sind solcheendenzen schon zu beobachten.Bedrückend ist die Befürchtung, dass durch die Fi-anzkrise die Bekämpfung des Klimawandels, des Hun-ers und der extremen Armut ins Abseits gedrängt wird.n diesem Wochenende findet die Internationale Kon-erenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha statt.ber über diese Konferenz liest man in den Zeitungenast nichts. Sie ist jetzt schon ein bisschen ins Abseitsedrängt worden. Deshalb ist es enorm wichtig, dassan jetzt alle Kraft in diese Konferenz steckt. Von dieseronferenz muss das folgende Signal ausgehen: Wir sindns unserer Verantwortung bewusst. Wir werden ge-einsam mit den Entwicklungs- und Schwellenländernuswege aus der Krise suchen. Wir werden die gemach-en Zusagen tatsächlich einhalten.Schaut man sich einmal an, was Deutschland interna-ional zugesagt hat, dann wirkt die zugegebenermaßenrfreuliche Steigerung im Haushalt 2009 nicht wirklichberzeugend. Um dem Zwischenruf zuvorzukommen,er an dieser Stelle häufig kommt,
ass unter der rot-grünen Regierung die Steigerungs-aten viel geringer waren, geben wir das zu und bedau-rn das auch. Es lag aber nicht an uns Grünen.
uch das muss man nicht ständig wiederholen.Wir müssen auch daran erinnern: Wenn die Bundes-egierung, wie die Ministerin immer wieder beteuert, imächsten Jahr tatsächlich 0,51 Prozent des Bruttonatio-alprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit ein-etzt, dann müssten im nächsten Jahr 3 Milliarden Euroraufgesattelt werden. Das kann man ganz einfach aus-echnen. Das ist keine Unterstellung. Aus Budgetmittelnlleine werden diese Summen nicht kommen.
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Thilo HoppeDeshalb muss ich den Dreiklang wiederholen. Wobleiben Ihre innovativen Finanzierungsinstrumente?
Wir brauchen Entschuldung, wir brauchen die Flug-ticket-Tax, und wir brauchen die Finanztransaktions-steuer. Sie berufen sich einzig und allein auf die Erlöseaus dem Zertifikatehandel. Dafür sind 120 MillionenEuro eingestellt.
Wo aber sind die Steigerungsraten? Das ist alles Spe-kulation. Dafür gibt es noch nicht einmal Beschlüsse.Noch bleiben Sie den Beweis schuldig, dass Sie diesesZiel tatsächlich erreichen können und erreichen werden.Meine Fraktion hat Änderungsanträge zum Entwick-lungsetat eingebracht. Ich möchte bei dieser Gelegenheitein Protokoll, das zirkuliert, berichtigen, das einen Feh-ler enthält. In dem Bericht des Haushaltsausschussessteht, FDP und Grüne hätten Anträge eingebracht, die zuSenkungen der Haushaltstitel führen, um die Bürgerin-nen und Bürger in Deutschland zu entlasten. Das ist einausdrücklicher Fehler, der auch an die Öffentlichkeit ge-langt ist. Die Grünen haben Anträge eingebracht, dieMehreinnahmen bzw. Steigerungen in Höhe von 450 Mil-lionen Euro vorsehen. Die FDP hat ein dickes Kohärenz-problem. Sie hat im Entwicklungsausschuss Anträgeeingebracht, die Steigerungen in Höhe von 34 MillionenEuro vorsehen. Das ist richtig so. Aber Ihr Haushälter,Herr Koppelin, hat Streichungen von 450 MillionenEuro beantragt. Da geht es also weit auseinander.Der Bericht trifft auf die FDP zu, aber nicht auf dieGrünen. Wir sind für Steigerungen in Höhe von 450 Mil-lionen Euro und wissen, es müsste eigentlich noch mehrsein. Aber unsere Haushaltspolitiker wollten eine solideGegenfinanzierung vorlegen, die sofort umsetzbar ist.
Wir haben das genau ausgerechnet. Die Flugticket-Tax,die man sofort umsetzen kann – in Frankreich hat esauch keinen Volksaufstand gegeben; dort ist es prakti-ziert worden –, würde genau den Steigerungsraten, diewir beantragt haben, entsprechen.
Die Finanzmarktkrise – der Fastbankrott vieler Län-der – hat uns vor Augen geführt, dass eine andere Dis-kussion, die wir mehrfach angestoßen haben, jetzt ak-tueller denn je ist: die Einführung eines internationalenInsolvenzrechtes. Aber von der Bundesregierung gibt eskeinerlei Initiativen, die in diese Richtung gehen. Viel-leicht führt die Diskussion in Doha in eine andere Rich-tung und gibt Anstöße.tvnZKsEUwMudbhl–waswcDrFk1EvDseh
Es ist immer wieder zu beobachten, dass es gute Posi-ionen aus den Entwicklungsministerien gibt, die aberon anderen Häusern wieder kassiert werden. Ich erin-ere an die unselige Diskussion über die EU-Milliarde.unächst hatte Frau Kommissarin Fischer Boel und dannommissionspräsident Barroso angesichts der dramati-chen Welternährungskrise vorgeschlagen, 1 Milliardeuro unverbrauchter Mittel aus dem Agrarhaushalt zurnterstützung der Bäuerinnen und Bauern in den Ent-icklungsländern umzuwidmen.
In Accra gab es zu Recht Riesenbeifall, auch von derinisterin, die dafür gekämpft hat. Aber Herr Seehofernd jetzt Frau Aigner fanden, es ist notwendig, dass dieeutschen Bäuerinnen und Bauern dieses Geld zurück-ekommen bzw. die europäischen Bauern das Geld be-alten dürfen; denn sie bekommen ja auch nur 54 Mil-iarden Euro jährlich an Subventionen.
