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ID0810302600

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    Plenarprotokoll 8/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Erdbebens im Kaiserreich Iran . . . 8109 A Anteilnahme am Tode, des Oberhauptes der katholischen Kirche Papst Paul VI . . . . 8109 B Glückwünsche für den neuen Papst Johannes Paul I 8109 B Nachruf auf den Abg. Dr. Staudt . . . 8109 B Eintritt des Abg. Nehm in den Deutschen Bundestag 8109 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Mattick, Wehner, Frau Funcke, Müller (Berlin), Dr. von Bismarck, Saxowski Glückwünsche zur Geburt eines Kindes der Abg. Frau Krone-Appuhn 8109 D Ausscheiden des Abg. Dr. Gruhl aus der Fraktion der CDU/CSU 8110 A Dank und Anerkennung für die Ausrichtung der 65. Interparlamentarischen Konferenz in Bonn vom 3. bis 14. September 1978 . . . 8110 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 8170 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 8110B Abwicklung der Tagesordnung 8111 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 8111 ] Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1979 (Haushaltsgesetz 1979) — Drucksache 8/2150 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1978 bis 1982 — Drucksache 8/2151 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979) — Drucksache 8/2100 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Schwerbehinderte (Fünftes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 8/2101 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksache 8/2102 — Matthöfer, Bundesminister BMF . . . . 8114 A Dr. Häfele CDU/CSU 8124 C Westphal SPD 8130 D Frau Funcke FDP 8137 A Späth, Ministerpräsident des Landes Baden- Württemberg 8141 B Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär BMF . . 8146 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 8150 D Burger CDU/CSU 8156 B Glombig SPD 8158 B Cronenberg FDP 8161 D Frau Geier CDU/CSU 8163 B Frau Eilers (Bielefeld) SPD 8166 A Eimer (Fürth) FDP 8168 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 8/2112 — . . . . . . 8170 A Nächste Sitzung 8170 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8171* A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes 8171* C Anlage 3 Stellungnahme des Bundesrates zum Einundzwanzigsten Gesetz über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte 8171* D Anlage 4 Stellungnahme des Bundesrates zum Zehnten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes . . . 8172* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 8109 103. Sitzung Bonn, den 20. September 1978 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 20. 9. Adams ' 22. 9. Dr. van Aerssen * 22. 9. Dr. Ahrens ** 22. 9. Dr. Aigner * 22. 9. Dr. Bangemann * 21. 9. Dr. Barzel 22. 9. Dr. Bayerl * 22. 9. Dr. Dregger 6. 10. Erhard (Bad Schwalbach) 21. 9. Dr. Eyrich 22. 9. Fellermaier * 22. 9. Dr. Früh * 20. 9. Hansen 29. 9. Hartmann 20. 9. von Hassel 20. 9. Hoffmann (Saarbrücken) ' 22. 9. Ibrügger * 6. 10. Dr. h. c. Kiesinger 22. 9. Kleinert 21. 9. Dr. Klepsch * 21. 9. Klinker * 21. 9. Dr.-Ing. Laermann 22. 9. Lange * 21. 9. Dr. Langner 20. 9. Lemmrich ** 20. 9. Lemp * 22. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 22. 9. Liedtke 20. 9. Lücker * 20. 9. Luster * 22. 9. Möhring 29. 9. Müller (Mülheim)* 21. 9. Müller (Wadern) * 21. 9. Nordlohne 29. 9. Peter 22. 9. Rosenthal 20. 9. Russe 22. 9. Sauer (Salzgitter) 29. 9. Saxowski 29. 9. Schmidthuber 22. 9. Schmidt (München) * 22. 9. Schmidt (Wattenscheid) 22. 9. Schreiber * 22. 9. Schulte (Unna) 22. 9. Dr. Schwencke (Nienburg) * 22. 9. Sieglerschmidt ** 22. 9. Dr. Starke (Franken) * 22. 9. Stücklen 22. 9. Vogel (Ennepetal) 20. 9. Voigt (Frankfurt) 20. 9. Frau Dr. Walz * 22. 9. Wawrzik * 22. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Wissmann 22. 9. Würtz * 22. 9. Ziegler 6. 10. Zink 22. 9. Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes Zu Art. 1 Nr. 6 und 15 Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, angesichts des vorgesehenen Kumulierungsverbots zwischen Zuschüssen nach diesem Gesetz und der Investitionszulage oder der Förderung mit sonstigen Mitteln (vgl. Art. 1 Nr. 6 und 15) baldmöglichst Vorschläge zu unterbreiten, auf welche Weise die bisher bestehenden Präferenzvorsprünge des Zonenrandgebietes (Zuschüsse nach der Gemeinschaftsaufgabe) und Berlins mit dem Ziel erhalten bleiben, daß Umfang und Effektivität der Förderung der Wohnungsmodernisierung nicht eingeschränkt werden. Anlage 3 Stellungnahme des Bundesrates zum Einundzwanzigsten Gesetz über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung so- wie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte (Einundzwanzigstes Rentenanpassungsgesetz - 21. RAG) Der Bundesrat bedauert, daß es auch im Vermittlungsverfahren nicht möglich war, seine Vorschläge zur Beibehaltung des Prinzips der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente durchzusetzen. Mit dem Beharren auf den systemfremden Maßnahmen im 21. Rentenanpassungsgesetz wird auf feste Grundlagen für die Berechnung und Steigerung der Renten verzichtet und damit das Kernstück der Rentenreform von 1957 aufgegeben. Der Bundesrat bekräftigt erneut seine Auffassung, daß eine Sanierung der Rentenfinanzen durch systemkonforme Maßnahmen möglich ist. Auch zum 10. Anpassungsgesetz - KOV - ist der Vermittlungsausschuß den Vorschlägen des Bundesrates nicht gefolgt. Der Bundesrat bedauert, daß von der bruttolohnbezogenen Anpassung der Kriegsopferrenten abgegangen worden ist. Auch vom Bundesrat vorgeschlagene weitere strukturelle Verbesserungen sind nicht berücksichtigt worden. 8172* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1978 Der Bundesrat hält seine grundsätzlichen Bedenken gegen beide Gesetze aufrecht. Nachdem der Bundestag bereits in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit Änderungen bei beiden Gesetzen abgelehnt hat, ist es dem Bundesrat angesichts der zur Zeit bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht möglich, seine Auffassung im weiteren Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen. Er sieht deshalb von einem Einspruch ab. Anlage 4 Stellungnahme des Bundesrates zum Zehnten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Zehntes Anpassungsgesetz — KOV — 10. Anp-KOV) Der Bundesrat bedauert, daß es auch im Vermittlungsverfahren nicht möglich war, seine Vorschläge zur Beibehaltung des Prinzips der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente durchzusetzen. Mit dem Beharren auf den systemfremden Maßnahmen im 21. Rentenanpassungsgesetz wird auf feste Grundlagen für die Berechnung und Steigerung der Renten verzichtet und damit das Kernstück der Rentenreform von 1957 aufgegeben. Der Bundesrat bekräftigt erneut seine Auffassung, daß eine Sanierung der Rentenfinanzen durch systemkonforme Maßnahmen möglich ist. Auch zum 10. Anpassungsgesetz — KOV — ist der Vermittlungsausschuß den Vorschlägen des Bundesrates nicht gefolgt. Der Bundesrat bedauert, daß von der bruttolohnbezogenen Anpassung der Kriegsopferrenten abgegangen worden ist. Auch vom Bundesrat vorgeschlagene weitere strukturelle Verbesserungen sind nicht berücksichtigt worden. Der Bundesrat hält seine grundsätzlichen Bedenken gegen beide Gesetze aufrecht. Nachdem der Bundestag bereits in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit Änderungen bei beiden Gesetzen abgelehnt hat, ist es dem Bundesrat angesichts der zur Zeit bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht möglich, seine Auffassung im weiteren Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen. Er sieht deshalb von einem Einspruch ab.
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    Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Herr Abgeordneter Westphal. Dies haben wir auch so gemacht. Nur kam der Finanzminister zu einem interessanten Ergebnis. Er hat gesagt: Bei genauer Betrachtung des Kapitalmarktes komme ich zu dem Ergebnis, daß, wenn wir mit der gesamtwirtschaftlichen Begründung der Schuldenaufnahme der öffentlichen Hand so weitermachen, unsere Kinder eines Tages unsere Schulden bezahlen müssen und die Privaten die Zinsen nicht mehr bezahlen können, weil ihnen die öffentliche Hand die Kredite weggeschnappt hat. Das



