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ID0810303000

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    Plenarprotokoll 8/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Erdbebens im Kaiserreich Iran . . . 8109 A Anteilnahme am Tode, des Oberhauptes der katholischen Kirche Papst Paul VI . . . . 8109 B Glückwünsche für den neuen Papst Johannes Paul I 8109 B Nachruf auf den Abg. Dr. Staudt . . . 8109 B Eintritt des Abg. Nehm in den Deutschen Bundestag 8109 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Mattick, Wehner, Frau Funcke, Müller (Berlin), Dr. von Bismarck, Saxowski Glückwünsche zur Geburt eines Kindes der Abg. Frau Krone-Appuhn 8109 D Ausscheiden des Abg. Dr. Gruhl aus der Fraktion der CDU/CSU 8110 A Dank und Anerkennung für die Ausrichtung der 65. Interparlamentarischen Konferenz in Bonn vom 3. bis 14. September 1978 . . . 8110 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 8170 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 8110B Abwicklung der Tagesordnung 8111 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 8111 ] Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/2150 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982 — Drucksache 8/2151 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979) — Drucksache 8/2100 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte (Fünftes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 8/2101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksache 8/2102 — Matthöfer, Bundesminister BMF . . . . 8114 A Dr. Häfele CDU/CSU 8124 C Westphal SPD 8130 D Frau Funcke FDP 8137 A Späth, Ministerpräsident des Landes Baden- Württemberg 8141 B Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär BMF . . 8146 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 8150 D Burger CDU/CSU 8156 B Glombig SPD 8158 B Cronenberg FDP 8161 D Frau Geier CDU/CSU 8163 B Frau Eilers (Bielefeld) SPD 8166 A Eimer (Fürth) FDP 8168 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 8/2112 — . . . . . . 8170 A Nächste Sitzung 8170 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8171* A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes 8171* C Anlage 3 Stellungnahme des Bundesrates zum Einundzwanzigsten Gesetz über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte 8171* D Anlage 4 Stellungnahme des Bundesrates zum Zehnten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes . . . 8172* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8109 103. Sitzung Bonn, den 20. September 1978 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 20. 9. Adams ' 22. 9. Dr. van Aerssen * 22. 9. Dr. Ahrens ** 22. 9. Dr. Aigner * 22. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Dr. Barzel 22. 9. Dr. Bayerl * 22. 9. Dr. Dregger 6. 10. Erhard (Bad Schwalbach) 21. 9. Dr. Eyrich 22. 9. Fellermaier * 22. 9. Dr. Früh * 20. 9. Hansen 29. 9. Hartmann 20. 9. von Hassel 20. 9. Hoffmann (Saarbrücken) ' 22. 9. Ibrügger * 6. 10. Dr. h. c. Kiesinger 22. 9. Kleinert 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9. Klinker * 21. 9. Dr.-Ing. Laermann 22. 9. Lange * 21. 9. Dr. Langner 20. 9. Lemmrich ** 20. 9. Lemp * 22. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 22. 9. Liedtke 20. 9. Lücker * 20. 9. Luster * 22. 9. Möhring 29. 9. Müller (Mülheim)* 21. 9. Müller (Wadern) * 21. 9. Nordlohne 29. 9. Peter 22. 9. Rosenthal 20. 9. Russe 22. 9. Sauer (Salzgitter) 29. 9. Saxowski 29. 9. Schmidthuber 22. 9. Schmidt (München) * 22. 9. Schmidt (Wattenscheid) 22. 9. Schreiber * 22. 9. Schulte (Unna) 22. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) * 22. 9. Sieglerschmidt ** 22. 9. Dr. Starke (Franken) * 22. 9. Stücklen 22. 9. Vogel (Ennepetal) 20. 9. Voigt (Frankfurt) 20. 9. Frau Dr. Walz * 22. 9. Wawrzik * 22. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Wissmann 22. 9. Würtz * 22. 9. Ziegler 6. 10. Zink 22. 9. Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes Zu Art. 1 Nr. 6 und 15 Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, angesichts des vorgesehenen Kumulierungsverbots zwischen Zuschüssen nach diesem Gesetz und der Investitionszulage oder der Förderung mit sonstigen Mitteln (vgl. Art. 1 Nr. 6 und 15) baldmöglichst Vorschläge zu unterbreiten, auf welche Weise die bisher bestehenden Präferenzvorsprünge des Zonenrandgebietes (Zuschüsse nach der Gemeinschaftsaufgabe) und Berlins mit dem Ziel erhalten bleiben, daß Umfang und Effektivität der Förderung der Wohnungsmodernisierung nicht eingeschränkt werden. Anlage 3 Stellungnahme des Bundesrates zum Einundzwanzigsten Gesetz über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung so- wie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte (Einundzwanzigstes Rentenanpassungsgesetz - 21. RAG) Der Bundesrat bedauert, daß es auch im Vermittlungsverfahren nicht möglich war, seine Vorschläge zur Beibehaltung des Prinzips der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente durchzusetzen. Mit dem Beharren auf den systemfremden Maßnahmen im 21. Rentenanpassungsgesetz wird auf feste Grundlagen für die Berechnung und Steigerung der Renten verzichtet und damit das Kernstück der Rentenreform von 1957 aufgegeben. Der Bundesrat bekräftigt erneut seine Auffassung, daß eine Sanierung der Rentenfinanzen durch systemkonforme Maßnahmen möglich ist. Auch zum 10. Anpassungsgesetz - KOV - ist der Vermittlungsausschuß den Vorschlägen des Bundesrates nicht gefolgt. Der Bundesrat bedauert, daß von der bruttolohnbezogenen Anpassung der Kriegsopferrenten abgegangen worden ist. Auch vom Bundesrat vorgeschlagene weitere strukturelle Verbesserungen sind nicht berücksichtigt worden. 8172* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 Der Bundesrat hält seine grundsätzlichen Bedenken gegen beide Gesetze aufrecht. Nachdem der Bundestag bereits in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit Änderungen bei beiden Gesetzen abgelehnt hat, ist es dem Bundesrat angesichts der zur Zeit bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht möglich, seine Auffassung im weiteren Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen. Er sieht deshalb von einem Einspruch ab. Anlage 4 Stellungnahme des Bundesrates zum Zehnten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Zehntes Anpassungsgesetz — KOV — 10. Anp-KOV) Der Bundesrat bedauert, daß es auch im Vermittlungsverfahren nicht möglich war, seine Vorschläge zur Beibehaltung des Prinzips der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente durchzusetzen. Mit dem Beharren auf den systemfremden Maßnahmen im 21. Rentenanpassungsgesetz wird auf feste Grundlagen für die Berechnung und Steigerung der Renten verzichtet und damit das Kernstück der Rentenreform von 1957 aufgegeben. Der Bundesrat bekräftigt erneut seine Auffassung, daß eine Sanierung der Rentenfinanzen durch systemkonforme Maßnahmen möglich ist. Auch zum 10. Anpassungsgesetz — KOV — ist der Vermittlungsausschuß den Vorschlägen des Bundesrates nicht gefolgt. Der Bundesrat bedauert, daß von der bruttolohnbezogenen Anpassung der Kriegsopferrenten abgegangen worden ist. Auch vom Bundesrat vorgeschlagene weitere strukturelle Verbesserungen sind nicht berücksichtigt worden. Der Bundesrat hält seine grundsätzlichen Bedenken gegen beide Gesetze aufrecht. Nachdem der Bundestag bereits in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit Änderungen bei beiden Gesetzen abgelehnt hat, ist es dem Bundesrat angesichts der zur Zeit bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht möglich, seine Auffassung im weiteren Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen. Er sieht deshalb von einem Einspruch ab.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herbert Ehrenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der notwendigen Klarstellung einer Reihe von Punkten aus der Intervention des Herrn Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg durch meinen Kollegen Böhme scheint es mir an der Zeit zu sein, darauf aufmerksam zu machen, daß die vorliegenden Gesetzentwürfe und der Bundeshaushaltsentwurf 1979 sehr viel mehr als nur steuerpolitische Beschlüsse enthalten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was dem Hohen Haus hier vorliegt, ist das Ergebnis einer nahtlos ineinandergefügten Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese nahtlos ineinandergefügte Finanz-, Wirtschafts-und Sozialpolitik ist weithin von den Ergebnissen des Weltwirtschaftsgipfels in Bonn geprägt. Dieser Weltwirtschaftsgipfel hat in der ganzen Welt Anerkennung, ja, sogar Bewunderung — das ist nicht zuviel gesagt; wenn man ausländische Zeitungen