Der Vorschlag des Kommissionspräsidenten Barrosoar abgestimmt und rechtlich einwandfrei. –
In der Präambel zur EU-Agrarpolitik steht, dass sieuch Beiträge zur Sicherung der Welternährung leistenoll. Würde man das Geld den Kleinbauern in den Ent-icklungsländern geben, wäre das ein Beitrag entspre-hend der Präambel.
ies wurde – wie gesagt – von der Entwicklungsministe-in direkt unterstützt, aber von Herrn Seehofer bzw. vonrau Aigner – auch Herr Steinbrück war dagegen – ein-assiert. Was jetzt in Europa geschieht – dass man dieseMilliarde Euro zur Verfügung stellt, sie aber aus demntwicklungsetat nimmt, also aus Geldern, die ohnehinorgesehen waren –, ist ein plumper Etikettenschwindel.
as sind keine zusätzlichen Gelder. Das ist eine Täu-chung der Öffentlichkeit. Man sollte diese Niederlageingestehen.
Da ich meine Redezeit bereits weit überschrittenabe,
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Thilo Hoppekomme ich zum Schluss. Ihre Ankündigungen warengut. Das, was im Entwicklungsetat tatsächlich enthaltenist, ist aber viel zu dünn.
Für die Bundesregierung hat nun Frau Bundesminis-terin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Um beim letzten Punkt anzufangen: Im Rat der Wirt-schafts- und Finanzminister ist beschlossen worden, dass1 Milliarde Euro zur Bekämpfung des Hungers in derWelt zur Verfügung gestellt werden.
Dieses Geld wird zwar nicht dem Topf entnommen, derdem einen oder anderen einem lieber gewesen wäre. Eshandelt sich aber um zusätzliche Mittel.
Außerdem wurden die Mittel für die Nothilfe aufge-stockt. Ich finde, wir sollten uns nicht über die Fragestreiten, aus welchem Topf dieses Geld gekommen ist.Sondern: Es ist ein Signal der Solidarität mit den hun-gernden Menschen in der Welt. Das ist das Wichtige,und das sollten wir deutlich machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte michbei allen Beteiligten bedanken, bei Iris Hoffmann, beiHerrn Borchert, bei Herrn Koppelin, bei allen anderen,die daran mitgewirkt haben, und natürlich auch beiHerrn Bonde und Herrn Leutert.
Sie haben in dieser Diskussion in immer wieder unter-schiedlichen Facetten deutlich gemacht, dass wir unsereVerpflichtungen in der Entwicklungspolitik einhalten.Mit diesem Haushalt tun wir das.Wir lösen unsere Verpflichtungen ein, zum Beispielbei der Hilfe für Afrika. Allen Unkenrufen zum Trotz istes gelungen, das Volumen der Mittel, die für Afrika be-reitgestellt werden, zu verdoppeln. Über 50 Prozent derMittel, die wir für die bilaterale Entwicklungszusam-menarbeit zur Verfügung stellen, gehen nach Afrika. Dasist ein wichtiges Signal.FMtuadadadwaKlkdunTdgdDEetmdusnVrucOrsDdsz
ie Regierung des Kongo ist verpflichtet, der Gewaltinhalt zu gebieten. Aber es ist genau umgekehrt. Auchin Teil der Regierungstruppen begeht solche Gewalt-aten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie alleilitärischen Gruppen in dieser Region. Es ist notwen-ig, dass die kongolesische Regierung alles unternimmt,m die Täter vor Gericht zu stellen;
ie sind schließlich namentlich bekannt. Wenn sie dasicht tut, dann hat die internationale Gemeinschaft dieerpflichtung, die Täter vor den Internationalen Strafge-ichtshof zu stellen
nd damit deutlich zu machen, dass es sich um Verbre-hen gegen die Menschlichkeit handelt. Luis Moreno-campo, der Chefankläger des Internationalen Strafge-ichtshofes, hat gesagt, er sei bereit, diese Anklage tat-ächlich zu erheben.
ie internationale Gemeinschaft darf nicht zulassen,ass wieder Massaker und Massenvergewaltigungentattfinden. Wir haben die Verpflichtung, die Menschenu schützen, Stichwort „Responsibility to Protect“.
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-ZeulIch möchte ausdrücklich betonen, dass ich persönlichangesichts der Eskalation der Brutalität den Vorschlagdes Bundespräsidenten befürworte, europäische Solda-ten in diese Region zu entsenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Diskussionist mehrfach angesprochen worden, dass die große Ge-fahr besteht, dass sich die Finanzkrise, die Ernährungs-krise und die Auswirkungen des Klimawandels so zu ei-ner globalen weltweiten Wirtschaftskrise kumulieren,dass sich in den Entwicklungsländern eine schwere hu-manitäre Krise entwickelt. Durch die Finanzmarktkrise,die in den USA ihren Anfang genommen hat, wurdenschon jetzt 40 Millionen Menschen mehr in die Armutgedrängt. Jeder Prozentpunkt weniger Wachstum führtzu 20 Millionen armer Menschen mehr.Die Kanzlerin hat heute Morgen deutlich gemacht– dafür bin ich ihr außerordentlich dankbar; alle Spre-cher haben das hier auch gesagt –, dass es in unserem ur-eigensten Interesse ist, dass Entwicklungsländer undSchwellenländer nicht tiefer in die Rezession geraten;denn sie waren bisher die wichtigsten Wachstumsmoto-ren in dieser Welt. Wir haben ihnen gegenüber unsereVerpflichtungen.Der G-20-Finanzgipfel war ein erster wichtiger Schritt.Wir brauchen aber – ich hoffe, dass das bei der Konfe-renz für Entwicklungsfinanzierung in Doha, die amFreitag beginnt, auch deutlich wird – das, was ich einenGlobal New Deal für das 21. Jahrhundert nennenmöchte, mit dem auf ein kooperatives Weltmodell ge-setzt wird. Dazu gehört aus meiner Sicht eine Reihe vonElementen:Erstens. Zuverlässige internationale Governance-Strukturen. Die Entwicklungsländer müssen ein wirkli-ches Mitspracherecht haben. Afrika braucht seinen fes-ten Platz im Kreise der G 20 – oder welcher Nummerauch immer –, und zwar nicht am Nebentisch, sondernmit vollen Mitwirkungsrechten.
