Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. •
Am vergangenen Sonnabend ist der Osten des Iran von einem sehr schweren Erdbeben heimgesucht worden. In katastrophalem Ausmaß wurden davon die Stadt Tabas und ihre Umgebung betroffen. Neben großen materiellen Schäden ist vor allem die Zahl der Todesopfer erschreckend hoch. Zur Linderung der größten Not verdienen die Spendenaufrufe der deutschen und internationalen Hilfsorganisationen unser aller Unterstützung.Der Deutsche Bundestag spricht der Regierung und der Bevölkerung des Iran seine tiefempfundene Anteilnahme aus. Unsere Trauer gilt den Hinterbliebenen, unser Mitgefühl den Verletzten und Obdachlosen.Am 6. August dieses Jahres verstarb das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Paul VI. Ich habe dem Apostolischen Nuntius in Bonn die tiefempfundene Anteilnahme des Deutschen Bundestages ausgesprochen und das segensreiche Wirken des Papstes für den Frieden in der Welt gewürdigt. Dem neuen Papst Johannes Paul I. habe ich für den Deutschen Bundestag Glück- und Segenswünsche übermittelt.Nun habe ich die traurige Pflicht, Ihnen den Tod unseres Kollegen Dr. Reinhold Staudt bekanntzugebeh. Er starb am Morgen des 11. September, wenige Tage vor seinem 50. Geburtstag.Reinhold Staudt wurde am 16. September 1928 in Weilmünster geboren. Nach dem Schulbesuch studierte er an den Universitäten Heidelberg und Frankfurt, wo er 1957 zum Dr. phil. promovierteSein Berufsweg hatte ihn bereits 1956 nach Darmstadt geführt. Er war hier zunächst als Geschäftsführer des Verkehrsvereins und dann in verschiedenen Funktionen im Dienste der Stadt tätig, seit 1973 als Stadtrat für das Dezernat Schule, Jugend und Sport. Seine Tätigkeit umfaßte zahlreiche weitere Ämter und Aufgaben. Außerdem trat er als Autor, Redakteur und Herausgeber mehrerer Bücher und Fernsehfilme hervor.1960 trat er der SPD bei. Er gehörte den Vorständen des Ortsvereins Darmstadt-Eberstadt und des Unterbezirks Darmstadt-Stadt an. 1976 wurde er Abgeordneter für den Wahlkreis Darmstadt im Deutschen Bundestag. Eine schwere Erkrankung noch im gleichen Jahr hinderte ihn bis zum Oktober 1977 an der Aufnahme seiner Arbeit. Danach engagierte er sich vornehmlich in den Bereichen Sport- und Bildungspolitik. Er war ordentliches Mitglied des Sportausschusses, des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft sowie Mitglied des Arbeitskreises Inneres, Bildung und Sport seiner Fraktion.Sein früher Tod, der ihn aus einem arbeitsreichen Leben plötzlich herausriß, erschüttert uns tief. Der Deutsche Bundestag verliert mit Reinhold Staudt einen engagierten und geschätzten Kollegen.Ich spreche den Angehörigen des Verstorbenen, besonders seiner Frau und seinen vier Kindern, sowie der Fraktion der SPD meine aufrichtige und herzliche Anteilnahme aus. Der Deutsche Bundestag wird Reinhold Staudt ein dankbares, ehrendes Andenken bewahren.Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen dafür.Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Nehm ist am 13. September 1978 als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Staudt in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich begrüße den neuen Kollegen Herrn Nehm sehr herzlich und wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag.
Und nun habe ich die Freude, zu erfreulichen Ereignissen während der Sommerpause eine Reihe von Glückwünschen auszusprechen: dem Herrn Kollegen Mattick zu seinem 70. Geburtstag am 27. Juni,
dem Herrn Kollegen Wehner zu seinem 72. Geburtstag am 11. Juli,
der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Funcke, zu ihrem Geburtstag am 20. Juli,
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Präsident Carstensdem Kollegen Müller zu seinem 73. Geburtstag am 5. August,
dem Kollegen Dr. von Bismarck zu seinem 65. Geburtstag am 19. August
und dem Kollegen Saxowski zu seinem 60. Geburtstag am 13. September.
Frau Kollegin Krone-Appuhn beglückwünsche ich zur Geburt ihres Sohnes, ihres vierten Kindes.
Der Abgeordnete Dr. Gruhl ist seit dem 11. Juli 1978 nicht mehr Mitglied der Fraktion der CDU/ CSU.
Meine Damen und Herren, in der Sommerpause fand in Bonn in der Zeit vom 3. bis 14. September die 65. Interparlamentarische Konferenz statt; Gastgeber war der Deutsche Bundestag. Die Konferenz verabschiedete eine Reihe von Resolutionen. In langen Debatten legten die 70 Delegationen ihren Standpunkt zu zum Teil kontroversen Themen dar. Bemerkenswert waren die Aufmerksamkeit und Geduld, mit der die Delegationen — auch aus entgegengesetzten Lagern — einander zuhörten.Für unser Land ergab sich die Möglichkeit, uns selbst darzustellen. Unsere Gäste haben sich dafür bei uns — zum Teil in überschwenglicher Form — bedankt. Ich habe in meiner Schlußansprache gesagt, ich hoffte, die Delegierten hätten sich davon überzeugen können, daß das deutsche Volk seine Wiedervereinigung ausschließlich mit friedlichen Mitteln anstrebe.Der deutschen Gruppe auf der Interparlamentarischen Konferenz möchte ich für die Rolle des Gastgebers, die sie dabei gespielt hat, besonders herzlich danken, voran dem Kollegen Amrehn, dem Leiter der Gruppe, und der Frau Kollegin Dr. Timm, der stellvertretenden Leiterin.Besonders danken möchte ich den 300 Mitarbeitern des Deutschen Bundestages, die — zum Teil unter Verzicht auf ihren Urlaub — die technische Durchführung der Konferenz ermöglicht haben,
und den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, die das Rahmenprogramm in hervorragender Weise mitgestaltet haben. Aber mein Dank gilt vor allem Sir Thomas Williams, dem Präsidenten des Rates, und Herrn Terenzio, dem Generalsekretär, für ihr hohes Maß an Mitwirkung im Interesse eines erfolgreichen Ablaufs dieser Konferenz.Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor — Stand: 12. September 1978 —, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen: Betr.: Erster Immissionsschutzbericht der Bundesregierung
zuständig : Innenausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Betr.: Umweltgutachten 1978
zuständig: Innenausschuß
Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Betr.: Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland bei der III. Interparlamentarischen Konferenz über europäische Zusammenarbeit und Sicherheit in Wien vom 3. bis 9. Mai 1978
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Verteidigungsausschuß Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments mit derStellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Neunte Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Drucksache 8/1967) zuständig: Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zur euro-päischen Zusammenarbeit bei der Rüstungsbeschaffung
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Verteidigungsausschuß Betr.: Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union über die Frühjahrstagung der IPU in Lissabon vom 27. März bis 1. April 1978
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
VerteidigungsausschußAusschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments mit derStellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag des Rates, den Zeitraum für die allgemeine unmittelbare Wahl der Abgeordneten des , Europäischen Parlaments vom 7. bis 10. Juni 1979 • festzulegen
zuständig: Innenausschuß Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments mit derStellungnahme des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betreffend die Sanierung des Schiffbaus in der Gemeinschaft
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Betr.: Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeitim Jahre 1977 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet (Drucksache 8/1925) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Betr.: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in derVersammlung der Westeuropäischen Union über den ersten Teil der 24. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 19. bis 22. Juni 1978
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für Forschung und Technologie Verteidigungsausschuß Betr.: Siebter Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Ver-besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur"
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und StädtebauAusschuß für innerdeutsche Beziehungen Haushaltsausschuß Betr.: Straßenbaubericht 1977
zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fern-meldewesen Betr.: Dritter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes — AUG
zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Wirtschaft Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungenhinsichtlich der Regelungen des Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes
zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
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Präsident Carstens
zuständig: Sportausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß Betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 06 Tit. 686 18— Beitrag zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft — Bezug: § 37 Abs. 4 BHO
Haushaltsausschuß Betr.: Bericht der Wahlkreiskommission für die 8. Wahl-periode des Deutschen Bundestages gemäß § 3 Bundeswahlgesetz
zuständig: InnenausschußErhebt sich dagegen Widerspruch? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.Zur Tagesordnung ist im Ältestenrat vereinbart worden, nach der Einbringung des Haushaltsgesetzes heute morgen die Sitzung für Fraktionsberatungen bis heute 15 Uhr zu unterbrechen. Die verbundene Aussprache über die Tagesordnungspunkte 1 bis 4 beginnt dann um 15 Uhr und soll auf fünf Stunden begrenzt werden. Die Debatte wird am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt und soll am Freitag um 12 Uhr abgeschlossen sein. Die Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses sollen am Donnerstag um 14 Uhr aufgerufen werden.Ist das Haus damit einverstanden, daß die Aussprache am Mittwoch auf fünf Stunden begrenzt und am Freitag um 12 Uhr abgeschlossen wird? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.Amtliche Mitteilungen ohne VerlesungDer Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. Juni 1978 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zu der Vereinbarung vom 18. Februar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der italienischen Republik über steuerliche Erleichterungen im grenzüberschreitenden deutsch-italienischen StraßenverkehrGesetz zu dem Abkommen vom 19. Juli 1976 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik Polen über die steuerliche Behandlung des internationalen StraßenverkehrsGesetz zu dem Abkommen vom 10. Dezember 1976 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Irland über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen im internationalen VerkehrGesetz zur Durchführung der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Funkstörungen durch Hodifrequenzgeräte und Funkanlagen
Zweites Gesetz über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit und die Fortschreibung des Gebäudebestandes
Gesetz zur Änderung des WohnungsmodernisierungsgesetzesZu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.In seiner Sitzung am 23. Juni 1978 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich der nachstehenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:Zehntes Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
Einundzwanzigstes Gesetz über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte
Neuntes Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964Seine Schreiben sind als Drucksachen 8/1957, 8/1958, 8/1959 verteilt.Der Vermittlungsausschuß hat bei den nachfolgenden Gesetzen das Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlossen:Einundzwanzigsten Gesetz über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte
Zehnten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
Das vom Deutschen Bundestag beschlossene Neunte Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 hat der Vermittlungsausschuß bestätigt.Seine Schreiben sind als Drucksachen 8/1971, 8/1972 und 8/1973 verteilt.Dem Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 23. Juni 1978 nicht zugestimmt. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 6. Juli 1978 mitgeteilt, daß die Bundesregierung beschlossen habe, zu diesem Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen.Die Schreiben sind als Drucksachen 8/1961 und 8/1977 verteilt.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. Juli 1978 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt.Gesetz zu dem Vertrag vom 25. April 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Straße zwischen Lörrach und Weil am Rhein auf schweizerischem GebietGesetz zu dem Vertrag vom 3. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über die Gegenseitigkeit in AmtshaftungssachenGesetz zu den Übereinkommen vom 3. Dezember 1976 zum Schutz des Rheins gegen chemische Verunreinigung und zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Bodennutzungs-und ErnteerhebungGesetz zum Protokoll vom 23. März 1973 zur weiteren Verlängerung des Internationalen Olivenöl-Ubereinkommens von 1963 mit Änderungen des ÜbereinkommensViertes Gesetz zur Änderung des TextilkennzeichnungsgesetzesGesetz über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1978
Gesetz über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das BranntweinmonopolGesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1978
Gesetz über die Zeitbestimmung
Zweites Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung Gesetz zur Beschleunigung des Asylverfahrens Gesetz zur Änderung des StraßenverkehrsgesetzesGesetz zur Änderung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und FernmeldegeheimnissesZu den nachstehenden Gesetzen hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 7. Juli 1978 beschlossen, keinen Einspruch einzulegen :Neuntes Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964Einundzwanzigstes Gesetz über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte
Zehntes Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat Stellungnahmen beschlossen, die als Anlagen 3 und 4 diesem Protokoll beigefügt sind.In seiner Sitzung am 7. Juli 1978 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich der nachstehenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:Gesetz über die Statistik im Handel und Gastgewerbe
Gesetz zur Änderung der Antragsfrist für den LohnsteuerJahresausgleichGesetz zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise und zur Regelung der Meldepflicht in BeherbergungsstättenStrafverfahrensänderungsgesetz 1979
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Versammlungen und AufzügeSeine Schreiben sind als Drucksachen 8/1984, 8/1985, 8/1987, 8/1988 und 8/1989 verteilt.Der Vermittlungsausschuß hat bei den nachfolgenden Gesetzen das Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlossen:
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8112 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Präsident CarstensStrafverfahrensänderungsgesetz 1979Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Personalausweiseund zur Regelung der Meldepflicht in Beherbergungsstätten Das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge hat der Vermittlungsausschuß bestätigt.Seine Schreiben sind als Drucksachen 8/2094, 8/2095 und 8/2096 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 26. Juni 1978 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Kleine Anfrage der Abgeordneten Burger, Frau Geier, Frau Schleicher, Frau Karwatzki, Franke, Frau Dr. Wex, Kroll-Schlüter, Geisenhofer, Hasinger, Zink, Bühler , Frau Verhülsdonk, Dr. George, Glos, Dr. Stark (Nürtingen) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Förderung von Müttergenesungskuren aus öffentlichen Mitteln — Drucksache 8/1884 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/1962 verteilt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 28. Juni 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Probst, Rühe, Dr. Stercken, Frau Dr. Wilms, Frau Dr. Wisniewski, Frau Krohne-Appuhn, Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK) — Drucksache 8/1915 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/1966 verteilt.Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 29. Juni 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Köhler , Helmrich, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU betr. Parlamentarische Staatssekretäre und Beamte in Vorständen von Beteiligungsgesellschaften des Bundes — Drucksache 8/1898 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/1969 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 4. Juli 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Sprung, Dr. Häfele, Pieroth, Wohlrabe, Schröder , von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Köhler (Duisburg), Hartmann, Schedl, Dr. Zeitel und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kompensationsgeschäfte im Osthandel — Drucksache 8/1914 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/1975 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 5. Juli 1978 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Franke, Müller , Müller (Berlin), Zink, Burger, Frau Geier, Schedl, Frau Schleicher Kroll-Schlüter, Pohlmann, Höpfinger, Neuhaus, Geisenhofer, Hasinger, Bühler (Bruchsal), Frau Karwatzki, Dr. Blüm, Frau Verhülsdonk, Dr. George, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Frau Dr. Wex, Niegel und der Fraktion der CDU/CSU betr. Langfristige Sicherung des Generationenvertrages in der Alterssicherung im Zusammenhang mit der Geburtenentwicklung — Drucksache 8/1883 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/1982 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 17. Juli 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Steger, Daubertshäuser, Grunenberg, Scheffler, Frau Erler, Stockleben, Ueberhorst, Wendt, Flämig, Müller , Dr. Jens, Wolfram (Recklinghausen), Dr.-Ing. Laermann, Frau Schuchardt, Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Zywietz, Dr. Haussmann, Angermeyer und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Internationale Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung im Energiebereich — Drucksache 8/1965 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/1999 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 20. Juli 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Engelsberger, Dr. Dollinger, Dr. George, Frau Hoffmann ., Tillmann, Dr. Sprung, Dr. Jobst, Frau Benedix, Daweke, Pohlmann, Neuhaus, Weber (Heidelberg), Hauser (Krefeld), Biechele, Dr. Zeitel, Dr. Jenninger, Schedl, Pfeifer, Frau Dr. Neumeister, Dr. Kreile, Dr. Warnke, Alber, Dreyer, Dr. Stavenhagen, Dr. Möller, Dr. Schwarz-Schillling, Kroll-Schlüter, Frau Hürland, Müller (Berlin), Burger, Dr. Laufs, Susset, Sauter (Epfendorf), Graf Huyn, Frau Geier, Dr. Jahn (Münster), Sick, Dr. Becker (Frankfurt), Schröder (Lüneburg), Frau Pieser, Kolb, Feinendegen, Höpfinger, Kraus, Dr. Müller-Hermann betr. Lage des Hotel- und Gaststättengewerbes — Drucksache 8/1964 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2007 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom .25. Juli 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Eyrich, Spranger, Vogel , Dr. Miltner, Berger (Herne), Regenspurger, Volmer, Dr. Laufs, Biechele und der Fraktion der CDU/CSU betr. Fortschreibung der Angaben zur Entwicklung der Besoldungs-, Vergütungs- und Versorgungsausgaben im öfffentlichen Dienst — Drucksache 8/1990 — beantwortet. Sein Schreiben istals Drucksache 8/2008 verteilt.Der Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 25. Juli 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jobst, Dr. Dollinger, Lemmrich, Röhner, Straßmeir, Kunz , Dr. Warnke, Dr. Kunz (Weiden), Kiechle, Niegel und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Österreichischer Straßenverkehrsbeitrag — Drucksache 8/1976 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2011 verteilt.Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 26. Juli 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Schedl, Müller , Müller
, Frau Benedix, Hasinger, Prangenberg, Rühe, Berger (Lahnstein), Daweke, Dr. Möller und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Berufsvorbereitende Maßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz für noch nicht berufsreife Jugendliche — Drucksache 8/1986 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2016 verteilt.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 27. Juli 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Klein , Dr. Schwarz-Schilling, Frau Dr. Walz, Lenzer, Benz, Engelsberger, Dr. von Geldern, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Hupka, Klein (München), Krey, Metz, Dr. Pinger, Dr. Riesenhuber, Dr. Stercken, Wohlrabe und der Fraktion der CDU/CSU betr. Satellitenrundfunk und Kommunikationssatelliten — Drucksache 8/1983 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2022 verteilt.Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 28. Juli 1978 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stockleben, Daubertshäuser, Frau Erler, Grunenberg, Scheffler, Dr. Steger, Ueberhorst, Wendt, Müller , Dr. Jens, Wolfram (Recklinghausen), Dr.-Ing. Laermann, Frau Schuchardt, Schäfer (Mainz), Zywietz, Dr. Haussmann, Angermeyer und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen für den Bereich Stahl und Eisen — Drucksache 8/1992 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2026 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 1. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz, Egert, Heyenn, Dr. Jens, Lenders, Mahne, Müller , Dr. Haussmann, Angermeyer, Zywietz und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Verbraucherpolitik in Europa — Drucksache 8/1978 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2030 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 3. August 1978 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen, dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die Kleine Anfrage des Abgeordneten Schröder und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Chancen und Grenzen der Nutzung der Solarenergie- in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 8/2003 — be-antwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2036 verteilt.Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat mit Schreiben vom 15. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Jobst, Röhner, Dr. Schneider, Lintner, Dr. Kunz und der Fraktion der CDU/CSU betr. „Raumordnungsprognose 1990" — Drucksache 8/2023 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2046 verteilt.Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom15. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Dr. Zimmermann, Dr. Voss, Röhner, Dr. Dollinger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Europäisches Währungssystem — Drucksache 8/2029 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2047 verteilt.Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom16. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Jobst, Dr. Kunz , Röhner, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Versorgungslage in ländlichen Räumen — Drucksache 8/2028 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2648 verteilt.Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 15. August 1978 im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Auswärtigen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Polkehn, Engelhard und Genossen und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Deutsch-polnischer Jugendaustausch — Drucksache 8/2020 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2049 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 15. August 1978 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesminister für Forschung und Technologie die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Dr. Stavenhagen, Pfeffermann, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betr. Risiken bei Unfällen mit Raumflugkörpern und Möglichkeiten der Gefahrenabwehr — Drucksache 8/1974 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2050 verteilt.Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 11. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Langguth, Frau Benedix, Biechele, Dr. Hupka, Dr. Müller, Picard, Daweke, Dr. Waigel, Reddemann, Bühler und der Fraktion der CDU/CSU betr. Förderung politischer Bildungsarbeit durch die Bundesregierung — Drucksache 8/1994 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2051 verteilt.Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 18. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Häfele und der Fraktion der CDU/CSU betr. Sondergutachten des Sachverständigenrates vom 19. Juni 1978 — Drucksache 8/2044 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2055 verteilt.Der Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 23. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Böhm , Dr. Abelein, Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Gradl, Dr. Czaja, Sauer (Salzgitter), Straßmeir, Baron von Wrangel, Jäger (Wangen), Graf Stauffenberg, Ernesti, Dr. Hupka, Dr. Marx, Lintner, Amrehn, Dr. Jaeger, Röhner und der Fraktion der CDU/CSU betr. Militärische Bedeutung der Kampfgruppen der DDR für den Warschauer Pakt — Drucksache 8/2037 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2060 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 22. August 1978 die Kleine Anfrage der Abge-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8113
Präsident Carstensordneten Lattmann, Dr. Meinecke , Weisskirchen
, Voigt (Frankfurt), Frau Schuchardt, Schäfer (Mainz),
Dr.-Ing. Laermann und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Studienreform — Drucksache ,8/2015 — beantwortet. Sein Schireiben ist als Drucksache 8/2061 verteilt.Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 30. August 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Rühe, Frau Dr. Wilms, Frau Benedix, Daweke, Dr.. Hornhues, Dr. Rose, Berger , Prangenberg, Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU 'betr. Einführung eines zehnten Pflichtschuljahres in Berlin — Drucksache 8/2057 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2073 verteilt.Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 28. August 1978 gemeinsam mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und dem Bundesminister für Wirtschaft in Abstimmung mit dem Bundesminister des Auswärtigen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schluckebier, Stockleben, Bindig, Daubertshäuser, Frau Erler, Frau Dr. Focke, Grunenberg, Dr. Holtz, Dr. Jens, Scheffler, Dr. Steger, Ueberhorst, Wendt, Wolfram , Dr.-Ing. Laermann, Frau Schuchardt, Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Zywietz, Dr. Haussmann, Angermeyer und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Zusammenarbeit auf den Gebieten von Forschung und Technologie mit den Staaten der Dritten Welt — Drucksache 8/2041 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2074 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben 'vom 6. September 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfram , Junghans, Dr. Steger, Dr.Spöri, Dr. Ahrens, Dr. Jens, Lenders, Meininghaus, Reuschenbach, Roth, Stockleben, Ueberhorst, Dr.-Ing. Laermann, Frau Schuchardt, Schäfer (Mainz), Zywietz, Dr. Haussmann, Angermeyer und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Verstromung deutscher Steinkohle — Drucksache 8/2018 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2086 verteilt.Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 8. September 1978 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und dem Bundesminister für Wirtschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Grunenberg, Daubertshäuser, Frau Erler, Scheffler, Dr. Steger, Stockleben, Ueberhorst, Wendt, Woffram , Dr. Jens, Dr.-Ing. Laermann, Frau Schuchardt, Schäfer (Mainz), Zywietz, Dr. Haussmann, Angermeyer und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Forschung und Entwicklung zur Humanisierung des Arbeitslebens im deutschen Steinkohlenbergbau und in der metallverarbeitenden Industrie — Drucksache 8/2054 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2091 verteilt.Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 18. September 1978 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ueberhorst, Daubertshäuser, Frau Erler, Grunenberg, Scheffler, Dr. Steger, Stockleben, Wendt, Dr.-Ing. Laermann, Frau Schuchardt, Schäfer , Zywietz, Dr. Haussmann, Angermeyer und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und der elektronischen Bauelemente — Drucksache 8/2071 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/2107 verteilt.Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages am 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 14. bis 20. Juni 1978 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/1953 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages am 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 21. Juni bis 12. September 1978 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/2098 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.Die in Drucksache 8/1928 unter Nr. 7 aufgeführte EG-VorlageVorschlag einer Neunten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuernist als Drucksache 8/1419 verteilt.Die in Drucksache 8/1889 unter Nr. 6 und 7 aufgeführten EG-VorlagenVorschlag zu einem Ratsbeschluß zur Annahme eines Forschungsprogramms der Europäischen Atomgemeinschaft für die Sicherheit thermischer LeichtwasserreaktorenVorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung einesProgramms betreffend die Stillegung von Kernkraftwerkensind als Drucksachen 8/1996 und 8/1997 verteilt.Die in Drucksache 8/1705 unter Nr. 16 aufgeführte EG-VorlageVorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende und unlautere Werbungist als Drucksache 8/2012 verteilt.Die in Drucksache 8/1851 unter Nr. '6 aufgeführte EG-VorlageVorschlag einer Achten Richtlinie nach Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des EWG-Vertrages über die Zulassung der, mit der Pflichtprüfung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften beauftragten Personenist als Drucksache 8/2013 verteilt.Die in Drucksache 8/2098 unter Nr. 67 aufgeführte EG-VorlageVorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaatenwird als Drucksache 8/2084 verteilt.Die in Drucksache 8/2098 unter Nr. 71 aufgeführte EG-VorlageVorschlag einer Richtlinie des Rates über die Anwendung der Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme und der Regelungen der Quellensteuer und Dividenden auf Investmenteinrichtungenist als Drucksache 8/2059 verteilt.Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 26. Juni 1,978 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:Verordnung des Rates zur Durchführung der Beschlüsse Nr. 1/78 und 2/78 des Gemischten Ausschusses EWG—Österreich „Gemeinschaftliches Versandverfahren" zur Änderung der Anlagen des Abkommens (Drucksache 8/1928 Nr. 8)Verordnung des Rates zur Durchführung der Beschlüsse Nr. 1/78 und 2/78 des Gemischten Ausschusses EWG—Schweiz „Gemeinschaftliches Versandverfahren" zur Änderung der Anlagen des Abkommens (Drucksache 8/1953 Nr. 6)Der Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat mit Schreiben vom 21. Juni 1978 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:Vorschlag einer Verordnung des Rates über die Errichtung einer europäischen Agentur für Zusammenarbeit
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 16. August 1978 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1978 mit 15 Anlagen sowie den Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1978 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Sie liegen im Archiv zur Einsicht aus.Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 18. August 1978 unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes den Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 1977 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Geschäftsbericht liegt im Archiv zur Einsicht aus.Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 1. September 1978 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1976 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Archiv zur Einsicht aus.Überweisung von ZollvorlagenDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Aufhebbare verkündete Sechsundsechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 9. November 1978Aufhebbare verkündete Siebenundsechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 16. November 1978Aufhebbare verkündete Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Drucksache 8/2053)Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 14. Dezember 1978Aufhebbare verkündete Achtundsechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 14. Dezember 1978Ich rufe nunmehr Punkt 1 der Tagesordnung auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979
— Drucksache 8/2150 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Haushaltsausschuß .b) Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982— Drucksache 8/2151 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
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8114 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Präsident CarstensDas Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung bringt den am 28. Juli 1978 beschlossenen Haushaltsentwurf 1979 und den Finanzplan des Bundes bis 1982 in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause ein, und sie entspricht damit den Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung. Mit dem Haushalt wird heute auch der von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachte Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1979 in erster Lesung beraten. Er entspricht dem Regierungsentwurf des Steueränderungsgesetzes 1979 und enthält Tarifänderungen und Entlastungen bei der Einkommen- und Lohnsteuer, die Abschaffung der Lohnsummensteuer und Erleichterungen bei der Gewerbesteuer und die Anhebung der Umsatzsteuer.Die Einbringung als Initiativentwurf gibt zusätzliche, wegen der Sommerpause auch dringend erforderliche Zeit für die parlamentarischen Beratungen. Die angestrebten Steuerrechtsänderungen müssen Mitte November in Kraft treten, weil sonst ganz gewiß die technischen Voraussetzungen, insbesondere bei der Lohnsteuer, nicht mehr rechtzeitig geschaffen werden können. Ich begrüße die Verbindung der Beratungen von Haushalt und Steueränderungsgesetz, weil so die öffentlichen Ausgaben zusammen mit den Steuereinnahmen und der öffentlichen Kreditaufnahme gesehen und beraten, Kritik und Änderungsvorschläge mit Deckungsvorschlägen verbunden werden müssen.Wir stehen bei allen Überlegungen zum Haushalt 1979 vor der schwierigen Aufgabe, den richtigen Mittelweg zwischen zwei gleichermaßen wichtigen Zielen zu finden: Einerseits müssen wir alle Kräfte darauf konzentrieren, die weltweit unbefriedigende wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern, zusätzliche Arbeitslosigkeit zu • verhindern und Vollbeschäftigung anzustreben. Andererseits hat die jährliche Nettokreditaufnahme und die daraus erwachsende Verschuldung einen Umfang erreicht, der zu größter Sorgfalt bei der Gestaltung des Bundeshaushalts zwingt.Die grundsätzliche Frage, was die öffentlichen Haushalte, was Ausgabengestaltung und Kreditaufnahme für den Wirtschaftsaufschwung und zur längerfristigen Sicherung von Wachstumschancen leisten können, wird sicher ein zentrales Thema dieser Debatte werden. Ich möchte deshalb ausführlich darlegen, in welchem ökonomischen Gesamtzusammenhang die Bundesregierung ihren Haushaltsentwurf 1979 und die Gesetzentwürfe für steuerliche und sozialpolitische Verbesserungen sieht.Unsere Beschlüsse zum Haushalt, zur mittelfristigen Finanzplanung, zur Beschäftigungs-, Sozial- und Steuerpolitik folgen auf eine Serie von Verhandlungen, die mit der Tagung des Europäischen Rates am 6. und 7. Juli in Bremen und dem Treffen der Staats-und Regierungschefs der sieben großen Industrieländer am 16. und 17. Juli 1978 in Bonn ihren Abschluß fand. Trotz beachtlicher Erfolge der Bemühungen um Preis- und Währungsstabilität, um Belebung des Wirtschaftswachstums und Abbau der Arbeitslosigkeit zeigt die Wirtschaft weltweit nach wie vor Schwächen und Risiken. Handels- und Zahlungsbilanzungleichgewichte, insbesondere in den USA und in Japan, haben zu einer Kursschwäche des Dollars und zu einer Aufwertung von D-Mark und Yen geführt. Anhaltende Arbeitslosigkeit fördert protektionistische Bestrebungen.Unsere Finanzpolitik hat deshalb bei der öffentlichen Ausgabengestaltung, der Steuerpolitik und der Währungspolitik zum Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu stärken, wirtschaftliche und soziale Risiken zu verringern und die Zukunftsaussichten unseres Volkes zu verbessern. Unsere Politik ist eingebettet in die Wirtschafts-, Währungs-und Finanzpolitik der westlichen Industrieländer mit dem Ziel, die Wirtschaft der westlichen Welt zu stärken und ihr über die gegenwärtigen Krisenerscheinungen hinwegzuhelfen. Nur vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung der Beschlüsse von Bonn und Bremen richtig bewertet werden.Wir haben uns in Bonn mit den anderen Regierungen auf eine umfassende Strategie zur Bewältigung der vor uns .stehenden wirtschaftlichen Probleme geeinigt. Dies schließt gemeinsame Positionen zu Wachstum, Beschäftigung und Inflation, internationaler Währungspolitik, Energie, Handel und den Beziehungen zu den Entwicklungsländern ein. Wir waren uns bewußt, daß Fortschritte in der weltwirtschaftlichen Entwicklung nur durch gemeinsame, aufeinander abgestimmte, anhaltende Anstrengungen erreicht werden können.Diese Übereinstimmung führte zu konkreten Zusagen aller teilnehmenden Regierungen. Italien und Japan ergreifen zusätzliche Maßnahmen, um ihr Wirtschaftswachstum zu steigern. Die Vereinigten Staaten, Kanada, Frankreich und Großbritannien werden sich um niedrigere Inflationsraten bemühen. Der amerikanische Präsident will die Abhängigkeit vom ausländischen Rohöl verringern, denn die Ölimporte sind immer noch die Hauptursache für das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten.Wir haben in Bremen und Bonn unseren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht, protektionistischen Tendenzen nicht nachzugeben und die laufenden GATT-Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Isoliertes nationales Handeln, ein Gegeneinander wie in den dreißiger Jahren, ein Rückfall in Protektionismus und nationalen Egoismus wären für die wirtschaftliche Entwicklung in der gesamten Welt und nicht zuletzt für die großen Industrieländer geradezu verhängnisvoll.Auch wenn der Handel mit den östlichen Staatshandelsländern nur einen geringen Anteil am deutschen Außenhandel ausmacht, so ist doch das im Mai 1978 mit der Sowjetunion abgeschlossene langfristige Wirtschaftsabkommen von großer Bedeutung. Durch den Abschluß von Kooperationsabkommen mit den östlichen Staatshandelsländern unterstützt die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft beim Ausbau ihrer Beziehungen zu diesen Ländern. Wir hoffen,
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Bundesminister Matthöferdamit unseren Bemühungen um Entspannung und Abrüstung eine festere wirtschaftliche Grundlage zu geben. Eine deutliche Aufwärtsentwicklung ist auch im Wirtschaftsverkehr mit der Volksrepublik China zu verzeichnen. Dieser Trend wird sich sicher noch verstärken.Die wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Welt wird nach wie vor durch Instabilitäten und Veränderungen im Währungsgefüge gefährdet. Wir wollen nicht nur die Belastungen der Exportwirtschaft durch Veränderungen von Währungsrelationen vermeiden, sondern auch krisenhafte Entwicklungen verhindern, die die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Währungssystems bedrohen könnten. Wir sind überzeugt, daß als Ergebnis der Konferenzen von Bremen und Bonn alle Teilnehmerstaaten sich ihrer währungspolitischen Verantwortung stärker bewußt geworden sind.Es ist deshalb nicht nur europapolitisch, sondern auch ökonomisch richtig, einen Anstoß zu einer engeren europäischen Zusammenarbeit in der Währungspolitik zu geben. Die europäischen Währungen können anders ihrer wachsenden Verantwortung im Weltwährungssystem nicht gerecht werden.Die Bundesregierung ist sich der erheblichen Schwierigkeiten durchaus bewußt, die Partnerländer der Europäischen Gemeinschaft für einen entscheidenden Schritt zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Währungssystems zu gewinnen. Wir müssen den verschiedenen Einzelinteressen ganz gewiß Rechnung tragen und zugleich eine Reihe von außerordentlich schwierigen Fragen wie z. B. der Bestimmung der Bezugsgröße, des Paritätengitters und der Währungs- und Kreditbeistände so lösen, daß unsere stabilitätsorientierte Wachstumspolitik unangetastet bleibt und deutsche Interessen gewahrt bleiben.Der Zeitpunkt für eine währungspolitische Initiative in Europa ist gegenwärtig günstiger als je zuvor. Daß Frankreich, Großbritaninen und Italien bereit sind, über den Eintritt in ein gemeinsames Währungssystem zu verhandeln, ist ein gutes Zeichen, wenn nicht schon ein europapolitischer Erfolg an sich. Die Bundesregierung wird das Parlament unverzüglich über die näheren Einzelheiten des geplanten europäischen Währungssystems unterrichten, sobald der Verhandlungsstand dies möglich macht.Der erfolgreiche Abschluß der Konferenzen in Bremen und Bonn wäre nicht möglich gewesen, wenn die Bundesregierung nicht auch ihren Beitrag geleistet hätte. Alle beteiligten Regierungen, die wirtschaftswissenschaftlichen Institute und andere Organisationen im Ausland waren einhellig der Meinung, die zu Recht als leistungsfähig eingeschätzte Bundesrepublik müsse zusätzliche Wachstumsimpulse geben. Die Bundesregierung hat sich aber bei den Verhandlungen letztlich von ihrer eigenen Beurteilung unserer wirtschaftlichen Lage leiten lassen. Es ist nicht zu leugnen, daß die Bundesrepublik im Vergleich zum Ausland ein hohes Maß an wirtschaftlicher Leistungskraft und Stabilität besitzt. Aber auch bei uns ist ein zusätzlicher Impuls für die Nachfrage notwendig, um ein höheres Wachstum erreichen zu können. Ein zusätzlicher Beitrag entspricht unserer weltwirtschaftlichen Verantwortung, der wir uns nicht entziehen können und nicht entziehen wollen.Die letzten verfügbaren Daten über die konjunkturelle Entwicklung und die kurz- und mittelfristigen Aussichten geben aber auch Grund zu realistischem Optimismus. Für das zweite Halbjahr 1978 kann gegenüber dem ersten Halbjahr mit beschleunigtem Wachstum gerechnet werden. Konjunkturimpulse gehen vom privaten Verbrauch, aber auch von der Bauwirtschaft aus, bei der sich das niedrige Zinsniveau und staatliche Maßnahmen, insbesondere das Zukunftsinvestitionsprogramm, das außerordentlich gut abfließt, und das Heizenergiesparprogramm, positiv auswirken. Bei den Aufträgen für das verarbeitende Gewerbe zeigt sich eine merkliche Besserung, die vor allem von der inländischen Nachfrage getragen wird. Die Zuwachsrate des Preisindexes für die Lebenshaltung hat sich im August auf 2,4 v. H. vermindert.Die private Nachfrage übt einen erheblichen Sog auf die Importe aus. Dies ist auch der Grund, warum unsere ausländischen Freunde so besonders an einem stärkeren Wachstum in der Bundesrepublik interessiert sind. Der Anstieg der Importe von Enderzeugnissen im ersten Halbjahr 1978 lag mit plus 8,5 v. H. dreimal so hoch wie der Anstieg des Bruttosozialprodukts. Ein Blick ins Ausland zeigt, daß wir auch auf dem Gebiet der Beschäftigung im internationalen Vergleich eine verhältnismäßig gute Position haben. Wir können dennoch nicht zufrieden sein, solange es in unserem Lande Arbeitslosigkeit gibt.Die Bundesregierung hat zugesagt, den gesetzgebenden Körperschaften zusätzliche Maßnahmen von etwa 1 v. H. des Bruttosozialprodukts vorzuschlagen, um die Nachfrage zu stärken und die Wachstumsrate der Wirtschaft zu erhöhen. Dabei war eine wesentliche Bedingung, daß diese zusätzlichen Maßnahmen die Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts und die Notwendigkeit berücksichtigen, ein Wiederaufleben inflationären Drucks zu vermeiden.Wir haben deshalb ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, das aus zusätzlichen gezielten öffentlichen Ausgaben, aus vorrangig sozial ausgerichteten Maßnahmen zur Erhöhung der privaten Nachfrage sowie aus steuerlichen Entlastungen sowohl für den einzelnen Bürger als auch für die Wirtschaft besteht.Wir halten alle drei Wege, eine expansive und gezielte Gestaltung öffentlicher Ausgaben, die Entlastung des Arbeitsmarktes und die Erhöhung privater Kaufkraft durch Sozialleistungen und Steuererleichterungen, für möglich, geeignet und gleichzeitig gangbar, um die Wirtschaftstätigkeit zu beleben sowie Impulse für strukturelle Entwicklungen zu geben, die langfristig unsere Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und unsere Beschäftigungsmöglichkeiten sichern helfen. Hinzu kommen gewisse Entlastungen des Arbeitsmarktes.Wir wissen, daß die Wirtschaftstätigkeit vor allem von den Initiativen und der Leistungskraft
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8116 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Bundesminister Matthöferder Unternehmen und ihrer Beschäftigten abhängt. Staatliche Einflußmöglichkeiten — Globalsteuerung ebenso wie Strukturpolitik oder Konjunkturprogramme, Investitionshilfen oder auch gezielte Anreize — sind begrenzt. Aber dies ist kein Grund, diese Instrumente nicht zu benutzen und mögliche Hilfen zu verweigern. Wir bemühen uns, die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, vielfältige Anreize für neue wirtschaftliche Initiativen und für Investitionen zu schaffen und auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einzugehen. Damit wird in keiner Weise in die unternehmerische Handlungs- und Entscheidungsfreiheit eingegriffen.Das Volumen des Haushalts 1979 erhöht sich durch die ausgabewirksamen Maßnahmen gegenüber dem bisherigen Finanzplan um rund 41/2 Milliarden DM auf 204,6 Milliarden DM, wobei wir eine globale Minderausgabe von 2 Milliarden DM vorgesehen haben.Das Ausgabevolumen wächst gegenüber 1978 um 15,9 Milliarden DM bzw. um 8,4 v. H. Der Nettokreditbedarf des Bundes für 1979 wird sich auf 35,5 Milliarden DM erhöhen, wobei wir eine Verringerung der Einnahmen infolge steuerlicher Erleichterungen in Höhe von 2,7 Milliarden DM unterstellen.Wir haben uns nicht ganz ohne Bedenken zu diesem Ausgabenvolumen und dem damit verbundenen Ansteigen der Nettokreditaufnahme entschlossen. Die öffentliche Kreditaufnahme darf den Kapitalmarkt nicht so belasten, daß sich durch einen von ihr verursachten Zinsdruck negative Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft ergeben. In Übereinstimmung mit der Bundesbank sind wir aber nach eingehenden Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß wir uns mit dem vorliegenden Entwurf innerhalb dieser Grenze bewegen, wenn bei den Einnahmen keine weiteren Kürzungen vorgenommen werden — und nur dann. Die erneute Zunahme der Nettokreditaufnahme ist kurzfristig nötig und vertretbar und mit der Bundesbank abgestimmt. Mittelfristig bleibt die Konsolidierung eine wichtige Aufgabe der Finanzpolitik.Wir haben in diesem Jahr besonders diejenigen Ausgaben ausgeweitet, von denen wir eine nachhaltige Förderung der Wirtschaft und ihrer Wachstumschancen erwarten. Das Schwergewicht der 'Ausgabensteigerungen liegt im Bereich der Förderung von Innovationen, neuen technologischen Entwicklungen und von Forschungsvorhaben, die neue Produktionschancen versprechen. Angesichts des wachsenden weltweiten Wettbewerbs, unseres hohen Lohnkostenniveaus, höherer Umweltanforderungen — Errungenschaften übrigens, auf die wir stolz sein können — müssen in der Bundesrepublik neue Arbeitsplätze mit hoher technologischer Qualifikation geschaffen werden.Aber die Möglichkeiten und die Bereitschaft der Wirtschaft, kostspielige Investitionen für Forschungsvorhaben, für risikoreiche neue Entwicklungen oder auch für Innovationen zu verantworten, sind begrenzt, bevor betriebliche Erfolgsaussichtenwirklich greifbar sind. Mit Hilfe öffentlicher Mittel können Risiken verringert und andere Vorleistungen erbracht werden, die die unternehmerische Entscheidung wesentlich erleichtern. Daran besteht ein öffentliches Interesse. Denn vom wissenschaftlichen und technischen Fortschritt hängt es letztlich ab, ob und in welchem Maße die Wirtschaft durch die Aufnahme neuartiger Produktionen den angesichts eines ständig zunehmenden Rationalisierungsdrucks unvermeidlichen Wegfall von Arbeitsplätzen rechtzeitig und vorausschauend ausgleichen kann.Deshalb haben wir die Ausgaben für Forschung und Entwicklung überproportional verstärkt. Bis 1982 werden wir gegenüber der bisherigen Planung 7 Milliarden DM zusätzlich für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben zur Verfügung stellen. Weitere 1,5 Milliarden DM werden im ERP-Wirtschaftsplan insbesondere für Umweltschutz und Innovationsförderung zusätzlich bereitgestellt.Damit wird es uns ermöglicht, mit einer Vielzahl von Instrumenten die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken, umweltfreundliche Produkte und Verfahren zu entwickeln und die nächsten Schritte auf dem Wege zur Humanisierung der Arbeit zu gehen. Die Notwendigkeit des technischen Fortschritts, auch der Rationalisierung, ist insbesondere von der deutschen Gewerkschaftsbewegung seit jeher anerkannt worden, wenn ihr das auch nicht immer in ausreichendem Maße gelohnt, worden ist. Diese Bereitschaft hat der DGB-Vorsitzende kürzlich ausdrücklich hervorgehoben. Aber er hat natürlich auch — und zwar mit Recht — betont, daß die Leistungskraft der Wirtschaft nicht auf Kosten der Arbeitnehmer gestärkt werden darf. Dies wäre auch ein Widersinn; denn Arbeitskraft, Qualifikationen, Leistungswille und Leistungsfreude der Arbeitnehmer sind die wesentliche Produktivkraft, der unser Land seinen wirtschaftlichen Erfolg verdankt.