    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    liest, findet man das bestätigt — ausgelöst, und zwar wegen der Art und Weise, in der es in der Bundesrepublik gelungen ist, mit den schwierigen Folgen der weltwirtschaftlichen Veränderungen fertig zu werden und gleichzeitig bei uns den Geldwert zu stabilisieren, die Arbeitslosenquote bei langsam, für unsere Begriffe immer noch zu langsam, aber doch deutlich sinkendem Trend unter dem Niveau fast aller vergleichbaren Industrienationen zu halten und die Bedingungen für einen sich selbst tragenden Wirtschaftsaufschwung zu verbessern.
    Selbst die ja doch immer — von ihrem Auftrag her zu Recht — sehr vorsichtig und sehr behutsam urteilende Deutsche Bundesbank hat in ihrem jüngsten Monatsbericht gezeigt, daß die Stagnationstendenzen, die Anfang des Jahres vorherrschten, überwunden sind und wir gute Chancen haben, dem Wachstumsziel doch näherzukommen.
    Vor diesem Hintergrund verdient festgehalten zu werden, daß die Bundesregierung und die sie tragende sozialliberale Koalition die Folgen der weltweiten Rezession bewältigt haben, ohne die Grenzen des Sozialstaats zu beschwören und ohne Krisenbewältigung zu Lasten der Ärmsten und der Einkommensschwachen zu treiben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber zu Lasten der jungen Generation!)

    Hier ist auch bewiesen worden, daß der soziale
    Rechtsstaat keine Schönwettereinrichtung ist, son-
    dern sich gerade in schwierigen Zeiten bewährt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Sozialstaatsprinzip ist in der Bundesrepublik glaubwürdig geblieben, und zwar auch deshalb, weil die Bundesregierung in ihrer Politik gezeigt und in den gerade jetzt beschlossenen Maßnahmen nochmals dokumentiert hat, daß, wenn der politische Wille vorhanden ist, auch unter ökonomisch schwierigen Rahmenbedingungen sozialer Fortschritt möglich ist.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Eines, so glaube ich, muß hier auch festgehalten werden. In unserer Demokratie ist soziale Gerechtigkeit eine der wichtigsten Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Stabilität und Prosperität, denn der soziale Rechtsstaat gründet auf der Solidarität aller Bürger.
    Wir haben in den letzten schwierigen Jahren in jener ineinandergefügten Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik gleichzeitig eine Reihe von schwierigen Aufgaben bewältigen müssen. Wir hatten für eine verstetigte positive Entwicklung der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage zu sorgen. Wir hatten in der Forschungs-, der Struktur- und der Steuerpolitik die mittelfristigen . Wachstumsbedingungen zu verbessern. Wir hatten das Sozialleistungssystem den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, aber gleichzeitig schöpferisch weiterzuentwickeln und bei der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung auf die finanzwirtschaftlichen Notwendigkeiten und die Entwicklung des Kapitalmarkts Rücksicht zu nehmen.

    (Franke [CDU/CSU] : Herr Ehrenberg, schöpferisch aus den Taschen der Rentner!)

    — Verehrter Kollege Franke, schauen Sie sich die vorliegenden Gesetzentwürfe zur flexiblen Altersgrenze, zum Mutterschutz und zum Kindergeld an, und sagen Sie mir, ob das keine schöpferische Weiterentwicklung ist!

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Franke [CDU/CSU]: Abgeschrieben habt ihr!)

    Allerdings: Den Kinderfreibetrag, den Herr Späth hier so deklariert hat, werden wir nicht übernehmen, weil das genau das ist, was wir nicht unter schöpferisch für die Menge der Bürger verstehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kolb [CDU/CSU] : Sie nehmen es erst, dann geben Sie es aus! Das nennen Sie schöpferisch! — Zuruf von der CDU/CSU: Schröpferisch!)

    — Sie wissen sehr genau, daß unter den so veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen schon die Erhaltung des Vorhandenen eine große Leistung wäre. Und wir machen mit den vorliegenden Gesetzentwürfen mehr!

    (Kolb [CDU/CSU]: Mehr Schulden!)