    Ministerpräsident Späth
    hat er mir gesagt. Das müßten Sie einmal genau untersuchen.

    (Zuruf von der SPD)

    — Ja, beim heutigen Zinsniveau nicht. Aber wenn Sie bei der Verschuldungspolitik so weitermachen, werden Sie sehr schnell sehen, wo das Zinsniveau hingeht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte da noch eine ganz bescheidene Überlegung zur Investitionspolitik anschließen. Das, was wir uns zur Zeit mit großer Sorge überlegen, ist folgendes. Wenn wir, die öffentliche Hand, beispielsweise im investiven Bereich zu forsch rangehen, etwa beim Bau, werden auch Sie draußen feststellen — auch im Augenblick schon —, daß die Steigerung der Investitionsnachfrage schon wieder in die Preise geht. Was wir keinesfalls machen dürfen, ist folgendes: Es darf nicht geschehen, daß eine zinsunempfindliche und preisunempfindliche öffentliche Hand in Konkurrenz zu den Gott sei Dank investitionsbereiten Privaten, auch Kleininvestoren, etwa in der Stadterneuerung oder in der Wohnungsmodernisierung in Konkurrenz geht. Sonst würden wir dort gerade die verdrängen, die wir jetzt mit Hilfe des Zinsniveaus und mit Subventionen zur Stabilisierung der Nachfrage herbeigeholt haben. Das ist ein Punkt, den wir sehen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich hier noch einmal klar das eine vom anderen trennen: Nach unserer Auffassung ist der Zweck der Steuerentlastung der, daß Bund, Länder und Gemeinden das Geld zurückgeben, das ihnen nicht gehört, und daß sie ihre Ausgaben so bemessen, daß dieses Geld jetzt und künftig nicht mehr verplant wird. Das ist unser Motiv der Steuergerechtigkeit, und wenn sich das mit dem Motiv des Weltwirtschaftsgipfels trifft, haben wir zumindest — aus verschiedenen Motiven — den gleichen Ansatz.
    Jetzt kommt der zweite Teil, und da muß ich etwas zum Verfahren sagen. Ich verstehe durchaus — und dazu will ich nachher noch einige Ausführungen machen —, daß man in diesen Fragen jetzt schnell handeln muß. Aber wenn man in diesem Zusammenhang den Ländern Vorwürfe macht, bitte ich doch, auch einmal das Verfahren zu beachten, in dem das Steuerpaket den Ländern angeboten worden ist: Die Bundesregierung legt uns ein Steuerpaket vor. Wir berufen eine Sondersitzung des Bundesrates ein, weil das sehr schnell gehen muß. Heute, zwei Tage vorher, bringen die Koalitionsfraktionen die Sache hier ein, weil nur so der Bundesrat umkurvt werden kann, und wir sollen hier schon heute zu diesem Paket Stellung nehmen. Das tun wir ja, aber — —

    (Wehner [SPD] : Das müssen Sie nicht! Das können Sie im Bundesrat machen! Es stört Sie niemand!)

    — Herr Kollege Wehner, das verstehe ich. Nur ist
    es, wenn wir unsere Argumente einbringen wollen,

    (Wehner [SPD] : Bringen Sie sie doch ein!)

    glaube ich, doch gut, wenn wir sie in die Diskussion
    jetzt schon einbringen. Ich glaube, das ist sogar not-
    wendig, wenn wir nachher in den Dialog eintreten
    wollen. Denn eines steht doch fest: Es ist nicht besonders sinnvoll, wenn wir uns so lange auseinanderbewegen und nachher etwas miteinander tun müssen. Und wir wollen ja etwas miteinander tun.

    (Wehner [SPD]: Erst einmal jedem das Seine!)

    — Das ist richtig, aber am Schluß den Bürgern das Gemeinsame, und dazu brauchen Sie auch uns!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist genau das, wozu ich wirklich eine Anregung geben möchte, wenigstens für die Zukunft. Herr Bundesfinanzminister, wenn wir uns früher zusammensetzten und einmal diese Problemstellungen, die sich jetzt auch im kommunalen Bereich so schnell auftun, besprächen, so würden wir, davon bin ich überzeugt, viele Ansätze entdecken, wo wir uns finden könnten. Es wäre gut, wir würden das im Vorstadium so gelassen und in Ruhe tun können, daß wir jetzt nicht in großer Hektik gewissermaßen gute Ansätze dort, wo Gemeinsamkeiten möglich sind, nicht gemeinsam vollziehen können.
    Wir haben z. B. — ich will es noch einmal sagen — einen gemeinsamen Ansatz im Familienlastenausgleich. Die Gretchenfrage ist, daß wir es uns in unserem Staat politisch einfach nicht leisten können, weiterhin die Familien in der sozialen und finanziellen Lage zu lassen, in die sie auch dann hineinkommen, wenn die Einkommenslage zunächst gut ist. Und da liegt unser Ansatz mit den Kinderfreibeträgen. Für mich ist die Frage „Kindergeld oder Kinderfreibeträge?" überhaupt keine große Frage der Ideologie.

