Protokoll:
14006

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 6

  • date_rangeDatum: 13. November 1998

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:30 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:58 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. November 1998 I n h a l t : Änderung einer Ausschußüberweisung ........... 319 A Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers ...... 319 B in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 10: a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2002 (Drucksache 14/23) .............................. 319 B b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zur Kindergeldauszahlung und zur Erstellung der Lohnsteuertabellen 1999 (Drucksache 14/28) ..................... 319 B c) Antrag der Fraktion der PDS Wiedererhebung der Vermögen- steuer (Drucksache 14/11) ................... 319 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS Besteuerung von Luxusgegenständen (Drucksache 14/27) .................................... 319 C Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 319 C Friedrich Merz CDU/CSU ...................... 326 D, 333 A Joachim Poß SPD ................... 331 A, 331 D, 336 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. .................. 331 C Ingrid Matthäus-Maier SPD.................... 332 D, 340 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 333 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P....................... 336 C Dr. Christa Luft PDS ....................................... 338 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .......................... 341 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 345 A Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN .................................... 346 D Dr. Kurt Faltlhauser, Staatsminister (Bayern) . 348 B Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .............................. 350 B Hans Georg Wagner SPD ............................ 352 A Joachim Poß SPD ............................................ 353 A Peter Harald Rauen CDU/CSU........................ 354 D Dr. Barbara Höll PDS...................................... 356 C Tagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundes- regierung Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Drucksachen 14/16, 14/32) ......... 357 C Hans-Ulrich Klose SPD................................... 357 D Joseph Fischer, Bundesminister AA....... 358 B, 364 D Paul Breuer CDU/CSU.................................... 360 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 361 C Ulrich Irmer F.D.P........................................... 363 B Heidi Lippmann-Kasten PDS .......................... 364 A Volker Rühe CDU/CSU .................................. 366 A Ernot Erler SPD............................................... 366 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 Dr. Klaus Kinkel F.D.P.................................... 367 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 368 B Wolfgang Gehrcke PDS................................... 369 A Namentliche Abstimmung ............................... 369 D Nächste Sitzung ............................................... 372 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 373 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Monika Knoche, Chri- stian Simmert, Hans Christian Ströbele und Irmingard Schewe-Gerigk (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärti- gen Ausschusses zu dem Antrag der Bundes- regierung: Deutsche Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Tagesordnungspunkt 11)................... 373 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Winfried Hermann, Ker- stin Müller (Köln), Gila Altmann (Aurich), Angelika Beer, Volker Beck (Köln), Hans- Josef Fell, Klaus Wolfgang Müller, Claudia Roth (Augsburg), Christian Sterzing, Sylvia Ingeborg Voss (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über die Be- schlußempfehlung des Auswärtigen Aus- schusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über dem Koso- vo (Tagesordnungspunkt 11) ........................... 374 A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 375 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 319 (A) (C) (B) (D) 6. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. November 1998 Beginn: 10.30 Uhr
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    Vizepräsidentin Petra Bläss Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 373 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 13.11.98 Bohl, Friedrich CDU/CSU 13,11,98 Bulling-Schröter, Eva-Maria PDS 13.11.98 Geiger, Michaela CDU/CSU 13.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 13.11.98 Hartnagel, Anke SPD 13.11.98 Hovermann, Eike SPD 13.11.98 Jacoby, Peter CDU/CSU 13.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 13.11.98 Kemper, Hans-Peter SPD 13.11.98 Meckel, Markus SPD 13.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 13.11.98 Michelbach, Hans CDU/CSU 13.11.98 Müller (Zittau), Christian SPD 13.11.98 Dr. Pfaff, Martin SPD 13.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 13.11.98 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 13.11.98 Dr. Seifert, Ilja PDS 13.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.11.98 Verheugen, Günter SPD 13.11.98 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.11.98 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 13.11.98 Wissmann, Matthias CDU/CSU 13.11.98 Zierer, Benno CDU/CSU 13.11.98 * —————— * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Monika Knoche, Christian Simmert, Hans-Christian Ströbele und Irmingard Schewe-Gerigk (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Tagesordnungspunkt 11) Die Entscheidung heute kann nicht herausgelöst wer- den aus dem Kontext des von der NATO ohne UNO- Mandat aufgebauten Drohszenarios gegenüber der Bun- desrepublik Jugoslawien, über dessen deutsche Beteili- gung noch der 13. Deutsche Bundestag am 16. Oktober 1998 abgestimmt hat. Wir haben diese Selbstmandatie- rung der NATO als Verstoß gegen internationale Völ- kerrechtskonventionen abgelehnt. Bombardierungen wären sicherlich kein geeignetes Mittel gewesen, die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Selbstverständ- lich begrüßen wir jede Verbesserung ihrer Situation nachdrücklich, insbesondere daß sie vor dem Winter noch aus den Wäldern zurückkehren konnten. Der Einsatz der OSZE-Beobachter zur Überwachung ist ein Schritt ziviler Konfliktbewältigung – auch nach unserer Auffassung sind die eingesetzten multinationa- len Peace-keeping-Einheiten unter Leitung der OSZE die geeigneten Kräfte für die Schaffung eines Sicher- heitssystems auch im Kosovo. Aber wir können nicht übersehen, daß mit dem heute zur Abstimmung anste- henden Beschluß über den „Einsatz bewaffneter Streit- kräfte mit dem deutschen Beitrag zu der NATO- Luftüberwachungsoperation“ die Fortsetzung der völ- kerrechtswidrigen militärischen Drohung vom Oktober ist und eine Militäraktion der NATO. Dies gilt genauso für den für kommende Woche geplanten Beschluß über die Stationierung einer NATO-Interventionstruppe. Auch für diese Militäraktionen in und gegen Serbien gibt es kein UNO-Mandat. Der Resolution des Sicher- heitsrates 2203/98 vom 24. Oktober 1998 ist ein solches Mandat nicht zu entnehmen. Außerdem handelt es sich nach unserer bisherigen Kenntnis bei der geplanten Bundeswehrbeteiligung an dieser Interventionstruppe um einen Out-of-area-Einsatz von Krisenreaktionskräf- ten, was wir aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen. Nicht die Bundeswehr, der der frühere Verteidigungs- minister Rühe gegen unsere Überzeugung und unser Votum immer mehr Aufgaben im Zusammenhang mit der deutschen Außenpolitik zugewiesen hat, ist die rich- tige Instanz, um solchen Schutz sicherzustellen. Hinzu kommt, daß die friedlichen Mittel zur Kon- flikteindämmung, auf die wir seit Jahren bei der leider absehbaren Eskalation des Konflikts hingewiesen haben, von der vergangenen Bundesregierung, bei weitem nicht ausgeschöpft worden sind – von effektivem Embargo konnte keine Rede sein. Stattdessen wurden weiter Flüchtlinge in die Krisenregion abgeschoben. Die Auf- rüstung der UCK wurde und wird nicht effektiv unter- bunden. Von Teilen der Öffentlichkeit wird dies als Signal internationaler Unterstützung nicht nur der Auto- nomiebestrebungen, sondern auch deren gewaltsamer Durchsetzung interpretiert. Dies hat konfliktverschär- fende Wirkung. Hier besteht dringender Handlungsbe- darf, dem die alte Bundesregierung nicht nachgekom- men ist und dessen sich die neue Regierung jetzt an- nehmen muß. Da wir zwar vom Grundsatz her den Einbezug der OSZE in die Konfliktbewältigung begrüßen, den Kon- text von NATO-Aktionen und Strategie, in dem dieser Einbezug steht, ablehnen, werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. 374 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 (A) (C) (B) (D) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Winfried Hermann, Kerstin Müller (Köln), Gila Altmann (Aurich), Angelika Beer, Volker Beck (Köln), Hans-Josef Fell, Klaus Wolfgang Müller (Kiel), Claudia Roth (Augsburg), Christian Sterzing, Sylvia Ingeborg Voß (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Tagesordnungspunkt 11) Wir stimmen dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an der NATO-Luftüberwa- chungsoperation über dem Kosovo trotz ernsthafter Be- denken zu. Auf Grundlage der VN-Sicherheitsratsresolution 1203 und des Beschlusses des Ständigen Rats der OSZE vom 24./25. Oktober wird in den nächsten Wochen eine OSZE-Verifikationsmission für ein Jahr im Kosovo tätig werden. Aufgabe der unbewaffneten Beobachter ist die Überwachung des Waffenstillstandes und militärischer Bewegungen, die Begleitung von Polizeikräften, die Unterstützung internationaler Organisationen bei der Flüchtlingsrückkehr, die Wahlüberwachung und Unter- stützung beim Aufbau der Selbstverwaltung im Kosovo. Mit 2 000 Beobachtern, darunter jeweils 200 aus Deutschland und Rußland, ist es die bisher größte Ope- ration der OSZE. Ihr Gelingen ist die entscheidende Voraussetzung für die Einleitung eines stabilen Frie- densprozesses im Kosovo. Zur Ergänzung, Effektivierung und Absicherung der OSZE-Mission auf dem Boden führt die NATO über dem Kosovo eine Luftüberwachungsoperation mit un- bewaffneten Aufklärungsflugzeugen und unbemannten tieffliegenden ,,Drohnen“ durch. Die Bundeswehr soll unter anderem eine Drohnenbatterie stellen, die mit ge- ringen, bewaffneten Sicherungskräften in Mazedonien stationiert sein würde. Grundlage der Luftüberwa- chungsoperation ist das zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien und der NATO am 15. Oktober abgeschlos- sene Abkommen. Die NATO plant darüber hinaus eine Notfalltruppe („extraction force“) von circa 1 200 bis 1 500 Soldaten für den Fall, daß die für die Sicherheit der OSZE- Beobachter verantwortlichen serbischen Behörden diese nicht mehr gewährleisten. Wenn Leib und Leben von Beobachtern durch eine der Konfliktparteien gefährdet sind, bei Geiselnahme oder wenn eine Evakuierung durch die OSZE nicht mehr möglich ist, soll sie die Beobachter herausholen können. Die in Mazedonien stationierte Notfalltruppe hat ausdrücklich keinen Interventions- und Erzwingungsauftrag. Die Bundes- wehr soll hierzu zwischen 100 und 200 Soldaten stellen. Auch wenn sich die humanitäre Lage inzwischen ent- spannt hat, ein Großteil der Binnenflüchtlinge wieder in Dörfern lebt und humanitäre Organisationen sich frei bewegen können, so bleibt der Waffenstillstand doch brüchig und das Konfliktpotential hoch brisant. In schlimmer Erinnerung ist die Vergeiselung von UN- PROFOR-Soldaten in Bosnien im Jahr 1995, die zu einem Markstein bei der Diskreditierung und Schwä- chung der UN in Bosnien wurde. Angesichts dieser hohen Risiken ist die militärische Notfallvorsorge im Interesse der Beobachter und der Autorität der sie ent- sendenden internationalen Staatengemeinschaft unver- zichtbar und völkerrechtlich nicht zweifelhaft. Ohne ei- ne solche, nur mit militärischen Mitteln realisierbare Notfallvorbereitung wäre die Entsendung der zweitau- send zivilen Beobachter in das latente Kriegsgebiet nicht zu verantworten – außer man wollte bewußt das Risiko einer Wiederholung des UNPROFOR-Traumas in Kauf nehmen. Ohne die Beobachtermission wäre der Waffen- stillstand und die Flüchtlingsrückkehr ohne Chance, wäre ein Wiederaufflammen der Kämpfe spätestens im Frühjahr vorprogrammiert. Insofern sind Beobach- termission am Boden, Luftüberwachung und Notfall- vorsorge untrennbare Bestandteile des friedensbe- wahrenden und im Kern von der OSZE getragenen Ein- satzes. Der Antrag der Bundesregierung schließt ausdrück- lich an den Beschluß des Bundestages vom 16. Oktober (13. Legislaturperiode) an. Unsere Zustimmung zum jetzigen Antrag der Bundesregierung darf allerdings in keiner Weise als nachträgliches Einverständnis zur An- drohung eines NATO-Luftangriffes ohne klares UN- Mandat verstanden werden. Wir bleiben dabei, daß ein Mandat von UN bzw. OSZE Mindestvoraussetzung für Kriseneinsätze von Militär sein sollte und daß alle Be- mühungen in Richtung einer Selbstmandatierung der NATO zersetzend auf die internationale Ordnung wir- ken und einem internationalen Recht der Stärkeren Vor- schub leisten. Die bevorstehende OSZE-Mission ist nicht nur un- verzichtbar für einen langfristigen Friedensprozeß und die Herstellung der Menschenrechte im Kosovo. Sie ist zugleich eine Bewährungsprobe für die OSZE als der einzigen gesamteuropäischen Sicherheitsinstitution, die bisher weitgehend im Schatten der NATO und des öffentlichen Interesses stand. Insofern begrüßen wir die OSZE-Beobachtermission als doppelten Beitrag zum Frieden in Europa und zur Zivilisierung der Außen- politik. Die enormen praktischen Anforderungen an die OS- ZE-Mission zeigen zugleich, wie hochaktuell die im Koalitionsvertrag festgelegte Absicht der neuen Bundes- regierung ist, die personelle und finanzielle Ausstattung der OSZE zu stärken, Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich von Peacekeeping, Peacebuilding und Frie- densfachdiensten zu schaffen und die Entwicklung des Instruments internationaler Polizeieinsätze voranzu- treiben. Fortschritte bei der Krisenprävention und zivi- len Konfliktbearbeitung sind die Voraussetzung dafür, daß sich Bosnien, Kosovo nicht ständig wieder- holen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 375 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 731. Sitzung am 6. No- vember 1998 der vom Deutschen Bundestag am 26. Oktober 1998 beschlossenen unveränderten Weiter- geltung der 1. Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) vom 5. Mai 1951 (BGBl. II S. 103), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 16. Mai 1995 (BGBl. I S. 742), gemäß Artikel 77 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, 2. Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß vom 23. Juli 1969 (BGBl. I S. 1102), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 20. Juli 1993 (BGBl. I S. 1500), gemäß Artikel 53a Absatz 1 Satz 4 des Grundgesetzes und der 3. Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes vom 23. Juli 1969 (BGBl. I S. 1100), gemäß Artikel 115d Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes zugestimmt. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen bzw. von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/7017 Nr. 1.6 Drucksache 13/7216 Nr. 2.22 Drucksache 13/7867 Nr. 1.3 Drucksache 13/8106 Nr. 1.5 Drucksache 13/9086 Nr. 1.14 Drucksache 13/9819 Nr. 2.14 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/6766 Nr. 2.6 Drucksache 13/7017 Nr. 1.5, 2.9, 2.11 Drucksache 13/7216 Nr. 2.3, 2.8 Drucksache 13/7306 Nr. 2.16, 2.20, 2.23 Drucksache 13/7541 Nr. 2.17 Drucksache 13/7706 Nr. 2.5 Drucksache 13/9312 Nr. 1.8, 1.11, 1.13 Drucksache 13/9477 Nr. 2.11, 2.12, 2.17, 2.20, 2.24, 2.25 Drucksache 13/9668 Nr. 1.3, 1.5 Drucksache 13/11106 Nr. 2.13, 2.14, 2.16 Drucksache 13/11204 Nr. 2.8 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/3668 Nr. 2.19 Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Drucksache 13/8615 Nr. 2.59, 2.75
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400600000
Meine Damen und
Herren, die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich
Ihnen noch folgendes mitzuteilen. In der gestrigen Sit-
zung wurde der Antrag der Fraktion der PDS zum
Vermögenszuordnungsgesetz auf Drucksache 14/17
zur federführenden Beratung an den Ausschuß für An-
gelegenheiten der neuen Länder und zur Mitberatung an
den Ausschuß für Wirtschaft und Technologie, an den
Rechtsausschuß und an den Haushaltsausschuß überwie-
sen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Federführung jedoch beim Rechtsausschuß liegen. Sind
Sie mit dieser Änderung einverstanden? – Das ist offen-
bar der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklä-

rung des Bundeskanzlers
Die Themenbereiche sind jetzt Finanzen und Steuern.
Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte 10 a bis

10 c sowie den Zusatzpunkt 3 auf:
10. a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Steuerentlastungsge-
setzes 1999/2000/2002

– Drucksache 14/23 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Aussschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuß für Bildung und Forschung
Ausschuß für Tourismus
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Beratung des Antrags der Fraktionen SPD

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zur Kindergeldauszahlung und zur Er-
stellung der Lohnsteuertabellen 1999

– Drucksache 14/28 –

c) Beratung des Antrags der Fraktion der PDS
Wiedererhebung der Vermögensteuer

– Drucksache 14/11 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft und Technologie

ZP3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bar-
bara Höll, Dr. Christa Luft, Heidemarie Ehlert,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Besteuerung von Luxusgegenständen
– Drucksache 14/27 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache drei Stunden vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Es wird mir gerade mitgeteilt, daß das Plenum nach
dieser Debatte für zirka 30 Minuten wegen einer Frakti-
onssitzung der SPD unterbrochen werden soll. Ich bitte
um Ihr Einverständnis.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU], zur SPD gewandt: Habt ihr Probleme?)


Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bun-
desminister der Finanzen, Oskar Lafontaine.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist die Abschiedsrede!)



Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1400600100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung
das wichtigste Ziel der Bundesregierung deutlich ge-
macht: Das ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Ich glaube, daß alle in diesem Hause zustimmen werden,
wenn ich sage, daß wir, solange die Arbeitslosenzahl im
Jahresdurchschnitt etwa 4 Millionen beträgt, nicht von






(B)



(A) (C)



(D)


einer zufriedenstellenden Situation, nicht von einem
wohlbestellten Haus sprechen können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß wir uns auch
mit den Oppositionsparteien in dem Ziel einig sind, die
Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Diese Feststellung ist
mir wichtig.

Die Diskussion geht also lediglich um die Frage:
Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die
Arbeitslosigkeit zurückzuführen? Eine der Maßnahmen,
die wir ergreifen wollen, ist eine Veränderung des
Steuerrechts. Ich möchte aber zu Beginn darauf hin-
weisen, daß ich nicht der Auffassung bin, daß man allein
oder auch nur in erster Linie mit dem Steuerrecht die
Aufgabe bewältigen kann, die Arbeitslosigkeit zurück-
zuführen. Das kann man auch nicht ausschließlich mit
Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten. Viel-
mehr braucht man, wenn man die Arbeitslosigkeit zu-
rückführen will, ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die
aufeinander abgestimmt sein müssen. Eine dieser Maß-
nahmen ist die Reform des Steuerrechts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage das deshalb, weil – sicherlich aus Überzeu-
gung – von Vertretern der jetzigen Oppositionsparteien
im Bundestagswahlkampf immer wieder geäußert wur-
de, das Steuerrecht sei der Schlüssel zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit. Ich werde nachher noch im einzel-
nen darauf eingehen.

Wir sind der Auffassung, daß das Steuerrecht eine
wichtige Rolle spielt. Aber wir würden das Steuerrecht
insbesondere angesichts der Tatsache, daß wir in
Deutschland die niedrigste Steuerquote in Europa haben,
überfordern, wenn wir glaubten, das Steuerrecht biete
die Möglichkeit, ganz entscheidende Impulse zu geben,
mit denen die Arbeitslosigkeit zurückgeführt werden
kann.

Die unterschiedlichen Steuerkonzepte standen bei der
Bundestagswahl zur Diskussion. Die ehemaligen Regie-
rungsparteien haben ebenso für ihre Konzepte geworben,
wie SPD und Grüne für die ihren geworben haben; die
Konzepte unterscheiden sich deutlich voneinander. Inso-
fern kann man wirklich davon sprechen – da die Steuer-
politik ein Hauptthema der Bundestagswahl war –, daß
die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler die Steuerkon-
zeption befürwortet und gutgeheißen hat, die wir Ihnen
jetzt in Form eines Gesetzentwurfes vorstellen.


(Beifall bei der SPD)

Unsere Steuerpolitik hat einen Ansatz, von dem wir

glauben, daß er in den letzten Jahren viel zuwenig be-
achtet worden ist, nämlich den Ansatz, daß das Steuer-
recht auch Steuergerechtigkeit herstellen muß, um von
der großen Mehrheit der Bevölkerung angenommen zu
werden.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Verstößt man gegen den Grundsatz der Steuergerechtig-
keit im Steuerrecht, dann ist das nicht in erster Linie
eine ökonomische Frage, sondern betrifft in erster Linie
die Gesamtgesellschaft. Es geht hier um den Zusam-
menhalt einer Gesellschaft. Der Zusammenhalt einer
Gesellschaft wird gestärkt und gefestigt, wenn die Steu-
erzahlerinnen und Steuerzahler den Eindruck haben: Es
geht in unserem Staate gerecht zu.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb haben die Meinungsforschungsinstitute ins-
gesamt von der Gerechtigkeitslücke gesprochen, und
diese hat die Diskussion im Vorfeld der Bundestags-
wahlen bestimmt. Sie haben festgestellt, daß es Auftrag
der Wählerinnen und Wähler war, diese Gerechtigkeits-
lücke zu schließen. Die Regierung Schröder nimmt diese
Aufgabe an und setzt sie jetzt in die Tat um.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unsere Steuerrechtsvorschläge zielen darauf ab, die
große Mehrheit der Bevölkerung zu entlasten. Es ist kei-
ne Aussage, die nur aus dem Dialog der Parteien ent-
standen ist, wenn wir feststellen, daß die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren überpro-
portional belastet worden sind, während andere Gruppen
unserer Bevölkerung überproportional entlastet worden
sind. Das gilt nach der Statistik insbesondere für die
Belastung der Arbeitnehmerschaft im Verhältnis zu
Beamten, zu Selbständigen, zu Unternehmern und ande-
ren Gruppen der Bevölkerung. Deshalb war es notwen-
dig, gezielt die Arbeitnehmerschaft und die Familien zu
entlasten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heidemarie Ehlert [PDS])


Diesem politischen Anliegen trägt dieser Gesetzentwurf
Rechnung.

Dieser Gesetzentwurf unterscheidet sich an einer
wichtigen Stelle von den üblichen Verhaltensweisen von
Regierungen – nicht nur in Deutschland, sondern in
vielen Staaten der Welt. Häufig sind vor den Wahlen
Steuersenkungen versprochen worden, während nach
den Wahlen die Steuern erhöht wurden.


(Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Bei Ihnen auch!)


Eine solche Vorgehensweise bevorzugte auch die alte
Koalition. Nicht zuletzt deshalb haben Sie in der Bevöl-
kerung soviel Vertrauen verloren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir setzen mit diesem Steuerreformentwurf genau das
um, was wir den Wählerinnen und Wählern vor der
Wahl versprochen haben. Das ist, so glaube ich, tatsäch-
lich ein Neuanfang der Politik in Deutschland.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bundesminister Oskar Lafontaine






(A) (C)



(B) (D)


Diese Steuerreform ist arbeitnehmerfreundlich, sie ist
aber auch familienfreundlich. Ich habe kein Verständ-
nis dafür gehabt, daß im Vorfeld der Auseinander-
setzungen immer wieder, auch von Industrieverbänden,
behauptet wurde – von der Sache her im übrigen fälsch-
licherweise –, die Erhöhung des Kindergeldes schaffe
keinen einzigen Arbeitsplatz. Der ökonomische Zu-
sammenhang ist die eine Sache – klar ist, daß die Fami-
lien, die auf jede Mark angewiesen sind, diese auch aus-
geben, und somit wird sie in Nachfrage umgesetzt –,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

aber uns geht es um etwas anderes: Es genügt nicht,
immer nur die Bedeutung der Familie zu beschwören;
wir müssen auch die materiellen Grundlagen dafür
schaffen, daß die Familien in unserem Staate gefördert
werden.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Deshalb haben wir kein Verständnis dafür, daß die Op-
positionsparteien so hartnäckig Widerstand gegen die
Verbesserung der Stellung der Familien im Steuerrecht


(Michael Glos [CDU/CSU]: Kappung des Ehegattensplittings!)


und die Erhöhung des Kindergeldes geleistet haben.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sehr wahr!)


Ich bin der Auffassung: Es wäre auch in Ihrem Interesse,
diese Haltung zu korrigieren. Es ist nicht übertrieben,
wenn die Familienverbände und die Kirchen feststellen,
daß die Familien auch im Steuerrecht in den letzten Jah-
ren zu schlecht gestellt worden sind. Deshalb wollen wir
das korrigieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Zusammenhang mit einer Steuerreform, die ar-
beitnehmerfreundlich und familienfreundlich ist, wird
von Ihrer Seite, meine Damen und Herren, immer der
Vorwurf der Umverteilung erhoben. Dies ist ein ganz
und gar spaßiger Vorwurf, und zwar deshalb, weil das
Steuerrecht stets – in welcher Form auch immer – eine
Umverteilung darstellt. Die Frage ist nur, wem gegeben
und wem genommen wird, wer der Nutznießer und wer
der Benachteiligte der Umverteilung ist.


(Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn also die einen Umverteiler die anderen Um-
verteiler Umverteiler nennen, dann mag das zwar ganz
spaßig sein; aber hier wird auch der Unterschied deut-
lich: Man kann von unten nach oben umverteilen in dem
Glauben, daß damit die Wachstumskräfte und die Inve-
stitionskräfte gestärkt würden; man kann aber auch für
mehr Steuergerechtigkeit sorgen und Ungerechtigkeiten
abbauen im Hinblick darauf, daß wir in der Wirtschafts-
politik zwei Augen haben müssen, Angebot und Nach-
frage, und unter Beachtung der Tatsache, daß eine stän-

dige Schwächung der Nachfrage zum Verlust von Ar-
beitsplätzen führt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Ihr Vorwurf der Umverteilung trifft uns mitten ins
Herz. Sie haben recht: Ihre Umverteilung haben wir
rückgängig gemacht. Die Umverteilung von unten nach
oben ist gestoppt. Jetzt wird der großen Mehrheit des
Volkes gegeben. Das ist unser Wählerauftrag; und genau
den setzen wir um.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei der sogenannten Gegenfinanzierung, meine
Damen und Herren, sind natürlich auch die Vertei-
lungswirkungen und die ökonomischen Auswirkungen
zu beachten. Wir haben Ihrem Steuerkonzept widerspro-
chen, weil es einen systematischen Fehler hatte; daß
Entlastungswirkungen zwar immer wieder angepriesen
worden sind, aber zuwenig darauf geachtet wurde, was
die Entlastung für den einzelnen bedeutet.

Es hat keinen Sinn, von Steuerentlastungen zu reden,
wenn dabei – wie das in der Debatte immer wieder ge-
schehen ist – die Begriffe völlig durcheinandergemengt
werden. Steuerentlastung für die Gesamtheit, also Net-
toentlastung, sagt zunächst noch gar nichts darüber aus,
wer der Nutznießer und wer der Benachteiligte einer
solchen Entlastung ist. Wir haben das durchgerechnet.
Im Gegensatz zu Ihrem Steuerkonzept werden bei uns
die Leistungsträger der aktiven Arbeitnehmerschaft
nicht belastet, sondern entlastet. Das ist der Unterschied
zwischen Ihrem und unserem Konzept.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Sie haben – das ist ja nicht zu bestreiten – mit steuer-
systematischen Gründen dafür geworben, die Schichtar-
beiter zu besteuern. Sie haben – das ist ja nicht zu be-
streiten – mit steuersystematischen Gründen dafür ge-
worben, die Kilometerpauschale drastisch zu reduzieren.
Sie haben – das ist ja nicht zu bestreiten – auch dafür
geworben – von der Steuerwissenschaft, wie ich meine,
falsch beraten –, den Arbeitnehmerpauschbetrag deut-
lich zu reduzieren. Aber Sie haben versäumt, durchzu-
rechnen, was dies im einzelnen heißt. Dies korrigiert die
Bundesregierung. Die Facharbeiter, die Krankenschwe-
stern, die Fernfahrer, die Busfahrer, sie dürfen nicht die
Verlierer einer Steuerreform sein; sie sind bei uns die
Gewinner der Steuerreform.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Natürlich, meine Damen und Herren, würden wir
gern auch bei der Nettoentlastung noch größere Schritte
machen. Obwohl sich die Vorurteile hartnäckig halten,
obwohl viele meinen, Deutschland sei ein Hochsteuer-
land, sind die Tatsachen ganz, ganz andere. Tatsache ist,
daß wir die niedrigste Steuerquote in der Europäischen

Bundesminister Oskar Lafontaine






(B)



(A) (C)



(D)


Gemeinschaft haben. Wer in einer solchen Situation
sagt, wir müßten die Steuerquote noch weiter zurückfüh-
ren, der ist damit auch für schlechtere Schulen, schlech-
tere Forschung, schlechtere Straßen, schlechtere Ausbil-
dung, schlechtere Krankenhäuser, schlechtere Kinder-
gärten usw. Man darf den Leuten doch nicht Dinge er-
zählen, die nicht zusammenpassen!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer für ein weiteres Absenken der Steuerquote plä-

diert, plädiert auch für ein deutliches Zurückfahren der
öffentlichen Infrastrukturleistungen. Das muß einmal
gesagt werden, um die Debatte wieder auf eine rationale
Grundlage zu stellen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Wenn ich höre, meine Damen und Herren, wie vor-
bildlich die Holländer sind, wie vorbildlich die Dänen
sind, dann bin ich manchmal versucht, in Deutschland
die Steuer- und Abgabenquote Hollands oder Däne-
marks einzuführen. Dann möchte ich das Geschrei der-
jenigen hören, die Holland und Dänemark immer als
große Vorbilder in der Europäischen Gemeinschaft dar-
stellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich entlasten wir nicht nur Arbeitnehmer und
Familien. Vielmehr greifen wir Vorschläge der Wirt-
schaftsverbände auf, die darauf abzielten, die nominalen
Steuersätze der Wirtschaft zu senken, sie aber gegenzu-
finanzieren durch eine Verbreiterung der Bemessungs-
grundlage. Darüber diskutieren wir jetzt viele Jahre.
Interessanterweise haben eine Reihe von Vorschlägen
zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, die insbe-
sondere in Nordrhein-Westfalen entwickelt worden sind,
auch in das Steuerkonzept der ehemaligen Regierung
Eingang gefunden. Daran ist nichts Verwerfliches.
Wenn wir da einer Auffassung sind, ist das in Ordnung.

Nur besteht hier ein Konflikt, den man mit den Wirt-
schaftsverbänden austragen muß. Die Wirtschaftsver-
bände wollen nämlich in einem falschen Verständnis
von Lobbyismus die Öffentlichkeit glauben machen,
man könnte amerikanische Steuersätze und deutsche
Abschreibungsmöglichkeiten haben. Das geht nicht. Das
ist unehrlich. Deshalb bitten wir hier um etwas mehr
Wahrhaftigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, es ist immer wieder kriti-
siert worden, daß wir die Steuersätze erst schrittweise
senken. Aber das ergibt sich aus der Systematik: Wenn
wir Steuersubventionen abbauen, dann bauen sich die
Mehreinnahmen des Staates erst langsam auf. Wenn wir,
wie wir überall lesen, bei der niedrigsten Steuerquote in
Europa – ich wiederhole das – Haushaltsprobleme ha-
ben, wäre es fahrlässig und nicht verantwortbar, Steuer-
senkungen weiterhin auf Pump zu finanzieren. Deshalb
mußten wir diesen Weg gehen und die Steuersätze

schrittweise in dem Maße senken, in dem der Staat
Mehreinnahmen hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im übrigen haben wir 70 Subventionstatbestände in
den Gesetzentwurf geschrieben. Selbstverständlich kann
an diesen Listen einiges geändert werden. Die Bundes-
regierung hätte ein ganz falsches Verständnis von par-
lamentarischer Beratung, wenn wir der Auffassung wä-
ren: Wir bringen ein solch umfangreiches Gesetz in die
Ausschüsse ein, und es kommt genauso aus den Aus-
schüssen, wie es in die Ausschüsse hineingegangen ist.
Es gibt eine ganze Reihe von sachbezogenen Argumen-
ten, bei denen wir nicht sicher sind, ob sie nicht eine
Überprüfung bestimmter Streichtatbestände erfordern.

Aber eines möchte ich für die Bundesregierung sa-
gen: Das Gesamtkonzept muß insoweit durchgehalten
werden, als nicht in unvertretbarem Ausmaße Einnah-
meausfälle beschlossen werden. Denn es ist klar: Steuer-
senkungen will jeder, aber bei der Gegenfinanzierung
sind dann viele zurückhaltend und zögerlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insoweit glauben wir, eine in sich ausgewogene Vor-
lage gemacht zu haben, die wir immer auch – das sage
ich auch bei allen anderen Maßnahmen, die ich anspre-
che – im Hinblick auf die Europäische Gemeinschaft
sehen müssen. Das ist vielleicht noch zuwenig bedacht
worden. Aber wir müssen uns angewöhnen, fast alle
Vorlagen, die wir zu Steuer-, Sozial- und ähnlichen Ge-
setzen machen, immer auch auf die Vereinbarkeit mit
den Zielsetzungen der Europäischen Gemeinschaft hin
durchzuchecken. Denn die Europapolitik wird mehr und
mehr zur Innenpolitik, und das verlangt eine schrittweise
Harmonisierung der jeweiligen Vorschriften in den ein-
zelnen Ländern.


(Beifall bei der SPD)

Hier genau ergibt sich auch die Verbindung zu den

Lohnnebenkosten. Auch bei den Lohnnebenkosten ha-
ben wir ein anderes Konzept als Sie. Im ersten Punkt des
Konzeptes stimmen wir sicherlich überein. Dieser lautet:
Die Lohnnebenkosten sind zu hoch; sie müssen auch
durch strukturelle Reformen gesenkt werden. Ich möchte
hier ganz klar sagen – der Bundeskanzler hat es in seiner
Regierungserklärung angesprochen –: Wer bei der Höhe
der Lohnnebenkosten glaubt, man komme ohne struktu-
relle Reformen aus, der macht einen Fehler.


(Beifall des Abg. Volker Kröning [SPD])

Worüber wir wieder streiten müssen, ist, wie das im

einzelnen aussehen soll. Das hatte ich hier an Hand der
Rentenformel erläutert. Ich will es wiederholen, damit
man mir nicht den Vorwurf macht: Der redet nur so all-
gemein daher. Wir haben bei der Rentenformel kritisiert,
daß die Kürzungen über den gesamten Rententarif vor-
genommen worden sind. Dann wurden wir mitten im
Wahlkampf mit der jetzt vielleicht schon wieder ver-
gessenen Tatsache konfrontiert, daß die Unionsparteien
insbesondere vor der bayerischen Landtagswahl die

Bundesminister Oskar Lafontaine






(A) (C)



(B) (D)


Rentenkürzung für die Rentnerinnen und Rentner
mit mindestens 45 Versicherungsjahren zurücknehmen
wollten.

Das macht nun im Rahmen von Reformvorstellungen
gar keinen Sinn, nämlich daß die höheren Renten von
Kürzungen ausgenommen werden und die kleinsten
Renten gekürzt werden. Solche Wege können wir nicht
gehen. Deshalb mußten wir hier Ihre sogenannte Reform
zurücknehmen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


zumal Sie selbst – das möchte ich bei der öffentlichen
Diskussion der Redlichkeit halber sagen – Ihre soge-
nannte Reform zurücknehmen wollten, allerdings an der
falschen Stelle.

Bei der Senkung der Lohnnebenkosten wollen wir
einem weiteren Prinzip unserer Regierungsarbeit Rech-
nung tragen; das ist das Prinzip der Gerechtigkeit. Die-
ses gilt auch für das Steuerrecht. Was meine ich da-
mit? Auf Grund der Struktur der Zusammensetzung der
Sozialversicherungsbeiträge nimmt derjenige, der die
Sozialkassen über Gebühr in Anspruch nimmt, auch
Umverteilungseffekte in Kauf. Er belastet nämlich über
Gebühr den Teil der Arbeitnehmerschaft, der die
Hauptlast der Sozialversicherungsbeiträge trägt. Insofern
war es ein Fehler von Ihnen, zur Finanzierung der
deutschen Einheit nicht in erster Linie die Steuer, son-
dern die Sozialabgaben heranzuziehen. Das war eine
falsche Umverteilung, die wir schrittweise korrigieren
müssen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Gerechtigkeitsempfinden unseres Volkes besagt,
daß die Finanzierung des Aufbaus Ost nicht in erster
Linie eine Aufgabe desjenigen Teils der Bevölkerung
ist, der Sozialversicherungsbeiträge zahlt, natürlich er-
gänzt um die Beiträge der Unternehmerschaft; vielmehr
ist dies eine Aufgabe der Allgemeinheit, also aller Steu-
erzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland, nach
dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Deshalb war dies
eine Fehlentscheidung, die Sie getroffen haben, deren
Ursache und Entstehen wir verfolgen konnten. Ich
wollte das hier noch einmal anmerken.

Neben der Gerechtigkeit haben wir bei der Senkung
der Lohnnebenkosten noch ein anderes Ziel im Auge,
das darin besteht, Arbeit und Umwelt miteinander zu
versöhnen. Es ist in der ganzen Europäischen Gemein-
schaft nicht mehr streitig, daß es richtig ist, die Besteue-
rung der Arbeitsplätze zurückzuführen und die Besteue-
rung des Umweltverbrauchs schrittweise und maßvoll zu
erhöhen. Deshalb sehen wir diese beiden Reformvor-
stellungen im Zusammenhang. Sie dienen der Gerech-
tigkeit. Sie entlasten die Arbeit, und sie dienen auch län-
gerfristig bei der Neuordnung des Abgabenrechts dem
Umweltschutz. Insofern handelt es sich um eine wirkli-
che Reform, die wir auf den Weg bringen mußten, von
der wir wußten, daß viele von Ihnen hier ähnliche Vor-
haben umsetzen wollten, aber Sie konnten sich nicht
darauf verständigen. Deshalb mußte eine neue Regie-

rung gewählt werden, um jetzt diese Reform in Angriff
zu nehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch bei den Lohnnebenkosten und der Energiever-
brauchsbesteuerung möchten wir auf die Notwendigkeit
der europäischen Harmonisierung hinweisen. Es ist
schlicht und einfach eine Tatsache, daß wir auch bei
dem Vergleich unserer Steuern und Abgaben mit ande-
ren immer wieder die europäischen Nachbarn im Auge
haben müssen und daß wir bei der Harmonisierung ei-
nen Bedarf haben. Hier ergibt sich insgesamt eine große
Aufgabe für die Europäische Gemeinschaft, die heute
angesprochen werden muß. Der Steuerwettbewerb, wir
sagen: Steuersenkungswettlauf zwischen den einzelnen
europäischen Mitgliedstaaten, ergänzt um die soge-
nannten Steueroasen, hat zu einem nicht haltbaren Zu-
stand der Ungerechtigkeit innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft geführt. Man kann es nicht oft genug sa-
gen: Während sich diejenigen, die Geld, hohe Einkom-
men und Gewinne haben, durch Wohnsitzverlagerung,
Kontoverlagerung, Firmensitzverlagerung oder Gewinn-
verlagerung der nationalen Besteuerung entziehen
konnten und noch immer können, mußten die Arbeit-
nehmer in ganz Europa immer höhere Lohnsteuern,
Verbrauchsteuern und Sozialabgaben zahlen. Das müs-
sen wir ändern, um Gerechtigkeit auch auf europäischer
Ebene herzustellen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Im übrigen sind uns bei der Verwirklichung dieses
Prinzips andere Staaten vorangegangen, Staaten, die
– ich nenne Holland und Dänemark als Beispiele; ich
erwähne auch den extrem hohen Benzinpreis in Groß-
britannien – uns immer wieder als Vorbilder hingestellt
wurden. Diese Staaten sind bei der Veränderung der
Steuer- und Abgabenstruktur in bezug auf Lohnneben-
kosten und die Belastung durch Energieverbrauchsteu-
ern vorangeschritten. Insofern sehen wir eine Maßnahme
vor, die sich sehr wohl in den Kontext der europäischen
Zusammenarbeit einbetten läßt.

Neben der Steuerpolitik und der Politik bei den Sozi-
alversicherungsausgaben ist natürlich auch die Haus-
haltspolitik stets heranzuziehen, wenn wir über die Be-
kämpfung der Arbeitslosigkeit reden. Nur, meine Da-
men und Herren, es ist mittlerweile unstreitig in ganz
Europa, daß auf Grund des hohen Schuldenaufbaus der
letzten Jahre – das gilt nicht nur für Europa, das gilt
auch für die großen Industrienationen außerhalb Europas
– die Möglichkeiten der Haushaltspolitik, die Arbeitslo-
sigkeit zu bekämpfen, immer mehr reduziert worden
sind.