Wir müssen deshalb die Modernisierung der Wirtschaft mit dem Ziel verbinden, Entwicklungsrichtungen einzuschlagen, die einen unzumutbaren Verschleiß menschlicher Arbeitskraft vermeiden und die Durchsetzung menschengerechterer Arbeitsbedingungen begünstigen, und zwar auch und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.Die Bundesregierung hat diese Aufgabe mit dem Aktionsprogramm Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens aufgegriffen. Der vorliegende Haushaltsentwurf sieht mit 95 Millionen DM allein im Bereich des Forschungsministers — es gibt darüber hinaus Mittel im Bereich des Arbeitsministers — eine kräftige Ausweitung des Programmvolumens vor. Bis 1982 soll ein Volumen von 150 Millionen DM jährlich erreicht werden. Mit einer verstärkten Umsetzung der Ergebnisse des Programms wallen wir erreichen, daß sich eine menschengerechte Arbeitsgestaltung als wesentlicher Maßstab des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts allgemein durchsetzt.Nicht nur im Einzelplan des Bundesministers für Forschung und Technologie, sondern auch in ande-
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Bundesminister Matthöferren Ressorts werden die Ansätze für Forschung, Innovationen, Entwicklung neuer Technologien und Umweltschutz deutlich verstärkt. So sind im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft jährlich 300 Millionen DM mehr für kleine und mittlere Unternehmen als Personalzuschüsse zu Aufwendungen für Forschung und Entwicklung vorgesehen.Im Einzelplan 10 — Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — sollen mit zusätzlichen Mitteln die umweltfreundliche Energiegewinnung und die Abwasserbehandlung in ländlichen Gebieten sowie ,die Verringerung von Schadstoffbelastungen durch tierische und pflanzliche Produkte gefördert werden. Der Innenminister wird zusätzliche Mittel insbesondere für die Verbesserung der Luftreinhaltung aufwenden.Der Bundesminister für Forschung und Technologie verfügt .bis 1982 über 25 Milliarden DM. Das sind gegenüber der bisherigen Planung 5 Milliarden DM mehr. Die Mehrausgaben sollen insbesondere in den Bereichen Energieforschung, Rohstoffsicherung, Ökologie und Umwelt, Meerestechnik und Verkehrstechnik eingesetzt werden. Verstärkt wird auch die Förderung der Entwicklung elektronischer Techniken und der Nachrichtentechnik sowie der Gesundheitsforschung.Wegen ihrer Anpassungsfähigkeit, Kreativität und Innovationsbereitschaft sind die Selbständigen und die kleinen und mittleren Unternehmen oft in besonderem Maße geeignet, neue Lösungen zu finden und aufzugreifen, Initiativen zu entfalten und so zu wünschenswerten strukturellen Veränderungen beizutragen. Die Bundesregierung hat deshalb ein umfassendes forschungs- und technologiepolitisches Gesamtkonzept für kleine und mittlere Unternehmen verabschiedet, das diesem Ziel Rechnung trägt. Hervorzuheben ist die beabsichtigte Verbesserung der Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, zu der nun ein neuer Vermittlungsvorschlag vorliegt, der, wie ich hoffe, von beiden Häusern gebilligt werden wird. Zu erinnern ist auch an die Wagniskapitalgesellschaft und an die Zulage bei der Vertragsforschung.Zur Verbesserung der Kapitalausstattung mittelständischer Unternehmen dienen umfangreiche Kreditprogramme des ERP-Sondervermögens, ergänzt durch Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Lastenausgleichsbank. Auf steuerlichem Gebiet, insbesondere bei der. Einkommen-, Vermögen- und Gewerbesteuer haben die Bundesregierung und die sie tragende Mehrheit die Rahmenbedingungen für die Selbständigen sowie die kleinen und mittleren Unternehmen laufend verbessert. Wir verfolgen den eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Auf Grund eines Kabinettbeschlusses wird zur Zeit vom Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft geprüft, wie die Gründung neuer selbständiger Existenzen zusätzlich gefördert werden kann.Der Bund ist mit seinen industriellen Unternehmen und Beteiligungen, in denen insgesamt 365 000 Arbeitnehmer tätig sind, selbst in beträchtlichem Maße am wirtschaftlichen Geschehen unseres Landes beteiligt. Der Schwerpunkt dieses Engagementsdes Bundes liegt überwiegend in strukturschwachen Regionen, insbesondere im Zonenrandgebiet und im Saarland. Ein Teil der Bundesunternehmen ist zudem in Wirtschaftsbereichen tätig, . die besonders stark unter strukturellen Veränderungen leiden.Der Bund wird als Gesellschafter und Eigentümer im Interesse der dauerhaften Sicherung von Arbeitsplätzen darum bemüht sein, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu erhalten, eine ausreichende Kapitalausstattung sicherzustellen und im Einzelfall notwendige Umstrukturierungen durch Investitionen zu fördern. Für 1979 ist eine zusätzliche Aufstockung der Kapitalzuführungen um rund 200 Millionen DM vorgesehen.Der Energiepolitik kommt nach wie vor große Bedeutung zu, da sich die mittel- und längerfristigen Perspektiven ja nicht verändert haben. Wir fördern sowohl den sparsamen und umweltfreundlichen Umgang mit Energie als auch die Sicherung und Erschließung nuklearer und nichtnuklearer Energiequellen, selbstverständlich insbesondere der deutschen Kohle. Erheblich gesteigerte investive Hilfen des Bundes für den deutschen Steinkohlenbergbau sind auch für 1979 vorgesehen.
Forschung und Innovation im Kohlebereich werden verstärkt gefördert, um Verwendbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Steinkohle zu verbessern. Die erhebliche Aufstockung der Mittel für die Kokskohlebeihilfe auf 740 Millionen DM für 1979 soll dem deutschen Steinkohlenbergbau einen kostendeckenden Preis und der Stahlindustrie die Verwendung deutscher Kokskohle zu international vergleichbaren Preisen ermöglichen.Der langfristigen Sicherung der Erdölversorgung der Bundesrepublik dient ein weiteres DEMINEXAnschlußprogramm von insgesamt 600 Millionen DM bis 1981. Damit sollen neue ausländische Erdölfelder erschlossen und der Kauf von Erdölfeldern durch die Privatwirtschaft im Ausland gefördert werden. Der Ausbau der Rohölreserve zur verstärkten Krisenvorsorge auf 8 Millionen Tonnen Rohöl wird vorzeitig erreicht.Die Leistungen für den Energiebereich belaufen sich 1979 auf insgesamt 3 Milliarden DM. Hinzu kommen jährlich 2 Milliarden DM zur Erleichterung des Kohleabsatzes in der Stromwirtschaft, die über eine Abgabe der Verbraucher aufgebracht werden. Zur rationellen und sparsamen Energieverwendung hat die Bundesregierung ein umfangreiches Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen. Von besonderer Bedeutung ist wohl das Programm zur Förderung heizenergiesparender Investitionen mit einem Gesamtvolumen von 4,35 Milliarden DM.Auch die hohen Aufwendungen des Bundes für Bildung und Ausbildung stehen im Zusammenhang mit der Verbesserung von Zukunftschancen. Eine qualifizierte Ausbildung erhöht die Chance, steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden.
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8118 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Bundesminister MatthöferUnsere Maßnahmen im Bereich der beruflichen Bildung sind darauf ausgerichtet, das Ausbildungsplatzangebot zu erhöhen und die Qualität der Ausbildung zu verbessern. Durch die Einbeziehung des Berufsgrundbildungsjahres in die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sollen diese Bemühungen unterstützt werden.
Zur Leistungskraft der Wirtschaft trägt auch die öffentliche Infrastruktur bei. In wachsendem Maße sind auch die Qualität des wirtschaftlichen Wachstums, die Wahrnehmung von Lebenschancen in der Bildung oder im Arbeitsleben, die Sicherung der Gesundheit, die Erholungsmöglichkeiten und der Wert der Freizeit vom Angebot an öffentlichen Infrastruktureinrichtungen abhängig. Angesichts der Infrastruktur, über die wir heute schon verfügen, kann es aber selbstverständlich nicht darum gehen, die bisherigen Ausbautrends einfach fortzuschreiben.Verkehr und Kommunikationsinfrastruktur erfordern einen Großteil der Investitionen des Bundes. Dies wird deutlich an der Fortschreibung des koordinierten Investitionsprogramms für die Bundesverkehrswege bis zum Jahre 1985 an der Steigerung der Investitionszuschüsse für die Deutsche Bundesbahn in den Jahren 1978/79
— lieber Herr Kollege, wenn Sie die Korrektur von Fehlbuchungen nicht nachvollziehen können, kann Ihnen niemand helfen! —; diese Steigerung der Investititionszuschüsse, auch in der Finanzplanung bis 1982, wird zum Ausbau eines leistungsfähigen Netzes beitragen; schließlich nenne ich die Fortsetzung der Investitionen im Straßenbau im Rahmen des zweiten Fünfjahresplanes und die Verstärkung der Investitionen und Innovationen der Deutschen Bundespost.Grundsätzlich wird der Ausbau der Bundesverkehrswege nach einheitlichen Maßstäben mit dem Ziel einer volkswirtschaftlich optimalen Aufgabenteilung aller Verkehrsträger angestrebt. Dabei wächst die Bedeutung des Umweltschutzes, der Entlastung der Gemeinden und Städte von durchgehendem Verkehr und der Substanzerhaltung.Ein Sorgenkind des Bundes ist bekanntlich die Deutsche Bundesbahn. Die Leistungen des Bundes an die Bundesbahn werden 1979 mit insgesamt 14,5 Milliarden DM annähernd das Zweieinhalbfache des Haushalts des Bundesministers für Forschung und Technologie betragen. Ich möchte mit diesem Vergleich deutlich machen, wie richtig und notwendig es ist, bei den öffentlichen Aufwendungen die Gewichte stärker auf die Zukunftssicherung und nicht nur auf bestanderhaltende Investitionen zu legen.
Die Bundesregierung hält am Ziel einer leistungsfähigen Bundesbahn fest. Dem Anwachsen des Zuschußbedarfs muß aber durch Rationalisierungen und organisatorische Verbesserungen Einhalt geboten werden. Wir setzen nach wie vor auf einen Ausbau der Leistungsfähigkeit der Bundesbahn, ins-besondere dort, wo unter raumordnerischen und umweltpolitischen Gesichtspunkten der schienengebundene öffentliche Verkehr Vorteile gegenüber dem Gütertransport auf den Straßen hat.
Der Einzelplan des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ist geprägt durch ein steigendes Engagement des Bundes für die Erneuerung unserer Städte. Erstmals seit längerer Zeit gibt es jetzt auf den Arbeitsmärkten der Bauwirtschaft mehr offene Stellen als Arbeitslose. Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute erwarten für das laufende und für das nächste Jahr eine weiterhin günstige Entwicklung. Zu diesem Ergebnis haben die städtebaulichen Teile des Programms für Zukunftsinvestitionen, die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten bei der Altbaumodernisierung, die steuerlichen Erleichterungen beim Altbauerwerb, aber auch die günstige Situation auf dem Kapitalmarkt beigetragen. Es wäre jetzt falsch, mit einem Übermaß an öffentlichen Mitteln zur Förderung des Wohnungs-und Städtebaus Preissteigerungstendenzen bei den Bauleistungen noch weiter anzuregen. Jetzt kommt es darauf an, den im Wohnungs- und Städtebau tätigen Unternehmen mittelfristige Planungsunterlagen für ihre Kapazität und deren Ausbau zu geben, um so für eine Verstetigung der Bauleistungen zu sorgen.Nach der Regierungserklärung von 1976 sind Stadterneuerung und Erhaltung der Lebensfähigkeit der städtischen Innenbereiche Hauptziele unserer Städtebaupolitik. Wir haben deshalb den mittelfristigen Verpflichtungsrahmen für die Städtebauförderung beträchtlich erhöht. Zusätzlich haben wir die Mittel für den experimentellen Städtebau des Bundes um 12,5 v. H. aufgestockt. Mit diesen Mitteln soll vor allem die sogenannte Stadthaus-Konzeption erprobt werden. Individuelles Wohneigentum könnte das Wohnen in der Stadt wieder attraktiver machen, eine Orientierung sowohl für den Ersatzwohnungsbau in Sanierungsgebieten als auch für die Baulückenbebauung bieten und eine kostengünstige Alternative zum Wohneigentum im Stadtumland werden.Der Stadterhaltung und Stadterneuerung dienen die Bund-Länder-Modernisierungsprogramme. Wir haben auch hier den Verpflichtungsrahmen erhöht. Nachdem im letzten Jahr Altbau und Neubau steuerlich gewissermaßen gleichberechtigt wurden, soll die Aufstockung der Modernisierungsprogramme vor allen Dingen in jenen Stadtvierteln helfen, in denen ohne öffentliche Mittel kaum Modernisierungsinvestitionen zustande kämen.Bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus hat die Bundesregierung den Ländern eine mittelfristige Beteiligung des Bundes an der Finanzierung angeboten. Es kommt jetzt darauf an, mit den Ländern gemeinsam dauerhafte Regelungen zu treffen. Für die Bundesregierung liegt der Schwerpunkt im sozialen Wohnungsbau in der Bereitstellung preiswerten Wohneigentums für die Familien. Das Eigenumsprogramm des Bundes ist mit über einer Milliarde DM ausgestattet.
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Bundesminister MatthöferDie stärker auf die Anregung von Investitionen und zukunftweisenden Innovationen abzielende Gestaltung des Bundeshaushalts spiegelt sich im gestiegenen Anteil der Investitionsausgaben wider. Obwohl nach der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden der Bundeshaushalt kein Investitionshaushalt sein kann, liegen die Investitionsausgaben im neuen Finanzplan des Bundes um jährlich 3 bis 4 Milliarden DM über der bisherigen Planung.Der Bundeshaushalt weist für 1979 das beachtliche Investitionsvolumen von 331/2 Milliarden 'DM aus. Gegenüber 1978 steigen die Investitionsausgaben. überproportional um 14,2 v. H. und erreichen einen Anteil von 16,4 v. H. an den Gesamtausgaben. Ich überschätze die Möglichkeiten nicht, den Anteil der investiven Ausgaben weiter zu erhöhen und damit einen zusätzlichen Anstoß für wachstumsfördernde Investitionen zu geben. Dennoch scheint es mir richtig zu sein, das Bemühen um eine wachstumsfördernde Ausrichtung des Bundeshaushalts in der in diesem Jahr begonnenen Weise auch in Zukunft fortzusetzen.Auch bei der stärkeren Betonung der zukunftsorientierten, strukturverändernden Finanzpolitik vernachlässigen wir nicht die sozialen Leistungen des Bundes. Sie haben im Entwurf der Bundesregierung einen Umfang von 72 Milliarden DM, immerhin 35 v. H. des gesamten Haushalts. Das Schwergewicht der Sozialausgaben liegt in den Bereichen Rentenversicherung — 28 Milliarden DM —, Kindergeld — 161/2 Milliarden DM —, Kriegsopferversorgung — 121/2 Milliarden DM — und Arbeitsförderung — 4 Milliarden DM —.Die Konsolidierung der Rentenfinanzen und der erfreuliche Erfolg der Kostendämpfung im Gesundheitswesen zeigen: Unser soziales Netz wird weiterhin solide finanziert und bleibt eine sichere Gewähr für den sozialen Frieden in unserem Lande.
— Lieber Herr Kollege Katzer, Sie wissen doch besser als viele andere in diesem Raum, daß das richtig ist. — Zugleich sind auch die Grenzen des finanziell Machbaren sichtbar geworden. Soziale Sicherheit und persönliche Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft sind keine Gegensätze; sie tragen sich gegenseitig. Die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung zur Verbesserung der Umstellungs-und Vermittlungschancen von Arbeitslosen sind dafür ein anschauliches Beispiel.Die Leistungsverbesserungen, die die Bundesregierung zur Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen beschlossen hat, sollen kinderreichen Familien einen besseren Ausgleich für die hohen kinderbedingten Aufwendungen verschaffen. Die Bundesregierung sieht sehr wohl die Notwendigkeit, die Familien, insbesondere die kinderreichen Familien, verstärkt zu fördern. Wir halten aber daran fest, daß das Kindergeld sozial gerechter ist alssteuerliche Freibeträge, die die Bezieher hoher Einkommen begünstigen.
Man kann das Kinderproblem auch als Instrument des Verteilungskampfes einsetzen.Die Erhöhung des Kindergeldes ab 1979 um 45 DM für das dritte und jedes weitere Kind auf insgesamt 195 DM und ab 1. Januar 1980 um 20 DM für das zweite Kind auf insgesamt 100 DM wird sich zusammen mit den Steuererleichterungen bei der Einkommensteuer als eine Stärkung der Kaufkraft und damit der privaten Nachfrage auswirken. Durch die Verbesserungen beim Kindergeld werden diese Familien über 2 Milliarden DM und 1980 über 3,5 Milliarden DM mehr Kaufkraft verfügen.Die Einführung eines Mütterurlaubs von vier Monaten zusätzlich zur geltenden Mutterschutzfrist von 8 Wochen nach der Geburt wird insbesondere jungen Familien helfen. Frauen, die bei der Geburt eines Kindes . in einem Arbeitsverhältnis stehen, sollen sich im ersten halben Jahr nach der Geburt ohne Belastung durch Berufsarbeit ganz ihrem Kinde widmen können, um damit die Entwicklungschancen dieses Kindes im weiteren Leben hoffentlich zu fördern.
Sie werden während der zusätzlichen vier Monate bis 750 DM monatlich aus Bundesmitteln erhalten. Die Neuregelung soll zum 1. Juli 1979 in Kraft treten.Der Mütterurlaub und die geplante Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte werden sich auch günstig auf den Arbeitsmarkt auswirken. Mit der Herabsetzung der Altersgrenze vom 62. Jahr ab 1979 auf das 61. Jahr und ab 1980 auf das 60. Lebensjahr wird den Schwerbehinderten die Möglichkeit eröffnet, wenn Sie so wollen, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Dies entspricht zunächst dem Anliegen, für die größere Beanspruchung der behinderten Arbeitnehmer einen Ausgleich zu schaffen. Die Struktur der Arbeitslosigkeit läßt außerdem zunehmend erkennen, daß ältere, behinderte und im Arbeitsleben leistungsschwächer gewordene Arbeitnehmer in der besonderen Gefahr stehen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und dann keinen neuen zu finden. In dem Maße, in dem die Behinderten selbst ihre Lebensarbeitszeit auf ein nach ihrer Einschätzung angemessenes Maß von Belastungen zurückführen können, verliert dieses Problem an Bedeutung. Wir begrüßen das.Der Arbeitsmarktpolitik ist mit der hohen Arbeitslosenzahl eine noch größere Bedeutung als früher zugefallen. Sie hat die Aufgabe, mit individuellen Hilfen der Bundesanstalt für Arbeit die Vermittlungs- und Beschäftigungschancen der Arbeitslosen gezielt zu verbessern. Ohne Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Kurzarbeitergeld oder berufliche Bildungsmaßnahmen wäre die Zahl der Arbeitslosen im Jahre 1977 um rund 170 000 höher gewesen. Der Entlastungseffekt für 1978 dürfte bei etwa 190 000 liegen.Die Bundesanstalt wird 1979 ein Defizit aufweisen. Zum Ausgleich wäre es an sich geboten, die Bei-
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Bundesminister Matthöferträge zur Arbeitslosenversicherung von 3 v. H. um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen. Wir haben jedoch keine Erhöhung des Beitragssatzes vorgeschlagen, um die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten zu belasten und den Arbeitnehmern nicht zusätzlich Kaufkraft zu entziehen. Wir wollen 1979 zur Dekkung des Defizits der Bundesanstalt — neben einer Kassenhilfe — 2,7 Milliarden DM als Zuschuß bereitstellen. Über die Finanzierung der Renten ist aus Anlaß des 21. Rentenanpassungsgesetzes ausführlich debattiert worden. 1979 wird der Bundeszuschuß an die Arbeiterrenten- und Angestelltenversicherung über 20 Milliarden DM betragen.Die landwirtschaftliche Sozialpolitik wurde seit Anfang der 70er Jahre zu einem Eckpfeiler unserer Agrarpolitik ausgebaut, z. B. durch die Einführung einer Pflichtkrankenversicherung für Landwirte und durch die Dynamisierung der landwirtschaftlichen Altersgelder. 1970 betrug der Gesamtansatz für die Agrarsozialpolitik rund 880 Millionen DM, 1979 sind dafür 3,3 Milliarden DM vorgesehen. Wir haben also in diesen wenigen Jahren einen Anstieg von 880 Millionen auf 3,3 Milliarden DM zu verzeichnen. Rund die Hälfte der Ausgaben des Einzelplans 10 entfällt auf die landwirtschaftliche Sozialpolitik. Die Landwirtschaft ist Gott sei Dank heute kein soziales Sorgenkind mehr. Die in diesem Bereich Tätigen haben an den Leistungen unseres Sozialstaates teil, zu dessen Aufkommen sie ja auch ihren Beitrag leisten.In der Gesundheitspolitik werden neben den Bemühungen um eine Kostendämpfung verschiedene grundsätzliche Fragen der Gesundheitspolitik von uns weiterverfolgt: Wie kann durch eine Verminderung von Risikofaktoren und eine Beeinflussung zu gesundheitsgerechtem Verhalten ein besserer Gesundheitsstand der Bevölkerung erreicht werden? Wie kann durch gesetzgeberische oder administrative Maßnahmen eine bestmögliche Arzneimittelsicherheit erreicht werden? Wie kann durch Aus-, Fort- und Weiterbildung der Berufe im Gesundheitswesen die Versorgung verbessert werden? In diesem Zusammenhang ist wohl auch die Gesundheitsforschung zu sehen, die durch ein gemeinsames Programm der drei beteiligten Ministerien von uns auf eine breitere Grundlage gestellt worden ist.Nahezu ein Viertel des Haushalts dient der Sicherung unserer Freiheit nach außen und nach innen und dem weltweiten Abbau von Spannungen durch die militärische und zivile Verteidigung, Maßnahmen der inneren Sicherheit, Leistungen für Berlin und die Entwicklungshilfe.Durch die 36,8 Millionen DM, die für die militärische Verteidigung vorgesehen sind, wird die Bundeswehr in die Lage versetzt, ihre Einsatzbereitschaft zu verbessern und die Modernisierung ihrer Ausrüstung fortsetzen. Der Verteidigungshaushalt spiegelt das von der Bundesregierung nach wie vor verfolgte Bemühen um dauerhafte Entspannung und um Rüstungsbegrenzungen wider. Die Politik der Bundesregierung wie die der westlichen Allianz geben keinerlei Anlaß, einen unsinnigen Rüstungswettlauf zu betreiben. Wir beteiligen uns nachhaltig an den Bemühungen, zu wirksamen Abkommen überRüstungskontrollen und Rüstungsbegrenzungen zu kommen. Aber nur auf der Grundlage der Fähigkeit und Bereitschaft, ein militärisches Gleichgewicht zu bewahren, läßt sich eine Politik der Konfliktverringerung und des Interessenausgleichs betreiben.Im Bereich der Inneren Sicherheit werden die personellen und materiellen Voraussetzungen zur Verbrechensbekämpfung weiter verbessert. Knapp die Hälfte der 1979 für Bundesbedienstete vorgesehenen etwa 2 400 neuen Stellen entfallen auf den Bereich der Inneren Sicherheit. Die Entschlossenheit der Bundesregierung, der Bedrohung durch den Terrorismus wirksam zu begegnen, steht außer Frage. Mit den von der Bundesregierung eingeleiteten gesetzlichen Maßnahmen, mit dem Ausbau, der Sicherheitsbehörden und der Verbesserung der Zusammenarbeit im Bund-Länder-Verhältnis werden die erforderlichen Voraussetzungen und Mittel für eine angemessene Reaktion des Rechtsstaates auf die Herausforderung des Terrorismus geschaffen.Die Resolution gegen die Luftpiraterie, der die Teilnehmer des Bonner Gipfeltreffens zugestimmt haben, bedeutet eine Bestätigung unserer Bemühungen, zu einer besseren Zusammenarbeit bei der Bekämpfung auch des internationalen Terrorismus zu kommen. Die jüngsten Fahndungserfolge außerhalb der deutschen Grenzen unterstreichen erneut die gute Zusammenarbeit unserer Polizei mit dem Ausland.Bei aller berechtigten Besorgnis gegenüber den Problemen des Terrorismus übersieht die Bundesregierung aber keineswegs die Bedrohungen, die von anderen Formen der Schwerkriminalität, z. B. der Rauschgift- und Bandenkriminalität, ausgehen. Der Ausbau der Sicherheitsbehörden dient sehr wesentlich auch dem Zweck, diesen Bedrohungen angemessen begegnen zu können.Mit der finanziellen Förderung Berlins stärkt der Bund die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt und hilft, ihre geistige und kulturelle Anziehungskraft weiterzuentwickeln. 1979 steigen die Aufwendungen im Rahmen der Bundeshilfe für den Berliner Landeshaushalt um rund 640 Millionen DM auf 8,4 Milliarden DM. Zusätzlich sind zur Erleichterung des Berlin-Verkehrs im nächsten Jahr rund 550 Millionen DM vorgesehen. Darüber hinaus wird nach der gemeinsamen Verständigung der Vorsitzenden aller Parteien auf ein Berlin-Programm ein zusätzliches Maßnahmenbündel vorbereitet. Ein Teil dieser Vorschläge deckt sich mit dem, was die Bundesregierung selbst in Gang gesetzt hat: Der Präferenzvorsprung Berlins nach dem Berlin-Förderungsgesetz wird aufrechterhalten. Die Förderung der Arbeitsaufnahme in Berlin wurde verbessert, der Ausbau Berlins zu einem Zentrum für Forschung und Entwicklung wird fortgesetzt.
Auch für andere Maßnahmen aus dem Berlin-Programm ist im Entwurf des Haushalts 1979 und im Finanzplan bis 1982 Vorsorge getroffen. Hierzu gehören insbesondere der Bau von Wohnungen für Fachkräfte sowie nicht zuletzt auch die verstärkten Finanzhilfen für das kulturelle Angebot Berlins.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8121
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für den Redner.
Herr Bundestagspräsident, es tut mir leid, ich kann nicht wie andere Redner kabarettistische Einlagen geben, damit zugehört wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Minister, aber trotzdem verdienen Ihre Ausführungen Aufmerksamkeit. Ich bitte noch einmal um Aufmerksamkeit für den Redner.
Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik stehen in untrennbarem Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Eindämmung und Beseitigung von Konflikten und Spannungen, die zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen können. Insofern ist sie Teil unserer Friedenspolitik. Die Bilanz von über zwei Jahrzehnten weltweiter entwicklungspolitischer Hilfsbemühungen zeigt, wie schwierig die Lösung dieser Aufgaben ist. Es mangelt nicht an Versuchen, 'die entwicklungspolitischen Anstrengungen immer wieder kritisch zu durchleuchten und auch die vielen entwicklungshemmenden Strukturen in den betreffenden Ländern deutlich zu machen und nach neuen Wegen zu suchen. Entwicklungspolitik ist darum weit mehr, als sich in Steigerungsraten 'für Kapitalhilfe, für technische Hilfe oder für andere Formen des Ressourcentransfers ausdrücken läßt. Dennoch zeigt auch das Jahr für Jahr gestiegene finanzielle Volumen des deutschen Engagements, daß die Bundesregierung die Entwicklung in der Dritten Welt als eine Schicksalsfrage auch für unser eigenes Land ansieht.
Die gesamten Bundesausgaben werden im Zeitraum von 1977 bis 1982 um knapp 40 v. H., die Ausgaben des Einzelplans 23 im gleichen Zeitraum um mehr als 90 v. H., d. h. doppelt so schnell steigen. Der weitgehende Verzicht auf Lieferbindungen erhöht die Qualität unserer Hilfe. Unsere liberale Handelspolitik — die Bundesrepublik ist immerhin der größte Importeur von Fertigwaren aus Entwicklungsländern — ebenso wie unsere Anstrengungen für eine weltweite Handelsliberalisierung im Rahmen der GATT-Verhandlungen eröffnen den Entwicklungsländern bessere Exportchancen. Die steigenden Mittel werden es ermöglichen, unsere Zusammenarbeit mit den am wenigsten entwickelten Ländern zu verstärken. Hierzu trägt auch unsere Bereitschaft bei, diesen Ländern an Stelle der bisherigen Darlehen künftig Zuschüsse zu gewähren. Im Einzelfall wird damit auch ein nachträglicher Verzicht von weiteren Rückzahlungen aus den bereits mit diesen Ländern abgeschlossenen Darlehensverträgen verbunden sein.Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Bonn ist auch vereinbart worden, uns gemeinsam um die Einführung von Technologien zur Nutzung regenerativer Energien in den Entwicklungsländern zu bemühen.Hierfür und für ein in Aussicht genommenes Südeuropa-Programm sind im Einzelplan 23 die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden.Der Bundeshaushalt ermöglicht also durch seine maßvoll expansive Gestaltung nicht nur eine deutliche Verstärkung der Ausgaben zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums und zur Verbesserung der Wachstumsqualität, er stärkt auch weiterhin die soziale Sicherheit in unserem Lande und er ermöglicht eine aktive Politik im Interesse weltweiter Bemühungen um Entspannung und Frieden auf der Grundlage innerer und äußerer Sicherheit.Das dem Bundestag zur Beratung vorliegende Paket steuerlicher Gesetzesänderungen verfolgt ein doppeltes Ziel: Mit diesem Paket soll die auf dem Weltwirtschaftsgipfel eingegangene Verpflichtung eingelöst werden, einen nachhaltigen, zusätzlichen Anstoß zur Erhöhung der privaten Nachfrage und zur steuerlichen Entlastung der wirtschaftlichen Unternehmen zu geben. Gleichzeitig sollen Änderungen der Steuerstruktur vorgenommen werden, die im Interesse der Steuergerechtigkeit liegen.Der wichtigste Teil entfällt dabei auf die Änderung des Lohn- und Einkommensteuertarifs. In den vergangenen Jahren sind auf Grund der jährlichen Verbesserungen der Einkommen immer mehr Bürger in die Zone hineingeraten, in der das Einkommen progressiv besteuert wird. Das Hineinwachsen in die progressive Besteuerung ist gegenwärtig wegen des Sprungs des Grenzsteuersatzes von der Proportionalzone zur Progressionszone ganz besonders unbefriedigend. Ich möchte an dieser Stelle auch anerkennen, daß zwar der Grenzsteuersatz von besonderer psychologischer Bedeutung ist, daß aber die wirkliche Belastung des Bürgers durch das Verhältnis von Einkommen zu Steuern, also durch den Durchschnittsteuersatz, zum Ausdruck kommt, der wesentlich gemäßigter als der Grenzsteuersatz verläuft.Die Bundesregierung ist im Gegensatz zu einigen der ja keineswegs einheitlichen Forderungen aus den Reihen der Opposition der Meinung, daß die Gliederung des Einkommensteuertarifs in eine Proportionalzone für die unteren und die mittleren Einkommensschichten und eine sich daran anschließende Progressionszone richtig ist und beibehalten werden soll, also nicht durch einen durchgängig progressiven Tarif ersetzt werden soll. Die proportionale Besteuerung ist für den Bürger übersichtlicher, sie ist bis zur Progressionszone gleichbleibend, was nicht zuletzt auch für Tarifverhandlungen von Bedeutung ist, und sie ist auch für die Steuerverwaltung wesentlich einfacher zu handhaben.Wir halten es deshalb für richtig und vordringlich, unter Beibehaltung der bisherigen Proportionalzone den Tarifsprung zur Progressionszone abzubauen und den Grundfreibetrag um 390 DM für Ledige und 780 DM für Verheiratete anzuheben. Damit wird eine bessere Struktur des Steuertarifs und zugleich eine leistungsgerechte wie auch sozial befriedigende Entlastung erreicht. Beim Vergleich der Entlastungsbeträge, die sich für die einzelnen Ein-
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Bundesminister Matthöferkommensschichten ergeben, muß berücksichtigt werden, daß diejenigen, die zumindest zum Teil in eine ungerechtfertigt hohe Progression hineingewachsen sind, von dieser Belastung befreit werden müssen. Es ist deshalb nicht nur folgerichtig, sondern auch sozial nicht zu beanstanden, daß die relativ größte Entlastungswirkung bei den zu versteuernden Einkommen von jährlich 24 000 DM bzw. 48 000 DM für Verheiratete liegt. Dies betrifft sehr breite Einkommensschichten. Der durchschnittliche Jahresbruttolohn eines Industriefacharbeiters beträgt 35 000 DM, wozu dann häufig noch die Ehefrau hinzuverdient. Immerhin führt die vorgeschlagene Anhebung des Grundfreibetrages dazu, daß auch die Bezieher niedrigerer Einkommen mit 86 DM für Ledige bzw. 172 DM für Verheiratete entlastet werden.Die Tarifänderung führt zu Mindereinnahmen von 9,6 Milliarden DM im Jahre 1979 und von 11,8 Milliarden DM im Jahre 1980. Die volkswirtschaftliche Steuerquote — wie ich gern zugestehe, nur ein sehr pauschaler Indikator für die individuelle Steuerbelastung — ist seit Gründung der Bundesrepublik im wesentlichen konstant. Selbst ohne Berücksichtigung des Kindergeldes — was methodisch nicht einwandfrei ist — wird sie 1979 mit 24 v. H. nur unwesentlich höher als in den 50er und 60er Jahren liegen. Behandelt man das Kindergeld, was von der Sache und von der Methode her richtig ist, als Privateinkommen und nicht als Staatsausgabe, so wird die Steuerquote 1979 23,2 v. H. betragen und damit noch niedriger als in den 50er Jahren liegen.Gleichzeitig mit dieser Tarifreform soll für zwei Personengruppen eine gezielte steuerliche Entlastung gewährt werden, nämlich für unterhaltsverpflichtete Getrenntlebende und Geschiedene sowie für die Selbständigen. Für Getrenntlebende und Geschiedene bedeutet es oft eine Härte, daß sie durch Unterhaltsverpflichtungen und Mehraufwendungen für den neuen eigenen Haushalt belastet werden und gleichzeitig von der günstigen Ehegattenbesteuerung in die deutlich höhere Besteuerung der Ledigen fallen. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht nun vor, daß die Unterhaltsverpflichteten Zahlungen bis zu 9 000 DM jährlich als Sonderausgabe von der Steuer absetzen können, daß dafür aber dieser Unterhalt beim Empfänger der — regelmäßig wesentlich niedrigeren — Steuer unterliegt. Kerngedanke dieses Vorschlages ist es, den bei Ehegatten im Splitting liegenden Vorteil in begrenzter Höhe auch im Verhältnis zwischen Unterhaltszahler und Unterhaltsempfänger zu geben.Die Unterhaltsberechtigten werden es sicher als unbefriedigend empfinden, daß sie zunächst einmal mit einer höheren Steuerbelastung rechnen müssen, die dann wieder im Wege der Unterhaltsvereinbarung vom steuerlich entlasteten Unterhaltszahler ausgeglichen werden muß. Die Bundesregierung stellt ausdrücklich fest, daß sie bei den parlamentarischen Beratungen an Überlegungen mitwirken wird, und zwar aktiv mitwirken wird, wie diese unschöne Auswirkung des begrenzten Realsplittings wesentlich gemildert werden kann.Im Hinblick auf die Altersversorgung der Arbeitnehmer enthält das Maßnahmenpaket eine Anhebungdes besonderen Sonderausgabenhöchstbetrages für Versicherungsbeiträge, den sogenannten Vorwegabzug. Der Vorwegabzug soll mit Wirkung ab 1980 von bisher 1 500 DM auf 2 500 DM für Alleinstehende und von bisher 3 000 DM auf 5 000 DM für Ehegatten angehoben werden. Dies kommt in erster Linie selbständig Tätigen zugute, für die der Vorwegabzug einen Ausgleich dafür bieten soll, daß bei Arbeitnehmern der Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei bleibt, während sie ihre Beiträge zur Altersversorgung in voller Höhe selbst aufbringen müssen.Die Gewerbesteuer ist der Teil des Maßnahmenpakets, der besonders zu Diskussionen geführt hat. Eine steuerliche Entlastung der Wirtschaft muß nach den Vereinbarungen des Weltwirtschaftsgipfels sicherlich Bestandteil eines ausgewogenen Maßnahmenpakets sein. Für diese Entlastung ist jener Bereich besonders geeignet — und dies ist nun einmal die Gewerbesteuer —, wo die Steuerlast in ertragsschwachen Situationen besonders fühlbar ist. Wir erstreben dabei eine Entlastung, die in besonderem Maße kleinen und mittleren Gewerbebetrieben zugute kommt, was durch eine weitere Anhebung der Freibeträge erreicht werden kann, nachdem mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres der Freibetrag für Einzelunternehmen und Personengesellschaften schon von 15 000 DM auf 24 000 DM erhöht worden ist. Die Bundesregierung schlägt daneben eine Strukturveränderung bei der Gewerbesteuer, nämlich die Abschaffung der Lohnsummensteuer vor, weil diese Erhebungsart der Gewerbesteuer — nach unserer Meinung jedenfalls — nicht in die konjunkturelle Landschaft paßt. Der Wegfall der Lohnsummensteuer und die Anhebung des Freibetrags bei der Gewerbeertragsteuer führen zusammen mit den Rechtsänderungen der letzten Jahre zu einem Wegfall von etwa einer Million Gewerbesteuerfällen. Dies bedeutet eine spürbare Verwaltungsvereinfachung.Die Kontroversen der letzten Wochen haben sich daran entzündet, ob und wie für diejenigen Gemeinden, deren Einnahmen gegenwärtig noch in gewichtigem Umfang aus der Lohnsummensteuer fließen, ein ausreichender Ausgleich bereitgestellt und gesichert werden kann. Wir haben wiederholt und in verbindlicher Form erklärt, übrigens schon als Teil unserer Beschlüsse vom 28. Juli 1978, daß zugleich mit der Abschaffung der Lohnsummensteuer ein befriedigender Ausgleich für die betroffenen Gemeinden gefunden werden muß.
Wir haben gleichfalls schon am 28. Juli 1978 beschlossen, daß darüber vorher eine Verständigung mit Ländern und Gemeinden gesucht wird und daß sich der Bund an diesem Ausgleich entsprechend seinem Anteil an der Finanzmasse beteiligen wird.Es hat uns nicht überrascht, daß von den verschiedensten Seiten Ausgleichsforderungen erhoben wurden. Die Bundesregierung erkennt ausdrücklich die große Bedeutung originärer, nicht von Zuweisungen und erst recht nicht von Auflagen der Län-
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Bundesminister Matthöferder abhängiger Einnahmen für die kommunale Selbstverwaltung an.
Wir sind deshalb der Meinung, daß die Gewerbesteuer als die wichtigste im Grundgesetz garantierte Realsteuer erhalten bleiben muß. Forderungen, die an die Substanz der Gewerbesteuer gehen, gehen an die Substanz der kommunalen Finanzen und der kommunalen Selbstverwaltung. Eine bundesweite Verbesserung der originären Steuereinnahmen der Gemeinden, so wünschenswert sie aus allgemeiner kommunalpolitischer Sicht sein mag, kann aber keinen Ausgleich für den Wegfall der Lohnsummensteuer bieten, der ja nur einen Teil der Gemeinden betrifft.Wir werden die Gespräche und Verhandlungen mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden fortsetzen. Diese Gespräche werden durch die Überlagerung verschiedener Probleme kompliziert. Zwischen Bund und Ländern stehen z. B. Neuverhandlungen über die Aufteilung der Umsatzsteuer an. Hier ist es der Bund, der auf Grund der eingetretenen Belastungsverschiebungen Forderungen stellen muß. Auf der anderen Seite geht es dabei um den Ausgleich der durch das Steuerpaket entstehenden Lasten, wobei die Länder nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Interessen der Gemeinden vertreten. Die Bundesregierung hat den Ländern zum Ausgleich der Ausfälle bei der Lohnsummensteuer 1,4 Milliarden DM angeboten, so daß der Bund bei einem unterstellten Einnahmeausfall von 2,8 Milliarden DM mit 50 v. H. mehr tragen würde, als es seinem Anteil an der gesamtstaatlichen Finanzmasse entspräche.Gegenüber weitergehenden Forderungen muß die Bundesregierung — und zwar letztlich im Interesse des gesamten Staates — darauf hinweisen, daß die finanzielle Belastung des Bundes an Grenzen stößt. Das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben ist beim Bund deutlich ungünstiger als bei Ländern und Gemeinden. Der Bund trägt für die wichtigsten und schwierigsten Aufgaben unseres Landes wie die Überwindung der konjunkturellen und strukturellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, den Ausbau und die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft, die äußere Sicherheit und die Zusammenarbeit mit der Dritten Welt die maßgebliche gesamtstaatliche Verantwortung. Aber er kann ihr nicht gerecht werden, wenn er im Verhältnis finanziell schlechter ausgestattet wird als Länder und Gemeinden, so wichtig und bedeutsam deren Aufgaben auch einzuschätzen sind.Das Steuerpaket enthält schließlich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 v. H. zum 1. Juli 1979. Sie ist von der Sache her unabweisbar, weil das gesamte Maßnahmenpaket — also eine maßvolle expansive Gestaltung des Haushalts, zusätzliche Sozialleistungen und die steuerlichen Entlastungen — ohne sie nicht finanzierbar ist. Der Bundeshaushalt und die vorgesehenen steuerlichen Maßnahmen führen 1979 zu einem öffentlichen Nettokreditbedarf von annähernd 60 Milliarden DM. Dies ist die obersteGrenze dessen, was wir ohne negative Rückwirkungen auf Zinsen und Konjunktur dem Kapitalmarkt zumuten können, und dies ist auch die oberste finanzpolitisch vertretbare Grenze. Es ist auch die mit der Bundesbank abgesprochene Grenze. Ich werde keiner Forderung nachgeben, der nicht auch die Bundesbank zustimmen kann.Es besteht grundsätzlich ein weiter Konsens, daß die Struktur unseres Steueraufkommens korrekturbedürftig ist, weil der Anteil des Aufkommens aus indirekten Steuern gegenüber dem aus den wesentlich dynamischeren direkten Steuern ständig zurückgegangen ist. Während Anfang der 50er Jahre das Verhältnis zwischen den direkten und den indirekten Steuern bei einem Anteil von jeweils etwa 50 v. H. gelegen hatte, überwiegen heute die direkten Steuern mit rund 60 v. H. in unserem Steuersystem. Diese Entwicklung ist auch wegen der Harmonisierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft korrekturbedürftig, ohne die es keinen wirklich freien Warenverkehr und keinen unverfälschten Wettbewerb in der Europäischen Gemeinschaft geben kann. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 °/o ist angesichts ständig gefallener Preissteigerungsraten — und zwar trotz einer zwischenzeitlichen Umsatzsteuererhöhung gefallener Preissteigerungsraten — konjunkturell unbedenklich. Rein rechnerisch müßte der Lebenshaltungskostenindex einmalig um etwa 0,6 oder 0,7 Prozentpunkte steigen. Wir haben jedoch bei der Anfang dieses Jahres durchgeführten Umsatzsteuererhöhung gesehen, daß eine Umsatzsteuererhöhung bei intensivem Wettbewerb und günstiger Entwicklung der Importpreise durchaus mit dem Ziel einer günstigen Preisentwicklung vereinbar sein kann, allerdings leider nicht sein muß.Die bei den Bürgern eintretenden Mehrbelastungen halten sich im Rahmen. Sie betragen selbst dann, wenn die Umsatzsteuererhöhung voll auf den Verbraucher durchschlägt, was ja keineswegs sicher ist, rein rechnerisch im Monat 6 DM beim 2-PersonenRentnerhaushalt mit geringem Einkommen, 15 DM beim 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Einkommen und 24 DM beim 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit höherem Einkommen.Zusammenfassend möchte ich feststellen:Der Entwurf des Bundeshaushalts 1979 trägt durch eine deutliche Verstärkung der Ausgaben für Forschung, technische Entwicklungen, Investitionsförderung und Innovationen in der Wirtschaft und durch wirtschaftsbelebende Anreize dazu bei, die wirtschaftlichen Aussichten weiter wesentlich zu verbessern.