Zweitens. Die Zivilgesellschaft muss den Global NewDeal mitgestalten. Nur so kann es ein Pakt werden,durch den die Menschen tatsächlich beteiligt werden.Drittens. Es ist zentral und notwendig – das ist hierimmer wieder deutlich geworden –, massiv in die Land-wirtschaft der Entwicklungsländer, in den Klimaschutz,in die Anpassung an den Klimawandel, in erneuerbareEnergien und in die Infrastruktur der Entwicklungslän-der zu investieren.Viertens. Wir dürfen keinen Kasinokapitalismus mehrzulassen. Wir müssen zuverlässige Regeln für die globa-len Finanzmärkte schaffen. Weltbank und IWF müssenzu soliden Stabilitätsankern werden.Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, dass wir,Herr Hoppe, alle Möglichkeiten mobilisieren für die Fi-nwfsdddwIunrDdmwbniifw–gdtwglwKsaFwEbd
Wir werden aber auch andere Mittel mobilisierenüssen. Mit einem International Tax Compact könnenir helfen, faire und effektive Steuersysteme aufzu-auen, und der Steuerflucht entgegenwirken. Wir kön-en die Mittel aus dem Emissionshandel einsetzen, diem Haushalt 2009 auch schon deutlich steigen. Soweitch das sehe, wird die Idee auch in den USA aufgegrif-en. Daneben müssen wir – das ist mehrfach deutlich ge-orden – Mittel für Investitionen in die Landwirtschaftbesonders in Afrika – mobilisieren. Da wir in Doha ta-en, gibt es auch einen gewissen Anlass dafür, dass sichie arabischen Fonds an der Finanzierung dieser Investi-ionen in die Landwirtschaft beteiligen. Ich glaube, dasäre ein richtiges und gutes Signal.
Ich komme zum Schluss. Albert Einstein hat einmalesagt: Es gibt keinen Fortschritt auf dieser Welt, so-ange es noch ein unglückliches Kind gibt. – Wir alleissen, wie viele Millionen unglückliche, hungerndeinder es gibt, deren Schicksal uns niemals gleichgültigein darf.Die Millenniumsentwicklungsziele, denen wir unslle verpflichtet fühlen, tragen mit dazu bei, dass wirortschritt erreichen, dass wir globale Verantwortungahrnehmen und so auch Frieden befördern.Ich bedanke mich für die große Unterstützung und Ihrngagement. Wir werden an diesen Fragen weiter dran-leiben.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Karl Addicks fürie FDP-Fraktion.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Wir haben in dieser Woche die letzteHaushaltsdebatte in dieser Legislaturperiode. Bald ist jaauch Weihnachten. Daher möchte ich als Abgeordnetergerne ein paar Wünsche an die künftige Regierung rich-ten.Ich wünsche mir – ich glaube, da werden mir einigefolgen – eine neue Schwerpunktsetzung in der Entwick-lungspolitik, die vor allem auch im Haushalt ihren Nie-derschlag findet. Zum Beispiel brauchen wir dringendmehr Mittel für die Agrarforschung. Das ist heute Abendschon gesagt worden. Ich wünsche mir auch mehr Mittelfür Wirtschaftspartnerschaften, vor allem im Bereich derGesundheit.Der Anstieg bei den Haushaltsmitteln ist sehr zu be-grüßen, aber er ist in Zeiten der Finanzkrise natürlichnicht selbstverständlich. Umso größer ist die Leistung zuschätzen, die dahintersteckt. Das verpflichtet uns als Po-litiker, mit diesen Mitteln noch zielbewusster und ver-antwortungsvoller umzugehen. In diesem Zusammen-hang wünsche ich mir eigentlich auch eine grundlegendeÄnderung in der Entwicklungszusammenarbeit. Die in-ternationale Gemeinschaft und auch die Bundesregie-rung haben in den letzten Jahren die Entwicklung desländlichen Raumes sträflich vernachlässigt. Das habender Kollege Borchert und die Frau Ministerin heuteschon angesprochen. Die Mittel sind 20 Jahre lang konti-nuierlich gekürzt worden. Wir haben seit Jahren gepre-digt, dass die Entwicklung des ländlichen Raumes eineder Uraufgaben von Entwicklungspolitik überhaupt ist.In dem Weltbankbericht, der uns vorgestellt wordenist, ist das kritisiert worden, und es ist aufgezeigt wor-den, welchen Entwicklungseffekt man hätte erzielenkönnen, wenn man etwas getan hätte. Ich habe das hierschon mehrfach gesagt und brauche es eigentlich nichtzu wiederholen. Ich schaue dabei immer den KollegenRaabe an. Ich habe es damals im Ausschuss so gesagt,wie ich es hier gesagt habe. Sie haben dazu gesagt, derAddicks will wohl am liebsten jedem eine Schaufel indie Hand drücken. Ich wiederhole es heute: Es sollte un-sere Aufgabe sein, jedem Menschen in den Entwick-lungsländern eine Schaufel in die Hand zu drücken – dasmeine ich im übertragenen Sinne –, damit er in die Lageversetzt wird, sich und seine Leute selbst zu versorgen.
Da haben wir leider wertvolle Jahre ungenutzt ver-streichen lassen, und das angesichts von mehr als einerMilliarde hungernder und unterernährter Menschen.In diesen Zusammenhang passt sehr gut unsere For-derung nach Grüner Gentechnik, die wir gerade in derEntwicklungszusammenarbeit brauchen. Ich weiß, dasgefällt den Kollegen von den Grünen gar nicht. Wir hal-ten es für einen Luxus, darauf zu verzichten. Auf Stick-stoffdünger zu verzichten, halten wir ebenfalls für einengroßen Luxus. Es ist eine deutsche Erfindung, Stickstoffaus der Luft zu binden. Für das Haber-Bosch-Verfahren– Sie erinnern sich an die Chemiestunde, Herr KollegeHoppe – wurde deutschen Forschern damals der Nobel-pDwgNpdhsFms–aGKtmZDebdzßwsdzAdzngDswSefT
es ist ja bald Weihnachten – gegen eine Zusammen-rbeit mit der Wirtschaft.
estern war eine Delegation vom BDI hier. Ganze vierollegen waren dabei. Es gab einen äußerst interessan-en Vortrag. Vom BMZ habe ich da leider überhaupt nie-anden gesichtet.Auch unsere Anhörung hat gezeigt: Wirtschaftlicheusammenarbeit genießt bei Ihnen leider keine Priorität.ie Erkenntnis, dass wirtschaftliche Zusammenarbeitine Basis für die Entwicklung eines Landes ist, hat dochei der Namensgebung des Ministeriums Pate gestan-en. Warum erkennen Sie nicht den Wert, den eine Ver-ahnung von wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Au-enwirtschaftsförderung haben könnte?