Auch hierzu noch einmal etwas zur Debatte der letz-
ten Tage. Es mag ja sein, daß der eine oder andere die
gegenwärtige Haushaltssituation als außerordentlich be-
friedigend ansieht. Darüber will ich mich gar nicht
streiten. Nur, eine Kennziffer jeden Haushalts ist die
Zins-Steuer-Quote. Bei einer Zins-Steuer-Quote von 26
Prozent sind wir der Auffassung, daß der Haushalt im

Bundesminister Oskar Lafontaine






(B)



(A) (C)



(D)


Ungleichgewicht ist und daß die Spielräume der Haus-
haltspolitik so gering sind, wie sie in der Bundesrepublik
Deutschland noch nie waren. Das ist doch eine Tatsache.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich wurde in früheren Jahren – wenn Sie mir diese
Reminiszenz gestatten – immer mit dem Einwurf
„Saarland“ konfrontiert. Das Erbe, das ich dort angetre-
ten hatte, war noch relativ gemäßigt, weil die Zins-
Steuer-Quote nur bei 19 Prozent lag. Es ist leider nicht
gelungen, sie deutlich zu senken – sie liegt jetzt bei 21
Prozent.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber Ihr Marsch bei der Zins-Steuer-Quote von 12

Prozent auf 26 Prozent ist beachtlich und sollte keine
Selbstzufriedenheit in Ihren Reihen hervorrufen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Haushaltspolitik hat also keine großen Spielräume.
Aber eines wollen wir im Bundeshaushalt wirklich

wieder einführen, nämlich daß wir uns darum bemühen,
auch dem Prinzip der Haushaltswahrheit und der
Haushaltsklarheit wieder zum Durchbruch zu verhel-
fen; denn dieser Wust von Schatten- und Nebenhaus-
halten führt doch dazu, daß die wahre Verschuldung in
Deutschland überhaupt nicht mehr bekannt ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Immer wieder geistern unterschiedlichste Zahlen über
die Verschuldung, die Zins-Steuer-Quote und andere
Meßziffern des Haushaltes durch die Gegend, weil im
Haushaltsbuch nicht mehr das steht, was eigentlich in
das Haushaltsbuch hineingehört, nämlich die gesamte
Last der Schulden, die gesamte Last der Ausgaben und
natürlich auch das gesamte Bündel der Einnahmen.

Wenn wir darüber streiten, ob denn die Strukturen
des Haushaltes so, wie Sie ihn übergeben, in Ordnung
seien, dann ist ein ganz einfacher Sachverhalt Beweis
dafür, daß sie eben nicht in Ordnung sind: Sie haben
sowohl im Haushalt 1998 als auch im Haushalt 1999
Veräußerungen von Bundesvermögen in einer Grö-
ßenordnung von über 20 Milliarden DM angesetzt. Das
ist genau das strukturelle Defizit, das wir festgestellt ha-
ben; denn das Tafelsilber steht nicht grenzenlos zur Ver-
fügung. Was soll also die Diskussion? Bleiben wir doch
bei den Tatsachen. Diese Defizite sind schlicht und ein-
fach vorhanden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mittlerweile wird dies nicht nur in Deutschland so
gesehen, sondern in ganz Europa. Diese Erkenntnis
führte zu der Frage, die auch in der letzten Zeit die Ge-
müter beschäftigt hat: Welche Politik kann zur schritt-
weisen Zurückführung der Arbeitslosigkeit gemacht
werden, wenn die Möglichkeiten der Steuerpolitik, die
Möglichkeiten der Neuordnung der Sozialversiche-

rungsstrukturen und die Möglichkeiten der Haushalts-
politik zwar gegeben, aber begrenzt sind? Es wäre fahr-
lässig, zu sagen, allein wegen des Vorhandenseins der
Möglichkeiten könnte ein deutlicher und dramatischer
Abbau der Arbeitslosigkeit eingeleitet werden.

Wenn man sich solche Fragen stellt, dann blickt man
eben auch über den Zaun zu anderen Ländern. Ich hatte
vorhin gesagt: Wer das Heil in der Steuerpolitik sucht,
der muß schlicht und einfach von der Sache her beant-
worten, warum in früheren Jahrzehnten bei höheren
Grenzsteuersätzen, etwa bei der privaten Einkommen-
steuer, und bei einer höheren Besteuerung der Unter-
nehmen gleichwohl ein größeres Wachstum und ein
stärkerer Abbau der Arbeitslosigkeit oder gar ein Auf-
wuchs der Beschäftigung vorzufinden waren. Dieser
Sachfrage muß er sich zunächst einmal stellen.

Bei den Lohnnebenkosten ist es ohne Zweifel so, daß
sie auf Grund der Entscheidungen im Zusammenhang
mit der Vereinigung ein Rekordniveau erreicht haben.
Dies ist eine strukturelle Fehlentwicklung, insbesondere
im Hinblick auf die personalintensiven Betriebe im Ein-
zelhandel, im Mittelstand und im Handwerk.

Bei der Haushaltspolitik sind die Spielräume nicht
mehr vorhanden. Das muß man in aller Klarheit sagen.

Also: Wo und wie kann angesetzt werden, um wieder
zu mehr Beschäftigung zu gelangen?

Wenn wir beispielsweise auf die Vereinigten Staa-
ten blicken, dann sehen wir, daß dort eine selbstver-
ständliche Diskussion im Gange ist, von der ich mir
wünschen würde, daß sie auch in Deutschland in dersel-
ben Sachbezogenheit und Unaufgeregtheit in Gang
kommen könnte. Es handelt sich um eine Diskussion
darüber, was die Fiskalpolitik, also die Haushalts- und
Steuerpolitik, was die Lohn – und Einkommenspolitik
und was die Geldpolitik – vielleicht koordiniert – tun
können, um Wachstum und Beschäftigung zu erreichen
und die Arbeitslosigkeit langsam abzubauen.

Ich möchte Sie mit einem Zitat konfrontieren, um
auch hier einmal etwas von der Debatte, die in anderen
Ländern stattfindet, einzuführen. Im Hinblick auf das
Zusammenwirken von Haushaltspolitik und Geldpolitik
hat mein französischer Kollege Dominique Strauss-
Kahn kürzlich in einem Vortrag gesagt:

Wir stehen doch vor verschiedenen Konzepten,
entweder das Konzept Reagan/Volcker oder Clin-
ton/Greenspan, was das Zusammenwirken von
Haushaltspolitik und Geldpolitik angeht.

Er hat sich dafür ausgesprochen, daß wir in Zukunft ver-
suchen sollten, eher dem Konzept Clinton/Greenspan zu
folgen als dem Konzept Reagan/Volcker. Was ist damit
gemeint? Damit ist gemeint, daß der Irrglaube, es sei
nicht notwendig, die Haushaltspolitik und die Geldpoli-
tik zu koordinieren, zu erheblichen Beschäftigungsver-
lusten führt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Irrglaube hat nicht nur in Amerika dazu geführt,
sondern auch in Deutschland, wie ich gleich ausführen
werde.

Bundesminister Oskar Lafontaine






(A) (C)



(B) (D)


Reagan hat eine expansive Haushaltspolitik mit
großer Staatsverschuldung betrieben. Die Geldpolitik
konnte darauf nur mit Zinsen im zweistelligen Bereich
reagieren. Eine solche Konstellation ist auf Grund der
Haushaltsentwicklung nicht machbar. Sie ist auch gar
nicht wünschenswert, weil ein solches Bremsen der
Geldpolitik längerfristig zu Beschäftigungsverlusten
führen muß, wie sie Anfang der 90er Jahre in den Verei-
nigten Staaten zu verzeichnen waren. Auf der anderen
Seite besteht jetzt in Amerika eine Situation, in der
Haushaltspolitik – in den USA gibt es sogar leichte
Überschüsse – und Geldpolitik so aufeinander abge-
stimmt sind, daß, abgesehen von der Rezession zu Be-
ginn der 90er Jahre, ein langsames und schrittweises
Wachstum mit ständig zunehmenden Beschäftigungser-
folgen stattgefunden hat. Was hindert uns eigentlich
daran, in der Zukunft eine ähnliche Abstimmung, und
zwar nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene – das geht
jetzt nämlich nicht mehr –, sondern auf europäischer
Ebene, zu versuchen?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


In diesem Zusammenhang möchte ich ein paar Be-
merkungen zur Geldpolitik machen, wobei ich wirklich
darum bitten möchte, mich wörtlich zu zitieren und nicht
irgendwelche Dinge in die Welt zu setzen, die von der
Sache her nicht gedeckt sind.

Erstens. Niemand stellt die Unabhängigkeit der Geld-
politik in Frage.


(Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

– Es kann sein, daß Sie nicht lesen oder nicht zuhören;
das ist dann Ihre Sache.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich muß Ihnen noch einmal sagen: Niemand stellt die

Unabhängigkeit der Geldpolitik in Frage. Die Unab-
hängigkeit der Geldpolitik hat einen einfachen Grund,
der in den Schwächen all derjenigen liegt, die hier –
rechts und links – jetzt zuhören. Wenn die Unabhängig-
keit der Geldpolitik nicht gegeben wäre und die Politik
über die Geldpolitik zu entscheiden hätte, dann bestünde
vor Wahlen immer die Gefahr, daß sachgemäße Ent-
scheidungen im Interesse des Hauptziels der Geldpolitik,
der Wahrung der Preisstabilität, nicht getroffen würden;
deshalb ist es richtig, die Geldpolitik einer unabhängi-
gen Instanz zu übertragen und dem politischen Zugriff
zu entziehen. Daran gibt es keinen Zweifel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Wenn wir darin einig sind, dann ist das in Ordnung.
Kein Zweifel besteht auch daran, daß das vorrangige

Ziel der Geldpolitik – so heißt es überall in Amerika und
in Europa – die Preisstabilität ist, weil alle ökonomi-
schen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte gezeigt
haben, daß ohne Einhaltung des Ziels der Preisstabilität
Wachstum und Beschäftigung nicht in Gang kommen
können. Aber aus dem Begriff „vorrangiges Ziel“ ergibt

sich schon, daß es daneben weitere Ziele der Geldpolitik
geben muß. Genau darüber diskutiert man in Amerika
und in Gesamteuropa. Die Antwort, die die Mehrheit
mittlerweile gibt, ist einfach: In dem Maße, in dem die
Preisstabilität gewahrt bleibt und gesichert ist – ich nen-
ne einmal die deutschen Zahlen: jetzt beträgt die Inflati-
onsrate 0,7 Prozent; die Bundesbank sagt: davon sind
0,75 auf Grund von Qualitätssteigerungen überzeichnet;
demnach hätten wir, wenn man das so rechnet, ein Mi-
nus von 0,05 –, ist die Geldpolitik gehalten, Wachstum
und Beschäftigung zu unterstützen. Das kann man für
richtig oder falsch halten; es ist unsere Auffassung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das steht auch im Vertrag!)


– Das steht wörtlich auch im Vertrag, Frau Kollegin
Matthäus-Maier, das ist richtig. In der jetzigen Situation
stellt sich die Frage: Was kann die Geldpolitik tun?

Ich möchte noch einen Irrtum ansprechen. Meine
Damen und Herren, es hat keinen Sinn mehr, sich in die-
sen drei, vier Wochen noch über die deutsche Geldpoli-
tik zu streiten.


(Widerspruch bei der F.D.P.)

– Sie müssen zuhören und nachlesen. Ich sage Ihnen
noch einmal: Wenn Sie nicht in der Lage sind, wörtlich
zu zitieren, zuzuhören und nachzulesen, dann laufen Sie
Gefahr, irgendwelche Märchen in die Welt zu setzen,
weil Sie die Zusammenhänge nicht verstanden haben.
Das liegt dann aber an Ihnen; es tut mir leid.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist die Arroganz eines Oberlehrers!)


Deshalb ist die Frage, ob wir jetzt in Europa Spiel-
räume haben, um über die Geldpolitik die Beschäftigung
und das Wachstum zu unterstützen. Diese Frage wird in
Gesamteuropa beantwortet, und zwar auch ohne die De-
batte hier. Acht europäische Banken sind dabei, die
Geldmarktzinsen Schritt für Schritt zurückzunehmen.


(Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Weil sie höher liegen!)


– Ja, sie liegen höher; ich will das ja gerne aufgreifen.
Aber daß es mittlerweile zu einer Veränderung der ge-
samteuropäischen Geldpolitik gekommen ist, können
Sie daran erkennen, daß es ursprünglich einmal hieß –
das können Sie überall nachlesen –, daß sich die Geld-
politik, was die Geldmarktzinsen angeht, schrittweise
einem höheren Niveau als dem deutschen annähern
müsse. Ursprünglich war einmal ein Ziel von 5 Prozent
in der Diskussion. Dann kam ein Ziel von 4 Prozent in
die Diskussion. Dann kam vor vielen Monaten die Ent-
scheidung, den Repro-Satz um 0,3 Prozent anzuheben.
Mittlerweile ist die Preisstabilität so stark, daß man ins-
gesamt eine Annäherung nach unten vertreten kann. Ge-
nau das ist doch gewollt: daß bei Wahrung der Preissta-
bilität sinkende Geldmarktzinsen in Europa günstigere
Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung schaf-
fen. Meine Damen und Herren, es war an der Zeit, dies
hier noch einmal klarzustellen.

Bundesminister Oskar Lafontaine






(B)



(A) (C)



(D)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400600200
Herr Minister La-
fontaine, ich muß Sie darauf hinweisen, daß die für Sie
vereinbarte Redezeit schon überschritten ist. Das weitere
geht auf das Konto der SPD-Fraktion.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ist es richtig! Auf deren Konto wird noch viel gehen!)



Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1400600300

Vielen Dank, Herr Präsident. Die Fraktion hat mir in ih-
rer Großzügigkeit freigestellt, ruhig zwei, drei Minuten
länger zu sprechen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die wird das noch bereuen!)


Ich bin jetzt bei der vierten Minute und werde versuchen
alsbald zum Ende zu kommen.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist doch seine Abschiedsrede! Laßt ihn doch noch zehn Minuten reden!)


Meine Damen und Herren, das Entscheidende ist, daß
wir Fehler der 70er und 80er Jahre und auch Fehler, die
zu Beginn der 90er Jahre gemacht wurden, nicht wie-
derholen. Hier wurde beispielsweise von Herrn Wiss-
mann – ich sehe ihn im Moment nicht – gesagt, wir sei-
en jetzt dabei, die alten Hüte der 70er Jahre wieder her-
vorzunehmen und eine veraltete Politik zu machen. Sol-
che Äußerungen finden sich auch in vielfältigen Stel-
lungnahmen, die leider eine Auseinandersetzung mit den
Fakten und Daten vermissen lassen.

Genau die Konstellation, die wir in den 70er Jahren
hatten, als nämlich die Lohnpolitik weit über das Pro-
duktivitätsziel hinausschoß – jeder erinnert sich an die
zweistelligen Forderungen der ÖTV –, die Geldpolitik
mit einem ganz harten Kurs gegenhalten mußte und da-
mit eben auch Wachstum und Beschäftigung ausbrem-
ste, müssen wir in Zukunft vermeiden. Deshalb müssen
wir über die Frage diskutieren, wie die wesentlichen
Politikbereiche in Deutschland und Europa zusammen-
spielen müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, gerade weil es für unsere
Diskussion wichtig ist, möchte ich noch die Situation zu
Beginn der 90er Jahre ansprechen. Zu Beginn der 90er
Jahre haben Sie exakt den gleichen Fehler gemacht, na-
türlich gestützt durch eine besondere Situation, ohne aus
den früheren Konstellationen die immer zu Beschäfti-
gungseinbrüchen geführt haben, zu lernen. Sie haben
gegen den Rat auch der Bundesbank und der Sachver-
ständigen den Aufbau Ost über Gebühr kreditfinanziert,
also eine expansive Finanzpolitik betrieben. Auf Grund
von Plakaten, die ich in Berlin gesehen habe – man hört
diesen Quatsch ja schon wieder: gleicher Lohn für glei-
che Arbeit –, setzte man dann auch noch eine Lohndrift
in Gang, die weit über das Produktivitätsziel hinaus-
schoß. Man hatte genau die Konstellation der 70er Jahre,
und die Geldpolitik konnte nur durch scharfes Treten auf
die Bremse mit einem Diskontsatz von 83/4 Prozent ge-

genhalten. Dieses unabgestimmte Vorgehen, aus dem
Sie offensichtlich immer noch nichts gelernt haben, hat
dann zu einem deutlichen Wiederanstieg der Arbeitslo-
sigkeit geführt. Ich bitte Sie, einmal über diese Zusam-
menhänge nachzudenken und dann vielleicht auch zu
den entsprechenden Schlußfolgerungen zu kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich bitte um Entschuldi-
gung, daß ich die Redezeit etwas überzogen habe.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es wurde nicht besser!)


– Das überlassen wir immer den Wählerinnen und
Wählern, verehrter Herr, und da haben Sie in letzter Zeit
ein bißchen schlecht ausgesehen.


(Beifall bei der SPD)

Wir stellen fest, daß die Wählerinnen und Wähler uns

den Auftrag gegeben haben, die Wirtschafts- und Fi-
nanzpolitik zu ändern.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein!)

Sie haben uns den Auftrag gegeben, die Steuerpolitik zu
ändern. Sie haben uns den Auftrag gegeben, die Lohn-
nebenkosten zu senken und dabei Fehlentwicklungen
aus der deutschen Einheit zu korrigieren, und sie haben
uns den Auftrag gegeben, eine Wirtschafts- und Finanz-
politik zu machen, um die Arbeitslosigkeit abzubauen.

Ich will an einem Satz noch einmal deutlich machen,
warum Ihre Ablösung notwendig war. Wie oft haben Sie
hier gestanden und gesagt: Beschäftigungspolitik ma-
chen wir zu Hause! Die Regierung Schröder sagt: Be-
schäftigungspolitik machen wir zu Hause, aber mehr
und mehr auch auf europäischer Ebene. Deshalb wartete
ganz Europa auf eine neue deutsche Regierung.


(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der PDS – Zurufe von der CDU/CSU: Das war eine billige Vorlesung! – Steuerpolitik sechs!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400600400
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400600500
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lafontaine, Sie
haben viel über Europa gesprochen. Das hatte durchaus
einen Sinn. Aber wir hätten doch erwartet, daß Sie heute
morgen einmal zu den Spekulationen, die Sie selbst in die
Welt gesetzt haben, ein Wort sagen, nämlich ob Sie nun
hier in Deutschland ein Finanzminister auf Abruf sind,


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr seid es, die jetzt abberufen sind!)


ob Sie also die Lage, in der Sie jetzt sind, nämlich die
Nummer zwei zu sein, eben nicht so lange ertragen und
wieder die Nummer eins werden wollen. Herr Lafontai-






(A) (C)



(B) (D)


ne, dazu hätte von Ihnen heute morgen durchaus ein klä-
rendes Wort kommen können.


(Zurufe von der SPD – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier ist doch keine Pressekonferenz!)


– Die Tatsache, daß Sie so unruhig werden, zeigt doch,
daß Sie sich offensichtlich mit dem Gedanken anfreun-
den, Ihren Parteivorsitzenden zu verlieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, ich will zu Beginn auf

einige Punkte zu sprechen kommen, die Sie, Herr La-
fontaine, in Ihrer Einführung dargelegt haben. Lassen
Sie mich zunächst zu dem Thema der Zinsquote im
Bundeshaushalt etwas sagen. Es ist wahr, die Zinsquote
des Bundeshaushaltes ist relativ hoch. Sie ist aber auch
deshalb so hoch, weil wir die finanziellen Lasten, die
mit der Überwindung der deutschen Teilung verbunden
waren, ganz überwiegend über den Bundeshaushalt fi-
nanziert haben. Dazu, Herr Lafontaine, haben Sie nicht
ein einziges Wort gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Beim Bundeshaushalt haben wir schon eine etwas ande-
re Lage als beim Haushalt des Saarlandes, den Sie bis
vor kurzem noch zu verantworten hatten, Herr Lafontai-
ne. Ich werde auch auf die Geldpolitik gleich noch zu
sprechen kommen.

Lassen Sie mich vorweg etwas zu den versiche-
rungsfremden Leistungen sagen, die Sie angesprochen
haben. Herr Lafontaine, richtig ist, daß auch die Sozial-
versicherungssysteme in der Bundesrepublik Deutsch-
land über eine gewisse Zeit – wie alle öffentlichen
Haushalte – von den Konsequenzen aus der Überwin-
dung der deutschen Teilung betroffen waren. Aber Sie
selbst, die SPD-Bundestagsfraktion, wir alle haben in
diesem Jahr gemeinsam eine Mehrwertsteuererhöhung
beschlossen.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Wir nicht! Wir waren dagegen!)


Diese ist am 1. April 1998 in Kraft getreten. Der Bun-
desrat hat dem mit der Mehrheit der SPD-geführten
Bundesländer zugestimmt. Mit Leistungen aus dem
Bundeshaushalt von jetzt insgesamt gut 100 Milliar-
den DM im Jahr 1999 sind sämtliche sogenannten versi-
cherungsfremden Leistungen, die die Rentenversiche-
rung zu tragen hat, abgegolten. Das Thema versiche-
rungsfremde Leistungen, Herr Lafontaine, ist erledigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das, was Sie jetzt beginnen, ist eine Umverteilung aus

dem Steuerhaushalt in die Sozialhaushalte. Ich zitiere hier
einmal aus dem Buch Ihres Ministerkollegen Bodo Hom-
bach – der jetzt gerade nicht da ist –, einem Buch, das ich
mit großem Interesse gelesen habe, das ich mir beinahe
sogar gekauft hätte, um einen Beitrag dazu zu leisten, daß
er irgendwann einmal sein Haus bezahlen kann.


(Detlev von Larcher [SPD]: Typisch Merz! So ist er eben! – Klaus Lennartz [SPD]: Christlich ist dein Name!)


In diesem Buch schreibt Herr Hombach:
Langfristig darf es aber nicht einfach bedeuten, daß
beitragsfinanzierte Lasten nun auf steuerfinanzierte
Lasten umgewälzt werden.

Wörtlich heißt es weiter:
Das hieße, von einer Tasche in die andere zu wirt-
schaften.

Herr Lafontaine, mit der Umfinanzierung aus dem Steu-
erhaushalt in die Sozialhaushalte beginnen Sie genau mit
diesen Umfinanzierung von einer Tasche in die andere.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Er hat auch noch ein Loch in der Tasche!)


Nachdem Sie, Herr Bundeskanzler, am Dienstag in
Ihrer Regierungserklärung – man mußte schon ziemlich
aufmerksam zuhören, um das auch wahrzunehmen – zu
Recht einen Hinweis darauf gegeben haben, daß die
Staatsquote in Deutschland weiter sinken müsse, hätten
wir nun von Ihnen, Herr Lafontaine, als dem dafür zu-
ständigen Bundesfinanzminister erwartet, daß Sie dieses
etwas konkreter darlegen. Denn aus der Summe von
Abgabenquote und Sozialleistungsquote, also aus dem
Staatsverbrauch, ergibt sich die Staatsquote. Gegenwär-
tig sinkt die Staatsquote in der Bundesrepublik
Deutschland – richtigerweise.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie weitere Umfinanzierungen vornehmen, wird
die Staatsquote steigen. Nun sagen Sie bitte nicht, dies
sei nur eine akademische Größe, über die sich vielleicht
irgendwelche Finanzpolitiker unterhalten, die aber ge-
samtwirtschaftlich keine Bedeutung habe. Das Gegenteil
ist richtig.

Die Bundesregierung unter Helmut Kohl hat in den
Jahren von 1982 bis 1991 die Staatsquote in der Bundes-
republik Deutschland von den gut 51 Prozent, die sie
von Helmut Schmidt übernommen hatte, auf gut 46 Pro-
zent abgesenkt. Das Ergebnis war, daß in diesen Jahren
in Deutschland 3,2 Millionen neue Arbeitsplätze entste-
hen konnten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie, Herr Lafontaine, ohne Rückführung der ge-
samten Abgabenbelastung eine reine Umfinanzierung
durch Umschichtung von Geldern aus den Steuerhaus-
halten in die Sozialhaushalte vornehmen, werden Sie das
Ziel, das Sie sich gesetzt haben und das wir teilen, näm-
lich die Absenkung der Arbeitslosigkeit, nicht erreichen.

Damit schon zu Beginn – wir reden ja über die
Schluß- und die Eröffnungsbilanz – die richtigen Zahlen
unserer weiteren Diskussion zugrunde gelegt werden,
will ich nicht nur die Arbeitslosenzahlen, sondern vor-
dringlich noch einmal die Beschäftigtenzahlen nennen.
In der Zeit zwischen Dezember 1982 – das war der Be-
ginn der 16jährigen Amtszeit von Helmut Kohl – und
Herbst 1992 – das war der Höhepunkt des Aufbaus an
neuer Beschäftigung – haben wir eine Zunahme der Zahl
der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 20,1
Millionen auf 23,3 Millionen erlebt. Die Zahl der sozi-

Friedrich Merz






(B)



(A) (C)



(D)


alversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland
ist also um 3,2 Millionen gestiegen. Von diesen 3,2
Millionen zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen gibt es heute in den alten
Bundesländern immer noch 1,8 Millionen.

Damit wir von den richtigen und den gleichen Zahlen
ausgehen, Herr Lafontaine, wenn wir uns in den näch-
sten Jahren hier im Hause häufiger über Mißerfolge und
Erfolge der Politik Ihrer Regierung unterhalten, halte ich
fest: Wir haben heute in den alten Bundesländern immer
noch 21,9 Millionen Beschäftigte. Ich nenne diese Zah-
len deswegen und lasse sie auch im Protokoll festhalten,
damit Sie nicht in einem Jahr herkommen und sagen:
Wir haben dadurch, daß wir mehrere hunderttausend
Menschen in die Frühverrentung oder in die Rente ge-
schickt und ein paar hunderttausend Jugendlichen neue
Arbeit verschafft haben, das Problem der Arbeitslosig-
keit gelöst. Herr Lafontaine, das Problem der Arbeitslo-
sigkeit in Deutschland werden Sie nur lösen, wenn die
Arbeitslosenquote sinkt und die Beschäftigtenquote in
Deutschland steigt. Anderes lassen wir nicht durchge-
hen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie haben erfreulicherweise – ich sage das wirklich

ohne irgendwelche Hintergedanken – im wesentlichen
darauf verzichtet, eine Rede über die Erblast zu halten,
die Sie von Helmut Kohl und Theo Waigel übernommen
haben.


(Joachim Poß [SPD]: Das machen wir beim Bundeshaushalt! Das kommt noch!)


– Herr Poß, ich komme auf die Haushaltszahlen gleich
noch zu sprechen. Aber, Herr Bundeskanzler, diesen
Hinweis kann ich mir nicht verkneifen: Der einzige Teil
ihrer Regierungserklärung, den Sie am Dienstag in freier
Rede gehalten haben und in dem eine gewisse Emotion
bei Ihnen zu erkennen war – ansonsten war Ihre Rede
völlig emotionslos, wie das die Presse zutreffend be-
schrieb –, war der Teil, in dem Sie sich mit der Ju-
gendarbeitslosigkeit beschäftigt haben.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Emotionsbolzen sind Sie auch nicht!)


Herr Schröder und Herr Lafontaine, es ist in der Tat
wahr: Wir haben in Deutschland ein Problem im Bereich
der Jugendarbeitslosigkeit.


(Zurufe von der SPD: Ach!)

Dieses Problem stellt sich in den einzelnen Bundeslän-
dern aber höchst unterschiedlich dar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich will Ihnen die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit
nicht vorenthalten: Wir haben im Saarland eine Ju-
gendarbeitslosigkeit von 11,2 Prozent, in Niedersachsen
von 11,5 Prozent, in Hamburg von 14,2 Prozent, in
Brandenburg von 15,7 Prozent und in Sachsen-Anhalt,
wo jetzt die DVU im Landtag sitzt – das eine hat etwas
mit dem anderen zu tun –, von 16,5 Prozent.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Das ist in der Tat für die neue rotgrüne Regierung
unter Oskar Lafontaine eine Erblast, die Sie mit nach
Bonn bringen. In Bayern liegt die Jugendarbeitslosigkeit
bei 5,8 Prozent und in Baden-Württemberg bei
7 Prozent.


(Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: So ist es!)

In diesen Ländern gibt es das Problem in dem von Ihnen
so emotional beschriebenen Umfang nicht, Herr Bun-
deskanzler.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Lassen Sie mich noch einmal auf die Ausgangslage

zu sprechen kommen, die Sie vorfinden. Zur Schlußbi-
lanz der Regierung Helmut Kohl und zur Eröffnungsbi-
lanz der Regierung Lafontaine


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

– Entschuldigung: der Regierung Schröder – gehört:


(Michael Glos [CDU/CSU]: Eine Entschuldigung ist doch nicht nötig!)


Die Währung ist stabil, die Arbeitslosigkeit sinkt, die
Gesamtverschuldung ist rückläufig, das Staatsdefizit
wird in diesem Jahr weit unter dem Maastricht-
Kriterium von 3 Prozent, nämlich bei ungefähr 2,5 Pro-
zent liegen. Damit liegen alle gesamtwirtschaftlichen
Rahmendaten und Plandaten für den Bundeshaushalt auf
dem Tisch – und nicht erst seit dieser Woche, Herr La-
fontaine, sondern schon seit drei oder vier Wochen. Es
gab zu keinem Zeitpunkt irgendeine Zahl, die Sie nicht
kennen konnten und die Ihnen die Beamten Ihres Hauses
– Sie haben aus der gesamten Führungsetage nur einen
Beamten übernommen – nicht vorgelegt haben. Alle
Rahmendaten und alle Plandaten liegen Ihnen vor.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das Fazit lautet: Die neue Bundesregierung übernimmt
nicht eine Erblast, sondern sie trifft auf alle Vorausset-
zungen für einen dauerhaften wirtschaftlichen Auf-
schwung in Deutschland in den nächsten Jahren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dies wird durch die gestern veröffentlichte Steuer-
schätzung eindrucksvoll belegt.


(Joachim Poß [SPD]: Sie hat überhaupt nichts belegt! Es hat sich doch überhaupt nichts verändert!)


Im Jahre 1998, im ersten Jahr eines beginnenden
wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland, werden
die Staatseinnahmen aller Gebietskörperschaften, also
des Bundes, der Länder und der Gemeinden, um
7,8 Milliarden DM höher sein, als noch im Mai dieses
Jahres geschätzt. Davon entfallen – ich will diesen Punkt
nur der Vollständigkeit halber erwähnen, weil an uns
häufig die Kritik geübt worden ist, wir ließen die Ge-
meinden allein – über 5 Milliarden DM auf die Kommu-
nen. Dies ist ein großartiger Erfolg der Finanz- und
Wirtschaftspolitik des Jahres 1998, die wir noch zu ver-
antworten hatten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Friedrich Merz






(A) (C)



(B) (D)


Herr Lafontaine, es gibt im nächsten Jahr nicht etwa
eine große Lücke und Defizite auf Grund der Verhält-
nisse, die Sie vorgefunden haben. Vielmehr werden die
Gebietskörperschaften insgesamt im nächsten Jahr höhe-
re Steuereinnahmen von insgesamt 38 Milliarden DM
gegenüber dem laufenden Jahr 1998 haben. Davon ent-
fallen mehr als 26 Milliarden DM auf den Bund. Sie fin-
den einen Haushaltsplan und einen Etat für das nächste
Jahr vor, Herr Lafontaine, der Ihnen 26 Milliarden DM
höhere Einnahmen als im laufenden Haushaltsjahr 1998
bringt. Das heißt im Klartext: Der Bund hat gegenüber
dem laufenden Jahr 1998 um 7,5 Prozent höhere Steuer-
einnahmen. Ich komme auf dieses Thema noch zu spre-
chen.

Diese Zahlen zeigen zweierlei: Erstens. Die von Ih-
nen häufig zitierte Steuerquote steigt. Zweitens. Sie fin-
den im Bundeshaushalt den Spielraum für eine durch-
greifende Steuerreform mit Nettoentlastungen bei
gleichzeitiger Verbreiterung der steuerlichen Bemes-
sungsgrundlage vor.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)


Herr Minister Lafontaine, wenn Sie jetzt bestreiten,
daß Sie bei diesen Steuermehreinnahmen des kommen-
den Jahres den Spielraum für eine durchgreifende Steu-
erreform haben, dann haben Sie mit den Steuereinnah-
men, die Sie im nächsten Jahr zusätzlich haben werden,
etwas anderes vor als eine vernünftige Steuerpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Genau das ist der richtige Rückschluß!)


Ich sage Ihnen vorsorglich – denn es gab heute in den
Zeitungen wieder Hinweise auf Art. 115 des Grundge-
setzes, der die Grenze der Neuverschuldung des Bun-
deshaushaltes bestimmt –:


(Joachim Poß [SPD]: Das ist voll an der Sache vorbei!)


Die steigenden Steuereinnahmen, die sich langsam ab-
bauende Arbeitslosigkeit in Deutschland, die zurückge-
hende Verschuldung der öffentlichen Haushalte und die
anhaltende Preisstabilität verbieten Ihnen schon jetzt für
das gesamte nächste Jahr die Feststellung der Störung
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Lafontaine, es gibt jetzt im übrigen überhaupt

keinen Grund mehr dafür, daß Sie dem Bundestag den
Entwurf des Haushaltsplanes für das Jahr 1999 vorent-
halten. Wir erwarten, daß Sie spätestens in der ersten
Dezemberwoche den Etatentwurf für das Jahr 1999
vorlegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Nun lassen Sie mich noch einmal auf die Steuerpoli-

tik im engeren Sinne zurückkommen und auf einige
grundlegende Unterschiede hinweisen, die uns in der Tat
trennen. Zunächst zu dem von Ihnen immer wieder an-
gesprochenen Begriff der Steuerquote. Herr Lafontaine,
Sie wissen genauso gut wie wir, daß die volkswirt-

schaftliche Steuerquote überhaupt nichts darüber aus-
sagt, wie hoch die tatsächliche Steuerbelastung der ein-
zelnen Steuerzahler ist. Ich will Ihnen auch sagen, war-
um die Steuerquote kein Parameter für eine gute und
vernünftige Steuerpolitik ist. Wir haben durch die An-
hebung bzw. Verdoppelung des Grundfreibetrages, die
im Jahre 1996 – ich gebe zu, durch das Bundesverfas-
sungsgericht erzwungen – vom Gesetzgeber durchge-
setzt worden ist, und durch die Neuregelung beim Kin-
dergeld rund 30 Prozent der Arbeitnehmerhaushalte in
Deutschland steuerfrei gestellt. Das betrifft die von Ih-
nen immer wieder zitierten unteren Einkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Lafontaine, Arbeitnehmer mit niedrigen Einkom-
men zahlen also seit 1996 praktisch keine Steuern mehr.


(Bundesminister Oskar Lafontaine: Außer Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern! Es ist unglaublich!)


Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang noch etwas
zu Ihrer im wesentlichen nachfrageorientierten Steuer-
und Finanzpolitik sagen: Wenn Ihre Theorie stimmen
würde, daß durch eine Stärkung der Massenkaufkraft,
wie Sie das im Wahlkampf immer ausgeführt haben, die
Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen seien, dann
hätte es im Jahre 1996 eine durchgreifende Veränderung
auf dem Arbeitsmarkt geben müssen.


(Zuruf von der F.D.P.: So ist es! Genau richtig!)

Denn, Herr Lafontaine, im Jahre 1996 hat es durch

die Verdoppelung des Grundfreibetrages und durch die
Anhebung des Kindergeldes eine Entlastung der Arbeit-
nehmer in Deutschland in Höhe von netto 12 Milliarden
DM gegeben. Die Wahrheit ist – wir haben das nicht an-
ders erwartet –, daß im Jahre 1996 durch diese Maß-
nahmen praktisch keine Veränderungen auf dem Ar-
beitsmarkt eingetreten sind. Sie sagen jetzt ja noch nicht
einmal eine Nettoentlastung für die Jahre 1999 ff. vor-
aus, sondern Sie nehmen eine reine Umfinanzierung vor,
wobei für die Steuerzahler netto keine D-Mark mehr
herauskommt.

Wir sagen Ihnen, Herr Lafontaine, voraus: Diese ein-
seitig auf die Nachfragekraft konzentrierte Steuerpolitik
der Bundesregierung wird auf dem Arbeitsmarkt keine
positiven Ergebnisse bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie sich einmal über die Wirkungen einer so ein-
seitig nachfrageorientierten Steuer- und Finanzpoli-
tik informieren wollen, dann können Sie meinetwegen
darauf verzichten, alle diesbezüglichen Dokumente der
alten Regierung zu lesen. Sie brauchen nur ein Doku-
ment der neuen Regierung heranzuziehen. Ich zitiere
noch einmal aus dem Buch Ihres Kabinettskollegen Bo-
do Hombach, der richtigerweise darauf hingewiesen hat
– ich habe es gestern noch einmal nachgelesen, daß bei
einer Zunahme des verfügbaren Einkommens einer Ar-
beitnehmerfamilie um 100 DM für den Binnenmarkt
27,23 DM übrigbleiben.


(Zuruf von der F.D.P.: So ist es!)


Friedrich Merz






(B)



(A) (C)



(D)


Er weist zudem darauf hin, daß aus der Sicht des Unter-
nehmers eigentlich nicht 100 DM, sondern 121 DM auf-
gewendet werden müssen, weil der Arbeitgeber natür-
lich einen zusätzlichen Anteil an Sozialversicherungs-
beiträgen zu zahlen hat.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Er scheint ein kluges Kerlchen zu sein!)


Also, Herr Lafontaine, die Arbeitskosten und die
Steuerquote und damit die Steuerbelastung in Deutsch-
land müssen gesenkt werden, damit wir zu einer durch-
greifenden Entlastung der Familien und der Betriebe
kommen.

Damit hier gar keine Mißverständnisse auftreten:
Niemand von uns widerspricht der Anhebung des Kin-
dergeldes.


(Bundesminister Oskar Lafontaine: Das ist schon mal gut! – Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie waren immer dagegen!)


Jeder von uns wünscht sich, daß wir noch höhere Lei-
stungen an die Familien zahlen könnten. Aber was nützt
es einem Familienvater, wenn er am 1. Januar 1999 ein
höheres Kindergeld bekommt und am 1. Juli 1999 ar-
beitslos wird? Das nützt ihm überhaupt nichts, Herr La-
fontaine.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Entscheidend ist, daß wir die strukturellen Probleme

auf dem Arbeitsmarkt – das sind die strukturellen Pro-
bleme unseres Steuersystems und unserer Sozialversi-
cherung – lösen. Hier sage ich Ihnen noch einmal: Wir
vertreten eine völlig andere Philosophie.

Das Problem, das die Bundesrepublik Deutschland im
international sich verschärfenden Wettbewerb hat, ist
nicht in erster Linie eine Nachfrageschwäche, sondern
das Problem, das wir in der Bundesrepublik Deutschland
haben, ist eine trotz aller Bemühungen der letzten Jahre
anhaltende Investitions- und Wachstumsschwäche der
deutschen Volkswirtschaft.

Ich will Ihnen das an einem ganz einfachen Beispiel
nachweisen, einem Beispiel, das nun wirklich nichts mit
ungezügeltem Shareholder-Kapitalismus zu tun hat,
sondern es sind Fakten, die noch nicht einmal Ihre Ehe-
frau in Frage stellen dürfte, Herr Lafontaine.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Wir in der Bundesrepublik Deutschland haben im in-
ternationalen Vergleich mit die geringste Risikoprämie
für eingesetzes Eigenkapital. Diese Risikoprämie, die
sich als der Abstand zwischen den Zinsen definiert, die
Sie für risikolose Staatsanleihen bekommen, und den
Zinsen, die Sie für risikobehaftetes Eigenkapital in un-
ternehmerischer Tätigkeit bekommen, beträgt in der
Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig zwischen 0,5
und 1 Prozent.

Das heißt im Klartext: Ein Unternehmer in Deutsch-
land, der sein Geld nicht zur Bank trägt, sondern es als
Investitionskapital in das Unternehmen steckt – risiko-
behaftet, mit vollem persönlichen Risiko – hat in

Deutschland gegenwärtig die Chance, 0,5 bis 1 Prozent
mit Arbeit mehr zu verdienen, als wenn er es – ohne Ar-
beit – auf der Bank ließe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Die Risikoprämie in den wichtigsten Wettbewerbs-
ländern der Bundesrepublik Deutschland – ich nenne nur
einmal zwei: Großbritannien und die Vereinigten Staa-
ten von Amerika – beträgt 10 Prozent.

Jetzt lassen Sie mich, weil Sie es angesprochen ha-
ben, noch ein Wort zu Amerika sagen. Sie können sich
natürlich nicht immer nur die Rosinen herauspicken und
sagen: „Was dort in Amerika so gut ist, übernehmen
wir,“ aber den Rest verschweigen Sie großzügig. Herr
Lafontaine, Sie wissen es, – und der Bundeswirt-
schaftsminister wird es vielleicht aus eigener Anschau-
ung noch besser wissen –, daß die Amerikaner die not-
wendige Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die wir
hier von dieser Stelle aus immer wieder angemahnt und
die Sie immer wieder blockiert haben, längst hinter sich
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Joachim Poß [SPD]: Wo haben wir bei der Flexibilisierung blockiert?)


Herr Lafontaine, das konnten Sie jetzt nicht sehen.
Ich will fair bleiben, aber beim Bundeswirtschaftsmi-
nister war ein leichtes Nicken zu erkennen.

