Rede:
ID1400604100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 11
    1. \n: 2
    2. Das: 1
    3. Wort: 1
    4. hat: 1
    5. für: 1
    6. dieCDU/CSU-Bundestagsfraktion: 1
    7. die: 1
    8. Kollegin: 1
    9. Gerda: 1
    10. Has-selfeldt.Ingrid: 1
    11. Matthäus-Maier\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. November 1998 I n h a l t : Änderung einer Ausschußüberweisung ........... 319 A Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers ...... 319 B in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 10: a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2002 (Drucksache 14/23) .............................. 319 B b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zur Kindergeldauszahlung und zur Erstellung der Lohnsteuertabellen 1999 (Drucksache 14/28) ..................... 319 B c) Antrag der Fraktion der PDS Wiedererhebung der Vermögen- steuer (Drucksache 14/11) ................... 319 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS Besteuerung von Luxusgegenständen (Drucksache 14/27) .................................... 319 C Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 319 C Friedrich Merz CDU/CSU ...................... 326 D, 333 A Joachim Poß SPD ................... 331 A, 331 D, 336 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. .................. 331 C Ingrid Matthäus-Maier SPD.................... 332 D, 340 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 333 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P....................... 336 C Dr. Christa Luft PDS ....................................... 338 C Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .......................... 341 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 345 A Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN .................................... 346 D Dr. Kurt Faltlhauser, Staatsminister (Bayern) . 348 B Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .............................. 350 B Hans Georg Wagner SPD ............................ 352 A Joachim Poß SPD ............................................ 353 A Peter Harald Rauen CDU/CSU........................ 354 D Dr. Barbara Höll PDS...................................... 356 C Tagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundes- regierung Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Drucksachen 14/16, 14/32) ......... 357 C Hans-Ulrich Klose SPD................................... 357 D Joseph Fischer, Bundesminister AA....... 358 B, 364 D Paul Breuer CDU/CSU.................................... 360 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 361 C Ulrich Irmer F.D.P........................................... 363 B Heidi Lippmann-Kasten PDS .......................... 364 A Volker Rühe CDU/CSU .................................. 366 A Ernot Erler SPD............................................... 366 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 Dr. Klaus Kinkel F.D.P.................................... 367 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 368 B Wolfgang Gehrcke PDS................................... 369 A Namentliche Abstimmung ............................... 369 D Nächste Sitzung ............................................... 372 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 373 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Monika Knoche, Chri- stian Simmert, Hans Christian Ströbele und Irmingard Schewe-Gerigk (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärti- gen Ausschusses zu dem Antrag der Bundes- regierung: Deutsche Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Tagesordnungspunkt 11)................... 373 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Winfried Hermann, Ker- stin Müller (Köln), Gila Altmann (Aurich), Angelika Beer, Volker Beck (Köln), Hans- Josef Fell, Klaus Wolfgang Müller, Claudia Roth (Augsburg), Christian Sterzing, Sylvia Ingeborg Voss (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über die Be- schlußempfehlung des Auswärtigen Aus- schusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an der NATO- Luftüberwachungsoperation über dem Koso- vo (Tagesordnungspunkt 11) ........................... 374 A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 375 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 319 (A) (C) (B) (D) 6. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. November 1998 Beginn: 10.30 Uhr
  • folderAnlagen
    Vizepräsidentin Petra Bläss Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 373 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 13.11.98 Bohl, Friedrich CDU/CSU 13,11,98 Bulling-Schröter, Eva-Maria PDS 13.11.98 Geiger, Michaela CDU/CSU 13.11.98 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 13.11.98 Hartnagel, Anke SPD 13.11.98 Hovermann, Eike SPD 13.11.98 Jacoby, Peter CDU/CSU 13.11.98 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 13.11.98 Kemper, Hans-Peter SPD 13.11.98 Meckel, Markus SPD 13.11.98 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 13.11.98 Michelbach, Hans CDU/CSU 13.11.98 Müller (Zittau), Christian SPD 13.11.98 Dr. Pfaff, Martin SPD 13.11.98 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 13.11.98 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 13.11.98 Dr. Seifert, Ilja PDS 13.11.98 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.11.98 Verheugen, Günter SPD 13.11.98 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.11.98 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 13.11.98 Wissmann, Matthias CDU/CSU 13.11.98 Zierer, Benno CDU/CSU 13.11.98 * —————— * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Monika Knoche, Christian Simmert, Hans-Christian Ströbele und Irmingard Schewe-Gerigk (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Tagesordnungspunkt 11) Die Entscheidung