Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Befragung der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, die Themen der Kabinettssitzung, die der Chef des Bundeskanzleramts mitgeteilt hat, sind den Fraktionen bekannt.
Das Wort zu einem einleitenden Bericht hat der Bundeskanzler, den ich bei dieser Gelegenheit sehr herzlich begrüße.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute im Kabinett ausführlich mit dem schwerwiegenden Problem des Drogenmißbrauchs und der Drogenkriminalität befaßt. Ich brauche hier im Hohen Haus nicht zu betonen, welche Bedeutsamkeit dieses Thema hat. Deswegen habe ich es auch selbst übernommen, hier für die Bundesregierung vorzutragen.Der Drogenmißbrauch und die mit ihm verbundene Kriminalität haben sich zu einer unübersehbaren Bedrohung von Staat und Gesellschaft in weiten Teilen der Welt entwickelt. Die internationalen Drogensyndikate versuchen verstärkt, auch in die Länder Europas, der Europäischen Gemeinschaft und damit auch in die Bundesrepublik Deutschland vorzudringen. Das heißt, auch bei uns kann dieses Problem ausufern. Dieser Bedrohung wird die Bundesregierung mit aller Entschiedenheit begegnen.Das Bundeskabinett hat Ziele und Maßnahmen der Drogenpolitik festgelegt. Dabei geht es um die Verringerung der Rauschgiftnachfrage durch wirkungsvolle Prävention und Rehabilitation und um die Einschränkung des Drogenangebots vor allem durch verstärkte Bekämpfung der Drogenkriminalität, besonders im Drogenhandel. Wir wollen uns entschieden für eine verbesserte internationale Zusammenarbeit einsetzen; denn wenn wir Erfolg haben wollen, muß das Übel an seiner Wurzel bekämpft werden. Diese Wurzel liegt in den Anbauländern. Diesen Ländern müssen über international abgestimmte Maßnahmen Hilfen angeboten werden, damit sie sich von ihrer Abhängigkeit vom Rauschgiftanbau und vom Rauschgifthandel lossagen können.National, meine Damen und Herren, geht es im Kampf gegen die Drogenkriminalität vorrangig darum, dem Drogenhandel die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Hierzu bereitet die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen vor:Erstens bereitet sie einen Gesetzentwurf vor, mit dem für schwere Fälle von Drogenhandel eine besondere Vermögenstrafe zusätzlich zur Freiheitsstrafe eingeführt wird. Diese Vorlage wird dem Bundestag in Kürze zugeleitet. Entsprechend der Schuld des Täters soll gegebenenfalls auf sein gesamtes Vermögen zugegriffen werden können.Zweitens. Ein Gesetzentwurf sieht vor, das sogenannte Waschen von Drogengewinnen unter Strafe zu stellen.Drittens. Mit einem weiteren Gesetzesvorhaben sollen die Beweisanforderungen verringert werden, nach denen Vermögensgegenstände von Drogenhändlern für verfallen erklärt werden können.In unserer Diskussion war auch eindeutig, daß wir alles tun müssen, damit die Polizei neue Fahndungsinstrumente bekommt, um Drogengeld aufspüren zu können. Hier sind wir auch auf die Mitwirkung der Kreditinstitute angewiesen. Die Mitwirkung der Kreditinstitute — das ist unsere Überzeugung — liegt auch in deren eigenem Interesse.Natürlich weiß ich, daß wir uns hier in einem sehr schwierigen Gebiet bewegen. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Tradition im Blick auf das Bankgeheimnis und alles, was damit zu tun hat. Wir glauben aber, daß es möglich sein muß, in intensiven Gesprächen auch mit den betroffenen Kreditinstituten zu Lösungen zu kommen, die befriedigend sind, zumal wir international in dieser Frage immer wieder in die Diskussion kommen.Die Drogenkriminalität mit aller Härte zu bekämpfen ist wichtig und vorrangig. Dies allein reicht aber nicht aus. Das Kabinett hat es deshalb als eine wesentliche Aufgabe einer nationalen Drogenpolitik bezeichnet, die Menschen bei uns, insbesondere die junge Generation, möglichst für ein Leben ohne Suchtstoffe zu gewinnen und, wenn irgend möglich, den Drogenkonsum zu ächten.Ich glaube, wir müssen uns alle für den Schutz vor allem junger Menschen vor der zerstörerischen Wir-
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Bundeskanzler Dr. Kohlkung des Drogenkonsums verantwortlich fühlen. Deswegen möchte ich von dieser Stelle aus den Appell an alle richten, die Verantwortung tragen, nicht zuletzt an die Lehrer und die Erzieher.Die Bundesregierung wird sich für wirkungsvolle präventive Maßnahmen einsetzen, erforderlichenfalls aber auch für ein konsequentes Durchgreifen mit der ganzen Härte des Gesetzes.Ich habe die Absicht, im Frühjahr 1990 zu einer nationalen Drogenkonferenz einzuladen; denn wir brauchen einen nationalen Rauschmittelbekämpfungsplan, der von möglichst vielen gesellschaftlichen Kräften getragen wird. Die Grundzüge dieses Plans hat das Kabinett diskutiert und festgelegt. Die Gefahren eines weiter um sich greifenden Drogenkonsums und einer anwachsenden Drogenkriminalität werden wir nur dann erfolgreich abwehren können, wenn wir alle das Drogenproblem als das einschätzen lernen, was es ist: eine der größten, vielleicht schlimmsten Herausforderungen der Zivilisation unserer Tage.
Danke. — Als erster Fragesteller Herr Abgeordneter Dr. Penner.
Herr Bundeskanzler, nun ist sicherlich unstreitig, daß das Drogenproblem ein Problem ist, das die Völker insgesamt wie eine Seuche heimgesucht hat, und daß keiner eine Lösung hat, die als gelungener Wurf für das Ganze bezeichnet werden könnte. Es gibt immer wieder Bemühungen, einer Lösung des Problems nahezukommen.