Die Amerikaner haben die strukturellen Reformen
des Arbeitsmarktes und der Sozialversicherungssysteme
– soweit man in Amerika überhaupt von Sozialversiche-
rung sprechen kann – längst gemacht. Wenn Sie also mit
Amerika vergleichen, Herr Lafontaine, dann bitte doch
nur dann, wenn Sie gleichzeitig zugestehen, daß wir ei-
nige grundlegende Reformen unseres Sozial- und Steu-
ersystems zusätzlich brauchen.

Da offensichtlich Tony Blair – lassen Sie mich nun
etwas zu Großbritannien sagen – eines Ihrer großen
Vorbilder ist, lassen Sie mich anmerken, daß der Pre-
mierminister von Großbritannien bereits zweimal nach
seiner erfolgreichen Wahl die Körperschaftsteuersätze
gesenkt hat. Herr Lafontaine, Sie stellen die Senkung
der Körperschaftsteuersätze für das Jahr 2002 in Aus-
sicht.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist doch unwahr! Schon für das Jahr 99 auf 40 Prozent! Lesen Sie das Gesetz! Das ist nicht die Wahrheit! Das ist eine Lüge!)


Bis dahin werden Sie durch die Verbreiterung der
steuerlichen Bemessungsgrundlage die Unternehmen in
der Bundesrepublik Deutschland mit höheren Steuern
massiv belasten. Das ist die Wahrheit in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Joachim Poß [SPD]: Der erste Schritt erfolgt 99! Das ist eine Lüge!)


Ich will wegen der Kürze der Zeit darauf verzichten,
zu einzelnen Aspekten – wir werden dazu noch Gele-
genheit haben – Ihrer steuerpolitischen Vorschläge

Friedrich Merz






(A) (C)



(B) (D)


Stellung zu nehmen. Ich hätte gerne noch etwas zum
Thema steuerliche Bemessungsgrundlage, Teilwertab-
schreibung und all diesen Dingen gesagt. Sie haben aber
zugesichert – dafür bedanke ich mich –, daß darüber im
Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal geredet
werden kann. Darüber muß geredet werden, weil es eine
Reihe von höchst problematischen Vorschlägen gibt, die
Sie hier gemacht haben.

Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches sagen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400600600
Herr Kollege Merz,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß?


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400600700
Das tue ich deswegen
gern, weil er dann aufhören kann, zu schreien.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1400600800
Herr Kollege Merz, ich höre
gern auf, zu schreien, wenn Sie aufhören, die Unwahr-
heit zu sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Könnten Sie dem Hohen Hause bitte bestätigen – Sie
sind doch sicher in der Lage, Gesetzentwürfe zu lesen –,
daß die Körperschaftsteuer nach unserem Gesetzentwurf
im ersten Schritt schon im Jahre 1999 von 45 auf
40 Prozent gesenkt wird? Das Ziel von 35 Prozent ist für
das Jahr 2002 – wenn möglich, schon früher – angepeilt.
Könnten Sie dem Hohen Hause bitte bestätigen, daß da-
durch eine nachhaltige Entlastung der Wirtschaft er-
folgt?


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400600900
Herr Poß, wenn es zu
Ihrer Beruhigung beiträgt, bestätige ich Ihnen gern, daß
Sie eine marginale Absenkung


(Lachen bei der SPD – Joachim Poß [SPD]: Was? Um 5 Prozent! – Peter Dreßen [SPD]: Das ist die Hälfte des Ziels, das Sie selbst verfolgen!)


– lassen Sie mich doch wenigstens aussprechen – des
Steuersatzes für die betrieblichen Einkünfte im Ein-
kommensteuergesetz und eine geringfügige Absenkung
des Körperschaftsteuersatzes zum 1. Januar 1999 vor-
schlagen. Gleichzeitig treten fast alle Maßnahmen in
Kraft, die zur Verbreiterung der Steuerbemessungs-
grundlage herangezogen werden. Dies heißt im Klartext:
Sie werden in den Jahren 1999, 2000 und 2001 die Be-
triebe in Deutschland mit erheblich höheren Steuern be-
lasten, als sie im laufenden Jahr 1998 belastet wurden.
Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Poß, wenn Sie uns nicht glauben, dann lesen Sie

doch die frei gehaltene Rede des Bundesfinanzministers,
dem ich gut zugehört habe!


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Er hat das bestätigt!)


Er hat sich ausdrücklich dazu bekannt, daß die Steuer-
belastung für die Betriebe steigen und für die Arbeit-
nehmer sinken muß. Das ist seine Philosophie.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist es!)


Das ist die Wahrheit, Herr Poß.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400601000
Herr Poß möchte
noch einmal nachfragen.


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400601100
Nein, ich möchte jetzt
gern zum Schluß kommen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400601200
Gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Solms?


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400601300
Dann lasse ich auch
noch eine weitere Zwischenfrage von Herrn Poß zu.

Herr Solms, bitte schön.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1400601400
Herr Kollege,
würden Sie bitte, um die Fakten richtigzustellen, dem
Kollegen Poß mitteilen, daß von der rotgrünen Regie-
rung geplant ist, den Körperschaftsteuersatz erst zum
1. Januar 2000 in einer ersten Stufe zu senken.


(Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich habe es hier: Die gewerblichen Einkünfte für Perso-
nengesellschaften werden zum 1. Januar 1999 gesenkt,
die Körperschaftsteuersätze zum 1. Januar 2000 in einer
ersten Stufe.


(Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich habe es nun wirklich schriftlich hier. Ich bitte, es
entgegenzunehmen.


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400601500
Herr Poß, möchten Sie
eine weitere Zwischenfrage stellen?


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400601600
Bitte, Herr Poß.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1400601700
Herr Kollege Merz,

(Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Ohne Anwalt würde ich mich nicht mehr melden, Herr Poß! Nehmen Sie sich einen Anwalt!)


können Sie dem Hohen Hause bestätigen, daß Sie vorhin
wahrheitswidrig behauptet haben, wir würden die Un-
ternehmensteuersätze nicht vor dem Jahre 2002 senken?
Das können wir ja dann dem Protokoll entnehmen.

Friedrich Merz






(B)



(A) (C)



(D)



Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400601800
Herr Kollege Poß,
wenn es denn zur Klarheit beiträgt


(Klaus Lennartz [SPD]: Zur Wahrheit vor allen Dingen!)


– und zur Wahrheit –, will ich Ihnen gerne noch einmal
bestätigen, daß Ihre steuerpolitische Konzeption vorsieht
– das ist auch gar nicht ehrenrührig;


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist nicht ehrenrührig, aber falsch!)


das haben Sie ausdrücklich so gewollt, ich habe Sie nur
auf die Konsequenzen hingewiesen –, daß die Steuerbe-
lastungen zuerst eintreten und die Steuerentlastungen
später. Das ist die Konsequenz.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist falsch! Sie bleiben bei der Unwahrheit!)


Das, was der Kollege Solms gerade zitiert hat, ist die
Wahrheit. Sie planen zuerst die Steuererhöhungen und
stellen für das Wahljahr 2002 geringfügige Steuerentla-
stungen in Aussicht. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß

noch einmal auf die Geld- und Zinspolitik zu sprechen
kommen. Herr Lafontaine, die Zeit reicht jetzt nicht
mehr aus, um ausführlich über diese Frage zu diskutie-
ren. Ich will nur den wesentlichen Kernpunkt unserer
Kritik an Ihren Äußerungen der letzten Wochen wieder-
holen. Man kann sich über die Funktion von Geldpolitik
und Notenbankentscheidungen durchaus unterhalten.
Aber wenn Sie ein Ergebnis in Ihrem Sinne gewollt
hätten, dann hätten Sie nicht mit diesen maßlosen An-
griffen die Deutsche Bundesbank in die Rolle hinein-
versetzen sollen, überhaupt nicht anders entscheiden zu
können, als sie in der letzten Woche entschieden hat.
Herr Lafontaine, das Ergebnis Ihrer Attacken – Sie ha-
ben in Wahrheit die Europäische Zentralbank und nicht
die Deutsche Bundesbank gemeint – ist heute in den
Zeitungen nachzulesen. Das erste Ergebnis ist nicht, daß
die Geldmarktzinsen sinken, sondern das erste Ergebnis
ist, daß es einen massiven Vertrauensschwund der Öf-
fentlichkeit in die Stabilität des Euro gibt. Das ist das
Ergebnis Ihrer Attacken auf die Notenbank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Geldwertstabilität ist kein Selbstzweck und ist nicht

etwas, was irgendwo in den Büchern steht und was dun-
kel gekleidete Herren in den Elfenbeintürmen der No-
tenbanken für sich entscheiden. Geldwertstabilität – das
ist die Erfahrung von 50 Jahren Geldpolitik in der Bun-
desrepublik Deutschland – ist die Grundlage für die
Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit von Investitionen,
sie ist die Grundlage für wirtschaftliches Wachstum und
neue Arbeitsplätze, und, Herr Lafontaine, sie ist die
Grundlage für die Sicherheit von Renten, von kleinen
Einkommen und von kleinen Ersparnissen. Inflation ist
der Taschendieb des kleinen Mannes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, daß Sie

ein Ablenkungsmanöver starten, indem Sie es zulassen,

daß die zwei neuen beamteten Staatssekretäre Ihres
Hauses ständig über Deflation in Deutschland reden,
und damit eine höhere Geldentwertung in Deutschland
für die Zukunft billigend in Kauf nehmen. Mit uns wird
ein solcher Weg nicht zu machen sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie

mich zum Schluß etwas sagen, weil es notwendig ist, in
einer solchen grundsätzlichen ersten Aussprache über
die zukünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik darüber zu
sprechen. Sie werden sich auch mit der Flucht in eine,
wie Sie es formuliert haben, Politik der Wechselkurs-
zielzonen nicht den Erfordernissen in der Bundesrepu-
blik Deutschland entziehen können. Ich sage es sogar
umgekehrt: Die Erfahrungen, die die asiatischen Länder
gemacht haben – Indonesien, Malaysia, Korea, Thailand
–, Länder, die zum Teil seit Anfang der 80er Jahre eine
feste Wechselkursbindung an den Dollar vorgenommen
haben, sind genau andersherum gewesen. Dort, wo es
eine zu lange Bindung an Währungen gegeben hat, sind
Spekulationsblasen entstanden. Es war mit eine Ursache
für die Finanzkrise in Asien, daß die Wechselkurse nicht
die realen Austauschverhältnisse dargestellt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Dies ist der falsche Weg. Die Ursachen für Krisen
internationaler, europäischer und auch nationaler Art
liegen nicht in den Wechselkursentwicklungen, sondern
in den entscheidenden politischen Weichenstellungen in
den nationalen Volkswirtschaften. Zu diesen Weichen-
stellungen, im Sinne des Arbeitsmarktes, im Sinne der
gesunden Entwicklung der Volkswirtschaft der Bundes-
republik Deutschland, Herr Lafontaine, fordern wir Sie
auf. Wenn Sie auf dem Weg, den Sie heute morgen be-
schrieben haben, weiter voranschreiten, wird es nicht
mehr Beschäftigung, sondern weniger Beschäftigung,
und nicht weniger Arbeitslose, sondern mehr Arbeitslose
in Deutschland geben. Dies wird unseren entschiedenen
Widerspruch zu jeder Zeit herausfordern.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400601900
Das Wort zu einer
Kurzintervention erteile ich der Kollegin Ingrid Matt-
häus-Maier, SPD.


Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1400602000
Meine sehr verehrten
Damen und Herren, der Kollege Merz hat behauptet, im
Jahr 1999, also im nächsten Jahr, werde der Körper-
schaftsteuersatz nicht gesenkt,


(Zurufe von der CDU/CSU: Nein! Nein!)

sondern erst im Jahre 2002. Der Kollege Solms hat dies
noch ausdrücklich unterstützt. Ich weise darauf hin: In
dem hier auf den Tischen liegenden Gesetzentwurf steht
auf Seite 2: Senkung des Körperschaftsteuersatzes für
einbehaltene Gewinne auf 40 Prozent ab 1. Januar 1999.
Das gleiche steht im Gesetzestext auf Seite 137, und es
steht in der Begründung zum Gesetzestext auf Seite 278.






(A) (C)



(B) (D)


Ich gehe davon aus, daß Sie vielleicht nicht bewußt die
Unwahrheit gesagt haben. Allerdings kommt es mir vor,
als wäre es so, weil der Kollege Poß Sie darauf hinge-
wiesen hat. Ich fordere Sie hiermit offiziell auf,


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie haben gar nichts zu fordern!)


hier heute morgen Ihre unwahre Behauptung zurückzu-
nehmen und zu bestätigen, daß der Körperschaftsteuer-
satz sinkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400602100
Herr Kollege Merz,
Sie haben Gelegenheit zu einer Antwort.


(Zurufe von der SPD: Auf nach Canossa! – Auf die Knie!)



Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1400602200
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer so,
wenn man frei spricht und kein ausformuliertes Manu-
skript hat


(Zurufe von der SPD)

– Entschuldigung –, daß man Gefahr läuft, mißverstan-
den zu werden. Ich will das noch einmal ausdrücklich
klarstellen: Ich bezweifle nicht, daß Sie nach dem Ge-
setzestext, der uns gegenwärtig vorliegt – das ändert sich
ja immer wieder –,


(Widerspruch bei der SPD)

die Absicht haben, die Steuersätze des Körper-
schaftsteuergesetzes bereits im nächsten Jahr zu senken.


(Klaus Lennartz [SPD]: Ist das so schwer, einen Fehler zuzugeben?)


Ich lege aber Wert auf die Feststellung – ich bleibe
dabei –, daß die Bilanz zwischen Entlastung und Bela-
stung – –


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das hat er gesagt! Das ist der Punkt!)


– Wir können das ja gemeinsam, Frau Matthäus-Maier,
im Protokoll noch einmal nachlesen. Ich habe gesagt
und bleibe auch dabei, daß für das Jahr 1999, für das
Jahr 2000 und für das Jahr 2001 – vor dem Zeitpunkt,
für den Sie eine weitere Absenkung der Körper-
schaftsteuersätze vage in Aussicht stellen; das steht nicht
in diesem Gesetzentwurf –, für diese drei Jahre, für die
Wirtschaft und damit für die Arbeitsplätze in Deutsch-
land nicht eine geringere, sondern eine höhere Steuer-
belastung kommt. Das ist die Konsequenz Ihres Gesetz-
entwurfes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Davon, Frau Matthäus-Maier, habe ich nicht nur nichts
zurückzunehmen, sondern den Nachweis, daß dies so ist,
werden wir Ihnen Jahr für Jahr in den nächsten drei Jah-
ren von dieser Stelle aus führen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Joachim Poß [SPD]: Solms! Er hat noch nicht einmal den Gesetzentwurf gelesen! Er hat lesen lassen! Herr Solms, lesen Sie mal selbst!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1400602300
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, um die Atmosphäre ein wenig zu besänf-
tigen, erlaube ich mir, der Kollegin Kerstin Müller herz-
lich zu ihrem 35. Geburtstag zu gratulieren.


(Beifall)

Ich freue mich, daß Sie Ihren Geburtstag mit uns zu-
sammen verbringen. Alles Gute für Sie!

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Christine
Scheel, Bündnis 90/Die Grünen.


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1400602400

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Nachdem
wir ja jetzt geklärt haben, wer lesen oder wer nicht lesen
kann, Herr Solms, denke ich, daß wir zur Senkung von
Unternehmensteuern 1999 an dieser Stelle zumindest
keine so klaren Aussagen mehr zu machen brauchen. Ich
brauche das alles nicht noch einmal vorzulesen. Ich den-
ke, Sie wissen jetzt mittlerweile, wo es steht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Merz, ich finde es allerdings etwas eigenartig,

wenn Sie sagen, Sie hätten hier in freier Rede natürlich
Schwierigkeiten gehabt, die Zuordnung der Steuersatz-
senkungen auf die nächsten Jahre klar vorzutragen oder
das klar im Hinterkopf zu haben. Wir waren ja auch lan-
ge genug in der Opposition. Jetzt sind wir Regierungs-
parteien. Man sollte doch einmal von folgendem ausge-
hen – das muß man wirklich einmal sagen, gerade an die
Adresse der Steuerfachleute; das gilt für Herrn Solms
genauso, wie es für Herrn Merz gilt –: Die Leute, die
sich hier hinstellen und zu einer Steuerreform reden, die
jetzt von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt
worden ist und die in kürzester Zeit zuwege gebracht
worden ist, sollten wenigstens wissen, wie die Steuersät-
ze in den nächsten Jahren aussehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Mit einem Punkt, Herr Merz, ist es mir als Frau – ich
sage das wirklich bewußt – sehr ernst: Sie haben in Ih-
ren Ausführungen Herrn Lafontaines Ehefrau, Christa
Müller, angesprochen. Anscheinend ist es für Sie uner-
träglich, daß eine Frau so denken kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Eine weitere Bemerkung vorab: Ich dachte eigentlich,
die CDU habe gelernt, daß die Vergleiche der Bundes-
länder, mit denen Sie durch alle Lande gezogen sind,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Die tun weh, Frau Scheel!)


Ihnen im Wahlkampf nicht dienlich waren. Denn
schließlich haben sie nicht dazu geführt, daß Sie die
Wahl gewonnen haben. Ich glaube, auch in dieser De-

Ingrid Matthäus-Maier






(B)



(A) (C)



(D)


batte nutzen sie nichts; denn sie bringen uns in keiner
Weise weiter.

Zum Gesetzentwurf selbst: Dieser Gesetzentwurf ist
solide durchgerechnet und sauber finanziert. Das ist der
große Unterschied zu den Entwürfen, mit denen wir es
in der Vergangenheit, in der letzten Legislaturperiode,
zu tun hatten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Mit diesem Gesetzentwurf wird die Investitionskraft der
Unternehmen gestärkt, und die Binnennachfrage wird
entsprechend nachhaltig belebt. Es ist, Herr Merz, in
keiner Weise richtig, wenn Sie sagen, damit werde nur
Nachfragepolitik betrieben. In diesem Gesetzentwurf ist
vielmehr ein ausgewogenes Verhältnis von angebots-
und nachfrageorientierter Politik verankert.

Wir haben im Wahlkampf immer gesagt, daß wir die
Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlasten
wollen, daß wir das Zusammenleben mit Kindern be-
günstigen wollen. Das haben wir hier umgesetzt. Zudem
wurde – dies ist für die Ländervertreter, Herr Faltlhau-
ser, sehr wichtig – der sehr schwierigen Situation der öf-
fentlichen Haushalte Rechnung getragen. Auf Grund
dieser angespannten Haushaltslagen mußte in der ersten
und zweiten Stufe eine strikte Aufkommensneutralität
gewahrt werden, und erst in der dritten Stufe konnte eine
Nettoentlastung von rund 15 Milliarden DM vorgesehen
werden. Das ist richtig und finanzpolitisch äußerst ver-
nünftig.

Nun zu dem Punkt, der immer wieder angesprochen
wird, nämlich inwiefern die Entlastung bei der Ein-
kommensteuer mit dem Ziel der Senkung der Lohnne-
benkosten und der Erhebung von Ökosteuern vereinbar
ist. Ich finde, diese Bereiche müssen zumindest punktu-
ell in Verbindung gesehen werden. Schließlich kommt
es doch darauf an, was den Leuten am Schluß bleibt.
Das ist es, was interessiert. Die Zahlen aus bestimmten
Teilbereichen, die irgendwo herumschwirren, verunsi-
chern die Leute nur.

Alleinerziehende mit zwei Kindern und 2 500 DM
brutto im Monat werden, Stand 1998, insgesamt mit 277
DM an Steuern und Abgaben belastet. Nach der Umset-
zung der ökologisch-sozialen Steuerreform und der
Einkommensteuerreform wird ebendiese alleinerzie-
hende Mutter oder dieser alleinerziehende Vater mit
zwei Kindern um monatlich 127 DM entlastet. Ich den-
ke, das ist ein Schritt in die richtige Richtung; damit
wird – unter Einbeziehung der Erhebung der Ökosteuern
und der Senkung der Einkommensteuern – in diesen
Einkommensgruppen der richtige Effekt erzielt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Um der Kritik vorzubeugen, wir hätten die Tarife
weiter senken sollen: Natürlich wäre dies wünschens-
wert gewesen; das wissen alle. Aber das Erbe der Kohl-
Regierung – das muß auch in diesem Zusammenhang
betont werden – hat uns im Haushalt keinen Spielraum
gelassen. Der Bundeshaushalt weist allein für 1999 ge-
genüber der Waigelschen Vorstellung Risiken in Höhe

von mehr als 10 Milliarden DM aus, und den Ländern
und Kommunen geht es – ich denke, ich kann das be-
urteilen – auch nicht besser.

Eine alte Mär, mit der wir vielleicht endlich einmal
aufräumen sollten, ist: Wir haben die Finanzierung des-
wegen so geplant, weil wir den öffentlichen Kassen –
wie es in den Petersberger Beschlüssen der alten
Koalition vorgesehen war – Einnahmeausfälle in Höhe
von 57 Milliarden DM ersparen wollten. Herr Waigel
hat damit – das ist das Problem – immer wieder
Begehrlichkeiten geweckt, die in keiner Weise erfüllt
werden konnten. Es waren schlicht unseriöse
Vorschläge, mit denen er und auch andere aus der CDU,
CSU und F.D.P. durch den Wahlkampf gezogen sind.
Die Finanzpolitik steht jetzt endlich wieder auf einer
soliden Grundlage.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, auch im Wirtschaftsbe-
reich haben wir insgesamt gute Ergebnisse erzielt. Der
Spitzensteuersatz für gewerbliche Einkünfte wird im
nächsten Jahr, wie gesagt – das haben wir jetzt alle ge-
lernt –, auf 45 Prozent und im Jahr 2000 auf 43 Prozent
gesenkt. Die Körperschaftsteuer – das ist jetzt klar –
wird im nächsten Jahr von 45 auf 40 Prozent gesenkt.

Natürlich streben wir eine Unternehmensteuerre-
form an. Demnächst wird dafür eine Arbeitsgruppe ein-
gesetzt. Diese Unternehmensteuerreform hat als Ziel die
rechtsformunabhängige Besteuerung von Unternehmen,
und zwar mit einem Steuersatz von etwa 35 Prozent. Es
wäre natürlich wunderbar – dafür werden wir uns ge-
meinsam einsetzen –, wenn diese Reform nicht erst im
Jahr 2002, sondern schon im Jahr 2000 umgesetzt wer-
den könnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir gehen auch einen Schritt in Richtung Gleichbe-
handlung aller Einkunftsarten, indem wir zukünftig zum
Beispiel – das ist ein heikles Thema, das weiß ich; ich
nenne es trotzdem – Einkünfte in der Landwirtschaft
über einen bestimmten Sockel ähnlich bzw. gleich be-
handeln wie gewerbliche Einkünfte. Wir haben hier na-
türlich auch eine soziale Komponente eingeführt: Klei-
nen bäuerlichen Familienbetrieben bis zu 15 Hektar soll
die Durchschnittsbesteuerung erhalten bleiben. Das ist
auch in Ordnung so.

Insgesamt – auch das muß man einmal zur Kenntnis
nehmen – gehen wir einen sehr mutigen Schritt in
Richtung Steuervereinfachung und Abbau von Steuer-
vergünstigungen. Es gibt über 70 Maßnahmen zur Be-
reinigung der Bemessungsgrundlage. Das ist vom Um-
fang, von der Dimension her die größte Steuerreform,
die in der Geschichte der Bundesrepublik jemals mit
einer solch affenartigen Geschwindigkeit – positiv gese-
hen – und so gut durchgerechnet vorgelegt worden ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Christine Scheel






(A) (C)



(B) (D)


Außerdem ist es gelungen – da hatten Sie angeblich
immer Ihre Probleme –, durch eine frühzeitige Einbin-
dung der Bundesländer in die Beratungen sicherzu-
stellen, daß im Bundesrat die nötigen Abstimmungser-
gebnisse erzielt werden können, um diese Reform sehr
schnell auf den Weg zu bekommen.

Es gibt einen negativen Begleiteffekt der Diskussio-
nen, die in den letzten Tagen, in den letzten Wochen ge-
führt worden sind. Man muß feststellen, daß die Erar-
beitung dieses Konzeptes teilweise regelrecht zu einem
Spießrutenlaufen geworden ist. Ich meine, es ist ziem-
lich einmalig, daß, bevor ein Gesetz im Entwurf vor-
liegt, von allen möglichen Gruppen und Kreisen aus der
Opposition, aus der Bevölkerung und vor allen Dingen
von einigen wenigen aus der Wirtschaft Kritik geübt
wurde, Nebelkerzen ins Blaue geworfen wurden. In den
laufenden Beratungen müssen sie aber feststellen, daß
sich einige der Vorbehalte und auch Teile der Kritik er-
übrigen. Dies ist natürlich etwas schwierig, weil so be-
stimmte Stimmungen erzeugt werden.

Es ist auch unwahr, daß insbesondere die kleinen und
mittleren Unternehmen die Hauptlast dieser Reform zu
tragen haben. Kleine und mittlere Unternehmen werden
entlastet, und zwar in einer Größenordnung von etwa
4 Milliarden DM. Belastet werden Großunternehmen
und Konzerne. Das sind genau die, die in den letzten
Jahren einen Gestaltungsspielraum genutzt haben. Das
hatte mit Steuergerechtigkeit und mit leistungsgerechter
Besteuerung überhaupt nichts mehr zu tun. Das fahren
wir zurück, um die Gerechtigkeit auch innerhalb des
Unternehmensbereiches wiederherzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Dünner Beifall! Viel zu spät!)


Die Gesamtgewinnbelastung der Unternehmen wird
übrigens nicht geschmälert; es gibt eine zeitliche Ver-
schiebung bei der Besteuerung. Heute werden sehr früh
stille Reserven gebildet, die am Ende der Besteuerung
irgendwann wieder aufgelöst werden. Dies wollen wir in
der nächsten Zeit verhindern. Das ist auch richtig.

So zeigt dieser Entwurf, daß die meisten Befürchtun-
gen auch in der Frage der Unternehmensbesteuerung
unbegründet sind und daß gerade im Bereich des Mittel-
standes einiges getan wird.

Ich sage Ihnen noch ein Beispiel. Unternehmerische
Verluste bleiben trotz neuer Mindestbesteuerung voll
verrechenbar. Der Verlustrücktrag wird für Verluste
bis 2 Millionen DM auf ein Jahr begrenzt. Bis En-
de 2000 bleibt dies erhalten; dann haben wir sehr niedri-
ge Steuersätze, dann ist das in Ordnung. Der Verlust-
vortrag bleibt weiter unbegrenzt möglich. Die Mär, daß
die kleinen und mittelständischen Unternehmen von den
Möglichkeiten, die sie heute haben, nicht mehr Ge-
brauch machen können, ist einfach falsch. Deswegen ist
es notwendig und richtig, hier zu sagen, daß wir selbst-
verständlich die ganze Zeit vor allem an die kleinen und
mittelständischen Unternehmen gedacht haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist auch für die Arbeitgeber sinnvoll, daß wir vom
1. Januar an die Kindergeldauszahlungen nicht mehr
über die Arbeitgeber vornehmen. Dies wird nach Be-
rechnungen des Deutschen Industrie- und Handelstages
eine Entlastung von 60 Millionen DM bei den Verwal-
tungskosten bringen. Das ist, finde ich, ein gutes Ange-
bot an die Arbeitgeber.


(V o r s i t z : Vizepräsident Rudolf Seiters)

Wenn hier von der Opposition immer wieder der

Topf aufgemacht wird, wir würden die Unternehmen in
der Bundesrepublik Deutschland über Gebühr schröp-
fen, so möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, Herr Dr.
Waigel, daß in den – –


(Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Ich habe gar nichts gesagt!)


– Ich sagte ja: Ich rufe in Erinnerung. Ich habe nicht ge-
sagt, daß Sie etwas gesagt haben. Ich möchte nur bitten,
daß Sie sich in Erinnerung bringen, daß die alte Regie-
rung


(Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: So alt waren wir nicht! – Detlev von Larcher [SPD]: Die abgewählte Regierung!)


in den Petersberger Steuerbeschlüssen zum Beispiel
Regelungen zum Thema außerordentliche Einkünfte
hatte. Das hatten Sie in gleicher Form vorgesehen, wie
wir es jetzt tun: Wegfall des halben durchschnittlichen
Steuersatzes, statt dessen progressionsmildernde Be-
steuerung durch rechnerische Verteilung auf fünf Jahre.
Deswegen braucht es hier von seiten der jetzigen Oppo-
sition überhaupt kein Geschrei zu geben. Das ist das,
was damals sinnvoll war; das haben wir übernommen.
Was nicht sinnvoll war, haben wir eben anders gestaltet.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Aus bündnisgrüner Sicht sind die wesentlichen Re-
formziele bei der Einkommensteuer erreicht worden: die
dringende Entlastung von Durchschnittsverdienern,
Aufkommensneutralität, Lichtung des Steuerdschungels.
Aber in einigen Punkten wären wir – das müssen wir der
Ehrlichkeit halber sagen; ich finde es gut, daß wir das so
handhaben können – natürlich gern weitergegangen. Das
ist klar.

Wir hätten gerne eine stärkere Erhöhung des Kinder-
geldes gehabt, um den Kinderfreibetrag überflüssig zu
machen. Aber wir denken, daß wir in den nächsten Jah-
ren noch Zeit genug haben, um gemeinsam einen Schritt
weiterzukommen.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: 2010!)

Nachbesserungsbedarf gibt es aus unserer Sicht auch

bei der Kilometerpauschale. Nach wie vor setzen wir
uns für eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungs-
pauschale ein, die auch den Benutzern öffentlicher Ver-
kehrsmittel gerecht wird.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Walter Hirche [F.D.P.]: Durchsetzen muß man sich in der Regierung!)


Christine Scheel






(B)



(A) (C)



(D)


Wir wissen ja, daß die heutige Kilometerpauschale miß-
brauchsanfällig ist und weit über den realen Kosten
liegt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – CarlLudwig Thiele [F.D.P.]: Setzen Sie doch einmal etwas durch!)


Wir wollen uns auch weiterhin für eine weitere Ab-
senkung des Spitzensteuersatzes stark machen, um ver-
stärkt Impulse für ausländische Unternehmen, die hier
investieren und bei denen es auch darum geht, was der
Manager verdient und wie hoch er besteuert wird, zu
setzen.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß vom vor-
gelegten Steuerentlastungsgesetz mit Sicherheit Impulse
für mehr Beschäftigung und Binnennachfrage ausgehen
werden. Daß die bisher in der Bundesrepublik Deutsch-
land geäußerten Befürchtungen im Ausland so über-
haupt nicht gesehen werden, wie Sie das immer gern
darstellen, zeigt ein Artikel aus der „Financial Times“
vom 13. Oktober 1998. Dort steht geschrieben:

Dieser Steuerplan gibt einigen Grund zur Hoff-
nung. Er ist ziemlich vernünftig und stufenweise
vielleicht unvermeidbar angesichts des ungünstigen
globalen Wirtschaftsklimas. Aber seine Betonung
auf Transparenz ist ein definitiver Schritt in die
richtige Richtung. Die Entscheidung, den Plan fis-
kalisch neutral zu halten, ist ebenso begrüßens-
wert. Mit einer Staatsverschuldung von immerhin
2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts hat Deutsch-
land nicht viel Spielraum für Neuverschuldung.


(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sehr gut!)

Das ist eine Aussage, die deutlich macht, wie wir im
Ausland wahrgenommen werden. Ich finde es sehr
schön, daß das so ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Außerdem scheint die Börse die Aufregung der kon-
servativen Kreise nicht ganz zu teilen. Der DAX hat sich
soweit konsolidiert; die Baisse ist überwunden.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Aber nicht mehr lange! Noch so eine Rede, und der DAX bricht ab!)


Das hat sicherlich damit zu tun, Herr Glos, daß im Un-
ternehmensbereich jetzt das nachgeholt wird, was woan-
ders längst üblich ist, nämlich eine objektivierte Gewinn-
ermittlung mit reeller Ausweisung der tatsächlichen Ge-
winnsituation der Unternehmen. Das ist eine Anpassung
an internationale Standards, die sonst von der Industrie
immer eingefordert wurde. Dies tun wir. Ich sage: Die
Sache ist rund und schafft Steuergerechtigkeit in diesem
Land. Wir sind auf einem verdammt guten Weg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400602500
Das Wort hat für die
F.D.P.-Fraktion der Abgeordnete Dr. Hermann Otto
Solms.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1400602600
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke
mich bei Frau Scheel, daß sie so sehr an den Mittelstand
gedacht hat. Nur, das hilft dem Mittelstand, der soge-
nannten Neuen Mitte, nichts. Sie hätten dafür etwas
durchsetzen müssen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der ganze Erfolg der Grünen bei der steuerpolitischen
Konzeption war, daß sie die SPD gezwungen haben, den
Spitzensteuersatz von 49 Prozent auf 48,5 Prozent zu
senken. Ein toller Erfolg, immerhin ein halber Prozent-
punkt. Das wird den mittelständischen Unternehmen
nicht helfen.

Ich bestätige ausdrücklich, Herr Poß und Frau Mat-
thäus-Maier, daß Sie bereits ab 1999 damit beginnen,
die Tarife zu senken. Nur, Sie beginnen vorsichtig zu
senken. Aber Sie setzen die Gegenfinanzierung sowie
den Abbau von Steuersubventionen und Abschreibungs-
bedingungen in der Wirtschaft sehr schnell durch.


(Joachim Poß [SPD]: Das war doch bei Herrn Waigel auch der Fall: in der ersten Stufe gegenfinanziert!)


Das Ergebnis wird sein, daß gerade in der Neuen
Mitte, die dazu beigetragen hat – während des Wahl-
kampfes auf vielfältige Weise vom Bundeskanzler ge-
ködert –, daß anders gewählt wurde, die Betrogenen zu
finden sein werden. Sie müssen die Zeche bezahlen. Die
Belastung für die mittelständischen Unternehmen steigt.
Das ist das Ergebnis. Das wird den Investitionsprozeß,
den wir brauchen, um Arbeitsplätze zu schaffen, eben
nicht in Gang setzen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400602700
Herr Kollege
Solms, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord-
neten Poß?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1400602800
Bitte schön.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1400602900
Herr Kollege Solms, würden
Sie bestätigen, daß auch bei den Plänen von Herrn Wai-
gel, die erste Stufe voll gegenfinanziert war, weil der
Steuersenkungsspielraum auch nach Meinung von
Herrn Waigel nicht gegeben war, höchstens in einem
Umfang von 1,5 Milliarden DM? Diese Zahl hat er je-
denfalls in der Haushaltsdebatte und in seiner Vorlage
zur symmetrischen Finanzplanung genannt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1400603000
Der ursprüngli-
che Plan war, die erste Stufe aufkommensneutral zu ge-
stalten. Ihre erste Stufe ist gerade für die mittelständi-
schen Unternehmen nicht aufkommensneutral, sondern
führt zu einer erheblichen Mehrbelastung.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Christine Scheel






(A) (C)



(B) (D)


Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel hatte
auf Grund der guten Entwicklung bei den Steuerein-
nahmen vor der Wahl in Aussicht gestellt, daß wir bei
der ersten Stufe schon eine Nettosteuerentlastung von
10 Milliarden DM ermöglichen könnten.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist nicht richtig!)

Das ist alles bekannt. Die Haushaltszahlen und die Steu-
ermehreinnahmen, wie es Herr Merz auch dargestellt
hat, würden das auch für Sie zulassen. Aber Sie brau-
chen ja das Geld, um Ihre Wahlgeschenke zu finanzie-
ren. Deswegen bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den
Steuerzahler, der zu hoch belastet ist, nicht zu entlasten.


(Joachim Poß [SPD]: Herr Solms hat ein schwaches Gedächtnis!)


Ich bin dem Bundesfinanzminister ausgesprochen
dankbar, daß er hier bestätigt hat – es ist ja erst ein ande-
rer Eindruck erweckt worden –, daß er Systemkorrektu-
ren und -reformen im Sozialsystem für notwendig hält.
Ich bin dankbar, daß Sie das bestätigen.

Nur, was Sie angekündigt haben, ist doch das genaue
Gegenteil von dem, was Sie tun. Sie wollen die Renten-
reform mit dem Einbau eines Altersfaktors aussetzen.
Sie wollen eine Frühverrentung einführen. Irgendein
Fonds soll das finanzieren. Natürlich müssen das Ar-
beitnehmer und Arbeitgeber bezahlen – das wird dazu
nicht gesagt. Sie wollen die Gesundheitsreform wieder
so korrigieren, daß Mehrbelastungen herauskommen.
Sie wollen die Lohnfortzahlung korrigieren. Sie wollen
den Kündigungsschutz rückabwickeln.

All das wird die Belastungen erhöhen und nicht sen-
ken, wird weniger Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt er-
möglichen und wird ihn belasten. Wenn schon Struktur-
reformen, dann richtige!


(Beifall bei der F.D.P.)

Ich würde von Ihnen erwarten, daß Sie Ihren Haus-

haltsplan, den Sie längst vorgelegt haben müßten – so
wie wir unseren Haushaltsplan vor der Bundestagswahl
vorgelegt haben –, jedenfalls vor der hessischen Land-
tagswahl vorlegen, damit nicht der Eindruck eines
Wahlbetrugs oder Wahlmanövers entsteht.


(Beifall bei der F.D.P.)

Das heißt: spätestens im Januar des nächsten Jahres.

Nein, die Tarifreform, die Sie vorlegen, ist nicht aus-
reichend. Sie erreichen nämlich nicht die notwendige
Senkung der Steuerbelastung, die Voraussetzung dafür
ist, daß der Leistungsprozeß angeregt und finanziert
wird und daß Investitionen in Gang kommen.

Sie vergessen dabei – darüber ist kein Wort gesagt
worden –, daß Sie den Solidaritätszuschlag nicht ab-
schaffen oder senken wollen. Wenn Sie ihn zum Spit-
zensteuersatz addieren, bleiben Sie bei über 50 Prozent.
Das ist eine viel zu hohe Besteuerung, die eine entspre-
chende Abwehr in der Öffentlichkeit erzeugen wird.


(Joachim Poß [SPD]: Das haben Sie doch immer gefordert, aber nicht durchgesetzt, weil das nicht zu finanzieren ist!)


Das kann so nicht weitergehen.

Wissen Sie, was Ihr zentraler Fehler ist? – Wie Sie
die Menschen hinters Licht führen wollen. Sie rechnen
Steuerbelastung und -entlastung und Kindergeld zu-
sammen. Nur, das Kindergeld nützt den Familien mit
Kindern.


(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Das ist aber ein kleinerer Prozentsatz.

Die große Masse der Arbeitnehmer, die zu einem gut
Teil nicht vom Kindergeld begünstigt wird, wird da-
durch nicht entlastet. Deren Steuerbelastung bleibt hoch.
Gerade die vom Bundesfinanzminister angeführten
Facharbeiter – Krankenschwestern, Fernfahrer und wer
dabei alles zu nennen ist – werden eben fast nicht entla-
stet, weil Sie den Tarif zwischen dem entlasteten Ein-
gangssteuersatz und dem gesenkten Spitzensteuersatz
kaum korrigieren. In diesem Bereich schlägt der Tarif
zu.


(Joachim Poß [SPD]: Grundfreibeträge, Eingangssteuersätze!)


Daher müssen die Facharbeiter weiterhin die hohen
Grenzsteuersätze in Kauf nehmen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das führt dazu, daß es nicht nur die kleinen und
mittleren Unternehmen sind, die diese Last zu tragen
haben, sondern daß es eben auch die Facharbeiter sind,
die diese Last zu tragen haben. Das sind die beiden
Gruppen, die die Wirtschaft in Gang halten und den Lei-
stungsprozeß voranbringen. Um deren Entlastung wäre
es in Wirklichkeit gegangen.


(Detlev von Larcher [SPD]: Deswegen wollten Sie die Zuschläge besteuern!)


Das Steuerrecht wird durch Ihre Vorschläge auch
nicht einfacher. Sie führen zwei neue Steuerarten ein.
Wann hat es das gegeben? Wir haben in den letzten Jah-
ren viele Steuerarten beseitigt. Eine Mindeststeuer und
eine Stromsteuer sind die zwei neuen Steuerarten.

Bei der Mindeststeuer ist sowieso die Frage, ob sie
verfassungsrechtlich möglich ist. Sie wollen die soge-
nannten passiven Einkünfte besteuern, obwohl bei-
spielsweise die Tätigkeit im Immobilienbereich keine
passive Tätigkeit ist. Damit erreichen Sie außerdem eine
zusätzliche Steuerungerechtigkeit, weil Einkünfte unter-
schiedlich behandelt werden: die einen mit Mindeststeu-
er, die anderen ohne Mindeststeuer. Überlegen Sie sich
noch einmal, ob Sie dabei bleiben wollen.

Die Stromsteuer führt uns zu dem Thema Einstieg in
die ökologische Steuerreform. Was ist darüber alles ver-
breitet worden, und was ist dabei herausgekommen? Die
Grünen, ruhmreich wie häufig, sind angetreten mit
5 DM pro Liter Benzin und sind bei 6 Pfennig mehr ge-
landet. Tolle Leistung! 6 Pfennig Erhöhung der Mine-
ralölsteuer wird das Verhalten der Verbraucher in kei-
ner Weise ändern.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Reines Abkassiermodell!)