Mein größter Wunsch an eine neue Bundesregierungäre ein Paradigmenwechsel in der Entwicklungszu-ammenarbeit; denn er ist notwendig. Ich erinnere anen Bonner Aufruf, den wir in weiten Teilen unterstüt-en.
uch Sie, Frau Ministerin, sollten die Erkenntnisse ausiesem Aufruf unterstützen, in dem namhafte Fachleuteu Wort gekommen sind. Das sollte man zur Kenntnisehmen, statt es einfach beiseitezuwischen und zur Ta-esordnung überzugehen.Wir sollten die Gelegenheit nutzen, um eine ehrlicheebatte über Fehlentwicklungen in der Entwicklungszu-ammenarbeit zu führen. Ich bin davon überzeugt, dassir von der Armutsbekämpfung wegkommen müssen.o gut sie auch ist, ist die Armutsbekämpfung im Grundeine symptombezogene Therapie. Ich habe schon mehr-ach darauf hingewiesen. Wir brauchen eine kausaleherapie, die an der Basis der Wertschöpfungsketten
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Dr. Karl Addicksansetzt – das wurde schon alles zigmal herunterdekliniert –:Dazu gehören Kleinhandel, Kleingewerbe, Handwerkund Landwirtschaft. Wir haben in Europa eine histori-sche Erfahrung gemacht, wie Entwicklung verläuft. Wa-rum setzen Sie das nicht um?
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist fast abgelaufen. Ge-
statten Sie gleichwohl noch eine Zwischenfrage des Kol-
legen Riester?
Okay. Bitte, Herr Riester.
Herr Kollege, können Sie mir zustimmen, dass wir
gestern bei dem von Ihnen erwähnten Gespräch mit dem
BDI informiert worden sind, dass dieser Gesprächskreis
vom BMZ mit 52 000 Euro finanziert wird und ein Mit-
arbeiter des BMZ abgeordnet ist, um diesen Kreis zu ko-
ordinieren? Wenn Sie mir zustimmen, dann korrigieren
Sie bitte das, was Sie gerade gesagt haben.
Herr Riester, darin stimme ich Ihnen gerne zu. Aber
was wollen Sie mit 52 000 Euro, die gestern genannt
wurden und die Sie jetzt ins Spiel bringen? Sie müssten
schon 52 Millionen Euro daraus machen. Dann wird
vielleicht ein Schuh daraus.
– Ich meine nicht nur den Arbeitskreis. Das wissen Sie
doch, Herr Riester. Aber okay, ich stimme Ihnen inso-
weit zu.
Frau Ministerin, Sie fahren demnächst als Gesandte
des UN-Generalsekretärs nach Doha. Meinen herzlichen
Glückwunsch dazu. Das ist schön für Sie. Ich wünsche
Ihnen, dass Sie dort meine Forderung, die ich eben dar-
gestellt habe, propagieren. Denn in der Entwicklungszu-
sammenarbeit brauchen wir nicht nur mehr Geld. Mehr
Geld wäre schön und gut, aber am dringendsten brau-
chen wir in der Entwicklungszusammenarbeit mehr
Qualität und vor allen Dingen mehr Effizienz.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der
Kollege Hartwig Fischer.
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Lieber Kollege Hoppe, wir haben die Emissionszerti-ikate als alternatives zusätzliches Finanzierungsinstru-ent.
ir werden sehen, was sich in den nächsten drei bis vierahren daraus entwickelt. Dass diese Mittel nicht insge-amt in unseren Haushalt fließen, bedaure auch ich au-erordentlich.
ch würde diese Mittel auch lieber in unserem Haushaltehen, als dass zu viel für andere Haushalte wie dem desMU oder des AA abgezweigt wird.Wir hatten noch nie eine Bundesregierung, die uns inhrem Haushaltsentwurf für das Parlament so viele Mit-el zur Verfügung gestellt hat und uns damit ermöglichtat, so viele internationale Verpflichtungen zu überneh-en. Sie hatte damit die Möglichkeit, nicht nur im mul-ilateralen, sondern auch im bilateralen Bereich die Zu-ammenarbeit weiter zu verstärken. Sie hat erreicht, dassGOs, Stiftungen und Kirchen ihre Mittel aufgestocktaben. Ich werde noch auf Beispiele von Kirchen einge-en, die die Entwicklungspolitik für die Menschen undit den Menschen vor Ort sehr attraktiv gestalten.Wir sind materiell richtig aufgestellt. Das ist ange-ichts der Situation, in der wir uns befinden, gut. Werber nicht den Anspruch an sich selbst stellt, noch besseru werden – damit meine ich nicht nur das Materielle,ondern auch die Art und Weise, wie wir aufgestellt sind –,at schon ein Stück seines Gestaltungsspielraums in derolitik aufgegeben. Wir können gemeinsam sicherlichoch mehr tun, als eine Länderliste aufzustellen. Wir ha-en das gemacht, um besser Schwerpunkte setzen und
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Hartwig Fischer
uns mit der EU abstimmen zu können. Aber ich möchteauch, dass die Erkennbarkeit deutscher Entwicklungszu-sammenarbeit nach außen durch Schwerpunktsetzungenverbessert wird.