Bei einem Punkt, Herr Bundeskanzler, den Sie vorgetragen haben, muß ich allerdings nachhaken. Ich frage Sie: Ist es dem Ernst des Themas angemessen, bezüglich der Identifizierung von in größerem Umfang Einzahlenden auf die Freiwilligkeit bei Bankinstituten oder auch Spielbanken zu vertrauen? Ist es nicht eher angemessen, sich gerade in diesem Bereich der Hilfe eines allgemein verbindlichen Gesetzes zu sichern?
Herr Bundeskanzler.
Herr Abgeordneter, ich habe schon in meiner kurzen Darlegung deutlich gemacht, daß wir in dieser sehr schwierigen Frage — wir haben ja gewisse Erfahrungen aus der Steuergesetzgebungsdiskussion der jüngsten Zeit, wo es Diskussionen gegeben hat, die auch dieses Thema der Banken indirekt berühren — erst am Anfang von Überlegungen stehen. Ich muß Ihnen ganz offen sagen: Wenn wir die internationale Szene und die Diskussionen betrachten, die anderswo geführt werden, dann ist zu berücksichtigen, daß diese Länder zum Teil eine völlig andere Rechtstradition haben, auch in diesem speziellen Feld.
Ich vertraue darauf, daß wir, bevor wir hier eine endgültige Entscheidung treffen, mit allen Betroffenen — die Kreditinstitute sind die ersten Betroffenen — in einer vernünftigen Weise sprechen. Da ich mir vorstellen kann, daß es auch auf dem Weg freiwilliger Möglichkeiten große Hilfen geben kann, bin ich auf alle Fälle dafür, diese Möglichkeiten geprüft zu haben, bevor wir sozusagen die letzten Möglichkeiten des Staates ausschöpfen.
Bitte, Herr Dr. Penner zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Bundeskanzler, Sie haben auch geäußert — das ist eher eine Feststellung prinzipieller Art — , daß das Drogenproblem seine Wurzeln in den Anbauländern habe; ich hoffe, ich habe Sie richtig verstanden. Wäre es nicht besser, auch um der Lösung des Problems näherzukommen, zumindest einzuräumen, daß das auch ein Problem der Konsumentenländer ist? Denn ohne Konsum gibt es eben keinen Anbau.
Ja, ich kann Ihnen nur zustimmen; das ist doch aus meinen Worten deutlich geworden.
Herr Abgeordneter Marschewski.
Herr Bundeskanzler, wir begrüßen es, daß wir nun endlich — das ist dringend notwendig — Vorschriften haben, die den Verfall und die Einziehung konkret regeln. Wir begrüßen es, daß eine neue, selbständige Vermögenstrafe geschaffen wird. Wir halten es auch für richtig, daß endlich das Waschen von Gewinnen, was bisher als Hehlerei oder Begünstigung nicht strafbar ist, nunmehr strafbar wird.
Trotzdem die konkrete Frage: Ist denn gesetzlich geplant — das hat Kollege Penner vorhin gefragt —, eine Bankauskunft einzuführen? Ich darf dabei anführen, daß dies in den Vereinigten Staaten im Grunde die Conditio ist, um den Verbrechern, den Dealern, das Handwerk zu legen.
Eine zweite Frage: Wäre es nicht sinnvoll, angesichts einer geographischen Enge in Europa Abkommen im EG-Bereich mit diesem Inhalt zu treffen, um vielleicht zu erreichen, daß solche Gesetze, wie wir sie im nächsten Frühjahr wahrscheinlich erlassen werden, auch dort erlassen werden?
Herr Minister Schäuble.
Herr Kollege Marschewski, der Bundesjustizminister, der Bundesfinanzminister, der Bundesinnenminister haben zusammen mit dem Zollkriminalinstitut und dem Bundeskriminalamt in der vergangenen Woche die Gespräche mit der Kreditwirtschaft aufgenommen und einen Arbeitskreis gegründet, der die Fragen im einzelnen prüfen soll.Wir werden die Ergebnisse dieser Gespräche abzuwarten haben, ehe wir Ihre Frage beantworten können. Wie der Bundeskanzler gesagt hat, sind freiwillige Lösungen, wenn sie denn zustande kommen, wahrscheinlich die effizienteren. Wir können aber nicht auf gesetzliche Regelungen verzichten, solange wir nicht wissen, ob freiwillige Regelungen wirklich funktionieren.
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Bundesminister Dr. SchäubleWir sind im europäischen Bereich mitten in den Gesprächen mit den Partnern, weil wir in der Tat durch koordinierte europäische und internationale Bemühungen versuchen müssen, zu erreichen, daß die Gelder nicht in die Länder oder an die Bankplätze gehen, wo die Vorschriften am wenigsten streng sind. Wir wollen erreichen, daß wir einen Zugriff auf die Drogengelder bekommen, und nicht, daß die Drogengelder in andere Kanäle gelenkt werden.
Herr Abgeordneter Wüppesahl.
Herr Bundeskanzler, ich denke, Sie dürfen gewiß sein, daß auch sämtliche Mitglieder der Opposition die grundsätzlichen Bemühungen und die Zielrichtung Ihres Drogenbekämpfungsplanes unterstützen. Der Streit wird sicherlich nur über den Weg geführt werden. Deshalb stelle ich folgende Frage:
Verhält es sich bezüglich Ihres Stichworts, daß die Wurzeln in den Anbauländern zu suchen seien, nicht vielmehr so, daß ohne das technische Know-how der Industrieländer für die Veredelung — vor allen Dingen von Heroin und Kokain — eine solche Drogenproblematik überhaupt nicht denkbar wäre und daß der Hauptantrieb für dieses Drogengeschäft die Profite und die hohen Gewinnspannen sind, die in den Industrieländern zu erzielen sind, daß also die Verantwortlichkeit letztlich ausschließlich in den Industrieländern zu suchen ist?