Dr. Hermann Otto Solms






(B)



(A) (C)



(D)


Das wird also keine ökologische Wirkung auslösen.
Wegen eines um 6 Pfennig höheren Benzinpreises wird
niemand einen Kilometer weniger fahren. Das zeigt, daß
die ökologische Steuerreform nichts anderes als eine
gute Begründung für mehr Steuereinnahmen ist. Darum
geht es Ihnen ja auch.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Sie brauchen diese Steuereinnahmen eben, um die

verschiedenen Wahlgeschenke zu finanzieren.

(Detlev von Larcher [SPD]: Wieso Wahlge schenke?)

– Die Wahlgeschenke, mit denen Sie die Wähler der
Mitte geködert haben, beispielsweise die Kindergelder-
höhung, die Gesundheitspolitik, die Senkung der Ren-
tenversicherungsbeiträge,


(Detlev von Larcher [SPD]: Das nennt der „Wahlgeschenke“!)


aber auch der interessante neue Vorschlag vom Bundes-
finanzminister – den ich mit Interesse zur Kenntnis ge-
nommen habe –, die Pflegeversicherung durch Steuern
zu finanzieren. Das ist ein interessanter Vorschlag.

Herr Lafontaine, wo waren Sie als Ministerpräsident
des Saarlandes, als es um die Einführung der Pflegever-
sicherung ging? Die F.D.P. hat damals händeringend ge-
fordert und nach Unterstützung gesucht, die Pflegeversi-
cherung einzuführen. Sie sollte allerdings anders finan-
ziert werden, nicht im Umlageverfahren, sondern im
Kapitaldeckungsverfahren.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Was? – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr interessant!)


Man hätte natürlich die Lösung finden können, die
Pflegeversicherung für die pflegenahen Jahrgänge vor-
übergehend steuerzufinanzieren und für die jüngeren
Jahrgänge ein eigenständiges, kapitalgedecktes Versi-
cherungssystem aufzubauen. Aber, Herr Bundesfinanz-
minister, auch das Saarland hat damals einem Antrag
des Bundesrates zugestimmt – 16 : 0 Stimmen –, die
umlagefinanzierte Pflegeversicherung einzuführen. Ich
will keine alten Wunden wieder öffnen. Ich sage nur:
Wir sehen jetzt, daß diese Entscheidung falsch war, weil
sie dazu beigetragen hat, daß die Arbeitsplätze durch
höhere Lohnzusatzkosten auf Grund der Beiträge zur
Pflegeversicherung belastet werden. Wir erkennen, daß
wir von diesem Weg herunterkommen müssen.


(Beifall bei der F.D.P. – Ingrid MatthäusMaier [SPD]: Die Hälfte wird doch über den Feiertag bezahlt!)


Insofern bin ich gern bereit, in der Zukunft über diese
Frage mit Ihnen zu diskutieren. Aber das muß im Sinne
einer Übergangsregelung durch Steuerfinanzierung ge-
schehen, die zu einer individuellen, kapitalgedeckten
Pflegeversicherung hinführen muß.

Ihre Pläne zu einer Steuerreform sind so chaotisch und
wirr, weil Sie versucht haben, die unterschiedlichsten In-
teressen miteinander zu verbinden. Dabei herausgekom-
men ist eben nur der kleinste gemeinsame Nenner.

Das Ergebnis der Steuerreform wird sein, daß dieje-
nigen, auf die es ankommt, nämlich die Facharbeiter, die
Leistungsbereiten, die Leistungsträger der Gesellschaft,
die Ingenieure, aber auch die kleinen und mittleren Un-
ternehmen – zum Beispiel die Handwerker –, die die
Arbeitsplätze anbieten müssen, die Geld in die Hand
nehmen müssen, um etwas auf den Weg zu bringen und
zu investieren, enttäuscht sind, sich abwenden werden
und möglicherweise ins Ausland gehen werden. Genau
das ist die Gefahr, die damit verbunden ist.

Das Hinausschieben auf neue Kommissionen führt
dazu, daß wir wichtige Jahre verlieren, in denen wir im
Wettbewerb mit den Konkurrenzländern in Europa und
in der Welt zurückfallen werden. Ich kann nur an Sie
appellieren: Überprüfen Sie Ihre Pläne, machen Sie mit
uns eine Steuerreform, die für niedrigere Steuersätze
sorgt und das Steuersystem einfacher und gerechter
macht. Nur dann erzielen wir die notwendige Wirkung.
Wir müssen uns an den Konkurrenzländern und deren
Steuersystemen messen. Wenn wir deren Niveau nicht
erreichen, dann fallen wir zurück. Ihre Pläne taugen
nichts.

Vielen Dank.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400603100
Das Wort hat für die
PDS-Fraktion Frau Dr. Christa Luft.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1400603200
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Wenn es wirklich so wäre,
wie die Abgeordneten der Fraktionen von CDU/CSU
und F.D.P., die hier gesprochen haben, gesagt haben,
daß eine sinkende Steuerbelastung der Wirtschaft zu
mehr Arbeitsplätzen führt, dann hätte es in der Zeit der
Regierung Kohl geradezu einen Beschäftigungsboom
geben müssen.


(Beifall bei der PDS)

Denn es war die Regierung Kohl, die die Vermögen-
steuer ausgesetzt hat. Sie hat die Körperschaftsteuer re-
duziert. Sie hat den Solidarbeitrag für die Unternehmen
gesenkt, und sie hat die Gewerbekapitalsteuer abge-
schafft. Der Anteil der Unternehmensteuern am Ge-
samtsteueraufkommen in diesem Lande beträgt noch
ganze 18 Prozent.

Ich habe aber nicht vernommen, daß die Wirtschaft
inzwischen ihre nicht unerheblichen Ansprüche an die
Finanzierung öffentlicher Leistungen zurückgenommen
hat. Ich denke beispielsweise an eine exzellente öffent-
lich finanzierte Infrastruktur, die wir in diesem Lande
haben und die ein hervorragender Wettbewerbsfaktor ist.
Ich denke an Kultur und an eine gute Schulbildung der
Lehrlinge, die die Arbeitgeber aufzunehmen haben. Es
wird immer wieder verlangt, daß die Lehrlinge, wenn sie
in die Ausbildung kommen, mehr Schulbildung mitbrin-
gen müssen. Dies alles stellt höhere Anforderungen an
die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. Das alles ist
teuer, das alles muß die öffentliche Hand bezahlen. Die-
sen Zusammenhang zwischen dem, was man von der öf-
fentlichen Hand fordert, und dem, was man in den öf-

Dr. Hermann Otto Solms






(A) (C)



(B) (D)


fentlichen Topf hineinzutun bereit ist, muß die Wirt-
schaft natürlich erkennen und beachten.


(Beifall bei der PDS)

Trotz der erheblichen Steuerentlastungen in den ver-

gangenen Jahren beobachteten wir aber einen ganz rigi-
den Personalabbau. Insbesondere die Großunterneh-
men haben Scheinselbständige produziert, um sich von
Sozialabgaben zu entlasten. Ihre wachsenden Gewinne
aber investierten sie nicht in die Produktion, um damit
Beschäftigung zu schaffen, sondern sie nutzten wach-
sende Gewinne für Finanzanlagen und Immobilienge-
schäfte. Wie man diese spekulativen Geschäfte bekämp-
fen oder zumindest begrenzen kann, davon habe ich von
der CDU/CSU und vom F.D.P.-Sprecher leider nichts
vernommen.


(Beifall bei der PDS)

Insofern ist das jetzt einsetzende Standortverschlechte-
rungsgeschrei der Vertreter der Großindustrie wirklich
fehl am Platze. Hoffentlich läßt sich die neue Bundesre-
gierung davon auch nicht beeindrucken.

Als durchsichtig empfinde ich es auch, wenn sich die
Großindustrie nun zum Fürsprecher des Mittelstandes
macht.


(Beifall bei der PDS)

Wenn sie wirklich mit dem Mittelstand solidarisch sein
wollte, dann hätte sie ihn längst entlastet, indem sie sich
an den erheblichen Kosten für die Ausbildung junger
Menschen beteiligt hätte. Damit läßt sie jedoch den
Mittelstand, Handwerk und Gewerbe, allein. Gleichwohl
macht sie sich jetzt zum angeblichen Fürsprecher des
Mittelstandes; das ist schon ziemlich zynisch.

Wir jedenfalls halten den vorgesehenen Abbau der
steuerlichen Bevorzugung von Großunternehmen für ge-
rechtfertigt. Wir halten das auch für fair gegenüber dem
Mittelstand, der die meisten Arbeitsplätze und Ausbil-
dungsplätze in diesem Lande schafft.


(Beifall bei der PDS)

Wir könnten uns eine stärkere Förderung des Mittel-
standes vorstellen, indem insbesondere eine direkte
Wirtschaftsförderung und nicht nur eine Förderung auf
dem indirekten Wege, also über Steuerentlastungen er-
folgt.


(Beifall bei der PDS)

Wir brauchen hier einen anderen Ansatz; den sollten wir
nicht aus dem Auge verlieren.

Vorbehaltlos ja sagen wir ebenfalls zur stärkeren Be-
steuerung von Veräußerungsgewinnen beim Handel
mit Wertpapieren und privaten, nicht selbstgenutzten
Grundstücken. Das ist endlich der Einstieg in die Spe-
kulationsbekämpfung. Auch wir haben das lange gefor-
dert, und diese Tendenz unterstützen wir ausdrücklich.


(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Sozial-

neid zu tun, sondern das ist ein Gebot sozialer Gerech-
tigkeit. Es ist unsere Verpflichtung, die Sozialpflicht des

Eigentums, die die Verfassung dieses Landes vorsieht,
einzufordern.


(Beifall bei der PDS)

Es muß doch aufhören, daß das Steuerrecht für eine Ge-
sellschaftspolitik zielgebend ist, wie es die alte Bundes-
regierung vorhatte. Es muß doch umgekehrt sein: Ge-
sellschaftspolitische Ziele müssen Steuerpolitik und
Steuerrecht bestimmen.


(Beifall bei der PDS)

Insofern unterstützen wir die Intention des neuen Bun-
desfinanzministers.

Aber, Herr Bundesfinanzminister, es gibt auch
Schritte in Ihrem uns vorgelegten Paket, das ja ziemlich
umfangreich ist, die uns auf dem Wege zu mehr sozialer
Gerechtigkeit viel zu kurz ausgefallen sind. Ich nenne
zum Beispiel die Senkung des Eingangssteuersatzes und
die Kindergelderhöhung.

Die marginale Senkung des Eingangssteuersatzes
1999 wird – das vermute ich – durch Mieterhöhungen,
durch Erhöhung von Abgaben und von Tarifen aufge-
fressen werden, wie sie sich in den Kommunen und
überall in diesem Lande anbahnt.

Bei dem Schrittmaß, mit dem Sie die Kindergelder-
höhung angehen – Sie wollen es in vier Jahren um
40 DM anheben –, bräuchten wir mehr als eine Genera-
tion, um an das Existenzminimum von Kindern heran-
zukommen. Das ist keine akzeptable Aussicht,


(Beifall bei der PDS)

zumal diese Regierung bei der Familienpolitik neue
Maßstäbe setzen will, was wir natürlich ausdrücklich
unterstützen. Frau Scheel, wir werden Sie an das erin-
nern, was Sie eben gesagt haben: daß auch Sie sich ein
höheres Schrittempo bei der Erhöhung des Kindergeldes
vorstellen könnten. Wir werden darauf zurückkommen
und meinen, daß im Laufe dieser Legislaturperiode da-
für noch Nachbesserungen notwendig sind.

Warum könnte man nicht, Herr Bundesfinanzminister
– auch das sollte in dem Katalog der Überlegungen ei-
nen Platz finden können –, einen ermäßigten Mehrwert-
steuersatz für Kinderbekleidung und Kinderschuhe ins
Auge fassen?


(Beifall bei der PDS)

Wer Kinder oder Enkelkinder hat, der weiß, wie viele
Hundertmarkscheine jeden Monat herausgehen, vor al-
lem bei Kindern, die sich noch in der Wachstumsphase
befinden.


(Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das ist sehr wahr! Wir beiden wissen das, Herr Finanzminister!)


Auf jeden Fall – das ist unsere grundsätzliche Kritik
an Ihrem Entwurf –: Mit den vorgesehenen richtigen,
aber doch sehr marginalen Verbesserungen für untere
Einkommen und Familien läßt sich nicht kaschieren, daß
Sie die Wurzeln der in 16 Jahren Kohl-Regierung ent-
standenen sozialen Schieflage in diesem Lande nur sehr,
sehr zaghaft anpacken. Der Zustand wird doch eher ein-
gefroren. Ich nenne den Grundfreibetrag.

Dr. Christa Luft






(B)



(A) (C)



(D)


Die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums
auf 13 000 DM im Jahre 1999 läßt sich nun wahrlich
nicht als große Errungenschaft verkaufen. Die SPD war
in der vergangenen Legislaturperiode der Auffassung,
daß dieser Grundfreibetrag bereits 1996 auf 13 000 DM
zu erhöhen sei. Die Bündnisgrünen sprachen damals von
mindestens 14 000 DM, um dem Gebot des Bundesver-
fassungsgerichtes nach Steuerfreistellung des Existenz-
minimums gerecht zu werden. Berücksichtigt man die
Erhöhung der Lebenshaltungskosten seit 1996, dann
sind 13 000 DM und auch die 14 000 DM, die ab dem
Jahr 2002 als steuerfreies Existenzminimum vorgesehen
sind, zu gering.

Die Nationale Armutskonferenz hat sich Anfang
dieses Monats dafür ausgesprochen, den Grundfreibe-
trag auf etwa 17 000 DM anzuheben, und das ist auch
unsere Forderung.


(Beifall bei der PDS)

Den Spitzensteuersatz wollen Sie, beginnend mit

dem Jahr 2000, senken. Wir sehen, ehrlich gestanden,
dafür keine Spielräume. Auch das ist kein Ausdruck von
Sozialneid. Ich kann daran erinnern, daß es erst wenige
Monate her ist, daß die Finanzexpertinnen und -experten
der SPD-Bundestagsfraktion ebenfalls keine Spielräume
für eine Absenkung des Spitzensteuersatzes gesehen ha-
ben. Ich frage mich: Wo ist denn dieser Spielraum in
den wenigen Monaten hergekommen?

Was tatsächlich an Vergünstigungen für Besserver-
dienende und Unternehmen abgebaut wird, bleibt bis-
lang noch unklar. Jeden Tag gelingt es mal diesem, mal
jenem Minister, mal auch den Unternehmerverbänden,
die Streichliste weiter schrumpfen zu lassen. Herr Bun-
desfinanzminister, Sie werden sich, wenn das mit der
Schrumpfung der Streichliste so weitergeht, bei gleich-
bleibender Wirtschaftsentwicklung ganz erhebliche Fi-
nanznöte organisieren.

Unsere Forderung ist, daß die Mehreinnahmen durch
die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nicht zur
Finanzierung der Senkung der Spitzensteuersätze bei der
Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern zur Erhö-
hung des Grundfreibetrages und zur Senkung des Ein-
gangssteuersatzes genutzt werden.


(Beifall bei der PDS)

Damit könnte ein wirksamer Beitrag zur Entlastung ge-
rade unterer und mittlerer Einkommen und auch der
kleinen und mittleren Unternehmen geleistet werden.
Ein darüber hinausgehendes freies Finanzierungsvolu-
men sollte für eine steuerbegünstigte Investitionsrück-
lage verwendet werden, die aus unserer Sicht für den
Mittelstand ebenfalls unendlich wichtig wäre.

Wenn ich sage, daß Sie soziale Ungerechtigkeit eher
einfrieren als spürbar abbauen, dann meine ich damit
beispielsweise, daß Sie unverständlicherweise auf die
sofortige Wiedererhebung der Vermögensteuer ver-
zichten. Milliarden lassen Sie sich auf diese Weise ent-
gehen. Wir können das nicht verstehen und stoßen heute
mit einem entsprechendem Antrag dazu die Debatte in
diesem Hause wieder an.

Eine weitere Kritik: Die Steuerreformpläne erwecken
über weite Teile den Eindruck, als habe man bei der
SPD nicht so richtig mit dem Wahlsieg gerechnet. Denn
sonst müßten Sie doch schon viel mehr ausgearbeitete
Konzepte in der Schublade haben. Aber hier wird vieles
auf dem Verschiebebahnhof verschoben,


(Beifall bei der PDS)

indem man eine Kommission hierfür, eine Kommission
dafür bildet. Früher haben wir in der DDR gesagt: Wenn
du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis!


(Erneuter Beifall bei der PDS)

Ich denke, die SPD hatte Zeit genug, ihre Pläne ausgear-
beitet in der Schublade zu haben.

Ich komme zum Schluß und sage Ihnen, meine Da-
men und Herren: Der Bundeskanzler hat in seiner Regie-
rungserklärung mehr Mut zum Ausprobieren neuer Mo-
delle gefordert. Auf steuerpolitischem Gebiet, meinen
wir, könnte ein Weg dafür sein, beispielsweise über eine
Wertschöpfungsabgabe nachzudenken, mit der nicht
nur die Personalkosten mit Sozialversicherungsausgaben
belegt werden, sondern die gesamte Wirtschaftsleistung.
Das würde die personalintensiven kleinen und mittleren
Unternehmen entlasten. Die PDS wurde bei der Bun-
destagswahl 1998 von 30 Prozent der Selbständigen in
den neuen Ländern gewählt. Sie können uns glauben –
wir sind dort mit vielen im Gespräch –, daß diese sich
einen solchen Weg sehr wünschen.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400603300
Ich muß Sie bitten,
zum Schluß zu kommen.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1400603400
Ja.
Man könnte auch neue Modelle ausprobieren. So

könnte eine Debatte über eine Devisentransaktionssteu-
er, zunächst zwischen den Ländern der Europäischen
Union und schließlich darüber hinaus, angeschoben
werden. All das wären aus unserer Sicht angemessene
Innovationen.

Wir werden an Ihrer Seite stehen, Herr Bundes-
finanzminister, wenn es darum geht, durch die Steuer-
politik soziale Gerechtigkeit zu befördern, Anreize für
die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu stimulieren und die
Binnennachfrage anzufachen.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400603500
Das Wort hat für die
SPD-Fraktion die Kollegin Frau Ingrid Matthäus-Maier.


Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1400603600
Sehr geehrter Herr
Präsident Seiters! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Eine Bemerkung vorweg: Auch Herr Merz hat eine
süffisante Bemerkung darüber gemacht, daß sich Christa
Müller, die Frau des Finanzministers, zur Wirtschafts-

Dr. Christa Luft






(A) (C)



(B) (D)


und Finanzpolitik äußert. Das geht nun schon die ganze
Woche so. Ich habe mir das angehört. Es begann mit
Herrn Schäuble und ging mit anderen weiter, so kam das
zum Beispiel gleich mehrfach in der Rede von Herrn
Wissmann vor, der ja ein ausgewiesener Spezialist für
das partnerschaftliche Zusammenleben von Mann und
Frau ist.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Ich sage Ihnen – ich hoffe, daß damit die Debatte dar-
über in dieser Woche ein Ende hat,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


– wer austeilt, muß auch einstecken, meine Damen und
Herren, ich war dabei, als Herr Wissmann hier geredet
hat: Die Zeiten, in denen Ehepartner von führenden
Politikern Denk- und Diskussionsverbot hatten, sind
endgültig vorbei. Und das ist gut so.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Wenn Sie meinen, daß Sie mit solch einem Macho-
Gerede Wähler und Wählerinnen zurückgewinnen, lie-
gen Sie schief. Deswegen bitte ich Sie, das zu lassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Die SPD hält Wort: Keine drei Wochen nach der
Kanzlerwahl liegt dem Deutschen Bundestag der Ge-
setzentwurf zur großen Steuerreform vor. Die SPD ist
von der Opposition in die Regierungsverantwortung in
einem Tempo durchgestartet, von dem die heutige Op-
position nur träumen kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber nicht nur das Tempo der Politik hat sich geändert,
auch der Inhalt der Politik und schließlich auch noch –
das ist ganz wichtig – der Stil der Politik. Nachdem es
vorher jede Menge Steuerlügen gegeben hat, können wir
nämlich ein Gesetzespaket vorlegen, in dem genau das
verwirklicht wird, was wir vor der Wahl versprochen
haben. Das hat es in diesem Lande in steuerpolitischen
Fragen selten gegeben. Es ist gut, daß wir das ändern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben versprochen, drei Schwerpunkte anzuge-
hen: Erstens. Wir stoppen die bisherigen Umverteilun-
gen zu Lasten der Arbeitnehmer und ihrer Familien und
entlasten eine Familie mit zwei Kindern und durch-
schnittlichem Einkommen stufenweise. Im nächsten
Jahr werden es 1 000 DM sein, im Jahre 2002 sogar
2 700 DM.

Zweitens. Wir senken die Steuersätze für die Unter-
nehmen, für die großen, aber auch für den Mittelstand,
und reduzieren dafür Ausnahmeregelungen, Schlupflö-

cher, Steuervergünstigungen und Rückstellmöglichkei-
ten auf ein international übliches Niveau.

Drittens. Wir steigen in eine ökologische Steuerre-
form ein, in der die Entlastung der Arbeit durch eine
Verteuerung der Energie finanziert wird. Wir beginnen
damit schon 1999. Der Rentenversicherungsbeitrag, so
hat es Herr Riester vorgestern gesagt, wird am 1. Januar
1999 auf 19,5 Prozent abgesenkt, nachdem Sie ihn dau-
ernd angehoben haben.

Drei Wochen, nachdem wir die politische Mehrheit
erhalten haben, haben wir in drei wichtigen Fragen das,
was wir versprochen haben, eingehalten. Darauf sind wir
stolz, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum ersten Schwerpunkt gehören die Anhebung des
Grundfreibetrages und die Absenkung des Eingangs-
steuersatzes. Beides, besonders aber die Anhebung des
Grundfreibetrages, ist geboten, – vor allen Dingen ver-
fassungsrechtlich. Meine Damen und Herren von der
Opposition, ich habe nie verstanden, warum Sie nicht
mit uns zusammen den Grundfreibetrag, also das steu-
erfreie Existenzminimum, auf 14 000 DM im Jahr erhö-
hen wollen. Sie haben doch immer das Thema Lohnab-
standsgebot, also einen ausreichenden Abstand zwischen
Sozialhilfe und niedrigen Einkommen, in die Debatte
gebracht. Sie reden doch so gerne davon, daß sich Lei-
stung lohnen muß. Dies ist ein guter Satz; er darf aber
nicht auf Ihre Weise interpretiert werden. Sie argumen-
tieren nämlich folgendermaßen: Leistung muß sich loh-
nen! Frage: Wer leistet etwas? Antwort: Derjenige lei-
stet etwas, der viel verdient. Folge: Derjenige, der viel
verdient, muß noch etwas oben draufgelegt bekommen.
Sie wollen daher die Steuersätze insbesondere für Spit-
zenverdiener senken.

Das ist nicht unsere Philosophie. Für uns ist derjenige
Leistungsträger, der eine Familie ernährt, der Kinder
großzieht, der morgens ins Büro oder an die Werkbank
geht. Diese Menschen sind bei Ihnen und Ihrer Steuer-
politik schmählich unter die Räder gekommen. Das hört
auf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400603700
Frau Kollegin Matt-
häus-Maier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge-
ordneten Thiele?


Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1400603800
Bitte.


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1400603900
Frau Kollegin Matt-
häus-Maier, würden Sie dem Hohen Haus bestätigen,
daß in der letzten Periode das Existenzminimum für alle
Steuerpflichtigen, auch für Kinder, von der alten Koali-
tion erheblich erhöht wurde, daß der Familienleistungs-
ausgleich komplett neu geregelt wurde und daß das Kin-
dergeld von seinerzeit 70 DM auf derzeit 220 DM er-

Ingrid Matthäus-Maier






(B)



(A) (C)



(D)


höht wurde? Wir haben also erhebliche Leistungen für
die Familien erbracht.


(Widerspruch bei der SPD)

Und können Sie bestätigen, daß durch das Jahressteu-

ergesetz 1996 und durch den Fortfall des Kohlepfennigs
im Jahre 1996 die Bürger in unserem Lande mit etwa
30 Milliarden DM entlastet wurden und daß insbesonde-
re die niedrigen Einkommen diese Entlastung erfahren
haben?


(Zurufe von der SPD: Oh! – Joachim Poß [SPD]: Sie stehen doch noch auf der Rednerliste, Herr Thiele!)



Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1400604000
Herr Kollege, es
steht fest, daß nicht Sie, die alte Koalition, sondern wir,
der Bundestag, zusammen mit dem Bundesrat und dem
Vermittlungsausschuß das Kindergeld erhöht haben.
Ich darf daran erinnern, daß Herr Waigel bis zum letzten
Tag dagegen war, das Kindergeld von 70 DM weiter an-
zuheben. Wir haben es gegen Ihren Widerstand durch-
gesetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Bis zum letzten Tag in diesem Wahlkampf haben Sie
gesagt: 250 DM Kindergeld ist nicht drin. Viele von
Ihnen haben die Erhöhung des Kindergeldes herab-
würdigend als eine Art Steuergeschenk bezeichnet, was
man besser sein lasse, womit man sich Wähler kaufen
würde. Ist Ihnen nicht klar, daß nicht nur der normale
Steuerzahler das Recht auf ein steuerfreies Existenz-
minimum hat – das erreichen wir über den Grundfreibe-
trag –, sondern daß auch die Familien mit Kindern das
Recht auf Steuerfreiheit in Höhe der Kosten für die
Ausgaben für die Kinder haben? Die Steuerfreistellung
geschieht in Deutschland zu 95 Prozent über das Kin-
dergeld. Deswegen ist es notwendig, daß wir entgegen
Ihren dauernden Äußerungen das Kindergeld auf
250 DM anheben.

Auch den Grundfreibetrag wollen Sie nicht auf
14 000 DM anheben. Wenn sich Ihre Meinung in dieser
Frage geändert hat – nach Ihrer Zwischenfrage zu
schließen, könnte das der Fall sein –, dann kann ich nur
sagen: Machen Sie mit uns mit! Das Angebot liegt vor.
Es ist nichts einfacher, als daß Sie zustimmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daß auch Spitzenforscher – ich will das einmal so sa-
gen – nicht vor Torheit in dieser Frage geschützt sind,
sieht man daran, daß in ihrem Herbstgutachten die sechs
wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute mei-
nen, man könnte auf die Erhöhung des Transfers – ge-
meint war das Kindergeld – verzichten, um etwas ande-
res mit dem Geld zu finanzieren.


(Zuruf von der F.D.P.: Arbeitsplätze!)


Ich darf Ihnen einmal § 31 des Einkommensteuergeset-
zes vorlesen, damit dieser Quatsch, von einem Wahlge-
schenk zu reden, aufhört.

Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbe-
trags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes
wird durch den Kinderfreibetrag . . . oder durch das
Kindergeld . . . bewirkt.

Sie sehen, ein Blick in das Gesetz erleichtert manchmal
die Rechtsfindung.


(Beifall bei der SPD)

Wir werden im Jahre 2002 die Höhe des Kindergel-

des auf 260 DM anheben. Wir finanzieren das durch
eine wirklich maßvolle Reduzierung des Ehegatten-
splittings, beginnend oberhalb eines zu versteuernden
Einkommens von 170 000 DM.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Wir werden noch sehen, ob das verfassungsgemäß ist!)


Ich habe in diesem Hause oft darüber gesprochen, aber
lassen Sie mich eines dazu sagen: Wir gelten steuerlich
auf der ganzen Welt als ein besonders ehefreundliches
Land, nicht aber als ein kinderfreundliches. Denn wenn
Sie sechs Kinder haben und großziehen, erhalten Sie
keine so hohe Steuerentlastung wie ein Ehepaar mit
einem hohen Einkommen, das keine Kinder hat. Wo
sind wir eigentlich hingekommen?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Erst ab dem siebten Kind haben Sie mehr Kindergeld,
als im Vergleich dazu der maximale Splittingvorteil er-
geben würde. Wenn wir das ein wenig umschichten,
dann ist das eine maßvolle, richtige Reform.

Frau Eichhorn sagte in diesen Tagen, sie habe Zwei-
fel an der Wirksamkeit der Kindergelderhöhung. Denn
das Kindergeld für das erste und das zweite Kind sei
nicht so wichtig. Wichtiger sei die Höhe des Kindergel-
des für Familien mit mehr Kindern. Liebe Frau Eich-
horn, vielleicht ist Ihnen entgangen, daß eine Familie
mit vier oder fünf Kindern auch ein erstes und ein
zweites Kind hat. Auch diese Familie wird also eindeu-
tig entlastet.


(Beifall bei der SPD)

Herr Merz sagte in seiner Rede, eine Erhöhung des

Kindergeldes sei nicht in Ordnung.

(Widerspruch des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

– Also gut, es ist doch in Ordnung. – Eigentlich finde er
es nicht so gut. Denn was habe der Familienvater davon,
wenn er mehr Kindergeld habe, aber arbeitslos werde?

Das führt zu einer grundsätzlich unterschiedlichen
Betrachtungsweise dessen, was wir hier tun. Meine Par-
tei war immer der Ansicht, es sei ein vernünftiges Mit-
einander von Nachfragepolitik und Angebotspolitik er-
forderlich. Klar ist auch: Wenn ein Familienvater nicht
genug Geld in der Tasche hat, um einzukaufen, dann

Carl-Ludwig Thiele






(A) (C)



(B) (D)


kann auch die Wirtschaft nicht die Produkte verkaufen,
die sie gerne verkaufen möchte.

Ich weiß, daß Sie das nie glauben, wenn die SPD das
sagt. Das betrifft das alte Wort von Ford: Autos kaufen
keine Autos. Aber ich las in diesen Tagen ein Wort des
BMW-Chefs Pischetsrieder; vielleicht überzeugt Sie das
eher. Er sagte:

Arbeitsplätze werden nicht von Unternehmen ge-
schaffen,

– das ist eben ein weitverbreiteter Irrtum –
sondern von Kunden. Nur wenn wir Kunden fin-
den, die unsere Produkte oder Dienstleistungen so
attraktiv finden, daß sie bereit sind, Teile ihres Ein-
kommens dafür auszugeben, dann können wir mehr
Arbeitsplätze schaffen.

Deswegen sage ich Ihnen: Eine richtige Mischung von
Angebots- und Nachfragepolitik zu schaffen, diese Poli-
tik unterscheidet uns von Ihrer. Dafür hat uns der Wäh-
ler eine Mehrheit gegeben. Denn Ihre Politik war abge-
wirtschaftet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden die Steuerreform in Stufen durchführen.
Im Jahre 2002 wird es zu einer Nettoentlastung in Höhe
von 15 Milliarden DM kommen.

In den Zeitungen ist zu lesen, daß man uns mehr Mut
gewünscht hätte, daß wir kleinmütig seien. Mein Ein-
druck ist, daß viele, die so vornehm von „mehr Mut“
sprechen, mehr Schulden meinen.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Nein!)

Manche sagen es auch. Ich habe zum Beispiel ein In-

terview mit Herrn Wohlers, einem Vertreter der For-
schungsinstitute, gelesen. Er sagte zur Steuerreform un-
serer Koalition, ein etwas höheres Staatsdefizit kollidie-
re nicht mit den Stabilitätskriterien des Maastricht-
Vertrages. Ich hätte eigentlich erwartet, daß dieser Herr
nicht nur den Maastricht-Vertrag kennt, sondern auch
Art. 115 des Grundgesetzes. Nachdem Herr Waigel uns
einen Haushalt lieferte, der bei den Ausgaben für Inve-
stitionen nur 1 Milliarde DM über dem Betrag der Ver-
schuldung liegt, wäre es wirklich fahrlässig zu meinen,
hier könnte man netto noch etwas drauflegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Oder ein von mir wirklich geschätzter Journalist
schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“ noch offener:

Es ehrt Rotgrün, daß es keine Schuldenwirtschaft
betreiben will. Auf dem Wege zu einer durchschla-
genden Steuerreform aber ist soviel Seriosität hin-
derlich. Es wäre besser, die Steuersätze kompro-
mißlos zu drücken und dafür steigende Haushalts-
defizite in Kauf zu nehmen.

Nein, ich antworte: Finanzpolitische Seriosität ist nie
hinderlich. Gerechte Steuern und solide Finanzen gehö-
ren zusammen. Wir haben vor der Wahl versprochen:
Unsere Steuerreform ist bescheidener, aber solide finan-

ziert. Dafür haben wir den Wählerauftrag. Das werden
wir tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Schwerpunkt: Senkung der Unterneh-
mensteuersätze, nicht nur für die Großen, sondern auch
für Mittelstand, Handwerk und Einzelhandel auf 35 Pro-
zent in Stufen und dafür Beseitigung bzw. Reduzierung
von Ausnahmen und Rückstellungsmöglichkeiten.

Das Feldgeschrei, das entstanden ist, hatte ich erwar-
tet. Ich will nicht verhehlen: Ich habe meine Partei im-
mer gewarnt, daß die Steuersenkungen sehr schnell ein-
kassiert würden, aber bei jeder Gegenfinanzierungsmaß-
nahme ein großes Wehklagen anheben würde. Aber hier
handelt insbesondere die Wirtschaft nach dem System
der Rosinenpicker. Sie sagt: Steuersätze wie in Amerika
und die Ausnahmen weg. Tatsächlich aber wollen sie
sich die Rosinen aus beiden Systemen herauspicken,
nämlich niedrige Steuersätze wie in Amerika und viele
Ausnahmen wie in Deutschland. Beides geht aber nicht
zusammen. Das werden wir auch nicht tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Drei Argumente, warum dieses Wehklagen nicht be-
sonders glaubwürdig ist. Erstes Argument: Hätten wir
der Steuerreform von CDU/CSU und F.D.P. im letzten
Jahr zugestimmt – wozu uns die Wirtschaftsverbände
aufgefordert hatten –, dann würde der Großteil der Ge-
genfinanzierungsmaßnahmen, über die sie jetzt klagen,
bereits im Gesetzblatt stehen. Es kann ja wohl nicht sein,
daß Gegenfinanzierung bei Schwarzgelb besser als bei
Rotgrün ist.

Zweitens. Sie finden bei denen, die uns sagen, wir
sollten die Steuersätze senken und viele Ausnahmen
abschaffen, dann, wenn es um Ihren persönlichen ge-
schäftlichen Bereich geht, immer wieder genau die ent-
gegengesetzte Haltung.

Mir kommt ein neues Buch in die Hand: „Aktie, Ar-
beit, Aufschwung“ mit einem Vorwort von Rolf E.
Breuer. Beredte Forderung, daß die Steuersätze gesenkt
und keine Ausnahmen gemacht werden sollen. Dann le-
se ich auf Seite 153:

Weiteren Auftrieb könnte der Finanzplatz durch ei-
ne andere steuerliche Ausnahmebestimmung er-
halten: eine zeitlich befristete Senkung der Steuer-
sätze für ausländische Experten. Dabei sollte man
nicht bei Halbherzigkeiten bleiben. Das Beste wäre
eine vollständige Steuerfreiheit auf fünf Jahre. Das
hätte mit den sonstigen Ausnahmebestimmungen,
etwa Verlustzuweisungen und Sonderpauschbeträ-
ge für einzelne Berufsgruppen, nichts gemein.

Nein, es ist unglaubwürdig, das Prinzip zu fordern und
bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit von
uns Politikern dann eine Sondervorschrift für die eigene
Klientel zu verlangen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ingrid Matthäus-Maier






(B)



(A) (C)



(D)


Drittes Beispiel – ich muß zugeben, ich wußte nicht
recht, ob ich mich nun ärgern sollte oder ob es geradezu
unverschämt ist –: Heute morgen steht in der Zeitung,
wie sich die Versicherungswirtschaft über unsere Pläne
beschwert. Eigentlich hatte ich erwartet, es kämen Dan-
kesschreiben. Ich erinnere mich daran, daß im Steuerre-
formpaket der alten Koalition zum Beispiel eine scharfe
Besteuerung der Lebensversicherung vorgesehen war,
und zwar im Bestand. So etwas gibt es bei uns nicht.
Trotzdem beschwert sich die Versicherungswirtschaft.
Ich lese Ihnen einmal einen Kommentar von meiner ört-
lichen Zeitung, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, vor. Sie
schreibt:

Jammern gehört zum Geschäft, das ist beim Versi-
cherungsverband nicht anders als bei anderen Lob-
byisten. Doch sollten die Versicherer bei ihrer Kri-
tik an den Bonner Steuerplänen die Kirche im Dorf
lassen. . . . Viele Konkurrenten im Ausland benei-
den die hiesigen Unternehmen seit langem um die
üppigen Abschreibungs- und Rückstellungsregeln . . .
Platte Drohungen, man werde Stellen abbauen,
Ausbildungsplätze kürzen oder gar ins Ausland
abwandern, sind vor diesem Hintergrund ziemlich
fehl am Platze. Rationalisieren wird die Branche,
die in den letzten sechs Jahren bereits rund 20 000
Stellen strich, weiterhin, auch ohne die Bonner
Pläne.

Daß Sie uns deswegen angreifen und uns den Ar-
beitsplatzabbau, den die Unternehmen zwecks Rationa-
lisierung ohnehin vorhatten, in die Schuhe schieben
wollen, weise ich zurück. Manche bekommen den Hals
nicht voll.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Nun zum Mittelstand. Viele vergessen, daß sowohl
von der Verbesserung des Grundfreibetrages als auch
von der Senkung des Eingangssteuersatzes und der Er-
höhung des Kindergeldes selbstverständlich auch der
Mittelstand, Handwerker und Einzelhändler, profitiert.
Da gesagt wird, es gebe diese und jene Mehrbelastung:
Wenn es Mittelständler gab – und vereinzelt muß es die-
se gegeben haben –, die exzessiv von Ausnahmevor-
schriften Gebrauch gemacht haben, die wir abschaffen,
dann kann es sein, daß diese stärker belastet werden.
Tatsache aber ist: Auch der Mittelstand wird durch unser
Konzept entlastet.


(Beifall des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD])


Wir haben gerade die Frist für Sonderregelungen zugun-
sten des Mittelstandes verlängert.

Diese – ich darf es einmal etwas frech formulieren –
Spitzensteuersatzfetischisten, die so tun, als käme in al-
ler erster Linie dem Mittelstand die Spitzensteuersatz-
senkung zugute, darf ich einmal darauf aufmerksam ma-
chen, daß der Spitzensteuersatz für die gewerblichen
Betriebe – und darum geht es –, der 47 Prozent beträgt,
von einem Mittelständler, zum Beispiel Handwerker,
dann erreicht wird, wenn er als Verheirateter im Jahr
mehr als 214 000 DM zu versteuern hat. Ich weiß aus

vielen Gesprächen in meinem Wahlkreis, daß die Masse
der Einzelhändler, der Handwerker, des Mittelstandes,
nicht 214 000 DM zu versteuerndes Einkommen im Jahr
hat. Deswegen ist eines klar: Wer etwas für den Mittel-
stand tun will, der muß auch den Mut haben, mittel-
standsfreundliche Sonderregelungen zu machen. Das tun
wir mit unserem Paket, und dabei bleibt es.

Wissen Sie, woran es mich erinnert, wenn sich zum
Beispiel Herr Henkel als Schutzpatron des Mittelstandes
aufführt? Ich habe noch die Zeiten miterlebt, in denen
Herr von Heereman der Präsident des Bauernverbandes
war, ein Großgrundbesitzer – den Hof im Münsterland
hätten Sie einmal sehen sollen. Wenn es darum ging, die
Subventionen für die großen Bauern zu streichen oder
anzutasten, dann setzte er die kleinen Bauern in Hessen
und Bayern in Gang, damit sie für ihn die Kartoffeln aus
dem Feuer holen. So kommt es mir vor, wenn sich Herr
Henkel zum Mittelstand äußert. Nein, die Bedrohung
kommt nicht durch das Steuerrecht, sondern durch die
großen Konzerne, die die kleinen schlucken.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Letzter Punkt: Herr Solms, Sie haben gesagt, wir er-
fänden neue Steuern, und nannten die sogenannte Min-
deststeuer.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Die Ökosteuer hat er auch genannt!)


Nein, wir führen keine neue Steuer ein. Wir begrenzen
die Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten. Ge-
stern habe ich in der Zeitung die Anzeige gelesen:
„Hohe Verlustzuweisungen locken – Flugzeugleasing“.
Darin ist von Verlustzuweisungen in Höhe von
198 Prozent in vier Jahren die Rede. Dazu kann ich nur
sagen: Wir verhindern, daß Einkommensmillionäre
durch die Verrechnung der Verluste aus anderen Ein-
kunftsarten überhaupt keine Steuern mehr zahlen, wäh-
rend die Edeka-Verkäuferin enorm zur Kasse gebeten
wird.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Das ist keine Steuer. Wir stellen eine Mindestbemes-
sungsgrundlage her. Wer will, mag sich an solchen
Verlustzuweisungsgesellschaften gerne auch in Zukunft
beteiligen. Aber die Gewinne, die er daraus zieht, wer-
den wir kräftig reduzieren.