    Sie müssen diese vier Schwerpunkte als Einheit begreifen und in ihren Wechselbeziehungen richtig verstehen. Nur dann kann man zu einem abgewogenen Urteil und zu sachgerechten Entscheidungen kommen. Da Sie diese Einheit der Wirtschafts-, der Sozial- und der Finanzpolitik weder sehen können noch wollen, kommt es bei den Sprechern der Opposition zu so vielen Ungereimtheiten, z. B. daß sie mehr Steuererleichterungen und weniger Defizite fordern oder weniger Defizite und mehr öffentliche Investitionen,

    (Zuruf des Abg. Haase [Kassel] [CDU/CSU])

    und daß sie gleichzeitig ein Zuviel an Sozialstaat beklagen, aber durch den Mund anderer Sprecher ein teueres, in seinen Wirkungen noch gar nicht durchdachtes Erziehungsgeld verlangen, und daß sie gleichzeitig die Sozialabgaben zu hoch finden, sich aber Konsolidierungsmaßnahmen verweigern, oder daß sie gleichzeitig fordern, die Sozialpolitik müsse familienfreundlicher werden, und die Wiedereinführung der regressiv wirkenden steuerlichen Kinderfreibeträge verlangen.
    Verehrter Herr Ministerpräsident Späth, sosehr sich über manche Schwierigkeiten mit bestimmten Einkommensgrenzen, vor allem bei BAföG, diskutieren läßt, muß wohl eines deutlich festgehalten werden: Die Wiedereinführung der Kinderfreibeträge würde bedeuten, daß der, der zu arm ist, Steuern zu zahlen, hieraus nichts und der Spitzenverdiener pro 100 DM 56 DM bekommt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Wehner [SPD]: So soll es sein!)

    — So soll es vielleicht bei der baden-württembergischen Mehrheit sein — aber bei der Mehrheit in der Bundesrepublik nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wieviel Mehrheit habt ihr denn?)




    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    — Wir haben eine gute 'und ausreichende Mehrheit, Herr Haase, und wir werden eine bessere bekommen!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Im Himmel! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Sie wären ja glücklich, wenn Sie eine solche Mehrheit hätten. Sie haben sie nicht. Entschuldigen Sie!

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Warten wir ab!)

    — Ja, warten wir! Sie warten schon lange darauf, eine zu kriegen. Sie ist in weiter Ferne, verehrter Kollege Haase. Sie ist in Ihrem Heimatland ferner, als Sie je gedacht hätten.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Gucken Sie mal in die Zeitung!)

    — Ich gucke nicht in die Zeitung

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    sondern auf das nächste Wahlergebnis. Da wird nachgezählt.

    (Wehner [SPD] : Er hat eine Spritze von der Noelle-Neumann gekriegt und glaubt das! — Heiterkeit bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : So unrecht hatte die nicht, Herr Wehner!)

    — Das ist ja die große Frage.

    (Wehner [SPD] : Das ist natürlich für solche Leute gemacht, die es brauchen! — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Es ist Ihnen in die Knochen gefahren!)

    — Herr Haase, wir werden uns bei Frau Noelle-Neumann für das letzte Stückchen Mobilisierung, das sie der SPD damit gegeben hat, sehr herzlich bedanken.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will die lange Liste der Widersprüche in der CDU/CSU-Argumentation hier nicht fortsetzen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber ich möchte gern noch einmal sehr deutlich sagen, worum es wirtschafts-, finanz- und sozialpolitisch jetzt geht: Es geht erstens darum, zu verhindern, daß wirtschaftliche Probleme auf dem Rücken der wirtschaftlich und sozial Schwächeren ausgetragen werden.

    (V o r s i tz : Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen)

    und es geht zweitens darum, die gesamtwirtschaftliche und soziale Ausgleichsfunktion der Transferleistungen zu gewährleisten und den Familienlastenausgleich zu verbessern.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Es geht drittens darum, dafür zu sorgen, daß die Sozialversicherungssysteme auch bei langsamer wachsenden Einnahmen finanziell stabil bleiben, ohne die Sozialabgabenbelastung zu verschärfen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Viertens geht es gleichzeitig aber auch darum, die Zukunftsaufgaben der Sozialpolitik anzufassen,
    ohne dabei die enger 'gewordenen finanziellen Bedingungen außer acht zulassen.
    Wir haben nach diesen Grundsätzen gehandelt, und weil wir das getan haben, ist der Etat des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung mit mehr als 47 Milliarden DM auch 1979 wieder der mit Abstand größte Einzelhaushalt des Bundeshaushalts.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die in diesem Haushalt enthaltene Steigerung von 9,7 0/0 liegt über der durchschnittlichen Steigerungsrate und zeigt die Bedeutung, die wir diesem Bereich zumessen. Wenn wir die sozialpolitisch wichtigen Leistungen, die in anderen Etats zusammengefaßt sind, hinzuzählen — wie Kindergeld, Vermögensbildung, landwirtschaftliche Sozialpolitik —, so ergibt sich daraus, daß mehr als ein Drittel des Bundeshaushalts mit sozialer Zielrichtung ausgegeben wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Regierungsparteien haben allen Anlaß, auf diese soziale Ausrichtung des Haushalts stolz zu sein.
    Es ist einleitend schon gesagt worden, aber ich will es für die Zweifler gern noch einmal wiederholen: Durch die Erhöhung des Kindergelds ab 1. Januar 1979 um 45 DM für das dritte und jedes weitere Kind auf 195 DM und des Zweitkindergelds ab 1. Januar 1980 auf 100 DM werden Familien mit zwei und mehr Kindern gezielt entlastet. Damit bekommt ab 1. Januar 1980 eine Familie mit vier Kindern ein Kindergeld von 540 DM im Monat. Das ist gegenüber der Zeit von vor 1975, gegenüber der Zeit, als die Kinderfreibeträge die Entlastung nach der Einkommenshöhe staffelten, eine Verbesserung um mehr als 50 %.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist alles relativ!)

    Diese Anhebung kommt eben allen Familien gleichermaßen zugute und nicht denen, die mehr verdienen, in höherem Maße als denen, die wenig .verdienen.

    (Hasinger [CDU/CSU] : Haben Sie die Mehrwertsteuer eingerechnet? — Kolb [CDU/ CSU] : Wieviel Familien haben wir denn mit vier Kindern?)