Der Entwurf des Bundeshaushalts leistet einen Beitrag zur qualitativen Verbesserung des wirtschaftlichen Wachstums z. B. durch Innovationen, durch die Stärkung von Umweltforschung und Umweltschutz, durch die Förderung von Modellvorhaben im Städtebau und durch eine umweltbewußte Verkehrspolitik.Der Entwurf verstärkt das soziale Netz und erhöht das Niveau der Sozialleistungen zugunsten der
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Bundesminister MatthöferBehinderten, der kinderreichen Familien und der berufstätigen Mütter.Er trägt den Belangen der inneren und äußeren Sicherheit Rechnung und ermöglicht es der Bundesregierung, weiterhin eine aktive Rolle bei dem Bemühen um Entspannung und um bessere Entwicklungschancen für die Dritte Welt zu spielen.Die Bundesregierung hält die Reform des Einkommensteuertarifs für notwendig, um die Wirkung der • Progressionszone zurückzuführen; sie hält die Kombination von Grundfreibetrag und Abbau des Tarifsprungs für sozial gerecht und ausgewogen.Die Bundesregierung spricht sich für eine Verringerung der Belastung der Wirtschaft durch die Gewerbesteuer und die Abschaffung der Lohnsummensteuer aus, ohne daß die Steuerkraft der Gemeinden ausgehöhlt werden darf.Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist unverzichtbar, wenn wir die öffentlichen Finanzen in Ordnung halten wollen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 v. H. bedeutet für die Verbraucher eine vergleichsweise geringe und zumutbare Belastung.Vom Verlauf der Beschlußfassung in den gesetzgebenden Körperschaften hängt nicht nur die rechtzeitige Verwirklichung der Lohn- und Einkommensteuererleichterungen ab; von ihr hängt auch ab, wie stark sich die positiven Impulse der wirtschaftsbelebenden Maßnahmen im In- und Ausland auswirken können. Gemeinsam mit unseren Freunden im Ausland können und wollen wir die wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwinden und den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden.Die Bundesregierung bittet Sie um Ihre Unterstützung und um Zustimmung zu den vorliegenden Ent- würfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Haus hat die Einbringungsrede des Herrn Bundesministers der Finanzen gehört. Ich unterbreche nun, wie vorhin beschlossen, die Sitzung bis 15 Uhr.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.
Ich rufe zusätzlich zu Punkt 1 der Tagesordnung den Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung ides von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, . des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze
— Drucksache 8/2100
Üerweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
sowie den Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte
— Drucksache 8/2101
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
und den Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
— Drucksache 8/2102
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
auf.
Das Wort in der verbundenen Debatte hat der Herr Abgeordnete Häfele.
Frau Präsident! Meine Damen und. Herren! Die Fraktionen haben sich, wie ich höre, dahin verständigt, daß wir heute mit Schwergewicht über die von den Regierungsfraktionen eingebrachten Gesetzentwürfe sprechen und morgen und übermorgen mit Schwergewicht die allgemeine Aussprache über die Haushaltsrede führen. Ich spreche also in erster Linie über die Gesetzentwürfe, die die Koalitionsfraktionen eingebracht haben, natürlich vor allem zu dem Steueränderungsgesetz 1979, während meine Kollegen nachher noch zu den beiden anderen Gesetzentwürfen im einzelnen Stellung nehmen.Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt es, daß bei den neuen Finanzbeschlüssen der Bundesregierung das Schwergewicht auf Steuerentlastungen gelegt worden ist. Damit haben wir zum erstenmal einen etwas anderen Ansatz als bei den neun sogenannten Konjunkturförderungsprogrammen seit 1974, bei denen ganz überwiegend das Schwergewicht auf den Ausgabensteigerungen lag. Wir begrüßen es, daß sich damit Vorstellungen der SPD und auch Vorstellungen von Bundesfinanzminister Matthöfer und Bundesforschungsminister Hauff, die noch in den letzten Monaten öffentlich artikuliert wurden, nicht durchgesetzt haben, nämlich mit weiteren massiven Ausgabenprogrammen einen neuen, diesmal den zehnten und vermutlich wieder vergeblichen Versuch zu machen. Diese Einlassungen der beiden Bundesminister gingen ja soweit, „gezielte" neue Ausgabenprogramme zu verlangen, sprich: noch mehr staatliche Investitionslenkung über unser Land auszubreiten, als wir das teilweise ja ohnedies leider schon haben.Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt im Steueränderungsgesetz 1979 neben den anderen Erleich-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8125
Dr. Häfeleterungen insbesondere, daß jetzt doch schon zum Jahre 1979 ein neuer Einkommen- und Lohnsteuertarif in Kraft gesetzt werden soll. Wir begrüßen vor allem auch, daß die Lohnsummensteuer beseitigt werden soll.Dies alles ist eine Abkehr von der Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Schmidt am Beginn dieser Legislaturperiode, in der er noch am 16. Dezember 1976 für die Regierung erklärt hat, daß in der gesamten Legislaturperiode keinerlei Abbau der Steuerlast in Betracht komme. Sie erinnern sich: Damals ging es nur um einen Vorschlag, der mit der Regierungserklärung vorgelegt wurde, nämlich die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte anzuheben und das halbe Volumen — rund 6 Milliarden DM — für steuerliche Reparaturarbeiten zu verwerten. Es ist uns durch unseren Widerstand damals gelungen, die zweiprozentige Anhebung zu halbieren, und es ist uns auch in der Folgezeit gelungen, die Regierung auf ihrem ursprünglichen Kurs wankelmütig zu machen und wenigstens etwas in die richtige Richtung zu drängen.Es ist auch eine Abkehr von der Verhaltensweise der Koalition noch im Herbst 1977 im Zusammenhang mit dem Steuerpaket, das wir damals erzwungen haben. Damals haben wir diesen berühmten Tariffreibetrag durchgesetzt, der zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Zu unserem Antrag, schon zum 1. Januar dieses Jahres einen neuen Tarif in Kraft zu setzen, wurde gesagt, dies sei bis 1980 zu verschieben. Auch dies gilt heute nicht mehr. Es gilt auch nicht mehr, was die SPD/FDP-Koalition in einer Kampfabstimmung am 21. Juni dieses Jahres, in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause, hiér im Plenum des Deutschen Bundestages gegen uns beschlossen hat. Sie hat damals unseren Antrag abgelehnt, schon 1979 wenigstens einen ersten Schritt in Richtung auf Einführung eines neuen Einkommensteuer- und Lohnsteuertarifs zu tun. Wir haben wertvolle Monate verloren.
Wäre man auf die CDU/CSU-Vorschläge im Finanzausschuß eingegangen, dann wäre das ganze Hin und Her nicht entstanden. Dann hätte man die Gesetze in Ruhe beraten können. Jetzt haben wir wieder die berühmte Hektik. Man hat nichts aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt. Trotzdem ist die Fraktion der CDU/CSU der Koalition entgegengekommen und hat alles mitgemacht, damit wenigstens in den nächsten Tagen dieser neue Tarif beraten werden kann. An uns soll es nicht liegen. Das ist unser Ziel. Aber man muß klar sehen: Die Koalition hat entweder keine Weitsicht, oder sie ist nicht in der Lage, rechtzeitig die erforderlichen Entscheidungen zu treffen.
— Einverstanden.
Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß dieser neue Einkommen- und Lohnsteuertarif, der vor allem nur diesen leistungshemmenden Tarifsprung von 22 °/o auf 30,8 °/o beseitigt — eine der schlimmsten Hinterlassenschaften der sogenannten Steuerreform aus dem Jahre 1975 —, allenfalls ein ersterSchritt in die richtige Richtung sein kann. Es handelt sich hier nicht um eine echte Steuersenkung. Es geht nur um das vorübergehende Verhindern von weiteren automatischen heimlichen Steuererhöhungen.
Der Sachverständigenrat hat in seinem letzten Gutachten nachgewiesen, daß trotz der weitgehend von uns durchgesetzten Steuerentlastungen zum 1. Januar 1978 in diesem Jahr schon niedrigere Reallohneinkommen von der Progression erfaßt werden als im Jahre 1975, nach der sogenannten Steuerreform. Dies würde erst recht für das Jahr 1979 gelten. Das Lohnsteueraufkommen würde im nächsten Jahr etwa doppelt so stark wie das Bruttosozialprodukt wachsen.Herr Bundesfinanzminister, ich will Sie ganz un-polemisch ansprechen: Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das Argument, das Sie — wie auch Ihr Amtsvorgänger — heute morgen in Ihrer Haushaltsrede wiederholt verwandt haben, doch einmal überprüfen würden. Ich meine das berühmte Spiel mit der Steuerlastquote. Es stimmt einfach nicht, daß die Steuerlastquote in den letzten Jahren nicht angewachsen sei. Ich nehme die neuesten Zahlen aus Ihrem eigenen Haus: 1977 haben wir eine Steuerlastquote von 26,2 % gehabt. In diesem Jahr haben wir eine von 25,7 °/o, und zwar wegen der von uns durchgesetzten Steuerentlastungen. 1970 — das war Ihr Eröffnungsjahr — betrug die Steuerlastquote 23,6 °/o, also rund 2 Prozentpunkte weniger. 1 °/o des Bruttosozialprodukts sind rund 13 Milliarden DM. Das ist also eine Differenz von 26 Milliarden DM, die Sie allein mit dem Familienlastenausgleich nicht erklären können. Ganz abgesehen davon müssen die Mittel, die beim Kindergeld ausgegeben werden, doch irgendwo hergenommen werden. Außerdem muß auch für die Investitionszulage immer mehr abgezogen werden. Das ist von erheblicher Bedeutung.Aber viel wichtiger als dieses Spiel ist für den Bürger und für die Betriebe die Abgabenlastquote, die Summe aus Steuerlastquote und Sozialabgabenlastquote. Diese Quote beläuft sich inzwischen auf ungefähr 40 % des Bruttosozialprodukts. Darin liegt die eigentliche Drosselung der privaten Kräfte in unserem Land.
Meine Damen und Herren, wir müssen weiterhin im Zusammenhang mit der Steuerlastquote sehen, daß sich eine gewaltige Verschiebung in der Struktur der Steuern ergeben hat. In den goldenen 50er und 60er Jahren war wegen der blühenden Wirtschaft der Anteil der Gewinnsteuern unvergleichlich größer, während jetzt, als Folge der Wirtschaftsschwäche, vor allem der Anteil. der Lohnsteuer und der Anteil der ertragsunabhängigen Steuern, die die Betriebe zu zahlen haben, angewachsen ist. Die Struktur hat sich also sehr in Richtung Leistungsfeindlichkeit und in Richtung Investitionshemmnis verändert.Angesichts dieser heimlichen Steuererhöhungen zeigt sich, wie recht die Fraktion der CDU/CSU
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Dr. Häfeleschon im Jahre 1974 gehabt hat, als sie bei den Beratungen über die sogenannte Steuerreform den Versuch machte, einen Jahrestarifbericht einzuführen, damit alljährlich die heimlichen Steuererhöhungen überprüft und abgebaut werden, damit nicht beim Staat die Illusion entsteht, er habe Steuereinkünfte, die ihm im Grunde gar nicht zustehen. Denn das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche finanzpolitische Grundfehler, den Sie als Koalition in diesem Lande ab 1970 gemacht haben: Sie haben die heimlichen Steuererhöhungen ständig als dem Staat legitimerweise zustehende Einnahmen betrachtet und haben Ihre gesamten mittelfristigen Ausgabenplanungen auf diese heimlichen Steuererhöhungen gegründet — mit der Folge, daß Sie über etwas verfügt haben, was in der Hand der Bürger bleiben muß, was in der Hand' der Betriebe bleiben muß.
Dieser erste Schritt, der jetzt — spät genug — für 1979 getan werden soll, kann nur ein Anfang sein. In den kommenden Jahren werden sich weitere Schritte anschließen müssen, sollen wir den heimlichen Steuererhöhungen zu Leibe rücken können.Der Anfangssteuersatz ist mit 22 °/o nach wie vor zu hoch. Wir sind auch der Meinung, daß am Schluß ein durchgehender Progressionstarif wird herauskommen müssen. Es ist interessant, was in diesen Tagen sowohl Sie, Herr Finanzminister — nämlich heute morgen —, als auch, wie wir der Presse entnehmen, Herr Bundeskanzler Schmidt vor Ihrer Fraktion gesagt haben. Er hat sich gegen einen durchgehend progressiven Tarif mit einem interessanten Argument ausgesprochen; er hat ihn nämlich in einen Bezug zur Tarifautonomie gebracht. Das ist ein völliger Wandel gegenüber der bisherigen Auffassung der SPD-Fraktion, die immer erklärt hat, Tarifverhandlungen und Steuerpolitik seien zwei Paar Schuhe und hätten nichts miteinander zu tun. Dieser Gegensatz ist interessant.Noch interessanter aber ist, daß er meinte, bei Tarifverhandlungen dürfe nur für die, die nicht in der Steuerprogression sind, sichtbar und spürbar etwas herauskommen. Ich kann dem Herrn Bundeskanzler nur raten, in künftigen Wahlkämpfen allen verheirateten Arbeitnehmern, wenn sie mehr als 32 000 DM im Jahr verdienen — und das verdienen fast alle, wenn beide arbeiten, was ja nicht ganz selten ist —, zu sagen, daß sie künftig keine Adressaten sozialdemokratischer Politik mehr sind.
Natürlich geht es bei der Steuerpolitik auch um die aufstrebenden Mittelschichten, um die Facharbeiter, natürlich geht es bei der Progression vor allem um dieses Thema. Deswegen ist das, was jetzt geschehen soll, ein erster, aber ein unzureichender Schritt, und in dieser Richtung muß in den kommenden Jahren weitergemacht werden.Für einen entscheidenden Fehler halten wir allerdings, daß die Regierungskoalition für diesen Abbau der heimlichen Steuererhöhungen als Ausgleich eine Anhebung der Mehrwertsteuer beschließen möchte. Das ist völlig ausgeschlossen! Wenn Sieauf der einen Seite heimliche Steuererhöhungen abbauen und das auf der • anderen Seite durch Anhebung der Mehrwertsteuer wieder ausgleichen wollen, gibt buchstäblich die eine Hand etwas, was die andere nimmt. Und sie nimmt etwas, was dem Staat gar nicht zusteht, sondern was — entgegen der Praxis der heimlichen Steuererhöhungen — in der Hand der Bürger und der Betriebe bleiben muß.Wenn Sie dieses Spiel fortführen — und das versuchen Sie jetzt zum zweiten Male mit der Anhebung der Mehrwertsteuer —, werden wir hier alle ein bis zwei Jahre eine Anhebung der Mehrwertsteuer erleben; wir werden am Schluß bei Mehrwertsteuersätzen nahe 20 °/o landen, ohne eine Steuerreform zu haben, die diesen Namen verdient.
Das Gesetz des wachsenden Staatsanteils — und es ist doch die Crux der letzten Jahre, daß der Staat immer mehr gewachsen ist — wird dann nicht durchbrochen werden; vielmehr wird der zu hohe Staatsanteil nicht bloß festgeschrieben werden, sondern er wird sogar noch über 50 % hinaus wachsen. Dies kann nicht in Betracht kommen.Wir warnen also die Regierungskoalition, vor allem die FDP, davor, die Abschaffung der Lohnsummensteuer von diesem Steuerpaket abkoppeln zu wollen. Wir haben da in den letzten Wochen teilweise markige Worte aus FDP-Kreisen gehört; selbst aus Asien hörten wir aus dem Munde des Wirtschaftsministers, daß das überhaupt nicht in Betracht komme: wenn diese Lohnsummensteuer abgekoppelt wird, knallt's — oder wie er sich asiatisch ausgedrückt hat.
Inzwischen wählen Sie einen anderen Begriff; das Wort „abkoppeln" mögen Sie nicht mehr. Sie reden von „zeitverrückter" Beratung,
von „zeitversetzter" Beratung; das ist, glaube ich, der neue Begriff.
Meine Damen und Herren, sollten Sie den Versuch machen, vor den Landtagswahlen, die wir im Herbst dieses Jahres haben, hier ein Steuerpaket durchzupeitschen, das nur die Tarifänderung, also einen Teilabbau von heimlichen Steuererhöhungen, enthält und die Anhebung der Mehrwertsteuer damit verknüpft, ohne die Lohnsummensteuer abzuschaffen, dann werden wir dafür sorgen, daß die Öffentlichkeit dies erfährt. Dann haben Sie abgekoppelt.
Wie soll dann die Öffentlichkeit noch das Vertrauen haben, daß Sie mit der Abschaffung der Lohnsummensteuer tatsächlich Ernst machen wollen? Wie soll dieses Vertrauen entstehen — nach dem Hin und Her?
Deutscher Bundestag — 8. Wählperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8127Dr. Häfele— Herr Weber, da muß ich Ihnen etwas sagen. Der Glaube an Ihre steuerpolitischen Versprechungen vor den Wahlen ist ohnedies im Volk nicht mehr weit verbreitet.
Wissen Sie, warum? Wie war das denn vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 1970? Da haben Sie in diesem Haus die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages und die Abschaffung der Ergänzungsabgabe durchgepeitscht. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: „April, April, sofort zurück, das Gesetz gilt nicht mehr." Das Gegenteil haben Sie gemacht: 10 %Steuerzuschlag. Dann haben wir Jahre gebraucht, bis die Entlastung gekommen ist. Nämlich bei der Steuerreform 1975 ist sie dann erst durchgesetzt worden. Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß Ihnen niemand mehr über den Weg traut bei Ihren Versprechungen in steuerpolitischer Hinsicht.
Genauso wird es mit der Lohnsummensteuer sein.Für die CDU/CSU kommt allenfalls in Betracht, über eine Anhebung der Mehrwertsteuer mit uns reden zu lassen, wenn es sich um eine echte Steuerreform handelt, die Investitionshemmnisse auf Dauer beseitigt, die die Steuerstruktur dauerhaft verbessert und die auch das Steuerrecht vereinfacht.Natürlich muß die Lohnsummensteuer abgeschafft werden. Das ist eine alte Forderung der CDU/CSU. Sie ist in unserer wirtschaftlichen Fehlentwicklung zu einer Antiarbeitsplatzsteuer geworden. Bezeichnend ist ja, daß Sie von der SPD in den letzten Wochen und Monate diesen Widerstand gegen die Abschaffung der Lohnsummensteuer geleistet haben. Es ging nicht bloß um die Kämmerer und die Oberbürgermeister. Da muß man noch ein gewisses Verständnis haben, daß die sich natürlich gewehrt haben. Obwohl es vielleicht interessant ist: denn im Grunde trauen sie ihrem Kanzler Helmut Schmidt nicht, daß er mit dem Ausgleich tatsächlich nachher Ernst macht. Die SPD-Oberbürgermeister und die Kämmerer sagen sich: Uns soll es nicht so gehen wie den Rentnern vor der letzten Bundestagswahl.
Dafür haben wir ein gewisses Verständnis. Aber es ist natürlich schon bezeichnend, daß die Lohnsummensteuer, diese überfällige, abzuschaffende Steuer, in erster Linie in SPD-regierten Bundesländern und in erster Linie in SPD-regierten Großstädten einen so großen Anteil am Steueraufkommen ausmacht. Das hat natürlich auch ideologische Gründe.
Gelegentlich muß man sich mit Ihren Parteitagsbeschlüssen befassen. Denn in Mannheim im Jahre 1975 hat die SPD noch beschlossen: In allen Gemeinden muß die Lohnsummensteuer obligatorisch werden. — In allen Gemeinden!
Eine der wirtschafts- und arbeitsplatzfeindlichstenSteuern, die es überhaupt nur gibt! Vor noch nichtganz drei Jahren wurde das beschlossen. Diese Diskussion bei Ihnen — sie existiert nur bei der SPD die Diskussion über die Abschaffung der Lohnsummensteuer ist ein Musterbeispiel dafür, wie wenig Sie für wirtschaftliche Zusammenhänge Verständnis haben, und dafür, daß Sie an die Steuerpolitik mit einer ideologischen Brille herangehen.
Für Sie ist die Beseitigung einer Steuer, die die Unternehmungen bezahlen müssen, im Zweifel ein „Geschenk an die Unternehmer". Solange Sie sich so artikulieren, meine Damen und Herren, brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß ein Zukunftsvertrauen, eine Investitionsneigung in unserem Land nicht entsteht. Das haben Sie sich zuzuschreiben, sonst niemand.
Die gleiche Neid-Ideologie zeigt sich ja in SPD-Kreisen, Herr Weber, wiederum in Nordrhein-Westfalen. Dort sind in den letzten Wochen, glaube ich, sogar Beschlüsse von irgendwelchen Bezirksparteitagen dagegen gefaßt worden, wonach es da welche gibt, die ein bißchen mehr entlastet werden als andere. Natürlich, wer mehr Steuern zahlt, wird in absoluten Zahlen auch mehr entlastet. Aber relativ gesehen, werden die unteren Steuerzahler wesentlich mehr entlastet als die oberen. Das ist die Folge des Progressionseffekts. Entweder wollen wir eine progressive Besteuerung, oder wir wollen sie nicht. Wenn wir die heimlichen Steuererhöhungen abbauen, dann gilt das hoffentlich für alle und nicht bloß für eine ganz bestimmte Gruppe.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Weber?
Herr Häfele, können Sie bestätigen, daß es Ihr CDU-Kollege Rommel, Oberbürgermeister von Stuttgart und durchgefallener Ministerpräsidentenkandidat, war,
der eine Verfassungsklage für den Fall angekündigt hat, daß die Vorhaben, die die CDU auf dem Gebiete der Realsteuern wahrmachen will — das ist ja nicht nur die Lohnsummensteuer —, auch tatsächlich durchgeführt werden?
Herr Weber, Sie sollten dem Präsidenten des Städtetags eigentlich dankbar sein, daß er in dieser seiner Funktion so solidarisch mit den SPD-Oberbürgermeistern ist. Sie sollten das anerkennen. Aber hier geht es nicht darum, ob Ihre SPD-Oberbürgermeister recht haben und der Flankenschutz, den Herr Rommel gegeben hat, berechtigt ist oder nicht, sondern hier geht es darum, ob wir eine richtige Steuerpolitik machen, mit der endlich die Antibeschäftigungsteuer abgeschafft wird, oder nicht. Das ist die Frage, um die es geht.
In Wirklichkeit geht es bei der Beseitigung der Lohnsummensteuer eben um die Beiseitigung eines
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8128 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Dr. HäfeleHemmnisses für neue Arbeitsplätze. Und was in unserer Lage wirtschaftlich schädlich ist, muß eben abgeschafft werden.Allerdings ist die CDU/CSU der Auffassung, daß die Abschaffung der Lohnsummensteuer für den notwendigen wuchtigen Impuls unzureichend ist, den wir benötigen, um eine Wende in der Investitionsbereitschaft mindestens mittelfristig zu erreichen. Die eigentliche Schwachstelle im Gesamtprogramm besteht darin, Herr Bundesfinanzminister, daß der Abbau von Investitionshemmnissen für private Investitionen viel zu unzureichend ausgefallen ist.Sie argumentieren immer mit der Nachfrage. Das Sondergutachten, das die Sachverständigen kürzlich veröffentlicht haben, weist meines Erachtens sehr überzeugend nach — man braucht nicht sachverständigengläubig zu sein, aber innere Zusammenhänge, die dauerhaft sind, werden gelegentlich in diesen Gutachten gut dargestellt —, daß wir in Deutschland nicht in erster Linie das Problem mangelnder Nachfrage haben — das beweisen auch die Konsumzahlen dieses Jahres —; sondern wenn es bei uns eine echte dauerhafte Lücke gibt, ist es die Investitionslücke. Wenn das richtig ist, muß natürlich auch in erster Linie etwas getan werden, um Investitionshemmnisse zu beseitigen. Das geschieht mit der Beseitigung der Lohnsummensteuer allein in völlig unzureichendem Maße.Deswegen ist die CDU/CSU der Meinung, daß nur eine gründliche Senkung der ertragsunabhängigen Steuerlast die Investitionsbereitschaft mittelfristig wieder beleben kann. Zumindest muß die Gewerbekapitalsteuer, der andere ertragsunabhängige Teil im Rahmen des Gewerbesteuerbereichs, ebenso abgeschafft werden; denn sie ist investitionshemmend und beschäftigungsfeindlich.
Wir haben in Deutschland eine Besonderheit — wir schneiden da im Vergleich mit den meisten vergleichbaren westlichen Ländern ungünstig ab, selbst mit England —: Die Eigenkapitaldecke bei unseren Betrieben ist zu niedrig, ist zu gering. Damit ist das Investitionsrisiko für die Betriebe vielfach zu hoch. Die wirtschafts- und gesellschaftspolitisch erwünschte Form der Ersparnisverwendung, nämlich die Ersparnisse ins Betriebskapital zu stecken, wird bei uns über die Steuer teilweise vierfach bestraft: einmal durch die Gewerbekapitalsteuer, dann durch die Vermögensteuer, wobei das doppelt geschieht, nämlich erst bei der Gesellschaft und dann noch bei den Anteilseignern, und schließlich teilweise auch noch durch die Grundsteuer. Es geht also an die Substanz der Betriebe.Hier helfen natürlich keine Ideologien, die Sie jetzt wieder verkünden. Es geht nicht um Ideologie, sondern es geht darum: Wie beseitigen wir die Investitionshemmnisse, damit die Investitionsneigung mittelfristig und dauerhaft wieder ein normales Maß aufweist? Auch die mittelständischen Betriebe werden von dieser Beseitigung der Gewerbekapitalsteuer profitieren. Große Teile der mittelständischen Betriebe leiden unter der Gewerbekapitalsteuer, wobei sie sogar noch für Dauerschulden Gewerbekapitalsteuer zahlen müssen, was in der schwierigen Wirtschaftslage doppelt drückend ist. Je mehr die Investitionsneigung zunimmt, um so mehr wird dabei auch sonst für den Mittelstand herauskommen, um so mehr werden neue Arbeitsplätze für die Arbeitnehmer entstehen.Bei einer solchen Steuerreform ist die CDU/CSU bereit — das haben wir immer erklärt —, eine Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt mitzutragen; denn die Gemeinden dürfen natürlich nicht die Leidtragenden des Abbaus der Gewerbesteuer sein. Das war der Inhalt des SteuerreformGutachtens 1971 — Eberhard-Kommission —, das war im Prinzip schon das Ergebnis der TroegerKommission 1966 oder 1967 — Troeger, Sozialdemokrat, Vizepräsident der Bundesbank, ein verdienstvoller Mann —, in dem genauso festgehalten worden ist: die Gewerbesteuer müsse mindestens großenteils abgeschafft werden, und dafür müßten die Gemeinden einen Ausgleich erhalten. Das ist der Sinn der Umschichtung: Das Steuerrecht soll investitionsfreundlicher werden, und die Gemeinden dürfen nicht die Leidtragenden sein.Weiterzuleiten ist die über eine Anhebung der Mehrwertsteuer gewonnene Verfügungsmasse an die Gemeinden durch eine Mischform, indem die Gewerbesteuerumlage abgebaut wird und die Gemeinden einen höheren Anteil an der Einkommen- und Lohnsteuer erhalten. Natürlich muß das durchgerechnet werden, damit solide ausgeglichen wird.Im übrigen weiß jeder Praktiker — auch der kommunalen Front —, daß der Ausgleich für die Gemeinden leichter zu bewerkstelligen ist, wenn wir beides beseitigen: die Lohnsummensteuer und die Gewerbekapitalsteuer. Beseitigen Sie nur die Lohnsummensteuer, kriegen Sie in der Tat Schwierigkeiten. Denn relativ gesehen ist die Lohnsummensteuer natürlich von geringerer Bedeutung, wenn auch die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft und den Gemeinden insgesamt ein Ausgleich gegeben wird über den Abbau der Gewerbesteuerumlage und einen höheren Anteil an der Einkommensteuer.Allerdings darf es nicht so geschehen, wie es Herr Bundesfinanzminister Matthöfer vorgeschlagen hat, daß die Gemeinden nur über die Länder Zuweisungen erhalten. Hier geht es vielmehr um eine echte Autonomie, um die Selbstverwaltung der Gemeinden. Die Gemeinden müssen eigene Steueranteile erhalten. Und genau dieser unser Weg ist es, der dazu hinführt.Vorerst bliebe also — weil das nur ein beginnender Abbau der Gewerbesteuer insgesamt ist — die Gewerbeertragsteuer bestehen, die ja bekanntlich den Löwenanteil ausmacht. Nur 15 % der Gewerbesteuer sind Gewerbekapitalsteuer, 85 % also Gewerbeertragsteuer.Wir bemängeln an den Finanzbeschlüssen der Bundesregierung, daß sie im steuerlichen Bereich die Familie ungenügend berücksichtigt hat. Wir sind der Meinung, daß auch das Steuerrecht im Rahmen des dualen Systems die Belastungen der Familie berücksichtigen muß, daß es nicht ausreicht, allein mit Kindergeld einen Ausgleich zu schaffen. Dazu werden
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Dr. Häfelevielmehr aus zwei Gründen auch Freibeträge benötigt.Einmal — dieses verfassungsrechtliche Problem wird auf Sie zukommen — darf die intakte Familie nicht benachteiligt werden gegenüber der nicht intakten.
Es ist nicht möglich, Freibeträge für die nicht intakte Familie zu gewähren, aber keine Freibeträge für die intakte Familie. Das ist ein Verfassungsproblem; Art. 6 des Grundgesetzes.Zweitens muß auch für die Familie der Grundsatz gelten: Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Heute aber werden immer mehr Angehörige der Mittelschichten und immer mehr Arbeitnehmer progressiv besteuert. Denen leuchtet es nicht ein, wenn Sie ihnen sagen: Du mußt die gleiche Steuer bezahlen, obwohl du drei Kinder hast, wie einer, der keine Kinder hat. Er wird sagen: Ich will, daß mein anständig erworbenes Einkommen auch gerecht besteuert wird; ich bin in meiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, weil ich drei Kinder habe.
Also Familie vor Steuern! Und ergänzend natürlich, weil es gerecht über die Steuer allein nicht zu schaffen ist, im dualen System die Verstärkung des Kindergeldes.Natürlich wissen wir, daß man das nicht alles auf einmal machen kann, Herr Bundesfinanzminister. Es geht darum, in einem vernünftigen Einstieg eine Verbesserung der Steuerstruktur auch zugunsten der Familie zu erzielen.Der entscheidende Einwand gegen das Gesamtpaket der Bundesregierung und der -Koalition ist aber folgender. Das Programm der Bundesregierung ist nicht folgerichtig. Es ist im Grunde nicht der finanzpolitische Kurswechsel, den wir heute bräuchten, um in den kommenden Jahren allmählich wirtschaftlich wieder Schritt zu fassen. Das Vertrauen, daß hier wirklich Ernst gemacht wird mit einem Abbau der Steuerlast, kann nur entstehen, wenn man diesen Abbau der Steuerlast als dauerhaft ansehen kann. Kann man das nicht, gibt es dieses Vertrauen nicht. Das Vertrauen kann nur entstehen, wenn die Regierung überzeugende Maßnahmen ergreift, um den überzogenen Staatsanteil, die übertriebene Staatsaufblähung, die abenteuerliche Staatsverschuldung wenigstens mittelfristig abzubauen. Genau davon aber ist in dem Programm nichts enthalten.
Wer A sagt,' muß auch B sagen. Die Bundesregierung sagt — zögernd, widerwillig und unzureichend — ja zu gewissen Steuerentlastungen. Aber sie sagt nicht B. Sie sagt nicht ja zur Eindämmung der Staatsaufblähung und Staatsverschuldung. Für die CDU/ CSU waren beide Problembereiche immer miteinander verknüpft. Es war uns immer klar, und es ist uns auch heute klar, daß man einen weiteren Abbau der Steuerlast, den wir für vorrangig halten, nur vertreten kann, wenn die Staatsausgaben in der mittelfristigen Finanzplanung nicht so anwachsen,wie es nach den Planungen der Bundesregierung I vorgesehen ist.Was ist denn der Sinn von Steuersenkungen? Was soll denn durch Steuersenkungen geschehen? Durch Steuersenkungen sollen Freiräume zur Entfaltung der privaten Leistungsbereitschaft und der privaten Investitionsneigung geschaffen werden. Wenn der Staat aber zugleich weit über das Wachstum des Bruttosozialprodukts hinaus seine Ausgaben steigert, kann dieses Vertrauen nicht entstehen.Deswegen, meine Damen und Herren — das ist ein Angelpunkt für die gesamte Finanzpolitik der kommenden Monate und Jahre —, lehnt die CDU/CSU eine Steigerung des Bundeshaushalts um 8,4 %, wie es die Regierung im nächsten Jahr vorhat, ab.
Erfahrungsgemäß werden es nicht bloß 8,4 % sein. Am Schluß werden es durch den Nachtragshaushalt — das haben wir alle schon erlebt — mehr sein. In der alten mittelfristigen Finanzplanung war noch eine Steigerungsquote von 6 % vorgesehen. Im April, Herr Matthöfer, sprachen Sie im Finanzplanungsrat noch von der Absicht, den Haushalt eventuell nur um 5 oder 5,5 °/o steigen zu lassen. Das hätte eine Basis für eine gemeinsame Finanzpolitik mit den Maßnahmen, die jetzt erforderlich sind, werden können. Inzwischen haben wir eine Marke von 8,4 °/o, und es besteht die Gefahr, daß sie noch höher wird.Die Bundesregierung hat nicht den Mut zur Beschneidung der Ausgabenzuwächse, die eine Voraussetzung ist, um mehr Spielraum für den Abbau der Steuerlast zu schaffen. In der Haushaltsrede des Bundesfinanzministers heute stand wieder der Satz, den wir seit vier Jahren hören: „Mittelfristig bleibt die Konsolidierung eine wichtige Aufgabe der Finanzpolitik." Das gilt aber nie für das kommende Jahr, sondern immer jeweils für das übernächste Jahr. Dies ist seit vier Jahren so.
Deswegen kann kein Glaube vorhanden sein, daß hier ein echter dauerhafter Kurswechsel in Richtung Abbau der Steuerbelastung vorgenommen wird. Wer soll denn darauf bauen können, daß die abenteuerliche Staatsverschuldung nicht weitere Steuererhöhungen programmiert? Wer in unserem Land sóll dies glauben? Das kann niemand glauben, wenn man in der mittelfristigen Finanzplanung nicht an die Ausgabenzuwächse herangeht.Die CDU/CSU wiederholt ihre Bereitschaft, die sie in den letzten Jahren wiederholt durch Helmut Kohl, durch Franz Josef Strauß und durch andere Sprecher erklärt hat, daß wir als Opposition verantwortungsbewußt und konstruktiv mitarbeiten, wenn die Regierung ihrer Führungspflicht nachkommt und bei den Ausgabenzuwächsen auch vielleicht unpopuläre Maßnahmen ergreift, die aber notwendig sind, wenn man den Weg der Steuersenkung gehen will. Wir wiederholen diese Bereitschaft.
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Dr. HäfeleWir haben diese Bereitschaft auch durch Taten bekundet. Wir haben im Haushaltsstrukturgesetz 1975 den Sparteil mitgetragen, nicht den Teil mit den Abgabenerhöhungen. Wir haben vor ein paar Monaten beim Nachtragshaushalt 1978 gegen den Willen der Bundesregierung — es war eine Anregung von Ihnen, Herr Hoppe — im Haushaltsausschuß konstruktiv mitgemacht und rund eine Milliarde ohne zusätzliche Verschuldung zusammengesucht. Wir sind bereit, den Weg zu gehen. Das ist doch ein Angebot. Mehr kann eine Opposition nicht leisten, das müssen Sie verstehen. Führungsaufgabe und Führungslast in einem Land hat die Regierung, kann nicht die Opposition haben. Wir verhalten uns hier anders, als sich 1965/66 die Opposition der SPD verhalten hat, als es um vergleichsweise niedliche Probleme der Haushaltskonsolidierung ging. Sie haben dies damals abgelehnt, Herr Wehner. Sie kennen Ihren Ausspruch von der „fremden Wäsche".Warum ergreifen Sie eigentlich diese ausgestreckte Hand nicht, die wir Ihnen seit Jahren ganz gegen die Übung von Oppositionen in parlamentarischen Demokratien reichen wollen? Selbst wenn Sie unpopuläre Sparmaßnahmen für die kommenden Jahre ergreifen, soll es um des Ganzen willen an uns nicht fehlen, hier mitverantwortlich zu handeln, damit in Deutschland endlich ein ökonomisch sinnvoller Weg eröffnet wird.
Herr Matthöfer, spüren Sie denn nicht, wohin das führt: immer mehr Ausgabenvermehrung durch zusätzliche Staatsverschuldung? Wir können nachweisen, wie zurückhaltend wir in dieser Legislaturperiode mit Ausgabenanträgen waren.
— Konkrete Anträge, ich habe die Liste. Es hat in der parlamentarischen Geschichte kaum einmal eine Opposition gegeben, die eine halbe Legislaturperiode lang mit Ausgabenanträgen so zurückhaltend war, wie die CDU/CSU in dieser Legislaturperiode.
Wohin aber führt es, wenn Sie laufend die Schleusen öffnen? Wer soll den Strom am Schluß noch aufhalten?Wenn Sie immer noch drauflegen und immer mehr ausgeben, dann ist es nach Ihrer Ansicht goldrichtig und bekommt noch den Segen der Deutschen Bundesbank, die allmählich Wert darauf legen muß, ihren Ruf als unabhängige Instanz, als Wächterin auch gegenüber der Bundesregierung, zu wahren; wir können nur an sie appellieren, daß sie dieses unabhängige Wächteramt mit allem Ernst auch in Richtung Regierung ausfüllt. Aber wenn wir ein bißchen anreizen wollen, dann ist das gleich „unvertretbar", dann geht das nicht, dann kommt der Freifahrschein der Bundesbank: Bis dahin und nicht weiter; nur das, was die Regierung zuläßt, ist zulässig, und das, was die Opposition macht, geht nicht. Das geht auf die Dauer nicht.Mit einer solchen Finanzpolitik werden Sie bei allen politischen Kräften in den kommenden Jahren Schleusen öffnen, und am Schluß wird die Flut niemand mehr halten können, Sie sowieso nicht, die ganze Regierung nicht. Niemand in diesem Land wird dann noch das Offnen der Schleusen verhindern können, sondern dann wird nur noch verteilt und verteilt oder Weihnachtsmann gespielt, und am Schluß ist das Finanzchaos da. Diesen Weg wollen wir eben nicht mitgehen.
Alles in allem ist das Programm der Regierung nicht die notwendige grundlegende finanzpolitische und wirtschaftspolitische Neuorientierung. Es ist das zehnte sogenannte Konjunkturprogramm seit 1974. Insgesamt sind damit 50 Milliarden DM zum Weiterwursteln ausgegeben worden, anstatt sie wuchtig für einen mutigen und ermutigenden Neubeginn zu verwenden. Was für eine Politik hätte man damit machen können, wenn man das wirklich gewollt hätte!Das Programm ist unzureichend und trotz einiger richtiger Ansätze, die in die richtige Richtung gehen, vor allem nicht folgerichtig bei der Beschränkung des Ausgabenzuwachses. Die CDU/CSU wird bei den Gesetzesberatungen in den kommenden Wochen und Monaten bis hin zum Bundesrat alles tun, um dieses ungenügende Programm wenigstens noch zu verbessern, damit die Bürger und die Betriebe in unserem Land nicht noch mehr unter der Abgaben-und Steuerlast zu leiden haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Westphal.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Häfele, haben Sie einmal zusammengerechnet, wie teuer Ihre Rede war, wie teuer sie den Steuerzahler zu stehen kommen würde? Ich habe es getan. Nehmen wir einmal den ersten Gedanken. Den Tarif, dessen Änderung von der Regierung vorgeschlagen worden ist und der in unserem Initiativgesetzentwurf enthalten ist, halten Sie für unzureichend. Sie wollen etwas dazutun. Sie wollen einen durchgehend progressiven Tarif schaffen. Wenn man die Sache gering kalkuliert betrachtet, sind das 3 Milliarden DM.
— Lassen Sie mich erstmal ausreden, Herr Häfele.
Wenn ich dazunehme, daß Sie die Mehrwertsteuer nicht anheben wollen, sind das 7 Milliarden DM. Wenn Sie die Gewerbekapitalsteuer abschaffen wollen, sind das 3,6 Milliarden DM oder, wenn ich den Nettobetrag nehme, 2 Milliarden DM.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8131
WestphalWenn Sie den Verzicht
— einen kleinen Moment; lassen Sie mich wenigstens den Gedanken zu Ende führen — auf die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen bei der Gewerbeertragsteuer nehmen, sind das netto 1,8 Milliarden DM. Wenn Sie die Kinderfreibeträge in der reaktionären Art und Weise, wie Sie es vorschlagen, wiedereinführen und damit Gerechtigkeit aus unserer Familienlastenausgleichsreform von 1975 herausnehmen wollen, sind das 41/2 Milliarden DM. Das sind zusammen 18,3 Milliarden DM weniger in den öffentlichen Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden.
Wenn Sie umgekehrt rechnen, frage ich Sie: Wo sind in Ihrer Rede
— einen Moment, Herr Häfele — irgendwelche konkret formulierten Vorschläge für Einsparungen?
Ich habe mitgerechnet: Null! 18,3 Milliarden DM gegen Null, das ist das Resultat Ihrer teuren Rede. Das ist unverantwortlich, Herr Häfele.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Häfele?
Bitte.
Darf ich Sie fragen, Herr Westphal, ob Sie mir vielleicht nicht zugehört und das, was Sie hier aufgeschrieben haben, zu einem Zeitpunkt verfaßt haben, als Sie mir noch nicht zuhören konnten.
Ich empfehle Ihnen, genau zuzuhören.
Das war aber billig, Herr Häfele. Da hatte ich Ihnen aber doch ein bißchen mehr zugetraut.
Ich habe während Ihrer Rede mitgeschrieben und habe die Zahlen hinzugefügt, die ich in meinen Unterlagen habe. Es war nichts, Herr Häfele, mit Ihrer Argumentation.
Aber lassen Sie uns zu dem kommen, was hier miteinander zu bereden ist, denn das hat bei Ihnen, Herr Häfele, völlig gefehlt. Ich meine den Zusammenhang mit dem Ereignis dieses Sommers, als die Regierungschefs der großen Industrieländer die- ser Welt in Bonn zusammengekommen sind
und Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt weltweiter wirtschaftlicher Entwicklungen miteinander zu beraten waren. Meine Damen und Herren, auf dem Tisch des Hauses liegen neben dem Haushaltsentwurf 1979, den der Herr Bundesfinanzminister heute vormittag eingebracht hat, die Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen von SPD und FDP zum Steueränderungsgesetz 1979, zur Novellierung des Kindergeldgesetzes und zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte. Die Koalitionsfraktionen zeigen damit dem Bürger unseres Landes, der deutschen Öffentlichkeit, aber auch unseren Partnern in der Welt draußen, daß wir gewillt sind, die auf dem Bonner Wirtschaftsgipfel im Juli getroffenen Vereinbarungen und die dabei gegebenen Zusagen unseres Bundeskanzlers, was unseren Teil angeht, schnell und vollinhaltlich in die Tat umzusetzen.