Das, meine Damen und Herren, hat der Wähler ge-
wollt. Ihre Politik, die empirisch, durch Erfahrung ge-
scheitert ist, wollte er nicht mehr. Er hat uns die Chance
gegeben, all das, was wir vor der Wahl zur Steuerpolitik
gesagt haben, umzusetzen. Das werden wir tun. Damit
werden Sie sich abfinden müssen.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400604100
Das Wort hat für die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Kollegin Gerda Has-
selfeldt.

Ingrid Matthäus-Maier






(A) (C)



(B) (D)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1400604200
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Lobes-
hymne, Frau Matthäus-Maier, auf das, was Sie uns als
Steuerreform vorgelegt haben, war völlig unangebracht.
In Wahrheit ist es nichts anderes als ein Finanzierungs-
manöver, ein Umverteilungsmanöver, ein Abkassie-
rungsmanöver.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es belastet zusätzlich diejenigen, die Arbeitsplätze zur
Verfügung stellen sollen. Es belastet die Betriebe, die
Unternehmen, es belastet die Wirtschaft zugunsten des
Konsums. Das kann es nicht sein, wenn es darum geht,
Herr Lafontaine, daß diese Steuerreform auch – natür-
lich nicht alleine – dazu beitragen soll und muß, die
wirtschaftliche Situation zu verbessern und für mehr In-
vestitionen und für mehr Arbeitsplätze zu sorgen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Daß mit diesem Vorhaben ein Umverteilungsmanö-

ver verbunden ist, hat der Finanzminister selbst zugege-
ben. Er hat zugegeben, daß diejenigen, die die Arbeits-
plätze zur Verfügung stellen sollen, in der Vergangen-
heit schon entlastet wurden und jetzt nicht mehr entlastet
werden müssen. Er hat völlig außer acht gelassen, wie
die Situation im internationalen Vergleich ist. Herr La-
fontaine, wir müssen uns dort orientieren, wo wir sind.
Wir sind nicht auf einer Insel der Seligen. Wir haben uns
an die Bedingungen in den anderen Ländern anzuglei-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können nicht einfach zusehen, daß wegen der besse-
ren steuerlichen Bedingungen in anderen Ländern um
uns herum die Arbeitsplätze aus Deutschland weg verla-
gert werden und die Arbeitslosen, diejenigen, die drin-
gend auf Arbeit angewiesen sind, dann die Leidtragen-
den sind.

Ich weiß sehr wohl, daß die Steuerreform dies nicht
alles alleine schultern kann, aber sie ist ein ganz wichti-
ges, wenn nicht sogar das wichtigste Instrument zur Be-
kämpfung der Arbeitslosigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Deshalb muß sich jede Steuerreform daran messen las-
sen: Ist sie dazu geeignet, Wachstumskräfte zu stimulie-
ren, ist sie dazu geeignet, das Steuerrecht an die interna-
tionalen Bedingungen anzugleichen, ist sie dazu geeig-
net, Arbeitsplätze und Investitionen zu schaffen?

Da stellt sich natürlich die zentrale Frage: Brauchen
wir dazu mehr Nachfrage, oder brauchen wir mehr Inve-
stitionen? Diese Frage ist von den Fachleuten beant-
wortet, die brauchen wir uns gar nicht erneut zu stellen.
Wir haben nicht in erster Linie ein Nachfrageproblem.
Unser Problem liegt auf der Angebotsseite. Die Bedin-
gungen für die Unternehmer müssen verbessert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Da steht an allererster Stelle die Senkung der Steuer-

sätze. In unserem Konzept war eine deutliche Senkung
auf 15 Prozent Eingangssteuersatz, 39 Prozent Spitzen-
steuersatz und 35 Prozent Steuersatz für die Unterneh-

men vorgesehen. Wir brauchen die Senkung nicht erst
irgendwann, sie darf nicht nur in Aussicht gestellt wer-
den. Wir brauchen sie als erstes. Die Senkung der Steu-
ersätze ist der zentrale Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben sie nur in Trippelschritten vorgesehen; beim
Eingangssteuersatz ganz minimal und beim Spitzensteu-
ersatz nur als Kosmetik.

Wenn Sie von 35 Prozent Steuersatz bei Unterneh-
men sprechen, so wollen wir das erst einmal sehen.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

Das sind nichts als vage Versprechungen. Die Gegenfi-
nanzierung haben Sie ohnehin schon verbraten. Sie ver-
braten sie schon jetzt zu Lasten derjenigen, die die Ar-
beitsplätze zur Verfügung stellen sollen, um das Kinder-
geld zu erhöhen. Das nämlich ist Ihre Finanzierungs-
quelle. Einen Steuersatz von 35 Prozent haben wir also
noch nicht.

Im übrigen ist das Problem, das sich verfassungs-
rechtlich zeigt, noch gar nicht gelöst. Herr Lafontaine
sprach heute davon, es müsse gerecht zugehen, es müse
Steuergerechtigkeit herrschen. Wie ist es – vorausge-
setzt, Sie schaffen die 35 Prozent wirklich – denn mit
der Gerechtigkeit, wenn Einkommen aus unselbständi-
ger Arbeit um vieles höher besteuert wird als Einkom-
men aus selbständiger Arbeit? Diese Spreizung der
Steuersätze müssen Sie nicht nur dem Verfassungsge-
richt, sondern auch den Betroffenen erst einmal erklä-
ren!


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

Mit Gerechtigkeit hat dies überhaupt nichts zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Notwendig wäre es, neben niedrigeren Steuersätzen

und durch sie eine Nettoentlastung zu erreichen.

(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr wahr!)


Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Von Ihnen wird
immer wieder argumentiert: Das können wir uns nicht
leisten, weil die Haushaltsspielräume nicht so sind. –
Erst vor wenigen Wochen haben Wirtschaftsfor-
schungsinstitute deutlich gemacht, daß für das Jahr 1999
Entlastungsspielräume von 20 bis 30 Milliarden DM
möglich seien.


(Joachim Poß [SPD]: Die kennen den Art. 115 nicht, aber Sie müßten den doch kennen!)


– Von der Steuerschätzung, deren Ergebnis in die-
sen Tagen bekanntgegeben wurde, Herr Poß, hat Herr
Lafontaine bei seinen Ausführungen überhaupt nicht ge-
sprochen; er hat sie einfach totgeschwiegen. Eine der
wichtigsten Nachrichten in diesen Tagen, wenn wir über
Steuerpolitik diskutieren, ist doch, daß die Steuerschät-
zung ergeben hat, daß in diesem Jahr 7,8 Milliarden DM
mehr zu erwarten sind, als dies Anfang des Jahres zu-
nächst einmal angenommen werden mußte. Herr Lafon-
taine, da können Sie nicht einfach zur Tagesordnung
übergehen und das totschweigen. Das ist eine Tatsache.
Das ist nicht von allein gekommen, sondern das ist das






(B)



(A) (C)



(D)


Ergebnis der vernünftigen, soliden, sparsamen Haus-
halts- und Finanzpolitik von Theo Waigel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Detlev von Larcher [SPD]: Herr Waigel klatscht vorsichtshalber nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Herr von Larcher, seien Sie sofort still!)


Die Spielräume, die wir haben, müssen genutzt wer-
den, um die Steuerpflichtigen zu entlasten, nicht, um Ih-
re Haushaltslöcher zu schließen, die daraus entstanden
sind, daß Sie das Geld schon verbraten haben. Es geht
darum, diese Entlastungsspielräume den Steuerpflichti-
gen, den Frauen und Männern in unserem Land, zugute
kommen zu lassen; es geht darum, Spielräume für Ar-
beitsplätze und Investitionen zu schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sehr wichtig ist dabei auch, das Ganze gerecht zu ge-

stalten, es solide zu finanzieren und dabei natürlich die
Bemessungsgrundlage zu verbreitern. Auch das hatten
wir vorgesehen. Allerdings hatten wir vorgesehen – das
ist ein ganz entscheidender Unterschied –, das nur in
Verbindung mit deutlichen Steuersatzsenkungen zu
machen. Das haben Sie so nicht vorgesehen. Wir haben
es auch vom zeitlichen Ablauf her anders vorgesehen als
Sie. Sie machen es nämlich so, daß Sie die steuerliche
Entlastung weit in die Zukunft hinein verschieben; erst
in einigen Jahren soll sie kommen.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr wahr!)

Selbst die Kindergelderhöhung zum jetzigen Zeit-

punkt führt nicht zu einer Nettoentlastung. Das Ausmaß
dieser Entlastung ist eigentlich lächerlich. Sie finanzie-
ren obendrein das Ganze über Belastungen,


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Der Wirtschaft!)


und zwar nicht erst dann, wenn die Entlastung eintritt,
sondern schon jetzt, nämlich über zusätzliche Belastun-
gen für diejenigen, die Arbeitsplätze zur Verfügung
stellen sollen. Das machen Sie, um konsumtive Ausga-
ben zu finanzieren.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: So ist das!)

Das führt nicht nur nicht zu zusätzlichen Arbeitsplätzen,
sondern es ist darüber hinaus kontraproduktiv.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist Gift für Arbeitsplätze!)


Es wird mit Sicherheit dazu führen, daß wir einen Ver-
lust von Arbeitsplätzen haben. Alles, was sich in den
letzten Wochen und Monaten auf Grund unserer Politik
am Arbeitsmarkt positiv getan hat, nämlich daß die Ar-
beitslosenzahlen zurückgegangen sind und daß die
Staatsquote zurückgegangen ist, all das, was wir in den
vergangenen Jahren trotz schwierigster Ausgangspositi-
on durch die Wiedervereinigung geleistet haben, wird
durch Ihre einseitige nachfrageorientierte Steuerpolitik
wieder aufs Spiel gesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn!)


Es wird einem dann gelegentlich gesagt, man habe ja
viele Nachbesserungen vorgenommen. Welche Nach-
besserungen haben Sie, gerade für den Mittelstand,
denn vorgesehen? Sie haben nur etwas verschoben; Sie
haben nur Anspar- und Sonderabschreibungen nicht
gleich abgeschafft, sondern wollen das erst in ein paar
Jahren tun. Beim Verlustrücktrag genauso. Sie haben
hier nur minimale Korrekturen vorgenommen; Sie haben
nichts Substantielles gemacht. Sie haben vor allem zu
keiner Zeit – das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger
Punkt – über die Verringerung der Staatsquote disku-
tiert. Bei Ihnen waren weder die Verringerung der
Staatsquote und der Staatsausgaben noch Ausgabenkür-
zungen ein Thema. Wir haben diese Trendwende bei den
Staatsausgaben eingeleitet; Sie verspielen sie wieder.

Meine Damen und Herren, Sie hätten die gute Gele-
genheit gehabt, am Anfang Ihrer Regierungszeit durch
Vorlage eines vernünftigen, ausgewogenen, vor allem
zielgerichteten Steuerreformkonzeptes dazu beizutragen,
mehr Arbeitsplätze und mehr Investitionen in Deutsch-
land zu ermöglichen. So aber, wie Sie sich in der ver-
gangenen Legislaturperiode einer sinnvollen Lösung
verweigert haben, sind Sie auch heute zu einer richtigen
Lösung nicht bereit. Sie haben damit schon am Anfang
Ihrer Regierungszeit eine große Chance selbst vertan.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400604300
Ich gebe das Wort
für Bündnis 90/Die Grünen dem Kollegen Klaus Müller.

Klaus Wolfgang Müller (Kiel) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine ver-
ehrten Damen und Herren! Auch ich kann es mir nicht
verkneifen, noch einmal auf den Kollegen Merz zurück-
zukommen. Ich habe heute morgen gelernt, daß es ihm
leider nicht möglich war, sich das Buch des Herrn
Staatsministers Hombach zu leisten. Nun ist es ja so, daß
auch Bundestagsabgeordnete von Steuersatzsenkungen
profitieren. Ich schlage vor, daß Sie das Geld, das ab
dem 1. Januar 1999 auch bei Ihnen mehr im Geldsäckel
ist, für dieses Buch ausgeben und so die Wirtschaft för-
dern. Es gibt noch mehrere andere Bücher – eines von
dem Herrn Finanzminister, eines von den Herren Mos-
dorf und Kleinert –, bei denen das Geld sicherlich gut
angelegt ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber jetzt zum Thema: Neben der Ökosteuer und der

Einkommensteuerreform werden wir in dieser Legisla-
turperiode noch ein drittes Reformpaket anschieben: ei-
ne wirtschafts- und finanzpolitisch sinnvolle Unter-
nehmensteuerreform. Dabei stehen wir vor einer etwas
paradoxen Situation: Einerseits klagen Unternehmen,
Verbände und demnächst bestimmt auch die Opposition
– Herr Solms hat damit heute schon angefangen – über
die hohen Steuersätze für Unternehmen. Andererseits
hat man sich im Zuge der größten Fusion der jüngeren
deutschen Geschichte, der von Daimler und Chrysler, si-
cherlich nicht aus ideologischen Gründen für den Steu-
erort Deutschland entschieden. Ich bin sicher, das hat
etwas mit der steuerpolitischen Realität in diesem Lande

Gerda Hasselfeldt






(A) (C)



(B) (D)


zu tun. Auch daran, daß der Anteil des Steueraufkom-
mens der deutschen Wirtschaft von 1980 bis 1996 von
27 Prozent auf 15 Prozent gesunken ist, erkennen wir,
daß die Realität anscheinend anders ist, als es die Kla-
gen glauben machen wollen. Wie kann das sein ange-
sichts der vielzitierten hohen Tarife?

Das Problem des deutschen Steuerrechtes im Bereich
der Unternehmen ähnelt dem Dilemma bei der Einkom-
mensteuer: Die Steuertarife sind vergleichsweise hoch,
die Bemessungsgrundlage aber, also der ausgewiesene
Gewinn der Unternehmen, ist im Vergleich zu anderen
Ländern auffällig gering. Für eine seriöse Debatte in den
kommenden Wochen und Monaten müssen wir also
zwischen den nominellen Steuersätzen und der realen
Steuerbelastung unterscheiden.

Wenn wir jetzt die Steuerreform im Unternehmensbe-
reich durchführen wollen, sind wir, so glaube ich, gut
beraten, aus der Debatte um die Einkommensteuerre-
form zu lernen. Kollegin Christa Luft, wir setzen nicht
umsonst Arbeitskreise ein – nicht weil wir nicht wüßten,
was wir sonst tun sollten, sondern weil wir die Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler, die Unternehmerin-
nen und Unternehmer und ihre Funktionäre von Anfang
an dabeihaben wollen. Ob in einer Bund-Länder-
Kommission oder im Rahmen des Bündnisses für Ar-
beit, es sind sicherlich verschiedene Möglichkeiten
denkbar. Aber wichtig ist eben, daß man dies nicht le-
diglich von oben herab vorschlägt und durchsetzt, son-
dern es gemeinsam diskutiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotz des Shareholder-value-Gedankens gilt in

Deutschland der handelsrechtliche Bilanzierungsgrund-
satz: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Deswe-
gen sollten wir gemeinsam diskutieren, wie wir es in
Zukunft mit der Bewertung von immateriellem Vermö-
gen, materiellem Anlagevermögen, Wertpapieren, Ver-
bindlichkeiten und mit der Rückstellungsbildung halten
wollen. Fragen der Bilanzierungsvorschriften und das
Verhältnis von Steuer- und Handelsrecht werden wir
sehr sorgsam diskutieren müssen, da das sehr viele Un-
ternehmen betrifft. Sinnvoll wäre hier eine Umkehr der
Beweislast. Das heißt, je breiter wir die Bemessungs-
grundlage machen, je realitätsnäher die Bilanzierung,
desto weiter können die Grenzsteuersätze sinken. Ich bin
froh, daß sowohl Bundeswirtschaftsminister Müller ge-
stern als auch Finanzminister Lafontaine heute ausge-
führt haben, daß unser Ziel eine schrittweise Reduzie-
rung der Sätze auf 35 Prozent ist. Mit konstruktiver Un-
terstützung der Verbände und vielleicht sogar der Oppo-
sition werden wir dieses Ziel, so glaube ich, erreichen.

Zumindest in dem Ziel müßten wir uns mit dem ehe-
maligen Finanzminister Herrn Dr. Theo Waigel eigent-
lich einig sein, der im August letzten Jahres an dieser
Stelle ausführte:

Wir brauchen das Stopfen der Schlupflöcher, damit
mehr Geld zur Schaffung von arbeitsplatzschaffen-
den Investitionen eingesetzt wird als zur Suche nach
dem günstigen Steuersparmodell.

Ich kann nur sagen: Dieses Ziel, Herr Waigel, verfolgen
auch wir.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Internationale Vergleichbarkeit und Vereinfachung ist
unser Ziel. Die internationale Vergleichbarkeit ist insbe-
sondere auch deshalb von Bedeutung, da in der Wirt-
schaftspolitik die Zeit der Nationalstaaten längst vorbei
ist. Wenn wir wirksam politisch gestalten wollen, dann
im europäischen Rahmen.

In einer europäischen Steuerharmonisierung liegt
die politische Aufgabe der kommenden Jahre.


(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Selbstverständlich gehören dazu ein stabiler Euro und
eine unabhängige und transparente Europäische Zentral-
bank.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine europäische Einigung über die steuerliche Be-
handlung von Kapital und Gewinnen eröffnet auch den
nationalen Regierungen neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Kapitalflucht und Betriebsverlagerungen verlieren dann
einen Teil ihres Schreckens. Ich gehe davon aus, daß die
europäische Steuerpolitik und -harmonisierung ein we-
sentliches Thema der deutschen Ratspräsidentschaft sein
wird.

Im Hinblick auf die Europäische Union ist noch ein
anderer Punkt von Bedeutung. Spätestens mit der EU-
Osterweiterung wird die Weiterentwicklung des euro-
päischen Finanzsystems auf der Tagesordnung stehen.
Auch wenn die Fragen einer europäischen Steuerhoheit
verfassungsrechtlich und die Diskussion eines Finanz-
ausgleichs politisch nicht ganz einfach sind, sollten wir
uns dieser Debatte stellen.

Aber auch auf deutscher Ebene ist die Finanzverfas-
sung reformbedürftig. Gerade die Gemeinden haben
unter dem steuersystematisch sinnvollen Wegfall der
Gewerbekapitalsteuer gelitten. Auch wenn die Einnah-
meausfälle durch höhere Umsatzsteueranteile teilweise
kompensiert worden sind – ein Autonomieverlust war es
allemal. In unseren Augen sind Städte und Gemeinden
im Hinblick auf die Agenda 21 wichtige Träger des
Nachhaltigkeitsprozesses. Hier müssen wir wieder
Handlungsspielräume schaffen. Deshalb haben wir uns
im Koalitionsvertrag entschlossen, die Finanzkraft der
Gemeinden zu stärken und das Gemeindefinanzsystem
einer umfassenden Prüfung zu unterziehen.

Wir haben uns vorgenommen, die Neuordnung der
Finanzverfassung für das Jahr 2005 vorzubereiten. Dafür
wollen wir eine Enquete-Kommission einrichten. Im
Vordergrund stehen dabei natürlich finanzpolitische
Fragen, insbesondere, wie es für alle Länder wieder at-
traktiv sein kann, zusätzliche Einnahmen zu erzielen.

Ich möchte den Bogen aber gerne noch etwas weiter
spannen und an die Antrittsrede des neuen Bundesrats-
präsidenten, Herrn Ministerpräsident Eichel, vor einer
Woche anknüpfen. Ich stimme ihm ausdrücklich zu, daß
die Bundesländer nicht zu „regionalen Verwaltungskör-
perschaften des Bundes absinken“ dürfen. Ich kann mir
vorstellen, daß das auch auf die Unterstützung der CDU
trifft.

Klaus Wolfgang Müller (Kiel)







(B)



(A) (C)



(D)


Wir sollten deshalb neu über die Verzahnung und
Aufgabenverteilung von Bund und Ländern und über
die Funktion der Mischfinanzierungen und Gemein-
schaftsaufgaben nachdenken. Die Rahmen- und die kon-
kurrierende Gesetzgebung dürfen die Länder nicht zu
gefesselten Tigern machen. Es geht bei der Diskussion
auch um eine größere Transparenz und um erweiterte
parlamentarische Spielräume für unsere Kolleginnen
und Kollegen in den Länderparlamenten.

Aufgabenzuweisungen seitens des Bundes dürfen in
Zukunft nicht mehr allein zu Lasten von Ländern und
Gemeinden gehen und diese mit den Kosten belasten.
Wir erinnern uns nur ungern an die Nebenwirkungen des
Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz oder die
Verpflichtungen aus dem Bundesnaturschutzgesetz. Das
Konnexitätsprinzip – auf deutsch: „Wer bestellt, der be-
zahlt“ – muß gelten, insbesondere solange Länder und
Gemeinden nicht über eigene Einnahmespielräume ver-
fügen.

Im Rahmen der Enquete-Kommission sollten wir uns
Gedanken über das steuerpolitische Trennsystem ma-
chen, ohne dabei allerdings die berechtigten Interessen
der Länder an stabilen Steuereinnahmen zu ignorieren.
Wir werden uns Gedanken über die Gratwanderung der
Länder zwischen Pluralität und Wettbewerb untereinan-
der machen müssen.

Ich gehe davon aus, daß wir hier über Fraktionsgren-
zen hinweg eine konstruktive Debatte erleben werden,
inklusive der Beiträge der Ministerpräsidentin und Mini-
sterpräsidenten von Bayern bis Schleswig-Holstein.

Rotgrün hat sich für die kommenden vier Jahre viel
vorgenommen. Wie heißt es so schön: Packen wir's an!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400604400
Das Wort hat der
bayerische Staatsminister der Finanzen, Professor
Dr. Kurt Faltlhauser.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400604500
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt nicht nur
in Kirchen und in barocker Umgebung Weihrauchfaß-
schwenker. Die gibt es auch – das wissen wir alle – in
der Politik:


(Detlev von Larcher [SPD]: Das haben wir 16 Jahre erlebt!)


Die neugewählte Finanzausschußvorsitzende, Frau
Scheel, hat sich heute in die Reihe der politischen Weih-
rauchschwenker eingereiht, indem sie verkündet hat:
Diese Steuerreform ist die größte, die bisher in der Bun-
desrepublik Deutschland vorgelegt wurde, sozusagen die
GröStaZ.

Das fordert natürlich einen Vergleich heraus. Wir
müssen in das Jahr 1982 zurückgehen. Damals ist der

Bundeskanzler, der jetzt hier in den Reihen sitzt, mit ei-
ner Steuerreform angetreten, die in drei Stufen umge-
setzt wurde und ein Entlastungsvolumen von
44 Milliarden DM umfaßte, 44 Milliarden DM in einer
Zeit, in der das Steueraufkommen insgesamt etwas mehr
als die Hälfte von heute ausmachte. Sie müssen das
Ganze also etwa auf 88 Milliarden DM Nettoentlastung
verdoppeln. Dann wollen Sie das, was Sie heute vorle-
gen, damit vergleichen?

Was wichtiger ist: Gestartet wurde diese Steuerre-
form damals schon mit einem ersten Schritt von
11 Milliarden DM Nettoentlastung.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da war der Haushalt aber noch besser!)


Der Kollege Uldall hat erst neulich noch einmal eine
Zusammenstellung gemacht. Die würde ich Ihnen emp-
fehlen. Danach gab es mehr als 10 Milliarden DM
Steuerentlastung für die Wirtschaft. Das Ergebnis: In
einer langanhaltenden wirtchaftlichen Wachstumsent-
wicklung wurden Arbeitsplätze geschaffen. Das war in
den 80er Jahren das Resultat der drei Stufen einer – auch
systematisch – vernünftigen Steuerreform.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt sagt der neue Finanzminister Lafontaine: Mit

Steuern alleine kann man ja letztlich keine Arbeitsplät-
ze schaffen; das wird die wirtschaftliche Entwicklung
nicht entsprechend beeinflussen. Herr Lafontaine – Herr
Schlauch, unterbrechen Sie einmal kurz die Unterhal-
tung, dann kann er zuhören –, genau das Gegenteil ha-
ben aber alle wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten in
den 80er Jahren bestätigt: Durch die vernünftig gestal-
tete Nettoentlastung der Bürger wurden damals tatsäch-
lich Arbeitsplätze geschaffen. Sogar das Institut von
Herrn Flaßbeck, das DIW, hat damals bestätigt, daß dies
das Ergebnis der Steuerpolitik war. Heute wollen Sie
gewissermaßen zur Steuerpolitik sagen, sie könne so-
wieso nicht helfen, aber nur, weil Sie einen Vorschlag
gemacht haben, der völlig unzureichend ist.

Natürlich haben Sie, Frau Matthäus-Maier, 5 Prozent
Senkung der Körperschaftsteuersätze für 1999 ange-
kündigt. Haben wir denn vergessen, daß die Bundesre-
gierung, die am 27. September abgelöst wurde, die Kör-
perschaftsteuer um 16 Prozentpunkte gesenkt hat? Das
waren noch Zeiten: 16 Prozent! Das sind große Schritte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Genau das wurde damals gemacht: Entlastung der
Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Und heute
– wir haben es genau nachgerechnet – das Gegenteil: Ih-
re Steuerreform führt zu einer Belastung der Wirt-
schaft von insgesamt 16,5 Milliarden DM.

Damit wollen Sie die Konjunktur und die Wettbe-
werbsfähigkeit dieses Landes fördern? Ich glaube, es ist
der gegenteilige Weg, den Sie gehen. Ich habe von Ge-
rechtigkeit gehört. Vor den Wahlen, Herr Lafontaine,
habe ich immer gehört, Sie wollen Arbeitsplätze schaf-
fen! Hätten Sie doch das Instrument des Steuerrechts

Klaus Wolfgang Müller (Kiel)







(A) (C)



(B) (D)


genutzt, um Arbeitsplätze zu schaffen! Sie haben die Sa-
che hier völlig verfehlt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: So spricht der Mann an Stoibers Seite!)

Die große Reform in den 80er Jahren, die ich gerade

erwähnt habe, und die Petersberger Beschlüsse verdie-
nen vom Volumen und vom Konzept her den Begriff
„groß“, Frau Scheel. Das, was hier vorgelegt wird, kön-
nen Sie bestenfalls als Mickymausreform darstellen.


(Detlev von Larcher [SPD]: Diese undankbaren Wähler! Ihr wart so gut und seit nicht gewählt worden!)


Lassen Sie mich noch etwas zur Unausgewogenheit
des Konzeptes sagen. Wir haben errechnet, Herr Lafon-
taine, daß die Unternehmer, die vom Steueraufkommen
insgesamt 21 Prozent erbringenen, 77 Prozent der ge-
samten Gegenfinanzierung tragen. Im übrigen – das sage
ich insbesondere als Bayer –: Die Landwirtschaft, die
bisher 1 Prozent des Steueraufkommens erbringt, wird
jetzt durch die Gegenfinanzierung mit 3 Prozent bela-
stet. Eine Verdreifachung der steuerlichen Belastung –
das nenne ich Bauernlegen, meine Damen und Herren.

Mir ist aber jetzt eine zweite Anmerkung zum neuen
Finanzminister noch wichtiger. Herr Lafontaine, Sie ha-
ben heute hier ausdrücklich noch einmal betont: Sie
wollen die Unabhängigkeit der Bundesbank und des
künftigen Systems der europäischen Zentralbanken nicht
antasten. Gleichzeitig haben Sie gesagt – ich habe genau
mitgeschrieben –, daß Sie in Zukunft Haushalts- und
Geldpolitik abstimmen wollen.


(Bundesminister Oskar Lafontaine: Ja und?)

Die Haushaltspolitik ist Aufgabe der Exekutive, dieses
Finanzministeriums und dieser Regierung, und des Bun-
destages. Sie ist Aufgabe der Politik. Die Philosophie
der Geldpolitik in diesem Land und jetzt auch in Europa
ist, daß Geldpolitik alleine von der Bundesbank und in
Zukunft von der Europäischen Zentralbank gemacht
wird, alleine und unbeeinflußt. Wer abstimmen will, will
beeinflussen. Wer abstimmen will, will die Unabhän-
gigkeit dieses Systems gezielt aushöhlen. Das ist der
Punkt! Sie haben es hier gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Dieser Punkt verstößt auch gegen den Artikel 108 des
Maastrichter Vertrages, in dem es ausdrücklich heißt –
ich erlaube mir, Herr Lafontaine, das vorzulesen –:

Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft – –

(Bundesminister Oskar Lafontaine: Ich kenne ihn!)

– Offenbar nicht.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400604600
Herr Staatsminister,
darf ich Sie kurz unterbrechen? – Ich möchte die Kolle-
ginnen und Kollegen, die im hinteren Teil des Saales

Gespräche führen, bitten, diese Gespräche draußen zu
führen. – Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Im hinteren Teil, das ist der Mob! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Schlauch ist das hintere Teil!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400604700
Ich
möchte fortfahren, indem ich noch einmal anfange, den
letzten Satz des Artikels 108 des Maastrichter Vertrags
zu zitieren:

Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft
sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten ver-
pflichten sich, diesen Grundsatz

– der Nichtbeeinflussung –
zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder
der Beschlußorgane der EZB oder der nationalen
Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufga-
ben zu beeinflussen.

Jetzt frage ich einmal: Was bedeutet „abstimmen“ denn
anderes als beeinflussen?


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Genau!)

Dieser Vorschlag und diese Rede des Bundesfinanzmi-
nisters waren nichts anderes als ein Angriff auf die Un-
abhängigkeit des Systems der europäischen Zentralban-
ken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu dem Wort
machen, das dem Finanzminister offenbar so sehr ge-
fällt, die Zins-Steuer-Quote. Die Zins-Steuer-Quote, die
Sie mit 23 Prozent angegeben haben, beträgt nach mei-
nen Unterlagen – die Zahl kann jedermann aus der Bi-
bliothek dieses Hauses herausholen – 17 Prozent.


(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: 26!)

– 17 Prozent. Ich gebe es dem Finanzminister dann
weiter. – Wichtig sind jedoch nicht Ihre 23 Prozent im
Saarland oder die 4 Prozent in Bayern. Wichtig ist die
Steigerungsrate. Von 1969 bis 1982 – das ist die Zeit der
Regierungen von Brandt und Schmidt – ist diese Quote
von 2,8 Prozent auf 12,1 Prozent gestiegen. Während
der Regierungszeit von Stoltenberg und Waigel ist sie
lediglich von 12,1 Prozent auf 17 Prozent gestiegen,
obwohl die Lasten der deutschen Einigung bewältigt
werden mußten.


(Bundesminister Oskar Lafontaine: Da haben Sie die falschen Zahlen!)


Das ist der entscheidende Unterschied. Trauen Sie sich
ja nicht, hier mit irgendwelchen Zahlen anzukommen;
da schauen Sie schlecht aus.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Zum Abschluß möchte ich – ich bitte Sie, daß Sie mir
diese Zeit noch gönnen – etwas zu einer Angelegenheit

Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern)







(B)



(A) (C)



(D)


zwischen Bund und Ländern sagen, Herr Finanzmi-
nister. Sie haben mit diesem Steuergesetz vorgeschla-
gen, das Kindergeld zu erhöhen. Wir widersprechen
dem nicht. Nur, man muß das finanzieren, und vor allem
muß man in dem Gesetz auch festlegen, wer das bezah-
len soll. Das steht in keiner Zeile in diesem Gesetz. In
diesem Zusammenhang erinnere ich mich – der ehema-
lige Finanzminister Waigel wird das sicherlich auch
tun – an folgendes: Damals saßen uns in der nordrhein-
westfälischen Vertretung unter anderem Herr Schleußer
und Frau Matthäus-Maier


(Zuruf von der CDU/CSU: Was wollte die denn da?)


gegenüber. Sie haben uns damals gesagt, daß unbedingt
ins Grundgesetz hineingeschrieben werden muß – ein
ungewöhnlicher Vorgang –, daß bei der Umstellung der
Kindergeldzahlungen die Länder tatsächlich entlastet
werden müssen. Die Länder sollten also ihren entspre-
chenden Anteil haben. Das wurde ungewöhnlicherweise
in Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes festgelegt. In § 1
des Finanzausgleichsgesetzes wurde nach langen Ver-
handlungen die Quote von 74 Prozent zu 26 Prozent
festgelegt. Wenn dies rechtlich so klar ist, Herr Lafon-
taine, dann müssen Sie Ihren Haushalt so gestalten, daß
die 1,8 Milliarden DM, um die die Kindergelderhöhung
die Länder über diese Quote hinaus belastet – insgesamt
kostet die Kindergelderhöhung 5,7 Milliarden DM –,
den Ländern unmittelbar weitergegeben werden; sonst
machen Sie sich eines Gesetzesbruchs und eines Verfas-
sungsbruchs schuldig.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das hat nichts zu tun mit dem üblichen Streit um die

Deckungsquote, der durch alle Regierungen hindurch-
geht. Das ist ein abgekoppeltes Geschäft. Das müssen
Sie den Ländern zugestehen. Darüber hinaus müssen Sie
übrigens auch weitere Beträge – ich habe das auf der Fi-
nanzministerkonferenz entsprechend vorgetragen – von
insgesamt 9,5 Milliarden DM vorsehen.

Ich komme – in einem letzten Schlußsatz, Herr Präsi-
dent – noch einmal auf etwas zurück: Ich hatte eigent-
lich nach so langer Ablehnung eines guten Steuerkon-
zeptes, der sogenannten Petersberger Beschlüsse, er-
wartet, daß eine neue Regierung mit Mut und mit Ge-
staltungskraft eine Steuerreform vorlegt, die Arbeits-
plätze schaffen kann. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist
bitter enttäuschend.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400604800
Das Wort hat für die
F.D.P.-Fraktion der Kollege Carl-Ludwig Thiele.


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1400604900
Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir
beraten heute in erster Lesung ein Gesetz, welches die
Überschrift „Steuerentlastungsgesetz“ trägt.

Schon der Titel dieses Gesetzes ist falsch und irrefüh-
rend. Es handelt sich nämlich um ein Steuererhöhungs-
gesetz.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn obwohl in den nächsten vier Jahren die Steuerein-
nahmen nach der Steuerschätzung ohne die Steuererhö-
hung durch die Ökosteuer um 160 Milliarden DM stei-
gen werden, will die neue rotgrüne Koalition lediglich
im vierten Jahr, im Jahr 2002, die Bürger um 15 Milliar-
den DM entlasten. Selten hat es eine solch drastische
Steuererhöhung gegeben, die ohne entsprechende Ent-
lastungen der Bürger zu einer weiteren Strangulierung
der Wirtschaft unseres Landes führen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Viele Bürger haben nach dem Wahlsieg der neuen Ko-

alition gehofft, daß diese neue Koalition zu neuen Ufern
aufbrechen würde und daß eine Steuerreform vorgelegt
würde, die diesen Namen tatsächlich verdient. Das Ge-
genteil ist der Fall. Dies haben wir insbesondere Ihnen,
Herr Bundesfinanzminister Lafontaine, zu verdanken;
denn diese Koalition kennt einen Kanzler – der in den
Koalitionsverhandlungen nicht anwesend war – und einen
Regierungschef, nämlich Sie, Herr Bundesfinanzminister
Lafontaine. Deshalb ist es gut, daß diese Debatte als zen-
trale Debatte auch ohne Anwesenheit des Kanzlers, aber
mit Ihrer Anwesenheit hier geführt werden kann.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Nach Ihrem Selbstverständnis, Herr Minister Lafon-

taine, hatte in den vergangenen Jahren nicht nur
Deutschland, sondern letztlich auch Europa auf den Ma-
kroökonomen Oskar Lafontaine gewartet. Ich habe den
Eindruck, daß Ihr persönliches Ziel nicht die Bundesre-
publik Deutschland, sondern Europa ist. Sie sind hier
auf der Durchreise und wollen zukünftig weite Teile Eu-
ropas mit Ihrer Auffassung von Politik und Wirtschaft
beglücken.

Ihre Auffassung von Politik vertraut eben nicht den
Bürgern in unserem Lande. Ihre Auffassung von Politik
vertraut nur auf den allmächtigen, alles regelnden Staat:
Steuerung der Konjunktur durch Nachfrage, Beschädi-
gung der Unabhängigkeit der Bundesbank und der Eu-
ropäischen Zentralbank, Aufweichen der Stabilitätskrite-
rien. Damit gehen Sie das Risiko ein, die Stabilität des
Euro langfristig zu gefährden. Das ist die falsche Politik
zur Lösung der Probleme unseres Landes.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das jetzt vorgelegte Steuerkonzept trägt eindeutig die

Handschrift einer strukturkonservativen SPD. Die Grü-
nen mit ihren ursprünglichen Vorstellungen fanden so-
wieso nicht statt. Wenn Frau Scheel erklärt, Sie wollten
sich jetzt bemühen, dann muß ich dazu sagen: Das reicht
nicht, Sie werden sich durchsetzen müssen! Sie haben
sich nicht durchgesetzt, und Sie werden sich auch zu-
künftig nicht durchsetzen, weil Ihre Politik der SPD
ziemlich egal ist.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern)







(A) (C)



(B) (D)


Denn – das möchte ich noch einmal in die Diskussion
bringen – wo bleibt eigentlich die drastische Vereinfa-
chung des Steuerrechts? Wo bleibt die Umsetzung des
Bareis-Gutachtens, nämlich die Streichung aller Aus-
nahmen, die die Grünen ursprünglich vorgesehen haben?
Wo bleiben die deutlichen Steuersenkungen über den
gesamten Tarif?

Nichts ist vom Steuerkonzept der Grünen übrigge-
blieben. Das einzige, was in diesem Steuergesetz übrig-
geblieben ist, ist eine massive steuerliche Mehrbela-
stung, die für die Wirtschaft seitens der neuen Koalition
auch eingeräumt wird.

Den einfachen Bürgern wird vorgegaukelt, daß eine
Steuerentlastung für sie stattfinde. Aber nicht einmal das
ist richtig. In der Steuertabelle der Koalition wird das zu
versteuernde Einkommen in D-Mark miteinander vergli-
chen. Dabei unterschlagen Sie die schleichende Steuer-
erhöhung durch den Progressionstarif. Eine Familie mit
zwei Kindern und 60 000 DM zu versteuerndem Ein-
kommen wird in drei Jahren ein erheblich höheres steu-
erpflichtiges Einkommen haben als in diesem Jahr. Bei
einer Steigerung der Bruttolohns um 4 Prozent hat eine
Familie mit zwei Kindern bei erhöhtem Kindergeld im
Jahr 2001 300 DM mehr Steuern zu zahlen als derzeit.
Wenn ein Ehepaar keine Kinder hat, dann haben diese
Bürger in unserer Gesellschaft sogar 1 000 DM mehr
Steuern zu zahlen, als sie es derzeit tun müssen. Das ist
keine Entlastung der Bürger; das ist ein schamloses Ab-
kassieren der Bürger durch den Staat.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

In den nächsten vier Jahren steigen die Steuerein-

nahmen um 160 Milliarden DM, um etwa 20 Prozent
des derzeitigen Steueraufkommens. Davon lediglich
15 Milliarden DM zurückzugeben bedeutet mehr Staats-
einnahmen, Abzocken der Bürger. Die Neue Mitte wird
von Ihnen als Melkkuh der Nation betrachtet.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Detlev von Larcher [SPD]: Herr Thiele, Herr Thiele!)


Herr Bundesfinanzminister, ich frage Sie: Wie sollen
auf diesem Wege die von Ihrer Regierung propagierten
neuen Arbeitsplätze entstehen? Wie sollen mit diesem
Steuerreformkonzept die Weichen für die Zukunft unse-
res Landes so gestellt werden, daß mehr in zukünftige
Arbeitsplätze investiert wird? Wie sollen bei diesem
Steuerkonzept ausländische Investoren ermutigt werden,
in Deutschland und nicht in anderen – auch europäi-
schen – Mitbewerberländern zu investieren? Das wird
mit diesem Konzept nicht passieren!

Sehr geehrter Herr Finanzminister, das Problem in
Deutschland besteht nach wie vor nicht darin, daß wir
zuwenig Staatseinnahmen haben; vielmehr besteht das
Problem darin, daß wir zu viele Staatsausgaben haben.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein ernster Sparwille ist bei Ihnen nicht vorhanden. Die
Sanierung der öffentlichen Haushalte über die Ausga-

benseite findet nicht statt. Deshalb wird nach Ihrem Re-
zept die Staatsquote nicht sinken. Das ist der Punkt, der
allerorts vermißt wird. Es kann doch nicht angehen, daß
der Sozialstaat weiter ausufert. Diejenigen, die Vorsorge
betreiben, werden höher belastet, während diejenigen,
die keine Vorsorge betreiben, durch einen ausufernden
Sozialstaat zu Lasten der Leistungsfähigen in unserem
Land belohnt werden.

Zugleich entdecken Sie neue Mehrbelastungen in
Ihrem Haushalt in Höhe von 10 Milliarden DM im
Jahr 1999. Wenn man sich die Pressemeldungen genauer
anschaut – den Haushaltsentwurf haben wir ja bis heute
nicht –, dann kann man feststellen, daß von den
10 Milliarden DM angeblicher Mehrbelastung allein
3 Milliarden DM dadurch entstehen, daß Bremen und
das Saarland zusätzlich mit 3 Milliarden DM beglückt
werden sollen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Selbstbediener!)