    — Sie können noch so laut schreien; von solchen Rufen werde ich mich nicht beirren lassen.
    Zu den Ausführungen des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg muß folgendes gesagt werden. Er hat in der Diskussion und in der Begründung vermißt, wo denn nun die wachstumspolitische, die nachfragestärkende Komponente liegt. Genau hier, verehrter Herr Ministerpräsident, liegt eine der ganz wesentlichen nachfragestärkenden Komponenten; denn Familien mit mehr Kindern haben nun einmal eine kleinere Sparquote als Familien mit wenig Kindern,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und von dem gleichermaßen ausgezahlten Kinder-
    geld geht sehr viel mehr in den Konsum, als von



    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    den Kinderfreibeträgen bei den Spitzenverdienern als Nachfrage entfaltet würde.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Hieran schließt sich in Ergänzung der bisherigen Mutterschutzregelung, die eine Freistellung von acht Wochen nach der Geburt vorsah, ein von der Bundesregierung beschlossener zusätzlicher Mütterurlaub von vier Monaten an, in denen den Müttern aus Bundesmitteln eine Beihilfe bis zur Höhe von 750 DM netto gezahlt wird. Damit sollen die Mütter die Chance haben, über die acht Wochen hinaus bei ihrem Kind zu verbleiben, ohne ihre berufliche Tätigkeit aufgeben oder um das Fortkommen und den Arbeitsplatz fürchten zu müssen.
    Ich weiß, daß es um diese Regelung eine Reihe von Diskussionen gibt. Es gibt kaum Stimmen — das wagt in unserem Staat glücklicherweise doch schon niemand mehr —, die voll dagegen sind. Das kann man sagen, auch wenn in manchen Zeitungen so warnend stand: Hier fängt das mit den sozialen Wohltaten wieder an. Für uns sind das keine sozialen Wohltaten, sondern das ist eine sozialpolitisch, familienpolitisch und gesundheitspolitisch notwendige Konsequenz aus veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU)

    Natürlich kann gesagt werden: Diese Regelung ist zu eng, es müßte weitergehen, ein halbes Jahr ist zuwenig. Wir haben uns hier im Rahmen des finanziell Möglichen zu halten. Wir haben in der Familienpolitik einen wesentlichen Schritt vorwärts getan, einen Schritt, der nichts für künftige weiterreichende Regelungen präjudiziert und der auch die Frage eines künftigen Elternurlaubs nicht präjudiziert. Diese Sechs-Monats-Regelung ist eine eindeutige Regelung im Rahmen des bestehenden Mutterschutzgesetzes.

    (Wehner [SPD] : Die nicht vorher zerredet werden sollte!)

    — Es wäre sehr gut, wenn diese Mahnung des Fraktionsvorsitzenden der SPD befolgt werden könnte; denn dieses Thema ist zu gewichtig und zu bedeutsam.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wenn es der Fraktionsvorsitzende zu Ihnen sagt, glauben wir es schon!)

    Meine Damen und Herren, diese Regelung wird zusätzlich Arbeitsmarktentlastungen bringen. Die Arbeitsplatzgarantie für die Zeit sechs Wochen vor der Geburt und sechs Monate nach der Geburt wird in einer Reihe von Fällen das Einstellen von ersatzweisen Kräften notwendig machen und damit das heute so knappe Arbeitsplatzangebot für teilzeitarbeitsuchende Frauen und für befristete Arbeit suchende Frauen erheblich erweitern, ein sehr positiver Nebeneffekt dieses familienpolitischen Programms.
    Hieran schließt sich — ebenfalls mit über den humanitären Aspekt hinausgehenden beachtlichen arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen — die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Behinderte — auch für berufs- und erwerbsunfähige Versicherte — auf das 61. Lebensjahr ab 1. Januar 1979 und auf das 60. Lebensjahr ab 1. Januar 1980 an. Schon mit der Einführung der flexiblen Altersgrenze im Jahre 1972 haben wir den Arbeitnehmern, die nach einem Iangen und harten Arbeitsleben an die Grenze ihrer Leistungskraft gekommen waren, die Möglichkeit gegeben, nach ihren individuellen Gegebenheiten darüber zu • entscheiden, von welchem Lebensjahr ab sie in den wohlverdienten Ruhestand gehen wollen.
    Wir haben mit dieser Maßnahme, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nachgerechnet hat, zwischen 1973 und 1977 den Arbeitsmarkt um mindestens 160 000 Personen entlastet. Wenn wir jetzt dieses abgewogene und stabilitätspolitisch vertretbare Programm — denn für die Geltungsdauer des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes werden die hierdurch anfallenden Mehrkosten aus dem Bundeshaushalt bezahlt — durchführen, haben wir zwei wesentliche Schritte getan, um gerade jenem besonders unter den Belastungen des modernen Produktionsprozesses leidenden Personenkreis eine neue, verbesserte Chance zum Aufhören mit der aktiven Arbeit zu geben. Es sind rund 70 000 schwerbehinderte Arbeitnehmer, die in den nächsten Jahren diese Möglichkeit bekommen werden. Damit besteht die große Chance — wenn diejenigen, die Arbeitsplätze anzubieten haben, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen —, daß die 48 000 behinderten Arbeitnehmer, die heute vergeblich einen Arbeitsplatz suchen, endlich in einen Arbeitsplatz vermittelt werden können.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden darum auch nicht den vielen Forderungen nach einer Herabsetzung der Pflichtquote im Schwerbehindertengesetz nachgeben, jedenfalls so lange nicht, wie behinderte Arbeitnehmer noch arbeitslos sind. Wir werden — das ist mit der Ausgleichsabgabenordnung gerade neu geregelt worden — die aus der Ausgleichsabgabe fließenden Mittel gezielt einsetzen, um Schwerstbehinderten einen angemessenen Arbeitspaltz schaffen zu können. Durch die beiden Sonderprogramme von 1976 haberl wir jeweils mit dem Einsatz vqn rund 100 Millionen DM für 8 000 bis 10 000 schwerstbehinderte Arbeitnehmer einen vernünftigen Arbeitspaltz geschaffen.
    Ich würde bei dieser Gelegenheit gerne an öffentliche und an private Arbeitgeber den Appell richten, sich dieser Beschäftigungspflicht nicht zu entziehen und sich nicht mit 100 DM Ausgleichsabgabe freizukaufen, sondern diesem Personenkreis gegenüber das zu tun, was in der selbstverständlichen Verantwortung jedes Betriebsleiters zu liegen hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kolb [CDU/CSU] : Wie stark ist der Anteil in Ihrem Ministerium?)

    — Das Arbeitsministerium hat, wenn es Sie interessiert, eine Quote von 12 %. Ich glaube, damit können wir uns sehen lassen.

    (Kolb [CDU/CSU] : Das ist aber eine Ausnahme!)




    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    — Nein, das ist keine Ausnahme. Die Bundesregierung hat in allen ihren Einrichtungen die Quote übererfüllt.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Nein!)

    — Ich kann es Ihnen nachweisen, verehrter Herr George. Ich schicke es Ihnen zu.