In diesem Zusammenhang ist Ihnen vielleicht auch zur Kenntnis gekommen, daß in der „Stuttgarter Zeitung" von heute ein sehr großer Artikel darüber zu lesen ist, daß kritische Polizeibeamte in der Bundesrepublik Deutschland die Freigabe von Drogenkonsum fordern und zwar genau aus diesen Erkenntnissen heraus, weil mit repressiven Mitteln eine solche Problematik nicht in den Griff zu bekommen ist.
Ein letzter Gesichtspunkt. Sie wollen Anfang 1990 eine Drogenkonferenz durchführen, um sämtliche Gesichtspunkte zu Wort kommen zu lassen, bevor weitreichendere Entscheidungen getroffen werden. Ist es nicht vielmehr so, daß bereits eine Reihe von Bundestagsausschüssen auch in jüngerer Zeit Anhörungen zu diesem Problem durchgeführt haben, daß sämtliche Konzepte mit den unterschiedlichen Vorstellungen über den Weg, der zum Ziel führen soll, in den Schubläden liegen und daß es schlicht und einfach an dem politischen Willen fehlt, sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahmen, wie sie in der Tendenz u. a. der Hamburger Bürgermeister Voscherau vorgeschlagen hat, durchzuführen?
Herr Bundeskanzler.
Was die Meinung des Kollegen Voscherau betrifft, kann ich nur feststellen: Ich bin nicht seiner Meinung.
Ich kenne den Artikel aus der „Stuttgarter Zeitung" nicht. Aber wenn das, was Sie von kritischen Anmerkungen aus dem Polizeibereich berichten, so wäre: Es entspricht ebenfalls nicht meiner Meinung.
Ich finde es eine ganz natürliche Sache, daß wir in einer so zentralen Frage, die ja nicht nur mit Gesetzen
zu regeln ist, sondern auch einen Umdenkungsprozeß erfordert, möglichst viele Gruppen zusammenführen. Wir haben beispielsweise bei unserer Vorbereitung auf den europäischen Binnenmarkt einen ausgezeichneten Erfolg damit gehabt, daß wir diese regelmäßigen Zusammenkünfte der gesellschaftlichen Gruppen im Rahmen der „nationalen Europakonferenz" gepflegt haben. Das werden wir auch in Zukunft tun, auf dem Wege zum Jahresende 1992.
Ich stelle mir jetzt eben vor, daß wir die wichtigsten Repräsentanten aus dem ganzen hier in Frage kommenden Bereich einmal einladen und uns die Zeit nehmen, mindestens einen halben Tag, mit diesen zu diskutieren und dadurch Entscheidungshilfe zu bekommen. Es geht um Entscheidungshilfen für die Regierung und natürlich auch für das Parlament. Das ist aber kein Gegensatz zu dem Hearing in einem parlamentarischen Ausschuß; beides hat sein eigenes Recht. Ich denke, Herr Abgeordneter, Sie stimmen mir zu, daß es gut ist — im Sinne einer offenen Demokratie — , Gespräche mit möglichst allen gesellschaftlich relevanten Gruppen zu führen.
Herr Abgeordneter Eimer.
Herr Bundeskanzler, das Werben für ein Leben ohne Drogen, die Hilfe für Entwicklungsländer, um vom Drogenanbau wegzukommen, kostet Geld. Hat die Bundesregierung hier bestimmte Geldmittel vorgesehen? Und hat man sich auch schon Gedanken über Probleme gemacht, die es hinsichtlich Zuständigkeiten von Bund und Ländern bei bestimmten Maßnahmen geben könnte?
Herr Minister Warnke.
Herr Kollege Eimer, wir sind selbstverständlich bereit, die Verantwortung zu schultern, die uns gegenüber den Entwicklungsländern zukommt, auch in der Bekämpfung der Droge. Der achtungswerte Kampf, in den sich der kolumbianische Präsident Barco jetzt begeben hat, findet die Unterstützung der Bundesregierung: durch Solidarität, aber auch dadurch, daß Kolumbien in den Bereichen geholfen wird, in denen es unsere Hilfe in diesem Zusammenhang erbeten hat. Das sind Fragen der ländlichen Entwicklung, das sind Fragen des Schutzes der Jugend in Kolumbien durch deutsche Hilfsgelder, und das sind allerdings auch die dringend notwendigen kurzfristigen Kapitalverfügbarkeiten, die wir durch allgemeine Warenhilfe gewähren wollen.
Wir sind darüber hinaus der Meinung, wichtiger als der Transfer von Hilfsleistungen ist es, daß es Kolumbien ermöglicht wird, sich mit seinen eigenen Kräften zu helfen. Das heißt, daß die Bedingungen für den Absatz kolumbianischer Erzeugnisse, insbesondere des Kaffees, auf dem Weltmarkt verbessert werden müssen. Wir werden uns, die deutsche Stimme, in diesem Sinne in die internationalen Verhandlungen einbringen.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Eimer.
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Ich hatte auch danach gefragt, welche Geldmittel für die Werbung intern zur Verfügung gestellt werden. Denn das ist ja ein wichtiger Teil dieser Kampagne.
Frau Minister Lehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte feststellen, Herr Abgeordneter, daß in meinem Ressort ein zusätzlicher Aufwand von 25 Millionen DM vorgesehen ist. Diese Gelder sind u. a. zur Verstärkung der Maßnahmen der Prävention gedacht. Es wurde hier sehr richtig gesagt: Es gilt zunächst einmal, dafür zu sorgen, daß unsere Jugendlichen nicht drogenabhängig werden. Im Bereich der Prävention gilt es zunächst, Informationen zu verbreiten. Wir haben bereits einige Maßnahmen vorbereitet, schon für das nächste Jahr, nicht erst für die Zeit nach der vorgesehenen nationalen Drogenkonferenz. Zu diesen Maßnahmen zählen beispielsweise Postwurfsendungen. Aber darüber hinaus wollen wir 30 mobile Fachkräfte einsetzen, die in den entsprechenden Gegenden Aufklärungsarbeit leisten.