Sie, Herr Finanzminister Lafontaine, haben sich
schon in Ihrer Zeit als Ministerpräsident des Saarlandes
vom Bund die Kosten Ihrer politischen Führung bezah-
len lassen. Daß Sie nun auch als neuer Finanzminister
eine Morgengabe in dieser Größenordnung Ihrem Nach-
folger im Saarland – zu Lasten aller anderen Steuerzah-
ler, zu Lasten der neuen Bundesländer, die dringend auf
Hilfe angewiesen sind, und zu Lasten von Investitionen
im neuen Haushalt – zukommen lassen, das ist schon ei-
ne besondere Form der Vetternwirtschaft.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die F.D.P. bekennt sich zur freien und zur sozialen
Marktwirtschaft. Aber Leistung muß sich in unserem
Lande auch lohnen, und das kann nicht dadurch erfol-
gen, daß für diejenigen, die Leistung erbringen, die
Steuerlast erheblich erhöht wird. Die F.D.P. hat in der
vergangenen Legislaturperiode darauf gedrängt, daß die
Bürger um 30 Milliarden DM netto entlastet werden.
Das, Frau Matthäus-Maier, hat – ebenso wie die Erhö-
hung des Kindergeldes – nicht die SPD durchgesetzt.
Wenn Sie ehrlich sind, dann werden Sie zugeben müs-
sen, daß die Mehrheit in den letzten vier Jahren bei der
Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. und nicht bei Ihnen
war.


(Detlev von Larcher [SPD]: Was haben wir kämpfen müssen im Finanzausschuß!)


Diese Koalition hat den Familienleistungsausgleich
durchgesetzt und die Leistungen für Kinder in unserer
Gesellschaft von 70 DM auf 220 DM erhöht.


(Beifall bei der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400605000
Herr Kollege Thie-
le, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten
Wagner?


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1400605100
Ja.

Carl-Ludwig Thiele






(B)



(A) (C)



(D)



Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1400605200
Herr Kollege Thiele,
wären Sie bereit, zuzugeben, daß das, was Sie als Be-
glückungsaktion des Herrn Lafontaine für das Saarland
bezeichnet haben, auf einem Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts beruht und daß Ihre Regierung die weite-
ren Hilfen für Bremen und das Saarland im Haushalt
1999 – zwar ohne Zahlen, aber dem Grunde nach – vor-
gesehen hatte, über den wir in erster Lesung beraten ha-
ben?


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1400605300
Herr Kollege Wagner,
Sie werden mir vermutlich zustimmen, daß im derzeit
geltenden Finanzausgleichsgesetz geregelt ist, welche
Mittel die Länder Bremen und Saarland bis zum Jahr
1998 erhalten. Mir ist aber kein Gesetz bekannt, welches
den Bundestag und den Bundesfinanzminister zwingt,
entsprechende Sonderzuweisungen für Bremen und
das Saarland in den Haushalt 1999 einzustellen. Eine
gesetzliche Grundlage gibt es also nicht. Es gibt das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich vermute, daß
der Herr Finanzminister irgendwann einen Entwurf zur
Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vorlegen wird,
weil er ja eine gesetzliche Grundlage für diese Morgen-
gabe braucht. Dann werden wir darüber diskutieren
können, ob diese Mittel seitens des Saarlandes und sei-
tens Bremens tatsächlich zum Schuldenabbau verwandt
wurden, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt
hatte, oder nur dazu, den Spardruck von den Haushalten
in Bremen und dem Saarland zu nehmen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Diese Diskussion werden wir noch führen. Eine gesetz-
liche Grundlage für die 3 Milliarden DM ist derzeit nicht
vorhanden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400605400
Gestatten Sie eine
weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wag-
ner?


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1400605500
Gern, ja.


Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1400605600
Herr Kollege Thiele,
können Sie mir sagen, welche Beweggründe der ehema-
lige Bundesfinanzminister Dr. Waigel hatte, Hilfen für
Bremen und das Saarland in den Haushaltsentwurf 1999
hineinzuschreiben?


(Widerspruch des Abg. Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU])


Außerdem ist doch von allen Finanzministern in unserer
Republik festgestellt worden, daß beide Bundesländer
ihre Aufgaben erfüllt haben, was den Schuldenabbau
angeht. Ich verstehe Ihre jetzige Haltung nicht, wenn Sie
behaupten, das sei für Schönwetterzeiten des Saarlandes
oder Bremens gedacht. Das ist unzutreffend; das müssen
Sie mir bitte zugeben.


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1400605700
Herr Kollege Wagner,
ich möchte Sie doch bitten, sich einmal mit dem neuen
Finanzstaatssekretär Diller zu unterhalten, der zu dem

Haushaltsentwurf des jetzigen Abgeordneten und dama-
ligen Bundesfinanzministers Dr. Waigel erklärt hat, er
sei so gut, daß er von der SPD neu in den Bundestag
eingebracht werden könne.


(Widerspruch des Abg. Detlev von Larcher [SPD])


In diesem Haushalt des ehemaligen Bundesfinanzmi-
nisters Dr. Waigel gibt es keine Leistung für das Saar-
land und Bremen. Es ist überhaupt nichts beziffert. Inso-
fern soll diesen beiden Ländern eine Morgengabe über-
reicht werden. Wir werden darüber diskutieren müssen.
Aber es ist ganz interessant, daß eine solche – nicht un-
wichtige – Information derzeit zwischen den Zeilen aus
der Presse herausgelesen werden kann. Dies zeigt, daß
es Ihnen nicht darum geht, zu sparen und über die Aus-
gabenseite die öffentlichen Haushalte zu sanieren, son-
dern daß es Ihnen nur um Umverteilung und stärkere
Belastung der Bürger und der Wirtschaft unseres Landes
geht.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Der wirtschaftswissenschaftliche Sachverstand hat

festgestellt, daß die Bürger schon im nächsten Jahr ent-
lastet werden könnten. Aber Sie tun es nicht. Sie könn-
ten die Bürger entlasten, aber Sie wollen es nicht. Sie
brauchen das Geld, um es in Ihrem Sinne umzuverteilen.
Dann aber erzählen Sie den Bürgern nicht, daß Sie sie
entlasten wollten. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Bleiben Sie bitte einfach bei der Wahrheit!


(Detlev von Larcher [SPD]: Ach, Herr Thiele, reden Sie nicht von der Wahrheit!)


Ich möchte hier abschließend feststellen: Die neue
rotgrüne Koalition will mehr Staat, mehr Bürokratie,
mehr Umverteilung zu Lasten der Leistungswilligen.
Das ist der falsche Weg. Deshalb werden Sie von den
gesamten Medien und dem gesamten wissenschaftlichen
Sachverstand kritisiert. Es kommt doch nicht von unge-
fähr, daß sich diejenigen, die Sie im Wahlkampf positiv
begleitet haben, enttäuscht abwenden, weil sie etwas an-
deres erwartet haben. Es kommt auch nicht von unge-
fähr, daß viele Bürger, die möglicherweise durch Wäh-
len der SPD eine große Koalition wollten, sich jetzt ge-
täuscht sehen und von den Reformkonzepten, die Sie
tatsächlich vorgelegt haben, enttäuscht sind. Nehmen
Sie einfach diese Kritik auf, orientieren Sie sich an dem
Steuerkonzept der F.D.P.,


(Lachen bei der SPD – Detlev von Larcher [SPD]: Dafür haben Sie 6 Prozent bekommen!)


das von allen gelobt worden ist. Dann können wir Sie
auf diesem Wege auch positiv begleiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Der 11. 11. ist vorbei!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400605800
Ich gebe das Wort
für die SPD-Fraktion dem Kollegen Joachim Poß.






(A) (C)



(B) (D)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1400605900
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Weil hier einige mit Zahlen, Daten, Fakten
und Wahrheiten auf Kriegsfuß stehen, möchte ich zu-
nächst einmal etwas zu den Steuersenkungsspielräu-
men sagen, die wir auf Grund der neuen Steuerschät-
zung haben. Sie hat gegenüber der Mai-Schätzung fest-
gestellt, daß wir in diesem Jahr unter anderem
900 Millionen DM weniger an die EU abführen müssen,
der Bund 700 Millionen DM mehr zu erwarten hat, bei
den Ländern 2,4 Milliarden DM mehr eingehen sollen
und die Gemeinden insbesondere als Nachzahlung aus
der Gewerbesteuer 4,9 Milliarden DM mehr erhalten.
Das ergibt Schätzabweichungen von insgesamt
7,8 Milliarden DM. Für 1999 kommen die Steuerschät-
zer zu folgendem Ergebnis: für den Bund minus 1 Mil-
liarde DM, für die Länder minus 1,2 Milliarden DM, für
die Gemeinden plus 1,1 Milliarden DM. Das heißt im
Klartext: Der Steuersenkungsspielraum beim Bund für
1998 und 1999, den der frühere Bundesfinanzminister
Waigel, auf das Jahr bezogen, noch mit rund 1,5 Milli-
arden DM beziffert hat, wird durch die Steuerschätzung
keineswegs vergrößert, sondern eher verringert. Das ist
die Feststellung, die hier zu treffen ist.


(Beifall bei der SPD)

Von Abgeordneten dieses Hauses – nicht von Kon-

junkturforschern, auch wenn sie Professoren sind, die
offensichtlich die Zusammenhänge nicht kennen –, ob
sie jetzt Hasselfeldt oder Thiele heißen, muß ich die
Kenntnis des Art. 115 des Grundgesetzes verlangen.


(Carl-Ludwig Thiele beck!)


Danach haben wir den Spielraum von 20 bis
30 Milliarden DM für Steuersenkungen eben nicht. Das
ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, die hier
festzustellen ist. Wir haben diesen Steuersenkungsspiel-
raum nicht.


(Beifall bei der SPD)

Historische Wahrheit ist aber, Herr Kollege Thiele,

daß die alte Koalition ein umsetzungsfähiges Steuerre-
formkonzept nicht vorgelegt hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)

Ihre Vorschläge waren unfinanzierbar.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Stimmt nicht!)

Sie haben aus wahltaktischen Gründen der Bevölkerung
eine Schaufensterauslage ohne Preisauszeichnung prä-
sentiert.


(Beifall bei der SPD – Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das war eine gute Steuerreform!)


Für diese Absicht hatte Waigel in seinem Haushalt kei-
nerlei Vorsorge getroffen.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wir haben die Bürger entlastet!)


Das hat er doch am 2. September in seiner Haushaltsre-
de, in seinen Ausführungen zur „symmetrischen Finanz-
politik“ hier festgestellt. Das heißt: Wenn Sie bei der

Bundestagswahl noch einmal gewonnen hätten, was der
Wähler ja Gott sei Dank verhindert hat, dann hätten Sie
erst noch die Entscheidung über die Finanzierung treffen
müssen. Dabei hätten Sie dann die Mehrwertsteuererhö-
hung ins Auge fassen müssen, die Sie ja schon angekün-
digt hatten, die bereits im Konzept enthalten war. Ich
frage mich nur, was Herr Philipp vom Handwerksver-
band,


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Philipp hat recht!)


der unser Konzept so kritisiert, dazu sagt. Natürlich
hätten Sie das nur mit einer Mehrwertsteuererhöhung
finanzieren können, was im Moment, wie wir wissen,
für die Binnenkonjunktur Gift wäre.


(Beifall bei der SPD)

Sie hätten Ausgaben streichen müssen, ohne konkret sa-
gen zu können, welche.

Nein, meine Damen und Herren, der wesentliche
Unterschied zwischen alter und neuer Regierung ist der:
Bei Kohl, Waigel & Co. galt nur das Versprechen, das
gebrochene Wort. Wir halten unser Wort. Das ist der
wesentliche Unterschied.


(Beifall bei der SPD)

Deswegen werden wir unsere Steuerreform in drei
Stufen in den Jahren 1999, 2000 und 2002 umsetzen.

Was erreichen wir damit? Damit nähern wir uns dem
Verfassungsgebot der Besteuerung nach der wirtschaft-
lichen Leistungsfähigkeit, das bei Ihnen in den letzten
Jahren und Jahrzehnten unter die Räder gekommen ist.
Die alte Bundesregierung und insbesondere die F.D.P.
haben das Steuerrecht verwüstet, aber hier spielen sie
sich als große Reformer auf. So sind die Tatsachen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt ist es an der Zeit, die wahren Leistungsträger
der Gesellschaft zu entlasten: Arbeitnehmer und Fami-
lien, aber auch den Mittelstand. Es darf doch nicht so
weitergehen, daß die Finanzierung unserer Gemein-
schaftsaufgaben nur noch von Arbeitnehmern, Verbrau-
chern und Teilen des Mittelstandes vorgenommen wird.
Wir dürfen nicht akzeptieren, daß Krankenschwestern,
Handwerker, Industriefacharbeiter und Ingenieure weiter
die Lastesel der Nation sind, die sie bei Ihnen waren.


(Beifall bei der SPD – Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Deshalb muß man sie auch entlasten!)


Unsere Steuerreform ist auch mutig. Darauf ist schon
hingewiesen worden. Steuersubventionen von mehr als
40 Milliarden DM abzubauen, gegen den Widerstand
der Betroffenen, ist ein mutiger Schritt. Bei Stoltenberg
waren es 18 Milliarden DM, Herr Kollege Faltlhauser.

Unser Entwurf unterscheidet sich in entscheidenden
Punkten von Ihrer Vorlage:


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Deshalb jubeln auch alle!)







(B)



(A) (C)



(D)


Unsere Steuerreform führt zu mehr Steuergerechtigkeit,
sie ist solide finanziert, sie ist wirtschaftspolitisch ver-
nünftig – alles Anforderungen, die Ihr Konzept nicht er-
füllt hat. Ihr Konzept hätte – was Sie genau wissen – da-
zu geführt, daß Bund, Länder und Kommunen eine un-
gedeckte Finanzierungslücke von über 50 Milliarden
DM hätten hinnehmen müssen. Sie hätten hier den
Staatsruin beschlossen. Das war doch unsolide bis zum
gehtnichtmehr, was Sie sich geleistet haben.


(Beifall bei der SPD)

Die Kritik der Verbände nehmen wir doch locker

hin. Was hat denn der BDI zu dem Gesetzentwurf der
alten Regierung geschrieben? „Im Unternehmensbereich
sehen wir nur Verlierer“, hat der BDI 1997 geschrieben,
wobei er die Vorschriften zur Objektivierung der Ge-
winnermittlung meinte, die Abschaffung des halben
durchschnittlichen Steuersatzes für außerordentliche
Gewinne. Das hat er angesprochen, aber auch die Be-
schneidung des Verlustvortrages, was Sie vorhatten. Das
haben wir gar nicht vor. Eine Verschlechterung der Be-
dingungen bei der degressiven Abschreibung wollten
Sie durchsetzen. Dagegen haben wir uns gewehrt. In un-
serem Konzept hat die degressive Abschreibung Be-
stand. Das heißt, unser Entwurf, wenn man die Sicht des
BDI zugrunde legt, ist in diesen Teilbereichen wirt-
schaftsfreundlicher als Ihr Entwurf. Ich bedauere nur,
daß der BDI, der zu den Wahlverlierern gehört, und spe-
ziell Herr Henkel nicht die Kraft aufbringen, das auch
einmal sachlich festzustellen.


(Beifall bei der SPD)

Im übrigen ist eine wie auch immer geartete Steuer-

und Abgabenreform kein Wundermittel zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit und auch keine Jobmaschine. Das
gilt für jedes Konzept.


(Zuruf von der SPD: Das haben wir immer gesagt!)


Herr Lafontaine hat heute morgen zu Recht darauf hin-
gewiesen. Seriöse wirtschaftswissenschaftliche Untersu-
chungen haben ergeben – egal, ob man Ihr Konzept, das
nicht finanzierbar ist,


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Doch!)

oder unseres zugrunde legt –, daß man, wenn es gutgeht,
150 000 bis 250 000 Arbeitsplätze schaffen kann.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Ist das denn nichts?)


Das ist gut für die Menschen, die davon profitieren, aber
das geht auch nicht von heute auf morgen. Unserem
Konzept werden dieselben Qualitäten zugetraut. Ich
kann Ihnen da eine einschlägige RWI-Untersuchung
zeigen.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Von Herrn Flaßbeck!)


– Nein, die wäre dann vom DIW. Sie kennen sich da of-
fenbar nicht so gut aus.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – CarlLudwig Thiele [F.D.P.]: Ich kenne mich gut aus!)


Meine Damen und Herren, es muß endlich Schluß
damit sein, daß Sie den Standort schlechtreden. Erin-
nern wir uns: Das Bundeswirtschaftsministerium hat erst
vor wenigen Monaten – fast verschämt – gemeldet, daß
Deutschland aus der Sicht internationaler Investoren
konkurrenzfähig ist und die ausländischen Investitionen
in Deutschland kräftig gestiegen sind.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wer hat das denn hingekriegt?)


Unsere Steuerreform wird einen geeigneten Beitrag so-
wohl zur dauerhaften Stabilisierung der wirtschaftlichen
Entwicklung als auch zur Wiederherstellung einer ge-
ordneten Finanzwirtschaft leisten. Darauf lege ich gro-
ßen Wert: Unsere Steuerreform ist ein Beitrag zur Wie-
derherstellung des inneren Friedens in unserem Volke,
indem endlich mehr Steuergerechtigkeit verwirklicht
wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400606000
Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Peter Rauen.


(Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Endlich jemand, der aus der Praxis kommt! – Zuruf von der SPD: Jetzt wird wieder die Mittelstandsarie gesungen!)



Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1400606100
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz einer
Ankündigung von Bundeskanzler Schröder, in den Ko-
alitionsvereinbarungen Nachbesserungen für den Mittel-
stand vorzunehmen, ist das Gesetz noch schlimmer ge-
worden, als ursprünglich anzunehmen war.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: So ist es!)

Dieses Gesetz kassiert den Mittelstand ab; es entlastet
ihn nicht, sondern belastet ihn ganz massiv. Herr La-
fontaine, Sie haben vor ein paar Tagen gesagt, daß nur
die Verbände gegen das Gesetz seien und die Unter-
nehmer selbst nichts dagegen sagen würden. Frau Matt-
häus-Maier, für mich braucht nicht Herr Henkel zu spre-
chen. Ich bin seit 32 Jahren selbständiger Bauunterneh-
mer und habe alle Höhen und Tiefen eines Unterneh-
mers erlebt.


(Rudolf Bindig [SPD]: Tiefen gab es bei Kohl! Jetzt gibt es wieder Höhen!)


Ich habe Geld verdient, war aber auch in Gefahr, in
Konkurs zu gehen und vor dem Nichts zu stehen. Ich
weiß also sehr genau, wovon ich hier rede. Wenn Sie,
Herr Poß, sagen, daß die Gewinnermittlungsvorschriften
in aller Regel die kleinen und mittleren Unternehmen
nicht betreffen würden, dann ist dieses ausweislich des
Gesetzentwurfes unwahr, irreführend und fast schon zy-
nisch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Joachim Poß






(A) (C)



(B) (D)


Welchen Begriff haben Sie überhaupt vom Mittel-
stand? Der Mittelstand in Deutschland umfaßt die
Eigentümer-Unternehmer, vom Einzelhändler bis hin
zum modernen 500-Mann-Betrieb im Maschinen- und
Anlagenbau. Das sind 98 Prozent aller Unternehmen, sie
erwirtschaften über 50 Prozent des Bruttoinlandspro-
duktes, in ihnen arbeiten zwei Drittel aller Menschen,
und sie bilden über 80 Prozent unserer jungen Menschen
aus. Es sind die Betriebe, die von 1983 bis 1990 in den
alten Bundesländern 3 Millionen und von 1991 bis 1996
– ebenfalls in den alten Bundesländern – über 1 Million
zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben; auch in den
neuen Bundesländern tragen diese Betriebe maßgeblich
zur Beschäftigung bei.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer diese Betriebe be- und nicht entlastet, vernichtet
mittelfristig Arbeitsplätze. Genau das tut diese Reform.

Ausweislich Ihrer Zahlen im Gesetzentwurf entlasten
Sie die Wirtschaft in der dreistufigen Reform durch Ta-
rifsenkungen um ca. 13 Milliarden DM, während Sie
gleichzeitig durch veränderte Gewinnermittlungsvor-
schriften die Wirtschaft um ca. 35 Milliarden DM bela-
sten. Sie holen sich dieses Geld teilweise bei den großen
Konzernen, vor allem aber – trotz aller Dementis, Be-
teuerungen und Täuschungen – überwiegend beim Mit-
telstand. Die Abschaffung des hälftigen Steuersatzes bei
Betriebsveräußerungen trifft den Mittelstand ins Mark,


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Ohne Senkung des Steuersatzes!)


vor allem die Hunderttausende von Unternehmern, die
alles in den Betrieb gesteckt haben, um Arbeitsplätze zu
schaffen und zu sichern, und die den Betriebswert als
Altersversorgung angesehen haben.


(Joachim Poß [SPD]: Schauen Sie sich die Verteilungswirkung mal an!)


– Herr Poß, auch wir hatten die Abschaffung des hälfti-
gen Steuersatzes des § 34 Einkommensteuergesetz vor-
gesehen, jedoch mit der Maßgabe, daß sich der durch-
schnittliche Steuersatz dann zwischen den Grenzen von
15 und 39 Prozent bewegt und nicht zwischen 23,9 und
53 Prozent liegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Erneuter Zuruf des Abg. Joachim Poß [SPD])


– Halten Sie jetzt einmal den Mund, Herr Poß!
Auch der ab 2002 vorgesehene Tarif von 19,9 Pro-

zent Eingangssteuersatz und 48,5 Spitzensteuersatz mil-
dert diese Zumutung für den Mittelstand nur unwesent-
lich. Mit der Abschaffung der Sonderabschreibungen
und der Ansparabschreibung ab dem Jahr 2000 bzw.
2001 treffen Sie die Kleinbetriebe mit einem Einheits-
wert unter 400 000 DM zutiefst in ihrer Liquidität, ohne
sie andererseits maßgeblich zu entlasten. Für den Mittel-
stand sind jedoch vor allem die Maßnahmen der Gegen-
finanzierung gravierend, die bei der alten Bundesregie-
rung nicht vorgesehen waren. Ich kann den Sachverhalt
aus zeitlichen Gründen nur an zwei Beispielen deutlich
machen:

Erstes Beispiel: Mit der Streichung der Teilwertab-
schreibung legen Sie nicht nur die Axt an das Steuer-
recht, Sie gefährden damit auch die Existenz vieler Be-
triebe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie zwingen Betriebe nicht nur, sich in der Steuerbi-

lanz besser darzustellen, als sie sind – wenn Sie dies in
der Handelsbilanz täten, würden Sie sich strafbar ma-
chen, sogar möglicherweise wegen Konkursverschlep-
pung ins Gefängnis gehen –, Sie zwingen sie sogar, auf
Waren oder Betriebsanlagen, die nichts mehr wert sind,
Steuern zu zahlen. Was muß demnächst ein Textilhänd-
ler mit Modeartikeln tun, die nicht mehr zu verkaufen
sind und daher nichts mehr wert sind? Sie zwingen ihn,
die Ware zum Einkaufspreis zu bilanzieren und damit
Steuern zu zahlen, obwohl er durch diese Waren keine
Einnahmen hat.


(Detlev von Larcher [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)


Was soll ich als Bauunternehmer mit genormten Ge-
rüst- und Schalungsteilen tun, die auf drei Jahre abge-
schrieben werden, die aber nach einem Jahr kaputt sind?
Ich muß sie weiter bilanzieren, Steuern zahlen und nach
Liquidität suchen, um die neuen Gerüst- oder Scha-
lungsteile zu kaufen, damit meine Leute arbeiten kön-
nen.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: So ist es! – Detlev von Larcher [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)


Das ist schlicht und einfach die Wahrheit über das, was
Sie mit der Teilwertabschreibung bewirken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Die Wahrheit wollen die nicht hören!)


Zweites Beispiel: Begrenzung des Verlustrücktrags
auf ein Jahr, Rückführung auf 2 Millionen DM und Ab-
schaffung ab dem Jahr 2001. Das ist ein Frontalangriff
auf die Existenz moderner mittelständischer Betriebe.

Ich habe einen Betrieb in Baden-Württemberg vor
Augen, den ich kürzlich besucht habe. Er wurde vor
16 Jahren gegründet; er hat 280 hochbezahlte Speziali-
sten als Mitarbeiter und beschäftigt sich mit modernstem
Anlagenbau und der Entwicklung von Prototypen, die in
der ganzen Welt reißenden Absatz finden. Der Gründer
und Firmenchef nannte mir als die beiden Probleme für
seine Firma, erstens qualifizierte Mitarbeiter zu finden
und zweitens – auf Grund überbordender Gewährlei-
stungs- und Bürgschaftsverpflichtungen – Kapital zu be-
schaffen. Dieser Betrieb verdient gutes Geld, bezahlt
viel Steuern, läuft aber auch permanent Gefahr, auf
Grund der Produktenhaftpflicht – zum Beispiel in Ame-
rika – ein oder zwei Geschäftsjahre total „in den Sand zu
setzen“. Dieser Betrieb soll nun nicht mehr – ansonsten
verkraftbare – Verluste auf ein oder zwei Jahre zurück-
tragen können, um sich Liquidität beim Finanzamt zu
besorgen, Liquidität, die er möglicherweise bei den
Kreditinstituten nicht mehr bekommt. Das gilt glei-

Peter Harald Rauen






(B)



(A) (C)



(D)


chermaßen für Hunderttausende von mittelständischen
Betrieben.


(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Genau so!)

Wer solche Gewinnermittlungsvorschriften durchsetzen
will, hat vom Mittelstand in Deutschland keine Ahnung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, viel aufschlußreicher im

Rahmen der Gegenfinanzierung ist aus meiner Sicht eine
Maßnahme, die Sie nicht durchführen, obwohl die alte
Bundesregierung den Mut dazu hatte. Ich spreche von
der Begrenzung der Verlustvorträge auf 50 Prozent
der Gewinne bei einem Freibetrag von 2 Millionen DM
für mittelständische Betriebe. Ihr Verzicht auf diese Ge-
genfinanzierung begünstigt nicht den Mittelstand. Im
Gegenteil: Er begünstigt ausschließlich die Großindu-
strie, die es verstanden hat, durch Mantelkäufe nach dem
Umwandlungssteuerrecht unter anderem große Verluste
preiswert einzukaufen. Daß es in Deutschland zur Zeit
Verlustvorträge in Höhe von zirka 400 Milliarden DM
gibt, hat nur zum Teil mit operativen Verlusten zu tun,
in hohem Maße aber mit diesen Mantelkäufen. Mit die-
sen Verlustvorträgen ist in Deutschland teilweise ein
schwunghafter Handel getrieben worden, weil man sich
damit leicht Liquidität verschaffen konnte.


(Joachim Poß [SPD]: Da können wir uns vielleicht noch einigen!)


Ein großes deutsches Unternehmen hatte – Stand En-
de 1996 – einen Verlustvortrag in Höhe von 16,6 Milli-
arden DM. Dieses Unternehmen hat in 1997 ausweislich
des eigenen Geschäftsberichtes einen Gewinn von 4,3
Milliarden DM gemacht. Zahlung von Körperschaft-
und Gewerbeertragsteuer: null DM. Stünde das Gesetz
der alten Bundesregierung im Gesetzblatt, würde dieser
Konzern 1998 bei einem gleichen Gewinn 2,15 Milliar-
den DM mit Verlusten verrechnen können, aber von den
anderen 2,15 Milliarden DM Körperschaft- und Gewer-
beertragsteuer in Höhe von über 1 Milliarde DM zahlen.
Ich kann Ihnen aus der Erinnerung fünf ähnlich gela-
gerte Fälle großer deutscher Konzerne nennen.

Von dieser Maßnahme läßt die neue Bundesregierung
die Finger. Es ist ja auch einfacher, Zehntausende klei-
ner Betriebe mit der Novellierung der Sonder- und An-
sparabschreibung um Liquidität zu bringen,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das hat System!)


als sich mit den Interessen derjenigen anzulegen, mit
denen man jahrelang im gleichen Aufsichtsrat gesessen
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich muß zum Schluß kommen. Die rund 3 Millionen

selbständigen Unternehmen des Mittelstandes werden
dies alles sehr genau beobachten. Wer in Deutschland
gegen den Mittelstand Arbeitslosigkeit abbauen will,
mag bei der Arbeitsbewirtschaftung möglicherweise Er-
folge vorweisen können, nicht aber bei der Zunahme
von Arbeitsplätzen bzw. von Beschäftigung, was zu
mehr Zahlungen von Steuern und Abgaben führen wür-
de, wodurch letztlich der Staat finanziert wird.

Ich bleibe dabei: Dieser Gesetzentwurf zur Steuerre-
form ist ein Mittelstands- und Arbeitsplatzvernichtungs-
programm.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400606200
Das Wort für die
PDS-Fraktion hat Frau Dr. Barbara Höll.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1400606300
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Der Bundeskanzler pries in seiner Re-
gierungserklärung die Steuerreform als Einsicht in öko-
nomische Notwendigkeiten, in welcher sich moderner
Pragmatismus mit einem starken Sinn für soziale Fair-
neß verbindet. Frau Professor Luft sagte schon, daß wir
viele Maßnahmen der Steuerreform begrüßen. Aber die
soziale Fairneß vermissen wir an einigen Stellen. Oder
meinen Sie, daß betroffene Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer die Halbierung der Freibeträge im Rahmen
von Abfindungen als sozial fair empfinden werden und
daß die bereits ab 1. Januar 1999 vorgesehene Strei-
chung des Vorkostenabzuges bei eigenheimzulagebe-
günstigten Wohnungen den Häuslebauern Freude ma-
chen wird? Wo ist die Individualisierung des Steuer-
rechtes, wo seine größere Transparenz?

Es gibt auch viel Diskussionsstoff bezüglich der Öko-
steuer.

Ich sage aber auch: Wir unterstützen Ihren Antrag be-
züglich der Kindergeldauszahlung und der Erstellung
der Lohnsteuertabellen. Hier tut Eile tatsächlich not.
Aber ich frage Sie: Warum lassen Sie sich andererseits
bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag Zeit? Wer mehr soziale
Gerechtigkeit will, wer Armut bekämpfen will, muß
Reichtum begrenzen.


(Beifall bei der PDS)

Gerade weil die alte Regierung von Christdemokraten

und Liberalen eine große finanzielle Erblast hinterlassen
hat, reicht es nicht aus, nur erste kleine Entlastungs-
schritte zu machen, die zum Teil schon gesetzlich ver-
ankert waren und nur erste Schritte sein können. Es
reicht nicht aus, in der Regierungserklärung die alte Lei-
er der staatlichen Ausgabenbeschränkung und der Miß-
brauchskontrolle – nur neu arrangiert – weiter zu spie-
len. Es gilt, den Mut aufzubringen, tatsächliche Einnah-
meerhöhungen anzustreben.

Hier sind wir bei dem Stichwort Vermögensteuer.
Im Koalitionsvertrag stellen Sie in Aussicht, eine Sach-
verständigenkommission einzuberufen, die die Grundla-
ge für eine wirtschafts- und steuerpolitisch sinnvolle
Vermögensbesteuerung schaffen soll. Ich frage Sie: Was
soll denn das, meine Damen und Herren von der Regie-
rungskoaltion? Ein elegantes Begräbnis? – Damit sind
wir von der PDS nicht einverstanden.

Wir fordern Sie deshalb mit unserem Antrag auf, bis
zum 30. März nächsten Jahres einen Gesetzentwurf für
die Wiedererhebung der Vermögensbesteuerung auf der
Basis einer reformierten Bemessungsgrundlage vorzule-
gen.


(Beifall bei der PDS)


Peter Harald Rauen






(A) (C)



(B) (D)


Ich muß Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der SPD und von den Grünen: Sie scheinen verges-
sen zu haben, daß Sie selber schon fix und fertige Ge-
setzentwürfe dazu hatten: Drucksache 13/5504 und
Drucksache 13/4838. Nehmen Sie sie, schauen Sie, wo
Ihre Berührungspunkte sind. Sie sind zu finden. Sie von
der SPD haben unter anderem noch vor zwei Jahren fast
einheitliche Tarife für natürliche und juristische Perso-
nen gefordert.

Sie legten Vorschläge für die Neugestaltung der Frei-
beträge vor. Von den Grünen gab es dazu ein Ände-
rungsgesetz. Sie können also sofort handeln. Ich verste-
he nicht, warum sich die Regierung berechtigterweise
den Vorwurf von Matthias Geis gestern in der „Zeit“
machen läßt:

Wir warten auf Reformkonzepte, die diesen Namen
verdienen. In den Schubladen jedenfalls liegt we-
nig.

Herr Bundeskanzler, seien Sie froh, daß die PDS als
linke Opposition im Bundestag ist. Wir werden Sie ver-
anlassen, ruhig ein bißchen tiefer in Ihren Schubladen zu
kramen und auch die alten Gesetzentwürfe hervorzuho-
len. Auf dieser Basis soll ein Neuvorschlag zur Vermö-
gensbesteuerung bis zum 30. März vorgelegt werden.


(Beifall bei der PDS)

Im Grundgesetz ist nicht nur der Schutz des Eigen-

tums verankert. Im Grundgesetz ist eben auch das Sozi-
alstaatsprinzip verankert, die Verantwortung des Staa-
tes für den Ausgleich sozialer Gegensätze und für eine
gerechte Sozialordnung. Diese Verantwortung muß er
unserer Meinung nach vor allem auch mit der Erhebung
von Steuern wahrnehmen.

Wir unterbreiten Ihnen noch einen zweiten Vor-
schlag. Herr Poß hat zu Recht darauf hingewiesen, daß
es notwendig ist, zum Prinzip der Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zurückzukehren.
Deshalb schlagen wir Ihnen vor: Erarbeiten wir gemein-
sam ein Gesetz zur Besteuerung des Erwerbs von Lu-
xusgütern; denn die Menschen, die sich zum Beispiel
ein Schmuckstück im Wert von 10 000 DM kaufen kön-
nen, können auch auf die 16 Prozent Mehrwertsteuer die
6 Prozent einer erhöhten Verbrauchssteuer drauflegen.


(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie uns hier anfangen. Dann haben wir wirk-

lich ein Zeichen für soziale Gerechtigkeit und für Aus-
gleich gesetzt, auch bei der Steuerreform.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1400606400
Ich schließe die
Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 14/23, 14/11 und 14/27 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Das Steuerentlastungsgesetz auf Drucksache 14/23
soll zusätzlich an den Ausschuß für Tourismus und an
den Ausschuß für Bildung und Forschung überwiesen

werden. Der Haushaltsausschuß soll diesen Gesetzent-
wurf zur Mitberatung gemäß § 96 der Geschäftsordnung
erhalten. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen zur Kindergeldauszahlung und zur Erstellung
der Lohnsteuertabellen 1999 auf Drucksache 14/28. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der
Koalition und der PDS bei Enthaltungen der Fraktionen
von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die sozialdemo-
kratische Bundestagsfraktion beabsichtigt die Durchfüh-
rung einer kurzen Fraktionssitzung. Daher unterbreche
ich die Sitzung für etwa 30 Minuten. Der Wiederbeginn
wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt.


(Unterbrechung von 14.04 bis 14.36 Uhr)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400606500
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärti-
gen Ausschusses (3. Ausschuß) zu dem Antrag
der Bundesregierung
Deutsche Beteiligung an der NATO-Luft-
überwachungsoperation über dem Kosovo
– Drucksachen 14/16, 14/32 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Christoph Zöpel
Karl Lamers
Dr. Helmut Lippelt
Ulrich Irmer
Wolfgang Gehrcke

Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die
Aussprache über diese Vorlage namentlich abstimmen
werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist
für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? –
Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden des Auswärtigen
Ausschusses, Hans-Ulrich Klose.


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1400606600
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Gemäß § 66 Abs. 1 der Geschäfts-
ordnung erstatte ich Ihnen im Einvernehmen mit den
Kollegen Vorsitzenden des Rechts-, Haushalts- und
Verteidigungsausschusses Bericht über die Beratung des
Antrages der Bundesregierung „Deutsche Beteiligung an
der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Koso-
vo“, „NATO Kosovo Air Verification Mission“, Druck-
sache 14/16.

Dieser Antrag ist am Dienstag dieser Woche dem
Auswärtigen Ausschuß federführend und den genannten
Ausschüssen zur Mitberatung überwiesen worden. Un-
mittelbar nach der Konstituierung am heutigen Morgen

Dr. Barbara Höll






(B)



(A) (C)



(D)


haben sich die Ausschüsse in ihren ersten Arbeitssitzung
eingehend mit diesem Antrag befaßt.

Der Rechtsausschuß empfiehlt, dem Antrag zuzu-
stimmen. Der Beschluß wurde mit den Stimmen der
Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses
90/Die Grünen sowie der F.D.P. gegen die Stimmen der
Fraktion der PDS bei einer Enthaltung seitens der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen gefaßt.

Der Haushaltsausschuß hat mehrheitlich mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU-
Fraktion und der F.D.P.-Fraktion bei drei Stimmenthal-
tungen der Fraktion der SPD


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


gegen die Stimmen der Fraktion der PDS empfohlen,
dem Antrag zuzustimmen.

Der Verteidigungsausschuß hat mit den Stimmen
der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses
90/Die Grünen und der F.D.P. gegen die Stimmen der
Fraktion der PDS ebenfalls den Beschluß gefaßt, dem
Plenum zu empfehlen, dem Antrag der Bundesregierung
auf Drucksache 14/16 seine Zustimmung zu erteilen.

Der Auswärtige Ausschuß hat in Anwesenheit des
Bundesministers des Auswärtigen und des Bundesver-
teidigungsministers beraten und beschlossen. Beiden
danke ich für die ausführlichen Erläuterungen. Ich stelle
fest, daß sich schon in der ersten Sitzung des Ausschus-
ses eine gute Zusammenarbeit zwischen Parlament und
Regierung gezeigt hat. So soll es sein, und so soll es
bleiben.

Der Auswärtige Ausschuß hat in Kenntnis der Voten
der mitberatenden Ausschüsse beschlossen. Er empfiehlt
dem Hohen Hause mit der großen Mehrheit der Stim-
men der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU-Fraktion
und der F.D.P.-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
der PDS die Annahme des Antrags der Bundesregie-
rung. Damit verbindet sich unsere Hoffnung auf eine,
wie es im Antrag heißt, „Stabilisierung der Verhältnisse
im Kosovo“ und auf die Schaffung eines Umfeldes, wel-
ches zu einer dauerhaften und tragfähigen Friedensre-
gelung beiträgt und auf die Abwendung einer humanitä-
ren Katastrophe abzielt. In diesem Sinne empfehlen alle
Ausschüsse die Zustimmung zu dem Antrag.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400606700
Es spricht jetzt der
Bundesaußenminister Joseph Fischer.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1400606800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bun-
desregierung bittet heute den Deutschen Bundestag, der
Entsendung deutscher Kräfte zur Teilnahme an einer
NATO-Operation zur Luftüberwachung der VN-
Sicherheitsratsresolutionen 1160 und 1199 zuzustim-
men. Die Bundesregierung beabsichtigt, nach der Zu-

stimmung des Deutschen Bundestages an dieser Opera-
tion mit unbewaffneten, unbemannten und ferngesteu-
erten Aufklärungsflugzeugen teilzunehmen.

Für die Bedienung einschließlich des Schutzes dieses
empfindlichen Geräts sollen bis zu 350 Soldaten einge-
setzt werden. Darüber hinaus soll deutsches Personal im
fliegenden NATO-Frühwarn- und -führungssystem
AWACS eingesetzt werden.

Ich möchte nochmals den Zusammenhang zu der
Sondersitzung des 13. Deutschen Bundestages her-
stellen, der in seiner letzten Sitzung beschlossen hat, an
einer möglichen NATO-Militäraktion teilzunehmen. Die
Konsequenz dieses Beschlusses war dann eine in letzter
Minute erreichte Einigung zwischen dem US-
Sondergesandten Richard Holbrooke und der Regierung
in Belgrad. Sie hat eine Militäraktion verhindert. Diese
geplante Militäraktion hatte zum Zweck, eine humanitä-
re Katastrophe im Kosovo angesichts zahlloser Flücht-
linge, zerstörter Dörfer, zerstörter Wohnungen und des
drohenden Winters abzuwehren.

Heute können wir sagen, daß die humanitäre Kata-
strophe – alle vor Ort berichten dies – abgewehrt werden
konnte. Ich denke, das ist ein erster wichtiger Erfolg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Die Flüchtlinge sind zum überwiegenden Teil in ihre
Dörfer und Häuser zurückgekehrt. Worauf es jetzt an-
kommt, ist, die Abwendung der humanitären Katastro-
phe in eine Verstetigung des friedlichen Zusammenle-
bens, des friedlichen Alltags, des Wiederaufbaus, der
Hilfe zum Wiederaufbau und einer politischen Lösung
zu führen.