heute kann nicht herausgelöst wer- den aus dem Kontext des von der NATO ohne UNO- Mandat aufgebauten Drohszenarios gegenüber der Bun- desrepublik Jugoslawien, über dessen deutsche Beteili- gung noch der 13. Deutsche Bundestag am 16. Oktober 1998 abgestimmt hat. Wir haben diese Selbstmandatie- rung der NATO als Verstoß gegen internationale Völ- kerrechtskonventionen abgelehnt. Bombardierungen wären sicherlich kein geeignetes Mittel gewesen, die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Selbstverständ- lich begrüßen wir jede Verbesserung ihrer Situation nachdrücklich, insbesondere daß sie vor dem Winter noch aus den Wäldern zurückkehren konnten. Der Einsatz der OSZE-Beobachter zur Überwachung ist ein Schritt ziviler Konfliktbewältigung – auch nach unserer Auffassung sind die eingesetzten multinationa- len Peace-keeping-Einheiten unter Leitung der OSZE die geeigneten Kräfte für die Schaffung eines Sicher- heitssystems auch im Kosovo. Aber wir können nicht übersehen, daß mit dem heute zur Abstimmung anste- henden Beschluß über den „Einsatz bewaffneter Streit- kräfte mit dem deutschen Beitrag zu der NATO- Luftüberwachungsoperation“ die Fortsetzung der völ- kerrechtswidrigen militärischen Drohung vom Oktober ist und eine Militäraktion der NATO. Dies gilt genauso für den für kommende Woche geplanten Beschluß über die Stationierung einer NATO-Interventionstruppe. Auch für diese Militäraktionen in und gegen Serbien gibt es kein UNO-Mandat. Der Resolution des Sicher- heitsrates 2203/98 vom 24. Oktober 1998 ist ein solches Mandat nicht zu entnehmen. Außerdem handelt es sich nach unserer bisherigen Kenntnis bei der geplanten Bundeswehrbeteiligung an dieser Interventionstruppe um einen Out-of-area-Einsatz von Krisenreaktionskräf- ten, was wir aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen. Nicht die Bundeswehr, der der frühere Verteidigungs- minister Rühe gegen unsere Überzeugung und unser Votum immer mehr Aufgaben im Zusammenhang mit der deutschen Außenpolitik zugewiesen hat, ist die rich- tige Instanz, um solchen Schutz sicherzustellen. Hinzu kommt, daß die friedlichen Mittel zur Kon- flikteindämmung, auf die wir seit Jahren bei der leider absehbaren Eskalation des Konflikts hingewiesen haben, von der vergangenen Bundesregierung, bei weitem nicht ausgeschöpft worden sind – von effektivem Embargo konnte keine Rede sein. Stattdessen wurden weiter Flüchtlinge in die Krisenregion abgeschoben. Die Auf- rüstung der UCK wurde und wird nicht effektiv unter- bunden. Von Teilen der Öffentlichkeit wird dies als Signal internationaler Unterstützung nicht nur der Auto- nomiebestrebungen, sondern auch deren gewaltsamer Durchsetzung interpretiert. Dies hat konfliktverschär- fende Wirkung. Hier besteht dringender Handlungsbe- darf, dem die alte Bundesregierung nicht nachgekom- men ist und dessen sich die neue Regierung jetzt an- nehmen muß. Da wir zwar vom Grundsatz her den Einbezug der OSZE in die Konfliktbewältigung begrüßen, den Kon- text von NATO-Aktionen und Strategie, in dem dieser Einbezug steht, ablehnen, werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. 374 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 (A) (C) (B) (D) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Winfried Hermann, Kerstin Müller (Köln), Gila Altmann (Aurich), Angelika Beer, Volker Beck (Köln), Hans-Josef Fell, Klaus Wolfgang Müller (Kiel), Claudia Roth (Augsburg), Christian Sterzing, Sylvia Ingeborg Voß (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (Tagesordnungspunkt 11) Wir stimmen dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an der NATO-Luftüberwa- chungsoperation über dem Kosovo trotz ernsthafter Be- denken zu. Auf Grundlage der VN-Sicherheitsratsresolution 1203 und des Beschlusses des Ständigen Rats der OSZE vom 24./25. Oktober wird in den nächsten Wochen eine OSZE-Verifikationsmission für ein Jahr im Kosovo tätig werden. Aufgabe der unbewaffneten Beobachter ist die Überwachung des Waffenstillstandes und militärischer Bewegungen, die Begleitung von Polizeikräften, die Unterstützung internationaler Organisationen bei der Flüchtlingsrückkehr, die Wahlüberwachung und Unter- stützung beim Aufbau der Selbstverwaltung im Kosovo. Mit 2 000 Beobachtern, darunter jeweils 200 aus Deutschland und Rußland, ist es die bisher größte Ope- ration der OSZE. Ihr Gelingen ist die entscheidende Voraussetzung für die Einleitung eines stabilen Frie- densprozesses im Kosovo. Zur Ergänzung, Effektivierung und Absicherung der OSZE-Mission auf dem Boden führt die NATO über dem Kosovo eine Luftüberwachungsoperation mit un- bewaffneten Aufklärungsflugzeugen und unbemannten tieffliegenden ,,Drohnen“ durch. Die Bundeswehr soll unter anderem eine Drohnenbatterie stellen, die mit ge- ringen, bewaffneten Sicherungskräften in Mazedonien stationiert sein würde. Grundlage der Luftüberwa- chungsoperation ist das zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien und der NATO am 15. Oktober abgeschlos- sene Abkommen. Die NATO plant darüber hinaus eine Notfalltruppe („extraction force“) von circa 1 200 bis 1 500 Soldaten für den Fall, daß die für die Sicherheit der OSZE- Beobachter verantwortlichen serbischen Behörden diese nicht mehr gewährleisten. Wenn Leib und Leben von Beobachtern durch eine der Konfliktparteien gefährdet sind, bei Geiselnahme oder wenn eine Evakuierung durch die OSZE nicht mehr möglich ist, soll sie die Beobachter herausholen können. Die in Mazedonien stationierte Notfalltruppe hat ausdrücklich keinen Interventions- und Erzwingungsauftrag. Die Bundes- wehr soll hierzu zwischen 100 und 200 Soldaten stellen. Auch wenn sich die humanitäre Lage inzwischen ent- spannt hat, ein Großteil der Binnenflüchtlinge wieder in Dörfern lebt und humanitäre Organisationen sich frei bewegen können, so bleibt der Waffenstillstand doch brüchig und das