Weiter ist beabsichtigt, die Maßnahmen der Rehabilitation der bereits Drogenabhängigen zu verstärken. Auch hier ist vorgesehen, unterschwellige Angebote zu verstärken und Möglichkeiten zu schaffen, um abhängig gewordene Jugendliche wieder zurückzubringen.
Herr Abgeordneter Dr. de With.
Herr Bundeskanzler, da begründete Anhaltspunkte vorhanden sind, die darauf hindeuten, daß schmutziges Geld aus Drogengeschäften verstärkt in die Bundesrepublik Deutschland wandert, wir, wie Sie selbst sagen, aber eine entsprechende Strafvorschrift für Geldwäsche nicht haben, die wichtigsten Industrieländer jedoch entweder schon eine solche Vorschrift aufweisen oder aber bald haben werden, so daß wir bald das letzte Land im Geleitzug sein werden, wäre es da nicht vernünftig, daß die Bundesregierung, nachdem Sie heute wieder einmal nur eine Ankündigung vorgenommen haben,
einfach unseren Gesetzesvorschlag, der bereits im Bundestag eingebracht ist, zur Grundlage nimmt und berät, damit wir keine Zeit verlieren? Wir sollten wohl alle Parteirivalität beiseite lassen und einfach die Beratungen beginnen.
Herr Minister Engelhard.
Herr Kollege de With, der Vorschlag der SPD-Fraktion wird selbstverständlich in die Erörterungen einbezogen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß er schon nach erster Prüfung schwerwiegendste Mängel aufweist.
So ist insbesondere das eherne Prinzip, das unserem
Strafrecht eigen ist, nämlich der Schuldgrundsatz,
verlassen, und es sind eine ganze Reihe weiterer Mängel vorhanden, und zwar bei beiden zentralen Bestimmungen.
Weil Sie so im Tone des Vorwurfs fragen, kann ich es Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen, daß an österreichische Vorstellungen angeknüpft wird, die ihren Niederschlag in einer Ausarbeitung des MaxPlanck-Instituts in Freiburg gefunden haben, ohne daß, obwohl bestimmte Formulierungen wortwörtlich abgeschrieben worden sind, dies in der Begründung Ihres Antrags Erwähnung findet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter de With.
Herr Bundesminister der Justiz, darf ich fragen, warum Sie die Kritik, die Sie uns bei der vorgeschlagenen Strafvorschrift für Geldwäsche vorwerfen, offenbar nicht stört, wenn es um Ihren Entwurf zur Vermögenseinziehung geht?
Herr Minister Engelhard.
Sie meinen vielleicht die Frage der Vermögensstrafe.
Nein. Hier ist sehr genau herausgearbeitet, daß es, wie Sie wissen, einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren bedarf, einer Strafe also, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, und daß man innerhalb der Einhaltung dieser Grenze mit der Länge der Freiheitsstrafe etwas wird zurückgehen müssen, um auch zum Mittel der Vermögensstrafe greifen zu können. Dies ist in unserem Entwurf ganz sauber herausgearbeitet und völlig unbestritten.
Ich meine im übrigen, wenn ich das anfügen darf, Herr Kollege de With: Die Dimension dessen, was uns hier zusammenführt, ist derart, daß in der Öffentlichkeit wenig Interesse bestehen wird, in einen Streit über einzelne Konzepte einzutreten. Wir werden uns bemühen — ich hoffe und bin sicher, auch mit Ihrer Hilfe — , zu einem Ergebnis zu kommen, das greift.
Frau Abgeordnete Geiger.
Herr Bundeskanzler, was die Regierung heute beschlossen hat, ist sehr zu begrüßen. Da es sich aber um ein weltweites, hauptsächlich westliches Problem handelt, wird es sicherlich für den Erfolg sehr wichtig sein, daß die internationale Verzahnung funktioniert, daß die einzelnen Maßnahmen, die in den verschiedenen Ländern getroffen werden, auch abgestimmt werden und daß man somit dieses weltweite Problem, das durch internationale Banden verursacht wird, in den Griff bekommt. Da
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Frau Geigerwürde ich mich dafür interessieren, durch welche Maßnahmen das sichergestellt ist.Noch eine kleine Frage dazu: Es ist eine traurige Tatsache, daß die Verführten immer jünger werden, daß es Drogenabhängige jetzt auch schon an den Schulen gibt und daß es des weiteren immer mehr Drogen gibt, die chemisch auf einem relativ einfachen Wege in Kellern oder Hinterzimmern hergestellt werden. Wie will man diesem Problem beikommen?
Ich schlage vor, daß zum zweiten Teil Ihrer Frage, Frau Kollegin Geiger, der Kollege Schäuble antwortet.
Zum ersten Teil will ich sagen: Wir haben auf dem vorletzten Weltwirtschaftsgipfel und vor allem auf dem letzten in Paris im Sommer dieses Jahres auf Grund der Anregung des amerikanischen Präsidenten bereits ein intensives Gespräch dazu gehabt. Es ging dabei auch im Sinne dessen, was der Kollege Warnke sagte, um eine Stabilisierung und Unterstützung eines hauptbetroffenen Landes in Südamerika, vor allem auch des dortigen Präsidenten und seiner Regierung. Das ist auch weiterhin unsere Politik. Wir haben auch in der EG darüber gesprochen und werden vermutlich in ein paar Tagen in Straßburg auf dem nächsten EG-Gipfel darüber sprechen.