Holbrooke hatte drei Körbe verhandelt. Die Umset-
zung von allen drei Körben wird für die Abwendung der
humanitären Katastrophe, für die Beendigung des Krie-
ges und für eine politische Lösung letztendlich unab-
weisbar sein. Es besteht hier ein Sachzusammenhang;
deswegen müssen wir den Bundestag heute erneut mit
einem Beschluß beschäftigen und werden ihn in abseh-
barer Zukunft mit einem weiteren Beschluß zu beschäf-
tigen haben. Ich füge gleich hinzu: Das liegt nicht an der
Bundesregierung, sondern allein an den Problemen, die
sich aus dem Konsultationsprozeß des NATO-Rates und
der Beschlußfassung dort ergeben. Wir hätten dies gern
in einem Beschluß zusammengefaßt.

Lassen Sie mich in aller Kürze auf die Realisierung
der drei Körbe zu sprechen kommen.

Zum ersten, dem humanitären Korb: Mit dem nach
Meinung westlicher Beobachter und der entsprechenden
NATO-Stellen weitestgehend umgesetzten Rückzug der
jugoslawischen Truppen und Sondereinheiten ist die
Rückkehr der Flüchtlinge ermöglicht worden. Damit ist
eine humanitäre Katastrophe abgewendet worden.

Der zweite Korb ist die Überwachung dieses Prozes-
ses. Auch dieser Korb ist sowohl für die Sicherheit der
Menschen im Kosovo als auch für den Fortgang der po-
litischen Lösung unabweisbar. Dafür hat die Bundesre-

Hans-Ulrich Klose






(A) (C)



(B) (D)


gierung in ihrer ersten Kabinettssitzung beschlossen, daß
wir uns mit bis zu 200 zivilen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern an der OSZE-Mission beteiligen.

Ich habe es an anderer Stelle schon gesagt: Hierin
liegt ein entscheidender Schritt nach vorne für die Rolle
der OSZE im Peacekeeping, das heißt im Überwachen
des Friedens, in der Durchsetzung des Friedens mit zi-
vilen Mitteln in Europa. Ich sehe hier ebenfalls einen
großen Fortschritt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS und der F.D.P.)


Der Kollege Scharping und das Auswärtige Amt
werden je 80 Personen, das Bundesinnenministerium
wird 40 Personen – jeweils als Höchstgrenze – bereit-
stellen und in den Kosovo entsenden. Die Entsendung
wird im Dezember, nachdem alle Vorarbeiten getroffen
sind und die Einstellungen entsprechend abgeschlossen
wurden, vorgenommen werden.

Wenn man sich dazu durchringt, diesen Schritt zu tun
– ich sehe in diesem zivilen Peacekeeping einen wirk-
lich historischen Durchbruch –, dann wird es entschei-
dend sein, daß man den Menschen, die man dort hin-
schickt, optimale Bedingungen schafft. Ich weiß, sehr
viele Kolleginnen und Kollegen – auch und gerade auf
der linken Seite des Hauses – haben, als sie in der Son-
dersitzung zugestimmt haben, auf Grund der rechtlichen
Aspekte und auch der politischen Folgen, die sich daraus
ergeben können, offene Fragen gehabt. Ich weiß, es gibt
nach wie vor Fragen und Probleme in diesem Zusam-
menhang. Ich bitte aber alle, die sich mit der Zustim-
mung schwertun, zu bedenken, daß die Verifikation der
OSZE-Mission daran hängt, daß die militärische, aber
unbewaffnete Luftraumüberwachung ebenfalls stattfin-
det.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Die Bundesregierung bittet Sie heute um Ihre Zu-
stimmung; denn es geht nicht nur um die Verifikation
am Boden; vielmehr muß diese Verifikation am Boden
durch eine militärische, aber unbewaffnete Luft-
raumüberwachung gestützt werden. Da es sich hier um
hochgeheimes Gerät handelt – der Kollege Scharping
wird noch auf das Erfordernis einer klaren Vereinbarung
mit der Regierung in Makedonien zu sprechen kommen
–, wird es hier ebenfalls zum Einsatz von bewaffneten
Kräften seitens der Bundeswehr zwecks Bewachung des
unbemannten Fluggeräts kommen. Der Fall, der hier
eingetreten ist, ist konstitutiv. Deswegen muß der Ge-
setzgeber, der Deutsche Bundestag, darüber abstimmen.
Ich hoffe, Sie werden mit Ja stimmen.

Lassen Sie mich noch auf den dritten und, ich glaube,
schwierigsten Punkt zu sprechen kommen, den Korb 3,
die politische Lösung. Wir müssen davon ausgehen, daß
die beiden beteiligten Konfliktparteien sich ausschlie-
ßende, hochsymbolisch aufgeladene Interessen verfol-
gen. Die albanische Seite will die Unabhängigkeit, die
Sezession des Kosovos. Ich kenne keine politische Kraft
in Belgrad, die bereit ist, dies zu akzeptieren.

Wir haben hier eine sehr schwierige Situation. Die
Haltung des Westens ist klar definiert. Die Haltung des
Westens, die der Bundesrepublik Deutschland, die der
Vorgängerregierung und auch die dieses Hauses war
immer die, daß wir Sezession, Unabhängigkeit nicht
unterstützen; vielmehr unterstützen wir die Durchset-
zung der Menschenrechte und ein weitgehendes Auto-
nomiestatut, allerdings im Rahmen der Bundesrepublik
Jugoslawien. Dies ist Gegenstand der Holbrooke-
Milosevic-Vereinbarung.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.])


Gestern habe ich, wie ich heute den Ausschüssen be-
richtete – auch hier möchte ich es noch einmal erwähnen
–, in einem Gespräch im Ministerium mit Vertretern der
Kosovo-Albaner aus Pristina und auch mit hier lebenden
Exilalbanern auch darauf hingewiesen, daß wir mit gro-
ßer Sorge die Entwicklung von Gewalteinsatz auf alba-
nischer Seite sehen. Der Friedensprozeß setzt Gewalt-
verzicht auf beiden Seiten voraus.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD, der F.D.P. und der PDS)


Damit es in diesem Friedensprozeß im Interesse der
Bevölkerung tatsächlich zu positiven Ergebnissen kom-
men kann, brauchen wir jetzt diese OSZE-Mission und
die dazu notwendige Luftraumüberwachung. Sie ist Be-
standteil dieser Mission. Wir brauchen jetzt vor allen
Dingen eine Einigung über das entsprechende Statut, ein
Autonomiestatut für die Dauer von drei Jahren. Auf
der Grundlage dieses Statuts kann dann im Kosovo ein
konstitutioneller Prozeß beginnen, begründend auf frei-
en Wahlen, begründend auf einem aus diesen freien
Wahlen hervorgegangenen Regionalparlament, begrün-
dend auf einer eigenen Justiz, begründend auf einer
eigenen Polizei. Ich denke, das ist es, was jetzt angegan-
gen werden muß. Hier liegen allerdings noch erhebliche
Schwierigkeiten. Nur glaube ich nicht, daß wir, ohne
daß wir hier zu einem positiven Abschluß kommen, tat-
sächlich eine Entwicklung hin zu dauerhafter Gewalt-
freiheit und zu Frieden in dieser Region erleben werden.
An einer solchen Entwicklung haben wir aber großes
Interesse.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich bitte Sie also, dem Antrag der Bundesregierung
zuzustimmen. Ich möchte auch all diejenigen, die aus
nachvollziehbaren Gründen mit einem Ja Schwierigkei-
ten haben, bitten, nochmals über ihre Entscheidung
nachzudenken. Ich sage Ihnen ganz persönlich – das
gilt für den Kollegen Scharping und für den Kollegen
Schily –:


(Michael Glos [CDU/CSU]: Was sagen Sie als Außenminister?)


Wir schicken unbewaffnete zivile Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in eine sehr schwierige Mission. Die Bun-
desregierung tut dies als Ganzes; aber ich betone auch

Bundesminister Joseph Fischer






(B)



(A) (C)



(D)


die persönliche Seite. Gerade dann, wenn wir politisch
von der Notwendigkeit einer stärkeren Rolle der OSZE
überzeugt sind, müssen wir den Menschen, die bereit
sind, dieses Risiko in unserem Auftrag einzugehen, op-
timale Bedingungen schaffen. Dazu gehört ein Ja zur
heutigen Beschlußvorlage.

Ich bedanke mich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400606900
Das Wort hat jetzt
der Abgeordnete Paul Breuer, CDU/CSU.


Paul Breuer (CDU):
Rede ID: ID1400607000
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-
Fraktion unterstützt den Antrag der Bundesregierung
betreffend die Beteiligung der Bundeswehr an der
NATO-Luftraumüberwachungsoperation über dem Ko-
sovo. Es geht uns darum, daß Deutschland seinen ver-
antwortungsvollen und verantwortungsbewußten Beitrag
dazu leistet, daß die Menschen im Kosovo nicht nur vor
der humanitären Katastrophe geschützt werden, die sich
hier angedeutet hatte und zum Teil schon eingetreten
war, sondern auch auf Dauer eine Lebens- und Friedens-
perspektive im Kosovo erhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.])


Es wäre natürlich gut gewesen, Herr Minister Fischer,
wenn wir heute auch über die Entsendung der Schutz-
und Evakuierungstruppe, der sogenannten Extraction
Force, hätten debattieren und entscheiden können. Aber
es ist richtig: Die Zeitabläufe bei der NATO ließen dies
nicht zu. Gleichwohl müssen wir heute beides im Zu-
sammenhang debattieren und würdigen.

Meine Damen und Herren, für uns muß feststehen,
daß Milosevic im Abkommen mit dem US-Sonder-
botschafter Holbrooke nicht zu derart weitreichenden
Zugeständnissen, wie sie zustande gekommen sind, hätte
gebracht werden können, wenn nicht auch der Deutsche
Bundestag, wenn nicht Deutschland seine Verantwor-
tung in der Art und Weise wahrgenommen hätte, wie
wir es getan haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Deswegen ist es für mich unverständlich – wir werden
im Laufe der Debatte sicherlich noch einiges dazu hö-
ren –, daß es in diesem Hause nach wie vor Kollegen
gibt, die meinen, die Debatte von gestern über Rechts-
grundlagen usw. erneut führen zu müssen.

Wir müssen heute sagen: Es war ein Erfolg der inter-
nationalen Staatengemeinschaft, es war ein Erfolg insbe-
sondere der NATO, Milosevic zu diesen Zugeständnis-
sen zu bringen. Wir können das, was wir heute einleiten,
nur auf der Basis dieses Prozesses, der unter Druck zu-
stande kam, weiter beraten.

Es ist wichtig, daß wir nun den zweiten Schritt tun,
indem wir unseren Willen bekunden, die Einhaltung die-
ser Zusagen auch wirkungsvoll zu überwachen. Solange

nicht eindeutig nachprüfbar ist, inwieweit die Bundesre-
publik Jugoslawien in allen vereinbarten Teilen die Zu-
sagen einhält, muß die Drohkulisse der NATO so beste-
henbleiben, wie sie besteht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Der Abzug der serbischen Sicherheitskräfte, der wohl
weitestgehend erfolgt ist – das wurde auch von der Bun-
desregierung deutlich gemacht –, ist nur der erste
Schritt. Vorrangig wird sein, wie rasch die Modalitäten
dafür geschaffen werden können, daß alle Flüchtlinge,
die zum Teil nach wie vor in den Wäldern hausen müs-
sen, die Angst haben und vom Winter bedroht sind, in
ihre zerstörten Dörfer oder andere Liegenschaften zu-
rückkehren können.

Ich begrüße ausdrücklich, daß sich die neue Bundes-
regierung zur, wie sie sagt, Kontinuität deutscher Au-
ßen- und Sicherheitspolitik bekennt. Aber es muß
schon erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß es die alte
Koalition war, die die neue Verantwortungsrolle
Deutschlands in der Staatengemeinschaft zu Beginn der
90er Jahre maßgeblich befördert hat, und daß Sie damals
auf einer anderen Seite gestanden haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ohne uns hätten das Ansehen Deutschlands in der Welt
und die Berechenbarkeit der deutschen Außen- und Si-
cherheitspolitik damals schweren Schaden erlitten.

Wir nehmen die innere und äußere Anpassungsfähig-
keit des neuen Außenministers zur Kenntnis. Der Lernpro-
zeß, den Sie, Herr Minister Fischer, vollzogen haben, ist
nun in gleichem Maße auch von Ihren Kolleginnen und
Kollegen in der bündnisgrünen Fraktion nachzuvollziehen.

Ich möchte darauf hinweisen – weil man es muß –,
daß am 16. Oktober bei der Abstimmung des alten Bun-
destages immerhin nur 26 von 47 Mitgliedern der Grü-
nen-Fraktion dem Einsatz zugestimmt haben. Das war
etwas mehr als die Hälfte. Bei so wenig Unterstützung
aus den eigenen Reihen von einer Kontinuität der Politik
zu reden, das, Herr Minister Fischer, ist schon etwas
verwegen. Auch das muß deutlich gesagt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wir werden schon genau darauf achten, und zwar

heute wie in Zukunft, ob die neue Bundesregierung in
der Lage ist,


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dürfen Sie auch!)


für Auslandseinsätze hier im Deutschen Bundestag, in
diesem Hohen Hause, die erforderlichen Mehrheiten si-
cherzustellen. Um es klar zu sagen, Herr Kollege
Schlauch: Wir stellen uns unserer Verantwortung, gar
keine Frage; das wissen Sie auch. Aber wir sind natürlich
nicht dazu bereit, Unstimmigkeiten bei Ihnen durch unse-
re Stimmen zu überdecken. Wir achten genau darauf und
werden Sie in namentlicher Abstimmung fordern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Bundesminister Joseph Fischer






(A) (C)



(B) (D)


Spielen Sie also bitte nicht – da möchte ich Sie per-
sönlich ansprechen, Herr Minister – die Qualität des
heute und in der kommenden Woche zu beratenden Ein-
satzes herunter! Sie sprachen eben von einem zivilen
Peacekeeping. Dieser Einsatz, und zwar sowohl die
Luftverifikation wie der Einsatz am Boden, der Einsatz
der 2 000 OSZE-Beobachter ist eine höchst gefährliche
Unternehmung und kein Weihnachtsspaziergang.

Wenn ich heute in der „Bild“-Zeitung lese – sicher
etwas falsch, etwas überzogen dargestellt –, daß die
Bundesrepublik Jugoslawien Waffeneinkäufe bei der
Russischen Föderation tätige – ich denke, ich weiß es
richtig einzuschätzen; da besteht nach wie vor ein Rü-
stungsabkommen –, dann weiß ich, daß deutsche Streit-
kräfte dort auch modernsten Waffensystemen begegnen
können.

Wenn man weiß, daß es ständig – täglich – Provoka-
tionen zwischen UCK und serbischen Sicherheitskräften
gibt – wir sehen beide Seiten –, dann weiß man, in wel-
ches schwierige Szenario jeder einzelne OSZE-
Beobachter dort jeden Tag kommen kann, dann weiß
man, wie notwendig es ist, daß bewaffnete Streitkräfte
als Schutz- und Evakuierungstruppe, und zwar gut aus-
gebildet, bestausgebildet, zur Verfügung stehen. Hier
dann von einem zivilen Peacekeeping zu reden, könnte,
wenn man es so verstehen will, schon dazu dienen, daß
Sie Ihren Leuten, insbesondere in der Grünen-Fraktion,
verkaufen wollen, daß das alles einfach sei, und daß Sie
eine hohe Zustimmungsrate bekommen wollen. Das ist
nicht zugelassen. Wir müssen den Menschen in unserem
Lande, den Beobachtern und den Soldaten, schon klar
sagen, daß es um eine gefährliche Operation geht. Nur
wenn wir dies feststellen, besteht auch mental die Si-
cherheit, daß diese Menschen wohlbehalten wieder nach
Hause kommen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Das ist verantwortliche Politik, meine Damen und Her-
ren.

In diesem Zusammenhang will ich eines sagen: Wenn
es darum geht, die deutschen Truppenteile für die
Schutz- und Evakuierungstruppe festzustellen, zu identi-
fizieren – das wird ja in der kommenden Woche gesche-
hen –, dann fordern wir schon, daß es die Besten sind,
die die Bundeswehr hat. Das heißt dann, daß in der Ein-
satzreserve – die braucht man nicht nach Mazedonien zu
schicken – das Kommando Spezialkräfte vorgehalten
wird. Das sind die in bestimmten Szenarien am besten
ausgebildeten Soldaten. Es kann nicht sein, daß deshalb,
weil die Grünen-Fraktion in der Vergangenheit etwas
dagegen hatte, daß diese Truppen aufgestellt werden,
möglicherweise davon abgesehen wird. Auch das will
ich hier deutlich feststellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ein letztes Wort zur Finanzierung des Einsatzes.
Dieser Einsatz kostet viel Geld. Er wird – so schreiben
Sie es ja in der Vorlage – in diesem Jahr das Geld des
Verteidigungsetats kosten; das soll aus dem Einzelplan
14 erwirtschaftet werden. Ich spreche jetzt einmal mit

der Sprache, in der die SPD-Opposition – jetzt in der
Regierung – in der Vergangenheit mit uns geredet hat.
Sie haben den damaligen Finanzminister, den Kollegen
Dr. Waigel, ständig dazu aufgefordert, daß er das Geld
aus dem Gesamthaushalt geben solle. Ich fordere auch
Sie jetzt dazu auf. Sollten Sie, Herr Minister Scharping,
damit Schwierigkeiten haben: Unsere Unterstützung ist
Ihnen sicher.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400607100
Es spricht jetzt der
Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping.

Rudolf Scharping, Bundesminister der Verteidi-
gung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Maßnahmen, die die internationale Staatengemeinschaft
trifft, müssen im Zusammenhang gesehen werden. Dar-
auf hat mein Kollege Fischer hingewiesen. Der Aufbau
militärischen Drucks hat zu dem Abkommen zwischen
Herrn Milosevic und Herrn Holbrooke geführt. Ich will
an dieser Stelle sagen, damit das auch für die weiteren
Debatten klar ist: Die Bundesrepublik Deutschland hat
keine Schwierigkeiten mit dem serbischen Volk und
hegt keine Animositäten und schon gar nicht Feindschaft
gegen das serbische Volk; sie bedauert aber, daß das
serbische Volk eine diktatorische Regierung hat, die das
eigene Land und andere unter Druck setzt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Mit diesem Abkommen und den Folgevereinbarun-
gen ist erstens die Verifikation am Boden, also die Mis-
sion durch die OSZE, und zweitens die bemannte und
unbemannte Verifikation in der Luft geregelt. Hierfür
gibt es mehrere Rechtsgrundlagen, über die ich Sie jetzt
informiere: Neben diesem Abkommen, das häufig er-
wähnt wird, gibt es ein zweites zwischen dem NATO-
Oberbefehlshaber und dem jugoslawischen General-
stabschef; außerdem gibt es einen entsprechenden Be-
schluß des Ständigen Rates der OSZE und schließlich
auch die Resolution des Weltsicherheitsrates mit der
Nummer 1203, die all dies aufgreift und bekräftigt und
die Staatengemeinschaft ermuntert, in diesem Sinne zu
verfahren.

Hinsichtlich der Bedenken gegenüber einer Verifika-
tion am Boden kann ich das Haus darüber informieren,
daß mittlerweile alle Staaten begonnen haben, ihre Be-
obachter zu notifizieren, also anzumelden. Das gilt übri-
gens für alle europäischen Staaten, einschließlich Ruß-
lands und der Ukraine, sowie für die Vereinigten Staaten
von Amerika. Ich sage das deshalb, damit sich einzelne
Mitglieder des Hauses oder möglicherweise eine Frakti-
on nicht hinstellen und sich für klüger halten kann als
die internationale Staatengemeinschaft, Rußland und die
Ukraine eingeschlossen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Paul Breuer






(B)



(A) (C)



(D)


Im übrigen unterliegen diese 2 000 Beobachter einer
Gefahr. Es hat keinen Sinn, daran vorbeizureden. Die
Gefahr ergibt sich daraus, daß in dem Abkommen zwar
geregelt ist, daß die Bundesrepublik Jugoslawien für
die Sicherheit der OSZE-Beobachter die Gewährleistung
zu übernehmen hat, daß aber die UCK eigene Interessen
verfolgt. Im Kosovo gibt es nicht nur von beiden Seiten
verursachte Scharmützel, sondern auch den Anspruch,
bestimmte Gebiete mit angemaßter ziviler Autorität
zu kontrollieren. Aus diesem Widerstreit einerseits zwi-
schen den Garantien des Abkommens und anderer-
seits den Ansprüchen, die die UCK stellt, ergeben sich
Risiken. Es gibt leider auch andere, aber ich wollte
das an diesem einen Beispiel deutlich machen. Es sollte
uns also bewußt sein, daß wir mit der Entsendung
der Verifikateure auch ein gewisses Risiko eingehen,
das für diese Menschen erheblich werden kann. Das ist
– ich stimme dem Kollegen Breuer ausdrücklich zu –
kein Spaziergang, sondern ein mit Risiko behafteter Ein-
satz.

Um so wichtiger wird es sein, daß die Verifikation in
der Luft funktioniert. Da wird eine Drohnenbatterie der
Bundeswehr entsandt; diese Informationen haben Sie
alle. Deswegen will ich mich jetzt auf den Hinweis be-
schränken, daß die Stationierung dieser Batterie erst er-
folgen wird, wenn es zu einer entsprechenden Vereinba-
rung mit der mazedonischen Regierung gekommen ist.
Dazu konnte es wegen des Regierungswechsels in die-
sem Lande nicht kommen. Er hat nicht so gut funktio-
niert wie hier. Aber das ist eine eher scherzhafte Bemer-
kung am Rande.

Ich möchte darauf aufmerksam machen – damit
komme ich auf eine Bemerkung zurück, die ich in der
ersten Debatte am Dienstag schon gemacht habe –, daß
wir für politische Lösungen nur ein sehr enges Zeitfen-
ster haben. Auch wenn das Abkommen eine Zeit von
drei Jahren vorsieht und wenn jetzt für ein halbes Jahr
Entscheidungen innerhalb der OSZE oder der NATO
getroffen werden, für die politische Lösung gibt es ver-
mutlich nur ein sehr enges Zeitfenster. Es gibt hier eine
gegenseitige Verantwortung. Man muß das auf mehreren
Seiten klarmachen. Deswegen will ich in diesem Zu-
sammenhang sagen, daß Waffenlieferungen gleich wel-
chen Staates – das gilt auch für Rußland – und aus wel-
chen Motiven auch immer in dieses Gebiet hinein ange-
sichts der Chance eines Friedensprozesses ein unver-
antwortliches Verhalten darstellen. Dabei ist es ganz
egal, von wem es kommt.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich will auch deutlich machen, daß beispielsweise in-
nerhalb der OSZE die Weigerung Rußlands, im Rahmen
der OSZE-Maßnahmen auch eine unabhängige Bericht-
erstattung durch Journalisten aus dem Kosovo heraus zu
ermöglichen, die Situation ebenfalls eher erschwert als
erleichtert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn für eine demokratische Entwicklung braucht man
mehreres, darunter auch eine unabhängige und freie
Presse.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund des
engen Zeitfensters, eines nicht sehr konsistenten Ver-
haltens einzelner Staaten und der Risiken, die dadurch
entstehen, wird es um so wichtiger sein, auch die Ent-
scheidungen sorgfältig vorzubereiten, die sich mit der
sogenannten Notfalltruppe ergeben werden. Ich will Sie
darüber informieren, daß im Militärausschuß der NATO
die entsprechenden Operationspläne abgeschlossen sind.
Das geschah gestern abend und ist heute dann folgerich-
tig im Verteidigungsausschuß wie im Auswärtigen Aus-
schuß berichtet worden.

Ich greife diesen Gesichtspunkt deshalb auf, weil aus
den Planungen der NATO und aus den Absichten aller
Mitgliedstaaten ganz eindeutig hervorgeht, daß mit
dieser Notfalltruppe nichts verbunden ist, was militäri-
sche Intervention bedeuten würde. Der Auftrag ist viel-
mehr absolut klar: den OSZE-Beobachtern im Falle
eines Risikos, das sehr verschieden eintreten kann, die
Hilfe zu geben, die sie brauchen, und sie notfalls aus den
Gebieten, in denen sie bedroht sind, herausholen zu
können.

Ich weiß, welche Diskussionen hier und da darum
herumgeflochten werden. Ich will deswegen in aller
Deutlichkeit sagen: Es ist eine Notfalltruppe, die helfen
soll, gegebenenfalls auch zu evakuieren. Sie hat aber
keinen Auftrag, die OSZE-Mission in dem Sinne durch-
zusetzen, daß militärisch interveniert würde.


(Zuruf des Abg. Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU])


Ich sage das in aller Deutlichkeit, weil hier im Hause
häufiger einmal das Wort der militärischen Intervention
eine Rolle gespielt hat.

Mit Blick auf aktuelle Berichterstattung und weil Sie
schon etwas dazwischenrufen, Herr Kollege Rossma-
nith, will ich auch sagen: Es gibt jetzt Gerüchte über ei-
nen angeblichen Geheimbericht. Das Bundesministeri-
um der Verteidigung pflegt nicht nur in diesem Jahr,
sondern seit vielen Jahren die gute Praxis, die Ausschüs-
se regelmäßig über die Umstände des Einsatzes der Sol-
daten im Rahmen von SFOR zu informieren. In diesem
Zusammenhang ist dem Verteidigungsausschuß bzw.
seinem damaligen Vorsitzenden am 15. Oktober ein Be-
richt zur Verfügung gestellt worden, der referiert, was
Diplomaten aus den Kreisen Moskauer Militärattachés
beispielsweise in Belgrad hören. Das wird heute öffent-
lich als ein angeblicher Geheimbericht dargestellt. Das
ist er nicht. Diese Darstellung könnte man noch hinneh-
men. Aber die Prüfung von Fragen, die sich mit mögli-
chen Luftschlägen der NATO ergeben, die Gott sei
Dank nicht erforderlich geworden sind, in einen Zu-
sammenhang mit der Aufstellung einer Notfalltruppe zu
bringen, die die OSZE-Beobachter schützen soll, was

Bundesminister Rudolf Scharping






(A) (C)



(B) (D)


etwas Grundverschiedenes und etwas ganz anderes ist,
ist in jeder Hinsicht unzulässig


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und erweckt übrigens auch in der Öffentlichkeit den
Eindruck, als wolle man gewissermaßen herbeischrei-
ben, was von keinem der NATO-Partner gewollt ist,
nämlich militärische Intervention gewissermaßen „auf
Teufel komm raus“.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man
diese Maßnahmen alle im Zusammenhang sieht, dann
bleibt am Schluß nur eine einzige Feststellung: Wenn wir
es mit der Verifikation und mit dem Schutz der Men-
schen, die sie in unserem Auftrag übernehmen, ernst mei-
nen, wenn wir es mit dem Friedensprozeß, der eine Chan-
ce, aber noch längst keine Gewißheit ist, ernst meinen,
wenn wir es mit den über 50 000 Menschen, die die Wäl-
der verlassen konnten, aber noch keine dauerhafte Sicher-
heit in ihren Wohngebieten haben, ernst meinen, dann ist
es dringend erforderlich, daß wir neben den Maßnahmen,
die unter Begleitung des Militärs getroffen werden und
auch getroffen werden müssen, die politischen Bemühun-
gen unterstützen und verstärken, damit das – so befürchte
ich – leider nur sehr schmale Zeitfenster, das uns zur Ver-
fügung steht, genutzt wird und die eingesetzten Menschen
nicht länger als unbedingt erforderlich einem Risiko aus-
gesetzt sind, das sie jetzt eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400607200
Das Wort hat der
Abgeordnete Ulrich Irmer, F.D.P.


Ulrich Irmer (FDP):
Rede ID: ID1400607300
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Die F.D.P.-Fraktion wird dem Antrag
der Bundesregierung zustimmen. Dieser Antrag ist die
logische Folge des Beschlusses, den der 13. Deutsche
Bundestag am 16. Oktober gefaßt hat.

Ich möchte auf eines hinweisen: Das Beste an dem
Beschluß vom 16. Oktober ist jetzt, in der Rückschau,
daß die damals als möglich beschlossene militärische
Zwangsmaßnahme bisher nicht ergriffen werden mußte.
Richtig ist es aber, daß die Drohkulisse aufrechterhalten
bleiben muß, weil wir nicht wissen, wie sich ein unbere-
chenbares Regime wie das von Milosevic in Zukunft
verhalten wird.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Manchmal erlebt man ja Situationen, die einen etwas
gespenstisch anmuten.


(Dr. Helmut Kohl [CDU/CSU]: Sehr wahr! Sehr gut!)


Wenn ich höre, wie Herr Außenminister Fischer das
vorschlägt und gut begründet, überkommt mich ein we-
nig die Erinnerung


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wehmut!)


an eine Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt.
Was haben wir uns in diesem Hause alles anhören müs-
sen! Ich will einmal daran erinnern, daß wir seinerzeit,
als die Rechtsgrundlage für die Beteiligung der Bun-
deswehr an friedenserhaltenden Maßnahmen noch unge-
klärt war, der SPD vorgeschlagen haben, man möge
durch eine Klarstellung im Grundgesetz diese Zweifel
beseitigen, und daß die SPD dies abgelehnt hat, nicht
weil sie rechtliche Bedenken hatte, sondern weil sie es
politisch nicht wollte. Das ist erst wenige Jahre her.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Ich habe noch im Ohr, wie insbesondere eine Kolle-

gin und ein Kollege aus der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen – ich nenne sie mit Namen –, Frau Kollegin
Beer – sie nickt zustimmend; danke, Frau Kollegin –
und der Kollege Ludger Volmer, uns, als wir die Betei-
ligung Deutscher an den AWACS-Einsätzen beschlos-
sen haben, vorgehalten haben, wir täten dies nicht aus
humanitären Gründen, wir täten dies nicht, um den Frie-
den zu erhalten, sondern wir täten dies ganz bewußt und
bösartig, um die deutsche Außenpolitik zu militarisieren.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Und heute klatschen sie!)


Und heute steht der frühere Fraktionssprecher und jetzi-
ge Außenminister, Joseph Fischer, vor uns und emp-
fiehlt uns dringend – in Richtung seiner Fraktion fast be-
schwörend – die Zustimmung zu dem Vorschlag der
Bundesregierung. Ich kann nur sagen: Ich freue mich
über diese Entwicklung. Aber ich sage in Abwandlung
eines alten Spruches: Welch eine Wendung durch
Joschkas Fügung.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch et-
was sehr Ernstes sagen. Herr Fischer hat auf den dritten
Korb der Vereinbarungen Holbrooke-Milosevic hinge-
wiesen. Wir müssen uns über eines klar sein: Wir haben
immer betont, militärische Maßnahmen können nur das
letzte Mittel sein, wenn politische Maßnahmen nicht ge-
fruchtet haben. Ich beschwöre alle Beteiligten, eine
Friedenslösung für den Kosovo zu suchen. Ich rege an,
daß die Staatengemeinschaft ein zweites Dayton-
Abkommen initiiert und vorbereitet. In diesen Prozeß
müssen alle Interessen eingebunden werden. Die Posi-
tionen stehen sich heute unversöhnlich gegenüber. Die
einen wollen nicht Autonomie, sondern Unabhängigkeit,
die anderen sagen: An unserem Staatsverband wird kei-
nen Deut gerüttelt. Hier muß, auch durch äußeren
Druck, eine Vereinbarung politischer Natur zustande
kommen. Ansonsten werden wir Jahr für Jahr, auch in
ferner Zukunft, hier stehen und werden immer wieder
solche Beschlüsse zu fassen haben wie heute.

Auch das Völkerrecht muß weiterentwickelt werden.
Das Völkerrecht ist nicht darauf eingestellt, daß es Kon-
flikte innerhalb von Staaten gibt. Wir müßten im Völ-
kerrecht für Situationen wie im Kosovo Regeln entwik-

Bundesminister Rudolf Scharping






(B)



(A) (C)



(D)


keln, wonach eine Bevölkerung ihre legitimen Rechte
wahrnehmen kann, ohne sich aus einem Staatsverband
zu lösen.

Ich wiederhole: Die F.D.P.-Fraktion stimmt der Vor-
lage der Bundesregierung zu.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400607400
Es spricht jetzt die
Abgeordnete Heidi Lippman-Kasten, PDS.


Heidi Lippmann-Kasten (PDS):
Rede ID: ID1400607500
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Die Entscheidung des bereits
abgewählten 13. Bundestages vom 16. Oktober, durch
einen völkerrechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr im
Rahmen der NATO Jugoslawien gegebenenfalls zu
bombardieren, stellte einen tiefen Einschnitt in die deut-
sche Geschichte dar.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das ist dieselbe Rede wie heute morgen im Ausschuß!)


Wer allerdings erwartet hatte, daß Rotgrün neue frie-
denspolitische Wege beschreiten würde, der wurde arg
enttäuscht. Der unter Mißachtung des Völkerrechts zu-
stande gekommene Beschluß wurde, nachdem Abkom-
men über die Entschärfung des Konflikts erzielt wurden,
nicht etwa zurückgenommen, sondern der Angriffsbe-
fehl wurde aufrechterhalten.

Durch die Entsendung von Kampftruppen nach Ma-
zedonien, über die wir in den nächsten Tagen beraten
werden, wird Mazedonien als bisher unbeteiligtes Land
in den Strudel des Konfliktes hineingezogen,


(Beifall bei der PDS)

und zwar ohne daß Mazedonien bis heute einer Statio-
nierung zugestimmt hat. Man hofft lediglich darauf, daß
die neue Regierung zustimmen wird.

Die aktuelle Debatte und auch die Koalitionsverein-
barung beweisen, daß die neue Regierung nicht den ver-
sprochenen Wechsel bringen wird, sondern die altbe-
kannte Machtpolitik der Regierung Kohl nahezu nahtlos
von Kanzler Schröder und Außenminister Fischer fort-
gesetzt wird und die Dominanz des Militärischen in der
Außenpolitik unseligerweise fortbesteht.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völliger Blödsinn!)


Statt sich auf den Verfassungsauftrag des Grundgesetzes
rückzubesinnen, wonach die Bundeswehr nur zu Vertei-
digungszwecken eingesetzt werden darf, machen Sie
sich durch Ihre Zustimmung zu Kampfeinsätzen im vor-
auseilenden Gehorsam zu Befehlsempfängern der USA
und der NATO.

An der Verschärfung der Situation im Kosovo trägt
die bisherige deutsche Außen- und Innenpolitik ein Teil
Mitverantwortung, zum Beispiel auf Grund des Rück-
nahmeabkommens, das 1996 Herr Kinkel mit Herrn

Milosevic unterzeichnet hat, mit dem man die Apart-
heids- und Vertreibungspolitik gegen die Kosovo-
Albaner unterstützte. Denkbare Sanktionen unterhalb ei-
nes militärischen Einsatzes wurden nicht ausreichend
genutzt, und auch im Dayton-Vertrag wurde die Koso-
vo-Frage ausgeklammert.

Die PDS-Fraktion hat die Entsendung einer OSZE-
Beobachtermission begrüßt.


(Gernot Erler [SPD]: Aha!)

Nicht einverstanden sind wir mit der Stationierung von
Bundeswehrkräften im Rahmen eines NATO-Einsatzes.
Denn dadurch wird der zunächst positiv erscheinende
Ansatz der Einbeziehung der OSZE, die Ausweitung
und Stärkung ihrer Rolle bei der zivilen Konfliktbear-
beitung, konterkariert.

Meine Damen und Herren, das bleibt, auch wenn sich
die UN-Resolution 1203 als Mandat für die Überwa-
chungs- und sogenannten Notfallmaßnahmen interpre-
tieren lassen sollte, ein falscher Weg. Meine Fraktion
wird dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.

Ich warne ausdrücklich davor, daß die heutige Ent-
scheidung zu einem Präzedenzfall dafür wird, künftige
humanitäre, zivile Missionen generell durch das Militär
zu unterstützen. An die neue Regierung appelliere ich:
Verzichten Sie auf eine bellizistisch ausgerichtete Poli-
tik, und beenden Sie Ihre Politik militärischer Interven-
tionen! Dann werden Sie auch unsere Unterstützung be-
kommen.


(Ulrich Irmer [F.D.P.]: Darauf legen wir keinen Wert!)


Danke.

(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400607600
Frau Kollegin Lipp-
mann-Kasten, das war Ihre erste Rede in diesem Hohen
Hause. Ich gratuliere Ihnen dazu.


(Beifall bei der PDS – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ist total daneben gegangen!)


In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und im Sinne
eines flüssigen Ablaufs der namentlichen Abstimmung
bitte ich um Ruhe in diesem Haus.

Jetzt hat noch einmal Bundesminister Joseph Fischer
das Wort.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1400607700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung wurde
von der CDU/CSU-Fraktion nachdrücklich gebeten – da
wir keinen Formalstreit wollen und es aus unserer Sicht
darüber nichts zu streiten gibt, komme ich diesem
Wunsch im Einverständnis mit den anderen Fraktionen
gerne nach –, eine aktuelle Unterrichtung über die Irak-
Krise zu geben. Wir haben darüber heute morgen im
Auswärtigen Ausschuß bereits ausführlich unterrichtet

Ulrich Irmer






(A) (C)



(B) (D)


und diskutiert. Ich will in der gebotenen Kürze die
wichtigsten Punkte hier vortragen.

Wir sehen die Zuspitzung der Lage im Irak als sehr,
sehr ernst an. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß es in
der kommenden Woche zu einer sehr ernsten Konfron-
tation kommen könnte.

Die Bundesregierung unterstützt vorbehaltlos die
Position des Sicherheitsrates. Alle Mitglieder des Si-
cherheitsrates verurteilen das Vorgehen des Irak und
fordern den Irak auf – der Sicherheitsrat vertritt, wenn
man die jetzige Situation mit der Situation in der letzten
Irak-Krise vor etwa einem halben Jahr vergleicht, eine
sehr einmütige Haltung –, die Resolution des Sicher-
heitsrates und die Vereinbarung zwischen dem UN-
Generalsekretär Kofi Annan und der irakischen Regie-
rung vollständig und rückhaltlos zu erfüllen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte vor der Abstimmung in aller Kürze, es ist
wirklich nur im Telegrammstil möglich, – –


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie schleudern ja!)


– Ich schleudere nicht. Sie wollten die Unterrichtung.
Ich wußte ganz genau, daß es nicht um eine Unterrich-
tung geht. Ich dachte mir, daß wir uns in einer solch zu-
gespitzten Situation, in einer solchen Krise zumindest
darin einig sind, daß wir die Position des Sicherheitsra-
tes inhaltlich voll unterstützen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich weiß gar nicht, wo es da ein Schleudern gibt.
Wenn es am Ende zu einem Zusammenprall kommt,

ist es, so sage ich Ihnen, allein die Schuld der irakischen
Regierung


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


und eines, wie ich finde, verbrecherischen Regimes,

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


dessen Vorgehensweise von der Völkergemeinschaft
und auch von der Volksrepublik China, von Rußland,
von Frankreich, von allen ständigen und nichtständigen
Mitgliedern abgelehnt wird.


(Zuruf)

– Dies ist eine ernsthafte Unterrichtung in einer Situa-
tion, in der es unter Umständen in der nächsten Woche
eine militärische Konfrontation geben kann, die das, was
seit dem Golfkrieg im Bereich des Denkbaren ist, durch-
aus übersteigen kann. Solch eine Unterrichtung quittie-
ren Sie – seien Sie mir nicht böse – mit nicht gerade sehr
kompetenten Zwischenrufen. Deshalb frage ich mich,

was der Wunsch nach Unterrichtung in diesem Hause
wirklich soll.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich dachte, Sie wollten eine ernsthafte Unterrichtung
haben.

Ich wollte Ihnen nochmals klarmachen, daß es nun
vor allem beim Irak liegt, der Arbeit der UN-
Abrüstungsbehörde entgegenzukommen, sie aktiv zu
unterstützen, um die Aufhebung der schwer auf dem
Land lastenden Maßnahmen des Boykotts und der Isola-
tion, die vor allen Dingen die Bevölkerung treffen, zu
erreichen. Hier betreibt die irakische Regierung ein zy-
nisches Spiel mit den Schwächsten in der eigenen Be-
völkerung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS)


Die Aufhebung dieser Maßnahmen ist gebunden an
die volle Erfüllung der UN-Sicherheitsratsresolution.
Das ist die Haltung der Bundesregierung. Ich möchte
hier noch einmal klarmachen, warum. Die Haltung des
Irak ist nicht akzeptabel. Wir unterstützen die Haltung
des Sicherheitsrates. Die Präsidentschaft des Sicher-
heitsrates haben gegenwärtig die USA inne. Insofern
unterstützen wir selbstverständlich alle Bemühungen,
um einen Zusammenprall zu verhindern. Wir haben mit
Frau Albright und mit Präsident Clinton gesprochen, der
Bundeskanzler hat gestern noch mit Präsident Clinton
telefoniert. Ziel der US-Regierung ist es, eine militäri-
sche Konfrontation zu verhindern. Das bedeutet, daß der
Irak auf die Grundlage der Erfüllung der Sicherheitsrats-
resolution zurückgehört.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Sie werden hieraus keine kleinliche parteipolitische
Münze schlagen können. Das verspreche ich Ihnen.