Ich finde, daran können wir gemeinsam arbeiten. Dabeisollten wir uns an anderen Geberländern orientieren.Ich will als Beispiel die kanadische Entwicklungs-agentur CIDA nennen. Die Kanadier betreiben einevernetzte Außenpolitik der verschiedenen Ressorts. Esgeht nicht darum, ob unsere Ressorts CDU/CSU- oderSPD-geführt sind. Entscheidend ist vielmehr, dass dieKanadier erheblich vernetzter und kohärenter zusam-menarbeiten, als das bei uns geschieht, und damit einenanderen Auftritt nach außen gerade in der Entwicklungs-zusammenarbeit haben. Ich bin der Überzeugung, dassdas der richtige Weg ist, damit Deutschland auch in denmultilateralen Einrichtungen mehr Gewicht bekommt,damit wir neue Schwerpunktsetzungen mitbestimmenkönnen und nicht Getriebene von bestimmten Entwick-lungen werden. Das ist einer der Ansatzpunkte, den wirnach meiner Meinung in der Großen Koalition noch ver-stärken müssen.
Das Gleiche gilt für die EU. Ich glaube, dass dieseVorgehensweise uns die Chance gibt, innerhalb der EU-Gremien Themen verstärkt zu bestimmen. Ich nenne einBeispiel – hier müssen wir die Ministerin gemeinsammit den anderen Ressorts unterstützen –, das uns alleumtreibt. Wir waren vor einiger Zeit mit einer Delega-tion auf den Kapverden, im Senegal und in Benin. Da-mals gab es den riesigen Wunsch – das gilt für ganzAfrika –: Helft uns, ein Satellitensystem aufzubauen,mit dem wir unsere Gewässer überwachen können, da-mit unsere Gewässer nicht von Fremden überfischt wer-den! Stellt uns zu den zwei Patrouillenbooten, die unsPortugal gegeben hat, weitere zur Verfügung, damit wirdiejenigen überwachen können, die den Kokainhandelvon Südamerika bzw. Lateinamerika aus über die Kap-verden als Einfallstor zu Europa abwickeln und vor derwestafrikanischen Küste Migrantenhandel betreiben, beidem viele Menschen ertrinken! Das ist ein gemeinsamesProjekt, bei dem die EU nach meiner Überzeugung dieMeinungsführerschaft übernehmen muss. Denn wasnutzt der Aufbau von Entwicklungsprojekten, wenn dieMenschen die eigene Lebensgrundlage, zum Beispielbeim Fischen, verlieren?
Ich will auf die Schwerpunkte eingehen. Wir sinddankbar, dass die ländliche Entwicklung zu einemSchwerpunktthema gemacht wird. Das ist genau derrichtige Zeitpunkt. Aber, Frau Ministerin, es gibt einenPunkt, über den wir in der Koalition ernsthaft diskutie-ren müssen; ich sage das angesichts meiner Kenntnissevon Afrika. In jedem Land, in dem wir in den letztenJahren gewesen sind – das wird jeder, der dabei gewesenidBdpBumhAkHddfDdwondgeaBmdkfPddresJsZdhbgnnIgwEildav
Noch einmal zur beruflichen Bildung: Wenn wir unsuf die Länder konzentrieren, in denen wir beruflicheildung betreiben, und diese mit Mikrofinanzprogram-en unterstützen, dann wird die Konsequenz sein, dassie Menschen über eine technisch-gewerbliche oderaufmännische Ausbildung aus dem informellen in denormellen Bereich überführt werden. Wir haben dochrojekte gesehen, in denen eine Person von jemandem,er selbst nicht ausgebildet war, dazu ausgebildet wor-en ist, mit einem Schraubenzieher ein Kfz zu reparie-en. Diese Person hat einen Kredit in Höhe von 15 Eurorhalten und dafür Schraubenzieher und Schrauben-chlüssel gekauft. Denselben Mann haben wir nach vierahren wiedergesehen. Er hatte nach vier Jahren den An-pruch auf einen Kredit von 10 000 Euro, weil er in derwischenzeit immer die kleinen und mittleren Kredite,ie er aufgenommen hatte, abbezahlt hatte. Diese Personat in den letzten zwei Jahren bereits acht Leute ausge-ildet, sie hat jetzt acht Angestellte, und einige der Aus-ebildeten machen sich ihrerseits selbstständig. Das istachhaltige Entwicklung, auf die wir meiner Meinungach setzen müssen.
Lassen Sie mich noch einmal zu den NGOs kommen.ch bin mit Kollegin Riemann-Hanewinckel – ichlaube, auch Frau Pfeiffer war dabei – in Äthiopien ge-esen. Dort haben wir uns ein integriertes Projekt desvangelischen Entwicklungsdienstes angesehen, in demn den Bereichen Wasser, Gesundheit, Bildung und länd-iche Entwicklung gearbeitet wurde. Wir haben erlebt,ass sich die Lebenssituation insbesondere der Frauen,ber auch der Familien insgesamt in vier Jahren deutlicherbessert hat. Das war kein Projekt der staatlichen
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Zusammenarbeit, sondern ein integriertes Projekt. Wirmüssen uns auf Sektoren konzentrieren, aber für solcheProjekte der NGOs oder der Kirchen sind die Mittel an-gebracht, wenn die Projekte so durchgeführt werden.In diesem Zusammenhang möchte ich eines sagen: Ineinem kleinräumlichen Bereich hat man erreicht, dassdas elende Thema Beschneidung offen angesprochenwurde. In dieser Region wurden in der Folge die Mäd-chen nicht mehr beschnitten, weil man durch Argumen-tation überzeugt und den Menschen durch Bildungs- undGesundheitsangebote geholfen hat.
Die Redezeit ist leider immer zu kurz. Deshalb lassenSie mich ein Thema, das eigentlich viel mehr in den Mit-telpunkt gehört und das Sie bei meiner Rede erwartet ha-ben, ansprechen. Es betrifft die Regionen Darfur undKongo. Über Darfur wird im Augenblick nicht viel gere-det, weil die Fernsehbilder von der Situation im Kongobeherrscht werden. Das wird in einem Vierteljahr wiederanders sein. Dann wird Darfur wieder im Vordergrundstehen, und es geht immer so weiter. Wir haben letzteWoche über das Thema gesprochen. Die UN sind beidiesen beiden Mandaten in einer absoluten Glaubwür-digkeitskrise. Die UN haben gestern zum internationalenTag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen aufge-rufen. Wenn man das tut, dann muss man auch das Man-dat in Darfur und das Mandat im Kongo konsequent um-setzen.