    (Conradi [SPD] : Doch, das ist sie eben!)

    — Aber Herr Conradi, ich würde Ihnen nur einmal raten, etwas, was ich zur Zeit untersuchen lasse, mit zu überlegen, nämlich die Lage einer Familie mit relativ gutem Einkommen, die vier Kinder hat,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Ganz schlimm!)

    einer Familie, die im Einkommen etwa 200 DM über den BAföG-Richtsätzen und allen anderen staatlichen Subventionen liegt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da werden Sie plötzlich entdecken, daß Sie hier eine neue Form sozialer Schwäche haben, weil wir da gewissermaßen eine Ebene gebaut haben, unter der über Transfereinkommen subventioniert wird und über der jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Das funktioniert im Sozialsystem auch nicht.

    (Zuruf von der SPD: Wollen Sie das mit dem Kinderfreibetrag lösen?)

    — Das können wir mit Sicherheit nicht durch den Kinderfreibetrag allein lösen. Aber ich habe mit großem Interesse gehört, daß Sie der Meinung sind, daß in diesen Bereichen bei der Progression Entlastungen eintreten sollen. Dann lassen Sie uns doch einmal zusammenrechnen, wie sich das auswirkt! Ich bin überhaupt der Meinung, wir sollten bei Steuerfragen mehr rechnen und uns nicht Glaubensfragen um die Ohren hauen, denn das ist sicherer.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Ministerpräsident Späth
    Zur Mehrwertsteuererhöhung sagen wir nicht nein.

    (Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

    Wir sagen nein, wenn die Mehrwertsteuererhöhung im Grunde nichts anderes ist, als daß ein Teil der Steuerentlastung aus dem Lohn- und Einkommensteuerbereich wieder hereingeholt wird. Diesen Kreislauf machen wir so nicht mit. Das ist der eine Abschnitt, von dem ich sprach.
    Wenn Sie im zweiten Abschnitt sagen, wir wollen gemeinsam einen Familienlastenausgleich im ersten Ansatz schaffen, und da wollen wir eine Balance zwischen Mehrwertsteuererhöhung und Familienlastenausgleich, so können Sie darüber mit uns offen verhandeln, denn das ist ein erster Ansatz zu einer Steuerstrukturpolitik, wie wir sie wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will auch gleich das zweite Angebot machen. Das ist etwas, das für uns politisch unverzichtbar ist. Wir können nicht nur vom Mittelstand und seinen Problemen reden, wir müssen jetzt entscheidend zur steuerlichen Entlastung des Mittelstandes beitragen. Die entscheidende steuerliche Frage betrifft die Gewerbesteuer. Daran führt kein Weg vorbei.

    (Aha-Ausrufe bei der SPD)

    Ich warne davor — und ich sage das auch zu allen Beschützern der Kommunen — —

    (Zuruf von der SPD: Dem Herrn Rommel!)