Konfliktpotential hoch brisant. In schlimmer Erinnerung ist die Vergeiselung von UN- PROFOR-Soldaten in Bosnien im Jahr 1995, die zu einem Markstein bei der Diskreditierung und Schwä- chung der UN in Bosnien wurde. Angesichts dieser hohen Risiken ist die militärische Notfallvorsorge im Interesse der Beobachter und der Autorität der sie ent- sendenden internationalen Staatengemeinschaft unver- zichtbar und völkerrechtlich nicht zweifelhaft. Ohne ei- ne solche, nur mit militärischen Mitteln realisierbare Notfallvorbereitung wäre die Entsendung der zweitau- send zivilen Beobachter in das latente Kriegsgebiet nicht zu verantworten – außer man wollte bewußt das Risiko einer Wiederholung des UNPROFOR-Traumas in Kauf nehmen. Ohne die Beobachtermission wäre der Waffen- stillstand und die Flüchtlingsrückkehr ohne Chance, wäre ein Wiederaufflammen der Kämpfe spätestens im Frühjahr vorprogrammiert. Insofern sind Beobach- termission am Boden, Luftüberwachung und Notfall- vorsorge untrennbare Bestandteile des friedensbe- wahrenden und im Kern von der OSZE getragenen Ein- satzes. Der Antrag der Bundesregierung schließt ausdrück- lich an den Beschluß des Bundestages vom 16. Oktober (13. Legislaturperiode) an. Unsere Zustimmung zum jetzigen Antrag der Bundesregierung darf allerdings in keiner Weise als nachträgliches Einverständnis zur An- drohung eines NATO-Luftangriffes ohne klares UN- Mandat verstanden werden. Wir bleiben dabei, daß ein Mandat von UN bzw. OSZE Mindestvoraussetzung für Kriseneinsätze von Militär sein sollte und daß alle Be- mühungen in Richtung einer Selbstmandatierung der NATO zersetzend auf die internationale Ordnung wir- ken und einem internationalen Recht der Stärkeren Vor- schub leisten. Die bevorstehende OSZE-Mission ist nicht nur un- verzichtbar für einen langfristigen Friedensprozeß und die Herstellung der Menschenrechte im Kosovo. Sie ist zugleich eine Bewährungsprobe für die OSZE als der einzigen gesamteuropäischen Sicherheitsinstitution, die bisher weitgehend im Schatten der NATO und des öffentlichen Interesses stand. Insofern begrüßen wir die OSZE-Beobachtermission als doppelten Beitrag zum Frieden in Europa und zur Zivilisierung der Außen- politik. Die enormen praktischen Anforderungen an die OS- ZE-Mission zeigen zugleich, wie hochaktuell die im Koalitionsvertrag festgelegte Absicht der neuen Bundes- regierung ist, die personelle und finanzielle Ausstattung der OSZE zu stärken, Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich von Peacekeeping, Peacebuilding und Frie- densfachdiensten zu schaffen und die Entwicklung des Instruments internationaler Polizeieinsätze voranzu- treiben. Fortschritte bei der Krisenprävention und zivi- len Konfliktbearbeitung sind die Voraussetzung dafür, daß sich Bosnien, Kosovo nicht ständig wieder- holen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1998 375 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 731. Sitzung am 6. No- vember 1998 der vom Deutschen Bundestag am 26. Oktober 1998 beschlossenen unveränderten Weiter- geltung der 1. Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) vom 5. Mai 1951 (BGBl. II S. 103), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 16. Mai 1995 (BGBl. I S. 742), gemäß Artikel 77 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, 2. Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß vom 23. Juli 1969 (BGBl. I S. 1102), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 20. Juli 1993 (BGBl. I S. 1500), gemäß Artikel 53a Absatz 1 Satz 4 des Grundgesetzes und der 3. Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes vom 23. Juli 1969 (BGBl. I S. 1100), gemäß Artikel 115d Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes zugestimmt. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen bzw. von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/7017 Nr. 1.6 Drucksache 13/7216 Nr. 2.22 Drucksache 13/7867 Nr. 1.3 Drucksache 13/8106 Nr. 1.5 Drucksache 13/9086 Nr. 1.14 Drucksache 13/9819 Nr. 2.14 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/6766 Nr. 2.6 Drucksache 13/7017 Nr. 1.5, 2.9, 2.11 Drucksache 13/7216 Nr. 2.3, 2.8 Drucksache 13/7306 Nr. 2.16, 2.20, 2.23 Drucksache 13/7541 Nr. 2.17 Drucksache 13/7706 Nr. 2.5 Drucksache 13/9312 Nr. 1.8, 1.11, 1.13 Drucksache 13/9477 Nr. 2.11, 2.12, 2.17, 2.20, 2.24, 2.25 Drucksache 13/9668 Nr. 1.3, 1.5 Drucksache 13/11106 Nr. 2.13, 2.14, 2.16 Drucksache 13/11204 Nr. 2.8 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/3668 Nr. 2.19 Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Drucksache 13/8615 Nr. 2.59, 2.75
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege, es
    steht fest, daß nicht Sie, die alte Koalition, sondern wir,
    der Bundestag, zusammen mit dem Bundesrat und dem
    Vermittlungsausschuß das Kindergeld erhöht haben.
    Ich darf daran erinnern, daß Herr Waigel bis zum letzten
    Tag dagegen war, das Kindergeld von 70 DM weiter an-
    zuheben. Wir haben es gegen Ihren Widerstand durch-
    gesetzt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Bis zum letzten Tag in diesem Wahlkampf haben Sie
    gesagt: 250 DM Kindergeld ist nicht drin. Viele von
    Ihnen haben die Erhöhung des Kindergeldes herab-
    würdigend als eine Art Steuergeschenk bezeichnet, was
    man besser sein lasse, womit man sich Wähler kaufen
    würde. Ist Ihnen nicht klar, daß nicht nur der normale
    Steuerzahler das Recht auf ein steuerfreies Existenz-
    minimum hat – das erreichen wir über den Grundfreibe-
    trag –, sondern daß auch die Familien mit Kindern das
    Recht auf Steuerfreiheit in Höhe der Kosten für die
    Ausgaben für die Kinder haben? Die Steuerfreistellung
    geschieht in Deutschland zu 95 Prozent über das Kin-
    dergeld. Deswegen ist es notwendig, daß wir entgegen
    Ihren dauernden Äußerungen das Kindergeld auf
    250 DM anheben.