Es ist deshalb nicht unbillig, hier gleich am Anfang zu sagen, daß wir nicht nur von den beim Gipfeltreffen vertretenen Regierungs- und Staatschefs, sondern auch von den Parlamenten der beteiligten Länder erhoffen und erwarten, daß auch dort die Umsetzung der Zusagen in entsprechende Maßnahmen und Gesetze zügig erfolgt, um die gemeinsam gewollten und notwendigen Schritte zur Belebung des Welthandels, zur Überwindung von Arbeitslosigkeit, zur Dämpfung von Inflationstendenzen und zur Anregung der Konjunktur zur baldigen Wirkung zu bringen.Die in großer Einmütigkeit eingebrachten Initiativgesetzentwürfe der beiden Koalitionsfraktionen, die mit den an den Bundesrat übermittelten Gesetzentwürfen der Bundesregierung deckungsgleich sind und die nun der parlamentarischen Beratung und möglicherweise einer weiteren Verbesserung in Einzelheiten hier im Bundestag und in seinen Ausschüssen unterzogen werden, zeigen, daß sich die sozialliberale Koalition auch bei noch so schwierigen politischen und Sachfragen nicht auseinanderdividieren läßt und — ohne die Diskussion unterschiedlicher Positionen in Einzelfragen einzuschränken — Konflikte zu meistern versteht. Denn es geht uns um die Durchsetzung der bestmöglichen Lösungen für die Bürger unseres Landes.Diese Demonstration eines gemeinsamen Handelns wird am heutigen Tage zusätzlich durch den gemeinsam vollzogenen Wachwechsel an der Spitze des Landes an Rhein und Ruhr unterstrichen.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, es istsicher erlaubt, von dieser Stelle aus einen herzlichen Glückwunsch nach Düsseldorf an Johannes
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WestphalRau, den neugewählten Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, zu senden.
Vergleicht man die wirtschaftliche Entwicklung in den großen Industriestaaten mit der wirtschaftlichen .Entwicklung in unserem Lande, so ergibt sich eine seltsam unterschiedliche Beurteilung der Lage zwischen dem Betrachter von draußen, dem Betrachter mit amerikanischer, englischer, französischer oder anderer Staatsangehörigkeit, und dem im Innern beteiligten Betrachter. Wir sind mit unserer Lage nicht zufrieden und wollen und müssen sie verbessern, weil uns auch weiterhin insbesondere eine große Zahl von Arbeitslosen bedrückt und die Steigerungsraten unseres Wirtschaftswachstums größer werden müssen, um Vollbeschäftigung wieder zu ermöglichen. Unsere Partner aber in den großen Industrieländern fragen ganz umgekehrt: Wie machen es die Deutschen eigentlich, wie haben sie es geschafft, daß es ihnen wirtschaftlich und sozial — im Vergleich zu uns — so gut geht? Auf eine knappe Formel gebracht, erwarten sie, ja fordern sie von uns, daß wir ihnen helfen, daß wir Maßnahmen ergreifen, um die Lage für sie und alle zu verbessern.So unrecht haben die ausländischen Betrachter ja nicht, wenn sie und wenn wir daran denken, daß unsere Preissteigerungsraten neben der Schweiz seit Jahren die niedrigsten sind, daß wir einen relativ hohen Grad an Stabilität erreicht haben, daß unsere Arbeitslosenzahl im Vergleich zu den anderen im unteren. Mittelfeld liegt, daß unsere Devisenreserven nach wie vor riesig groß sind, daß der Außenwert unserer D-Mark ständig gestiegen ist, was uns allerdings schwierige Probleme für den Export gebracht hat, und daß unser Netz sozialer Sicherung vorbildlich für viele in der Welt ist.Es ist zwar richtig, daß wir unser Wachstum steigern und dazu insbesondere unsere Wirtschaft modernisieren müssen; aber wir können auch erkennen und müssen es frei sagen, daß die aktuelle und entscheidende Schwäche der Weltwirtschaft und ihrer Entwicklung darin liegt, daß die amerikanische Zahlungsbilanz nicht in Ordnung ist. Weil die USA zuviel Energie verbrauchen und dafür riesige Mengen Erdöl importieren, wird die Welt mit wertverlierenden Dollars überschwemmt. Eine der gravierenden Folgen ist die Einschränkung unserer Exportmöglichkeiten, auf die wir als ein stark exportorientiertes Land angewiesen sind. Es konnte und mußte deshalb die Aufgabe unseres Bundeskanzlers sein, beim Weltwirtschaftsgipfel den Versuch zu machen, die anderen zu bewegen, politische Zusagen zu geben, die im Interesse der Ausdehnung und Siche- rung eines freien Welthandels sowie der wirtschaftlichen Belebung liegen und die letztlich in deren eigenem Interesse und auch in unserem Interesse sind.Das Gipfelkommunique zeigt, daß Präsident Carter bereit ist, sich für die Drosselung des amerikanischen Energieverbrauchs zu engagieren, daß die Japaner ihre Importschranken ein Stück weit Lokkern wollen, daß die Engländer ihre Antiinflationspolitik fortsetzen werden, daß unsere französischenFreunde ihr Wachstum verstärken und daß von allen die prinzipielle Bereitschaft erklärt wurde, eine baldige Einigung in der Tokio-Runde der GATT-Verhandlungen anzustreben, die protektionistische Maßnahmen verhindern muß.Es liegt auf der Hand, daß solche Zusagen auch von uns ihren Preis fordern. Selbst wenn man hinsichtlich der bei uns gegebenen Möglichkeiten skeptisch ist, durch neue Programme und öffentliche Maßnahmen wirtschaftliches Wachstum über ein gewisses Maß hinaus bewirken zu können, und selbst wenn man mit Sorgen auf die Folgen für die öffentlichen Haushalte und die Höhe der zusätzlichen Verschuldung sieht, kann nicht bezweifelt werden, daß auch wir im Konzert mit den anderen unseren Teil dazu beizutragen haben, daß die auf dem Gipfel formulierten gemeinsamen Ziele erreicht werden.Die deutsche •Zusage lautet, quantitativ substantielle Maßnahmen um bis zu 1% des Bruttosozialprodukts vorzuschlagen, um eine Stärkung der Nachfrage und eine höhere Wachstumsrate zu erreichen. Der Bundeskanzler hat diese Zusage an zwei Bedingungen geknüpft, wohlwissend, daß er den erreichten Grad an Stabilität nicht aufs Spiel setzen darf. Das deutsche Maßnahmenpaket muß in seinem Umfang so begrenzt sein, daß sich daraus keine Zinssteigerungstendenzen ergeben und daß dadurch kein neuer inflationärer Druck entsteht. Die Konsequenz daraus ist, daß die als Folge unserer hier zu behandelnden Maßnahmen notwendig werdende zusätzliche Verschuldung der öffentlichen Hand nur so weit gehen darf, daß sie den Kapitalmarkt nicht überfordert, also das erreichte niedrige Zinskostenniveau nicht wieder nach oben in Bewegung gesetzt wird.Ich unterstreiche diese Bedingungen hier mit aller Deutlichkeit und sage dies insbesondere in Richtung auf Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, und in Richtung auf die Herren Ministerpräsidenten der CDU/CSU-geführten Bundesländer; denn schon ist erkennbar, daß Sie in einer unglaublichen Weise draufsatteln wollen. Sie beschwören damit nicht nur den Konflikt mit uns und der Bundesregierung herauf, sondern auch den Kon- flikt mit dem Hüter unserer Währung, mit der Bundesbank. Herr Präsident Emminger hat in den Kabinettsberatungen im Juli und danach unmißverständlich klargemacht, daß die Größenordnung der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts im Jahre 1979 durch die Gesamtheit der öffentlichen Hände einschließlich der Sozialversicherung nach oben bei etwa 60 Milliarden DM begrenzt ist. Bundesregierung, Bundesbank und auch wir in den Koalitionsfraktionen sind einig darin, daß diese Grenze eingehalten werden muß, weil wir die negativen Folgen für die Wirtschaft und die öffentlichen Hände — ich habe hier Zinssteigerung und Inflationsdruck als solche negativen Folgen genannt — verhindern wollen und verhindern müssen.Es ist ein Wort zur Begründung des wirtschaftspolitischen Gedankengangs notwendig, der dem Maßnahmenpaket in den Ihnen vorliegenden Gesetzentwürfen und dem Entwurf des Bundeshaus-
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Westphalhalts 1979 zugrunde liegt. Weil uns die Erfahrung und all unsere intensiven Bemühungen der letzten Jahre gelehrt haben, daß es kein Allheilmittel gibt, um mit einem großen Schwung, Herr Häfele, und unter Einsatz aller öffentlichen Mittel auf einen Punkt konzentriert unser Hauptproblem zu lösen, nämlich die zu große Arbeitslosigkeit zu überwinden, mußte das, was wir Ihnen vorschlagen, eine sinnvolle Kombination von mehreren Maßnahmen sein, die auf unterschiedlichen Gebieten Teilwirkungen erzielen können, die jeweils zur Problemlösung beitragen. Diese Maßnahmenkombination will ich Ihnen hier erläutern.Sie besteht aus einer deutlichen Steigerung der investiven Ausgaben im Haushaltsplanentwurf 1979 und in der mittelfristigen Finanzplanung, die sich insbesondere bei der Förderung von Forschung und Entwicklung zur Modernisierung unserer Wirtschaft, bei den Maßnahmen zur Energieeinsparung, bei großen Projekten des Umweltschutzes, bei der Unterstützung von Existenzgründungen in der mittelständischen Wirtschaft und einer ebenfalls auf die mittelständische Wirtschaft gezielten Förderung von Personalkosten für Forschung und Entwicklung auswirken wird. Auf den mittelfristigen Planungszeitraum bezogen bedeutet dies allein im Haushalt des Bundesministers für Forschung und Technologie, der sowieso schon deutlich anwuchs, ein weiteres Zulegen von insgesamt 7 Milliarden DM in vier Jahren. Ein weiterer Teil der genannten Förderungsmaßnahmen, die zu direkten Investitionen durch die öffentliche Hand oder zu privaten Investitionen mit öffentlicher Förderung führen werden, spielt sich im ERP-Plan ab.Dies alles führt 1979 erneut zu einer expansiven Haushaltsgestaltung mit einer Steigerungsrate von 8,4 %, die nicht nur nach unserer Meinung, Herr Häfele, sondern auch nach Auffassung vieler Wirtschaftswissenschaftler wirtschaftspolitisch nach wie vor geboten ist. Sie, Herr Häfele, und auch Herr Strauß in seiner Presseerklärung, die er anstatt einer Rede heute nach der Rede des Finanzministers herausgegeben hat, irren, wenn Sie meinen, die Koalition würde die Probleme der wachsenden Verschuldung verniedlichen. Die Haushaltsberatungen werden zeigen, wie wir uns in dieser Hinsicht bemühen und das Konsolidierungsziel auf mittlere Sicht sehr, sehr ernst nehmen.Wir haben aber abzuwägen, was jetzt in diesem Jahr für 1979, für Wirtschaftswachstum wichtiger ist: weniger Schulden oder mehr deficit spending. Dies ist auch international unsere Verpflichtung: Jetzt müssen wir noch kräftig herangehen, aber nicht so kräftig, Herr Häfele, wie Sie es uns seitens der Opposition oder der Mehrheit im Finanzausschuß des Bundesrates etwa aufdrängeln wollen, so heftig wirklich nicht, denn dies hieße die Verschuldung übertreiben. Dies kann keiner für vernünftig halten.Die Maßnahmen führen zu keinen neuen Mischfinanzierungstatbeständen. Daraus kann man folgern, daß der Bund die Ausgaben, die in diesem Paket enthalten sind, alle alleine trägt. Die Maßnahmen legen das Schwergewicht diesmal nicht auf die Bauwirtschaft, um deren konjunkturelle Entwicklung nicht zu überhitzen und Preissteigerungen in diesem Bereich nicht durch öffentliche Förderung hervorzurufen.Der zweite Ansatz des Maßnahmenpakets, um wirtschaftliches Wachstum anzuregen, wählt die Richtung der Steuerentlastungen bei der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer, um sowohl von der investiven als auch von der konsumptiven Seite her die vom Entlasteten in eigener Verantwortung zu treffenden Entscheidungen in Richtung Wirtschaftsbelebung zu programmieren.Der Schwerpunkt liegt bei der Einebnung des Tarifsprungs, für die zusammen mit der nach einem Jahr erneuten Anhebung des Grundfreibetrags für alle Einkommensteuerzahler im ersten Jahr der Wirksamkeit — 1979 — 10,6 Milliarden DM eingesetzt werden. Sie sollen in den Taschen des Steuerzahlers belassen werden. Das größte Ärgernis für die inzwischen mehr als 10 Millionen Steuerzahler — jede Mark, die über 16 000 bzw. für die Verheirateten 32 000 DM zu versteuerndes Jahreseinkommen hinaus verdient wird, nicht mehr mit 22 %, sondern gleich mit 30,8%versteuern zu müssen — wird dadurch ausgeräumt. Die steil ansteigende Wand der Progression wird dadurch mit kleinen Schritten begehbar gemacht.Wenn ich sage, daß bereits rund 10 Millionen Steuerzahler sich in der bisherigen Progressionszone befinden, dann heißt das, daß der Vorteil der Entlastung in ganz beachtlichem Ausmaß Arbeitnehmern zugute kommen wird. Dazu gehören nicht' nur fast alle ledigen ungelernten Arbeiter, sondern vornehmlich unsere Facharbeiter, deren Ehefrauen mitarbeiten und deren gemeinsamer Verdienst, der jährlich zu versteuern ist, längst die 40 000-DMGrenze überschritten hat.Die Tarifänderung ist gerecht und notwendig und hat aus sozialdemokratischer Sicht — lassen Sie mich das hinzufügen — von der Zeitabfolge der Maßnahmen eine höhere Priorität als zusätzliche weitere Entlastung — nach allem, was wir auf diesem Gebiet ja in den letzten Jahren getan haben — der Wirtschaft, die wir auch bejahen, als einen Gesamtteil dieses Pakets betrachten und in diesem Maßnahmenpaket mit berücksichtigen werden.Es ist für uns Sozialdemokraten selbstverständlich gewesen, daß zu diesen Maßnahmen der Einebnung des Tarifsprungs auch eine erneute Entlastung der Bezieher kleiner Einkommen gehören muß. Sie geschieht durch eine weitere Anhebung des Grundfreibetrags um 390 bzw. für Verheiratete 780 DM und führt dazu, daß ein beachtlicher Teil der Kleinstverdiener — gerade der weiblichen Arbeitnehmer — ganz aus der Einkommensbesteuerung herausfällt.Daß die Heraufsetzung des zusätzlichen Sonderausgabenhöchstbetrags für Versicherungsbeiträge um 1 000 bzw. 2 000 DM ab 1980 auch dann, wenn sie für alle Einkommensteuerzahler eingeführt wird, in besonderer Weise mittelstandsfreundlich ist und den Selbständigen ihre Alterssicherung erleichtert, brauche ich hier nicht besonders zu erläutern.Der Vorschlag der Bundesregierung, das in vielen anderen europäischen und außereuropäischen Län-
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Westphaldern übliche Verfahren eines begrenzten Realsplittings für Geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehegatten bei der Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht einzuführen, wird in den Ausschüssen des Bundestags besonders wegen der steuerlichen Wirkungen bei den Empfängern von Unterhaltsleistungen gründlich durchdacht werden müssen. Dabei bejahen wir Sozialdemokraten eine weitere Entlastung der Unterhaltsverpflichteten und suchen mit nach der gerechtesten und die Verwaltung nicht überlastenden Lösung.
Das vorliegende Steueränderungsgesetz 1979 enthält in seinem die Gewerbesteuer betreffenden Teil mit dem Ziel der Entlastung der Wirtschaft um rund 3 Milliarden DM die Abschaffung einer ganzen Steuerart: der Lohnsummensteuer. Dies ist Teil des Ganzen, Teil eines zusammengehörenden Pakets. Wer sich nur die kleine Mühe gemacht hat, die außerordentlich präzise und abgewogene Formulierung des Kabinettsbeschlusses vom 28. Juli 1978, die sich auch in der Begründung der hier vorliegenden Gesetzentwürfe befindet, nachzulesen, der weiß, daß von Anfang an klar war, daß die Gemeinden, für die die Abschaffung der Lohnsummensteuer ab 1980 den Ausfall eines zum Teil beträchtlichen Anteils ihrer eigenen Steuereinnahmen bedeutet, einen voll befriedigenden Ausgleich dafür erhalten müssen und nach Ansicht von Regierung und Koalitionsfraktionen auch bekommen sollen.
Dieser Ausgleich, der in einem beträchtlichen Maße gezielt auf je unterschiedliche Situationen in etwa 800 Gemeinden unter Zusammenwirken aller Beteiligten zustande gebracht werden muß, ist schwierig, und zwar deshalb, weil unsere Finanzverfassung Direktbeziehungen zwischen dem Bund und den Gemeinden eben nicht vorsieht. Die notwendige erhebliche Beteiligung des Bundes an diesem Ausgleich über die Länder und durch die Länder muß aber so gesteuert werden, daß neue Verzerrungen im Gewerbesteuergefüge vermieden werden.Außerdem muß der Grad der auflagefreien, also die Autonomie der Kommunen respektierenden Einsatzmöglichkeiten dieser Mittel bei den Gemeinden, die die Lohnsummensteuer abzuschaffen haben, so hoch wie möglich sein.
Der Finanzausschuß des Bundestags wird sich dieses schwierigen Fragenkomplexes gründlich annehmen müssen und dabei die Verhandlungen begleiten müssen, die der Bund mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden über die Ausgleichsproblematik führt.Herr Häfele, nur als Nebenbemerkung dazwischengeschoben: Dabei werden wir uns auch mit den Herren Rommel und Wallmann, dem Oberbürgermeister von Frankfurt, auseinanderzusetzen haben, alles Leute, die Sie nicht auf unsere Kappe rechnen können, wenn Sie Kritik üben, sondern diese Leute haben, wenn ich es richtig sehe — undich glaube, ich sage hier ganz und gar nichts Falsches —, das Mitgliedsbuch Ihrer Partei in der Tasche, gehören aber zu den Kritikern solcher Maßnahmen. Sie können also, Herr Häfele, keine Einseitigkeit konstruieren.Dies ist ein schwieriges Thema für die Gemeinden. Wir haben es vom ersten Tage an so gesehen. Wir werden es, weil es eben schwierig ist, in aller Gründlichkeit mit allen Beteiligten zu einer Gesetzgebung bringen müssen, bei der es heißt: Es muß für alle Beteiligten — nicht nur für uns Sozialdemokraten und die Koalition — klar sein, daß die schwierige Operation, bei der erreicht werden soll, daß keiner einen Nachteil erleidet, sich aber auch keiner einen unberechtigten Vorteil herausholt, nur gelingen kann, wenn über das Gesetz, das den Ausgleich regelt und die Abschaffung der Lohnsummensteuer gleichzeitig gesetzliche Entscheidungen getroffen werden.Wenn ich eben, meine Damen und Herren, davon gesprochen habe, daß es für uns darauf ankommt, schnell zu handeln, gerade auch für die Teile des Gipfelpakets, die am 1. Januar 1979 und am 1.. Juli 1979 in Kraft treten sollen — das ist also gerade das, was den Tarif und die Heraufsetzung des Grundfreibetrags angeht —, dann gehört dazu auch die Anhebung der Mehrwertsteuer um einen bzw. halben Prozentpunkt, die für Mitte des Jahres 1979 vorgesehen ist.Wer sich das Gesamtpaket von den Zahlen her ansieht und in Erinnerung behält, daß der Bundeskanzler eine Zusage bezüglich der deutschen Maßnahmen bis zu einem Prozentpunkt des Bruttosozialprodukts vorgeschlagen hat — also etwa 12 bis 13 Milliarden DM —, der weiß, daß allein der Einnahmeausfall bei den öffentlichen Händen für die Abschaffung des Tarifsprungs und die Anhebung des Grundfreibetrags mit fast 11 Milliarden DM sowie die Förderung öffentlicher und privater Investitionen, vornehmlich im Forschungs-, Entwicklungs-und Umweltschutzbereich, mit 2,6 Milliarden DM schon den Umfang übersteigen, den 1% des Bruttosozialprodukts ausmacht. Dabei ist die vorgesehene Erhöhung des Kindergeldes — 1,5 Milliarden DM im ersten Schritt — noch gar nicht berücksichtigt, obwohl sie einen wichtigen Teil der Wirkungen des Gesamtpakets schon im Jahre 1979 darstellt. Die Konsequenz ist: Wir brauchen — lassen Sie uns das mit aller Nüchternheit sehen — einen finanziellen Teilausgleich für unser gesamtes Maßnahmenpaket, und zwar unabhängig von der Frage, für welchen Teil der Steuerentlastungen oder ausgabenwirksamen Maßnahmen die moderate Anhebung der Mehrwertsteuer zum Ausgleich eingesetzt werden soll.Im Wissen darum, daß die letzte Mehrwertsteueranhebung — mit Ausnahme der Gebühren — eben nicht in die Preise eingegangen ist, und die Erwartungen bezüglich der konjunkturellen Entwicklung des nächsten Jahres das gleiche wieder wahrscheinlich machen und im Wissen darum, daß eine langfristige Strategie neben dem Aspekt der Steuerharmonisierung in der EG auch den Gesichtspunkt berücksichtigen muß, daß die Steuerbelastungen aus direkten Steuern unverhältnismäßig schneller ge-
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Westphalwachsen sind als die Belastungen aus den indirekten Verbrauchsteuern, deren Hauptteil die Umsatzsteuer ist, müssen wir bereit sein, einen weiteren begrenzten Schritt zu tun, um die Gewichtung von direkten und indirekten Steuern zu verändern. Dies soll hier erfolgen.Wer behauptet, daß die Folge dieser maßvollen Anhebung der Umsatzsteuer ein ganzer Prozentpunkt Preissteigerung ist und dadurch die Steuerentlastungen aufgefressen würden, der hat nicht gerechnet und die Realitäten des Wirtschaftsablaufs nicht berücksichtigt. Weder im Einkommensteuerbereich noch bei der Verbesserung des Kindergeldes werden die Mehrbelastungen durch die Umsatzsteuer die Entlastungen aufzehren, und zwar selbst dann nicht, wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten würde, daß die Erhöhung der Umsatzsteuer ganz in die Preise überwälzt würde.Zu den Teilen des Gesamtpakets, die von der Seite des Konsums eine Wirtschaftsbelebung bewirken sollen und können und die ich vorher dargestellt habe, gehört auch die kräftige Anhebung des Kindergeldes. Wenn wir vom 1. Januar 1979 an das Kindergeld für alle dritten und weiteren Kinder einer Familie von 150 DM um 45 DM auf 195 DM erhöhen und dies in einem zweiten Schritt ab 1980 um eine Erhöhung des Kindergeldes für alle zweiten Kinder von 80 DM um 20 DM auf 100 DM monatlich erweitern, dann heißt dies, an der richtigen und notwendigen Stelle Familienpolitik zu machen und die Ausgaben des Bundes für die Familien — im übrigen noch dazu genau ins Jahr des Kindes gezielt — um Milliardenbeträge zu erhöhen.
Man wird nicht bezweifeln können, daß gerade dieses Geld zu einem beachtlichen Teil in den Konsum gehen wird und damit das Wirtschaftswachstum von der Verbrauchsseite her angeregt werden wird.Das Gipfelpaket hat aber noch eine dritte Seite, durch die es — neben dem humanen und gesellschaftlichen Aspekt — im positiven Sinne Einfluß auf unsere Wirtschaftsentwicklung nehmen wird. Die drei Schritte, die ich hier nennen kann, werden uns helfen, den Arbeitsmarkt an wichtiger Stelle zu entlasten. Ich meine die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte in zwei Schritten, vom 62. auf das 61. Lebensjahr im Jahre 1979 und vom 61. auf das 60. Lebensjahr im Jahre 1980.
Ich meine die Verbesserung des Mutterschutzes. Es soll ein sechsmonatiger Mutterschaftsurlaub mit Finanzierung durch den Bund eingeführt werden, so daß Mütter im ersten Lebenshalbjahr ihres Kindes bei ihrem Kind zu Hause bleiben können, um sich dessen Betreuung zu widmen. Dafür können sie eine finanzielle Absicherung in einer Größenordnung von bis zu 750 DM monatlich erhalten.Ich meine schließlich die Einbeziehung der Teilnehmer am Grundbildungsjahr im zehnten Schuljahr in die Ausbildungsförderung nach dem BAföG, um die Ausbildungsplatzsuche vor allem für die geburtenstarken Jahrgänge zu erleichtern.Meine Damen und Herren, wer sich das Gipfelpaket in seiner Gesamtheit ansieht, wird feststellen, daß hier eine große Anstrengung in schwieriger Zeit gemacht wird. In Reaktion auf eine von unseren wichtigsten Partnern kommende Aufforderung, in deren Rahmen umgekehrt auch sie Zusagen im Hinblick auf unsere an sie gerichteten Forderungen gemacht haben, leisten wir unseren Teil durch Überwindung konjunktureller und struktureller Schwächen des wirtschaftlichen Gesamtgeschehens.Wir tun dies in einer Weise, daß unsere Bürger große Vorteile davon haben werden, daß unser geschaffenes Netz sozialer Sicherung nicht geschwächt, sondern im Gegenteil ausgebaut wird und daß der einzelne Steuerbürger entlastet und von Ärgernissen befreit wird. Wir tun es darüber hinaus auch in einer Weise, die erneut unserer Wirtschaft zusätzlichen Spielraum gibt, endlich mehr zu investieren. Schließlich tun wir es auch in einer Weise, auf die wir trotz der großen finanziellen Anstrengungen ein Gesamtmaß einhalten, das die erreichte Stabilität nicht gefährdet.Derjenige aber, der darüber hinausgehen will, wird diese Gefährdung bewirken. Er wird Inflationsschübe in Gang setzen und Zinsen zum Steigen bringen. Das gilt auch für diejenigen, die bis heute nicht bereit sind, zu dem erforderlichen Teilausgleich in Form der Anhebung der Mehrwertsteuer ja zu sagen.Dies alles, meine Damen und Herren, muß ich gezielt auf die Opposition dieses Hauses und noch gezielter auf die Mehrheit im Bundesrat, die von CDUbzw. CSU-Ministerpräsidenten geleitet wird, sagen. Wer — wie dies in nur 11/2stündiger Sitzung im Finanzausschuß des Bundesrates am vergangenen Donnerstag geschehen ist — seine Mehrheit benutzt, um nicht weniger als 8 Milliarden DM Einnahmeausfall bei den öffentlichen Händen zusätzlich draufzusatteln, der handelt nicht verantwortlich.
Wer behauptet — wie dies in der Vorlage des Finanzausschusses des Bundesrates geschieht —, daß die Auswirkungen der vorgesehenen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit den Bund im Vergleich mit den anderen Gebietskörperschaften am wenigsten betreffen, der rechnet falsch; alle Zahlen liegen auf dem Tisch.Wer zudem die Absicht hat — und dies ist doch Ihre Absicht, meine Damen und Herren von der Opposition —, zusätzlich zu den im Bereich des Familienlastenausgleichs vorgeschlagenen deutlichen Kindergelderhöhungen, die ich Ihnen eben erläutert habe, auch noch einen Steuerfreibetrag für Kinder wieder einzuführen, der belastet nicht nur Bund, Länder und Gemeinden mit über das mögliche Maß hinausgehenden Steuerausfällen von 4,5 bis 5 Milliarden DM im Jahr, sondern macht auch, von einem reaktionären Ansatz ausgehend, die große Leistung der Reform des Familienlastenausgleichs von 1975 kaputt,
die doch darin bestand, daß die Entlastung der Familien mit Kindern nicht mehr für denjenigen, der
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Westphalein höheres Einkommen hat, größer und für denjenigen, der ein kleineres Einkommen hat, kleiner ist. Gerade dies haben wir damals abgeschafft und überwunden. Sie wollen wieder zurück zu einem solchen Ansatz. Das kann ja wohl, noch dazu mit diesen finanziellen Folgen, nicht verantwortungsbewußt sein.
Wer dann auch noch mit einem Ruck und schon zum 1. Januar 1979 die gesamte Gewerbekapitalsteuer abschaffen und sämtlichen Gemeinden diesen Einnahmeteil wegnehmen will, der übertreibt nicht nur in seinen Forderungen, sondern handelt auch gemeindefeindlich.
Das ist besonders auf Ihren Redner gezielt, der nachher aus kommunalpolitischer Sicht sprechen wird. Er möge hier zum Thema der Gewerbekapitalsteuer und ihrer Abschaffung etwas sagen und sich auch mit dem Deutschen Städtetag auseinandersetzen,
denn der und wir stehen zusammen auf der Seite der Kommunen, wenn es um diese Fragen geht.
Damit würde die entscheidende objektbezogene Komponente aus der Gewerbesteuer herausgenommen, und den Städten und Gemeinden würde die Finanzautonomie entzogen, weil die Realsteuergarantie des Grundgesetzes an die Kommunen nicht mehr erfüllt werden könnte. Diesen Weg werden die Sozialdemokraten nicht mitgehen.Ganz unbegreiflich für jeden verantwortungsbewußten Politiker ist der Beschluß der Mehrheit des Finanzausschusses des Bundesrates, durch einen einfachen weiteren Paragraphen des Artikelgesetzes auch noch den Finanzausgleich neu festsetzen zu wollen, d. h. die Umsatzsteuerverteilung der nächsten Jahre zwischen Bund und Ländern zu Lasten des Bundes vorzuschreiben, ohne auf der Basis von Art. 106 des Grundgesetzes die Entwicklung der Deckungsquoten geprüft und mit dem Bund und mit den kommunalen Spitzenverbänden eingehend beraten zu haben.Meine Damen und Herren von der Opposition, die Absicht Ihrer Mehrheit im Bundesrat ist durchsichtig: der Bund soll finanziell zum Ausbluten gebracht, politisch manövrierunfähig gemacht werden. Eine seltsame Position für eine Opposition, die nach Regierungsverantwortung strebt.
Sie würden allerdings selber die Folgen zu tragen haben, wenn Sie mal wieder regieren dürften — was wir aber, ich bin sicher, zu verhindern verstehen.
Herr Stoltenberg — in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender der CDU, möglicherweise auch in seiner Rolle als Ministerpräsident eines Landes — sollte, bevor er den Koalitionsfraktionen Vorwürfe macht, sie hielten die Verfassungsspielregeln durch Einbringen von Initiativgesetzen nicht ein,eines bedenken. Heute habe ich gelesen, er hat es sogar so formuliert, daß es eine klare Mißachtung des Grundgesetzes sei. Falls er diesen Vorwurf wiederholt — einen Vorwurf, der nicht stimmt; wenn man die Verfassung auch nur liest —, kann man nur gute Reise nach Karlsruhe wünschen; das geht schief. Sollte er sich aber vorher mit dem Grundgesetz beschäftigen, dann tritt er diese Reise gar nicht erst an.
Aber er sollte auch einmal den Art. 106 des Grundgesetzes lesen. In dem steht nämlich, daß ohne verantwortungsbewußte Prüfung, wie es um die Deckungsquoten bei den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden und deren Entwicklung steht, eine Umsatzsteuerneuverteilung nicht vorgenommen werden kann. Da muß man gründlich nachgucken und mit allen Beteiligten gemeinsam nachdenken und reden und rechnen und feststellen, wie die künftigen Verläufe sein werden, wer wieviel von seinem Haushalt durch Steuern und Einnahmen decken kann und wieviel er an Krediten aufnehmen muß. Dann wird er ein Bild entdecken, das nicht dafür spricht, es so zu machen, wie es in den Vorlagen des Finanzausschusses des Bundesrates steht. Das ist so einfach nicht annehmbar, noch dazu vom Verfahren her nicht annehmbar; siehe Art. 106 des Grundgesetzes.
Herrn Stoltenberg würde auch auffallen, daß dabei im übrigen auch die Gemeinden durch ihre Spitzenverbände konsultiert werden müssen. Sie dürfen nicht, wie es die Mehrheit des Bundesrates beabsichtigt, einfach übergangen werden.Ich fasse zusammen. Wer solche Vorschläge in die Welt setzt und vertritt und zur Deckung von 8 Milliarden DM Mehrforderungen oder Mindereinnahmen nichts weiter zu sagen hat als, der Bund solle sparsamer bei den Ausgaben sein,
ohne dafür auch nur eine einzige konkrete Stelle zu nennen, der hat im übrigen auch das Argument für sich verspielt, daß er der „Hüter des Art. 115 des Grundgesetzes" sei.
Denn Überforderungen würden den Bund noch mehr, als er selber in dieser wirtschaftlichen Situation dazu bereit sein muß, zwingen, zusätzliche Schulden aufzunehmen, für die eine gleich hohe Ausgabe im investiven Bereich nicht zur Verfügung stehen kann.Meine Damen und Herren — noch einmal insbesondere an die Opposition gewandt —, setzen Sie nicht auf das Spiel mit dem Vermittlungsausschuß! Machen Sie diesen wichtigen Ausschuß nicht zu einer Art Überregierung. Hier sitzt der Bundesgesetzgeber. Der vom Bürger gewählte Deutsche Bundestag hat zu entscheiden, und der Bundesrat wirkt an der Gesetzgebung mit.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1938 8137
WestphalIhnen liegen die Gesetzentwürfe vor. Lassen Sie uns auf dieser Grundlage beraten, verbessern und entscheiden.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Funcke.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Die FDP bekennt sich zu der von ihr kontinuierlich vertretenen Steuerpolitik, wie sie sich in ihren wesentlichen Grundzügen in der sozialliberalen Koalition seit 1969 verwirklichen ließ. Diese Grundsätze sind: keine Mehrbelastung des Steuerbürgers, sondern Entlastung; ein leistungsgerechtes Steuersystem, das den Leistungsertrag nicht unangemessen wegsteuert; Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im In- und Ausland; Steuergerechtigkeit; stufenweise Annäherung an die europäische Steuerharmonisierung; verbesserter und gerechter Familienlastenausgleich für alle Familien, nicht nur für die steuerzahlenden.Diesen Grundsätzen ist die FDP in ihren Bemühungen um die Steuerpolitik immer gefolgt: bei der Steuerreform 1974 und 1975 und bei den Steuerentlastungsgesetzen bzw. -entwürfen, soweit sie jetzt vorliegen.Die Steuerreform brachte zusammen mit der Verbesserung des Kindergeldes eine Nettoentlastung der Bürger von rund 15 Milliarden DM. Die Beschlüsse und Vorschläge, die im Steuerbereich zum 1. Januar 1978 wirksam geworden sind bzw. zum 1. Januar 1979 und 1980 wirksam werden, bringen eine Nettoentlastung von zusammen 33 Milliarden DM. Dabei ist bereits die Mehrbelastung aus der Umsatzsteuererhöhung 1978 und 1979 gegengerechnet. In Wirklichkeit ist die Entlastung also ungleich höher.Nun erklärte Herr Kohl — laut Pressemeldung aus Berlin — gestern, die CDU/CSU sei die „klassische Steuerentlastungspartei".
— Vorsicht! Sie sollten einmal Steuergeschichte lesen. — Gewiß, wenn es nach der Größe der Sprechblasen geht, möchte man Ihnen wohl zustimmen.
Herr Kollege Häfele hat das gerade deutlich bewiesen.
Aber nicht auf die Reden kommt es an, sondern auf das praktische Handeln in der Gesamtverantwortung. Und da hat die CDU/CSU nun alles andere getan, als sich als „klassische Steuerentlastungspartei" auszuweisen.Seit der Tarifsenkung 1954, wo es darum ging, die überhöhten Steuersätze aus der Besatzungszeit abzubauen, hat Finanzminister Schäffer — bekanntlich von der CSU — dem Bürger jahrelang mehr Geld abgenommen, als er für den Ausgleich seines Haushalts brauchte.
Auf Kosten der Steuerzahler baute er einen großen Juliusturm.
— Wenn Sie es als Sparsamkeit bezeichnen, wenn der Bürger mehr Steuern an den Staat zahlt, als dieser braucht, dann allerdings ist das eine merkwürdige Art von Sparsamkeit.
Doch was die Sparsamkeit anbetrifft, müssen Sie sich auch noch den folgenden Satz sagen lassen: die Sparsamkeit war allenfalls auf Finanzminister Schäffer begrenzt; denn bekanntlich wurde dieser Juliusturm vor der Bundestagswahl 1957 von den nahezu allein regierenden Unionsparteien in kürzester Zeit für Wahlgeschenke geplündert und nicht etwa sparsam verwaltet.Die Tarifänderung, die dann 1958 von der damals allein regierenden CDU/CSU durchgeführt wurde, war keineswegs von ihr initiiert, sondern sie war die Folge einer Verfassungsklage im Zusammenhang mit der Ehegattenbesteuerung. Diese Tarifänderung des Jahres 1958 war auch keineswegs eine Entlastung für alle; denn die Alleinstehenden mußten damals sogar mehr Steuern zahlen. Sie wurden also, Herr Häfele, in noch stärkerer Weise um ihre Arbeitsleistung gebracht.Eine wirklich fühlbare Tarifsenkung kam dann erst unter dem FDP-Finanzminister Dahlgrün —1964 — zustande.
— Derselbe, der vorher, 1957 bis 1961, bei absolu.. ter Mehrheit der CDU/CSU eine Steuersenkung nicht durchgeführt hat.
— Wir waren genau in den Zeiten in der Regierung, als es Steuersenkungen gab; das versuche ich Ihnen gerade an Hand echter Dokumente vorzutragen. Immer wenn Sie allein oder sozusagen allein in der Regierung waren — mit der Deutschen Partei zusammen —, hat es keine Tarifreformen gegeben, allenfalls komplizierte Einzelvergünstigungen.Als dann 1966 Kollege Strauß, bekanntlich von der CSU, die Verantwortung für die Finanzen übernahm, kam die große Zeit der Steuererhöhungen. Ich habe das an dieser Stelle schon mehrfach gesagt, aber ich glaube, ich muß es wiederholen: Es hat in diesen noch nicht einmal drei Jahren acht Steuererhöhungen bzw. Neueinführungen von Steuern gegeben, u. a. Ergänzungsabgabe, Exportsteuer, aber keine einzige Steuersenkung. Die
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8138 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Frau FunckeSteuerlastquote wuchs in diesen knapp drei Jahren um anderthalb Prozent.Nun behaupten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, angesichts dieser „Leistungsbilanz", Sie seien die „klassische Steuerentlastungspartei" . Wo ist denn der Beweis dafür? Daß Sie viele rhetorische Anstrengungen dazu machen, möchten wir schon glauben, aber bewiesen haben Sie die Richtigkeit dieser Selbsteinschätzung in der Praxis nun wirklich nicht.
Seit 1969 ist dann allerdings die Steuerlastquote gefallen. Diese Tatsache können Sie wirklich nicht wegreden. Es hat nur eine Verschiebung von den indirekten zu den direkten Steuern stattgefunden — nicht etwa durch gesetzliche Maßnahmen, sondern einfach durch die Entwicklung der Löhne, der Umsätze und sonstiger Daten, die zur Steuer führen. Die jetzigen Vorschläge und auch die vom letzten Jahr verfolgen und verfolgten den Zweck, dieser Entwicklung entgegenzuwirken: Entlastungen bei den direkten Steuern und eine — demgegenüber allerdings geringere — Mehrbelastung bei der Mehrwertsteuer als indirekter Steuer. Damit nähern wir uns den Verhältniszahlen bei den anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft.Herr Häfele räumt zwar ein, daß die Steuerlastquote nicht gestiegen, sondern unter Berücksichtigung der Umstellung beim Kindergeld gefallen ist, nämlich von 24,4 °/o im Jahre 1969 auf 23,2 °/o im kommenden Jahr, aber er betont, die „Staatsquote", wie er das nennt, sei gestiegen. Der Hinweis darauf ist nun wirklich kein gutes Beispiel für Entlastungsbemühungen der Unionsparteien. Warum ist denn die Gesamtquote gestiegen? — Weil zur Zeit der Großen Koalition der Beitrag zur Sozialversicherung von 14 auf 18% angehoben wurde, was sich dann ab 1969 auswirkte. Und als wir uns bemühten, die steigenden Krankenkassenbeiträge zu begrenzen oder zu senken, haben Sie sich auf das heftigste gegen dieses Krankheitskostendämpfungsgesetz aufgelehnt. Sie haben zur Zeit der Großen Koalition die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beschlossen, die ebenfalls zu einer Anhebung der „Staatsquote" geführt hat. Auch kann kein Zweifel sein — das ist wirklich kein Vorwurf, Herr Kollege Häfele —, daß mit der Öffnung der Sozialversicherung auch für Freiberufler, für Hausfrauen und andere, die wir gemeinsam wollten, die Beiträge gestiegen sind. Aber deswegen ist das doch keine Mehrbelastung des einzelnen Beitragszahlers, sondern nur ein Wechsel von freiwillig Versicherten zur Sozialversicherung. Was soll also dieses törichte Argument von der steigenden Staatsquote? Wir sollten endlich einmal davon heruntergehen.
Auf die Dauer glaubt Ihnen das keiner mehr, so schön sich das auch im bayerischen Wahlkampf ausnehmen mag.Wir haben in verschiedenen Bereichen Steuerentlastungen vorgesehen. Der Herr Bundesfinanzminister und Herr Kollege Westphal haben die Einzelheiten vorgetragen. Lassen Sie mich auf ein paar Punkte eingehen, die dabei wichtig sind. Die Beseitigung des Tarifsprungs entspricht wohl einer gemeinsamen Auffassung in diesem Hause. Nur höre ich draußen immer wieder, daß von Oppositionsseite gesagt wird: „Wenn Sie das jetzt korrigieren, so ist damit deutlich gemacht, daß Sie vor vier Jahren einen falschen Tarif beschlossen haben." Abgesehen davon, daß Sie den Tarif damals mitbeschlossen haben, war es doch so, daß wir eine große Anstrengung zur Verlängerung, ja, zur Verdoppelung der proportionalen Zone gemacht haben. Wir wollten eben, daß bei höheren Löhnen gerade für breitere Schichten der Bevölkerung nicht gleich ein progressiver Zugriff erfolgte. Deswegen haben wir die Proportionalzone verdoppelt. Natürlich bedeutete das einen gewaltigen Ausfall, und da war es notwendig und unvermeidlich, daß danach, um überhaupt die Steuereinnahmen zu sichern, ein scharfer Sprung entstand. Dies war gewollt und von allen kalkuliert. Daß wir jetzt, wo wir wiederum eine Senkung vornehmen, zunächst einmal eine Abflachung dieses Tarifsprungs vorsehen, ist richtig, folgerichtig und keineswegs etwas anderes als das, was wir bei früheren Tarifgestaltungen vor vielen Jahren unter CDU/CSU-Verantwortung gemacht haben. Damals hat man erst einen „Mittelstandsbauch", wie man ihn genannt hat, geschaffen, und hinterher in einer weiteren Tarifreform hat man ihn abgeflacht, nachdem immer mehr Menschen von diesem plötzlichen. Tarifsprung betroffen waren. Dies ist eine vernünftige Regelung. Da auch Sie von der Opposition inzwischen der Meinung sind, daß eine Abschaffung der Proportionalzone nicht gut wäre, weil dann noch mehr Leute in die Progression, die Sie für leistungshemmend erklären, hineinwachsen würden, kann es doch nur eine gemeinsame Auffassung über die Tarifsenkung geben.Wir wollen den Vorwegabzug im Rahmen der Sonderausgaben anheben. Es kann doch keine Frage sein, daß die Art und Weise, wie Alters- und Risikovorsorge betrieben und steuerlich behandelt wird, zu ungleichen Verhältnissen führt. Die Tatsache, daß Staatsbedienstete im Beamtenverhältnis für die Altersvorsorge keine Abzüge haben, daß Arbeitnehmer die Hälfte ihrer Beiträge vom Arbeitgeber bekommen, ohne daß sie ihnen steuerlich auf das Gehalt gerechnet werden, daß aber Freiberufler und Selbständige alle Beiträge zur Alterssicherung sowie Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung aus dem eigenen Einkommen zahlen müssen, kann steuerlich nicht unberücksichtigt bleiben. Da müssen wir über die steuerliche Entlastung wenigstens eine gewisse Angleichung vornehmen. Dies soll dadurch geschehen, daß wir den Vorwegabzug erheblich anheben, nämlich von 1 500 auf 2 500 DM je Steuerpflichtigen, d. h. doppelt für Ehepaare.Meine Damen und Herren, es scheint mir notwendig zu sein, an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, daß die sehr knapp bemessenen Sonderausgaben für die Vorsorgeaufwendungen und damit die ungerechte Behandlung der Freiberufler und Selbständigen nicht etwa durch diese Koalition gekommen sind. Wir hatten bei der Steuerreform
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Frau Funckeeine ganz andere Form vorgesehen, die einen sehr großen Spielraum für steuerbegünstigte Beiträge vorsah. Nur hat damals der Bundesrat einen Strich durch die Rechnung gemacht und eine Änderung der vorgesehenen Regelung erzwungen, die zu den sehr kümmerlichen Höchstbeträgen für Selbständige und Freiberufler geführt hat.