    — Das sage ich auch dem. Wir reden öfter 'miteinander darüber. Das ist bei uns so.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wir dürfen einerseits die fiskalischen Interessen der Gemeinden und auch ihr Interesse an originären Steuern der Gemeinden nicht übersehen. Aber wenn ein Betrieb, der früher zur Produktion viel Fläche und Gebäude brauchte und jetzt in der Umstrukturierung ist und diesen Ballast ohnehin mittragen muß, aus dem allem noch Gewerbekapitalsteuer zahlen muß, auch wenn er nichts mehr verdient, dann geht es hier nicht um eine Frage der Fiskalseite der öffentlichen Hand, sondern um die Frage, wie wir helfen wollen, Steuergerechtigkeit in diesem Staat herzustellen.
    . (Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch ein Stück weiter — das wollen wir jetzt gar nicht konkret verlangen, aber man muß das doch einmal weiter überlegen, wenn man langfristig denkt —: Wenn die Bundesbank aus konjunkturpolitischen Gründen die Erhöhung der Zinsen veranlaßt, was ja konjunkturpolitisch vielleicht völlig richtig ist, dann können Sie doch nicht zulassen, daß sich die großen Konzerne gewissermaßen auf dem Eurodollarmarkt finanzieren und der Mittelständler bei seiner Hausbank 11 oder 12 °/o für Kredite zahlt, die als Dauerschulden seinem nicht mehr vorhandenen Ertrag zugerechnet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das geht doch einfach nicht. Da, meine ich, muß uns allen, auch den Oberbürgermeistern insgesamt noch ein bißchen mehr einfallen als die Forderung: „Geht uns nicht ans Eingemachte der Gewerbesteuer!" Da muß eine Lösung gefunden werden, die den Gemeinden originäre Ersatzsteuern bringt. Aber darüber muß man nachdenken.
    Ich meine fast — jetzt sage ich etwas ganz Selbstkritisches — seit der Reform von 1969/70 haben wir jedes Jahr ein Reförmchen gemacht, statt über die langfristige Struktur unseres Steuersystems nachzudenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist vielleicht ein entscheidender Fehler.
    Nun zum Ersatz! Den Vorwurf, Herr Westphal, den Sie dem Herrn Häfele gemacht haben, können Sie einfach so nicht aufrechterhalten. Denn Sie haben alles, was er an Alternativen hin und her überlegt hat, addiert und gesagt: „Das sind 18 Milliarden." So einfach können wir nicht diskutieren. Ich will es noch einmal konkretisieren. Unsere Grundlinie ist folgende. Sie geben die 10 Milliarden zurück, mit uns zusammen. Das trifft die Länder genauso wie den Bund und die Gemeinden. Dann gehen Sie auf die 7 °/o, die ich vorher für Baden-Württemberg angekündigt habe. Dann haben Sie 2,4 Milliarden weg. Ich sage Ihnen auch gleich einen Dekkungsvorschlag. Der Finanzminister hat 2 Milliarden DM globale Minderausgaben. Das macht man ohnehin am Schluß, wenn es mit der Deckung nicht mehr so ganz hinhaut. Das machen wir auch; das will ich gleich dazusagen.

    (Westphal [SPD]: Das kritisiert Herr Strauß, wenn es schriftlich auf dem Tisch liegt!)

    — Das kritisiert die Opposition auch bei uns zu Recht. — Dann sollte man aber einmal überlegen, ob es nicht möglich ist, bei einem Haushalt von 204 Milliarden 1 °/o herauszukriegen. Wenn Sie nur 2 Milliarden oder 2,4 Milliarden heraushaben, sind Sie auch bei 7 %. Wenn Sie die 2,4 Milliarden nehmen, die entsprechenden Länderbeträge und die Kommunalbeträge, dann sind Sie beinahe bei den 10 Milliarden, die uns einfach nicht gehören. Geben wir die zurück! Dann erhöhen Sie die Mehrwertsteuer um 7 Milliarden. Davon geben Sie grob 4 bis 41/2 Milliarden dem Familienlastenausgleich,. grob 2 bis 21/2 Milliarden über die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der Lohnsummensteuer in die Mittelstandsförderung. Dann können Sie doch nicht sagen, daß dies nicht eine logische, klare und dem Bürger verständlich zu machende Vorstellung sei. Da ist der Ansatz. Und dann, wenn wir dies klar haben, — —

    (Huonker [SPD] : Das hat nur mit dem Mittelstand wenig zu tun, Herr Späth!)

    — Das hat sehr viel damit zu tun. Sie wissen genau, daß die Konzerne über die Höhe des Körperschaftsteuersatzes wieder verrechnen. Wenn Sie das auch noch einbeziehen, dann wissen Sie daß 'das mit dem Mittelstand sehr viel zu tun hat. Sie müssen endlich auch einmal sehen, 'daß die Kleinen deshalb kaputtgehen, weil unterhalb der ganz Großen, die die Preise bestimmen können, die Zwischenebene fehlt: die mittlere und die obere Ebene des Mittelstandes, die die gesunde Struktur einer Gesamtwirtschaft ausmacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Ministerpräsident Späth
    Verehrter Herr Huonker, solange Baden-Württemberg von 2,4 Milliarden DM Finanzausgleich der gesamten Länder der Bundesrepublik im nächsten Jahr 1,2 Milliarden DM bezahlt und wir bei unseren Steuern gewissermaßen —

    (Zuruf von der SPD: An wen denn?)