Ich will ein Stichwort aufnehmen — Sie haben es genannt — , das ich für ganz entscheidend halte. Ich glaube nicht, daß die jetzige internationale Polizeiorganisation — ich sage nichts Negatives darüber, es gibt sehr gut funktionierende Einrichtungen — angesichts der Modernisierung des internationalen Bandenwesens ausreicht. Wir haben auf dem EG-Gipfel in Rhodos über das Thema gesprochen. Ich habe vielleicht damals den Fehler begangen, daß ich meine Forderung falsch formuliert habe. Ich habe gesagt, wir brauchen ein europäisches FBI. Wir brauchen das in der Tat, aber der Begriff FBI ist nicht bei jedermann gleichermaßen auf Zustimmung gestoßen. Ich halte für ausgeschlossen, daß wir bei der Bandenkriminalität — ich sage das jetzt bewußt nicht nur in bezug auf Drogenkriminalität, sondern auf Schwerstkriminalität im weitesten Sinne des Wortes, am besten mit dem Stichwort Mafia zu umschreiben — mit den bisherigen Regelungen auskommen. Wenn wir darüber nachdenken, daß wir Grenzen öffnen — und das wollen wir doch —, dann können wir mit Blick auf den 31. Dezember 1992 mit den bisherigen Mitteln nicht auskommen. Wenn Sie die Praxis betrachten, werden Sie feststellen, daß die Praxis deswegen oft stimmt, weil die zuständigen Beamten vor allem in den Grenzbezirken bis an die äußerste Grenze des für sie Möglichen — ich will es einmal so formulieren — gehen, daß persönliche, kameradschaftliche Beziehungen helfen, daß aber die Zusammenarbeit im offiziellen Rahmen ungewöhnlich schwerfällig ist. Wir sehen uns einem äußerst modern ausgerüsteten Gangsterunwesen gegenüber, und ich bin sehr im Zweifel, ob die bisherigen zwischenstaatlichen Möglichkeiten — die einzelstaatlichen vielleicht — etwa in der Europäischen Gemeinschaft ausreichen. Dies ist übrigens eine Vorstellung, die auch Jacques Delors und andere in der Kommission hegen. Wir müssen hier ein Stück nationaler Souveränität überwinden. Ich sage Ihnen, dies ist nicht einfach, schon gar nicht in einem Land mit einer
föderalen Struktur wie der Bundesrepublik Deutschland.
Die Antwort auf die zweite Frage, bitte schön.
Frau Kollegin Geiger, am ehesten haben wir Chancen bei der Aufklärung. Der Bericht des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit weist aus, daß das Einstiegsalter bei der Drogennutzung zur Zeit eher ansteigt. Das kann sich schnell wieder ändern. Das wichtigste wird sein, daß wir Junge wie Ältere immun machen gegen den Gebrauch von Drogen. Das wird das sein, was am ehesten wirken kann. Deswegen die nationale Drogenkonferenz, wo wir nicht nur Beratung erwarten, sondern Mithilfe aller, die in Staat und Gesellschaft Verantwortung tragen. Deswegen machen wir die Aufklärungskampagne, von der Frau Kollegin Lehr soeben gesprochen hat.
Daneben werden wir versuchen, Wege zu finden, um chemische Substanzen oder technische Einrichtungen, die erforderlich sind, um in Waschküchenlabors synthetische Drogen herzustellen, stärker zu kontrollieren. Mein Optimismus reicht nicht sehr weit, weil diese Dinge relativ einfach herzustellen sind und wir nicht alle Geräte und alle chemischen Substanzen kontrollieren wollen, weil sonst an anderer Stelle ein Stück verloren ginge. Wir werden also wohl am stärksten darauf setzen müssen, die Menschen davon zu überzeugen, daß sie keine Drogen nutzen.
Danke schön. — Frau Abgeordnete Nickels.
Herr Bundeskanzler, das Betäubungsmittelgesetz hatte drei Ziele, als es erlassen wurde. Das erste Ziel sollte sein, mögliche Konsumentinnen und Konsumenten vom Gebrauch abzuschrecken und auch solche, die bandenmäßig Profite dadurch machen, von diesem Tun abzuschrecken. Das zweite Ziel war, durch Strafverfahren vor allen Dingen die Großhändler zu treffen — nicht die abhängigen Menschen — und ins Gefängnis zu bringen. Das dritte Ziel war, den Grundsatz „Therapie statt Strafe" zu verwirklichen. Tatsache ist — das sagen auch die Regierungsberichte, die wir auch gelesen haben — , daß die drei Ziele durch das Betäubungsmittelgesetz nicht erreicht werden konnten. Sie haben als einen Schwerpunkt Ihrer Kampagne die Hilfe für Süchtige bzw. für anfällige Menschen oder junge Menschen dargestellt.Meine erste Frage ist, ob Sie in Ihrem Konzept — wie es z. B. in den Niederlanden praktiziert worden ist; auch die Schweiz hat es jetzt vor; das wird z. B. auch innerhalb der Koalition diskutiert; Herr Irmer hat einen entsprechenden Vorschlag gemacht — eine Entkriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten — nicht der Großhändler, sondern der Menschen, die die Stoffe benutzen — vorsehen.
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Frau NickelsMeine zweite Frage ist: Sie sagen, Therapie solle endlich Vorrang vor Strafe haben. Mit welchen Mitteln wollen Sie dieses Ziel erreichen? Ich meine nicht, was die Frau Ministerin soeben in bezug auf Aufklärung sagte, sondern ganz konkret Modellversuche, Projekte mit Möglichkeiten einer freiwilligen Therapie.Meine dritte Frage bezieht sich auf die UNO-Drogenkonvention aus dem letzten Jahr.
Frau Nickels, Sie sind bei der dritten Frage angelangt.
Darf ich diese Frage noch zu Ende bringen?
Ja. Aber Sie haben nur eine Frage plus eine Zusatzfrage.
Dann ist das eben die Zusatzfrage.