Lassen Sie mich ein Wort zum Kindergeld sagen. Es soll maßgeblich erhöht werden. Dazu höre ich mit einigem Erstaunen, daß die CDU von ihrer Vorstellung eines Familienlastenausgleichs in Form eines gleichmäßigen Kindergeldes für alle Familien abrücken will. Es ist doch nun keinesfalls so, daß die CDU/CSU die Umstellung vor vier Jahren nicht ausdrücklich so gewollt hat. Man wollte die Gleichbehandlung aller Eltern. Ich gebe gerne zu, daß es einige Kollegen gab, die anderer Meinung waren. Aber die CDU/CSU-Fraktion als solche hat sich eindeutig eingesetzt für die Umstellung von der Steuervergünstigung, die ungleich wirkt, zu einer gleichmäßigen Bezuschussung der Familien durch den Staat zur Entlastung von den Aufwendungen, die sie für die Kinder zu tragen haben.Nun erfahren wir, daß Sie zwar das Kindergeld beibehalten wollen, daß Sie neuerdings aber außerdem wieder Steuerfreibeträge einbeziehen wollen. Ich kann darin nun wirklich keinen Beitrag zu größerer Gerechtigkeit sehen und schon gar nicht einen Beitrag zur Vereinfachung des Steuersystems,
wie Sie ja überhaupt in Sonntagsreden gerne von Vereinfachung reden, aber alltags Anträge stellen, die genau dem entgegenwirken. Daß man die Kinder nun in zwei Gesetzen berücksichtigen soll, ist sicherlich kein Beitrag zur Vereinfachung unseres Steuersystems.Darüber hinaus, Herr Kollege Häfele, ist ein solcher Vorschlag natürlich auch keine Lösung des Problems, das wir mit den unterhaltsverpflichteten, nicht sorgeberechtigten Elternteilen haben. Dieses Problem wird dadurch eher noch verschärft, da es sehr schwierig ist, festzustellen, wem die in einer Familie gemeldeten Kinder tatsächlich zuzuordnen sind. Die Einwohnermeldeämter sind heute nicht in der Lage, zu sagen, ob ein Kind in einer gültigen Ehe beiden Elternteilen wirklich gehört oder ob es von einem Partner aus einer früheren Ehe bzw. aus einer Nicht-Ehe in diese Ehe hineingebracht worden ist, so daß die Frage, wer denn nun wirklich zum Empfang der für die Erziehung von Kindern gewährten Entlastung berechtigt ist, von den Einwohnermeldeämtern zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden kann. Es fragt sich auch, ob jeder gern im Einwohnermelderegister eingetragen haben möchte, daß er ein alimentenpflichtiger Vater ist.Wir sehen. in dem jetzt vorliegenden Paket einen Schwerpunkt oder einen Einstieg bei den Bemühungen, die Möglichkeit dafür zu schaffen, daß Kleinkinder ihre berufstätigen Eltern in den ersten Monaten um sich haben können. Ich sage „Eltern"denn wir möchten gerne — ich glaube, wir sind uns darin auch mit Frau Minister Huber einig — einen Weg finden, daß ein verlängerter Urlaub einem Elternteil und nicht grundsätzlich allein der Mutter gewährt wird. Bei den ersten acht Wochen handelt es sich eindeutig um eine medizinische Notwendigkeit bezüglich der Frau; aber die darauf folgenden Urlaubswochen sollen ja den Interessen des Kindes dienen. Und da meinen wir, daß Kinder nicht nur Mütter, sondern Eltern haben und daß auch eine stärkere persönliche Verbundenheit zwischen Vätern und Kindern eine sehr wichtige Sache für das Wohl der Kinder ist.
Wir begrüßen die Herabsetzung der Altersgrenze für Schwerbehinderte, und wir begrüßen es, daß es für betriebliche Forschungs- und Entwicklungskosten zusätzliche Mittel als Beitrag zu den Personal- ' kosten geben soll, insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben, d. h. in solchen, die zwar keine großen Investitionen für Innovationsforschung zu leisten haben, wohl aber erhebliche Personalkosten dafür aufwenden müssen. Wie notwendig Innovationen für die Strukturverhältnisse in unserem Land sind, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht auszuführen. Wir sind uns darin, wie ich sehe, alle einig.Gegen diese Entlastungen steht die Anhebung der Umsatzsteuer. Wir bejahen sie in doppelter Hinsicht: Wir bejahen sie zum einen, weil sie zum Ausgleich notwendig ist. Dabei wehre ich mich gegen die Behauptung, man gebe in die eine Tasche, was man aus der anderen herausnehme. Tatsächlich wird in der einen Tasche sehr viel belassen und aus der anderen gewissermaßen nur Kleingeld herausgenommen. Denn wie ich soeben dargelegt habe, bleiben von den Entlastungen 1978, 1979 und 1980 33 Milliarden DM als Nettoentlastung beim Steuerzahler. Wir bejahen die Anhebung der Umsatzsteuer zum anderen aber auch deswegen, weil sie wiederum ein Schritt in Richtung Angleichung an die europäischen Relationen zwischen direkten und indirekten Steuern ist. Wir haben zuviel direkte Steuern, die anderen haben sehr viel mehr indirekte. Darum müssen wir uns schrittweise — denn das geht nicht mit einem Paukenschlag — an diese anderen Relationen herantasten. Dafür ist die Anhebung der Umsatzsteuer unverzichtbar.Meine Damen und Herren, nun ein Wort zur Gewerbesteuer. Es ist ein schwieriges Problem. Denn wir müssen sehen, daß die Gewerbesteuer nach dem heutigen Gemeindefinanzrecht ein sehr wesentlicher Grundstock frei verfügbarer Mittel der Gemeinden ist. Wir verstehen, daß die Gemeinden sehr besorgt sind, wenn ihnen von diesen, ihnen frei zustehenden Mitteln etwas genommen wird. Denn wer die gemeindliche Selbstverwaltung will, muß natürlich auch wollen, daß die Gemeinden ausreichend Mittel zur Verfügung haben. Wir wollen nicht das, was die Gemeinden in Bayern immer beklagen: daß man mit eigenen Mitteln kurzgehalten wird und der Staat mit dem „Goldenen Zügel" lockt und von oben Mit-
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Frau Funcketel „gewährt" zur höheren Ehre des jeweiligen Abgeordneten oder Ministers.
— Nein, in Nordrhein-Westfalen gehen sehr viel mehr frei verfügbare Mittel an die Gemeinden, mit denen diese dann kalkulieren können. Die Gemeinden *in Nordrhein-Westfalen sind in diesem Punkt nicht auf Anträge und den Gnadenweg angewiesen. — Wir haben, wie gesagt, Verständnis für die Sorgen der Gemeinden in Sachen Gewerbesteuer. Darum wird die Gewerbesteuersenkung, für die wir generell sind, mit einer grundsätzlichen Neuordnung der gemeindlichen Selbstfinanzierung verbunden sein müssen. Hier wird man die jetzt vorgesehene Abschaffung der Lohnsummensteuer nicht als einzige Maßnahme sehen können. Weitere müssen folgen. Die Gewerbesteuer muß heruntergefahren werden, auch unter den jetzt noch verbleibenden Stand. Als Ersatz dafür muß den Gemeinden ein Anrecht auf Anteile an anderen Steuern eingeräumt werden, über die sie dann frei verfügen können.Die Gewerbesteuer ist eine Belastung für die Wirtschaft. Sie ist eine sehr ungleiche Belastung. Sie hat ihren Grund darin, daß den Gemeinden für die Anwohner Aufwendungen hinsichtlich des Grundbedarfs — Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser, Freizeit, Sozialhilfe usw. — entstehen, dies nicht nur für Beschäftigte gewerblicher Betriebe, sondern ebenso natürlich für Beamte, Angestellte und Arbeiter der Behörden, der Kasernen, der freien Berufe, der Sozialeinrichtungen. Auch für sie hat die Gemeinde Aufwendungen, aber für sie bekommt sie nach dem, Gewerbesteuerrecht nichts. Wie ungleich die Gemeinden hinsichtlich ihrer Finanzkraft aus der Gewerbesteuer ausgestattet sind, wissen wir alle noch aus den Verhandlungen zur Finanzreform in der Zeit der Großen Koalition.Wir müssen also hier die einseitige Belastung des Gewerbes senken, dies insbesondere deshalb, weil es eine Gewerbesteuer in dieser Höhe in den übrigen EG-Staaten nicht gibt. Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen — die Gewerbesteuer ist direkt oder indirekt eine Kostensteuer —, so müssen wir berücksichtigen, daß sich diese Belastung mit der Gewerbesteuer in dieser Höhe, wie wir sie haben, wettbewerbsverzerrend und -belastend auswirkt.
Es muß also darum gehen, hier eine Angleichung auch an europäische, sehr, viel niedrigere Belastungen ähnlicher Art zu finden.So kann es nach unserer Vorstellung nicht allein bei der Abschaffung der Lohnsummensteuer bleiben. Wir werden Zug um Zug in entsprechenden Etappen die Angleichung suchen müssen. Die Lohnsummensteuer ist im Augenblick besonders belastend, weil sie die Lohnkosten verteuert. Diese sind schon mit vielen Lohnnebenkosten belastet, mit Sozialversicherungsbeiträgen, mit den Kosten aus der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Sie beschlossen haben, und schließlich auch mit der Lohnsummensteuer.Wir müssen nun einen Weg finden, auszugleichen, was den Gemeinden fehlt. Das ist nicht leicht, denn die Lohnsummensteuer wie auch die übrige Gewerbesteuer kommen sehr unterschiedlich auf und zwar nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Gemeinde zu Gemeinde. Es kann daher nach unserer Auffassung beim gezielten Ausgleich nicht nur um eine einseitige Maßnahme, sondern nur um eine Kombination verschiedener Maßnahmen gehen. Dazu gehört auch, daß es den Gemeinden ermöglicht wird, zum Teil die Hebesätze in mäßigem Umfang anzuheben, und daß sie darüber hinaus direkte und indirekte Ausgleichsbeträge bekommen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen können wir vom Bund nicht direkt in die Gemeinden hineinfinanzieren — das wissen wir alle —, und ,das erschwert, wie Sie wissen, die Diskussion um den Ausgleich, von dem wir meinen, daß er gefunden werden kann und muß.Meine Damen und Herren von der Opposition, niemand würde nicht gern noch mehr Steuern senken. Aber ich glaube, gerade in dem Abschluß der Rede des Herrn Bundesfinanzministers haben wir heute sehr deutlich gehört, daß angesichts der Aufgaben, die der Bund zu erfüllen hat, Grenzen gesetzt sind. Ich nehme an, die Länder werden auch nicht viel Geld zu verschenken haben. Sie fordern nun weitere Steuerentlastungen zu Lasten des Bundes oder der Länder, vielleicht auch der Gemeinden, in Höhe von weiteren acht bis zehn Milliarden DM. Herr Westphal hat Ihnen das bereits vorgerechnet. Zugleich sagen Sie: Der Haushalt ist nicht ausgeglichen, und die Verschuldung muß endlich zurückgeführt werden. Doch jede Hausfrau weiß, daß man nicht weniger einnehmen und mehr oder das gleiche ausgeben kann, ohne Schulden zu machen, oder kriminell zu werden.
Man muß sich schon für etwas entscheiden: Wenn Sie die Steuer senken wollen, dann seien Sie bitte konsequent und sagen uns, wo gespart werden kann oder welche Kreditmehraufnahme Sie glauben verantworten zu können. Weniger Ausgaben haben Sie noch nicht vorgeschlagen. Wir hören nur laufend die Forderung nach mehr Ausgaben: Bundeswehr, Wohnungsbau, Erziehungsgeld. Jede Fragestunde in diesem Haus ist eine Summe von direkten oder indirekten Forderungen an den Bund, mehr auszugeben, und keineswegs etwa, etwas zu sparen.Nun hören wir neuerdings die Sparaufforderung an den Bund aus dem Munde der Ländervertreter. Das haben wir gern! Herr Ministerpräsident Späth wird gleich hier sprechen. Ich habe mir einmal angesehen, wie die Haushaltsentwicklung in Baden-Württemberg und im Bund zwischen 1973 und 1978 war.
Wenn wir berücksichtigen, daß in dieser Zeit durch die Umstrukturierung des Kindergeldes Ausgaben nominell auf den Bund gekommen sind, die sich vorher in den Steuereinnahmen versteckt haben, ergibt sich, daß die Steigerungsraten im Haushalt beim Bund geringer als in Baden-Württemberg waren.
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Frau FunckeBaden-Württemberg ist aber nun wirklich ein Land, das ganz sparsam zu sein vorgibt oder — ich möchte das unterstreichen — es sicherlich auch ist.
Meine Damen und Herren, man tut sich leicht bei der Forderung nach Sparsamkeit bei anderen, wenn man sich selber im eigenen Land nicht entsprechend verhält.
Wir sollten hier erst einmal vor der eigenen Tür kehren. Wenn die Länder meinen, Sie könnten sparen, so wäre dies sehr nützlich, denn dann brauchte der Bund nicht die vielen Anforderungen von den Ländern auf erhöhte Zuweisung aus der Umsatzsteuer zu befriedigen. Wir wären darüber also ganz froh.Wenn Ihnen selbst keine Ausgabenkürzungen einfallen und Sie außerdem noch eine Riesensumme als Einnahmeverzicht auf das Paket daraufsatteln wollen, bleibt doch nur die Kreditaufnahme. Selbst wenn wir es verantworten könnten, unsere Kinder noch stärker mit der Rückzahlung zu belasten, stellt sich die Frage der Zinshöhe. Ich frage mich wirklich, ob wir der Wirtschaft einen Gefallen tun, wenn wir sie von der Gewerbekapitalsteuer oder anderem stärker entlasten, sie aber mit höheren Zinsen nachher wieder mehr belasten.
Es kann doch kein Zweifel bestehen, daß, wenn derKapitalmarkt, der bei anziehender Wirtschaft — diese Situation haben wir ja glücklicherweise — von anderer Seite als nur vom Staat verstärkt in Anspruch genommen wird, nur durch noch höhere Kreditanforderungen des Staates in Anspruch genommen wird, die Zinsen steigen. Das kann man bei Adam Smith über den Mechanismus von Angebot und Nachfrage nachlesen. Soviel volkswirtschaftliche Kenntnisse haben wir inzwischen ja nun alle mitbekommen.
Die FDP hält das jetzt vorliegende Steuerpaket für weltwirtschaftlich und binnenwirtschaftlich notwendig. Wir halten es für finanzierbar. Wir halten es für ausgewogen. Es ist ein Gesamtpaket, d. h., alle Maßnahmen sind von der Koalition gewollt. Es ist ein Beweis für den Willen, die Belastung des Steuerzahlers kontinuierlich immer wieder nach unten zu korrigieren, damit die Gesamtbelastung des Steuerzahlers niedriger und nicht höher wird.
Das Wort hat Herr Ministerpräsident Späth.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erlaube mir, trotz der Vorwarnung von Herrn Abgeordneten Westphal den Versuch zu machen, einige Gedanken der unionsregierten Bundesländer hier vorzutragen, weil ich entgegen Ihrem Ansatz der Meinung bin, daß es fast keinen Bereich gibt, in dem Bund und Länder im föderativen Sy- stem so eng zusammengehören wie in den Fragen der Steuer- und Finanzpolitik. Ich habe nicht ganz verstanden — dies hängt vielleicht mit meiner bisher weiten Entfernung von diesem Platz zusammen —, warum Sie sagen, hier werde die Gesetzgebung gemacht. Sie warnen den Bundesrat gewissermaßen, sich einzumischen. Ich habe es in der Verfassung noch einmal nachgelesen, weil man dann, wenn man hier frisch einsteigt, immer gut daran tut, sich das noch einmal zu überlegen.
Ich komme aber auch nach gründlicher Durchsicht zu der verfassungsmäßigen Lage, daß wir mitmischen können. Und wir werden mitmischen; das ist unser politischer Wille. Dies möchte ich hier zum Ausdruck bringen.
Wir wollen dabei nichts verwischen — denn da ist schon zuviel geschehen —, sondern wir .wollen beim Ordnen helfen. Wenn ich da gleich anfangen darf: Der Grund dafür, daß wir bei diesem Steuerpaket erhebliche Bedenken haben, ist, daß uns zunächst einmal eines nicht klar konzipiert zu sein scheint, nämlich die Frage der Loslösung der Steuerentlastung von strukturellen Fragen, über die wir durchaus reden können. Im Steuerpaket steckt zunächst einmal das Thema Steuerentlastung. Dazu kommen einige Ansätze in der Frage der Steuerstruktur. Und die wollen wir wenigstens so ordnen, daß dem Bürger klar wird, daß wir das konkretisieren, was wir meinen, wenn wir von Steuerentlastung reden, und daß wir zweitens auch genau sagen, was wir meinen, wenn wir von Strukturänderungen im Steuersystem reden.
— Ja; das ist die eine Gefahr, die Ihnen droht: Wenn man das auseinandernimmt, ist die Verwirrung bei denen groß, die es so zusammengezimmert haben, daß es für den Bürger nicht mehr übersichtlich ist. Deshalb wollen wir es auseinandernehmen: damit es wieder sichtbar wird.
„Steuerentlastung" zu sagen, 10 Milliarden zu geben und 7 Milliarden hereinzuholen, und dann dem Bürger den Eindruck zu vermitteln, dies sei ein Geschenk, für das er sich zu bedanken habe, das ist für uns Länder in dieser Frage nicht so ganz verständlich,
vor allem, weil dies Bestandteil sozialer und solider Finanzpolitik sein soll. Ich lasse mit mir durchaus darüber reden, daß wir gemeinsam in aller Gelassenheit darangehen können, einmal langfristig und in jeder einzelnen Abschnittsposition über die Verbesserung der Steuerstruktur zu reden. Nur, dann müssen wir das System und das Verfahren etwas anders anfassen.
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Ministerpräsident SpäthIch habe begriffen — das sage ich, damit es da gar keinen Zweifel gibt —, daß man von uns verlangt, zur Nachfrage und zur Verstärkung der Dynamik der wirtschaftlichen Investitionen einen Beitrag zu leisten. Ich wollte dies etwas konkreter wissen und habe mir die Mühe gemacht, Herr Bundesfinanzminister, den Entwurf, der im Bundestag und auch im Bundesrat vorliegt, sehr sorgfältig in der Argumentation zu verfolgen. Ich habe allerdings jetzt auch hier in der Debatte — deshalb war ich heute morgen schon da — zwar immer wieder das Argument gehört, dies sei eine Bedingung des Weltwirtschaftsgipfels und beruhe auf einem großen internationalen Einvernehmen. Ich will da keinen Abstrich machen; ich bin nicht so geschult, daß ich dies auf Anhieb erkenne.
Nur, wenn ich mir z. B. überlege, ob Steuerentlastungen und das Gefühl der Wirtschaft, zu wissen, wo die Reise langfristig hingeht, vielleicht so viel private Nachfrage erzeugen, daß das Ziel des Weltwirtschaftsgipfels einschließlich des deutschen Beitrags schneller als auf dem Umweg einer detaillierten Konzeption erreicht wird, die beim Bürger gar nicht richtig angekommen ist, dann bin ich noch gar nicht so sicher; ich will es nur mal in Frage stellen — mindestens bei der Argumentation, das gehe nur so, wie es hier angeboten ist. Deshalb bitte ich, nicht alle, die Alternativüberlegungen anstellen, wie z. B. die unionsregierten Bundesländer, so zu betrachten, als hätten sie einfach die große Stunde nicht begriffen. Das bitte ich uns in aller Bescheidenheit abzunehmen.
Deshalb habe ich noch einmal nachgeforscht, und zwar zunächst, was es mit den 10 Milliarden auf sich hat. Wenn ich das noch einmal ganz nüchtern überlege, komme ich zu der Feststellung: Das liegt an unserem Steuersystem. Ich habe nachgelesen: Dieser Meinung war irgendwann mal schon jeder— zu verschiedenen Zeiten und in verschiedener Lage. Immer war einer mal der Meinung: Das Schlimme an der Sache ist, daß unsere Arbeitnehmer zuviel Steuern zahlen müssen, und zwar wegen unseres Progressionssystems, vor allem bei Preisanstiegsquoten, wie wir sie in den letzten Jahren hatten. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, daß diese Quote im laufenden Jahr erträglicher als im vorigen und im vorvorigen Jahr erscheint. Ich sage das ohne jede Polemik. Ich meine einfach, unser Lohnsteuersystem ist gedanklich auf der Preissteigerungsrate Null aufgebaut. Wenn im Laufe der Zeit die Wirtschaftsbedingungen sich ändern— ich will auch das jetzt gar nicht näher untersuchen, sondern nur das Faktum feststellen —, dann haben wir jedes Jahr die Tatsache, daß der Arbeitnehmer immer mehr mit seinem Einkommen in die Progression hineinwächst und damit — das sollte man auch einmal im Hinblick auf die Tarifdiskussion sehen — konstant ermahnt wird, er solle sich bitte zurückhalten. Er hat dann zwar auf seinem Gehaltszettel immer höhere Bruttolohnsummen.Wenn er aber alles zusammenzählt - ich meine jetzt nicht die theoretisch entwickelte Steuerlastquote, von der heute schon oft gesprochen wurde; den Arbeiter interessiert immer das, was er seiner Frau zu Hause abliefern kann oder nicht abliefert und selbst behält, aber eines von beiden —, das, was er an den Staat über Steuern und über die Sozialversicherungsbeiträge abführt, und das, was er für die öffentlichen Dienstleistungen an Beiträgen und Gebühren bezahlt, dann stellt er am Ende immer fest, daß er den Rücken hinhalten soll für eine Lohnquote, die wir ihm in der politischen Diskussion zur Last legen, daß er den Kreislauf des Geldes zwar mit fördert, daß aber die klingende Münze in immer höherem Maße zum Staat geht und immer weniger für ihn selber bleibt. Das macht ihn in der Steuerpolitik so unruhig.
— Im Zusammenhang mit den Ländern können Sie das hier nicht bringen.
— Nein, Sie müssen sehen, wer die Steuern erhöht. Deshalb diskutieren wir ja darüber.
— Ja, das ist richtig. Dafür sorgen Sie mit durch eine Komplementärfinanzierungspolitik, die uns da immer wieder hineinzwingt. Aber auf dieses Thema können wir gerne noch kommen.Im übrigen haben Sie vorher davon gesprochen, daß Sie schützend Ihre Hand über die Kommunen halten. Wenn Sie die Gebührenpolitik ansehen, müssen Sie über den Kommunalbereich und nicht über die Länder reden. Wir haben z. B. in Baden-Württemberg keine Schulgebühren mehr, obwohl wir alle Lehrer bezahlen müssen, die wir einstellen, und Sie wollen noch mehr davon haben; zum Beispiel!
Wenn wir ordnen wollen, sollten wir die Dinge nicht durcheinanderbringen.Ich bleibe dabei, daß die entscheidende Frage für den Leistungswillen des einzelnen Arbeitnehmers ist und bleibt, ob er von einer Mark, die er für seine Überstunden bekommt, noch mehr als 50 Pfennig behält oder nicht. Die ganze Frage der Steuerentlastung wird draußen verständlich, wenn die Probleme nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer nach fiskalischen Gesichtspunkten, wie Sie hier diskutiert werden, ausgetragen werden, sondern wenn der Arbeitnehmer von seinen Rückenschmerzen dadurch befreit wird, daß wir ihm sagen: Die 10 Milliarden DM gehören dir, und du bekommst sie zurück, und zwar ohne jedes Wenn und Aber. Das ist Steuerentlastung.
Nun darf ich gleich zu der Diskussion übergehen, was das für Folgen habe. Es ist heute schon breit ausgeführt worden, daß man diese 10 Milliarden DM nicht voll zurückgeben könne, sondern daß man
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Ministerpräsident Späthsagen müsse „Hier hast du die 10 Milliarden DM, gib mir 7 Milliarden zurück, dann hast du noch 3 Milliarden, obwohl du 10 Milliarden hättest bekommen sollen" ; der Arbeitnehmer müsse verstehen, daß wir das Geld, das dem Arbeitnehmer und nicht uns selbst gehört, schon verplant hätten und deshalb nicht mehr zurückgeben könnten.Das ist eine Aussage, die wahrscheinlich stimmt, mindestens für den Bundeshaushalt, wie ich heute morgen gehört habe; für die Länderhaushalte gilt das nicht so ganz, weil wir da schon einige Bremsen eingebaut haben. Darauf werde ich gleich zu sprechen kommen.Ich habe Verständnis dafür, daß der Bundesfinanzminister sagt: Ich will nicht mehr Schulden aufnehmen! — Bei 35 Milliarden DM kann ich nur sagen: Das verstehe ich!
Ich kann auch verstehen, daß er sagt: Wenn ich mehr Steuerausfälle habe, stimmt der Haushaltsausgleich nicht mehr.Dann ist gesagt worden: Was wollen Sie denn? Keine Ausgabenkürzungen, keine Einnahmeverbesserungen, nicht mehr Kredite. — Das ist eine Argumentation, die wir in Stuttgart umgekehrt auch immer gebrauchen; sie gehört zu den gängigen Waffen auf diesem Schlachtfeld.Aber eines sollte man einmal feststellen. Man kann Haushaltspolitik auch auf eine andere Art und Weise machen, nämlich wie wir es in Baden-Württemberg versucht und deshalb einen Haushalt mit einem Eckwert von 7 % Wachstum vorgelegt haben.Lassen Sie mich vorab, verehrte gnädige Frau, noch folgendes sagen. Daß wir in den vergangenen Jahren starke Wachstumsraten in den Länderhaushalten hatten, hängt vor allem mit einem Phänomen zusammen, das leicht erklärbar ist, nämlich mit der Tatsache, daß wir im Gegensatz zum Bund 44 % Personalkosten haben. Das Eigenartige ist, daß wir etwa unseren Lehrern, unseren Polizisten und all denen, die auch Sie mit uns im Staat haben wollen, nur schwer erklären können, daß bei ihnen die Haushaltsquote die gesetzliche Gehaltsregelung ausschließt. Dies zu machen ist ein bißchen• schwierig.
Wir haben da einmal etwas unter ganz hartem Widerstand Ihrer Freunde in Stuttgart gemacht, nämlich die 40-Stunden-Woche nicht eingeführt.
Das hat der Steuerzahler begriffen, aber die anderen Beteiligten nicht. Wir ziehen da jetzt langsam nach. Das kostet uns leider schon wieder Geld. Man sollte es sich aber nicht so einfach machen, zu sagen: Das wächst doch alles mehr. Da würde man zwei Systematiken im Haushalt verwechseln.Man könnte aber folgendes tun: Man könnte sagen, daß, wenn das Haushaltsvolumen um mehr als 7% steigt, ein Eckwert des soliden Finanzsystemsverletzt ist. Wenn ich dann nur so viele Steuereinnahmen berücksichtige, wie mir wirklich gehören, und nicht so viele, wie ich beim Steuerzahler gewissermaßen aus der Rocktasche gezogen habe, dann habe ich den zweiten Eckwert. Das sind dann meine Steuereinnahmen. Wenn ich dann die Verschuldensquote festsetze, dann habe ich den dritten Eckwert. Dann haben wir es in Stuttgart so gemacht — das ist vielleicht ein völlig veraltetes Rezept — --
— Deshalb versuche ich es gerade. Vielleicht machen wir es auch ganz falsch. Bis jetzt haben wir es so gemacht, daß wir unserem Finanzminister gesagt haben, wenn der Haushalt nicht ausgeglichen war: Komm erst wieder, wenn er ausgeglichen ist. Dann bleibt ihm nur der vierte Eckwert, nämlich die Ausgaben so zu kürzen, daß er mit den Einnahmen zurechtkommt.
— Herr Westphal, lassen Sie mich Ihnen gleich folgendes sagen — das wollte ich sowieso noch an Sie loswerden —: Wenn die Alternative dann heißt „Ich bringe meinen Haushalt nicht in Ordnung, sondern ich frage die Opposition, wo sie kürzen will", dann ist das zwar ein parlamentarischer Trick, hat aber mit solider Haushaltspolitik doch nicht unbedingt etwas gemein.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?
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Aber natürlich.
Herr Ministerpräsident Späth, wollen Sie in Ihrem Land Baden-Württemberg nicht einmal so verfahren, Ihren Finanzminister nicht ,nur nach Hause zu schicken, um Sparmöglichkeiten zu suchen, sondern ihn vielleicht auch einmal die wirtschaftspolitische Gesamtlandschaft betrachten zu lassen, um zu sehen, ob es richtig oder falsch ist, mehr auszugeben, um die Wirtschaft zu beleben? Das fehlt in Ihrer Argumentation völlig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Herr Abgeordneter Westphal. Dies haben wir auch so gemacht. Nur kam der Finanzminister zu einem interessanten Ergebnis. Er hat gesagt: Bei genauer Betrachtung des Kapitalmarktes komme ich zu dem Ergebnis, daß, wenn wir mit der gesamtwirtschaftlichen Begründung der Schuldenaufnahme der öffentlichen Hand so weitermachen, unsere Kinder eines Tages unsere Schulden bezahlen müssen und die Privaten die Zinsen nicht mehr bezahlen können, weil ihnen die öffentliche Hand die Kredite weggeschnappt hat. Das
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Ministerpräsident Späthhat er mir gesagt. Das müßten Sie einmal genau untersuchen.
— Ja, beim heutigen Zinsniveau nicht. Aber wenn Sie bei der Verschuldungspolitik so weitermachen, werden Sie sehr schnell sehen, wo das Zinsniveau hingeht.
Ich möchte da noch eine ganz bescheidene Überlegung zur Investitionspolitik anschließen. Das, was wir uns zur Zeit mit großer Sorge überlegen, ist folgendes. Wenn wir, die öffentliche Hand, beispielsweise im investiven Bereich zu forsch rangehen, etwa beim Bau, werden auch Sie draußen feststellen — auch im Augenblick schon —, daß die Steigerung der Investitionsnachfrage schon wieder in die Preise geht. Was wir keinesfalls machen dürfen, ist folgendes: Es darf nicht geschehen, daß eine zinsunempfindliche und preisunempfindliche öffentliche Hand in Konkurrenz zu den Gott sei Dank investitionsbereiten Privaten, auch Kleininvestoren, etwa in der Stadterneuerung oder in der Wohnungsmodernisierung in Konkurrenz geht. Sonst würden wir dort gerade die verdrängen, die wir jetzt mit Hilfe des Zinsniveaus und mit Subventionen zur Stabilisierung der Nachfrage herbeigeholt haben. Das ist ein Punkt, den wir sehen müssen.
Lassen Sie mich hier noch einmal klar das eine vom anderen trennen: Nach unserer Auffassung ist der Zweck der Steuerentlastung der, daß Bund, Länder und Gemeinden das Geld zurückgeben, das ihnen nicht gehört, und daß sie ihre Ausgaben so bemessen, daß dieses Geld jetzt und künftig nicht mehr verplant wird. Das ist unser Motiv der Steuergerechtigkeit, und wenn sich das mit dem Motiv des Weltwirtschaftsgipfels trifft, haben wir zumindest — aus verschiedenen Motiven — den gleichen Ansatz.Jetzt kommt der zweite Teil, und da muß ich etwas zum Verfahren sagen. Ich verstehe durchaus — und dazu will ich nachher noch einige Ausführungen machen —, daß man in diesen Fragen jetzt schnell handeln muß. Aber wenn man in diesem Zusammenhang den Ländern Vorwürfe macht, bitte ich doch, auch einmal das Verfahren zu beachten, in dem das Steuerpaket den Ländern angeboten worden ist: Die Bundesregierung legt uns ein Steuerpaket vor. Wir berufen eine Sondersitzung des Bundesrates ein, weil das sehr schnell gehen muß. Heute, zwei Tage vorher, bringen die Koalitionsfraktionen die Sache hier ein, weil nur so der Bundesrat umkurvt werden kann, und wir sollen hier schon heute zu diesem Paket Stellung nehmen. Das tun wir ja, aber — —
— Herr Kollege Wehner, das verstehe ich. Nur istes, wenn wir unsere Argumente einbringen wollen,
glaube ich, doch gut, wenn wir sie in die Diskussionjetzt schon einbringen. Ich glaube, das ist sogar not-wendig, wenn wir nachher in den Dialog eintretenwollen. Denn eines steht doch fest: Es ist nicht besonders sinnvoll, wenn wir uns so lange auseinanderbewegen und nachher etwas miteinander tun müssen. Und wir wollen ja etwas miteinander tun.
— Das ist richtig, aber am Schluß den Bürgern das Gemeinsame, und dazu brauchen Sie auch uns!
Das ist genau das, wozu ich wirklich eine Anregung geben möchte, wenigstens für die Zukunft. Herr Bundesfinanzminister, wenn wir uns früher zusammensetzten und einmal diese Problemstellungen, die sich jetzt auch im kommunalen Bereich so schnell auftun, besprächen, so würden wir, davon bin ich überzeugt, viele Ansätze entdecken, wo wir uns finden könnten. Es wäre gut, wir würden das im Vorstadium so gelassen und in Ruhe tun können, daß wir jetzt nicht in großer Hektik gewissermaßen gute Ansätze dort, wo Gemeinsamkeiten möglich sind, nicht gemeinsam vollziehen können.Wir haben z. B. — ich will es noch einmal sagen — einen gemeinsamen Ansatz im Familienlastenausgleich. Die Gretchenfrage ist, daß wir es uns in unserem Staat politisch einfach nicht leisten können, weiterhin die Familien in der sozialen und finanziellen Lage zu lassen, in die sie auch dann hineinkommen, wenn die Einkommenslage zunächst gut ist. Und da liegt unser Ansatz mit den Kinderfreibeträgen. Für mich ist die Frage „Kindergeld oder Kinderfreibeträge?" überhaupt keine große Frage der Ideologie.
— Aber Herr Conradi, ich würde Ihnen nur einmal raten, etwas, was ich zur Zeit untersuchen lasse, mit zu überlegen, nämlich die Lage einer Familie mit relativ gutem Einkommen, die vier Kinder hat,
einer Familie, die im Einkommen etwa 200 DM über den BAföG-Richtsätzen und allen anderen staatlichen Subventionen liegt.
Da werden Sie plötzlich entdecken, daß Sie hier eine neue Form sozialer Schwäche haben, weil wir da gewissermaßen eine Ebene gebaut haben, unter der über Transfereinkommen subventioniert wird und über der jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Das funktioniert im Sozialsystem auch nicht.
— Das können wir mit Sicherheit nicht durch den Kinderfreibetrag allein lösen. Aber ich habe mit großem Interesse gehört, daß Sie der Meinung sind, daß in diesen Bereichen bei der Progression Entlastungen eintreten sollen. Dann lassen Sie uns doch einmal zusammenrechnen, wie sich das auswirkt! Ich bin überhaupt der Meinung, wir sollten bei Steuerfragen mehr rechnen und uns nicht Glaubensfragen um die Ohren hauen, denn das ist sicherer.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8145
Ministerpräsident SpäthZur Mehrwertsteuererhöhung sagen wir nicht nein.
Wir sagen nein, wenn die Mehrwertsteuererhöhung im Grunde nichts anderes ist, als daß ein Teil der Steuerentlastung aus dem Lohn- und Einkommensteuerbereich wieder hereingeholt wird. Diesen Kreislauf machen wir so nicht mit. Das ist der eine Abschnitt, von dem ich sprach.Wenn Sie im zweiten Abschnitt sagen, wir wollen gemeinsam einen Familienlastenausgleich im ersten Ansatz schaffen, und da wollen wir eine Balance zwischen Mehrwertsteuererhöhung und Familienlastenausgleich, so können Sie darüber mit uns offen verhandeln, denn das ist ein erster Ansatz zu einer Steuerstrukturpolitik, wie wir sie wollen.
Ich will auch gleich das zweite Angebot machen. Das ist etwas, das für uns politisch unverzichtbar ist. Wir können nicht nur vom Mittelstand und seinen Problemen reden, wir müssen jetzt entscheidend zur steuerlichen Entlastung des Mittelstandes beitragen. Die entscheidende steuerliche Frage betrifft die Gewerbesteuer. Daran führt kein Weg vorbei.
Ich warne davor — und ich sage das auch zu allen Beschützern der Kommunen — —
— Das sage ich auch dem. Wir reden öfter 'miteinander darüber. Das ist bei uns so.
Wir dürfen einerseits die fiskalischen Interessen der Gemeinden und auch ihr Interesse an originären Steuern der Gemeinden nicht übersehen. Aber wenn ein Betrieb, der früher zur Produktion viel Fläche und Gebäude brauchte und jetzt in der Umstrukturierung ist und diesen Ballast ohnehin mittragen muß, aus dem allem noch Gewerbekapitalsteuer zahlen muß, auch wenn er nichts mehr verdient, dann geht es hier nicht um eine Frage der Fiskalseite der öffentlichen Hand, sondern um die Frage, wie wir helfen wollen, Steuergerechtigkeit in diesem Staat herzustellen..
Noch ein Stück weiter — das wollen wir jetzt gar nicht konkret verlangen, aber man muß das doch einmal weiter überlegen, wenn man langfristig denkt —: Wenn die Bundesbank aus konjunkturpolitischen Gründen die Erhöhung der Zinsen veranlaßt, was ja konjunkturpolitisch vielleicht völlig richtig ist, dann können Sie doch nicht zulassen, daß sich die großen Konzerne gewissermaßen auf dem Eurodollarmarkt finanzieren und der Mittelständler bei seiner Hausbank 11 oder 12 °/o für Kredite zahlt, die als Dauerschulden seinem nicht mehr vorhandenen Ertrag zugerechnet werden.
Das geht doch einfach nicht. Da, meine ich, muß uns allen, auch den Oberbürgermeistern insgesamt noch ein bißchen mehr einfallen als die Forderung: „Geht uns nicht ans Eingemachte der Gewerbesteuer!" Da muß eine Lösung gefunden werden, die den Gemeinden originäre Ersatzsteuern bringt. Aber darüber muß man nachdenken.Ich meine fast — jetzt sage ich etwas ganz Selbstkritisches — seit der Reform von 1969/70 haben wir jedes Jahr ein Reförmchen gemacht, statt über die langfristige Struktur unseres Steuersystems nachzudenken.
Das ist vielleicht ein entscheidender Fehler.Nun zum Ersatz! Den Vorwurf, Herr Westphal, den Sie dem Herrn Häfele gemacht haben, können Sie einfach so nicht aufrechterhalten. Denn Sie haben alles, was er an Alternativen hin und her überlegt hat, addiert und gesagt: „Das sind 18 Milliarden." So einfach können wir nicht diskutieren. Ich will es noch einmal konkretisieren. Unsere Grundlinie ist folgende. Sie geben die 10 Milliarden zurück, mit uns zusammen. Das trifft die Länder genauso wie den Bund und die Gemeinden. Dann gehen Sie auf die 7 °/o, die ich vorher für Baden-Württemberg angekündigt habe. Dann haben Sie 2,4 Milliarden weg. Ich sage Ihnen auch gleich einen Dekkungsvorschlag. Der Finanzminister hat 2 Milliarden DM globale Minderausgaben. Das macht man ohnehin am Schluß, wenn es mit der Deckung nicht mehr so ganz hinhaut. Das machen wir auch; das will ich gleich dazusagen.
— Das kritisiert die Opposition auch bei uns zu Recht. — Dann sollte man aber einmal überlegen, ob es nicht möglich ist, bei einem Haushalt von 204 Milliarden 1 °/o herauszukriegen. Wenn Sie nur 2 Milliarden oder 2,4 Milliarden heraushaben, sind Sie auch bei 7 %. Wenn Sie die 2,4 Milliarden nehmen, die entsprechenden Länderbeträge und die Kommunalbeträge, dann sind Sie beinahe bei den 10 Milliarden, die uns einfach nicht gehören. Geben wir die zurück! Dann erhöhen Sie die Mehrwertsteuer um 7 Milliarden. Davon geben Sie grob 4 bis 41/2 Milliarden dem Familienlastenausgleich,. grob 2 bis 21/2 Milliarden über die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der Lohnsummensteuer in die Mittelstandsförderung. Dann können Sie doch nicht sagen, daß dies nicht eine logische, klare und dem Bürger verständlich zu machende Vorstellung sei. Da ist der Ansatz. Und dann, wenn wir dies klar haben, — —
— Das hat sehr viel damit zu tun. Sie wissen genau, daß die Konzerne über die Höhe des Körperschaftsteuersatzes wieder verrechnen. Wenn Sie das auch noch einbeziehen, dann wissen Sie daß 'das mit dem Mittelstand sehr viel zu tun hat. Sie müssen endlich auch einmal sehen, 'daß die Kleinen deshalb kaputtgehen, weil unterhalb der ganz Großen, die die Preise bestimmen können, die Zwischenebene fehlt: die mittlere und die obere Ebene des Mittelstandes, die die gesunde Struktur einer Gesamtwirtschaft ausmacht.
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8146 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Ministerpräsident SpäthVerehrter Herr Huonker, solange Baden-Württemberg von 2,4 Milliarden DM Finanzausgleich der gesamten Länder der Bundesrepublik im nächsten Jahr 1,2 Milliarden DM bezahlt und wir bei unseren Steuern gewissermaßen —
— An befreundete, weniger befreundete und auch solche, die uns nicht mögen.
Aber wir Baden-Württemberger sind so: Wenn das Geld weg ist, denken wir nicht einmal mehr nach, wer es hat,
sondern uns fehlt es eben.
— Herr Wehner, Sie mögen uns das entschuldigen. Es ist eine unserer landsmännischen Eigenschaften, daß es uns wahnsinnig wehtut, wenn wir Geld, das wir schon einmal hatten, wieder abgeben müssen.Ich darf noch einen Satz zu diesem Thema sagen. Wenn wir dieses Paket betrachten, müssen wir die Ausfälle bei den Gemeinden berücksichtigen. Bei den ersten 10 Milliarden DM können wir für die Gemeinden nichts tun; auch sie müssen zurückgeben. Aber dort, wo die Gemeinden extrem belastet sind, beim Ausfall der Gewerbekapitalsteuer, zum Teil im Lohnsummensteuerbereich und bei der Mehrbelastung durch die Mehrwertsteuer — das muß man sehen; da sind die Gemeinden stärker belastet —, müssen wir einen Ausgleich finden. In diesem Zusammenhang ist unsere Vorstellung: mindestens einen Punkt beim Anteil an der Einkommen-und Lohnsteuer sowie eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage. Auf jeden Fall müssen es originäre Ersätze sein. Die Gemeinden dürfen über den Finanzausgleich nicht in einen noch höheren Grad von Abhängigkeit von den Partnern, insbesondere vom Bund und von den Ländern, geraten.