    — An befreundete, weniger befreundete und auch solche, die uns nicht mögen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Aber wir Baden-Württemberger sind so: Wenn das Geld weg ist, denken wir nicht einmal mehr nach, wer es hat,

    (Wehner [SPD] : Aber reden darüber!) sondern uns fehlt es eben.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    — Herr Wehner, Sie mögen uns das entschuldigen. Es ist eine unserer landsmännischen Eigenschaften, daß es uns wahnsinnig wehtut, wenn wir Geld, das wir schon einmal hatten, wieder abgeben müssen.
    Ich darf noch einen Satz zu diesem Thema sagen. Wenn wir dieses Paket betrachten, müssen wir die Ausfälle bei den Gemeinden berücksichtigen. Bei den ersten 10 Milliarden DM können wir für die Gemeinden nichts tun; auch sie müssen zurückgeben. Aber dort, wo die Gemeinden extrem belastet sind, beim Ausfall der Gewerbekapitalsteuer, zum Teil im Lohnsummensteuerbereich und bei der Mehrbelastung durch die Mehrwertsteuer — das muß man sehen; da sind die Gemeinden stärker belastet —, müssen wir einen Ausgleich finden. In diesem Zusammenhang ist unsere Vorstellung: mindestens einen Punkt beim Anteil an der Einkommen-und Lohnsteuer sowie eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage. Auf jeden Fall müssen es originäre Ersätze sein. Die Gemeinden dürfen über den Finanzausgleich nicht in einen noch höheren Grad von Abhängigkeit von den Partnern, insbesondere vom Bund und von den Ländern, geraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage das vor allem, damit nicht der Eindruck entsteht, wir hätten nicht viel Verständnis für das, was im fiskalischen Bereich zu geordneten Gemeindefinanzen gehört. Ich meine nur: Auch hier ist kein geeignetes Schlachtfeld. Wir müssen zunächst die steuerpolitische Linie klarlegen, dann müssen wir die Fehlentwicklungen berechnen, und dann müssen wir zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zum Ausgleich kommen mit dem Ziel, jedem zunächst originäre Steuerquellen zu geben und erst hilfsweise auf sogenannte Finanzausgleichslösungen zurückzugreifen.
    Wenn ich zum Schluß noch eine bescheidene Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister richten darf — das hängt nun wieder mit unserem engen Verhältnis zu dem Geld zusammen, das wir schon haben und nicht hergeben möchten —: Herr Bundesfinanzminister, wir möchten parallel zu den jetzt notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in der Steuerpolitik auch gern wissen, wohin die Reise bei der Neuverteilung der Umsatzsteuer geht. Wir wollen gar nicht den Verdacht äußern, daß uns möglicherweise, um das Steuerpaket zu beschleunigen, ein generöser Bundesfinanzminister Kompromisse anbietet. Aber der Verdacht, daß diese Gelder kurz darauf, nämlich wenige Wochen später bei den Umsatzsteuerverhandlungen, bei uns wieder abgeholt werden, wir also gerade zum Jahresbeginn zu einem Schecktausch kämen, ist für die Ministerpräsidenten und Finanzminister der Länder solch eine seelische Belastung, daß ich Ihnen außerordentlich dankbar wäre, wenn wir die Zukunftsvisionen wenigstens für die nächsten Jahre nicht nur auf die jetzigen Haushalte, sondern auch auf die Umsatzsteuerverteilung richteten. Ein solches Vorgehen könnte dazu beitragen, daß Sie nicht einen Haushalt mit einem Umsatzsteueranteil verabschieden, wir in den Ländern unsere Haushalte mit anderen Umsatzsteueranteilen, und wir alle am Schluß feststellen, daß zwar die Haushalte stimmen, wir aber zusammen so etwa 110 % der Steuereinnahmen im Umsatzsteuerbereich verplant haben.
    Wenn wir auch das noch vermeiden können, wenn Sie unser Angebot zur Partnerschaft bei den Steuerstrukturveränderungen ernst nehmen und der Steuerzahler sein Geld zurückbekommt, dann bin ich ganz sicher, daß wir einen guten Ansatz für eine Gemeinsamkeit haben.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Böhme.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Böhme


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir eine Ehre, als Finanzstaatssekretär des Bundes heute auf den baden-württembergischen Ministerpräsidenten erwidern zu dürfen, dem ich hier zu seinem Einstand im Bundestag herzlich gratuliere.

    (Beifall)

    Und es ist mir eine besondere Freude, daß ich dies — erlauben Sie mir diese Bemerkung — als Badener gegenüber meinem schwäbischen Landsmann tun darf.

    (Heiterkeit)

    Dazu kann ich vielleicht zwei Vorbemerkungen machen.
    Das erste, was den Bundesfinanzminister betrifft, zur Kenntnis der Psyche des Schwaben für die Umsatzsteuerneuverteilung: daß vor einer Einladung des Hauslehrers die Mutter zu den Kindern gesagt hat: „Ihr Kinder, esset die Ripple weg, daß der Hauslehrer nachher ans Kraut dran kann."