In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, die Möglichkeiten der Gerichte, Verfahren einzustellen — ich beziehe mich vor allen Dingen auf Verfahren gegen Abhängige, nicht gegen Großhändler —, zu beschneiden. Meine Frage ist: Haben Sie, wenn Sie diese Konvention ratifizieren, dem Konzept „Therapie statt Strafe" nicht eine Absage erteilt?
Frau Ministerin Lehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, das Konzept „Therapie statt Strafe" gilt nach wie vor. Das ist der Grund, weswegen wir uns den Drogenabhängigen und innerhalb der Gruppe der Drogenabhängigen ganz besonders den etwa 15 000 bis 20 000 Langzeitabhängigen, dem harten Kern, zuwenden. Wir haben hier eine Reihe von Programmen aufgelegt, die wir weiter ausbauen. Es gibt auch einige neue Modelle, die wir erproben werden. Im ambulanten Bereich werden wir Niedrigschwellenangebote verstärken. Sodann werden wir verstärkt therapeutische Übergangseinrichtungen bis hin zu Wohnmöglichkeiten für Langzeitdrogenabhängige anbieten, damit diese erst einmal aufgenommen werden und dann allmählich einer Therapie zugeführt werden können. Wir wollen in der Zeit außerdem eine berufsqualifizierende Betreuung. Wir werden die verschiedensten Wege einschlagen, um die Abhängigen wieder in ein sogenanntes normales Leben zurückzuführen.
Herr Abgeordneter Sauer.
Wir begrüßen die beabsichtigte Aufstockung der Haushaltsmittel für Prävention und Prophylaxe, für differenzierte Therapieangebote wie natürlich auch für wirksamere repressive Maßnahmen sehr. Mich als Jugend- und Gesundheitspolitiker interessieren besonders die beiden zuerst genannten Bereiche. Diese drei Gebiete bilden natürlich einen Dreiklang, aber für uns sind Prävention, Prophylaxe und die Therapie besonders wichtig.
Mich würde interessieren, Frau Minister Lehr, wie Sie zu der doch sehr umstrittenen Frage der Ersatzdroge Methadon stehen. Sie wissen ja, daß die Fachleute Methadon zu einem großen Teil ablehnen, weil sie sagen: Wir kommen an einer drogenfreien Therapie nicht vorbei. Mich würde Ihre Meinung zu groß angelegten Methadonprogrammen, die man in der Bundesrepublik zum Teil schon durchzusetzen versucht, interessieren.
Ich habe eine zweite Frage. Wir sind durch die Meldung aufgeschreckt worden, daß sehr viele deutsche Chemiefirmen die Grundstoffe zur Herstellung von Heroin und anderen Opiaten hinaus in die Welt liefern. Mir ist bekanntgeworden, daß Sie eine Novelle des Betäubungsmittelgesetzes herbeiführen wollen, um hier die Ausfuhr dieser Chemikalien zu unterbinden. Ich würde gerne einmal hören, welche Konzepte Sie dafür haben, und zwar über die sechs Stoffe hinaus, die im UNO-Drogenübereinkommen genannt sind; denn dort gibt es noch weitere chemische Grundstoffe. Dabei ist mir das Problem der Nachweisbarkeit natürlich klar, wenn Sie z. B. an Aceton oder Äther denken. Aber ich glaube, wir müssen auch diese Frage lösen. Es kann nicht hingenommen werden, daß wir Millionen für die Drogenarbeit ausgeben, während diese chemischen Grundstoffe zur gleichen Zeit von uns aus in die ganze Welt gelangen.
Frau Ministerin Lehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum ersten Teil Ihrer Frage bezüglich Methadon: Die Bundesregierung verfolgt mit Aufmerksamkeit die Diskussion um das Pro und Kontra von Ersatzstoffen. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir sagen: Methadon ist nur in begründeten Einzelfällen bei bestimmten Rahmenbedingungen möglich, d. h. unter ärztlicher Kontrolle in ganz bestimmten Fällen. Zu den Rahmenbedingungen gehört eine psychosoziale Betreuung. Methadon in groß angelegten Modellversuchen ist unserer Ansicht nach zur Zeit nicht zu verantworten. Wir haben allerdings die Bundesärztekammer gebeten, nach weiteren Indikationen zu suchen, die eventuell die Möglichkeit bieten, den Kreis der Einzelfälle zu vergrößern. Die bisherigen Auskünfte seitens der Bundesärztekammer lassen eher eine zurückhaltende Einstellung erkennen; offenbar sind auch die Gefahren von Methadon nicht ganz von der Hand zu weisen.
Die andere Frage war an Minister Schäuble gerichtet, oder?
Nein, die Frage zum Betäubungsmittelgesetz richtete sich an das Jugend- und Familienministerium.
Auch an das BMJFFG? — Dann Frau Ministerin Lehr, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hierzu kann ich nur sagen, daß wir bisher nur die sechs im Betäubungsmittelgesetz genannten Stoffe vorgesehen haben. Ob weitere Stoffe hinzugefügt werden müssen, müßte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erörtert werden.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Oktober 1989 12765
Die reguläre Zeit ist abgelaufen. Ich verlängere um zehn Minuten. Die letzte Frage zu diesem Komplex hat der Abgeordnete Gilges.
Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, die Wurzel der Drogenabhängigkeit liege in den Anbauländern. Nun wissen die Drogenfachleute, daß die Ursachen der Drogenabhängigkeit in sozialen Konflikten, Familienproblemen usw. insbesondere in den modernen Industriestaaten liegen. Würden Sie daher Ihre Meinung dazu noch einmal überprüfen, und wäre es nicht sinnvoll, das Problem dort anzugehen, wo die Ursachen liegen, nämlich im sozialen Bereich unseres Landes, z. B. in den Familien, um die Drogenabhängigkeit an der Wurzel zu bekämpfen und sie dadurch unmöglich zu machen?