Ich sage das vor allem, damit nicht der Eindruck entsteht, wir hätten nicht viel Verständnis für das, was im fiskalischen Bereich zu geordneten Gemeindefinanzen gehört. Ich meine nur: Auch hier ist kein geeignetes Schlachtfeld. Wir müssen zunächst die steuerpolitische Linie klarlegen, dann müssen wir die Fehlentwicklungen berechnen, und dann müssen wir zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zum Ausgleich kommen mit dem Ziel, jedem zunächst originäre Steuerquellen zu geben und erst hilfsweise auf sogenannte Finanzausgleichslösungen zurückzugreifen.Wenn ich zum Schluß noch eine bescheidene Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister richten darf — das hängt nun wieder mit unserem engen Verhältnis zu dem Geld zusammen, das wir schon haben und nicht hergeben möchten —: Herr Bundesfinanzminister, wir möchten parallel zu den jetzt notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in der Steuerpolitik auch gern wissen, wohin die Reise bei der Neuverteilung der Umsatzsteuer geht. Wir wollen gar nicht den Verdacht äußern, daß uns möglicherweise, um das Steuerpaket zu beschleunigen, ein generöser Bundesfinanzminister Kompromisse anbietet. Aber der Verdacht, daß diese Gelder kurz darauf, nämlich wenige Wochen später bei den Umsatzsteuerverhandlungen, bei uns wieder abgeholt werden, wir also gerade zum Jahresbeginn zu einem Schecktausch kämen, ist für die Ministerpräsidenten und Finanzminister der Länder solch eine seelische Belastung, daß ich Ihnen außerordentlich dankbar wäre, wenn wir die Zukunftsvisionen wenigstens für die nächsten Jahre nicht nur auf die jetzigen Haushalte, sondern auch auf die Umsatzsteuerverteilung richteten. Ein solches Vorgehen könnte dazu beitragen, daß Sie nicht einen Haushalt mit einem Umsatzsteueranteil verabschieden, wir in den Ländern unsere Haushalte mit anderen Umsatzsteueranteilen, und wir alle am Schluß feststellen, daß zwar die Haushalte stimmen, wir aber zusammen so etwa 110 % der Steuereinnahmen im Umsatzsteuerbereich verplant haben.Wenn wir auch das noch vermeiden können, wenn Sie unser Angebot zur Partnerschaft bei den Steuerstrukturveränderungen ernst nehmen und der Steuerzahler sein Geld zurückbekommt, dann bin ich ganz sicher, daß wir einen guten Ansatz für eine Gemeinsamkeit haben.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Böhme.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir eine Ehre, als Finanzstaatssekretär des Bundes heute auf den baden-württembergischen Ministerpräsidenten erwidern zu dürfen, dem ich hier zu seinem Einstand im Bundestag herzlich gratuliere.
Und es ist mir eine besondere Freude, daß ich dies — erlauben Sie mir diese Bemerkung — als Badener gegenüber meinem schwäbischen Landsmann tun darf.
Dazu kann ich vielleicht zwei Vorbemerkungen machen.Das erste, was den Bundesfinanzminister betrifft, zur Kenntnis der Psyche des Schwaben für die Umsatzsteuerneuverteilung: daß vor einer Einladung des Hauslehrers die Mutter zu den Kindern gesagt hat: „Ihr Kinder, esset die Ripple weg, daß der Hauslehrer nachher ans Kraut dran kann."
Als Badener habe ich großes Verständnis dafür und weiß, daß es den Schwaben sehr wehtut, Geld herzugeben, daß sie aber, wenn es dann tatsächlich geschehen ist, nicht mehr daran denken. Auch da gibt es eine Geschichte: Als nämlich die schwäbische Bäuerin eingeladen hat und die Gäste sich genierten, ordentlich zuzugreifen, hat sie gesagt — aufDeutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1.978 8147Parl. Staatssekretär Dr. BöhmeSchwäbisch —: „Langet nur zu; was auf dem Tisch steht, isch scho verschmerzt."
Meine Damen und Herren, nach diesem kurzen Ausflug in die baden-württembergischen Gefilde nun zu unserem harten Geschäft der Finanzpolitik. Sie haben soeben eine bemerkenswerte Ausführung schwäbischer
Finanzpolitikkunst — so muß ich sagen — erlebt. Ich möchte das, was hier gesagt worden ist, einmal zu unserer Situation und zu dem in Beziehung setzen, was an Vorschlägen vom Bundesrat hier auf den Tisch kommt. Herr Ministerpräsident, wenn Sie hier allerhand kluge finanzpolitische Erörterungen anstellen, müssen Sie sich auch fragen lassen, was eigentlich die Essenz dessen ist, was Sie hier vorschlagen. Es genügt nicht, mit irgendwelchen Zahlenspielen und netten Formulierungen das Parlament des Bundestages zu beeindrucken.Ich möchte Ihnen einmal sagen, was Ihre Alternative ist, was, gemessen an dem Konzept der Bundesregierung, abgestimmt und vereinbart nach dem Weltwirtschaftsgipfel in Bonn,
diese Stimme aus Baden-Württemberg und — entschuldigen Sie — wohl auch Provinz hier zu melden hat. Gegenüber dem, was auf dem Gipfel und später im Kabinett diskutiert worden ist, sind hier im wesentlichen drei Vorschläge gemacht worden. Es ist notwendig, sie gleich am Anfang einmal zu nennen.Der erste Vorschlag, Herr Ministerpräsident, ist, daß Sie sich unter dem Stichwort der Reform des Kinderlastenausgleichs — man muß die Formulierung einmal hören: „Reform des Kinderlastenausgleichs"! — hier an dieses Pult begeben und sagen: Die Kinderfreibeträge müssen wieder eingeführt werden.
Was dies ist, wurde vorhin schon von meinem Kollegen Heinz Westphal gesagt: Dies ist nichts anderes als eine im wahrsten Sinne des Wortes reaktionäre Politik.
Was 1975 — das ist erst einige Jahre her —
mit Zustimmung aller Parteien, der Kirchen, aller Wohlfahrtsverbände und Familienvereinigungen abgeschafft wurde, soll wiederkommen. Nichts zeigt eindringlicher als dieses Beispiel, in welche Richtung die Steuerpolitik der Union geht, einer Union, die nichts vergessen und nichts dazugelernt hat.
Künftig soll es also nach christdemokratischem Wil-len wieder so sein, daß der Familienlastenausgleichvom Einkommen der Eltern abhängt und die Entlastung mit steigendem Einkommen progressiv ansteigt nach dem Motto: „Wer hat, dem wird gegeben".
Als zweites schlagen Sie im Grunde die Abschaffung der Gewerbesteuer vor. Ich werde darauf nachher noch näher eingehen, möchte aber jetzt schon sagen: Ich betrachte Ihre Vorschläge im Grunde als •einen Schlag gegen die Selbstverwaltung der Gemeinden, weil die Finanzautonomie der Gemeinden mit Ihren Vorschlägen beseitigt wird.
Zum dritten — das möchte ich auch vorwegnehmen — soll dieses „Konzept", nämlich die Wiedereinführung der Kinderfreibeträge und die Abschaffung der Gewerbesteuer, mit einer Anhebung der Mehrwertsteuer finanziert werden. Herr Ministerpräsident Späth, für die Tarifreform und zur Finanzierung sozial- und familienpolitischer Maßnahmen kann nach Ihrer Meinung die Mehrwertsteuererhöhung nicht eingesetzt werden, für eine massive steuerpolitische Umschichtung bei den Kinderfreibeträgen zugunsten der Großverdiener und zugunsten der Unternehmer durch die Abschaffung der Gewerbesteuer soll jedoch die Mehrwertsteuererhöhung herhalten. Eine solche Politik ist unsozial und ein Unrecht gegenüber den Arbeitnehmern und Rentnern in unserem Land.
Sie haben vorhin gesagt, daß Sie bei dieser Finanzpolitik, bei diesem Paket, das in Wahrheit ein Steuer-, Sozial- und Innovationspaket darstellt, ein Konzept vermissen. Ich möchte Ihnen ein paar Punkte in die Erinnerung zurückrufen, wie wichtig dieses Paket gerade auch für ein Bundesland wie Baden-Württemberg ist, welches wie kein anderes Bundesland vom Export abhängig ist. Zum Konzept: Da ist zum ersten die Ausführung der Beschlüsse des Weltwirtschaftsgipfels zur Abwehr der weltweiten Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts. Dies ist wichtig für jedes Bundesland, besonders für Baden-Württemberg. Sie werden doch nicht die Berechtigung der Bundesregierung bestreiten, hier schnell und entschlossen zu handeln. Die Bundesrepublik setzt als erster Staat die Beschlüsse des Weltwirtschaftsgipfels vom 16. und 17. Juli 1978 in konkrete Maßnahmen um. Das Entlastungsvolumen beträgt über 12 Milliarden DM, d. h. wie beim Weltwirtschaftsgipfel vereinbart, etwa 1 % des Bruttosozialprodukts.Zweitens enthält das Konzept mehr Steuergerechtigkeit durch Verbesserung des Steuersystems und mehr soziale Sicherheit durch Erweiterung des Mutterschutzes bei voller Arbeitsplatzgarantie, Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze und Erhöhung des Kindergeldes. In einer wirtschaftlich schwierigen Zeit erfolgt somit nicht ein Abbau, sondern ein
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8148 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Parl. Staatssekretär Dr. Böhmeweiterer Ausbau unseres Sozialstaates. Alle diese Maßnahmen haben auch arbeitsmarktpolitische Auswirkungen. Dies gilt besonders für die schrittweise Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze:Drittens. Die steuerlichen Maßnahmen führen zu einer Senkung der Steuerquote. Damit wird dem Pauschalurteil von der Überbesteuerung wirksam entgegengetreten, denn mit den Steuerentlastungen zum 1. Januar 1979 sinkt die Steuerquote im Jahre 1979 voraussichtlich auf 24 °/o. Wird das Kindergeld mit rund 1 % eingerechnet, so wird die Steuerquote 1979 auf dem Niveau der 50er und 60er Jahre liegen. Damit nimmt die Bundesrepublik bei der Steuerquote auch international einen Mittelplatz ein. Es besteht überhaupt kein Grund, die Steuerdebatte unter dem polemischen Stichwort „Überbesteuerung" heißlaufen zu lassen.Ich habe hier die letzte Übersicht eines internationalen Vergleichs der Steuer- und Abgabenquote im Jahre 1976. Damals betrugen in der Bundesrepublik ,Deutschland Steuern und Abgaben 23,8 °/o, in Belgien 26,2 °/o, in Frankreich 24,3 °/o, in Großbritannien 29,0 °/o, in Osterreich etwa wie in der Bundesrepublik 23,6 %. Dies zeigt, was die Steuerquote angeht, daß die Bundesrepublik mit entsprechenden vergleichbaren Staaten gleichauf liegt, eine mittlere Position einnimmt, ja, sogar eine Position am unteren Ende.Viertens. Durch die steuerlichen Maßnahmen wird zugleich die Struktur des Steuersystems verbessert. Trotz der konstant gebliebenen Steuerquote hat sich nämlich die Struktur unseres Steuersystems deutlich verändert. Das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern hat sich von einer PariSituation Anfang der 50er Jahre auf ein Verhältnis von 60 % direkten zu 40 % indirekten Steuern im Jahre 1978 verändert. Dieser Anstieg der direkten Steuern ist besonders auf die Entwicklung des Lohn-und Einkommensteueraufkommens zurückzuführen. Durch die Anhebung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Senkung der Lohn- und Einkommensteuer wird diese Entwicklung gebremst und das Verhältnis für die nächste Zukunft konstant gehalten. Gleichzeitig wird durch die Anhebung der Mehrwertsteuer das gesamte Steuer-, Sozial- und Innovationspaket im Haushalt finanziert.Es ist nicht richtig, wenn die Umsatzsteuererhöhung mit einer Einzelmaßnahme verrechnet wird. Die Umsatzsteuererhöhung ist zur Finanzierung des ganzen Paketes notwendig, begrenzt dadurch das Haushaltsdefizit und trägt damit zur Entlastung des. Kapitalmarkts bei. Wer keine zusätzlichen Schulden machen will oder kann und gleichwohl Steuerentlastungen reklamiert, muß sagen, woher er das Geld nehmen will. Nur das ist eine verantwortliche Finanzpolitik, die wir der Öffentlichkeit und dem Bürger schuldig sind.
Gegenüber diesem Konzept der Bundesregierung kann die CDU/CSU hier im Bundestag keine glaubwürdige Alternative auf den Tisch legen. Wie schon so oft in den letzten Jahren bietet die Opposition im Bundestag ein diffuses Bild. Sie fordert für jedenetwas und betreibt damit ein Verwirrspiel in der Öffentlichkeit.
Was soll man denn anderes zu einer Opposition sagen, die trotz wochenlanger Debatte über die Steuern in der Öffentlichkeit bis heute nicht weiß, was sie will und wo es längs geht?
Die „klassische" Steuerentlastungspartei, die Helmut Kohl gestern in Berlin gesinnungstüchtig proklamiert hat, ist wieder einmal in Verzug. Ich kann nur sagen: eine schöne Klassik!Aber diese Situation ist nicht neu; denn die „klassische" Steuerentlastungspartei hat sich in Wahrheit in der Vergangenheit um konkrete Steuerentlastungen für den Bürger gar nicht bemüht, sondern machte die Steuerpolitik zum Vehikel der Machtauseinandersetzung in unserem Staat. Frau Funcke hat weit in die Vergangenheit hinein ausgeholt. Ich möchte bei der jüngeren Vergangenheit bleiben und daran erinnern, daß die CDU/CSU in diesem Hohen Hause den gezielten Steuerentlastungsmaßnahmen, die letztes Jahr, also 1977, im Bundestag beschlossen worden sind, ihre Zustimmung versagt hat. Die CDU/CSU-Opposition hat 1977 in diesem Hause in dritter Lesung u. a. der Vervierfachung des Weihnachtsfreibetrages, der Erhöhung der Sonderausgabenhöchstbeträge, der Erhöhung des Grundfreibetrages,
der Verbesserung der degressiven AfA für dieWirtschaft, der Erleichterung bei der Gewerbesteuerund bei der Lohnsummensteuer nicht zugestimmt
und eine Kraftprobe im Vermittlungsausschuß gesucht. Immer, meine Damen und Herren, wenn es um mögliche Steuernachlässe für den Bürger, ging, hat sich die Opposition in diesem Parlament versagt. Ihre Worte entsprechen nicht den Taten. Wenn es zur Sache kam, blieben Sie immer bei Ihrem sterilen Nein.
Nun haben die unionsregierten Länder — Herr Ministerpräsident Späth hat dies hier deutlich gemacht — ausgeführt, daß sie ein eigenes Steuerpaket vorlegen wollen. So heißt es und ist hier ausgeführt worden, daß es um eine Steuerreform gehe, die auch Sache der Länder sei. Dies wird natürlich nicht bestritten. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß eine einheitliche Haltung der CDU/CSU-Opposition im Bundestag bis heute nicht besteht und daß auch Kernforderungen des Bundesrates, Herr Ministerpräsident, in Ihren eigenen Reihen umstritten sind. So hat sich z. B. der CDU-Oberbürgermeister Rommel von Stuttgart vehement gegen die von Ihnen geforderte Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer gewandt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8149
Parl. Staatssekretär Dr. Böhme— Das sind die Tatsachen. Ebenso hat sich Herr Kollege Vogt von den Sozialausschüssen der CDU laut gegen die Wiedereinführung von Kinderfreibeträgen gewandt. Man kann gespannt sein — ich sage dies gar nicht ironisch —, ob Herr Vogt demnächst ebenso wie sein Kollege Blüm öffentlich Selbstkritik üben muß und damit wieder einmal beweist, was die Sozialausschüsse bei der CDU/CSU wert sind.
Läßt man jedoch diese uneinheitlichen Positionen der CDU/CSU außer acht und betrachtet isoliert die Vorschläge der unionsregierten Länder im Bundesrat, so wird das Bild nicht besser; denn diese Vorschläge sind deprimierend.Zusammengefaßt muß man urteilen, daß diese Vorschläge verteilungspolitisch ungerecht, sozialpolitisch ein Rückschritt und im Hinblick auf die beabsichtigte Abschaffung der Gewerbesteuer ein Schlag gegen die Selbstverwaltung der Gemeinden sind.
Diese Steuerpolitik des Bundesrats ist wahrhaft eine Konzentration nach rückwärts.
Im einzelnen sehen die Vorschläge — Herr Ministerpräsident Späth hat dies vorgetragen — wie folgt aus: Wiedereinführung der Kinderfreibeträge mit einem Ausfall von sage und schreibe 4,5 Milliarden DM, Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer mit einem Steuerausfall von rund 2 Milliarden DM netto, Verzicht auf die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen beim Gewerbeertrag mit einem Steuerausfall von rund 1,8 Milliarden DM.Vorhin habe ich bereits einige Worte zur Wiedereinführung der Kinderfreibeträge gesagt. Die besondere Ungerechtigkeit der Wiedereinführung der Kinderfreibeträge wird deutlich, wenn für Steuerpflichtige in der Proportionalzone eine gleiche Entlastung, wie sie jetzt durch Kindergeld gegeben ist, durch Kinderfreibeträge ausgerechnet wird. Wir haben dies — hypothetisch — unternommen. Für einen Steuerpflichtigen . in der Proportionalzone müßten die Kinderfreibeträge pro Jahr folgende Höhe haben, wenn sie das von der Bundesregierung vorgesehene und angebotene Kindergeld erreichen sollen: für das erste Kind 2 727 DM, für das zweite Kind 5 494 DM, für das dritte und jedes weitere Kind 10 636 DM. Bei drei Kindern, meine Damen und Herren, müßte somit jährlich ein Kinderfreibetrag von insgesamt knapp 19 000 DM eingeräumt werden, um zu der monatlichen Entlastung, die heute dem normalen Arbeitnehmer gewährt ist, von 345 DM zu gelangen. Kinderfreibeträge in dieser Höhe brächten jedoch für den Großverdiener eine überhaupt nicht zu vertretende Entlastung.
— Da gibt es gar keinen Zwischenruf! Das sind die Zahlen, das sind die Fakten.
Diese Zahlen zeigen, daß die Wiedereinführung von Kinderfreibeträgen ein Weg in die falsche Richtung ist. Hierzu gibt es nur ein glattes Nein.
Diese klare Aussage gilt auch gegenüber der weiteren Forderung der unionsregierten Länder des Bundesrates nach einer zusätzlichen — ich betone: zusätzlichen — Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer bei gleichzeitiger Einschränkung der Zurechnung von Dauerschuldzinsen bei der Gewerbeertragsteuer.Ich bin sehr dafür — Frau Kollegin Funcke hat das bereits angesprochen —, daß über das System der Gemeindefinanzen einmal grundsätzlich nachgedacht wird. Bei der Beurteilung, wie der Ausgleich für die beabsichtigte Abschaffung der Lohnsummensteuer geschaffen werden soll, haben wir die beste Gelegenheit dazu. Doch darum geht es im Moment nicht. Vielmehr geht es darum, daß durch eine isolierte Entscheidung, wie sie hier gefordert wird, der Realsteuercharakter der Gewerbe-, steuer praktisch beseitigt würde. Übrig bliebe eine zweite Steuer auf den gewerblichen Gewinn, die neben der Einkommen- und Körperschaftsteuer schwer zu rechtfertigen wäre. Da die Gewerbesteuer die wichtigste selbständige Einnahmequelle der Gemeinden darstellt, wäre damit die Finanzautonomie der Gemeinden weitgehend beseitigt.Außerdem — das muß man hinzufügen — würde bei einem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer die Konjunkturabhängigkeit des Gewerbesteueraufkommens erheblich zunehmen. Die Gemeinden sind aber auf eine möglichst konjunkturunempfindliche Steuerquelle angewiesen, .um ihren Aufgaben, vor allem auf dem Gebiet der öffentlichen Investitionen, gerecht zu werden. Die Gemeinden sind der größte öffentliche Investor. In seiner Gemeinde erlebt der Bürger den Staat und nimmt täglich an der demokratischen Auseinandersetzung über die Gestaltung seiner Umwelt teil. Eine Abschaffung der Gewerbesteuer insgesamt, die Beseitigung des eigenen Einnahmerechts und damit das Ende der Finanzautonomie wären somit ein Schlag gegen die Selbstverwaltung an sich und nach der deutschen Tradition freier Selbstverwaltung der Gemeinden auch in ihrem Kern undemokratisch.Nun versucht die Union im Bundesrat, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer als eine Maßnahme zur steuerlichen Entlastung der Kleinbetriebe und des Mittelstandes darzustellen. Wie sehen aber die tatsächlichen Verhältnisse aus? Das Aufkommen aus der Gewerbekapitalsteuer beträgt im Rechnungsjahr 1978 rund 4 Milliarden DM. Belastet sind dadurch rund 500 000 Betriebe, das sind ein Drittel aller Unternehmungen in der Bundesrepublik. Rund 3,7 Milliarden DM davon werden von nur 120 000 Betrieben erbracht, d. h. — diese Zahl ist entscheidend —, rund 8 °/o der Betriebe erbringen rund 93 % des gesamten Aufkommens an der Gewerbekapitalsteuer.
Diese Zahlen belegen, daß die Gewerbekapitalsteuer nicht vom Mittelstand, sondern zur Haupt-
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8150 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Parl. Staatssekretär Dr. Böhmesache von den großen Betrieben erbracht wird. Diese Tatsache kann auch nicht überraschen, da die Kapitalintensität mit der Größe eines Unternehmens bekanntlich zunimmt. Mit diesen Zahlen wird aber auch deutlich, daß die Gewerbekapitalsteuer gerade von den Wirtschaftsbetrieben gezahlt wird, die die gemeindliche Infrastruktur am stärksten belasten und für die wegen ihrer Betriebsgröße von den Kommunen häufig gezielte Sondermaßnahmen getroffen werden müssen.
und zwar unabhängig davon, ob ein Großbetrieb in einem Jahr einen hohen, einen niedrigen oder auch einmal gar keinen Gewinn erwirtschaftet.
Das ist das Prinzip der Äquivalenz.Der letzte und ein wesentlicher Punkt der Anträge der unionsregierten Länder aus dem Bundesrat betrifft den Finanzausgleich. Hier sollen die Anteile aus der Umsatzsteuer, die 1978 32,5 % für die Länder betragen, wie folgt zu Lasten des Bundes erhöht werden: im Jahre 1979 um 2 v. H., im Jahre 1980 um 4 v. H. und in den Jahren 1981 und 1982 jeweils um 5 v. H. Diese Forderung muß vom Bund zurückgewiesen werden. Für die Neuregelung der Umsatzsteuerverteilung können nicht die Auswirkungen und Belastungsverschiebungen eines einzelnen Gesetzes maßgeblich sein, sondern hier gelten die Grundsätze der Verfassung in Art. 106 des Grundgesetzes, wonach von der Gesamtentwicklung aller laufenden Einnahmen und aller Ausgaben der Gebietskörperschaften auszugehen ist.Diese Aussage ist kein Widerspruch gegen den vom Bund befürworteten Ausgleich für die betroffenen Gemeinden durch die beabsichtigte Abschaffung der Lohnsummensteuer. Hierzu hat die Bundesregierung ausgeführt, daß vor der Abschaffung der Lohnsummensteuer in Beratung mit den Bundesländern und mit den kommunalen Spitzenverbänden vorher übereinstimmende Lösungen für die finanzwirtschaftlichen Probleme gesucht werden, die sich für die betroffenen Gebietskörperschaften ergeben. Die Bundesregierung geht hier davon aus, die Abschaffung der Lohnsummensteuer nur so vorzunehmen, daß die gesamte Neuregelung mit der Ausgleichsregelung am 1. Januar 1980 in Kraft treten kann.Hierauf richtet sich auch nicht der Antrag des Bundesrates, sondern dieser Antrag und auch die zusätzlichen Punkte gehen weit darüber hinaus und machen deutlich, daß es den unionsregierten Ländern und natürlich der CDU/CSU-Opposition im Bundestag im Grunde darum geht, den Bund finanziell handlungsunfähig zu machen. Die sozialliberale Koalition in Bonn soll finanziell so an die Wand gedrückt werden, daß ihr kein Spielraum mehr bleibt. Dies ist der politische Kern der Anträge aus dem Bundesrat, die einerseits zusätzlich Steuerverzicht fordern, andererseits dem Bund Steuermehreinnahmen nicht nur verweigern, sondern über die Umsatzsteuerverteilung Finanzmasse wegnehmen. Damit soll erreicht werden, daß der Bund zu Ausgabenkürzungen gezwungen wird, weil die Kreditfinanzierung natürlich — das wurde hier mehrfach er; wähnt — nicht überzogen werden darf. Ausgabenkürzungen bedeuten jedoch, daß die im Haushalt ausgewiesenen Leistungen und öffentlichen Investitionen gemindert werden müssen, z. B. die Ausgaben für Forschung und 'Entwicklung, die Hilfen bei der Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen und der weite Bereich der Sozialleistungen; denn das Aufkommen an Steuern und Sozialabgaben bleibt nicht beim Staat.Von 100 DM werden z. B. etwa 46 DM als sogenannte Transferleistungen an die Bürger weitergeleitet. Aus diesen Beträgen werden z. B. Renten gezahlt. Aus Steuermitteln werden Forschungsvorhaben finanziert oder wird Kindergeld gewährt. Zirka 50 DM von jedem Hundertmarkschein nimmt der Staat für sich in Anspruch, um Straßen, Schulen oder Krankenhäuser zu finanzieren, Verteidigungsmaterial zu beschaffen oder Arzneimittelrechnungen der Versicherten oder seiner Bediensteten zu bezahlen. Dies bedeutet aber, daß der Staat auch finanziell handlungsfähig bleiben muß, um seine Aufgaben zu erfüllen, insbesondere die sozialen Sicherungen zu finanzieren. Wer eine Diktatur der leeren Kassen fordert, wie dies immer von finanzpolitischen Sprechern der CDU/CSU verlangt wird, führt in Wahrheit einen Schlag gegen unseren Sozialstaat.
Diese im Grunde poujadistische Haltung wird von Ihnen als mehr Freiheit für den einzelnen verbrämt, ist aber in Wahrheit eine Strangulation des Sozialstaates und eine Aushöhlung der finanziellen Handlungsfähigkeit unseres Gemeinwesens, die zur Sicherung der Vollbeschäftigung und des Arbeitsfriedens in unserem Lande erhalten bleiben muß.
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Ehrenberg.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der notwendigen Klarstellung einer Reihe von Punkten aus der Intervention des Herrn Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg durch meinen Kollegen Böhme scheint es mir an der Zeit zu sein, darauf aufmerksam zu machen, daß die vorliegenden Gesetzentwürfe und der Bundeshaushaltsentwurf 1979 sehr viel mehr als nur steuerpolitische Beschlüsse enthalten.
Was dem Hohen Haus hier vorliegt, ist das Ergebnis einer nahtlos ineinandergefügten Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Diese nahtlos ineinandergefügte Finanz-, Wirtschafts-und Sozialpolitik ist weithin von den Ergebnissen des Weltwirtschaftsgipfels in Bonn geprägt. Dieser Weltwirtschaftsgipfel hat in der ganzen Welt Anerkennung, ja, sogar Bewunderung — das ist nicht zuviel gesagt; wenn man ausländische Zeitungen
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Bundesminister Dr. Ehrenbergliest, findet man das bestätigt — ausgelöst, und zwar wegen der Art und Weise, in der es in der Bundesrepublik gelungen ist, mit den schwierigen Folgen der weltwirtschaftlichen Veränderungen fertig zu werden und gleichzeitig bei uns den Geldwert zu stabilisieren, die Arbeitslosenquote bei langsam, für unsere Begriffe immer noch zu langsam, aber doch deutlich sinkendem Trend unter dem Niveau fast aller vergleichbaren Industrienationen zu halten und die Bedingungen für einen sich selbst tragenden Wirtschaftsaufschwung zu verbessern.Selbst die ja doch immer — von ihrem Auftrag her zu Recht — sehr vorsichtig und sehr behutsam urteilende Deutsche Bundesbank hat in ihrem jüngsten Monatsbericht gezeigt, daß die Stagnationstendenzen, die Anfang des Jahres vorherrschten, überwunden sind und wir gute Chancen haben, dem Wachstumsziel doch näherzukommen.Vor diesem Hintergrund verdient festgehalten zu werden, daß die Bundesregierung und die sie tragende sozialliberale Koalition die Folgen der weltweiten Rezession bewältigt haben, ohne die Grenzen des Sozialstaats zu beschwören und ohne Krisenbewältigung zu Lasten der Ärmsten und der Einkommensschwachen zu treiben.
Hier ist auch bewiesen worden, daß der sozialeRechtsstaat keine Schönwettereinrichtung ist, son-dern sich gerade in schwierigen Zeiten bewährt hat.
Das Sozialstaatsprinzip ist in der Bundesrepublik glaubwürdig geblieben, und zwar auch deshalb, weil die Bundesregierung in ihrer Politik gezeigt und in den gerade jetzt beschlossenen Maßnahmen nochmals dokumentiert hat, daß, wenn der politische Wille vorhanden ist, auch unter ökonomisch schwierigen Rahmenbedingungen sozialer Fortschritt möglich ist.
Eines, so glaube ich, muß hier auch festgehalten werden. In unserer Demokratie ist soziale Gerechtigkeit eine der wichtigsten Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Stabilität und Prosperität, denn der soziale Rechtsstaat gründet auf der Solidarität aller Bürger.Wir haben in den letzten schwierigen Jahren in jener ineinandergefügten Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik gleichzeitig eine Reihe von schwierigen Aufgaben bewältigen müssen. Wir hatten für eine verstetigte positive Entwicklung der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage zu sorgen. Wir hatten in der Forschungs-, der Struktur- und der Steuerpolitik die mittelfristigen . Wachstumsbedingungen zu verbessern. Wir hatten das Sozialleistungssystem den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, aber gleichzeitig schöpferisch weiterzuentwickeln und bei der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung auf die finanzwirtschaftlichen Notwendigkeiten und die Entwicklung des Kapitalmarkts Rücksicht zu nehmen.
— Verehrter Kollege Franke, schauen Sie sich die vorliegenden Gesetzentwürfe zur flexiblen Altersgrenze, zum Mutterschutz und zum Kindergeld an, und sagen Sie mir, ob das keine schöpferische Weiterentwicklung ist!
Allerdings: Den Kinderfreibetrag, den Herr Späth hier so deklariert hat, werden wir nicht übernehmen, weil das genau das ist, was wir nicht unter schöpferisch für die Menge der Bürger verstehen.
— Sie wissen sehr genau, daß unter den so veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen schon die Erhaltung des Vorhandenen eine große Leistung wäre. Und wir machen mit den vorliegenden Gesetzentwürfen mehr!
Sie müssen diese vier Schwerpunkte als Einheit begreifen und in ihren Wechselbeziehungen richtig verstehen. Nur dann kann man zu einem abgewogenen Urteil und zu sachgerechten Entscheidungen kommen. Da Sie diese Einheit der Wirtschafts-, der Sozial- und der Finanzpolitik weder sehen können noch wollen, kommt es bei den Sprechern der Opposition zu so vielen Ungereimtheiten, z. B. daß sie mehr Steuererleichterungen und weniger Defizite fordern oder weniger Defizite und mehr öffentliche Investitionen,
und daß sie gleichzeitig ein Zuviel an Sozialstaat beklagen, aber durch den Mund anderer Sprecher ein teueres, in seinen Wirkungen noch gar nicht durchdachtes Erziehungsgeld verlangen, und daß sie gleichzeitig die Sozialabgaben zu hoch finden, sich aber Konsolidierungsmaßnahmen verweigern, oder daß sie gleichzeitig fordern, die Sozialpolitik müsse familienfreundlicher werden, und die Wiedereinführung der regressiv wirkenden steuerlichen Kinderfreibeträge verlangen.Verehrter Herr Ministerpräsident Späth, sosehr sich über manche Schwierigkeiten mit bestimmten Einkommensgrenzen, vor allem bei BAföG, diskutieren läßt, muß wohl eines deutlich festgehalten werden: Die Wiedereinführung der Kinderfreibeträge würde bedeuten, daß der, der zu arm ist, Steuern zu zahlen, hieraus nichts und der Spitzenverdiener pro 100 DM 56 DM bekommt.
— So soll es vielleicht bei der baden-württembergischen Mehrheit sein — aber bei der Mehrheit in der Bundesrepublik nicht.
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8152 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Bundesminister Dr. Ehrenberg— Wir haben eine gute 'und ausreichende Mehrheit, Herr Haase, und wir werden eine bessere bekommen!
— Sie wären ja glücklich, wenn Sie eine solche Mehrheit hätten. Sie haben sie nicht. Entschuldigen Sie!
— Ja, warten wir! Sie warten schon lange darauf, eine zu kriegen. Sie ist in weiter Ferne, verehrter Kollege Haase. Sie ist in Ihrem Heimatland ferner, als Sie je gedacht hätten.
— Ich gucke nicht in die Zeitung
sondern auf das nächste Wahlergebnis. Da wird nachgezählt.
— Das ist ja die große Frage.
— Herr Haase, wir werden uns bei Frau Noelle-Neumann für das letzte Stückchen Mobilisierung, das sie der SPD damit gegeben hat, sehr herzlich bedanken.
Ich will die lange Liste der Widersprüche in der CDU/CSU-Argumentation hier nicht fortsetzen.
Aber ich möchte gern noch einmal sehr deutlich sagen, worum es wirtschafts-, finanz- und sozialpolitisch jetzt geht: Es geht erstens darum, zu verhindern, daß wirtschaftliche Probleme auf dem Rücken der wirtschaftlich und sozial Schwächeren ausgetragen werden.
und es geht zweitens darum, die gesamtwirtschaftliche und soziale Ausgleichsfunktion der Transferleistungen zu gewährleisten und den Familienlastenausgleich zu verbessern.
Es geht drittens darum, dafür zu sorgen, daß die Sozialversicherungssysteme auch bei langsamer wachsenden Einnahmen finanziell stabil bleiben, ohne die Sozialabgabenbelastung zu verschärfen.
Viertens geht es gleichzeitig aber auch darum, die Zukunftsaufgaben der Sozialpolitik anzufassen,ohne dabei die enger 'gewordenen finanziellen Bedingungen außer acht zulassen.Wir haben nach diesen Grundsätzen gehandelt, und weil wir das getan haben, ist der Etat des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung mit mehr als 47 Milliarden DM auch 1979 wieder der mit Abstand größte Einzelhaushalt des Bundeshaushalts.
Die in diesem Haushalt enthaltene Steigerung von 9,7 0/0 liegt über der durchschnittlichen Steigerungsrate und zeigt die Bedeutung, die wir diesem Bereich zumessen. Wenn wir die sozialpolitisch wichtigen Leistungen, die in anderen Etats zusammengefaßt sind, hinzuzählen — wie Kindergeld, Vermögensbildung, landwirtschaftliche Sozialpolitik —, so ergibt sich daraus, daß mehr als ein Drittel des Bundeshaushalts mit sozialer Zielrichtung ausgegeben wird.
Die Regierungsparteien haben allen Anlaß, auf diese soziale Ausrichtung des Haushalts stolz zu sein.Es ist einleitend schon gesagt worden, aber ich will es für die Zweifler gern noch einmal wiederholen: Durch die Erhöhung des Kindergelds ab 1. Januar 1979 um 45 DM für das dritte und jedes weitere Kind auf 195 DM und des Zweitkindergelds ab 1. Januar 1980 auf 100 DM werden Familien mit zwei und mehr Kindern gezielt entlastet. Damit bekommt ab 1. Januar 1980 eine Familie mit vier Kindern ein Kindergeld von 540 DM im Monat. Das ist gegenüber der Zeit von vor 1975, gegenüber der Zeit, als die Kinderfreibeträge die Entlastung nach der Einkommenshöhe staffelten, eine Verbesserung um mehr als 50 %.
Diese Anhebung kommt eben allen Familien gleichermaßen zugute und nicht denen, die mehr verdienen, in höherem Maße als denen, die wenig .verdienen.
— Sie können noch so laut schreien; von solchen Rufen werde ich mich nicht beirren lassen.Zu den Ausführungen des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg muß folgendes gesagt werden. Er hat in der Diskussion und in der Begründung vermißt, wo denn nun die wachstumspolitische, die nachfragestärkende Komponente liegt. Genau hier, verehrter Herr Ministerpräsident, liegt eine der ganz wesentlichen nachfragestärkenden Komponenten; denn Familien mit mehr Kindern haben nun einmal eine kleinere Sparquote als Familien mit wenig Kindern,
und von dem gleichermaßen ausgezahlten Kinder-geld geht sehr viel mehr in den Konsum, als von
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1938 8153
Bundesminister Dr. Ehrenbergden Kinderfreibeträgen bei den Spitzenverdienern als Nachfrage entfaltet würde.
Hieran schließt sich in Ergänzung der bisherigen Mutterschutzregelung, die eine Freistellung von acht Wochen nach der Geburt vorsah, ein von der Bundesregierung beschlossener zusätzlicher Mütterurlaub von vier Monaten an, in denen den Müttern aus Bundesmitteln eine Beihilfe bis zur Höhe von 750 DM netto gezahlt wird. Damit sollen die Mütter die Chance haben, über die acht Wochen hinaus bei ihrem Kind zu verbleiben, ohne ihre berufliche Tätigkeit aufgeben oder um das Fortkommen und den Arbeitsplatz fürchten zu müssen.Ich weiß, daß es um diese Regelung eine Reihe von Diskussionen gibt. Es gibt kaum Stimmen — das wagt in unserem Staat glücklicherweise doch schon niemand mehr —, die voll dagegen sind. Das kann man sagen, auch wenn in manchen Zeitungen so warnend stand: Hier fängt das mit den sozialen Wohltaten wieder an. Für uns sind das keine sozialen Wohltaten, sondern das ist eine sozialpolitisch, familienpolitisch und gesundheitspolitisch notwendige Konsequenz aus veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen.
Natürlich kann gesagt werden: Diese Regelung ist zu eng, es müßte weitergehen, ein halbes Jahr ist zuwenig. Wir haben uns hier im Rahmen des finanziell Möglichen zu halten. Wir haben in der Familienpolitik einen wesentlichen Schritt vorwärts getan, einen Schritt, der nichts für künftige weiterreichende Regelungen präjudiziert und der auch die Frage eines künftigen Elternurlaubs nicht präjudiziert. Diese Sechs-Monats-Regelung ist eine eindeutige Regelung im Rahmen des bestehenden Mutterschutzgesetzes.
— Es wäre sehr gut, wenn diese Mahnung des Fraktionsvorsitzenden der SPD befolgt werden könnte; denn dieses Thema ist zu gewichtig und zu bedeutsam.
Meine Damen und Herren, diese Regelung wird zusätzlich Arbeitsmarktentlastungen bringen. Die Arbeitsplatzgarantie für die Zeit sechs Wochen vor der Geburt und sechs Monate nach der Geburt wird in einer Reihe von Fällen das Einstellen von ersatzweisen Kräften notwendig machen und damit das heute so knappe Arbeitsplatzangebot für teilzeitarbeitsuchende Frauen und für befristete Arbeit suchende Frauen erheblich erweitern, ein sehr positiver Nebeneffekt dieses familienpolitischen Programms.Hieran schließt sich — ebenfalls mit über den humanitären Aspekt hinausgehenden beachtlichen arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen — die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Behinderte — auch für berufs- und erwerbsunfähige Versicherte — auf das 61. Lebensjahr ab 1. Januar 1979 und auf das 60. Lebensjahr ab 1. Januar 1980 an. Schon mit der Einführung der flexiblen Altersgrenze im Jahre 1972 haben wir den Arbeitnehmern, die nach einem Iangen und harten Arbeitsleben an die Grenze ihrer Leistungskraft gekommen waren, die Möglichkeit gegeben, nach ihren individuellen Gegebenheiten darüber zu • entscheiden, von welchem Lebensjahr ab sie in den wohlverdienten Ruhestand gehen wollen.Wir haben mit dieser Maßnahme, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nachgerechnet hat, zwischen 1973 und 1977 den Arbeitsmarkt um mindestens 160 000 Personen entlastet. Wenn wir jetzt dieses abgewogene und stabilitätspolitisch vertretbare Programm — denn für die Geltungsdauer des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes werden die hierdurch anfallenden Mehrkosten aus dem Bundeshaushalt bezahlt — durchführen, haben wir zwei wesentliche Schritte getan, um gerade jenem besonders unter den Belastungen des modernen Produktionsprozesses leidenden Personenkreis eine neue, verbesserte Chance zum Aufhören mit der aktiven Arbeit zu geben. Es sind rund 70 000 schwerbehinderte Arbeitnehmer, die in den nächsten Jahren diese Möglichkeit bekommen werden. Damit besteht die große Chance — wenn diejenigen, die Arbeitsplätze anzubieten haben, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen —, daß die 48 000 behinderten Arbeitnehmer, die heute vergeblich einen Arbeitsplatz suchen, endlich in einen Arbeitsplatz vermittelt werden können.
Wir werden darum auch nicht den vielen Forderungen nach einer Herabsetzung der Pflichtquote im Schwerbehindertengesetz nachgeben, jedenfalls so lange nicht, wie behinderte Arbeitnehmer noch arbeitslos sind. Wir werden — das ist mit der Ausgleichsabgabenordnung gerade neu geregelt worden — die aus der Ausgleichsabgabe fließenden Mittel gezielt einsetzen, um Schwerstbehinderten einen angemessenen Arbeitspaltz schaffen zu können. Durch die beiden Sonderprogramme von 1976 haberl wir jeweils mit dem Einsatz vqn rund 100 Millionen DM für 8 000 bis 10 000 schwerstbehinderte Arbeitnehmer einen vernünftigen Arbeitspaltz geschaffen.Ich würde bei dieser Gelegenheit gerne an öffentliche und an private Arbeitgeber den Appell richten, sich dieser Beschäftigungspflicht nicht zu entziehen und sich nicht mit 100 DM Ausgleichsabgabe freizukaufen, sondern diesem Personenkreis gegenüber das zu tun, was in der selbstverständlichen Verantwortung jedes Betriebsleiters zu liegen hat.
— Das Arbeitsministerium hat, wenn es Sie interessiert, eine Quote von 12 %. Ich glaube, damit können wir uns sehen lassen.
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8154 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Bundesminister Dr. Ehrenberg— Nein, das ist keine Ausnahme. Die Bundesregierung hat in allen ihren Einrichtungen die Quote übererfüllt.
— Ich kann es Ihnen nachweisen, verehrter Herr George. Ich schicke es Ihnen zu.
— Ja, dann erkennen Sie doch an, daß wir es seit einem Jahr haben. Ich bin stolz darauf, daß wir es haben!
Meine Damen und Herren, in Anbetracht der immer noch schwierigen Lage der Behinderten haben wir gleichzeitig einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die kostenlose Beförderung für alle Behinderten sicherzustellen. Dieser Gesetzentwurf wird Ihnen demnächst zugehen, und ich hoffe sehr — ich nehme die Anwesenheit der Bundesratsvertreter gerne zum Anlaß, an sie zu appellieren —, daß dieser Gesetzentwurf nicht wieder wie der von 1974 im Bundesrat hängenbleibt, sondern in beiden Häusern als ein Gesetzentwurf, der bei der Personenbeförderung die völlige Gleichstellung der verschiedenen Gruppen von Behinderten bringt, zügig verabschiedet wird.