    Auch den Grundfreibetrag wollen Sie nicht auf
    14 000 DM anheben. Wenn sich Ihre Meinung in dieser
    Frage geändert hat – nach Ihrer Zwischenfrage zu
    schließen, könnte das der Fall sein –, dann kann ich nur
    sagen: Machen Sie mit uns mit! Das Angebot liegt vor.
    Es ist nichts einfacher, als daß Sie zustimmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Daß auch Spitzenforscher – ich will das einmal so sa-
    gen – nicht vor Torheit in dieser Frage geschützt sind,
    sieht man daran, daß in ihrem Herbstgutachten die sechs
    wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute mei-
    nen, man könnte auf die Erhöhung des Transfers – ge-
    meint war das Kindergeld – verzichten, um etwas ande-
    res mit dem Geld zu finanzieren.


    (Zuruf von der F.D.P.: Arbeitsplätze!)


    Ich darf Ihnen einmal § 31 des Einkommensteuergeset-
    zes vorlesen, damit dieser Quatsch, von einem Wahlge-
    schenk zu reden, aufhört.

    Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbe-
    trags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes
    wird durch den Kinderfreibetrag . . . oder durch das
    Kindergeld . . . bewirkt.

    Sie sehen, ein Blick in das Gesetz erleichtert manchmal
    die Rechtsfindung.


    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden im Jahre 2002 die Höhe des Kindergel-

    des auf 260 DM anheben. Wir finanzieren das durch
    eine wirklich maßvolle Reduzierung des Ehegatten-
    splittings, beginnend oberhalb eines zu versteuernden
    Einkommens von 170 000 DM.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Wir werden noch sehen, ob das verfassungsgemäß ist!)


    Ich habe in diesem Hause oft darüber gesprochen, aber
    lassen Sie mich eines dazu sagen: Wir gelten steuerlich
    auf der ganzen Welt als ein besonders ehefreundliches
    Land, nicht aber als ein kinderfreundliches. Denn wenn
    Sie sechs Kinder haben und großziehen, erhalten Sie
    keine so hohe Steuerentlastung wie ein Ehepaar mit
    einem hohen Einkommen, das keine Kinder hat. Wo
    sind wir eigentlich hingekommen?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Erst ab dem siebten Kind haben Sie mehr Kindergeld,
    als im Vergleich dazu der maximale Splittingvorteil er-
    geben würde. Wenn wir das ein wenig umschichten,
    dann ist das eine maßvolle, richtige Reform.

    Frau Eichhorn sagte in diesen Tagen, sie habe Zwei-
    fel an der Wirksamkeit der Kindergelderhöhung. Denn
    das Kindergeld für das erste und das zweite Kind sei
    nicht so wichtig. Wichtiger sei die Höhe des Kindergel-
    des für Familien mit mehr Kindern. Liebe Frau Eich-
    horn, vielleicht ist Ihnen entgangen, daß eine Familie
    mit vier oder fünf Kindern auch ein erstes und ein
    zweites Kind hat. Auch diese Familie wird also eindeu-
    tig entlastet.


    (Beifall bei der SPD)

    Herr Merz sagte in seiner Rede, eine Erhöhung des

    Kindergeldes sei nicht in Ordnung.

    (Widerspruch des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

    – Also gut, es ist doch in Ordnung. – Eigentlich finde er
    es nicht so gut. Denn was habe der Familienvater davon,
    wenn er mehr Kindergeld habe, aber arbeitslos werde?

    Das führt zu einer grundsätzlich unterschiedlichen
    Betrachtungsweise dessen, was wir hier tun. Meine Par-
    tei war immer der Ansicht, es sei ein vernünftiges Mit-
    einander von Nachfragepolitik und Angebotspolitik er-
    forderlich. Klar ist auch: Wenn ein Familienvater nicht
    genug Geld in der Tasche hat, um einzukaufen, dann

    Carl-Ludwig Thiele






    (A) (C)



    (B) (D)


    kann auch die Wirtschaft nicht die Produkte verkaufen,
    die sie gerne verkaufen möchte.

    Ich weiß, daß Sie das nie glauben, wenn die SPD das
    sagt. Das betrifft das alte Wort von Ford: Autos kaufen
    keine Autos. Aber ich las in diesen Tagen ein Wort des
    BMW-Chefs Pischetsrieder; vielleicht überzeugt Sie das
    eher. Er sagte:

    Arbeitsplätze werden nicht von Unternehmen ge-
    schaffen,

    – das ist eben ein weitverbreiteter Irrtum –
    sondern von Kunden. Nur wenn wir Kunden fin-
    den, die unsere Produkte oder Dienstleistungen so
    attraktiv finden, daß sie bereit sind, Teile ihres Ein-
    kommens dafür auszugeben, dann können wir mehr
    Arbeitsplätze schaffen.

    Deswegen sage ich Ihnen: Eine richtige Mischung von
    Angebots- und Nachfragepolitik zu schaffen, diese Poli-
    tik unterscheidet uns von Ihrer. Dafür hat uns der Wäh-
    ler eine Mehrheit gegeben. Denn Ihre Politik war abge-
    wirtschaftet.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir werden die Steuerreform in Stufen durchführen.
    Im Jahre 2002 wird es zu einer Nettoentlastung in Höhe
    von 15 Milliarden DM kommen.

    In den Zeitungen ist zu lesen, daß man uns mehr Mut
    gewünscht hätte, daß wir kleinmütig seien. Mein Ein-
    druck ist, daß viele, die so vornehm von „mehr Mut“
    sprechen, mehr Schulden meinen.