Die Bundesregierung gibt für das AIDS-Programm 130 Millionen aus. 25 Millionen geben Sie für die Bekämpfung der Drogenabhängigkeit aus; das haben Sie, Frau Lehr, hier gesagt. Nun weiß jeder, daß die Aufklärung nirgendwo funktioniert, daß in den Kommunen Drogenberatungsstellen ihr Personal abbauen oder sogar ihre Tätigkeit eingestellt haben. Jeder weiß auch, daß die Schulen vor Ort mit dem Drogenproblem kaum zurechtkommen. Das gilt mittlerweile nicht nur in den Großstädten, sondern auch auf dem Lande. Was tut die Bundesregierung über diese 25 Millionen hinaus, die ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind,
um wirklich den Kommunen und den Ländern die Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen die Drogensucht vor Ort — an den Stellen, wo es notwendig ist — bekämpft werden kann?
Der dritte Punkt wäre die Frage der Therapie. Alle Drogenberatungsstellen klagen darüber, daß es nicht genug Therapieplätze gibt. Das ist ein brennendes Problem, das Sie schon 1988 in einer Erklärung selber dargestellt haben. Bis heute ist nichts geschehen. Ich sehe auch in Ihren Ankündigungen, insbesondere in den Ankündigungen des Bundeskanzlers, überhaupt keinen Ansatzpunkt dafür, daß Sie dieses Problem der Therapie und auch der Vorbeugung und Aufklärung wirklich ernsthaft angehen. Ich glaube, das, was Sie hier veranstalten, ist ein wenig Schaumschlägerei.
Herr Bundeskanzler.
Herr Abgeordneter, ich will mich nicht zu Ihrer Qualifikation äußern, obwohl es auf Grund Ihrer Frage naheläge, dazu einen Kommentar abzugeben. Ich möchte statt dessen die folgenden kurzen Bemerkungen machen:
Erstens. Sie wissen natürlich so gut wie ich, daß Sie im ersten Teil Ihrer Frage meine Feststellung bewußt mißverstanden haben. Natürlich gehört beides zusammen. Es geht eben auch darum, daß die Stoffe dort nicht mehr angebaut werden. Der Kollege Warnke hat doch darüber gesprochen. Es geht darum, die Stoffe dort zu beseitigen, den Anbau zu verhindern und den Menschen, die dort leben, zu anderen Lebensverhältnissen zu verhelfen, also Anbaumöglichkeiten beispielsweise für Obstsorten zu schaffen, wie es jetzt in Kolumbien diskutiert wird. Ich bitte Sie wirklich, mich da nicht bewußt mißzuverstehen.
Zweitens. Natürlich wissen Sie ebenfalls so gut wie ich, daß die Tatsache, daß hier bei uns viele in die Drogenszene geraten, viele Gründe in den Lebensumständen hat. Die Frage des von Ihnen angesprochenen — ich nehme das Wort auf und verschärfe es etwas — sozialen Elends ist bei uns wohl, wie Sie feststellen werden, wenn Sie einmal genau hinschauen, im Regelfall der am seltensten auftretende Grund. Auch wenn Sie die soziale Schichtung betrachten, sehen Sie, daß es zum Teil ganz andere Phänomene sind, zum Teil Wohlstandsphänomene, wie wir sie in bestimmten Gesellschaftskreisen beobachten können.
Drittens. Bei der nationalen Drogenkonferenz geht es doch nicht darum, daß wir uns gegenseitig belehren.
Die Frage der Plätze, die Sie angesprochen haben, ist doch überhaupt keine Frage der Bundesregierung. Ich wehre mich auch entschieden dagegen, daß bei jedem Problem in der Bundesrepublik Deutschland gesagt wird: Die Bundesregierung ist gefordert — und die anderen nicht. Ich habe Funktionen in den verschiedenen Bereichen innegehabt: Ich war kommunalpolitisch tätig, ich war Ministerpräsident. Ich finde, Schule ist doch nun wirklich Ländersache. Man kann nicht dann, wenn etwas schiefgeht, sagen, das sei Sache des Bundes. Wenn man auf den Föderalismus stolz ist, muß man auch in diesen Fragen handeln.
Ich will zusammenfügend sagen: Da es überwiegend um junge Leute geht — jedenfalls in dem Bereich, der Ihre Frage ausmacht — , finde ich, sind wir alle in der Verantwortung: ein Bürgermeister und ein Landrat genauso wie die anderen Kommunalpolitiker, ein Landtagsabgeordneter genauso wie ein Kultusminister, ein Sozialminister und ein Ministerpräsident eines Landes, die Bundesregierung und ich als Bundeskanzler genauso wie die Kollegen dieses Hauses.
Der Sinn dieser nationalen Drogenkonferenz ist aus meiner Sicht, zum einen jedermann noch einmal das Problem vor Augen zu führen, jedermann problembewußt zu machen, und zum zweiten darüber nachzudenken, ob wir alle wirklich genug tun. Aber „wir alle" heißt für mich Bund, Länder und Gemeinden. Ich wehre mich dagegen, daß jetzt als eine Entscheidung allein auf einer Ebene zu sehen. Ich fände es viel besser, wenn wir am Ende dieser Debatte sagten: Wir wollen gemeinsam unseren Beitrag leisten, um diese entsetzliche Heimsuchung so weit wie möglich abzuwehren.
Noch eine ganz kurze Zusatzfrage, Herr Gilges.
Herr Bundeskanzler, es besteht überhaupt kein Zweifel daran, daß das eine gemeinsame Aufgabe ist. Ich möchte das ausdrücklich betonen. Ich glaube aber, daß die Frage der Ernsthaftigkeit von der Opposition durchaus in Zweifel gezogen werden darf.
Im Rahmen der freien Fragen hat jetzt zu einer letzten Frage Herr Abgeordneter Eigen das Wort.