— Die Kosten tragen für einen Teil die Länder, für den anderen nach einer sehr klaren Trennung der Bund. Ich glaube, es ist das Interesse beider Körperschaften, des Bundestages und des Bundesrates, daß wir Mischfinanzierungen dort, wo sie nicht dringend notwendig sind, vermeiden und bei der klaren Aufgabentrennung bleiben.Meine Damen und Herren, die Versuchung wäre groß, bei dieser Gelegenheit etwas mehr über die Sozialpolitik zu sagen, etwa über die von Ihnen bezweifelte, inzwischen gelungene und jetzt auch von Ihnen nicht mehr diskutierte Rentenkonsolidierung.
Aber ich will den nachfolgenden Rednern nicht allzu viel Zeit wegnehmen. Ein paar Worte zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen muß ich hier allerdings 'noch sagen, auch wegen der Anwesenheit der Vertreter des Bundesrates.
— Ich hoffe, der Herr Ministerpräsident kommt wieder.
— Doch, verehrter Herr George, mit dem, was ich jetzt sagen will, haben die Ministerpräsidenten der Länder sehr viel zu tun, weil es an ihnen liegen wird, ob die so dringliche Neuregelung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes durchgesetzt wird oder nicht. Und das hat mit dem heutigen Tag sehr viel zu tun, weil das ein wesentlicher Bestandteilmeines Etats im Entwurf des Bundeshaushalts 1979 ist.
— Wir haben eine verbundene Debatte über den Bundeshaushalt und die Gesetzesvorlagen!
— Der Entwurf wird Ihnen zugeleitet.
Den hat die Bundesregierung vor der Sommerpause verabschiedet, und ich hoffe, Herr Franke, daß Ihre Frage danach der Beweis dafür ist, daß Sie ihn zügig und schnell bearbeiten werden.
— Aber 'er kommt,
und da die dafür notwendigen Beträge im Bundeshaushaltsentwurf 1979 stehen, ist es ja wohl legitim, daß Ihnen zu den Erfolgen in der Krankenversicherung — —
— Er ist längst überwiesen, aber der Ausschuß konnte ja noch nicht zusammentreten. Das können die Kollegen doch nicht wissen, Herr Westphal!Vor allem von Ihnen, Herr Franke, wurden seinerzeit die Erfolge der Kostendämpfung bei der ambulanten Versorgung sehr stark bezweifelt. Diese Erfolge sind inzwischen für jedermann greifbar. Viele Arbeitnehmer konnten seit Jahren zum erstenmal Beitragssenkungen statt Beitragssteigerungen erfahren. Diese Beitragssenkungen sind möglich geworden, ohne das erreichte hohe medizinische Leistungsniveau in der Bundesrepublik zu gefährden oder zu beeinträchtigen.
Wir haben allen Anlaß, bei dem ebenfalls kostenträchtigen Teil, der stationären Versorgung, den wir im letzten Jahr nicht regeln konnten, in diesem Hause gemeinsam eine ebensogute Regelung zu finden. Ich bitte dem Arbeits- und Sozialminister nachzusehen, daß er die Gelegenheit des Bundeshaushalts 1979 wahrnimmt, an diese wichtige Aufgabe zu erinnern.
Lassen Sie mich auf einen letzten Komplex eingehen. Nach wie vor bleibt, trotz der sich allmählich verbessernden Arbeitsmarkttendenzen und trotz der günstiger gewordenen Konjunkturaussichten, die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung die politische und moralische Aufgabe Nummer eins in diesem Lande.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8155
Bundesminister Dr. EhrenbergL) Aber diese Aufgabe kann nicht allein von der Bundesregierung gelöst werden. Hier haben sich Bundesbehörden, Landesbehörden, öffentliche und private Arbeitgeber mit gleichem Ernst und gleicher Verantwortung dieser Aufgabe anzunehmen. Die Schlüsselrolle bei der Lösung dieser Aufgabe kann nur die Wachstumspolitik spielen, weil die Beseitigung des globalen Arbeitsplatzdefizits die notwendigste Aufgabe ist. Aber wir werden darüber hinaus mit gezielter Arbeitsmarktpolitik eine Reihe von Verbesserungen erreichen können, vor allen Dingen bei den Problemgruppen des Arbeitsmarkts. Es bietet sich ja heute das differenzierte Bild, daß Facharbeiter schon wieder in einigen Branchen dringend gesucht werden und daß daneben ungelernte Arbeitskräfte, ältere Angestellte und ein Teil Jugendliche — aber auch diese wieder als ungelernte Arbeitskräfte — vergeblich einen Arbeitsplatz suchen.
— In der Bauwirtschaft werden 20 000 Auszubildende gesucht. Ich weiß das, verehrter Herr Kollege. Nur: weder Sie noch ich werden einen Ausbildungszwang zu einem bestimmten Beruf verordnen wollen. Also können wir nur gemeinsam daran arbeiten, die Information zu verbessern, die Ausbildungskapazitäten zu verbessern und deutlich zu machen, wo die Zukunftsaussichten der jungen Generation liegen. Sie liegen in weiten Teilen im Bereich der qualifizierten Facharbeiter.Wir werden gemeinsam, hoffe ich, verehrter Kol- lege, beispielsweise auch dazu beitragen, daß es immer mehr möglich wird, Schulabgängerinnen in traditionelle Männerberufe zu vermitteln. Denn in vielen Arbeitsamtsbezirken haben wir, während z. B. die Bauwirtschaft Auszubildende sucht, zugleich viele junge Mädchen mit gutem Realschulabschluß, die keinen Ausbildungsplatz finden. Dort sieht es — aus Tradition und anderen Gründen — immer noch so aus, als könnten Mädchen nicht in technisch anspruchsvollen oder in traditionellen Männerberufen ausgebildet werden. Einzelfälle bestätigen, daß es geht. Wir haben allen Anlaß, das zu verbreitern.Darum wird auch das Fünfte Arbeitsförderungsgesetz, das Ihnen in Kürze zugehen wird, den Schwerpunkt der Veränderung darauf legen, daß wir die Ausbildungsmöglichkeiten, die Ausbildungskapazitäten verbessern, daß wir die Bundesanstalt für Arbeit in die Lage versetzen, sehr viel mehr als bisher mit Qualifikationslehrgängen, aber auch mit kurzzeitigen Motivationslehrgängen, die der Feststellung der beruflichen Eignung und der beruflichen Ausrichtung dienen sollen, helfend einzugreifen, um Stück für Stück in schwieriger, aber notwendiger Detailarbeit die arbeitsmarktpolitischen Möglichkeiten zu verbessern.Dazu wird auch gehören, daß wir die im letzten Jahr vorgenommene personelle Verstärkung der Arbeitsverwaltung um rund 1 000 Vermittler und 600 Berufsberater auch im Jahre 1979 in einer vernünftigen Größenordnung noch einmal wiederholen, weil sich herausgestellt hat, daß die von mir im vergangenen Jahr eingeleitete Arbeitsmarktoffensive trotz der nach der üblichen Einschätzung schwierigen strukturellen Lage dann Erfolg hat, wenn gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen, wenn der einzelne Vermittler die Zeit hat, sich intensiv um den einzelnen Arbeitsuchenden zu kümmern und sich auch vor Ort, in den Betrieben über die Bedingungen und Arbeitsplätze zu informieren. Dann kann er sehr viel größere Vermittlungserfolge aufweisen.
Überhaupt scheint es mir notwendig zu sein, mit zwei gängigen Vorurteilen aufzuräumen. Wir haben auf Grund einer breit angelegten Informationsstudie des Infas-Instituts, nach einer Befragung von Vermittlern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern feststellen können, daß das gängige Vorurteil, eine große Anzahl von Arbeitsuchenden sei arbeitsunwillig, eine bösartige Verleumdung ist und nicht mit den Fakten übereinstimmt. Im Gegenteil: Die überwiegende Zahl der Arbeitsuchenden ist zu einer Vielzahl von Anstrengungen bereit, auch zur Weiterbildung, zur Weiterqualifizierung, zum Ortswechsel, zum Berufswechsel. Wir müssen die Arbeitsverwaltung nur entsprechend ausbauen, um die Vermittlungschancen zu verbessern. Das wird der Schwerpunkt der 5. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz sein, und auch der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit 1979 wird diese Konturen beinhalten. Wir werden diese neuen Aufgaben auch 1979 bei stabilen Beiträgen in der Arbeitslosenversicherung leisten.Es wäre reizvoll, in diesem Zusammenhang noch auf einiges mehr einzugehen, beispielsweise auch auf das, was der verehrte Kollege Biedenkopf am letzten Wochenende in seinem Interview, abgedruckt im „Handelsblatt", zu einer Reihe der hier behandelten Themen gesagt hat. Ich nehme an, Sie alle haben die Ausführungen Ihres wirtschaftspolitischen Sprechers gelesen. Ich kann mich nur auf einen Punkt beschränken; ich habe mir sehr viel mehr angestrichen, aber ich will darauf um der Kürze der Zeit willen verzichten. Aber eine Frage an Herrn Biedenkopf muß gerade vor dem Hintergrund des Gipfels und vor dem Hintergrund des Bundeshaushalts 1979 erlaubt sein.Wenn Sie, Herr Professor Biedenkopf, das Motto aufstellen, wir müßten staatliche Aufgaben streichen, wenn Sie darüber hinaus von einer Reduzierung, wenn nicht Abschaffung der gezielten staatlichen Forschungsförderung sprechen — wie in dem Interview mit dem „Handelsblatt" geschehen —, dann möchte ich doch gerne wissen, wie das mit den notwendigen Umstrukturierungen unserer Wirtschaft in Einklang gebracht werden soll.
Mich würde auch interessieren, Herr Biedenkopf, was der ehemalige Atomminister Strauß dazu sagen würde. Wo wäre unsere Kernenergie ohne gezielte staatliche Forschungsförderung? Sie wäre gar nicht vorhanden.
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8156 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Bundesminister Dr. EhrenbergEs gibt eine ganze Reihe von weiteren Aussagen, auf die ich gern eingegangen wäre. Aber ohne auf mehr Einzelheiten einzugehen, läßt sich zusammenfassend feststellen: Viele Äußerungen der Opposition, aber auch Zeitungs- und Verbandskommentare zu dem Gesamtpaket der nach dem Weltwirtschaftsgipfel beschlossenen Maßnahmen lassen die Tendenz erkennen, daß Verbesserungen im sozialpolitischen Bereich, vor allem wenn sie Geld kosten, als für die wirtschaftliche Entwicklung schädlich oder unwesentlich angesehen werden.Diese Kritiker des Gesamtpakets irren. Zwar ist der Beitrag sozialpolitischer Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung oft nur schwer meßbar; an seiner Bedeutung kann trotzdem nicht gezweifelt werden. Ich meine damit nicht nur die konjunkturstabilisierende Wirkung aller sozialpolitischen Geldleistungen, sondern vor allen Dingen auch den Zusammenhang zwischen dem erreichten Maß an sozialer Gerechtigkeit und dem gesellschaftlichen Bewußtsein. Die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und die qualifizierte Arbeit der deutschen Facharbeiter beruhen auch auf dem verwirklichten Maß an sozialer Gerechtigkeit. Sie machen möglich, daß trotz ständiger Kursverbesserungen der Deutschen Mark unsere Exportquote nicht sinkt, sondern noch steigt und daß die internationale Wettbewerbsfähigkeit ungebrochen ist.
Die ständige, die ökonomischen Rahmenbedingungen beachtende Weiterentwicklung unseres Sozialleistungssystems trägt dazu bei, daß es so bleibt.Wir reden nicht von den „Grenzen des Sozialstaates", und wir schrecken die Arbeitnehmer nicht mit Formeln von der „Reprivatisierung sozialer Risiken", sondern wir sorgen dafür, daß die sozialen Leistungen gerecht verteilt werden und daß die Zukunftsaufgaben der Sozialpolitik in der Familienpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Gesundheitspolitik angefaßt werden, ohne die Beitrags-und Steuerzahler zu überlasten. Das Ihnen vorliegende Gesamtpaket ist Ausdruck dieser ineinandergefügten Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, und es wird dazu beitragen, die gegenwärtige Entwicklung positiv fortzusetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Ehrenberg hat soeben den sozialen Rechtsstaat beschworen. Und er sagte, daß die Krise und die Probleme nicht zu Lasten der Ärmsten beseitigt werden sollten. Herr Minister Ehrenberg, haben Sie an diesen guten Grundsatz auch bei der Verabschiedung der Rentengesetze gedacht?
Hier haben Sie doch entgegen den Vorschlägen derCDU/CSU die kleinen Rentner eben nicht geschont,haben Sie die Kriegsopfer erheblich belastet. Was nützt es, heute abend diese hehren Grundsätze zu verkünden, wenn man dann, wenn es darauf ankommt, nicht entsprechend handelt!
Herr Minister, Sie sprachen auch von Glaubwürdigkeit. Ist man denn glaubwürdig, wenn man z. B. den Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Behinderte ablehnt, in namentlicher Abstimmung niederstimmt und ihn dann drei Monate später als eigenen Gesetzentwurf wieder einbringt?
Herr Minister, dieses „schäpferische Abschreiben" schafft keine Glaubwürdigkeit, schafft kein Vertrauen. Am 8. Juni dieses Jahres stimmten SPD und FDP im Deutschen Bundestag den Antrag der CDU/ CSU auf Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte in namentlicher Abstimmung nieder.
Heute lesen wir in der Begründung zum Gesetzentwurf der SPD und der FDP, daß es sich bei Herabsetzung der Altersgrenze für Schwerbehinderte um ein altes Anliegen der Bundesregierung handle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Behauptung nenne ich eine Unverfrorenheit.
Ich nenne sie deshalb unverfroren, weil SPD und FDP offensichtlich ignorieren wollen, daß die CDU/ CSU dieses sogenannte alte Anliegen der Bundesregierung längst aufgegriffen hatte.Schon im Bundesrat ist angeführt worden, daß es dem Ansehen der Gesetzgebungsorgane abträglich sei, wenn eine von der Opposition ergriffene Gesetzesinitiative von ,der Bundesregierung und der Koalitionsmehrheit im Deutschen Bundestag zunächst abgelehnt und knapp drei Monate später bei unveränderter Sachlage als besonders eilbedürftige Regierungsvorlage erneut eingebracht wird. Dieses Verfahren widerspricht den bisher üblichen Regeln für den Umgang der Verfassungsorgane miteinander ' und zeugt auch von einem bedenklichen Verfassungsverständnis.
Hier ist sicherlich viel Vertrauen verlorengegangen, Vertrauen bei den Behinderten, Vertrauen bei den Verbänden und Vertrauen bei all denen, die Ihren Versprechungen geglaubt haben, daß im Rahmen der Rentenanpassungsgesetze redlich nach einer Lösung gesucht wird.
Unser Gesetzentwurf wurde mit der Drucksache 8/1087 bereits am 26. Oktober 1977 vorgelegt. Die erste Beratung fand am 8. Dezember letzten Jahres im Deutschen Bundestag statt. Mein Kollege Geisenhofer und ich forderten schon damals alle Fraktio-
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Burgernen auf, eine dringend notwendige und sozialpolitisch höchst wünschenswerte Entscheidung gemeinsam zu fällen. Die Zahl der Arbeitslosen war steigend. Weder das Schwerbehindertengesetz noch die von Ihnen, Herr Minister, so herausgestellte finanzielle Sonderförderung schafften eine spürbare Abhilfe. Es war jedem Einsichtigen klar, daß vor allem die älteren Behinderten, die meist keine berufliche Rehabilitation hatten, dem harten Verdrängungswettbewerb in einer Phase langandauernder Arbeitslosigkeit weder psychisch noch physisch gewachsen waren. Soweit arbeitslos, hatten sie kaum eine Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.Es mußte deshalb schnell geholfen werden. Aber SPD und FDP gönnten offensichtlich der Unionsfraktion nicht den Erfolg einer sinnvollen Alternative.
Besonders die SPD glaubt immer noch, eine Art Alleinvertretungsanspruch für den sozialen Fortschritt beanspruchen zu können. So sagte man im Deutschen Bundestag und in den Ausschüssen während der Beratungen zwar ein grundsätzliches. Ja zum Anliegen der Union, aber man prügelte gleichzeitig auch heftig auf uns ein. Die SPD-Kollegin Frau Steinhauer verstieg sich zu der Behauptung, der Gesetzentwurf der Union sei unaufrichtig, sei unvollständig und sei unsolide.
— Wieso ist das wahr? Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ich frage die Regierung, ich frage die Fraktionen von SPD und FDP, was sich denn in den letzten Wochen geändert oder gebessert hat, mit welchen entscheidenden finanziellen Verbesserungen Sie rechnen konnten, daß angeblich Unsolides nun plötzlich ideal wird. Oder ist es so, daß eine richtige Initiative für Sie nur dann gut ist, wenn sie Ihre Unterschrift oder die Unterschrift der Bundesregierung trägt? Meine Damen und Herren, dies kann doch so nicht richtig sein.
Ich habe vorhin schon gesagt, daß durch diese Behandlung . Vertrauen verlorenging, daß Mitbürger enttäuscht wurden. Das Problem der Dauerarbeitslosigkeit der älteren Schwerbehinderten wurde völlig unnötig auf Eis gelegt, weil SPD und FDP nicht bereit waren, sich im Zusammenhang mit dem 21. RAG rechtzeitig zu entscheiden, um gemeinsam mit der CDU/CSU eine humane Entscheidung zu fällen.Auch ein Zweites setzt in Erstaunen: Es ist die Erklärung in der Begründung dieses Gesetzentwurfes, daß für die Bundesregierung für die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in erster Linie sozialpolitische Erwägungen maßgeblich seien. Diese Äußerung ist deshalb widersprüchlich, weil der Gesetzentwurf Bestandteil eines Programms, des sogenannten Gipfelpaketes, ist, das doch ausdrücklich wirtschaftspolitische Ziele hat.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird am Inhalt ihres ursprünglichen Antrages, der ersten parlamentarischen Initiative zur Herabsetzung der flexiblenAltersgrenze für Schwerbehinderte, festhalten. Sie wird in den Beratungen konstruktiv mitarbeiten. Wir wollen für die betroffenen Behinderten möglichst bald klare Verhältnisse schaffen. Es geht uns vorab um deren Schicksal und nicht darum, daß sich einige um soziales Profil bemühen.
Wir bedauern auch, daß nicht bekannt ist, wie viele Schwerbehinderte im Arbeitsleben stehen. Dies ist ein Mangel. Obwohl alle anerkannten Schwerbehinderten durch die Versorgungsämter erfaßt sind, ist die Statistik lückenhaft. Wichtige Informationen, die für die Beratung erforderlich wären, können nicht gegeben werden. Die Kostenschätzungen sind daher wirklich nur Schätzungen. Sie stützen sich vorab auf die bisherigen Erfahrungen mit der vorgezogenen Altersgrenze. Wer die errechneten Mehraufwendungen für die nunmehr vorgesehene stufenweise Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze im Entwurf der Bundesregierung und der Koalition mit unseren Berechnungen seinerzeit vergleicht, kann feststellen, daß wir damals sauber gerechnet haben.Leider steht fest, daß die Frauen von den vorgesehenen Verbesserungen kaum einen Nutzen haben werden. Die Sonderregelung für berufstätige Frauen ' mit der Möglichkeit einer Berentung bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres ermöglicht bisher schon für berufstätige Frauen eine vorzeitige Pensionierung. Frauen aber, die von dieser Regelung keinen Gebrauch machen können, werden auch kaum von der flexiblen Altersgrenze profitieren, weil sie in aller Regel, wie die Erfahrung zeigt, die notwendigen 35 Versicherungsjahre nicht nachweisen können.Wir haben über dieses Thema auch mit Direktor. Hoffmann von der BfA in Berlin noch vor wenigen Tagen gesprochen. Er hat auf Anfrage bestätigt, daß in den Schätzungen der Angestelltenversicherung für diesen Gesetzentwurf mit antragsberechtigten Frauen kaum gerechnet wird. Wir haben auch bei den Kostenberechnungen immer darauf hingewiesen, daß diese beklagenswerte Situation von uns vielleicht nicht voll gewürdigt und gesehen worden ist, und wir sollten auch bei den Beratungen im Ausschuß zu diesem Thema noch einmal besonders Stellung nehmen.Ich möchte mit Nachdruck auch noch einmal das Prinzip der Freiwilligkeit nennen, das für die Praxis der vorzeitigen Berentung in Betrieb und Verwaltung unbedingt zugrunde gelegt werden muß. Es darf kein Abschieben geben.
Wir müssen bei der Altersgrenze von den jeweiligen subjektiven, sehr unterschiedlichen Gegebenheiten ausgehen. Wir sollten überhaupt bei der Altesrgrenze zu immer größerer Flexibilität kommen. Dies fordern insbesondere die Gerontologen, und zwar Flexibilität nach oben und unten, also nach beiden Seiten.
Auch wir wünschen und erwarten, daß frei werdende Pflichtplätze für Behinderte in Wirtschaft und
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8158 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
BurgerVerwaltung wieder mit Behinderten besetzt werden. Aus Sonderschulen kommen jährlich 50 000 bis 60 000 jugendliche Behinderte. Sie suchen einen Dauerarbeitsplatz, sie suchen Ausbildungsplätze. Die Berufsbildungswerke rehabilitieren kontinuierlich Männer und Frauen, die als Folge von Unfällen und Krankheiten und wegen angeborener Leiden Dauerschäden haben. Sie sind heute beruflich qualifiziert, und sie sollten deshalb auch angenommen werden. Noch vorhandene Vorbehalte sollten endlich abgebaut werden.Die Herabsetzung der Altersgrenze soll nach dem Entwurf in Stufen erfolgen. Eine Begründung für diese stufenweise Herabsetzung wird nicht gegeben. Es wird deshalb angenommen, daß ausschließlich finanzielle Erwägungen ausschlaggebend sind.
Die CDU/CSU hält im Blick auf die hohe Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter diesen Stufenplan im Grunde für mißlich und auch für kleinlich. Wenn man Milliardenprogramme beschließt, sollte man bei aller Notwendigkeit von Stabilität und Solidität gerade in diesem Bereich auf 50 oder 100 Millionen DM, die ja nur phasengerecht verschoben werden, nicht unbedingt Rücksicht nehmen.
Man muß sich auch fragen, ob es sinnvoll ist, für 60jährige Behinderte einen niedrigeren Hinzuverdienst zuzulassen als für 62jährige. Doch darüber, meine Damen und Herren, wollen wir im Ausschuß gern näher sprechen.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß: Die CDU/CSU bedauert, daß SPD und FDP erst heute bereit sind, die Altersgrenze für Behinderte herabzusetzen. Wir werden auf der Grundlage unseres eigenen Antrags mitarbeiten und auf zügige Beratung drängen, um eine baldige Entscheidung herbeizuführen. Denn wir sehen in der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte die Verwirklichung eines dringlichen sozialpolitischen Anliegens.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Burger hat seine Rede soeben mit einem Bedauern beendet. Ich beginne mit einem Bedauern, nämlich mit dem, daß der Kollege Burger diese Rede gehalten hat. Denn ich meine, daß diese Rede völlig unangemessen war. Ich will nicht sagen: unverfroren,
wenngleich er verschiedene Dinge so bezeichnet hat, die im Zusammenhang mit der Vorlage eines solchen Gesetzentwurfes stehen, und zwar an die Adresse der SPD-Bundestagsfraktion gerichtet. Nun, das will ich mir alles schenken.Herr Kollege Burger hat sein Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, daß diese Bundesregierung und die Fraktionen von SPD und FDP mit ihren Beschlüssen gelegentlich Erstaunen auslösen. Ich finde, das spricht für uns: daß wir bei Ihnen immer wieder Erstaunen hervorrufen können. Und Sie können sich ja auch eigentlich immer wieder darauf verlassen, daß wir die sozialpolitischen Forderungen, die wir stellen, dann auch selbst erfüllen. Bei Ihnen dagegen haben wir immer sehr lange darauf gewartet.
Das geht hier ja nun wirklich einigermaßen prompt. Darüber sollten Sie sich mit uns freuen, Herr Kollege Burger.Daß Sie das nicht tun, beweist die Frage, die Sie uns hier gestellt haben, nämlich die Frage, was sich denn so entscheidend gebessert habe.
— Wenn wir so gefragt werden, dann werden wir versuchen, darauf eine Antwort zu geben. Im übrigen ist diese Frage, die hier gestellt worden ist, zumindest naiv. Das heißt: Wenn Herr Kollege Burger die Bundesregierung und die Fraktionen der SPD und FDP fragt, was sich denn in den letzten Wochen so gebessert habe und welche entscheidenden finanziellen Veränderungen eingetreten seien, die angeblich Unsolides so plötzlich ideal werden ließen — so haben Sie sich doch hier ausgedrückt, Herr Kollege Burger —, dann kann ich Ihnen nur entgegnen: Das Neue — —
— Das Neue ist ja nicht nur der Gipfel. Sie sollten sich über diesen Gipfel nicht lustig machen!
Sie haben nicht das Recht, sich über diesen Gipfel lustig zu machen. Der hat nämlich nicht nur internationale wirtschafts- und sozialpolitische Bedeutung, sondern auch wirtschafts- und sozialpolitische Bedeutung für dieses Land.
Da sollten Sie mitarbeiten! Das haben Sie auch in diesem Punkt wieder nicht getan.Nun lassen Sie mich einmal sagen, was sich da geändert hat.
— Auch nicht. Diese Ablenkungsmanöver, Herr Hasinger, sollten Sie heute nicht anwenden. — Es hat sich folgendes geändert: Sie haben mit der Vorlage Ihres Gesetzentwurfs keinen Finanzierungsvorschlag gemacht und der Rentenversicherung, um deren Konsolidierung wir hier hart gerungen haben, zugemutet, diese Kosten voll zu übernehmen. Wir dagegen haben im Rahmen dieses Gipfels, d. h. im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel, dafür gesorgt, daß es auch eine sozialpolitische Komponente gab und daß sich diese Komponente für die
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GlombigSchwerbehinderten ausgezahlt hat. Ist das kein Erfolg?
Sie sollten sich wirklich mit uns gemeinsam darüber freuen, daß nicht die Rentenversicherung, die Beitragszahler die Last für die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze tragen müssen,
sondern daß das aus Mitteln des Bundeshaushalts finanziert wird.
— Vorläufig bis 1981; dann reden wir noch einmal darüber. Aber seien Sie doch froh, daß bis 1981 die Steuerzahler, d. h. der Bund, diese Kosten übernehmen.
Kein Wort der Anerkennung, nur Worte des Mäkelns, des fortwährenden Mäkelns.Dann behaupten Sie noch, wir hätten von Ihrem Entwurf abgeschrieben.
Das beweist doch, daß Sie unseren Entwurf, d. h. den Entwurf der Bundesregierung und der sozialliberalen Koalition, überhaupt nicht gelesen haben. Sonst könnten Sie in diesem Zusammenhang nicht zu einer solchen Aussage kommen. Ich finde das wirklich sehr traurig.
Herr Burger hat gesagt, auch ein zweiter Punkt setze ihn in Erstaunen. Er ist heute ganz erstaunt, und darüber bin ich wiederum erstaunt. Es setzt ihn nämlich die Erklärung in der Begründung des Gesetzentwurfes in Erstaunen, daß für die Herabsetzung ' der flexiblen Altersgrenze für die Bundesregierung in erster Linie sozialpolitische Erwägungen maßgebend sind. Welche sollten denn sonst maßgebend sein, frage ich mich, wenn es um die Schwerbehinderten und ihre flexible Altersgrenze geht? Diese Frage ist viel erstaunlicher als das Motiv, das da dahintersteckt, nämlich ganz einfach und schlicht Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik für die Behinderten. Die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte in der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein sozialpolitischer Fortschritt von arbeitsmarktpolitischer und von größter humanitärer Bedeutung. Daran haben wir nie gezweifelt. Wir freuen uns, daß wir jetzt soweit sind. Das war auch für uns nicht einfach; aber wir haben das erreicht.Dieses Gesetz wird für all jene Erleichterung bringen, die als Schwerbehinderte unter besonderen persönlichen Belastungen leider immer noch allzuoft mit objektiven Erschwernissen, z. B. der Arbeitsplatzgestaltung, kämpfen müssen. Hierzu hat der Forschungsminister ein Programm vorgelegt. Wir sollten ihm an dieser Stelle dafür danken, daß er ge-rade gezielt für die Behinderten und die Ausgestaltung ihrer Arbeitsplätze ein Programm vorgelegt hat. Ich finde, das ist auch von seiten der Opposition der Anerkennung wert.Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was im Gesetzentwurf steht, damit es hier nicht vergessen wird.Die Schwerbehinderten sollen ab 1. Januar 1979 bereits mit 61 Jahren und ab 1. Januar 1980 bereits mit 60 Jahren Altersruhegeld beziehen können, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Diese sind allerdings die gleichen geblieben.Diese Regelung sollte zugleich als ein Beweis für die humane Gesinnung unserer Gesellschaft und unserer sozialen Demokratie gewertet werden.Bei allen Bemühungen, internationalen wirtschaftspolitischen Verpflichtungen nachzukommen, wie sie Gegenstand des Bonner Weltwirtschaftsgipfels gewesen sind, ist festzustellen: Die sozialpolitischen Anliegen werden von dieser Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und von dieser sozialliberalen Koalition keineswegs stiefmütterlich behandelt. Im Gegenteil: Die sozialpolitische Bilanz der Sommermonate ist ausgesprochen positiv. Mit dem Gesetzentwurf über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr — der Herr Bundesarbeitsminister hat darauf bereits hingewiesen — und mit der im August in Kraft getretenen Ausgleichsabgabeverordnung zum Schwerbehindertengesetz sind Fortschritte in der Sozialpolitik insbesondere für Behinderte gemacht bzw. eingeleitet worden. Damit sind Signale gesetzt. Sozialpolitik zur Weiterentwicklung unseres sozialen Rechtsstaates ist auch unter weltweit schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen möglich und finanzierbar.
— Nein, damals nicht, weil erst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden mußten. Warum be-greifen Sie das nicht? Sie wollen es nicht begreifen.
Herr Kollege Glombig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hasinger?
Gern, Herr Hasinger, bitte.
Ich möchte gern noch einmal auf die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte zurückkommen. Herr Kollege Glombig, würden Sie es für möglich halten, daß wir in den Ausschußberatungen gemeinsam nach einem Weg suchen, wie die stufenweise Einführung dieser Senkung vermieden und sofort eine Herabsetzung auf 60 Jahre erreicht werden kann?
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Wenn Sie uns, Herr Kollege Hasinger, im Gegensatz zu Ihrer früheren Taktik bei allen diesen Fragen einen vernünftigen Finanzierungsvorschlag machen, können wir darüber reden. Ich sehe im Augenblick einen solchen Finanzierungsvorschlag überhaupt nicht. Wenn Sie einen solchen Vorschlag machen können, sehen Sie uns auf Ihrer Seite. Ich finde es aber unerträglich, daß heute nachmittag von Herrn Häfele z. B. wieder gesagt worden ist, daß wir die Staatsverschuldung nicht noch höhertreiben dürften. Herr Häfele hat in diesem Zusammenhang vom Weihnachtsmann und seinen Geschenken, die gemacht werden, gesprochen. Ich fand das sehr zynisch. Herr Häfele muß dann natürlich auch sagen, wie solche „Geschenke" finanziert werden sollen. Ich meine im übrigen nicht, daß dies Geschenke sind. Wir müssen uns aber trotzdem darüber klar werden, wie das, was wir gemeinsam machen wollen, zu finanzieren ist. Diesbezüglich bin ich ganz aufmerksam und erwarte Ihre Vorschläge.Nun meine ich allerdings, Herr Kollege Hasinger, daß die sozialpolitische Initiative von Bundesregierung und sozialliberaler Koalition, mit der 'wir es jetzt zu tun haben — lassen Sie mich das nach dieser Rede von Herrn Burger ganz offen sagen —, den Schleier zerreißt, hinter dem die Opposition sich zu verbergen versucht. Das wird bei den Ausschußberatungen sicher deutlich werden.Die Union konzentriert sich bei ihren Stellungnahmen zu den Beschlüssen der Bundesregierung auf Forderungen, die den Bund weiter belasten und die Finanzautonomie der Gemeinden einschränken. Das haben wir im Grunde genommen auch von -Herrn Ministerpräsident Späth bestätigt bekommen. Nichts anderes war eigentlich der Inhalt dieser Rede.Bei der Verfolgung des sozialen Anliegens einer Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte — auch das muß bei dieser Gelegenheit gesagt werden — ist der Opposition seit Dezember des vergangenen Jahres der Atem ausgegangen. Aus der Zwischenfrage des Kollegen Hasinger könnte man vielleicht entnehmen, daß die Opposition wieder neuen Atem bekommen hat. Mich würde das allerdings sehr erstaunen, denn die Feststellung, die ich eben getroffen habe, bezieht sich natürlich und besonders auf alles das, was die Finanzierung angeht. Der Opposition ist nämlich in der Tat seitdem überhaupt nichts Neues mehr eingefallen. Sollte ihr inzwischen etwas Neues eingefallen sein, müßte man das doch eigentlich gehört haben. Dann hätten wir einen schönen Auftakt für die Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung gehabt, mit denen wir so schnell wie möglich beginnen wollen.Herr Kollege Burger, dies — wollen wir das doch ruhig einmal klar beim Namen nennen — ist nun einmal die Art der Opposition, die wir auch beim 21. Rentenanpassungsgesetz erleben mußten. Sie haben auch damals einen Vorschlag mit einem Defizit von 10 Milliarden DM unterbreitet, ohne zu, sagen, wie dieses Defizit auszugleichen ist und wie der Vorschlag zu finanzieren sei. Man muß schon den Eindruck gewinnen, daß es der Union ohnehin einerlei ist, wie ihre Gesetzesvorlagen finanziert werden. Entschuldigen Sie dieses harte Wort. Mankann sich aber nicht davonmogeln und sagen: Es ist nur unsere Aufgabe, Forderungen zu stellen. An den Überlegungen, wie die Vorhaben im einzelnen finanziert werden, wirken wir nicht mit. — Wir können Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen.Uns ist das nicht einerlei. Sozialdemokraten berücksichtigen bei allen sozialpolitischen Maßnahmen die Rahmenbedingungen des weltweit verlangsamten wirtschaftlichen Wachstums. Für die Finanzen der Rentenversicherung ist dies mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz geschehen. Dies soll und muß auch bei der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte dadurch geschehen, daß sie stufenweise vorgenommen wird und die Kosten dafür vorläufig — bis 1981 — vom Bundeshaushalt getragen werden. Davon müssen wir ausgehen, solange keine brauchbaren Vorschläge anderer Art vorliegen.Gegenüber der unverantwortlichen Taktik der Opposition, sich zu weigern, für ihre angeblichen Alternativen, von denen wir heute wieder gehört haben, ausreichende Finanzierungsvorschläge zu machen, beweist die sozialliberale Koalition, daß der soziale Fortschritt finanzierbar ist, wenn man so etwas vernünftig und mit Überlegung angeht.Zur flexiblen Altersgrenze hat die Union noch nie eine richtige Einstellung gefunden. Sie war — auch das muß bei dieser Gelegenheit gesagt werden, weil draußen so viele schöne Sachen denen erzählt werden, die nicht imstande sind, die Richtigkeit nachzuprüfen; deswegen muß ich daran erinnern —1972 erst einmal grundsätzlich gegen die flexible Altersgrenze. Der Herr Kollege Franke wird mir nicht widersprechen.
— Das ist eben nicht falsch. Das kann man beweisen. Aber Sie haben ja die Möglichkeit,das richtigzustellen.Dann wollte die Union damals — das war ja das Grandiose an diesen Überlegungen — einen versicherungsmathematischen Abschlag von der Rente einführen.
— Na ja! Erst einmal doch einen Abschlag für all diejenigen, die eher aufhören. Das ist doch klar! Die sollten doch keinen Zuschlag kriegen!
— Sozusagen als Abschreckung, als Bestrafung für alle, die von dieser Möglichkeit des früheren Rentenbezugs Gebrauch machen wollten.
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Glombig — Von denen, die länger arbeiten, reden wir nicht. Wir reden von der flexiblen Altersgrenze für die, die eher aufhören zu arbeiten. Von denen ist hier die Rede, d. h. von denen, die statt mit 65 Jahren mit 63 oder 62 aufhören können. Und da sollte es sich doch nicht um einen versicherungsmathematischen Zuschlag, sondern um einen versicherungsmathematischen Abschlag handeln.
— Gut. Ich werde mich dann von Ihnen aufklären lassen.Das hätte, wie gesagt, für viele Versicherte, die seit 1972 mit 63 Jahren oder als Schwerbehinderte mit 62 Jahren in Rente gegangen sind, katastrophale Auswirkungen haben müssen, insbesondere für die Schwerbehinderten.
Die Einführung der flexiblen Altersgrenze, für die sich die sozialliberale Koalition 1972 gerade im Interesse der Schwerbehinderten eingesetzt hat, wollte die Opposition anfänglich sabotieren. Sie ist dabei gescheitert. Ich sage noch einmal: Trotzdem. tut sie so, als sei sie —
— Ja, sabotieren! Natürlich. Ich kenne ja diese Verhandlungen im Ausschuß. Deshalb ist es für mich so ungeheuer interessant, immer wieder festzustellen, daß Sie so tun, als seien Sie der Vorreiter für die flexible Altersgrenze.
— Sie sind es nie gewesen, und Sie werden es sicher auch nie sein.
— Das ist richtig!
Mit der Einführung und der weiteren Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde eine alte sozialdemokratische Forderung verwirklicht. Vielleicht darf man auch noch mal darauf hinweisen, daß diese Forderung zuletzt auf dem Hamburger Parteitag der Sozialdemokratischen Partei im Herbst des vergangenen Jahres erneut deutlich unterstrichen worden ist. Weil Herr Burger sich darüber beklagt hat, wie die Dinge gelaufen sind, sage ich: Es mag sein, daß die Opposition mit ihrem Gesetzentwurf vom Dezember 1977 auf diese sozialdemokratische Forderung reagieren wollte.
— Ja; reagieren wollte. Sicher! Dann hat sie das aber nur sehr unzulänglich getan. Sie hat dabei sicher richtig eingeschätzt — um auch das noch mal mit aller Deutlichkeit zu sagen —, wie zuverlässigsich Sozialdemokraten um die Verwirklichung ihrer sozialpolitischen Forderungen bemühen.
Das ist während der Beratungen über das 21. Rentenanpassungsgesetz ganz deutlich geworden. Denn damals hat die sozialliberale Koalition bereits • angekündigt — und das sollten Sie berücksichtigen —, daß sie aus sozialpolitischen Gründen alsbald die flexible Altersgrenze für Schwerbehinderte stufenweise herabsetzen wird. Diese Ankündigung konnte jetzt bereits wahrgemacht werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt daher ausdrücklich, daß ihre Initiative so rasch von der Bundesregierung aufgegriffen worden ist.
Die mit dem Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz unternommenen Konsolidierungsbemühungen dienen auf Dauer der Sicherung des Prinzips der bruttolohnbezogenen Rentenanpassung. Sie sind solide Fundamente einer Politik des sozialen Fortschritts. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein weiterer qualitativer Fortschritt in der Sozialpolitik für Behinderte verwirklicht. Dieser Fortschritt ist aus humanitären Gründen sinnvoll — um das noch einmal zu wiederholen —, sozial angemessen, von struktureller Bedeutung für den Arbeitsmarkt und finanziell abgesichert.Sie werden sich sicherlich nicht darüber wundern, wenn ich Ihnen zum Schluß sage — und ich glaube auch daran —, daß es für Sozialdemokraten keinen Stillstand in der Sozialpolitik gibt. Ich meine, daß auch dieser Gesetzentwurf diese Feststellung beweist.
Meine Damen und Herren, ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Cronenberg.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst meiner Dankbarkeit gegenüber Herrn Burger Ausdruck verleihen, weil er die Frage des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes sozusagen nur als Pflichtübung kurz gestreift hat. Ich meine, das ist eine angemessene Reaktion auf vernünftige Maßnahmen, die auch von einer vernünftigen Bevölkerung, insbesondere den Rentnern, vernünftig aufgenommen worden sind.
— Ich möchte mit dem Kollegen Franke nicht darüber streiten, warum das Wahlergebnis in Niedersachsen zu solchen für uns unangenehmen Folgen geführt hat. Ich hoffe aber nicht, daß der Kollege Franke die Genugtuung hat, daß es auf diese Dinge zurückzuführen ist.
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8162 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Cronenberg— Dann bin ich beruhigt und ziehe diese Bemerkung zurück.Eine zweite Bemerkung, die ich als Vorbemerkung verstanden wissen möchte, ist folgende. Schwerbehinderte und ihre Probleme sollten nicht zum Gegenstand parteipolitischer Profilierungsversuche mißbraucht werden. Unser Bemühen sollte der Lösung aller Probleme der Schwerbehinderten dienen und uns nicht bei unseren möglichen Wahlsorgen helfen.Es fällt mir daher nicht schwer, an die Jungfernrede des Kollegen George zu erinnern, der am 8. Juni dieses Jahres Ausführungen zu diesem Thema gemacht hat, die ich in Ihre Erinnerung zurückrufen möchte. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich hier wie folgt zitieren:Wie ein schwarzer, wie ein roter und wie ein gelber Faden, also wie ein schwarz-rot-gelber Faden, zieht sich seit der Einführung des flexiblen Altersruhegeldes durch die Rentenreform ' 1972 das Anliegen aller Parteien, aller Schwerbehindertenverbände und auch beider Seiten der Tarifpartner, gerade für die Schwerbehinderten die Altersgrenze so bald wie möglich auf 60 Jahre zu senken.Um bei gelb— bedauerlicherweise hat der Kollege George indiesem Zusammenhang die Farbe blau vergessen —anzufangen: Im „Initiativkatalog zur Förderung der Beschäftigung und der wirtschaftlichen Entwicklung" der FDP, den Sie, Herr Cronenberg, vor kurzem selbst vorgestellt haben, ist ein ausdrückliches Ja zur Herabsetzung dieser Altersgrenze formuliert.Er fährt fort — das ist eine Antwort an Herrn Hölscher —:Sie können nachher darauf antworten, ob Herr Cronenberg hier nur etwas zum Fenster hinaus gesprochen hat oder ob es um ein echtes Anliegen der Freien Demokraten geht.Bei der allgemein bekannten Fairneß des Kollegen George wird es ihm sicher nicht schwerfallen, nunmehr zuzustimmen, daß es sich um ein echtes Anliegen der Freien Demokraten gehandelt hat, das durchzusetzen wir in diesem Fall sogar mit Ihrer Unterstützung tun zu können hoffen. Es geht mir in diesem Zusammenhang weder um Vergangenheitsbewältigung, die mir hier etwas viel betrieben worden ist, noch möchte ich der These huldigen, die da lautet: George ruft, Kabinett antwortet, Parlament beschließt.
Daß wir aber unsere eigenen Vorstellungen in dieser Sache in einem angemessenen Zeitraum durchzusetzen versuchen, das möchte ich einmal sehr betont zum Ausdruck bringen. Ich hoffe, hier die Zustimmung von Ihnen zu erhalten.Da die Herabsetzung der Altersgrenze für Schwerbehinderte wohl in diesem Hause — mindestens was das Grundanliegen anbelangt; das ist hier schon mehrfach zum Ausdruck gebracht worden — allgemeine Zustimmung findet, sei es mir gestattet, in diesem Zusammenhang ernsthaft ein paar Fragen zu erörtern, von denen ich sicher bin, daß sie uns in der nächsten Zeit beschäftigen werden. Unbestritten ist das humanitäre Anliegen, den Behinderten -zu helfen; denn Behinderungen wirken sich im Alter besonders belastend aus. Aus diesem Grund wollen wir alle diesem gesellschaftspolitischen Ziel durch eine besondere Altersgrenze Rechnung tragen. Der Behinderte muß mehr Wahlfreiheit erhalten. Er muß den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsleben selbst bestimmen können. Dieser Grundsatz hat aus der Sicht der FDP Vorrang vor den arbeitsmarkt- und finanzpolitischen Problemen einer solchen Regelung.