    (Dr. George [CDU/CSU] : Seit einem Jahr!)

    — Ja, dann erkennen Sie doch an, daß wir es seit einem Jahr haben. Ich bin stolz darauf, daß wir es haben!

    (Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Und Nordrhein-Westfalen?)

    Meine Damen und Herren, in Anbetracht der immer noch schwierigen Lage der Behinderten haben wir gleichzeitig einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die kostenlose Beförderung für alle Behinderten sicherzustellen. Dieser Gesetzentwurf wird Ihnen demnächst zugehen, und ich hoffe sehr — ich nehme die Anwesenheit der Bundesratsvertreter gerne zum Anlaß, an sie zu appellieren —, daß dieser Gesetzentwurf nicht wieder wie der von 1974 im Bundesrat hängenbleibt, sondern in beiden Häusern als ein Gesetzentwurf, der bei der Personenbeförderung die völlige Gleichstellung der verschiedenen Gruppen von Behinderten bringt, zügig verabschiedet wird.

    (Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Die Kosten tragen die Länder!)

    — Die Kosten tragen für einen Teil die Länder, für den anderen nach einer sehr klaren Trennung der Bund. Ich glaube, es ist das Interesse beider Körperschaften, des Bundestages und des Bundesrates, daß wir Mischfinanzierungen dort, wo sie nicht dringend notwendig sind, vermeiden und bei der klaren Aufgabentrennung bleiben.
    Meine Damen und Herren, die Versuchung wäre groß, bei dieser Gelegenheit etwas mehr über die Sozialpolitik zu sagen, etwa über die von Ihnen bezweifelte, inzwischen gelungene und jetzt auch von Ihnen nicht mehr diskutierte Rentenkonsolidierung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Für wie lange?)

    Aber ich will den nachfolgenden Rednern nicht allzu viel Zeit wegnehmen. Ein paar Worte zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen muß ich hier allerdings 'noch sagen, auch wegen der Anwesenheit der Vertreter des Bundesrates.

    (Zuruf von der SPD: Herr Späth ist doch gar nicht da!)

    — Ich hoffe, der Herr Ministerpräsident kommt wieder.

    (Wehner [SPD] : Er hat sein Ei gelegt und konnte gehen! — Dr. George [CDU/CSU] : Das hat doch gar nichts damit zu tun!)

    — Doch, verehrter Herr George, mit dem, was ich jetzt sagen will, haben die Ministerpräsidenten der Länder sehr viel zu tun, weil es an ihnen liegen wird, ob die so dringliche Neuregelung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes durchgesetzt wird oder nicht. Und das hat mit dem heutigen Tag sehr viel zu tun, weil das ein wesentlicher Bestandteil
    meines Etats im Entwurf des Bundeshaushalts 1979 ist.

    (Zustimmung bei der SPD und der FDP — Hasinger [CDU/CSU] : Über dieses Gesetz wird gesondert debattiert!)

    — Wir haben eine verbundene Debatte über den Bundeshaushalt und die Gesetzesvorlagen!

    (Hasinger [CDU/CSU] : Nein, das Krankenhausfinanzierungsgesetz liegt überhaupt noch nicht vor! — Franke [CDU/CSU] : Wo ist denn der Entwurf?)

    — Der Entwurf wird Ihnen zugeleitet. (Lachen bei der CDU/CSU)

    Den hat die Bundesregierung vor der Sommerpause verabschiedet, und ich hoffe, Herr Franke, daß Ihre Frage danach der Beweis dafür ist, daß Sie ihn zügig und schnell bearbeiten werden.

    (Zustimmung des Abg. Wehner [SPD] — Franke [CDU/CSU] : Hören Sie einmal, Sie haben ihn dem Hause ja noch gar nicht vorgelegt!)

    — Aber 'er kommt,

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    und da die dafür notwendigen Beträge im Bundeshaushaltsentwurf 1979 stehen, ist es ja wohl legitim, daß Ihnen zu den Erfolgen in der Krankenversicherung — —

    (Westphal [SPD] : Er ist längst überwiesen!)

    — Er ist längst überwiesen, aber der Ausschuß konnte ja noch nicht zusammentreten. Das können die Kollegen doch nicht wissen, Herr Westphal!
    Vor allem von Ihnen, Herr Franke, wurden seinerzeit die Erfolge der Kostendämpfung bei der ambulanten Versorgung sehr stark bezweifelt. Diese Erfolge sind inzwischen für jedermann greifbar. Viele Arbeitnehmer konnten seit Jahren zum erstenmal Beitragssenkungen statt Beitragssteigerungen erfahren. Diese Beitragssenkungen sind möglich geworden, ohne das erreichte hohe medizinische Leistungsniveau in der Bundesrepublik zu gefährden oder zu beeinträchtigen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir haben allen Anlaß, bei dem ebenfalls kostenträchtigen Teil, der stationären Versorgung, den wir im letzten Jahr nicht regeln konnten, in diesem Hause gemeinsam eine ebensogute Regelung zu finden. Ich bitte dem Arbeits- und Sozialminister nachzusehen, daß er die Gelegenheit des Bundeshaushalts 1979 wahrnimmt, an diese wichtige Aufgabe zu erinnern.

    (Zustimmung bei der SPD und der FDP)

    Lassen Sie mich auf einen letzten Komplex eingehen. Nach wie vor bleibt, trotz der sich allmählich verbessernden Arbeitsmarkttendenzen und trotz der günstiger gewordenen Konjunkturaussichten, die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung die politische und moralische Aufgabe Nummer eins in diesem Lande.

    (Zustimmung bei der SPD)




    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    L) Aber diese Aufgabe kann nicht allein von der Bundesregierung gelöst werden. Hier haben sich Bundesbehörden, Landesbehörden, öffentliche und private Arbeitgeber mit gleichem Ernst und gleicher Verantwortung dieser Aufgabe anzunehmen. Die Schlüsselrolle bei der Lösung dieser Aufgabe kann nur die Wachstumspolitik spielen, weil die Beseitigung des globalen Arbeitsplatzdefizits die notwendigste Aufgabe ist. Aber wir werden darüber hinaus mit gezielter Arbeitsmarktpolitik eine Reihe von Verbesserungen erreichen können, vor allen Dingen bei den Problemgruppen des Arbeitsmarkts. Es bietet sich ja heute das differenzierte Bild, daß Facharbeiter schon wieder in einigen Branchen dringend gesucht werden und daß daneben ungelernte Arbeitskräfte, ältere Angestellte und ein Teil Jugendliche — aber auch diese wieder als ungelernte Arbeitskräfte — vergeblich einen Arbeitsplatz suchen.