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12766 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 169. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 24. Oktober 1989
Herr Bundeskanzler, die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat am Donnerstag der letzten Woche beschlossen, die Getreideernte für 1989 auf 160,5 Millionen t festzusetzen, obgleich jedermann weiß, daß bei einer Statistik 2 bis 5 % Fehlerquote selbstverständlich sind. Die Landwirte in der Europäischen Gemeinschaft, besonders auch in der Bundesrepublik Deutschland, empfinden das als Provokation, vor allen Dingen vor dem Hintergrund des Versprechens, Herr Bundeskanzler, das im GATT gegenüber den USA gegeben wurde, nämlich weitere Stützungssenkungen in Europa sicherzustellen, was eine Preissenkung von 3 % für das Wirtschaftsjahr 1990/91 bedeutet.
Meine erste Frage ist: Wie wird die Bundesregierung darauf reagieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben am 12. Februar 1988 die Stabilisatoren in der Europäischen Gemeinschaft durchgesetzt, damit wir endlich von der Überschußproduktion bei Getreide wegkommen. Im Zuge dieser Stabilisatoren sind fünf Maßnahmen eingeleitet worden. Erstens werden bei Überschreitung von 160 Millionen t die Preise gesenkt; zweitens die Mitverantwortungsabgabe, die variable, festgelegt wird, — —
Herr Eigen, ich darf Sie bitten, sich kürzer zu fassen.
Ja, ich fasse mich gleich ganz kurz.
Darüber hinaus sind aber auch Maßnahmen zur Entlastung festgelegt worden, für die wir Ihnen dankbar sind. Diese Maßnahme der Kommission, daß nämlich die Bestrafung einsetzt, ohne daß die Entlastung bei Flächenstillegungen, bei Substituten, bei Verfütterung von Getreide, bei nachwachsenden Rohstoffen in Europa auch nur im Ansatz durchgeführt wird, empfinden wir jedoch als Provokation. Ich möchte Sie fragen, Herr Bundeskanzler, wie Sie sicherstellen wollen, daß der von Ihnen initiierte Beschluß auf dem Gipfel in Brüssel durchgesetzt wird.
Es antwortet der Staatssekretär von Geldern.
Herr Kollege Eigen, auch aus der Sicht der Bundesregierung ist diese vorzeitige Entscheidung der EG-Kommission über die Erntemenge 1989 kritikwürdig. Zum Beispiel ist die Maisernte noch gar nicht abgeschlossen. Wir meinen, daß angesichts der Fehlermarge die Exekution von 160,5 Millionen t mit der Wirkung einer 3%igen Interventionspreissenkung politisch stillos ist und in dieser Weise auch nicht gerechtfertigt werden kann.
Hinzu kommt — was Sie zu Recht angesprochen haben — , daß die Maßnahmen, die im Februar 1988 zusätzlich beschlossen worden sind, von der EG-Kommission teilweise gar nicht oder unzureichend vorgelegt und durchgeführt worden sind. Das alles ist ja als ein Paket zu verstehen.
Ihre konkrete Frage nach der Reaktion darauf wird zur Stunde auf der laufenden Agrarministerratstagung in Brüssel beantwortet. Wir werden dort die entsprechende Kritik — sicherlich in Gesellschaft weiterer Mitgliedstaaten — vortragen. Wir werden auch Gelegenheit haben, noch in dieser Woche mit dem zuständigen Kommissar das Thema weiter zu vertiefen. Und natürlich ist dies auch für die vor uns liegende Preisrunde ein Thema. Bundesminister Kiechle hat bereits die Belastung der Preisrunde durch diese Entscheidung öffentlich angesprochen. Wir werden im Rahmen der Entscheidungen der Gemeinschaft alles unternehmen, was wir unternehmen können, um die für unsere getreideanbauenden Landwirte daraus folgenden Entwicklungen so abzumildern, wie es möglich ist.
Die Aufgabe besteht natürlich auch darin, die weiteren Elemente der Beschlüsse vom Februar 1988 jetzt unverzüglich auf den Weg zu bringen: die Verwendungsalternative der nachwachsenden Rohstoffe, die EG-weite Annahme des Flächenstillegungsprogramms, aber auch — Sie haben die GATT-Runde angesprochen — die Begrenzung der Substituteneinfuhr, um den Getreideabsatz innerhalb der Gemeinschaft zu verbessern.
Darf ich den Abgeordneten Müller fragen, ob er eine Frage zu diesem Punkt hat. — Dann gestatte ich dazu noch eine Zusatzfrage. Die Opposition muß berücksichtigt werden.
Herr Bundeskanzler, es ist soeben gesagt worden, es war ein Fehler, daß man die Mengen so frühzeitig festgelegt hat, weil die Maisernte noch nicht vorbei ist. War es dann nicht auch ein Fehler der Bundesregierung, möglichst frühzeitig die Menge festgesetzt erhalten zu wollen, um die Mitverantwortungsabgabe zurückzahlen zu können?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, wir haben nicht darauf gedrängt, eine möglichst frühzeitige Feststellung der Erntemengen zu erhalten. Das waren andere Mitgliedsländer. Wir haben die Entscheidung der Kommission zu einem späteren Zeitpunkt gewollt und auch erwartet und haben von Anfang an darauf hingewiesen, daß z. B. der Abschluß der Maisernte Voraussetzung für eine einigermaßen verläßliche Abschätzung der Erntemengen ist. Aus diesem Grunde habe ich die soeben geäußerte Kritik an die Adresse der Kommission zu richten.
Danke schön.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob alle Fragesteller zum Zuge gekommen sind. Wir hatten noch nie so viele Fragesteller. Die Zeit der Regierungsbefragung ist abgelaufen. Ich beende damit die Befragung.
Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages berufe ich für Mittwoch, den 25. Oktober, 13 Uhr, ein.