Dies verpflichtet uns aber gerade im Interesse der Behinderten, uns mit diesen arbeitsmarktpolitischen und finanzpolitischen Problemen sehr ernsthaft auseinanderzusetzen.Dem Behinderten ist am allerwenigsten damit gedient, wenn der Gesetzgeber Maßnahmen beschließt, die finanziell nicht vertretbar sind oder die die Beschäftigungssituation der Behinderten negativ beeinflussen können. Wir müssen in diesem Zusammenhang außerordentlich großen Wert auf das Freiwilligkeitsprinzip legen. Die Neuregelung darf nicht zu einer Verdrängung von Schwerbehinderten führen; denn für Liberale ist nicht nur Unterhaltssicherung, sondern auch Selbstverwirklichung und Selbstbestätigung in der Gemeinschaft Sinn der Arbeit. Wir haben dies ausdrücklich noch einmal in unseren Kieler Thesen zum Ausdruck gebracht.Viele Schwerbehinderte üben auch nach dem 60. Lebensjahr gern ihren Beruf aus. Die Wahlfreiheit, die wir hier vorschlagen, würde in ihr Gegenteil verkehrt werden, wenn Arbeitgeber, Betriebsräte oder nachdrängende Arbeitnehmer die Herabsetzung mißbrauchten, um Schwerbehinderte dieser Altersgruppe aus dem Arbeitsleben zu verdrängen. Hier ist die soziale Verantwortung in ganz besonderem Maße gefordert.Zu dieser sozialen Verantwortung, unserer sozialen Verantwortung, gehört es auch, daß wir uns ernsthaft einmal mit der Frage beschäftigen, ob die jetzigen Kündigungsregelungen für Behinderte einen wirksamen Kündigungsschutz bewirken — das ist sehr unzweifelhaft — und ob sie nicht gleichzeitig dazu führen, daß die Einstellung von Schwerbehinderten möglicherweise stark erschwert wird.Durch Ausgleichsabgaben finanzierte Behindertenwerkstätten — so notwendig und sinnvoll dieselben sind — sind kein Ersatz für die nötige Integration der Behinderten in Beruf und Gesellschaft. Eine offene Diskussion über diesen Fragenkomplex scheint mir im Interesse der Behinderten unerläßlich.Die beschäftigungspolitischen Folgen sind schwer abzuschätzen. Wir wissen weder, wie viele Schwerbehinderte auf Grund der Neuregelung ausscheiden,
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Cronenbergnoch, wie viele frei werdende Arbeitsplätze überhaupt besetzt werden können. Von den beschäftigungspolitischen Auswirkungen hängen aber natürlich auch die finanziellen Auswirkungen ab. Ich bin ehrlich genug, hier zuzugeben, daß wir nicht wissen und auch nicht wissen können, wie sich diese Dinge auswirken. Diese Ungewißheit hat es nach unserer Auffassung auch gerechtfertigt, die vorgesehene Staatsfinanzierung mindestens für den vorgesehenen Zeitraum ins Auge zu fassen.In diesem Punkte unterscheiden wir uns auch von den damaligen Vorschlägen der Opposition, denn wegen der erreichten Beitragshöchstbelastung innerhalb der Rentenversicherung möchten wir zu diesem Zeitpunkt den Rentenversicherungen keine unabwägbaren Risiken und Belastungen zumuten. Nach etwa drei Jahren werden wir zuverlässiger beurteilen können, welche finanziellen und beschäftigungspolitischen Auswirkungen die Novellierung dieses Gesetzes haben wird, und natürlich haben wir die Hoffnung — hier schließen wir uns dem Appell des Bundesarbeitsministers voll und ganz an —, daß ein möglichst hoher Prozentsatz der freigewordenen Positionen wieder durch Behinderte besetzt werden kann.Zum Schluß darf ich feststellen, daß trotz einiger scheinbarer Gegensätze, die sich im wesentlichen auf die Vergangenheitsbewältigung bezogen, ein sinnvolles und richtiges Gesetzesvorhaben von den Koalitionsfraktionen zum richtigen Zeitpunkt eingebracht und, mindestens in seiner Substanz, von der Opposition begrüßt worden ist. Ich meine, daß dies in diesen recht wahlkampffreudigen Zeiten ein sehr positiver Aspekt ist, der verdeutlicht, daß in diesem Hause nicht nur sinnlos gestritten, sondern gelegentlich auch Positives gemeinsam gemacht werden kann. Dies einmal zu bemerken hat mir viel Freude bereitet.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Geier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Verbindung mit den finanziellen und sozialen Besserstellungen für unsere Bürger steht heute auch die Erhöhung des Kindergeldes zur Debatte. Wir begrüßen, daß die Regierung durch Erhöhung des Kindergeldes in der vorgesehenen Form endlich einen spürbaren Schritt der Hilfe für die Mehrkinderfamilie vorschlägt. Es sei uns aber doch erlaubt, zu bemerken, daß dies wohl nicht allein aus der besseren Einsicht und Erkenntnis des unschätzbaren Wertes der Familie für unsere Gesellschaft entstanden ist, denn noch im Juli dieses Jahres hat die Bundesregierung es abgelehnt, das Kindergeld zu verbessern. Unsere wiederholten Anfragen wurden immer sehr ausweichend beantwortet, und der im Mai 1978 vorgelegte Sozialbericht zeigte ebenfalls keinerlei Perspektiven zur Weiterentwicklung des Familienlastenausgleichs.Lassen Sie mich mit einem leichten Lächeln feststellen,
warum die Bundesregierung jetzt den Nothelfer fürdie hessischen Landtagswahlen spielt: um den anti-familiären Trend der dortigen Bildungspolitik durch familienfreundliches Verhalten in Bonn zu korrigieren.Streichen wir aber diese wahltaktischen Ziele und stellen nüchtern fest: Dieser erste Schritt zur finanziellen Verbesserung für die Mehrkinderfamilie ist nicht nur eine zusätzliche Leistung, sondern damit wird nur ein längst überfälliger Nachholbedarf eingeleitet.
Begrüßenswerterweise ist jetzt endlich auch der Koalition aufgefallen, wie sozial unerträglich der Zu-stand in unserem Lande geworden ist, weil seit Jahren Durchschnittsverdiener bei nur zwei Kindern beachtliche soziale Benachteiligungen hinnehmen müssen. Wenn in der gleichen Lohngruppe diese Familie sich den Luxus von drei oder mehr Kindern erlaubt hat, rückt ihr Lebensstandard sogar in die gefährliche Nähe der Sozialhilfeschwelle.Wen wundert eigentlich noch das derzeitige generative Verhalten von Ehepaaren? Der Rückgang der Zahl der Familien mit zwei Kindern unter 15 Jahren betrug im Zeitraum von 1973 bis 1977 5,3 °/o, bei drei Kindern 23,8 °/o und bei vier und mehr Kindern sogar 39,4 °/o. Sehen wir uns dazu noch die Statistik der Eheschließungen an! Ihre Zahl liegt in den ersten sieben Monaten 1978 um 11,9 °/o niedriger als die Vergleichszahl im Vorjahr, obwohl die wachsende Stärke der heiratsfähigen Jahrgänge eigentlich viel mehr Eheschließungen hätte erwarten lassen sollen.Der derzeitig zurückgehende Geburtentrend erscheint noch gravierender, wenn wir die 35 000 registrierten Schwangerschaftsabbrüche im ersten Halbjahr 1978 — plus der Dunkelziffer, die nach Angaben des Familienministeriums überhaupt nicht zu schätzen ist — und die Zahl der jährlichen 60 000 Schwangerschaftsabbrüche im Ausland einbeziehen, die Frau Minister Huber neulich bekanntgab. Dieser Gesamtzustand ist so erschütternd, daß er eine Warnung an jeden Politiker sein muß, der über die Tagespolitik hinaus sich auch noch für eine sozialpolitische Zukunftsicherung unseres Volkes im Jahr 2000 und darüber hinaus verantwortlich fühlt.Es ist noch gar nicht so lange her, daß selbst Frau Minister Huber sagte, eine finanzielle Hilfe für Familien habe keinen wirksamen Einfluß auf den Willen der Eltern, mehr Kinder großzuziehen.
Damals war der Frau Minister Huber sicher noch nicht der sichtbare Erfolg der jüngsten Geburtenstatistik der DDR bekannt
und vielleicht auch nicht die EMNID-Umfrage 1978, die gerade ihre Behauptungen widerlegt. Diese Meinungsumfrage ergab, daß 48 % der befragten jungen Menschen eine wesentliche Erhöhung des Kinder-
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8164 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Frau Geiergeldes absolut als geburtenfördernd ansehen und daß sogar 54 % der Befragten der Meinung waren, daß eine längere berufliche Freistellung der erwerbstätigen Mütter bei angemessener finanzieller Unterstützung den Geburtenzuwachs noch mehr fördern werde.Gerade diese demoskopischen Daten zeigen, daß die familienpolitischen Prioritäten, die von den Unionsparteien nicht erst jetzt, sondern schon seit Jahren vertreten werden, richtig sind, z. B. die Förderung nach spürbarer Erhöhung des Kindergeldes, auch die Einführung einer Honorierung der Erziehungsleistung von Mutter oder Vater, ebenso ein kinderfreundliches Wohnungsprogramm, ferner Ehe-und Familiendarlehen sowie Steuerfreibeträge.
SteuersenkungenDas ist der richtige Weg, glauben wir, um vielen Ehepaaren zu helfen, sich ihren Wunsch nach Kindern leichter erfüllen zu können.
— Kein Grund zur Aufregung! Die Unionsfraktion wird dem Achten Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes zustimmen, weil wir darin den ersten Schritt zur Umkehr Ihrer bisherigen Familienpolitik erkennen, nämlich zugunsten der Mehrkinderfamilie.
Aber grundsätzlich wollen wir hier und heute doch festhalten, daß die jetzt vorgesehene Leistungsverbesserung für noch nicht ausreichend angesehen werden kann, um den Familien mit Kindern tatsächlich die notwendige gesellschaftspolitische Entlastung zu sichern, und den gesunkenen Lebensstandard und Sozialstatus der Mehrkinderfamilien dem des kinderlosen Doppelverdienerehepaars oder der Ein-Kind-Familie anzupassen.Heute ist schon einige Male über die Freibeträge sehr kontrovers diskutiert worden. Ich verkenne die Problematik unter gar keinen Umständen, aber in die Überlegungen sollte doch einmal einbezogen werden, daß die überproportionellen Wirkungen nur in geringem Umfang den „sogenannten Begüterten" zugute kommen. Denken wir doch bei den Überlegungen auch einmal an diejenigen — das ist eine große Gruppe von Familien —, deren Kinder bereits im Ausbildungsalter sind, wo beide Elternteile berufstätig sind und deshalb hoch besteuert werden, obwohl sie große Ausgaben für die Ausbildung ihrer Kinder haben. Oder denken wir doch auch einmal an diejenigen, die durch eigenen Leistungsaufstieg ebenfalls in die Progressionszone kommen.Eigentlich ist auch gar nicht einzusehen — wir sollten vor allem einmal darüber nachdenken, was daran gerecht ist —, daß alleinstehende Väter einen Freibetrag bekommen,, aber intakt' Familien leer ausgehen sollen. Ich meine, darüber müßten wir miteinander und nicht so sehr gegeneinander reden. Vielleicht finden wir doch noch eine vernünftige Lösung.Wenn wir den stufenweisen Einstieg in eine finanzielle Verbesserung der Leistungen für dieFamilien begrüßen, • so sollten wir uns doch gleichzeitig davor hüten, diese Maßnahmen überzubewerten; denn wir müssen sie im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer sehen. Der Konsum entfällt zu über 50 °/• auf die Familien mit Kindern. Wenn die geplante Mehrwertsteuererhöhung in den kommenden Jahren fast 7 Milliarden DM ausmacht, dann entfällt davon zirka die Hälfte auf den Ausgabenbereich der Familien.
Die Familien werden also ab 1980 in einer Größenordnung von über 3 Milliarden DM zusätzlich belastet, während sich die entsprechenden Auswirkungen der jetzt geplanten Kindergelderhöhung nur auf zirka 2,5 Milliarden DM belaufen.
Wenn man die Probleme im einzelnen angeht, müssen wir auch daran denken, daß die Ein-KindFamilie durch die Mehrwertsteuer zusätzlich belastet wird, dafür aber keinen Ausgleich erhält. Wir sollten auch sehen, daß die geplante Kindergelderhöhung von 20 DM für das zweite Kind ab 1980 bei weitem nicht ausreicht, um die Mehrwertsteuererhöhung und allgemeinen Lebenshaltungskostensteigerungen, die sich bei diesen Familien niederschlagen, auch nur annähernd auffangen zu können. Lediglich die Kindergelderhöhung für das dritte Kind kann eine spürbare Erleichterung für die Familien mit mehr als drei Kindern mit sich bringen.
Wir sollten aber gleichwohl nicht aus dem Auge verlieren, daß sich gerade die Familien mit mehr als drei und vier Kindern trotz der jetzt geplanten Hilfe nach wie vor in der Nähe der Sozialhilfeschwelle bewegen werden, wenn der Vater der Alleinernährer dieser Familie ist.
Wenn wir uns alle in der Diskussion stehenden Verbesserungen einmal betrachten, so bleibt es uns nicht erspart: Wir müssen ein klares Bild der künftigen Mindestzielsetzung der Familienförderung bekommen. Jede Fraktion des Hauses sollte hierzu ihre Zielvorstellungen fest umreißen und auf den Tisch legen. Wir in der Union bemühen uns, dies in den nächsten Tagen tun zu können.
Dann sollten wir unsere gegenseitigen Vorschläge zum Wohle unserer Familien miteinander und nicht gegeneinander besprechen.
Ich darf auf die Materialien verweisen, die der rheinland-pfälzische Sozialminister, Dr. Gölter, vor wenigen Wochen in seinem Artikel „Wenig Kinder — wenig Kosten" vorgelegt hat. Da wird schlüssig nachgewiesen, daß die öffentliche Hand Jahr für Jahr zunehmend wegen der zurückgegangenen Kinderzahl Milliarden einspart. Es besteht absolut keine
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Frau GeierVeranlassung, die nominell zugewiesenen Mehrbeträge, die wir heute für die Leistungsverbesserung brauchen, als einen spektakulären Erfolg darzustellen, wenn wir nicht bereit sind, künftig zu diesen Beträgen auch noch jene Milliarden hinzuzugeben, die eben durch weniger Kinder eingespart werden. Die Zahl der Kinder unter 15 Jahre ist allein von 1973 bis 1977 um 12,7 % zurückgegangen, und wir wissen, daß sie Jahr für Jahr weiterhin beachtlich zurückgehen wird. Daher muß eine Prioritätensetzung möglich werden, wonach diese jährlichen Einsparungsbeträge familienfördernd zugeschlagen werden können, um damit eine qualitative Verbesserung der Familienförderung zu erreichen, ohne den Haushalt zusätzlich auszuweiten. Es darf auf gar keinen Fall so laufen, daß diese beim Kindergeld eingesparten Milliardenbeträge stillschweigend dazu verwendet werden, finanzielle Löcher an anderer Stelle im Bundeshaushalt zu stopfen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der in den nächsten Monaten zwischen den Regierungsparteien und der Unionsfraktion sicher kontrovers behandelt werden wird, der aber nicht unbedingt zu einer unerträglichen Polemik führen sollte. Es geht hier um die Überlegung der Bundesregierung zur Verbesserung der Mutterschaftsleistungen und zur Freistellung von der Arbeit für berufstätige Frauen bis zu einem halben Jahr nach der Entbindung. Berufstätige Mütter sollen demnach aus Mitteln des Bundes, über die Krankenkassen ausbezahlt, eine Ausgleichsleistung bis zu 750 DM monatlich erhalten, wenn sie in dieser Zeit auf die Erwerbstätigkeit verzichten. Das ist im Rahmen des Mutterschutzes für berufstätige Frauen zweifellos ein absoluter Fortschritt. Gleichzeitig ist das aber auch eine absolute soziale Benachteiligung jener Frauen, die wegen bereits vorhandener Kinder im Interesse der Kindererziehung und der Haushaltsführung für die Familie auf eine Berufstätigkeit verzichten.
Sie werden dafür, daß sie ihren Kindern und ihrer Familie das Beste geben, regelrecht in die Benachteiligung gedrängt. Von einer sozialen Gerechtigkeit, die einer fortschreitenden Gleichberechtigung, die wir ja alle wollen, einen besseren Weg zeigt, kann hier nicht die Rede sein. Es darf doch nicht bestraft werden, wenn eine Frau freiwillig ihren Kindern zuliebe das tut, was die Erziehungswissenschaften und die Medizin entgegen allen ideologischen Unkenrufen fordern: Die Mutter sollte wenigstens in den ersten drei Lebensjahren für das Kind die ständige Bezugsperson sein, da das Kind in keinem anderen Lebensabschnitt so nachhaltig geprägt wird wie eben in den ersten Lebensjahren.
Reden wir doch nicht immer nur von der individuellen Entscheidungsfreiheit der Frau, wenn es um Berufstätigkeit geht. Lassen wir doch jeder Frau die Wahlfreiheit, welchen Weg sie gehen will, und welchen Weg sie für richtig hält. Bekämpfen wir endlich einmal die so einseitig laufende Emanzipationsmotivation der Frauen und Mädchen, wonach ausschließlich Erwerbstätigkeit oder ein Karriereerfolg befreiend und emanzipatorisch wirken sollen. Dies kann der Hausfrauenberuf genausogut, wenn diese Gesellschaft darin nicht ein Abstellgleis für die „Nur-Hausfrau" sieht
oder diese Frauen sogar als die Dienenden, Unterdrückten ihrer Männer bezeichnet. Ähnliches haben wir ja im Familienbericht gelesen.CDU und CSU halten die von der Koalition vorgeschlagene Erweiterung der Mutterschutzleistungen nur für berufstätige Frauen einfach für ordnungspolitisch falsch. Wir halten sie deshalb für nicht richtig, weil wir außerhäusliche Erwerbstätigkeit und die Leistung der Hausfrau in der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder und in der Haushaltsführung als absolut gleichwertig betrachten.
Dies macht es für uns so problematisch, Mutterschaftsleistungen ausschließlich für berufstätige Frauen zu gewähren und die Hausfrauen völlig leer ausgehen zu lassen.Wir sind der Meinung, bei gutem Willen ist es möglich, auch finanzielle Leistungen für die Mütter, die nicht erwerbstätig sind, freizumachen, wenn wir einmal auf die durch den im Rückgang der Kindergeldaufwendungen freiwerdenden Mittel zurückgreifen und wenn wir uns die Mühe machen, die vorgeschlagenen Mutterschaftsleistungen einmal etwas differenzierter nachzurechnen. Bei jetzt zirka 300 000 betroffenen erwerbstätigen Müttern wird von einer Milliarde DM gesprochen. Was aber ist, wenn in Zukunft wegen des finanziellen Vorteils weitere 100 000 Mütter kurzfristig wieder in das Erwerbsleben gehen, bevor sie ihr zweites und ihr drittes Kind planen? Dann werden sich die Aufwendungen für das Mutterschaftsgeld erheblich steigern. Hinzu kommt bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation ein neuer Verdrängungswettbewerb durch Einstellung junger Frauen zu Lasten der älteren Frauen, die dann Arbeitslosengeld beziehen.Wenn wir alles in allem einmal auch unter dem Aspekt von Gewinn und Vorteil durchrechnen, was sich sehr viele Leute so ausrechnen werden, dann bringt es die finanzielle Mehrbelastung sicher mit sich, daß wir genausogut ein vernünftiges Gegenkonzept sozialer Gerechtigkeit gestalten können, wonach Mutterschaftsgeld für alle Frauen oder, wie wir sagen, Erziehungsgeld stufenweise eingeführt werden könnte. Eine nähere Betrachtung dieses Aspekts der Gerechtigkeit für alle Mütter würde sich meines Erachtens durchaus lohnen.Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Bei aller Offenheit für finanzielle Verbesserungen für die Familien, wie sie sich in allen Parteien zeigt, soll nicht unerwähnt bleiben, daß Geldleistungen allein nicht ausreichend sind, um eine Familienpolitik zu realisieren, die die allgemeine Wertstellung der Familie so verbessert, daß es sich wieder lohnt, vor allem aber wieder Freude macht, eine Familie zu sein. Dazu gehört vor allen Dingen die Unterbindung
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Frau Geier) einer fortschreitenden Ideologisierung über Konfliktstrategien, die das Eltern-Kind-Verhältnis permanent stören.
Seien wir uns doch darüber im klaren, daß finanzielle Verbesserungen allein im Bereich der Familienpolitik nur halbherzige Lösungen wären, wenn wir nicht gleichzeitig im ideellen, aber auch im rechtlichen Bereich für die Familien eine neue Grundbesinnung in der Politik einleiten, die dann den Menschen besser klar machen kann, warum die derzeitig arbeitende Generation maßvolle Einschränkungen zugunsten einer kinder- und familienfreundlicheren Gesellschaft hinnehmen muß:
Das Wort hat Frau Abgeordnete Eilers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die Beschlüsse der Bundesregierung zur Stärkung der Nachfrage und zur Verbesserung des Wirtschaftswachstums hier begrüßen und darüber hinaus feststellen zu können, daß sie einen wichtigen politischen Effekt enthalten. Sie sind nicht nur zur Stärkung der Wirtschaft angelegt, sondern sie stärken auch unsere Familien. Sie sehen gezielte Hilfsmaßnahmen vor, und zwar ebenso personelle Hilfe wie Hilfe materieller Art. Meine Fraktion begrüßt sehr nachdrücklich die für die neuen familienpolitischen Leistungen im Bundeshaushalt 1979 bereitgestellten Mittel, im einzelnen den Entwurf eines Achten Änderungsgesetzes zum Kindergeldgesetz sowie den Beschluß der Bundesregierung, Mitte 1979 einen Mutterschaftsurlaub im Rahmen des Mutterschutzgesetzes einzuführen.Ich freue mich, daß auch die Opposition trotz einigen Randgeplänkels, das nun einmal dazugehört, diese Dinge begrüßt hat. Ich bedaure aber, daß dabei der Randschlenker nicht vermieden werden konnte, dies sollten „Nothelfer für die Landtagswahlen" sein. Ich muß Ihnen sagen, das wären teure Nothelfer. Zum anderen wäre es makaber, wenn man so gut gesetzten familienpolitischen Akzenten eine Nothelferfunktion für Landtagswahlen, die ich nicht unterschätze, zuweisen wollte. Hier geht es um Politik für die Familie und nicht um das, was Sie hier soeben anführten, Frau Kollegin.
Im sozialdemokratischen Regierungsprogramm für die 8. Wahlperiode findet sich der nüchterne Satz: „Wir werden die materielle Unterstützung der Familie weiter verbessern." Diese Zusage ist in der Tat sehr großzügig eingelöst worden. Seit Beginn der Legislaturperiode konnte das Kindergeld für das zweite Kind um 10 DM monatlich und für das dritte und jedes weitere Kind um 30 DM monatlich erhöht werden. Nach unseren Vorstellungen soll mit Jahresbeginn 1979 Familien vom dritten Kind an eineweitere Zulage beim Kindergeld in Höhe von 45 DM monatlich zugestanden werden. Ein Jahr später, ab 1. Januar 1980 also, soll für das zweite Kind das monatlich zu zahlende Kindergeld um 20 DM angehoben werden. Eine Familie mit drei Kindern, die im Jahre 1975 monatlich über 240 DM Kindergeld verfügte, erhält im Jahre 1978 schon 280 DM, 1979 werden es 325 DM und 1980 345 DM sein. Dies entspricht einer prozentualen Kindergelderhöhung für diese Familien um nahezu 50 %. Während meiner über 20jährigen Zugehörigkeit zu diesem Hause hat es noch niemals in einem Fünfjahreszeitraum eine so nachhaltige materielle Stärkung der Familien mit Kindern gegeben, wie es gegenwärtig der Fall ist.
Auch die Opposition wird diese spürbare finanzielle Entlastung für Familien, die ohne Beispiel in unserer bisherigen Kindergeldgesetzgebung ist, nicht leugnen können. Sie will sie schmälern. Das kann ich nicht verhindern. Wenn ich z. B. Ihre Ausführungen, Frau Kollegin Geier, im „DUD" richtig verstanden habe, unterstellt die CDU, daß die Kindergeldanhebungen von 1979 und 1980 von der Mehrwertsteuer ganz oder zum großen Teil aufgehoben werden. Nach unseren Annahmen und dem zu erwartenden Konjunkturverlauf ist jedoch davon auszugehen, daß sich die Mehrwertsteuer nur zu einem Teil im Preis niederschlagen wird und Familien damit auch nur insoweit belastet werden. Uns allen ist bekannt, daß Mieten nicht der Mehrwertsteuer unterliegen und daß Lebensmittel zum halben Mehrwertsteuersatz besteuert werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich der Opposition die konkrete Frage stellen, welcher Kindergeldfinanzierung sie denn den Vorzug geben würde. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Ihre in den 50er Jahren durchgesetzte Finanzierung des Kindergeldes aus Beiträgen der Arbeitgeber. Es waren Sozialdemokraten, die darauf hingewiesen haben, daß diese Art der Mittelaufbringung für den Kreis der Selbständigen, vor allen, Dingen in den lohnintensiven Wirtschaftsbereichen, viele unbillige Härten mit sich brachte. Daher kann nur eine Finanzierung dieser familienpolitischen Leistungen aus Steuermitteln als gerechtfertigt angesehen werden.Für die neuen Leistungen beim Kindergeld veranschlagt die Bundesregierung für 1980 rund 2,6 Milliarden DM zusätzlich, die 2,8 Millionen Familien mit zwei Kindern und weiteren 1,9 Millionen Familien mit drei und mehr Kindern zugute kommen. Meine Fraktion hält gezielte finanzielle Entlastungen für Familien für angezeigt, Entlastungen vor allem dort, wo der Familienetat für eine größere Familie ausreichen muß. Den Sozialdemokraten ging es aber nicht nur darum, die größere Kinderzahl einer Familie finanziell angemessen zu berücksichtigen, sondern wir wollen auch vermeiden, daß finanzielle Zuwendungen an Kinder — sei es in
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Frau Eilers
Form von Kindergeld, sei es in Form von Kinderzuschlägen zum Lohn oder Gehalt — schichtenspezifisch ausgestattet sind.
Für Sozialdemokraten sind Kinder gleichermaßen förderungs- und unterstützungsbedürftig, ob sie nun in einer Arbeiter-, Angestellten- oder Beamtenfamilie aufwachsen. Für Sozialdemokraten war es daher politisch unabweisbar, den Kindergeldbeschluß des Bundesverfassungsgerichts in der Weise umzusetzen, daß für das dritte und jedes weitere Kind einer Familie das Kindergeld spürbar, und zwar ab 1979 monatlich um 45 DM, angehoben wird.Nun haben Sie, Frau Geier, hier vom generativen Verhalten in unserer Gesellschaft gesprochen. Liebe Frau Kollegin Geier, generatives Verhalten kann der Staat nicht verordnen, es sei denn, daß es zu Zuständen in einem Staat kommt, wie Sie sie soeben lobend erwähnt haben, die ich aber nicht als beispielgebend für unsere Politik und unsere Maßnahmen hinstellen möchte.
Ich glaube nicht, daß wir, wenn wir in der Politik diskutieren, der Bevölkerung Gutes tun, wenn wir davon reden, wer sich denn den „Luxus" von drei Kindern leisten könne und werde. Wir machen eine Politik dahin, daß Kinder kein „Luxus" sind, sondern daß sie nach Wunsch in die Familie hineingeboren, und dort aufgezogen werden können. Meiner Meinung nach ist es unangebracht, das eigentümliche Wort „Luxus" in diese Debatte zu bringen, auch wenn es in Anführungsstriche gesetzt wird.
Als sozialdemokratische Familienpolitikerin, die die familienpolitische Programmatik der Partei seit Jahren mitentwickelt und -gestaltet hat, erfüllt es mich mit einer gewissen Genugtuung, wenn Mitte kommenden Jahres als ein erster Schritt in die richtige Richtung, so möchte ich es einmal bezeichnen, ein Mutterschaftsurlaub eingeführt werden soll. Im Vordergrund jeder sozialdemokratischen Familienpolitik stehen die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Das sind, wie wir alle wissen, die Kinder. Mehr noch als materielle Hilfen sind personelle Zuwendungen für sehr kleine Kinder vonnöten. Daher sollen nach Ablauf der Mutterschutzfrist Mütter die Möglichkeit erhalten, sich weitere vier Monate der Betreuung ihrer neugeborenen Kinder zu widmen. Während dieses Zeitraums soll eine junge Mutter einen pauschalen Ausgleich für Verdienstausfall bis zu 750 DM netto monatlich erhalten. Hinzu kommen die entsprechenden Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung, und zwar aus Haushaltsmitteln und nicht, wie Sie, Frau Kollegin Geier, soeben gesagt haben, aus Mitteln der Krankenversicherung.
— Es steht heute noch dahin, wie dieses Gesetzausgestaltet werden wird. Es werden Haushaltsmittel angesetzt. Zusätzlich werden die Renten- und Krankenversicherungsbeiträge aus diesem Topf für die ersten Jahre mitübernommen werden.Wenn ich diese 750 DM sehe und Sie sagen, daß Sie nicht wollen, daß hier etwas für Karrierefrauen getan wird, frage ich: Wo liegt die Grenze, für die eine Karrierefrau ihre Karriere aufgeben würde?
Wir möchten den Frauen in einfachen Schichten, der Halbtagsarbeitskraft, der Verkäuferin, der jungen Angestellten helfen, daß sie ihre Aufgaben als Mutter tatsächlich erfüllen können. Mithin möchten wir helfen, daß Mütter von neugeborenen Kindern für die Dauer von vier Monaten eine echte Wahlfreiheit zwischen Erziehungsaufgabe und beruflicher Tätigkeit angeboten bekommen. Der Arbeitsplatz bleibt während dieser Zeit erhalten und gesichert.Dank der aus Mitteln des Bundes zu leistenden Ausgleichszahlungen können sich die Mütter ohne drückende materielle Sorgen, und ohne um ihren Arbeitsplatz besorgt zu sein, der Pflege und Betreuung ihrer neugeborenen Kinder widmen. Gleichzeitig sind diese vier Monate — ich sagte es soeben schon — voll mit in die Beitragszeiten der Rentenversicherung einbezogen, und somit ist auch ein erster Schritt getan, um Frauen beitragsgerechter in der Rentenversicherung zu behandeln. Gleichzeitig wird hierdurch den jungen Familien ihre Erziehungsfunktion erleichtert und gestärkt. Immer wieder hören wir von der Opposition, und es wird die Mär verbreitet — das klang auch soeben ein klein wenig an —, Sozialdemokraten würden die außerfamiliäre Erziehung forcieren und nicht primär den Wert auf die Erziehung in der Familie legen. Aber gerade das der CDU-Argumentation entgegengesetzte Ziel wird in dieser Gesetzgebung angestrebt. Die Mutter-Kind-Beziehung soll durch diesen Mutterschaftsurlaub gefördert werden. Auch hierfür haben wir die vorhandenen Mittel — es wird jährlich dafür etwa eine Milliarde DM veranschlagt — gezielt eingesetzt.
Ein spürbarer Betrag als Lohnersatz für eine junge Familie in Höhe bis zu 750 DM monatlich wird bereitgestellt, damit sich in einem Arbeitsverhältnis stehende Mütter für die Pflege ihrer kleinen Kinder entscheiden können. Dies ist unsere sehr konkrete Antwort auf eine Häufung in diesem Haus propagierter Forderungen der CDU/CSU, ein Erziehungsgeld für alle Mütter einzuführen. Der Betrag, von dem die Opposition seinerzeit ausging, nämlich 300 DM, wäre tatsächlich nur als Taschengeld jener Gruppe von Frauen zugute gekommen, die es sich ohnehin finanziell hätten erlauben können, zu Hause zu bleiben, ganz abgesehen davon, daß die Opposition seinerzeit noch nicht einmal für ihre Konzeption eines Erziehungsgeldes einen zu erwartenden Kostenaufwand geschätzt, geschweige denn einen Finanzierungsvorschlag unterbreitet hatte.Frau Eilers
Ich möchte hier nicht Salz in die Wunden reiben; aber Sie sollten sich einmal die Bewertungen von Herrn Strauß zu der von Ihnen seinerzeit vorgesehenen Gesetzgebung ansehen. Ich glaube, er ist dabei mit Ihnen härter ins Gericht gegangen, als vielleicht politische Gegner das tun.
Inzwischen hat die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Pressedienst — Sie waren die Verfasserin, Frau Kollegin Geier — die Forderung nach einem Mutterschaftsgeld für alle Mütter selbst zu einem Schlag- wort degradiert. Mittlerweile werden 150 DM monatlich vorgeschlagen. Dies ist nach meiner Meinung wirklich eine Taschengeldlösung für Hausfrauen, die sich ohnehin für die Kinderbetreuung entscheiden können.
Einer Arbeitnehmerin wird dadurch keinerlei Wahlfreiheit zwischen Erwerbstätigkeit oder Babybetreuung eröffnet.
— Aus dem Deutschland-Union-Dienst. Wer dann aber bei der Einführung eines viermonatigen Mutterschaftsurlaubs, wie er im Beschluß der Bundesregierung verankert ist, argumentiert, hier würden erwerbstätige Frauen bevorzugt, der gibt nur zu erkennen, wie wenig ernst frühere Behauptungen von der Doppel- oder Dreifachbelastung der Mütter gemeint sind.Es geht bei der Einführung des Mutterschaftsurlaubs nicht etwa um die Frage, ob Erwerbstätigkeit oder Haushaltsführung gleichwertig seien, wie die CDU/CSU unzulässig vereinfacht, sondern darum, welches Kleinkind in den ersten Lebensmonaten die Pflege durch die Mutter entbehren müßte.Der Arbeitgeber wird diesem zeitlich befristeten Urlaub nach meiner Meinung — dafür spricht auch das Echo, das wir bis jetzt haben — um so eher zustimmen, als sein Personalkostenetat dadurch nicht zusätzlich belastet wird. Meine Fraktion geht davon aus, daß bei den jährlich 300 000 Geburten, die Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz auslösen würden, ein hoher Prozentsatz von Müttern den neu eingeführten Babyurlaub in Anspruch nehmen wird.Familien mit Kindern haben es in unserer Gesellschaft nicht immer leicht. Oft stoßen sie auf Unverständnis. Hier können Politiker und gesellschaftliche Gruppierungen nur appellieren, um ein Klima zu gestalten, in dem Familien sich entwickeln können. Die Erziehungsaufgabe, die Verantwortung für jedes einzelne Kind kann und will diese Bundesregierung und die sozialliberale Koalition den Eltern nicht abnehmen. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, durch gezielte Maßnahmen zu helfen. Dies geschieht z. B. durch Verbesserung des Wohngeldes, durch Änderungen in Richtung auf ein sozial gestaltetes Mietrecht, durch Unfallversicherung — Schutz für Kinder in Kindergärten und Schulen —, durch Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder, durch Einbeziehung des 10. Schuljahres in berufsbildenden Schulenin die BAföG-Regelung und jetzt durch eine weiter verbesserte Kindergeldgesetzgebung und durch den Babyurlaub. Ein so gesichertes Umfeld und eine spürbare materielle Hilfe garantieren, daß Eltern Freude an ihren Kindern haben können, daß Familien sich von unserem Staat angenommen fühlen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eimer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf den Punkt „Kindergeld", also auf die Vorlage in Drucksache 8/2102, beschränken. In diesem Gesetzentwurf — ich muß es nochmals betonen — wird das Kindergeld für Zweit- und Drittkinder sowie alle weiteren Kinder beträchtlich erhöht. Ab 1980 stehen uns dafür 2,56 Milliarden DM zur Verfügung. Das heißt, wir können das Zweitkindergeld um 25 % und das Kindergeld für Drittkinder und alle weiteren Kinder um 30 % erhöhen.
Frau Kollegin Geier, Sie sprachen davon, daß diese Erhöhung des Kindergeldes ein erster Schritt der Umkehrung ist.
Ich glaube, Sie haben vergessen, daß das Kindergeld
bereits zum 1. Januar dieses Jahres erhöht wurde.
Sie haben weiterhin gefordert — ich zähle es hier einmal auf —: höheres Kindergeld, Erziehungsgeld, erweiterten Mutterschutz, Familiengründungsdarlehen. Das sind alles Punkte, die Sie aufgezählt haben und die ich alle für vernünftig halte. Nur, wie wollen wir das bei sinkenden Steuern finanzieren, wie Herr Häfele heute morgen gefordert hat?
— Wir sind dabei, diese Zielvorstellungen — z. B. beim Kindergeld — zu verwirklichen.
Frau Geier, Sie sprachen hier davon, daß die Mehrwertsteuererhöhung vor allem Familien mit Kindern stärker belaste, als die Steuerentlastung für diese Familien ausmache. Sie haben das auch im Deutschland-Union-Dienst geschrieben. Ich glaube, Sie haben z. B. bei der Einkindfamilie die Erhöhung der Freibeträge, die Tarifreform, mit zu berücksichtigen vergessen. Sie haben bei der Zweikinderfamilie die Rechnung aufgemacht, daß die Mehrwertsteuererhöhung mehr ausmache als die 20 DM, die für das zweite Kind mehr gezahlt werden. Wir wissen, daß die Erhöhung der Mehrwertsteuer in diesem Familienkreis ungefähr ein halbes Prozent der Aufwendungen ausmacht. Wenn das so ist, müßten die 20 DM weniger sein als die 0,5 % von
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Eimer
x DM, die für die Kinder ausgegeben werden. Das heißt, eine Familie müßte für ihre zwei Kinder mehr als 4 000 DM im. Monat ausgeben. Ich frage mich manchmal, für welche Einkommensschichten Sie Ihre Rechnungen aufgestellt haben.
-- Das ist ein Durchschnittswert. Ich kann ihn Ihnen ganz leicht erklären. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer beträgt 1 °/o, für Lebensmittel 0,5 °/o.
Wenn Sie davon eine Reihe von Ausgaben abziehen, .die nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, zum Beispiel die Miete, kommen Sie auf einen durchschnittlichen Satz von ungefähr 0,5 %. Selbst wenn Sie den vollen Satz von 1 % ansetzen, liegen die Ausgaben für zwei Kinder immer noch bei 2 000 DM.
Auch das ist kein realistischer Wert. Die Ausgaben für zwei Kinder liegen normalerweise unter 2 000 DM, selbst wenn ich mit einer Erhöhung um 1 % rechne.
Ich rate Ihnen, Frau Kollegin Geier, das zu tun, was uns Ihr Parteifreund Späth heute nachmittag empfohlen hat, nämlich zu rechnen.
— Ich habe den Eindruck, daß Sie hier nicht gerechnet, sondern nur geraten haben.
Gerechnet haben auch andere, Frau Kollegin Geier. Mir liegt eine Rechnung über die Auswirkungen der Steuerreform vor. Daraus kann ich sehen: Ganz gleich, wie viele Kinder eine Familie hat, und ganz gleich, wie hoch das Einkommen ist, in allen Fällen liegt für Familien mit Kindern und für die übrigen Arbeitnehmer eine Entlastung vor.
Ich mache kein Hehl daraus, daß uns die Differenzen zwischen dem Erst-, dem Zweit- und dem Drittkindergeld sehr groß erscheinen. Wir wissen aber, daß uns gerade die Erhöhung des Erstkindergeldes am meisten kostet. 10 DM mehr kosten uns rund 1 Milliarde DM. Auf der anderen Seite waren wir durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Alimentation von Beamtenkindern gezwungen, vor allem das Kindergeld für Zweit- und Drittkinder zu erhöhen, damit der Unterschied beim Kindergeld zwischen Beamtenkindern und Kindern der anderen Arbeitnehmer nicht zu groß wird. Die vorliegende Finanzmasse läßt deshalb eine zusätzliche Erhöhung des Erstkindergeldes nicht zu.
Wissenschaftler sprechen aber gerade von dem sogenannten Erstkindschock, der dazu führt, daß ursprünglich geplante weitere Kinder nicht kommen. Es ist deshalb, meine ich, zu überlegen, ob der Erstkindschock verhindert werden kann, wenn man
bei künftigen Erhöhungen des Kindergelds wieder etwas mehr an das Erstkindergeld denkt.
Ich habe den Eindruck, daß vergessen wird, daß der Familienlastenausgleich in den letzten Jahren laufend verbessert worden ist und daß die Gründe des Geburtenrückgangs allzu sehr im Materiellen gesehen werden. Ich glaube, es wird vergessen, daß es uns vor 20 Jahren wesentlich schlechter als heute ging und daß vor 20 Jahren mehr Kinder als heute geboren wurden. Ich bin überzeugt davon, daß der Geburtenrückgang selbstverständlich auch mit der finanziellen Lage etwas zu tun hat; aber ich bin auch davon überzeugt, daß der Geburtenrückgang in erster Linie davon kommt,
daß unsere Gesellschaft kinderfeindlich ist; und das kann man durch finanzielle Maßnahmen allein nicht beseitigen.
Die Union fordert in diesem Zusammenhang die Wiedereinführung von Kinderfreibeträgen. Ich möchte an einer Rechnung zeigen, was das bedeutet. Für jede 100 DM Freibetrag bedeutet das eine Entlastung von 22 DM in der Proportionalzone und von 56 DM beim Spitzensteuersatz. Das ist das Zweieinhalbfache für die, die es im Grund genommen nicht notwendig haben. Die vom Freistaat Bayern geforderten 600 DM Freibetrag bedeuten eine jährliche Entlastung von 132 DM in der Proportionalzone, also bei denen, die ein verhältnismäßig geringes Einkommen haben, und von 366 DM beim Spitzensteuersatz. Das macht im Monat 11 DM bzw. 28 DM aus. Ich glaube, das zeigt sehr deutlich, daß wir diesen Weg nicht mehr gehen sollten.
Wenn wir am Kindergeld etwas ändern wollen, dann sollten wir uns an die Modalitäten der Auszahlung machen. Leider hat uns die Union über den Bundesrat die höchst bürokratische Regelung der Auszahlung über das Arbeitsamt aufgezwungen.
Wir sollten überlegen, ob es nicht unbürokratischer, kostengünstiger und einfacher wäre, das Kindergeld über das Finanzamt auszuzahlen.
Ich darf abschließend sagen: Wir Freien Demokraten sind froh, daß 2,56 Milliarden DM ab 1980 für die Kindergeldverbesserung und für die Verbesserung des Familienlastenausgleichs zur Verfügung stehen. Wir wollen, daß dieses Programm nicht zerredet und daß es über alle Parteigrenzen hinweg angenommen wird. Wir Freien Demokraten werden das tun.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die verbundene Aussprache über die Punkte 1 bis 4 der Tagesordnung.
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8170 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenNach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um dieBeratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages— Drucksache 8/2112 —Ich frage, ob das Haus damit einverstanden ist. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Es liegt Ihnen auf Drucksache 8/2112 eine Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vor: „Die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Rudolf Kaffka wird erteilt."Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Beschluß des Ausschusses zuzustimmen wünscht, bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Wir stehen damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 21. September, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.