    (Kolb [CDU/CSU] : Die Bauwirtschaft sucht ungelernte Kräfte und findet keine!)

    — In der Bauwirtschaft werden 20 000 Auszubildende gesucht. Ich weiß das, verehrter Herr Kollege. Nur: weder Sie noch ich werden einen Ausbildungszwang zu einem bestimmten Beruf verordnen wollen. Also können wir nur gemeinsam daran arbeiten, die Information zu verbessern, die Ausbildungskapazitäten zu verbessern und deutlich zu machen, wo die Zukunftsaussichten der jungen Generation liegen. Sie liegen in weiten Teilen im Bereich der qualifizierten Facharbeiter.
    Wir werden gemeinsam, hoffe ich, verehrter Kol- lege, beispielsweise auch dazu beitragen, daß es immer mehr möglich wird, Schulabgängerinnen in traditionelle Männerberufe zu vermitteln. Denn in vielen Arbeitsamtsbezirken haben wir, während z. B. die Bauwirtschaft Auszubildende sucht, zugleich viele junge Mädchen mit gutem Realschulabschluß, die keinen Ausbildungsplatz finden. Dort sieht es — aus Tradition und anderen Gründen — immer noch so aus, als könnten Mädchen nicht in technisch anspruchsvollen oder in traditionellen Männerberufen ausgebildet werden. Einzelfälle bestätigen, daß es geht. Wir haben allen Anlaß, das zu verbreitern.
    Darum wird auch das Fünfte Arbeitsförderungsgesetz, das Ihnen in Kürze zugehen wird, den Schwerpunkt der Veränderung darauf legen, daß wir die Ausbildungsmöglichkeiten, die Ausbildungskapazitäten verbessern, daß wir die Bundesanstalt für Arbeit in die Lage versetzen, sehr viel mehr als bisher mit Qualifikationslehrgängen, aber auch mit kurzzeitigen Motivationslehrgängen, die der Feststellung der beruflichen Eignung und der beruflichen Ausrichtung dienen sollen, helfend einzugreifen, um Stück für Stück in schwieriger, aber notwendiger Detailarbeit die arbeitsmarktpolitischen Möglichkeiten zu verbessern.
    Dazu wird auch gehören, daß wir die im letzten Jahr vorgenommene personelle Verstärkung der Arbeitsverwaltung um rund 1 000 Vermittler und 600 Berufsberater auch im Jahre 1979 in einer vernünftigen Größenordnung noch einmal wiederholen, weil sich herausgestellt hat, daß die von mir im vergangenen Jahr eingeleitete Arbeitsmarktoffensive trotz der nach der üblichen Einschätzung schwierigen strukturellen Lage dann Erfolg hat, wenn gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen, wenn der einzelne Vermittler die Zeit hat, sich intensiv um den einzelnen Arbeitsuchenden zu kümmern und sich auch vor Ort, in den Betrieben über die Bedingungen und Arbeitsplätze zu informieren. Dann kann er sehr viel größere Vermittlungserfolge aufweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Überhaupt scheint es mir notwendig zu sein, mit zwei gängigen Vorurteilen aufzuräumen. Wir haben auf Grund einer breit angelegten Informationsstudie des Infas-Instituts, nach einer Befragung von Vermittlern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern feststellen können, daß das gängige Vorurteil, eine große Anzahl von Arbeitsuchenden sei arbeitsunwillig, eine bösartige Verleumdung ist und nicht mit den Fakten übereinstimmt. Im Gegenteil: Die überwiegende Zahl der Arbeitsuchenden ist zu einer Vielzahl von Anstrengungen bereit, auch zur Weiterbildung, zur Weiterqualifizierung, zum Ortswechsel, zum Berufswechsel. Wir müssen die Arbeitsverwaltung nur entsprechend ausbauen, um die Vermittlungschancen zu verbessern. Das wird der Schwerpunkt der 5. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz sein, und auch der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit 1979 wird diese Konturen beinhalten. Wir werden diese neuen Aufgaben auch 1979 bei stabilen Beiträgen in der Arbeitslosenversicherung leisten.
    Es wäre reizvoll, in diesem Zusammenhang noch auf einiges mehr einzugehen, beispielsweise auch auf das, was der verehrte Kollege Biedenkopf am letzten Wochenende in seinem Interview, abgedruckt im „Handelsblatt", zu einer Reihe der hier behandelten Themen gesagt hat. Ich nehme an, Sie alle haben die Ausführungen Ihres wirtschaftspolitischen Sprechers gelesen. Ich kann mich nur auf einen Punkt beschränken; ich habe mir sehr viel mehr angestrichen, aber ich will darauf um der Kürze der Zeit willen verzichten. Aber eine Frage an Herrn Biedenkopf muß gerade vor dem Hintergrund des Gipfels und vor dem Hintergrund des Bundeshaushalts 1979 erlaubt sein.
    Wenn Sie, Herr Professor Biedenkopf, das Motto aufstellen, wir müßten staatliche Aufgaben streichen, wenn Sie darüber hinaus von einer Reduzierung, wenn nicht Abschaffung der gezielten staatlichen Forschungsförderung sprechen — wie in dem Interview mit dem „Handelsblatt" geschehen —, dann möchte ich doch gerne wissen, wie das mit den notwendigen Umstrukturierungen unserer Wirtschaft in Einklang gebracht werden soll.

    (Dr. Biedenkopf [CDU/CSU] : Das sage ich Ihnen!)

    Mich würde auch interessieren, Herr Biedenkopf, was der ehemalige Atomminister Strauß dazu sagen würde. Wo wäre unsere Kernenergie ohne gezielte staatliche Forschungsförderung? Sie wäre gar nicht vorhanden.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Biedenkopf [CDU/CSU] : Ihre eigene Partei will sie ja gar nicht!)