    (Dr. Barbara Höll [PDS]: Nein!)

    Manche sagen es auch. Ich habe zum Beispiel ein In-

    terview mit Herrn Wohlers, einem Vertreter der For-
    schungsinstitute, gelesen. Er sagte zur Steuerreform un-
    serer Koalition, ein etwas höheres Staatsdefizit kollidie-
    re nicht mit den Stabilitätskriterien des Maastricht-
    Vertrages. Ich hätte eigentlich erwartet, daß dieser Herr
    nicht nur den Maastricht-Vertrag kennt, sondern auch
    Art. 115 des Grundgesetzes. Nachdem Herr Waigel uns
    einen Haushalt lieferte, der bei den Ausgaben für Inve-
    stitionen nur 1 Milliarde DM über dem Betrag der Ver-
    schuldung liegt, wäre es wirklich fahrlässig zu meinen,
    hier könnte man netto noch etwas drauflegen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Oder ein von mir wirklich geschätzter Journalist
    schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“ noch offener:

    Es ehrt Rotgrün, daß es keine Schuldenwirtschaft
    betreiben will. Auf dem Wege zu einer durchschla-
    genden Steuerreform aber ist soviel Seriosität hin-
    derlich. Es wäre besser, die Steuersätze kompro-
    mißlos zu drücken und dafür steigende Haushalts-
    defizite in Kauf zu nehmen.

    Nein, ich antworte: Finanzpolitische Seriosität ist nie
    hinderlich. Gerechte Steuern und solide Finanzen gehö-
    ren zusammen. Wir haben vor der Wahl versprochen:
    Unsere Steuerreform ist bescheidener, aber solide finan-

    ziert. Dafür haben wir den Wählerauftrag. Das werden
    wir tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ein weiterer Schwerpunkt: Senkung der Unterneh-
    mensteuersätze, nicht nur für die Großen, sondern auch
    für Mittelstand, Handwerk und Einzelhandel auf 35 Pro-
    zent in Stufen und dafür Beseitigung bzw. Reduzierung
    von Ausnahmen und Rückstellungsmöglichkeiten.

    Das Feldgeschrei, das entstanden ist, hatte ich erwar-
    tet. Ich will nicht verhehlen: Ich habe meine Partei im-
    mer gewarnt, daß die Steuersenkungen sehr schnell ein-
    kassiert würden, aber bei jeder Gegenfinanzierungsmaß-
    nahme ein großes Wehklagen anheben würde. Aber hier
    handelt insbesondere die Wirtschaft nach dem System
    der Rosinenpicker. Sie sagt: Steuersätze wie in Amerika
    und die Ausnahmen weg. Tatsächlich aber wollen sie
    sich die Rosinen aus beiden Systemen herauspicken,
    nämlich niedrige Steuersätze wie in Amerika und viele
    Ausnahmen wie in Deutschland. Beides geht aber nicht
    zusammen. Das werden wir auch nicht tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Drei Argumente, warum dieses Wehklagen nicht be-
    sonders glaubwürdig ist. Erstes Argument: Hätten wir
    der Steuerreform von CDU/CSU und F.D.P. im letzten
    Jahr zugestimmt – wozu uns die Wirtschaftsverbände
    aufgefordert hatten –, dann würde der Großteil der Ge-
    genfinanzierungsmaßnahmen, über die sie jetzt klagen,
    bereits im Gesetzblatt stehen. Es kann ja wohl nicht sein,
    daß Gegenfinanzierung bei Schwarzgelb besser als bei
    Rotgrün ist.

    Zweitens. Sie finden bei denen, die uns sagen, wir
    sollten die Steuersätze senken und viele Ausnahmen
    abschaffen, dann, wenn es um Ihren persönlichen ge-
    schäftlichen Bereich geht, immer wieder genau die ent-
    gegengesetzte Haltung.

    Mir kommt ein neues Buch in die Hand: „Aktie, Ar-
    beit, Aufschwung“ mit einem Vorwort von Rolf E.
    Breuer. Beredte Forderung, daß die Steuersätze gesenkt
    und keine Ausnahmen gemacht werden sollen. Dann le-
    se ich auf Seite 153:

    Weiteren Auftrieb könnte der Finanzplatz durch ei-
    ne andere steuerliche Ausnahmebestimmung er-
    halten: eine zeitlich befristete Senkung der Steuer-
    sätze für ausländische Experten. Dabei sollte man
    nicht bei Halbherzigkeiten bleiben. Das Beste wäre
    eine vollständige Steuerfreiheit auf fünf Jahre. Das
    hätte mit den sonstigen Ausnahmebestimmungen,
    etwa Verlustzuweisungen und Sonderpauschbeträ-
    ge für einzelne Berufsgruppen, nichts gemein.

    Nein, es ist unglaubwürdig, das Prinzip zu fordern und
    bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit von
    uns Politikern dann eine Sondervorschrift für die eigene
    Klientel zu verlangen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ingrid Matthäus-Maier






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Drittes Beispiel – ich muß zugeben, ich wußte nicht
    recht, ob ich mich nun ärgern sollte oder ob es geradezu
    unverschämt ist –: Heute morgen steht in der Zeitung,
    wie sich die Versicherungswirtschaft über unsere Pläne
    beschwert. Eigentlich hatte ich erwartet, es kämen Dan-
    kesschreiben. Ich erinnere mich daran, daß im Steuerre-
    formpaket der alten Koalition zum Beispiel eine scharfe
    Besteuerung der Lebensversicherung vorgesehen war,
    und zwar im Bestand. So etwas gibt es bei uns nicht.
    Trotzdem beschwert sich die Versicherungswirtschaft.
    Ich lese Ihnen einmal einen Kommentar von meiner ört-
    lichen Zeitung, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, vor. Sie
    schreibt:

    Jammern gehört zum Geschäft, das ist beim Versi-
    cherungsverband nicht anders als bei anderen Lob-
    byisten. Doch sollten die Versicherer bei ihrer Kri-
    tik an den Bonner Steuerplänen die Kirche im Dorf
    lassen. . . . Viele Konkurrenten im Ausland benei-
    den die hiesigen Unternehmen seit langem um die
    üppigen Abschreibungs- und Rückstellungsregeln . . .
    Platte Drohungen, man werde Stellen abbauen,
    Ausbildungsplätze kürzen oder gar ins Ausland
    abwandern, sind vor diesem Hintergrund ziemlich
    fehl am Platze. Rationalisieren wird die Branche,
    die in den letzten sechs Jahren bereits rund 20 000
    Stellen strich, weiterhin, auch ohne die Bonner
    Pläne.

    Daß Sie uns deswegen angreifen und uns den Ar-
    beitsplatzabbau, den die Unternehmen zwecks Rationa-
    lisierung ohnehin vorhatten, in die Schuhe schieben
    wollen, weise ich zurück. Manche bekommen den Hals
    nicht voll.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Nun zum Mittelstand. Viele vergessen, daß sowohl
    von der Verbesserung des Grundfreibetrages als auch
    von der Senkung des Eingangssteuersatzes und der Er-
    höhung des Kindergeldes selbstverständlich auch der
    Mittelstand, Handwerker und Einzelhändler, profitiert.
    Da gesagt wird, es gebe diese und jene Mehrbelastung:
    Wenn es Mittelständler gab – und vereinzelt muß es die-
    se gegeben haben –, die exzessiv von Ausnahmevor-
    schriften Gebrauch gemacht haben, die wir abschaffen,
    dann kann es sein, daß diese stärker belastet werden.
    Tatsache aber ist: Auch der Mittelstand wird durch unser
    Konzept entlastet.


    (Beifall des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD])


    Wir haben gerade die Frist für Sonderregelungen zugun-
    sten des Mittelstandes verlängert.

    Diese – ich darf es einmal etwas frech formulieren –
    Spitzensteuersatzfetischisten, die so tun, als käme in al-
    ler erster Linie dem Mittelstand die Spitzensteuersatz-
    senkung zugute, darf ich einmal darauf aufmerksam ma-
    chen, daß der Spitzensteuersatz für die gewerblichen
    Betriebe – und darum geht es –, der 47 Prozent beträgt,
    von einem Mittelständler, zum Beispiel Handwerker,
    dann erreicht wird, wenn er als Verheirateter im Jahr
    mehr als 214 000 DM zu versteuern hat. Ich weiß aus

    vielen Gesprächen in meinem Wahlkreis, daß die Masse
    der Einzelhändler, der Handwerker, des Mittelstandes,
    nicht 214 000 DM zu versteuerndes Einkommen im Jahr
    hat. Deswegen ist eines klar: Wer etwas für den Mittel-
    stand tun will, der muß auch den Mut haben, mittel-
    standsfreundliche Sonderregelungen zu machen. Das tun
    wir mit unserem Paket, und dabei bleibt es.

    Wissen Sie, woran es mich erinnert, wenn sich zum
    Beispiel Herr Henkel als Schutzpatron des Mittelstandes
    aufführt? Ich habe noch die Zeiten miterlebt, in denen
    Herr von Heereman der Präsident des Bauernverbandes
    war, ein Großgrundbesitzer – den Hof im Münsterland
    hätten Sie einmal sehen sollen. Wenn es darum ging, die
    Subventionen für die großen Bauern zu streichen oder
    anzutasten, dann setzte er die kleinen Bauern in Hessen
    und Bayern in Gang, damit sie für ihn die Kartoffeln aus
    dem Feuer holen. So kommt es mir vor, wenn sich Herr
    Henkel zum Mittelstand äußert. Nein, die Bedrohung
    kommt nicht durch das Steuerrecht, sondern durch die
    großen Konzerne, die die kleinen schlucken.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Letzter Punkt: Herr Solms, Sie haben gesagt, wir er-
    fänden neue Steuern, und nannten die sogenannte Min-
    deststeuer.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Die Ökosteuer hat er auch genannt!)


    Nein, wir führen keine neue Steuer ein. Wir begrenzen
    die Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten. Ge-
    stern habe ich in der Zeitung die Anzeige gelesen:
    „Hohe Verlustzuweisungen locken – Flugzeugleasing“.
    Darin ist von Verlustzuweisungen in Höhe von
    198 Prozent in vier Jahren die Rede. Dazu kann ich nur
    sagen: Wir verhindern, daß Einkommensmillionäre
    durch die Verrechnung der Verluste aus anderen Ein-
    kunftsarten überhaupt keine Steuern mehr zahlen, wäh-
    rend die Edeka-Verkäuferin enorm zur Kasse gebeten
    wird.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Das ist keine Steuer. Wir stellen eine Mindestbemes-
    sungsgrundlage her. Wer will, mag sich an solchen
    Verlustzuweisungsgesellschaften gerne auch in Zukunft
    beteiligen. Aber die Gewinne, die er daraus zieht, wer-
    den wir kräftig reduzieren.

    Das, meine Damen und Herren, hat der Wähler ge-
    wollt. Ihre Politik, die empirisch, durch Erfahrung ge-
    scheitert ist, wollte er nicht mehr. Er hat uns die Chance
    gegeben, all das, was wir vor der Wahl zur Steuerpolitik
    gesagt haben, umzusetzen. Das werden wir tun. Damit
    werden Sie sich abfinden müssen.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der PDS)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat für die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Kollegin Gerda Has-
selfeldt.