    (Heiterkeit)

    Als Badener habe ich großes Verständnis dafür und weiß, daß es den Schwaben sehr wehtut, Geld herzugeben, daß sie aber, wenn es dann tatsächlich geschehen ist, nicht mehr daran denken. Auch da gibt es eine Geschichte: Als nämlich die schwäbische
    Bäuerin eingeladen hat und die Gäste sich genierten, ordentlich zuzugreifen, hat sie gesagt — auf
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 1.978 8147
    Parl. Staatssekretär Dr. Böhme
    Schwäbisch —: „Langet nur zu; was auf dem Tisch steht, isch scho verschmerzt."

    (Anhaltende Heiterkeit)

    Meine Damen und Herren, nach diesem kurzen Ausflug in die baden-württembergischen Gefilde nun zu unserem harten Geschäft der Finanzpolitik. Sie haben soeben eine bemerkenswerte Ausführung schwäbischer

    (Zuruf von der SPD: Schlitzohrigkeit!)

    Finanzpolitikkunst — so muß ich sagen — erlebt. Ich möchte das, was hier gesagt worden ist, einmal zu unserer Situation und zu dem in Beziehung setzen, was an Vorschlägen vom Bundesrat hier auf den Tisch kommt. Herr Ministerpräsident, wenn Sie hier allerhand kluge finanzpolitische Erörterungen anstellen, müssen Sie sich auch fragen lassen, was eigentlich die Essenz dessen ist, was Sie hier vorschlagen. Es genügt nicht, mit irgendwelchen Zahlenspielen und netten Formulierungen das Parlament des Bundestages zu beeindrucken.
    Ich möchte Ihnen einmal sagen, was Ihre Alternative ist, was, gemessen an dem Konzept der Bundesregierung, abgestimmt und vereinbart nach dem Weltwirtschaftsgipfel in Bonn,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    diese Stimme aus Baden-Württemberg und — entschuldigen Sie — wohl auch Provinz hier zu melden hat. Gegenüber dem, was auf dem Gipfel und später im Kabinett diskutiert worden ist, sind hier im wesentlichen drei Vorschläge gemacht worden. Es ist notwendig, sie gleich am Anfang einmal zu nennen.
    Der erste Vorschlag, Herr Ministerpräsident, ist, daß Sie sich unter dem Stichwort der Reform des Kinderlastenausgleichs — man muß die Formulierung einmal hören: „Reform des Kinderlastenausgleichs"! — hier an dieses Pult begeben und sagen: Die Kinderfreibeträge müssen wieder eingeführt werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Was dies ist, wurde vorhin schon von meinem Kollegen Heinz Westphal gesagt: Dies ist nichts anderes als eine im wahrsten Sinne des Wortes reaktionäre Politik.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Was 1975 — das ist erst einige Jahre her —

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Vorher sprach der Badener, jetzt spricht der Genosse!)

    mit Zustimmung aller Parteien, der Kirchen, aller Wohlfahrtsverbände und Familienvereinigungen abgeschafft wurde, soll wiederkommen. Nichts zeigt eindringlicher als dieses Beispiel, in welche Richtung die Steuerpolitik der Union geht, einer Union, die nichts vergessen und nichts dazugelernt hat.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ach du lieber Gott!)

    Künftig soll es also nach christdemokratischem Wil-
    len wieder so sein, daß der Familienlastenausgleich
    vom Einkommen der Eltern abhängt und die Entlastung mit steigendem Einkommen progressiv ansteigt nach dem Motto: „Wer hat, dem wird gegeben".

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Als zweites schlagen Sie im Grunde die Abschaffung der Gewerbesteuer vor. Ich werde darauf nachher noch näher eingehen, möchte aber jetzt schon sagen: Ich betrachte Ihre Vorschläge im Grunde als •einen Schlag gegen die Selbstverwaltung der Gemeinden, weil die Finanzautonomie der Gemeinden mit Ihren Vorschlägen beseitigt wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zum dritten — das möchte ich auch vorwegnehmen — soll dieses „Konzept", nämlich die Wiedereinführung der Kinderfreibeträge und die Abschaffung der Gewerbesteuer, mit einer Anhebung der Mehrwertsteuer finanziert werden. Herr Ministerpräsident Späth, für die Tarifreform und zur Finanzierung sozial- und familienpolitischer Maßnahmen kann nach Ihrer Meinung die Mehrwertsteuererhöhung nicht eingesetzt werden, für eine massive steuerpolitische Umschichtung bei den Kinderfreibeträgen zugunsten der Großverdiener und zugunsten der Unternehmer durch die Abschaffung der Gewerbesteuer soll jedoch die Mehrwertsteuererhöhung herhalten. Eine solche Politik ist unsozial und ein Unrecht gegenüber den Arbeitnehmern und Rentnern in unserem Land.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Stark [Nürtingen] : Jetzt spricht der Genosse und nicht mehr der Badener! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist nicht mehr so gut wie am Anfang!)