    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    Es gibt eine ganze Reihe von weiteren Aussagen, auf die ich gern eingegangen wäre. Aber ohne auf mehr Einzelheiten einzugehen, läßt sich zusammenfassend feststellen: Viele Äußerungen der Opposition, aber auch Zeitungs- und Verbandskommentare zu dem Gesamtpaket der nach dem Weltwirtschaftsgipfel beschlossenen Maßnahmen lassen die Tendenz erkennen, daß Verbesserungen im sozialpolitischen Bereich, vor allem wenn sie Geld kosten, als für die wirtschaftliche Entwicklung schädlich oder unwesentlich angesehen werden.
    Diese Kritiker des Gesamtpakets irren. Zwar ist der Beitrag sozialpolitischer Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung oft nur schwer meßbar; an seiner Bedeutung kann trotzdem nicht gezweifelt werden. Ich meine damit nicht nur die konjunkturstabilisierende Wirkung aller sozialpolitischen Geldleistungen, sondern vor allen Dingen auch den Zusammenhang zwischen dem erreichten Maß an sozialer Gerechtigkeit und dem gesellschaftlichen Bewußtsein. Die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und die qualifizierte Arbeit der deutschen Facharbeiter beruhen auch auf dem verwirklichten Maß an sozialer Gerechtigkeit. Sie machen möglich, daß trotz ständiger Kursverbesserungen der Deutschen Mark unsere Exportquote nicht sinkt, sondern noch steigt und daß die internationale Wettbewerbsfähigkeit ungebrochen ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die ständige, die ökonomischen Rahmenbedingungen beachtende Weiterentwicklung unseres Sozialleistungssystems trägt dazu bei, daß es so bleibt.
    Wir reden nicht von den „Grenzen des Sozialstaates", und wir schrecken die Arbeitnehmer nicht mit Formeln von der „Reprivatisierung sozialer Risiken", sondern wir sorgen dafür, daß die sozialen Leistungen gerecht verteilt werden und daß die Zukunftsaufgaben der Sozialpolitik in der Familienpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Gesundheitspolitik angefaßt werden, ohne die Beitrags-und Steuerzahler zu überlasten. Das Ihnen vorliegende Gesamtpaket ist Ausdruck dieser ineinandergefügten Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, und es wird dazu beitragen, die gegenwärtige Entwicklung positiv fortzusetzen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Albert Burger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Ehrenberg hat soeben den sozialen Rechtsstaat beschworen. Und er sagte, daß die Krise und die Probleme nicht zu Lasten der Ärmsten beseitigt werden sollten. Herr Minister Ehrenberg, haben Sie an diesen guten Grundsatz auch bei der Verabschiedung der Rentengesetze gedacht?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf .von der SPD: Polemik!)

    Hier haben Sie doch entgegen den Vorschlägen der
    CDU/CSU die kleinen Rentner eben nicht geschont,
    haben Sie die Kriegsopfer erheblich belastet. Was nützt es, heute abend diese hehren Grundsätze zu verkünden, wenn man dann, wenn es darauf ankommt, nicht entsprechend handelt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Minister, Sie sprachen auch von Glaubwürdigkeit. Ist man denn glaubwürdig, wenn man z. B. den Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Behinderte ablehnt, in namentlicher Abstimmung niederstimmt und ihn dann drei Monate später als eigenen Gesetzentwurf wieder einbringt?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Minister, dieses „schäpferische Abschreiben" schafft keine Glaubwürdigkeit, schafft kein Vertrauen. Am 8. Juni dieses Jahres stimmten SPD und FDP im Deutschen Bundestag den Antrag der CDU/ CSU auf Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte in namentlicher Abstimmung nieder.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Heute lesen wir in der Begründung zum Gesetzentwurf der SPD und der FDP, daß es sich bei Herabsetzung der Altersgrenze für Schwerbehinderte um ein altes Anliegen der Bundesregierung handle.

    (Zurufe von der SPD: Natürlich! Richtig!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Behauptung nenne ich eine Unverfrorenheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich nenne sie deshalb unverfroren, weil SPD und FDP offensichtlich ignorieren wollen, daß die CDU/ CSU dieses sogenannte alte Anliegen der Bundesregierung längst aufgegriffen hatte.
    Schon im Bundesrat ist angeführt worden, daß es dem Ansehen der Gesetzgebungsorgane abträglich sei, wenn eine von der Opposition ergriffene Gesetzesinitiative von ,der Bundesregierung und der Koalitionsmehrheit im Deutschen Bundestag zunächst abgelehnt und knapp drei Monate später bei unveränderter Sachlage als besonders eilbedürftige Regierungsvorlage erneut eingebracht wird. Dieses Verfahren widerspricht den bisher üblichen Regeln für den Umgang der Verfassungsorgane miteinander ' und zeugt auch von einem bedenklichen Verfassungsverständnis.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Hier ist sicherlich viel Vertrauen verlorengegangen, Vertrauen bei den Behinderten, Vertrauen bei den Verbänden und Vertrauen bei all denen, die Ihren Versprechungen geglaubt haben, daß im Rahmen der Rentenanpassungsgesetze redlich nach einer Lösung gesucht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Der größte Schwindel des Jahrhunderts!)

    Unser Gesetzentwurf wurde mit der Drucksache 8/1087 bereits am 26. Oktober 1977 vorgelegt. Die erste Beratung fand am 8. Dezember letzten Jahres im Deutschen Bundestag statt. Mein Kollege Geisenhofer und ich forderten schon damals alle Fraktio-