Ingrid Matthäus-Maier






(A) (C)



(B) (D)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerda Hasselfeldt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident!
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Lobes-
    hymne, Frau Matthäus-Maier, auf das, was Sie uns als
    Steuerreform vorgelegt haben, war völlig unangebracht.
    In Wahrheit ist es nichts anderes als ein Finanzierungs-
    manöver, ein Umverteilungsmanöver, ein Abkassie-
    rungsmanöver.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es belastet zusätzlich diejenigen, die Arbeitsplätze zur
    Verfügung stellen sollen. Es belastet die Betriebe, die
    Unternehmen, es belastet die Wirtschaft zugunsten des
    Konsums. Das kann es nicht sein, wenn es darum geht,
    Herr Lafontaine, daß diese Steuerreform auch – natür-
    lich nicht alleine – dazu beitragen soll und muß, die
    wirtschaftliche Situation zu verbessern und für mehr In-
    vestitionen und für mehr Arbeitsplätze zu sorgen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Daß mit diesem Vorhaben ein Umverteilungsmanö-

    ver verbunden ist, hat der Finanzminister selbst zugege-
    ben. Er hat zugegeben, daß diejenigen, die die Arbeits-
    plätze zur Verfügung stellen sollen, in der Vergangen-
    heit schon entlastet wurden und jetzt nicht mehr entlastet
    werden müssen. Er hat völlig außer acht gelassen, wie
    die Situation im internationalen Vergleich ist. Herr La-
    fontaine, wir müssen uns dort orientieren, wo wir sind.
    Wir sind nicht auf einer Insel der Seligen. Wir haben uns
    an die Bedingungen in den anderen Ländern anzuglei-
    chen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir können nicht einfach zusehen, daß wegen der besse-
    ren steuerlichen Bedingungen in anderen Ländern um
    uns herum die Arbeitsplätze aus Deutschland weg verla-
    gert werden und die Arbeitslosen, diejenigen, die drin-
    gend auf Arbeit angewiesen sind, dann die Leidtragen-
    den sind.

    Ich weiß sehr wohl, daß die Steuerreform dies nicht
    alles alleine schultern kann, aber sie ist ein ganz wichti-
    ges, wenn nicht sogar das wichtigste Instrument zur Be-
    kämpfung der Arbeitslosigkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deshalb muß sich jede Steuerreform daran messen las-
    sen: Ist sie dazu geeignet, Wachstumskräfte zu stimulie-
    ren, ist sie dazu geeignet, das Steuerrecht an die interna-
    tionalen Bedingungen anzugleichen, ist sie dazu geeig-
    net, Arbeitsplätze und Investitionen zu schaffen?

    Da stellt sich natürlich die zentrale Frage: Brauchen
    wir dazu mehr Nachfrage, oder brauchen wir mehr Inve-
    stitionen? Diese Frage ist von den Fachleuten beant-
    wortet, die brauchen wir uns gar nicht erneut zu stellen.
    Wir haben nicht in erster Linie ein Nachfrageproblem.
    Unser Problem liegt auf der Angebotsseite. Die Bedin-
    gungen für die Unternehmer müssen verbessert werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Da steht an allererster Stelle die Senkung der Steuer-

    sätze. In unserem Konzept war eine deutliche Senkung
    auf 15 Prozent Eingangssteuersatz, 39 Prozent Spitzen-
    steuersatz und 35 Prozent Steuersatz für die Unterneh-

    men vorgesehen. Wir brauchen die Senkung nicht erst
    irgendwann, sie darf nicht nur in Aussicht gestellt wer-
    den. Wir brauchen sie als erstes. Die Senkung der Steu-
    ersätze ist der zentrale Punkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben sie nur in Trippelschritten vorgesehen; beim
    Eingangssteuersatz ganz minimal und beim Spitzensteu-
    ersatz nur als Kosmetik.

    Wenn Sie von 35 Prozent Steuersatz bei Unterneh-
    men sprechen, so wollen wir das erst einmal sehen.


    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Das sind nichts als vage Versprechungen. Die Gegenfi-
    nanzierung haben Sie ohnehin schon verbraten. Sie ver-
    braten sie schon jetzt zu Lasten derjenigen, die die Ar-
    beitsplätze zur Verfügung stellen sollen, um das Kinder-
    geld zu erhöhen. Das nämlich ist Ihre Finanzierungs-
    quelle. Einen Steuersatz von 35 Prozent haben wir also
    noch nicht.

    Im übrigen ist das Problem, das sich verfassungs-
    rechtlich zeigt, noch gar nicht gelöst. Herr Lafontaine
    sprach heute davon, es müsse gerecht zugehen, es müse
    Steuergerechtigkeit herrschen. Wie ist es – vorausge-
    setzt, Sie schaffen die 35 Prozent wirklich – denn mit
    der Gerechtigkeit, wenn Einkommen aus unselbständi-
    ger Arbeit um vieles höher besteuert wird als Einkom-
    men aus selbständiger Arbeit? Diese Spreizung der
    Steuersätze müssen Sie nicht nur dem Verfassungsge-
    richt, sondern auch den Betroffenen erst einmal erklä-
    ren!


    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Mit Gerechtigkeit hat dies überhaupt nichts zu tun.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Notwendig wäre es, neben niedrigeren Steuersätzen

    und durch sie eine Nettoentlastung zu erreichen.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr wahr!)


    Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Von Ihnen wird
    immer wieder argumentiert: Das können wir uns nicht
    leisten, weil die Haushaltsspielräume nicht so sind. –
    Erst vor wenigen Wochen haben Wirtschaftsfor-
    schungsinstitute deutlich gemacht, daß für das Jahr 1999
    Entlastungsspielräume von 20 bis 30 Milliarden DM
    möglich seien.