Frau Ministerin, ich glaube, das ist einer der Punkte,bei denen ich mit einigen Personen nicht übereinstimme.Man kann jetzt nach einer europäischen Battle-Group ru-fen. Ich bin der Letzte, der sich nicht für Artemis und dieBundeswehreinsätze bei der Wahlüberwachung einge-setzt hätte. Aber wir haben ein MONUC-Mandat, dasinsbesondere deshalb ein zahnloser Tiger ist, weil es indem Mandat heißt, dass MONUC die kongolesische Ar-mee bei der Entwaffnung der Milizen und Rebellen un-terstützt. Mit dieser kongolesischen Armee kann ichkeine Entwaffnung vornehmen. Das muss Aufgabe derMONUC sein. Gestern wurde in Diskussionen gesagt, eshandele sich um eine zusammengewürfelte Truppe. DieMilitärs dort – 16 475 an der Zahl – sind aus 18 Ländern.Das mag man als zusammengewürfelt ansehen. Aber al-leine aus vier Ländern kommen 11 300 Soldaten. Die In-der, die Pakistaner, die Südafrikaner und die Uruguayerhaben dort hervorragende Leute. Ich will das Licht auchder anderen fünf wichtigen afrikanischen Länder nichtunter den Scheffel stellen. 80 Prozent der Soldaten kom-men aus neun Ländern. Wir müssen diese Truppe weitertechnisch ausstatten, und wir müssen sie in die Lage ver-setzen, ihren Auftrag dort umzusetzen.
Wir haben zwölf Zivilisten. Ich bin der festen Über-eugung, dass auch wir uns stärker im zivilen Bereichngagieren können. Aber die deutsche Bundeswehr kannicht an jeder Stelle eingesetzt werden. Erst muss dieONUC ihren Auftrag mit ihren Möglichkeiten umset-en.Frau Präsidentin, ich sehe das Zeichen, dass meineedezeit zu Ende ist. – Ich bedanke mich bei allen, dien diesem Haushalt mitgearbeitet haben. Ich wünschens bei der Umsetzung viel Erfolg und hoffe auf die ent-prechenden Schwerpunktsetzungen im Laufe des kom-enden Haushaltsjahres.Vielen Dank.
Letzter Redner ist der Kollege Sascha Raabe für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Wir haben jetzt das Jahr 2008. 1998 hatnsere Ministerin ihr Amt übernommen. Wir haben neu-ich im Rahmen einer Veranstaltung unserer Arbeits-ruppe einen Rückblick gehalten und überlegt, was inen letzten zehn Jahren geschehen ist. Diese Haushalts-ebatte ist vielleicht für viele Kollegen die letzte in die-er Legislaturperiode. Manche treten nicht wieder ander werden nicht wieder gewählt.Bei uns sind mittlerweile fast 10 Milliarden EuroDA-anrechnungsfähig; davon entfallen fast 6 Milliar-en Euro auf den Einzelplan 23. Wir sind weltweit derweitgrößte Geber für Entwicklungszusammenarbeit.ch glaube, das ist etwas, worauf wir alle gemeinsamtolz sein können.
Wir haben in diesem Jahr schon wieder einen Mittel-uwachs in zweistelliger Millionenhöhe in diesem Be-eich. Wie gesagt, brauchen wir ihn angesichts derrmut in dieser Welt und der Millenniumsziele, die wiroch erreichen müssen, wirklich unbedingt. Wir habenie Mittel für die Nichtregierungsorganisationen seit998 mehr als verdoppelt. Herr Dr. Addicks, wir habeneit 1998 3 000 Public-Private-Partnerships geschaffen.as Sie in Ihrer Rede gesagt haben, das stimmt nicht.bwohl ich Sie persönlich schätze, muss ich sagen: Inhrer Rede war so viel Unfug – darauf muss ich noch einaarmal zu sprechen kommen –; das war unterirdischnd grottenschlecht.
Wir haben den Zivilen Friedensdienst neu geschaffen.ir sorgen jetzt für eine Mittelsteigerung von fast0 Prozent. Wir haben den politischen Stiftungen in den
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Dr. Sascha Raabeletzten Jahren umfangreiche Mittel zur Verfügung ge-stellt; im nächsten Haushalt werden es noch einmal10 Millionen Euro sein.Manchmal wird gefragt: Wo sind die Erfolge der Ent-wicklungspolitik sichtbar? Darauf möchte ich antworten:Wir haben es mit den politischen Stiftungen zum Beispielin Lateinamerika – neben anderen Stiftungen ist dieFriedrich-Ebert-Stiftung dort sehr stark und erfolgreich –und mit dem, was das BMZ und die Durchführungsorga-nisationen machen – Schwerpunkte sind Demokratisie-rungsprozesse, öffentliche Verwaltung, Partizipation – ge-schafft, dass alle Länder dieses Kontinents, der noch vor10 oder 15 Jahren von Militärputschen in vielen Länderngekennzeichnet war, demokratisch gewählte Regierun-gen haben. Wir haben es zum Beispiel in einem Landwie Kolumbien, das sehr fragil ist, über unsere Konflikt-prävention, über Friedensprozesse, aber auch über dieMittel, die wir dort in den Rechtsstaat, in die Justiz, in-vestieren, geschafft, dass dort Missstände aufgedecktwerden, dass Generäle und Politiker, auch hochrangige,vor Gericht gestellt werden.Wir haben es mit unserer Entwicklungshilfe ge-schafft, dass in vielen Ländern sogar Personen, die frü-her für uns gearbeitet haben – sei es der Generalstaats-anwalt in Kolumbien, sei es Alberto Acosta, ehemaligerPräsident der verfassunggebenden Versammlung inEcuador –, heute in verantwortlichen Positionen sind.Lateinamerika ist mittlerweile wirklich demokratisch.Ohne jetzt überheblich sein zu wollen, glaube ich sagenzu können: Das ist mit ein kleiner Erfolg dessen, was wirhier an Entwicklungszusammenarbeit geleistet haben.