Ich möchte hier nochmals klarmachen, meine Damen
und Herren: Das atomare Potential des Irak ist weitest-
gehend erfaßt und zerstört. Das sogenannte atomare
Dossier kann nach Meinung der UN-Abrüstungskom-
mission geschlossen werden. Beim Lenkwaffen-Dossier
gibt es noch Probleme, gibt es noch offene Fragen, auch
wenn sie weitestgehend abgearbeitet sind. Bei den Che-
miewaffen gibt es noch sehr ernste Fragen, die aller-
dings nach Meinung von Herrn Butler, dem Leiter der
UN-Abrüstungskommission für den Irak, innerhalb von
drei bis vier Monaten hätten abgearbeitet werden kön-
nen. Dann wäre in der Tat die Möglichkeit eröffnet ge-
wesen, zumindest eine teilweise Aufhebung des von den
Vereinten Nationen angeordneten Boykotts gegenüber
dem Irak zu beraten und dann auch zu beschließen. Bei
den biologischen Waffen sind nach wie vor noch sehr
viele ernste Fragen offen. Das ist die Situation. Der Irak
hat sich aus dieser Zusammenarbeit verabschiedet, ob-
wohl die UN-Abrüstungsbehörde seinen Vorstellungen
immer wieder entgegengekommen ist. Daß er sich dar-

Bundesminister Joseph Fischer






(B)



(A) (C)



(D)


aus verabschiedet hat, ist die eigentliche Ursache der
Krise.

Ich sage Ihnen nochmals: Wenn es auch manchmal
schwierig ist, die Dinge zu Ende zu denken, kann es
nicht akzeptiert werden – niemand im UN-Sicherheits-
rat, weder ein ständiges noch ein nicht ständiges Mit-
glied, ist bereit, das zu akzeptieren – daß Massenver-
nichtungsmittel in den Händen von Saddam Hussein
verbleiben. Das kann nicht akzeptiert werden.


(Beifall im ganzen Hause)

Hier muß die irakische Führung wissen, daß die Völker-
gemeinschaft – ich betone nochmals: alle Mitglieder des
UN-Sicherheitsrates – nicht bereit ist, dieses zu akzep-
tieren. Ich entnehme Ihrem Beifall, daß Sie hier die
Haltung der Bundesregierung unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400607800
Der letzte Redner in
der Debatte ist der Abgeordnete Volker Rühe.


Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID1400607900
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist in einer
Situation, in der nicht ausgeschlossen werden kann, daß
es bis zum nächsten Zusammentreten des Deutschen
Bundestages zu schwerwiegenden militärischen Hand-
lungen kommt, angemessen, daß die CDU/CSU-
Fraktion um diese Unterrichtung gebeten hat und daß
wir uns hier im deutschen Parlament abstimmen. Unser
Interesse muß sein, daß die deutsche Stimme in dieser
zugespitzten Situation klar, deutlich und von einem
möglichst breiten Konsens getragen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nur dann haben wir auch einen Einfluß auf die Ent-
wicklung.

Wir stimmen dem zu, was hier gesagt worden ist:
natürlich die Unterstützung für den Weltsicherheitsrat,
natürlich weiterhin alle Bemühungen. Aber die Frage ist
offengeblieben: Was passiert – und das zeichnet sich
ab –, wenn das nicht zu einem Erfolg führt?

Saddam Hussein hat einseitig die Kooperation mit der
Weltgemeinschaft aufgekündigt. Tony Blair, der engli-
sche Premierminister, hat heute gesagt: Dies hat
schwerwiegende Konsequenzen für die ganze Welt.
Wenn es nötig ist, mit Waffengewalt – und das kann in
den nächsten Tagen erfolgen – durch die amerikanischen
Freunde, durch die Engländer auf einer klaren rechtli-
chen Grundlage der Vereinten Nationen zu handeln,
dann ist meine herzliche Bitte, damit der deutsche Ein-
fluß zum Tragen kommt, daß wir uns darüber verständi-
gen, daß Deutschland an der Seite derjenigen steht, die
dafür sorgen, daß dem Irak nicht durchgehen kann, sich
aus der Weltgemeinschaft durch die Aufkündigung die-
ser Vereinbarung zu entfernen. Das ist eine Haltung, die

wir von der Bundesregierung in dieser Situation erwar-
ten.

Im Februar hat der damalige Bundeskanzler, Helmut
Kohl, – wir waren in München zusammen auf der Si-
cherheitskonferenz; Herr Kollege Scharping hat sich
damals schon sehr eindeutig geäußert – gesagt: Wenn es
zur Anwendung von Waffengewalt kommt, dann stehen
wir an der Seite unserer amerikanischen Verbündeten.
Wir werden alle Möglichkeiten nutzen – auch logistisch,
was die Basen angeht –, um sie zu unterstützen. Herr
Außenminister Fischer und Herr Bundeskanzler, das ist
das, was wir gerne auch von Ihnen hören möchten.

Bis zur letzten Minute muß versucht werden, den Irak
wieder in die Weltgemeinschaft und in die Verabredung
zurückzuführen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat er doch gesagt!)


Falls das scheitert, muß klar sein: Deutschland steht an
der Seite unserer Freunde und Verbündeten, auch wenn
es zu einer militärischen Aktion kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400608000
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Debatte wird fortgesetzt. Deswegen
erteile ich jetzt das Wort dem Abgeordneten Gernot Er-
ler, SPD.

Ich bitte, daß die Kolleginnen und Kollegen vielleicht
doch noch einmal die Plätze einnehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1400608100
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich sehe einen Unter-
schied, Herr Kollege Rühe, zwischen Ihrer Position und
der, die der Bundesaußenminister dargelegt hat. Der
Bundesaußenminister hat deutlich gemacht, daß es auch
in einer solchen prekären Situation vernünftiger ist, noch
einmal in einem Restoptimismus auf eine Lösung zu
setzen, die eben nicht zu einem militärischen Einsatz
führt. Sie dagegen machen hier nichts weiter als einen
Appell, der darauf abzielt, einer anderen Lösung zuzu-
stimmen. Dazu muß ich sagen: Ich finde das, was Herr
Fischer hier vorgetragen hat, sympathischer


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Hier geht es nicht um Sympathie!)


und konstruktiver, und ich finde, daß das in einer besse-
ren deutschen Tradition steht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben in den letzten Stunden und Tagen durch-
aus noch Signale bekommen, die anzeigten, daß es eine
Möglichkeit gibt, in letzter Minute noch ein Einlenken
der irakischen Führung zu erreichen. Herr Fischer hat
mit aller notwendigen Deutlichkeit hier zum Ausdruck
gebracht, daß es keine andere Möglichkeit gibt. Unsere
Appelle richten sich an niemand anderen als an die ira-

Bundesminister Joseph Fischer






(A) (C)



(B) (D)


kische Führung, als an Saddam Hussein selbst. Er hat es
in der Hand, Unheil von seinem Land und seiner Bevöl-
kerung abzuwenden. Darüber sind wir uns doch hof-
fentlich einig.

Wir sind uns auch darüber einig – das hat Herr Fi-
scher deutlich gesagt –, daß es einfach nicht akzeptabel
ist – es ist vor allem deshalb nicht akzeptabel, weil hier
die Autorität der Vereinten Nationen, der Weltorgani-
sation, auf dem Spiel steht –, daß sich der Irak einseitig
aus seinen Verpflichtungen verabschiedet hat. Aber es
gab auch Signale in den letzten Stunden, die darauf hin-
deuteten, vielleicht durch eine Vermittlung, um die ge-
radezu gebeten wurde, einen Ausweg aus der Falle, die
hier entstanden ist, zu finden.

Herr Rühe, leider haben Sie dazu gar nichts gesagt.
Das heißt, ich hab den Eindruck, daß Sie eher wünschen,
daß es hier zu einer solchen Auseinandersetzung kommt.


(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU – Paul Breuer [CDU/CSU]: Unglaublich! – Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Eine bodenlose Unterstellung! Setzen Sie sich hin! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! – Schäm dich!)


Herr Rühe, warum haben Sie denn dem Außenmini-
ster nicht zugestimmt, daß bis zum letzten Moment – ich
habe darauf gewartet, daß Sie, Herr Rühe, das sagen –
hier verhandelt wird? Ich habe nur festgestellt, daß eine
solche Äußerung nicht gekommen ist.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Peinlich! – Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Blamabel!)


Ich möchte noch etwas Grundsätzliches zu der gan-
zen Politik gegenüber dem Irak anmerken. Wir haben
heute morgen hier eine sehr akzeptable und sehr ver-
nünftige Diskussion mit dem Außenminister im Aus-
wärtigen Ausschuß geführt. Wir müssen auch darüber
nachdenken, daß die bisherige Politik des Embargos den
Irak in eine Situation von individueller Ausweglosigkeit
geführt hat. Es ist eine grundsätzliche Überlegung, ob es
richtig ist, eine solche Situation aufrechtzuerhalten. Es
muß auch in Zukunft wieder die Möglichkeit geben, ein
politisches Mittel in der Hand zu haben.

Wir haben eine ganz ähnliche Situation bei Milosevic
in der Bundesrepublik Jugoslawien.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aufhören!)

Hier haben wir kein politisches Mittel mehr in der Hand.
– Ich sehe Herrn Kinkel. Sie haben uns einmal im Aus-
wärtigen Ausschuß über Gespräche mit Milosevic be-
richtet. Sie haben gesagt: Er hat mir geantwortet: Ihr
könnt machen, was ihr wollt, ihr könnt mir nicht mehr
weh tun; ihr könnt mich mit nichts mehr bedrohen. –
Deswegen waren auch die Möglichkeiten reduziert, mit
ihm überhaupt ein Agreement, einen Konsens zu finden.
Leider verhält es sich ähnlich – das ist eine grundsätzli-
che Frage – in bezug auf den Irak.


(Zurufe von der CDU/CSU: Es reicht! – Schwätzer!)


Deswegen müssen wir gemeinsam darüber nachdenken.
Solche Fragen, wie es überhaupt zu solchen Fallen
kommen kann, in der Außenpolitik mitzubedenken, ist
wichtiger, als einseitige Forderungen zu stellen, die
meines Erachtens spekulativ sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Schlechteste Rede des Tages!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400608200
Das Wort hat jetzt
der Abgeordnete Klaus Kinkel, F.D.P.


Dr. Klaus Kinkel (FDP):
Rede ID: ID1400608300
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin in der Tat der
Meinung, daß wir eine sehr zugespitzte Situation in der
Region haben. Anders als im Februar, wo es relativ lan-
ge danach aussah, daß die Situation durch politisch-
diplomatische Gespräche bereinigt werden könnte, ist
die Situation diesmal komplizierter, weil eben Saddam
Hussein zum wiederholten Male das, was er dem Gene-
ralsekretär der Vereinten Nationen fest zugesagt hatte,
nicht eingehalten hat. Das ist der entscheidende Unter-
schied.

Trotzdem glaube ich, daß wir uns hier im Haus ge-
meinsam – deshalb bin ich an das Rednerpult gegangen
– über folgende Verfahrensweisen einig sein sollten:

Erstens. Es muß alles, aber auch wirklich alles ver-
sucht werden, um auf politisch-diplomatischem Wege zu
einer Lösung zu kommen. Deshalb fordere ich Kofi
Annan nochmals auf – ich habe das heute schon an an-
derer Stelle getan –, unverzüglich in den Irak zu reisen
und genau wie im Februar den Versuch zu machen, doch
noch in letzter Minute zu einer politisch-diplomatischen
Lösung zu kommen, zumal der Irak erklärt hat, daß er zu
solchen Gesprächen mit Kofi Annan bereit ist. Das ist
Aufgabe des Generalsekretärs. Der Sicherheitsrat sollte
nicht nur darüber reden, sondern ihm den Auftrag ertei-
len, hinzureisen und diese letzte politisch-diplomatische
Anstrengung zu machen, um doch noch zu einer friedli-
chen Lösung zu kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Zweitens. Wenn das nicht gelingt, dann allerdings

glaube ich, daß es diesmal wirklich zwingend notwendig
ist, Saddam Hussein zu zeigen, wohin die Reise zu ge-
hen hat. Denn – ich habe mich mit der Materie auch
selbst sehr beschäftigt; was der Kollege Fischer vorhin
erklärt hat, ist zutreffend – wir haben nach wie vor ab-
solute Unsicherheit im Bereich der biologischen Waf-
fen. Was das für die Region und für die Welt bedeuten
kann, brauche ich hier nicht auszumalen.

Das würde bedeuten, daß wir, wenn die Amerikaner
bereit sind und die notwendige Rechtsgrundlage gege-
ben ist – ich glaube, daß sie gegeben ist; ich habe mich
gestern noch einmal damit beschäftigt –, auf Grund der
Sicherheitsratsresolution 687 – vor allem der alten,
aber auch der neuen Resolution vom 5. November –

Gernot Erler






(B)



(A) (C)



(D)


politische und logistische Unterstützung zu leisten
haben. Zu mehr werden wir nicht gefordert werden, aber
das ist notwendig; die alte Bundesregierung hat es im
Februar zugesagt.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Dazu sollten wir uns in einer so ernsten Situation dann
aber gemeinsam bereit finden.

Deshalb nochmals mein Appell – ich glaube, es sollte
unser aller Appell sein –, alles politisch und diploma-
tisch Mögliche zu versuchen. Für meine Begriffe hat ne-
ben Rußland und Frankreich, die Einfluß haben, im
Grunde – wenn überhaupt – nur Kofi Annan die Chance,
die Sache nochmals zu wenden.

Deshalb der Appell an den Sicherheitsrat: Gebt ihm
den Auftrag! Redet nicht immer nur darüber, sondern
gebt ihm in der Funktion als Sicherheitsrat den klaren
Auftrag, dorthinzureisen! Im Sicherheitsrat wird näm-
lich immer herumgeredet – heute kann ich das einmal
deutlich sagen. Gebt ihm den Auftrag, als Generalse-
kretär dorthinzureisen und eine diplomatische, politische
Lösung zu suchen. Wenn das allerdings keinen Erfolg
hat, müssen diejenigen, die handeln, wissen, daß sie un-
sere politische und logistische Unterstützung haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400608400
Nächste Rednerin ist
die Abgeordnete Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grü-
nen.


(Paul Breuer [CDU/CSU]: Jetzt ist der Bär los!)



Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1400608500
Frau
Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine
Fraktion sieht die aktuelle Entwicklung im Irak mit
allergrößter Sorge. Wir wissen wohl, daß die Situation
noch ein Stückchen ernster und gefährlicher ist als zu
dem Zeitpunkt, zu dem wir sie im Frühjahr hier disku-
tieren mußten.

Gerade in dieser Minute, in diesen Stunden laufen die
letzten diplomatischen Bemühungen, um zu erreichen,
daß Kofi Annan überhaupt noch einen Vermittlungsver-
such starten kann.

Ich finde es richtig, daß wir in dieser Situation vom
Bundesaußenminister Fischer über die aktuelle Situation
unterrichtet wurden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich finde es vollkommen fahrlässig, Herr Kollege Rühe,
wenn diese Situation parteipolitisch mißbraucht wird,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU und F.D.P.)


um hier jetzt – zu einem Zeitpunkt, zu dem wir die in-
ternationale Unterstützung und Verurteilung Saddams
benötigen, um klarzumachen, daß dieser Diktator, dieser
Vernichter der Zivilisation im Irak, international auf der
Anklagebank sitzt – mit einer Bundesregierung, die ge-
nau diesen diplomatischen Weg unterstützt, eine militä-
rische Diskussion zu führen, die uns aus dem Dilemma,
das doch offensichtlich ist, nicht herausführt.

Es ist nun einmal so, Herr Kollege Rühe – als Vertei-
digungsminister haben Sie sehr viel zurückhaltender ge-
redet, als Sie das eben getan haben –,


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

daß Luftangriffe allein keine politische Lösung für diese
Situation im Irak sind. Wir wissen doch, daß die Men-
schen zu leiden haben und daß wir in der fatalen Situa-
tion sind, daß Saddam glaubt, sich in dieser Notsituation
auch noch selbst stärken zu können, und daß er Luft-
schläge deshalb fast schon provoziert. Das ist doch das
Zynische an dieser Politik des – man kann es eigentlich
nicht mehr so nennen – irakischen Regimes. Eigentlich
müßte man von einem Amoklauf sprechen, der geradezu
eingefordert wird. Die Herausforderung an die interna-
tionale Staatengemeinschaft besteht doch darin, nicht
einfach zu sagen: „Wir hauen jetzt drauf“, sondern nach
einer Lösung in dieser Region zu suchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt, daß wir jede Sekunde nutzen müssen, die
Diplomatie zu unterstützen, zu stärken, um die Arbeit
der UNSCOM nicht leichtfertig – wie etwa durch einen
Luftangriff – aufs Spiel zu setzen. Wir müssen vielmehr
mit allen Mitteln versuchen, die UNSCOM dort wieder
arbeiten zu lassen – auch im Sinne der Bevölkerung im
Irak – und müssen in sehr engen Kontakten mit den
Partnern und den Verbündeten in genau diese Richtung
wirken.

Wenn das geschieht, Herr Kollege Rühe, dann wird –
da bin ich zuversichtlich – unsere Regierung rechtzeitig
verantwortlich diskutieren und unterrichten; denn das,
was dort bei einem Militärschlag passiert, wird schlim-
mere Folgen als alles andere zusammen haben.

Ich will hier betonen: Unsere Sorge gilt auch Israel
und der Bevölkerung dort. Fahrlässige Militärschläge
könnten auf Grund des unberechenbaren und verant-
wortungslosen Regimes im Irak eine Eskalationsspirale
hervorrufen. Das heißt, daß wir dort mit Fingerspitzen-
gefühl und nicht mit Parteipolitik zu agieren haben. Die
können wir jetzt nicht gebrauchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400608600
Letzter Redner ist
der Abgeordnete Wolfgang Gehrcke, PDS.


(Zuruf: Das fehlt uns gerade noch! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS]: Ja, das fehlt Ihnen auch noch! – Zuruf von der CDU/CSU: Was hat er gesagt?)


Dr. Klaus Kinkel






(A) (C)



(B) (D)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400608700
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Der Zwischenruf war: „Das
fehlt uns gerade noch“. Darauf habe ich geantwortet:
„Ja, das fehlt Ihnen auch noch.“

Man hätte diese Debatte nach der sehr ernsthaften
und differenzierten Information durch den Bundesau-
ßenminister vermeiden können, wenn es nicht die maß-
lose und, wie ich fand, schamlose Rede von Volker Rü-
he gegeben hätte – maßlos und schamlos!


(Beifall bei der PDS – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Der Bundesaußenminister hat hier das Gefühl signali-
siert, daß in der Tat auch die Bundesregierung versuchen
wird, ihren Einfluß geltend zu machen, so daß nicht auf
die Ultima ratio, den Militärschlag, gesetzt wird, son-
dern daß alle Möglichkeiten zur Verhandlung, die
Saddam Hussein dazu zwingen, die Resolution des UN-
Sicherheitsrates einzuhalten und die übrigens auch das
Leiden der Zivilbevölkerung im Irak mildern können,
genutzt werden, um diesen Militärschlag zu verhindern.
Für diesen Militärschlag gibt es ein Wort, das man hier
im Bundestag auch ansprechen sollte: Krieg. Es handelt
sich um Krieg, bei dem Menschen in großer Zahl um-
kommen werden. Wenn man dies zu einer scharfmache-
rischen Rede nutzt, in der nicht gesagt wird: „Nutzt alle
Verhandlungen!“, sondern die Losung ausgegeben wird:
„Jetzt Augen zu und durch!“, dann versündigt man sich
an der Sicherheitspolitik und macht das eigene Anliegen
unglaubwürdig.


(Beifall bei der PDS – Paul Breuer [CDU/ CSU]: Sie können nicht zuhören!)


Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, daß vor
dem Hintergrund der komplizierten Situation, die wir in
der europäischen Region, im Kosovo und anderswo, ha-
ben, ein solcher Militärschlag nicht ohne Auswirkungen
bleiben wird.

Der Bundesaußenminister hat deutlich gemacht, daß
sich der UN-Sicherheitsrat, was die Verurteilung der
Politik von Saddam Hussein angeht, einig ist. Er muß
aber gleichzeitig sagen, daß in der Frage eines Militär-
schlages die Meinungen im UN-Sicherheitsrat sehr un-
terschiedlich sein werden. Auch das mahnt zur Beson-
nenheit, zu Verhandlungen und zur Vernunft. Dieses
Zeichen sollte von diesem Hause ausgehen und nicht
solche Reden wie die, wie wir sie uns hier anhören
mußten.

Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400608800
Ich schließe damit
die Aussprache.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich be-
kannt, daß es zwei schriftliche Erklärungen zur Ab-
stimmung nach § 31 der Geschäftsordnung gibt. Es han-
delt sich zum einen um eine schriftliche Erklärung der
Kollegin Annelie Buntenbach und anderer1) und zum
anderen um eine schriftliche Erklärung des Kollegen
Winfried Nachtwei und anderer.2)

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Be-
schlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem
Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung
an der NATO Luftüberwachungsoperation über dem
Kosovo, Drucksachen 14/16 und 14/32. Der Ausschuß
empfiehlt, dem Antrag zuzustimmen. Die Fraktion der
CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung.

Bevor ich die Abstimmung eröffne, bitte ich um Ihre
Aufmerksamkeit für folgenden Hinweis: Es sind sechs
Urnen aufgestellt; jeder Urne ist eine bestimmte Buch-
stabengruppe zugeordnet. Sie dürfen Ihre Stimmkarte
ausschließlich in diejenige Urne werfen, deren Buchsta-
bengruppe den Anfangsbuchstaben Ihres Nachnamens
umfaßt. Achten Sie bitte darauf, daß die von Ihnen be-
nutzte Abstimmungskarte Ihren Namen trägt.

Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftfüh-
rer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle
Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-
stimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Damit schließe ich die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen.

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.


(Unterbrechung von 15.50 bis 15.57 Uhr)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1400608900
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über die Beschlußempfehlung des Auswär-
tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung
zur deutschen Beteiligung an der NATO-Luftüber-
wachungsoperation über dem Kosovo auf den Druck-
sachen 14/16 und 14/32 bekannt. Abgegebene Stim-
men 582. Mit Ja haben gestimmt 540, mit Nein haben
gestimmt 30, Enthaltungen 12.

——————
1) Anlage 2
2) Anlage 3






(B)



(A) (C)



(D)


Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 582;
davon:

ja: 540
nein: 30
enthalten: 12

Ja
SPD
Adler, Brigitte
Andres, Gerd
Arnold, Rainer
Bachmaier, Hermann
Bahr, Ernst
Barnett, Doris
Bartels, Dr. Hans-Peter
Barthel (Berlin), Eckhardt
Barthel (Starnberg), Klaus
Becker-Inglau, Ingrid
Behrendt, Wolfgang
Berg, Dr. Axel
Bertl, Hans-Werner
Beucher, Friedhelm Julius
Bierwirth, Petra
Bindig, Rudolf
Binding (Heidelberg), Lothar
Bodewig, Kurt
Brandner, Klaus
Brandt-Elsweier, Anni
Brase, Willi
Brecht, Dr. Eberhard
Brinkmann (Hildesheim),
Bernhard

Brinkmann (Detmold),
Rainer

Bruckmann, Hans-Günter
Bulmahn, Edelgard
Burchardt, Ursula
Bürsch, Dr. Michael
Bury, Hans Martin
Büttner (Ingolstadt), Hans
Caspers-Merk, Marion
Catenhusen, Wolf-Michael
Däubler-Gmelin, Dr. Herta
Danckert, Dr. Peter
Deichmann, Christel
Diller, Karl
Dreßen, Peter
Dreßler, Rudolf
Dzembritzki, Detlef
Dzewas, Dieter
Eckardt, Dr. Peter
Edathy, Sebastian
Eich, Ludwig
Elser, Marga
Enders, Peter
Erler, Gernot
Ernstberger, Petra
Faße, Annette
Fischer (Homburg), Lothar
Fograscher, Gabriele
Follak, Iris
Formanski, Norbert
Fornahl, Rainer
Forster, Hans

Freitag, Dagmar
Friedrich (Mettmann), Lilo
Friedrich (Altenburg), Peter
Friese, Harald
Fuchs (Köln), Anke
Fuhrmann, Arne
Ganseforth, Monika
Gleicke, Iris
Gloser, Günter
Göllner, Uwe
Gradistanac, Renate
Graf (Friesoythe), Günter
Graf (Rosenheim), Angelika
Grasedieck, Dieter
Großmann, Achim
Grotthaus, Wolfgang
Haack (Extertal),
Karl-Hermann

Hacker, Hans-Joachim
Hagemann, Klaus
Hampel, Manfred
Hanewinckel, Christel
Hartenbach, Alfred
Hasenfratz, Klaus
Heil, Hubertus
Hemker, Reinhold
Hempel, Frank
Hempelmann, Rolf
Hendricks, Dr. Barbara
Herzog, Gustav
Heubaum, Monika
Hiller (Lübeck), Reinhold
Hilsberg, Stephan
Höfer, Gerd
Hoffmann (Wismar), Iris
Hoffmann (Chemnitz),
Jelena

Hoffmann (Darmstadt),
Walter

Hofmann (Volkach), Frank
Holzhüter, Ingrid
Humme, Christel
Ibrügger, Lothar
Imhof, Barbara
Irber, Brunhilde
Iwersen, Gabriele
Jäger, Renate
Janssen, Jann-Peter
Janz, Ilse
Jens, Dr. Uwe
Jung (Düsseldorf), Volker
Kahrs, Johannes
Kasparick, Ulrich
Kaspereit, Sabine
Kastner, Susanne
Kirschner, Klaus
Klappert, Marianne
Klemmer, Siegrun
Klose, Hans-Ulrich
Körper, Fritz Rudolf
Kolbow, Walter
Kramme, Anette
Kressl, Nicolette
Kröning, Volker
Krüger-Leißner, Angelika
Kubatschka, Horst
Küchler, Ernst
Kühn-Mengel, Helga

Küster, Dr. Uwe
Kumpf, Ute
Kunick, Konrad
Labsch, Werner
Lafontaine, Oskar
Lambrecht, Christine
Lange, Brigitte
Lange (Backnang), Christian
Larcher von, Detlev
Lehder, Christine
Lehn, Waltraud
Leidinger, Robert
Lennartz, Klaus
Leonhard, Dr. Elke
Lewering, Eckhart
Lörcher, Christa
Lohmann (Neubrandenburg),
Götz-Peter

Lotz, Erika
Lucyga, Dr. Christine
Maaß (Herne), Dieter
Mante, Winfried
Manzewski, Dirk
Marhold, Tobias
Mark, Lothar
Mascher, Ulrike
Matschie, Christoph
Matthäus-Maier, Ingrid
Mattischeck, Heide
Mehl, Ulrike
Merten, Ulrike
Mertens, Angelika
Moosbauer, Christoph
Mosdorf, Siegmar
Müller (Völklingen), Jutta
Müller (Düsseldorf), Michael
Müntefering, Franz
Neumann (Bramsche),
Volker

Neumann (Gotha), Gerhard
Niehuis, Dr. Edith
Niese, Dr. Rolf
Nietan, Dietmar
Ohl, Eckhard
Onur, Leyla
Opel, Manfred
Ortel, Holger
Ostertag, Adolf
Palis, Kurt
Papenroth, Albrecht
Penner, Dr. Willfried
Pfannenstein, Georg
Pflug, Johannes
Pick, Dr. Eckhart
Poß, Joachim
Rehbock-Zureich, Karin
Renesse von, Margot
Rennebach, Renate
Reuter, Bernd
Robbe, Reinhold
Rossmann, Dr. Ernst Dieter
Roth (Speyer), Birgit
Roth (Heringen), Michael
Rübenkönig, Gerhard
Rupprecht, Marlene
Sauer, Thomas
Schäfer, Dr. Hansjörg
Schaich-Walch, Gudrun

Scharping, Rudolf
Scheelen, Bernd
Scheer, Dr. Hermann
Scheffler, Siegfried
Schild, Horst
Schily, Otto
Schloten, Dieter
Schmidbauer (Nürnberg),
Horst

Schmidt (Meschede),
Dagmar

Schmidt (Eisleben), Silvia
Schmidt (Aachen), Ulla
Schmidt (Salzgitter),
Wilhelm

Schmidt-Zadel, Regina
Schmitt (Berg), Heinz
Schneider, Carsten
Schnell, Dr. Emil
Schöler, Walter
Scholz, Olaf
Schönfeld, Karsten
Schösser, Fritz
Schreiner, Ottmar
Schröder, Gerhard
Schröter, Gisela
Schubert, Dr. Mathias
Schütz (Oldenburg), Dietmar
Schuhmann (Delitzsch),
Richard

Schulte (Hameln), Brigitte
Schultz (Everswinkel),
Reinhard

Schultz (Köln), Volkmar
Schumann, Ilse
Schurer, Ewald
Schuster, Dr. R. Werner
Schwall-Düren, Dr. Angelica
Schwanhold, Ernst
Schwanitz, Rolf
Seidenthal, Bodo
Simm, Erika
Skarpelis-Sperk, Dr. Sigrid
Sonntag-Wolgast,
Dr. Cornelie

Sorge, Wieland
Spanier, Wolfgang
Spielmann, Dr. Margrit
Spiller, Jörg-Otto
Staffelt, Dr. Ditmar
Steen, Antje-Marie
Stiegler, Ludwig
Stöckel, Rolf
Streb-Hesse, Rita
Struck, Dr. Peter
Stünker, Joachim
Tappe, Joachim
Tauss, Jörg
Teuchner, Jella
Thalheim, Dr. Gerald
Thierse, Wolfgang
Thönnes, Franz
Titze-Stecher, Uta
Tröscher, Adelheid
Urbaniak, Hans-Eberhard
Veit, Rüdiger
Violka, Simone
Vogt (Pforzheim), Ute

Vizepräsidentin Petra Bläss






(A) (C)



(B) (D)


Wagner, Hans Georg
Wegener, Hedi
Wegner, Dr. Konstanze
Weiermann, Wolfgang
Weis (Stendal), Reinhard
Weisheit, Matthias
Weißgerber, Gunter
Weisskirchen (Wiesloch),
Gert

Weizsäcker von,
Dr. Ernst Ulrich

Welt, Hans-Joachim
Wend, Dr. Rainer
Wester, Hildegard
Westrich, Lydia
Wettig-Danielmeier, Inge
Wetzel, Dr. Margrit
Wieczorek, Dr. Norbert
Wieczorek (Duisburg),
Helmut

Wieczorek (Böhlen), Jürgen
Wiefelspütz, Dieter
Wiese (Hannover), Heino
Wiesehügel, Klaus
Wimmer (Karlsruhe),
Brigitte

Wistuba, Engelbert
Wittig, Barbara
Wodarg, Dr. Wolfgang
Wohlleben, Verena
Wolf (München), Hanna
Wolff (Zielitz), Waltraud
Wright, Heidemarie
Zapf, Uta
Zöpel, Dr. Christoph
Zumkley, Peter

CDU/CSU
Adam, Ulrich
Aigner, Ilse
Barthle, Norbert
Bauer, Dr. Wolf
Baumann, Günter
Baumeister, Brigitte
Belle, Meinrad
Bernhardt, Otto
Blank, Renate
Blens, Dr. Heribert
Bleser, Peter
Blüm, Dr. Norbert
Böhmer, Dr. Maria
Bonitz, Sylvia
Borchert, Jochen
Börnsen (Bönstrup),
Wolfgang

Bosbach, Wolfgang
Brähmig, Klaus
Brauksiepe, Dr. Ralf
Breuer, Paul
Brudlewsky, Monika
Brunnhuber, Georg
Bühler (Bruchsal), Klaus
Büttner (Schönebeck),
Hartmut

Buwitt, Dankward
Caesar, Cajus
Deittert, Hubert
Deß, Albert

Diemers, Renate
Dörflinger, Thomas
Dött, Marie-Luise
Doss, Hansjürgen
Eppelmann, Rainer
Eymer, Anke
Falk, Ilse
Faust, Dr. Hans Georg
Fink, Ulf
Fischbach, Ingrid
Fischer (Karlsruhe), Axel E.
Frankenhauser, Herbert
Friedrich (Erlangen),
Dr. Gerhard

Friedrich (Hof),
Dr. Hans-Peter

Fritz, Erich G.
Fromme, Jochen-Konrad
Gehb, Dr. Jürgen
Geis, Norbert
Geißler, Dr. Heiner
Girisch, Georg
Glos, Michael
Göhner, Dr. Reinhard
Grill, Kurt-Dieter
Gröhe, Hermann
Grund, Manfred
Hasselfeldt, Gerda
Hauser (Rednitzhembach),
Hansgeorg

Hauser (Bonn), Norbert
Heinen, Ursula
Heise, Manfred
Helias, Siegfried
Henke, Hans Jochen
Hinsken, Ernst
Hintze, Peter
Hörster, Joachim
Hofbauer, Klaus
Hohmann, Martin
Holetschek, Klaus
Hollerith, Josef
Hornhues, Dr. Karl-Heinz
Hornung, Siegfried
Hüppe, Hubert
Jaffke, Susanne
Janovsky, Georg
Jork, Dr.-Ing. Rainer
Kansy, Dr. Dietmar
Karwatzki, Irmgard
Kauder, Volker
Klaeden von, Eckart
Klinkert, Ulrich
Königshofen, Norbert
Kohl, Dr. Helmut
Kolbe, Manfred
Kors, Eva-Maria
Koschyk, Hartmut
Kossendey, Thomas
Kraus, Rudolf
Krogmann, Dr. Martina
Krüger, Dr. Paul
Kues, Dr. Hermann
Lamers, Karl
Lamers (Heidelberg),
Dr. Karl A.

Lammert, Dr. Norbert
Laumann, Karl-Josef
Lengsfeld, Vera
Lensing, Werner

Letzgus, Peter
Lietz, Ursula
Link (Diepholz), Walter
Lischewski, Dr. Manfred
Lohmann (Lüdenscheid),
Wolfgang

Luther, Dr. Michael
Maaß (Wilhemshaven),
Erich

Marschewski, Erwin
Mayer (Siegertsbrunn),
Dr. Martin

Meckelburg, Wolfgang
Meister, Dr. Michael
Merz, Friedrich
Michels, Meinolf
Müller (Jena), Bernward
Müller (Kirchheim), Elmar
Müller, Dr. Gerd
Nooke, Günter
Obermeier, Franz
Ost, Friedhelm
Oswald, Eduard
Otto (Erfurt), Norbert
Paziorek, Dr. Peter
Pfeifer, Anton
Pflüger, Dr. Friedbert
Philipp, Beatrix
Pofalla, Ronald
Pretzlaff, Marlies
Protzner, Dr. Bernd
Pützhofen, Dieter
Rachel, Thomas
Raidel, Hans
Ramsauer, Dr. Peter
Reichard (Dresden), Christa
Reiche, Katherina
Reinhardt, Erika
Repnik, Hans-Peter
Riegert, Klaus
Romer, Franz
Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm
Rossmanith, Kurt
Röttgen, Norbert
Ruck, Dr. Christian
Rühe, Volker
Rüttgers, Dr. Jürgen
Schäfer, Anita
Schäuble, Dr. Wolfgang
Schauerte, Hartmut
Schemken, Heinz
Scherhag, Karl-Heinz
Scheu, Gerhard
Schlee, Dietmar
Schmidbauer, Bernd
Schmidt (Mühlheim),
Andreas

Schmidt (Fürth), Christian
Schmidt (Halsbrücke),
Dr.-Ing. Joachim

Schnieber-Jastram, Birgit
Schockenhoff, Dr. Andreas
Scholz, Dr. Rupert
Schorlemer Freiherr von,
Reinhard

Schuchardt, Dr. Erika
Schwarz-Schilling,
Dr. Christian

Seehofer, Horst
Seiffert, Heinz

Seiters, Rudolf
Siemann, Werner
Späte, Margarete
Stetten Freiherr von,
Dr. Wolfgang

Störr-Ritter, Dorothea
Storm, Andreas
Straubinger, Max
Strobl, Thomas
Süssmuth, Dr. Rita
Tiemann, Dr. Susanne
Töpfer, Edeltraut
Uhl, Dr. Hans-Peter
Vaatz, Arnold
Volquartz, Angelika
Voßhoff, Andrea
Waigel, Dr. Theodor
Weiß (Groß-Gerau), Gerald
Weiß (Emmendingen),
Peter

Widmann-Mauz, Annette
Wiese (Ehingen), Heinz
Wilhelm (Mainz), Hans-Otto
Willner, Gert
Willsch, Klaus-Peter
Wittlich, Werner
Wöhrl, Dagmar
Wolf, Aribert
Wülfing, Elke
Würzbach, Peter Kurt
Zeitlmann, Wolfgang
Zöller, Wolfgang

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Altmann (Aurich), Gila
Beck (Bremen), Marieluise
Beck (Köln), Volker
Beer, Angelika
Berninger, Matthias
Deligöz, Ekin
Dückert, Dr. Thea
Eichstädt-Bohlig, Franziska
Eid, Dr. Uschi
Fell, Hans-Josef
Fischer (Berlin), Andrea
Fischer (Frankfurt),
Joseph

Göring-Eckardt, Katrin
Grießhaber, Rita
Hermann, Winfried
Hermenau, Antje
Heyne, Kristin
Höfken, Uli
Hustedt, Michaele
Köster-Loßack, Dr. Angelika
Lippelt, Dr. Helmut
Loske, Dr. Reinhard
Müller (Köln), Kerstin
Müller (Kiel),
Klaus Wolfgang

Nachtwei, Winfried
Özdemir, Cem
Probst, Simone
Roth (Augsburg), Claudia
Scheel, Christine
Schlauch, Rezzo
Schmidt (Hitzhofen), Albert

Vizepräsidentin Petra Bläss






(B)



(A) (C)



(D)


Sterzing, Christian
Vollmer, Dr. Antje
Voß, Sylvia Ingeborg
Wilhelm (Amberg), Helmut
Wolf (Frankfurt), Margareta

F.D.P.
Braun (Augsburg),
Hildebrecht

Brüderle, Rainer
Burgbacher, Ernst
Essen van, Jörg
Flach, Ulrike
Frick, Gisela
Friedhoff, Paul K.
Friedrich (Bayreuth), Horst
Funke, Rainer
Gerhardt, Dr. Wolfgang
Goldmann, Hans-Michael
Guttmacher, Dr. Karlheinz
Haupt, Klaus
Heinrich, Ulrich
Hirche, Walter
Homburger, Birgit
Hoyer, Dr. Werner
Irmer, Ulrich
Kinkel, Dr. Klaus
Kolb, Dr. Heinrich Leonhard
Kopp, Gudrun

Lenke, Ina
Niebel, Dirk
Nolting, Günter Friedrich
Otto (Frankfurt),
Hans-Joachim

Parr, Detlef
Pieper, Cornelia
Rexrodt, Dr. Günter
Schmidt-Jortzig, Dr. Edzard
Schüßler, Gerhard
Schwaetzer, Dr. Irmgard
Sehn, Marita
Solms, Dr. Hermann Otto
Stadler, Dr. Max
Thiele, Carl-Ludwig
Thomae, Dr. Dieter
Türk, Jürgen
Westerwelle, Dr. Guido

Nein
SPD
Hiksch, Uwe

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Knoche, Monika

PDS
Balt, Monika
Bläss, Petra
Fink, Dr. Heinrich
Fuchs, Dr. Ruth
Gebhardt, Fred
Gehrcke-Reymann,
Wolfgang

Grehn, Dr. Klaus
Gysi, Dr. Gregor
Hübner, Carsten
Jelpke, Ulla
Jünger, Sabine
Jüttemann, Gerhard
Kenzler, Dr. Evelyn
Knake-Werner, Dr. Heidi
Kutzmutz, Rolf
Lippmann-Kasten, Heidi
Lötzer, Ursula
Lüth, Heidemarie
Marquardt, Angela
Müller (Berlin),
Manfred

Naumann, Kersten
Neuhäuser, Rosel
Ostrowski, Christine
Rössel, Dr. Uwe-Jens
Schenk, Christina
Schur, Gustav-Adolf

Seifert, Dr. Ilja
Wolf, Dr. Winfried

Enthaltungen
SPD
Gilges, Konrad
Hauer, Nina
Kortmann, Karin
Nahles, Andrea
Oesinghaus, Günter
Röspel, René

CDU/CSU
Carstens (Emstek), Manfred
Wimmer (Neuss), Willy

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Buntenbach, Annelie
Schewe-Gerigk, Irmingard
Simmert, Christian
Ströbele, Hans-Christian

Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im
Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen
Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der
OSZE oder der IPU
Abgeordnete(r)
Verheugen, Günter, SPD
Zierer, Benno, CDU/CSU

Damit ist die Beschlußempfehlung und zugleich der
Antrag der Bundesregierung angenommen.

Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-

tages auf Mittwoch, den 18. November 1998, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.