    Burger
    nen auf, eine dringend notwendige und sozialpolitisch höchst wünschenswerte Entscheidung gemeinsam zu fällen. Die Zahl der Arbeitslosen war steigend. Weder das Schwerbehindertengesetz noch die von Ihnen, Herr Minister, so herausgestellte finanzielle Sonderförderung schafften eine spürbare Abhilfe. Es war jedem Einsichtigen klar, daß vor allem die älteren Behinderten, die meist keine berufliche Rehabilitation hatten, dem harten Verdrängungswettbewerb in einer Phase langandauernder Arbeitslosigkeit weder psychisch noch physisch gewachsen waren. Soweit arbeitslos, hatten sie kaum eine Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
    Es mußte deshalb schnell geholfen werden. Aber SPD und FDP gönnten offensichtlich der Unionsfraktion nicht den Erfolg einer sinnvollen Alternative.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Besonders die SPD glaubt immer noch, eine Art Alleinvertretungsanspruch für den sozialen Fortschritt beanspruchen zu können. So sagte man im Deutschen Bundestag und in den Ausschüssen während der Beratungen zwar ein grundsätzliches. Ja zum Anliegen der Union, aber man prügelte gleichzeitig auch heftig auf uns ein. Die SPD-Kollegin Frau Steinhauer verstieg sich zu der Behauptung, der Gesetzentwurf der Union sei unaufrichtig, sei unvollständig und sei unsolide.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    — Wieso ist das wahr? Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ich frage die Regierung, ich frage die Fraktionen von SPD und FDP, was sich denn in den letzten Wochen geändert oder gebessert hat, mit welchen entscheidenden finanziellen Verbesserungen Sie rechnen konnten, daß angeblich Unsolides nun plötzlich ideal wird. Oder ist es so, daß eine richtige Initiative für Sie nur dann gut ist, wenn sie Ihre Unterschrift oder die Unterschrift der Bundesregierung trägt? Meine Damen und Herren, dies kann doch so nicht richtig sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe vorhin schon gesagt, daß durch diese Behandlung . Vertrauen verlorenging, daß Mitbürger enttäuscht wurden. Das Problem der Dauerarbeitslosigkeit der älteren Schwerbehinderten wurde völlig unnötig auf Eis gelegt, weil SPD und FDP nicht bereit waren, sich im Zusammenhang mit dem 21. RAG rechtzeitig zu entscheiden, um gemeinsam mit der CDU/CSU eine humane Entscheidung zu fällen.
    Auch ein Zweites setzt in Erstaunen: Es ist die Erklärung in der Begründung dieses Gesetzentwurfes, daß für die Bundesregierung für die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in erster Linie sozialpolitische Erwägungen maßgeblich seien. Diese Äußerung ist deshalb widersprüchlich, weil der Gesetzentwurf Bestandteil eines Programms, des sogenannten Gipfelpaketes, ist, das doch ausdrücklich wirtschaftspolitische Ziele hat.
    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird am Inhalt ihres ursprünglichen Antrages, der ersten parlamentarischen Initiative zur Herabsetzung der flexiblen
    Altersgrenze für Schwerbehinderte, festhalten. Sie wird in den Beratungen konstruktiv mitarbeiten. Wir wollen für die betroffenen Behinderten möglichst bald klare Verhältnisse schaffen. Es geht uns vorab um deren Schicksal und nicht darum, daß sich einige um soziales Profil bemühen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir bedauern auch, daß nicht bekannt ist, wie viele Schwerbehinderte im Arbeitsleben stehen. Dies ist ein Mangel. Obwohl alle anerkannten Schwerbehinderten durch die Versorgungsämter erfaßt sind, ist die Statistik lückenhaft. Wichtige Informationen, die für die Beratung erforderlich wären, können nicht gegeben werden. Die Kostenschätzungen sind daher wirklich nur Schätzungen. Sie stützen sich vorab auf die bisherigen Erfahrungen mit der vorgezogenen Altersgrenze. Wer die errechneten Mehraufwendungen für die nunmehr vorgesehene stufenweise Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze im Entwurf der Bundesregierung und der Koalition mit unseren Berechnungen seinerzeit vergleicht, kann feststellen, daß wir damals sauber gerechnet haben.
    Leider steht fest, daß die Frauen von den vorgesehenen Verbesserungen kaum einen Nutzen haben werden. Die Sonderregelung für berufstätige Frauen ' mit der Möglichkeit einer Berentung bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres ermöglicht bisher schon für berufstätige Frauen eine vorzeitige Pensionierung. Frauen aber, die von dieser Regelung keinen Gebrauch machen können, werden auch kaum von der flexiblen Altersgrenze profitieren, weil sie in aller Regel, wie die Erfahrung zeigt, die notwendigen 35 Versicherungsjahre nicht nachweisen können.
    Wir haben über dieses Thema auch mit Direktor. Hoffmann von der BfA in Berlin noch vor wenigen Tagen gesprochen. Er hat auf Anfrage bestätigt, daß in den Schätzungen der Angestelltenversicherung für diesen Gesetzentwurf mit antragsberechtigten Frauen kaum gerechnet wird. Wir haben auch bei den Kostenberechnungen immer darauf hingewiesen, daß diese beklagenswerte Situation von uns vielleicht nicht voll gewürdigt und gesehen worden ist, und wir sollten auch bei den Beratungen im Ausschuß zu diesem Thema noch einmal besonders Stellung nehmen.
    Ich möchte mit Nachdruck auch noch einmal das Prinzip der Freiwilligkeit nennen, das für die Praxis der vorzeitigen Berentung in Betrieb und Verwaltung unbedingt zugrunde gelegt werden muß. Es darf kein Abschieben geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir müssen bei der Altersgrenze von den jeweiligen subjektiven, sehr unterschiedlichen Gegebenheiten ausgehen. Wir sollten überhaupt bei der Altesrgrenze zu immer größerer Flexibilität kommen. Dies fordern insbesondere die Gerontologen, und zwar Flexibilität nach oben und unten, also nach beiden Seiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch wir wünschen und erwarten, daß frei werdende Pflichtplätze für Behinderte in Wirtschaft und



    Burger
    Verwaltung wieder mit Behinderten besetzt werden. Aus Sonderschulen kommen jährlich 50 000 bis 60 000 jugendliche Behinderte. Sie suchen einen Dauerarbeitsplatz, sie suchen Ausbildungsplätze. Die Berufsbildungswerke rehabilitieren kontinuierlich Männer und Frauen, die als Folge von Unfällen und Krankheiten und wegen angeborener Leiden Dauerschäden haben. Sie sind heute beruflich qualifiziert, und sie sollten deshalb auch angenommen werden. Noch vorhandene Vorbehalte sollten endlich abgebaut werden.
    Die Herabsetzung der Altersgrenze soll nach dem Entwurf in Stufen erfolgen. Eine Begründung für diese stufenweise Herabsetzung wird nicht gegeben. Es wird deshalb angenommen, daß ausschließlich finanzielle Erwägungen ausschlaggebend sind.

    (Glombig [SPD] : Was denn sonst?)

    Die CDU/CSU hält im Blick auf die hohe Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter diesen Stufenplan im Grunde für mißlich und auch für kleinlich. Wenn man Milliardenprogramme beschließt, sollte man bei aller Notwendigkeit von Stabilität und Solidität gerade in diesem Bereich auf 50 oder 100 Millionen DM, die ja nur phasengerecht verschoben werden, nicht unbedingt Rücksicht nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man muß sich auch fragen, ob es sinnvoll ist, für 60jährige Behinderte einen niedrigeren Hinzuverdienst zuzulassen als für 62jährige. Doch darüber, meine Damen und Herren, wollen wir im Ausschuß gern näher sprechen.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß: Die CDU/CSU bedauert, daß SPD und FDP erst heute bereit sind, die Altersgrenze für Behinderte herabzusetzen. Wir werden auf der Grundlage unseres eigenen Antrags mitarbeiten und auf zügige Beratung drängen, um eine baldige Entscheidung herbeizuführen. Denn wir sehen in der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte die Verwirklichung eines dringlichen sozialpolitischen Anliegens.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Hört! Hört!)