Das ist sowieso ein Markenzeichen der Entwick-lungspolitik, seit Heidemarie Wieczorek-Zeul diesesRessort leitet, seitdem es also sozialdemokratisch ge-führt wird. Wir haben eben auch die globale Struktur-politik zum Thema gemacht, Herr Dr. Addicks. Zu dem,was Sie immer wieder hinsichtlich der Schaufeln sagen– Stichwort „Projektitis“, unter der wir all die Jahre zu-vor gelitten haben –: Was hat es in den letzten Jahren ge-nutzt, für Hühnerzuchten und für andere kleinteiligelandwirtschaftliche Bereiche Geld ausgegeben zu haben,wenn die entsprechenden Hühner zum Beispiel durch dieAgrarpolitik der WTO gar nicht verkauft werden konn-ten?Wir werden deshalb auch für ein gerechtes Welthan-delssystem sorgen müssen, das Menschen nicht nur dieMöglichkeit gibt, Hühner zu halten und Landwirtschaftzu betreiben, sondern auch, sie zu fairen und gerechtenPreisen zu verkaufen. Das ist ganz wichtig. Erst jetzt, wodie Weltmarktpreise von Agrargütern wieder hoch sind,ist es richtig, wieder verstärkt in Landwirtschaft zu in-vestieren. Aber ich sage Ihnen auch: Bei bald 9 Milliar-den Menschen werden wir nur mit Subsistenzlandwirt-schaft sicherlich nicht weit kommen; vielmehr istländliche Entwicklung für uns umfassend.lnvSBWZfsktdhpMhdHraeK–idKkmgdz–
Ich bin mit der Antwort noch nicht fertig. – Dadurchst es gelungen, über 29 Millionen Kinder in Afrika wie-er in die Schule zu bringen.Die Ministerin ist immer noch, zu Recht, mit vollerraft im Amt. Wenn es in den letzten zwei, drei Jahrenräftige Steigerungen gegeben hat, dann ist das – dasuss man doch sagen – der Fachministerin geschuldet.
Wir freuen uns aber, dass wir es nach so vielen Jahreneschafft haben, liebe Frau Pfeiffer, auch die Kollegener CDU/CSU davon zu überzeugen, dass mehr Mittelur Verfügung gestellt werden müssen.
Nein, ich beantworte Ihre Frage noch.
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Dr. Sascha RaabeSelbst Ihre Kanzlerin – den Satz möchte ich Ihnen nochals Antwort geben – haben wir überzeugen können, dassbei der WTO die Umwelt- und Sozialstandards ins Re-gelwerk aufgenommen werden müssen, was wir unterRot-Grün schon immer gefordert haben.
Es freut uns, dass jetzt endlich auch die Kanzlerin unse-ren Anregungen folgt. Wir freuen uns, dass Sie mit imBoot sind.Jetzt bin ich mit der Antwort fertig.
Sehr schön. Erst jetzt tickt die Uhr hier weiter.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich warbeim Bereich der globalen Strukturpolitik stehen geblie-ben. Natürlich gehört die Klimaschutzpolitik zu denAufgaben der Entwicklungszusammenarbeit. Wir habenuns auch um die globalen Zukunftsfragen zu kümmern.Herr Königshaus, Sie haben kritisiert, dass wir mit Indo-nesien, Brasilien und Indien noch Entwicklungszusam-menarbeit betreiben. Ich frage mich manchmal, warumSie mit dem Kollegen Klimke immer dorthin fahren,wenn am Ende doch kein Lerneffekt eintritt.
Indien ist ein Land, in dem 350 Millionen Menschenvon weniger als einem Dollar am Tag leben. Es ist dasLand mit den meisten extrem Armen.
Herr Kollege, jetzt muss ich Sie noch einmal unter-
brechen. Der Kollege Königshaus hätte auch noch eine
Zwischenfrage.
Sehr gern.
Je länger die Redezeit ist, desto klarer wird, was er
nicht weiß.
Da machen Sie es mir ja sehr leicht.
Bevor Sie in dieser Art fortfahren, will ich Ihnen ein-
fach eine Frage stellen: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass ich mich nicht gegen die Zusammenarbeit
mit den genannten Ländern ausgesprochen habe? Ich
habe vielmehr gesagt: Wir müssen sie an die Hand neh-
men und mit ihnen gemeinsam diese Politik betreiben,
und zwar auch gegenüber Dritten. Insbesondere habe ich
das Beispiel Indien genannt, wo tatsächlich die Bereit-
schaft vorhanden ist, gemeinsam zu handeln. – Sind Sie
bereit, das zur Kenntnis zu nehmen? Dann können Sie
Ihre Suada fortführen.
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Herr Königshaus, wenn Sie mir die Gelegenheit zurntwort geben: Das ist das Spiel, das Sie schon immeruch mit China gespielt haben. Jedes Mal, wenn wir Sieonkret darauf festgenagelt haben, wenn wir Ihnen auf-ezeigt haben, warum wir auch mit China noch Entwick-ungszusammenarbeit, zum Beispiel im Klima- undnergiebereich, betreiben sollten – oder mit Indien oderit anderen Ländern, Indonesien etwa, wo wir den Tro-enwald schützen –, haben Sie erklärt, Sie hätten das soar nicht gesagt.