    (Joachim Poß [SPD]: Die kennen den Art. 115 nicht, aber Sie müßten den doch kennen!)


    – Von der Steuerschätzung, deren Ergebnis in die-
    sen Tagen bekanntgegeben wurde, Herr Poß, hat Herr
    Lafontaine bei seinen Ausführungen überhaupt nicht ge-
    sprochen; er hat sie einfach totgeschwiegen. Eine der
    wichtigsten Nachrichten in diesen Tagen, wenn wir über
    Steuerpolitik diskutieren, ist doch, daß die Steuerschät-
    zung ergeben hat, daß in diesem Jahr 7,8 Milliarden DM
    mehr zu erwarten sind, als dies Anfang des Jahres zu-
    nächst einmal angenommen werden mußte. Herr Lafon-
    taine, da können Sie nicht einfach zur Tagesordnung
    übergehen und das totschweigen. Das ist eine Tatsache.
    Das ist nicht von allein gekommen, sondern das ist das






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Ergebnis der vernünftigen, soliden, sparsamen Haus-
    halts- und Finanzpolitik von Theo Waigel.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Detlev von Larcher [SPD]: Herr Waigel klatscht vorsichtshalber nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Herr von Larcher, seien Sie sofort still!)


    Die Spielräume, die wir haben, müssen genutzt wer-
    den, um die Steuerpflichtigen zu entlasten, nicht, um Ih-
    re Haushaltslöcher zu schließen, die daraus entstanden
    sind, daß Sie das Geld schon verbraten haben. Es geht
    darum, diese Entlastungsspielräume den Steuerpflichti-
    gen, den Frauen und Männern in unserem Land, zugute
    kommen zu lassen; es geht darum, Spielräume für Ar-
    beitsplätze und Investitionen zu schaffen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sehr wichtig ist dabei auch, das Ganze gerecht zu ge-

    stalten, es solide zu finanzieren und dabei natürlich die
    Bemessungsgrundlage zu verbreitern. Auch das hatten
    wir vorgesehen. Allerdings hatten wir vorgesehen – das
    ist ein ganz entscheidender Unterschied –, das nur in
    Verbindung mit deutlichen Steuersatzsenkungen zu
    machen. Das haben Sie so nicht vorgesehen. Wir haben
    es auch vom zeitlichen Ablauf her anders vorgesehen als
    Sie. Sie machen es nämlich so, daß Sie die steuerliche
    Entlastung weit in die Zukunft hinein verschieben; erst
    in einigen Jahren soll sie kommen.


    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Selbst die Kindergelderhöhung zum jetzigen Zeit-

    punkt führt nicht zu einer Nettoentlastung. Das Ausmaß
    dieser Entlastung ist eigentlich lächerlich. Sie finanzie-
    ren obendrein das Ganze über Belastungen,


    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Der Wirtschaft!)


    und zwar nicht erst dann, wenn die Entlastung eintritt,
    sondern schon jetzt, nämlich über zusätzliche Belastun-
    gen für diejenigen, die Arbeitsplätze zur Verfügung
    stellen sollen. Das machen Sie, um konsumtive Ausga-
    ben zu finanzieren.


    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: So ist das!)

    Das führt nicht nur nicht zu zusätzlichen Arbeitsplätzen,
    sondern es ist darüber hinaus kontraproduktiv.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist Gift für Arbeitsplätze!)


    Es wird mit Sicherheit dazu führen, daß wir einen Ver-
    lust von Arbeitsplätzen haben. Alles, was sich in den
    letzten Wochen und Monaten auf Grund unserer Politik
    am Arbeitsmarkt positiv getan hat, nämlich daß die Ar-
    beitslosenzahlen zurückgegangen sind und daß die
    Staatsquote zurückgegangen ist, all das, was wir in den
    vergangenen Jahren trotz schwierigster Ausgangspositi-
    on durch die Wiedervereinigung geleistet haben, wird
    durch Ihre einseitige nachfrageorientierte Steuerpolitik
    wieder aufs Spiel gesetzt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn!)


    Es wird einem dann gelegentlich gesagt, man habe ja
    viele Nachbesserungen vorgenommen. Welche Nach-
    besserungen haben Sie, gerade für den Mittelstand,
    denn vorgesehen? Sie haben nur etwas verschoben; Sie
    haben nur Anspar- und Sonderabschreibungen nicht
    gleich abgeschafft, sondern wollen das erst in ein paar
    Jahren tun. Beim Verlustrücktrag genauso. Sie haben
    hier nur minimale Korrekturen vorgenommen; Sie haben
    nichts Substantielles gemacht. Sie haben vor allem zu
    keiner Zeit – das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger
    Punkt – über die Verringerung der Staatsquote disku-
    tiert. Bei Ihnen waren weder die Verringerung der
    Staatsquote und der Staatsausgaben noch Ausgabenkür-
    zungen ein Thema. Wir haben diese Trendwende bei den
    Staatsausgaben eingeleitet; Sie verspielen sie wieder.

    Meine Damen und Herren, Sie hätten die gute Gele-
    genheit gehabt, am Anfang Ihrer Regierungszeit durch
    Vorlage eines vernünftigen, ausgewogenen, vor allem
    zielgerichteten Steuerreformkonzeptes dazu beizutragen,
    mehr Arbeitsplätze und mehr Investitionen in Deutsch-
    land zu ermöglichen. So aber, wie Sie sich in der ver-
    gangenen Legislaturperiode einer sinnvollen Lösung
    verweigert haben, sind Sie auch heute zu einer richtigen
    Lösung nicht bereit. Sie haben damit schon am Anfang
    Ihrer Regierungszeit eine große Chance selbst vertan.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)