In jedem Zeitungsinterview sagen Sie – das kann ichier zitieren –, 260 Millionen Euro sollten nicht mehregeben werden. Ihr Fraktionsvorsitzender Westerwelle,err Kollege Königshaus, hat in jeder Haushaltsbera-ung angeprangert, dass wir mit diesen Ländern Ent-icklungszusammenarbeit betreiben.
enn wir Sie dann konkret darauf hinweisen, was wirort tun, dann werden Sie immer ganz schnell kleinlautnd sagen: Das alles sollte man schon machen. – Jetztrklären Sie, ausgerechnet Sie – das muss man sich ein-al auf der Zunge zergehen lassen –: Wir wollen das miten Ländern dort gemeinsam machen.Das ist mit Ihnen manchmal wie mit einem kleinenchulkind. Man muss immer wieder erklären, was Bud-ethilfe eigentlich bedeutet. Wir erklären Ihnen jedesal wieder, dass Budgethilfe, wenn sie gut konditioniertst, dazu führt, dass die Eigenverantwortung der Partner-änder gestärkt wird. – Würden Sie mir zuhören, Herrönigshaus? Aber Sie begreifen es ja auch beim zehntenal nicht, glaube ich; dann ist es eigentlich egal, undann können Sie sich weiter mit anderen unterhalten.Sie kritisieren auf der einen Seite, dass wir Budget-ilfe geben, fordern aber auf der anderen Seite, dass wirit den Partnerländern gemeinsam Projekte durchfüh-en. Das machen wir längst. Wir sind da schon ein paaruantensprünge weiter als Sie. Wenn wir die Klimapro-leme lösen wollen, Herr Königshaus, dann müssen underden wir weiterhin mit Indonesien zusammenarbeiten,o die größten verbliebenen Tropenwälder sind. Fast8 Prozent des CO2-Ausstoßes stammen aus der Rodungon Regenwäldern. Gerade in Indonesien werden wireiter Tropenwaldschutz brauchen.Herr Kollege Königshaus, Sie müssen sich einmal ei-es überlegen – ein bisschen Mathe, die Grundrechenar-en haben Sie bestimmt drauf –: In den Ländern lebenast 2 Milliarden Menschen, nämlich 1,75 Milliarden.enn Sie die 260 Millionen Euro einmal zu dieser Zahlns Verhältnis setzen, werden Sie feststellen, dass wir proopf in diesen Ländern wesentlich weniger aufwendenls pro Kopf in den afrikanischen Ländern.
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Dr. Sascha RaabeSie werden auch feststellen, Herr Königshaus, dasswir ohne diese Länder, in denen in den nächsten Jahrendas größte Bevölkerungswachstum stattfinden wird, un-sere Klimaprobleme nicht lösen können.
In dem Sinne: Hören Sie doch einfach einmal zu. Neh-men Sie die entsprechenden Erfahrungen von den Reisenmit, und erzählen Sie hier nicht immer das Gegenteil vondem, was Sie dort erfahren haben.Die Frage ist, wie ich glaube, jetzt beantwortet.
Ich könnte auch noch zehn Minuten weiterreden, aberfür Sie, Herr Dr. Addicks, werden zwei mal zwei immerfünf sein. Sie werden es einfach nicht begreifen.
Nachdem Sie, Herr Dr. Addicks, sich hier mehr Mittelfür Gesundheit gewünscht haben und Sie gefordert ha-ben, den Kleinbauern dadurch zu helfen, dass man ihneneine Schaufel in die Hand gibt, verstehe ich nicht, dassSie dann am Ende die Dreistigkeit hatten – ich habewirklich gedacht, Sie hätten sich davon schon längst dis-tanziert; man unterschreibt ja manchmal auch irgendei-nen Blödsinn –, noch einmal den Bonner Aufruf zu zi-tieren und sogar zu sagen, Sie seien stolz darauf, dassSie den unterschrieben haben.
Sie sind der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Als solcher unterschreiben Sie ei-nen Aufruf, in dem steht:Politische Beschlüsse, die Entwicklungshilfe fürAfrika zu verdoppeln, sind unvernünftig und ge-fährlich.Wer so etwas sagt, der ist nicht nur unvernünftig, der istauch dumm und zynisch. Das möchte ich Ihnen, HerrDr. Addicks, einmal sagen.
Wer selbstgefällig in der ersten Reihe sitzt und sagt, dasswir den ärmsten Menschen, die vor Hunger und Armutsterben, nicht mehr Geld, nicht mehr Hilfe zur Selbst-hilfe geben sollen,
und unterschreibt, dass es unvernünftig sei, die Hilfe fürAfrika zu verdoppeln, dem kann ich nur sagen: Wennman Menschen, die hungern, das Brot wegnimmt, wennman Menschen, die hungern, sozusagen ihre Schaufelwegnimmt, mit der sie Nahrungsmittel anbauen könnten,wenn man Menschen, die hungern, nicht mehr helfenmöchte, indem man einen so dümmlichen Aufruf mit un-terschreibt, Herr Dr. Addicks, und darauf auch nochstolz ist, dann ist jeder Konsens unter Entwicklungspoli-tikern aufgehoben.FwmnddDodvlefDn–blGsDtmtfzgmod2s
ür jemanden, der so etwas unterschreibt – das tut mirirklich leid –, habe ich kein Verständnis.
An dieser Stelle sollten Sie vielleicht auch noch ein-al darüber nachdenken, ob Sie sich in der Vorweih-achtszeit nicht dazu durchringen könnten, zu sagen,ass auch die Menschen in Afrika unsere Solidarität ver-ient haben, insbesondere über Maßnahmen unsererurchführungsorganisationen und der Nichtregierungs-rganisationen. Vor diesem Hintergrund sollten wir alleem Haushalt zustimmen. Manche von uns sollten sichielleicht auch noch einmal überlegen, ob es nicht wirk-ich bitter ist, wenn man einen Aufruf unterschreibt, ders für unvernünftig hält, den Menschen in Afrika zu hel-en.In diesem Sinne: Stimmen Sie unserem Haushalt zu.
amit tun Sie den Menschen in den ärmsten Ländern ei-en großen Gefallen.Danke.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-
eit und Entwicklung – in der Ausschussfassung. Hierzu
iegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die
rünen vor, über den wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
ache 16/11052? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? –
er Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koali-
ionsfraktionen und der FDP-Fraktion gegen die Stim-
en der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Frak-
ion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 23 in der Ausschuss-
assung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Ein-
elplan 23 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
egen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenom-
en.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 27. November
008, 9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und
chließe die Sitzung.