    Sie haben vorhin gesagt, daß Sie bei dieser Finanzpolitik, bei diesem Paket, das in Wahrheit ein Steuer-, Sozial- und Innovationspaket darstellt, ein Konzept vermissen. Ich möchte Ihnen ein paar Punkte in die Erinnerung zurückrufen, wie wichtig dieses Paket gerade auch für ein Bundesland wie Baden-Württemberg ist, welches wie kein anderes Bundesland vom Export abhängig ist. Zum Konzept: Da ist zum ersten die Ausführung der Beschlüsse des Weltwirtschaftsgipfels zur Abwehr der weltweiten Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts. Dies ist wichtig für jedes Bundesland, besonders für Baden-Württemberg. Sie werden doch nicht die Berechtigung der Bundesregierung bestreiten, hier schnell und entschlossen zu handeln. Die Bundesrepublik setzt als erster Staat die Beschlüsse des Weltwirtschaftsgipfels vom 16. und 17. Juli 1978 in konkrete Maßnahmen um. Das Entlastungsvolumen beträgt über 12 Milliarden DM, d. h. wie beim Weltwirtschaftsgipfel vereinbart, etwa 1 % des Bruttosozialprodukts.
    Zweitens enthält das Konzept mehr Steuergerechtigkeit durch Verbesserung des Steuersystems und mehr soziale Sicherheit durch Erweiterung des Mutterschutzes bei voller Arbeitsplatzgarantie, Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze und Erhöhung des Kindergeldes. In einer wirtschaftlich schwierigen Zeit erfolgt somit nicht ein Abbau, sondern ein



    Parl. Staatssekretär Dr. Böhme
    weiterer Ausbau unseres Sozialstaates. Alle diese Maßnahmen haben auch arbeitsmarktpolitische Auswirkungen. Dies gilt besonders für die schrittweise Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze:
    Drittens. Die steuerlichen Maßnahmen führen zu einer Senkung der Steuerquote. Damit wird dem Pauschalurteil von der Überbesteuerung wirksam entgegengetreten, denn mit den Steuerentlastungen zum 1. Januar 1979 sinkt die Steuerquote im Jahre 1979 voraussichtlich auf 24 °/o. Wird das Kindergeld mit rund 1 % eingerechnet, so wird die Steuerquote 1979 auf dem Niveau der 50er und 60er Jahre liegen. Damit nimmt die Bundesrepublik bei der Steuerquote auch international einen Mittelplatz ein. Es besteht überhaupt kein Grund, die Steuerdebatte unter dem polemischen Stichwort „Überbesteuerung" heißlaufen zu lassen.
    Ich habe hier die letzte Übersicht eines internationalen Vergleichs der Steuer- und Abgabenquote im Jahre 1976. Damals betrugen in der Bundesrepublik ,Deutschland Steuern und Abgaben 23,8 °/o, in Belgien 26,2 °/o, in Frankreich 24,3 °/o, in Großbritannien 29,0 °/o, in Osterreich etwa wie in der Bundesrepublik 23,6 %. Dies zeigt, was die Steuerquote angeht, daß die Bundesrepublik mit entsprechenden vergleichbaren Staaten gleichauf liegt, eine mittlere Position einnimmt, ja, sogar eine Position am unteren Ende.
    Viertens. Durch die steuerlichen Maßnahmen wird zugleich die Struktur des Steuersystems verbessert. Trotz der konstant gebliebenen Steuerquote hat sich nämlich die Struktur unseres Steuersystems deutlich verändert. Das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern hat sich von einer PariSituation Anfang der 50er Jahre auf ein Verhältnis von 60 % direkten zu 40 % indirekten Steuern im Jahre 1978 verändert. Dieser Anstieg der direkten Steuern ist besonders auf die Entwicklung des Lohn-und Einkommensteueraufkommens zurückzuführen. Durch die Anhebung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Senkung der Lohn- und Einkommensteuer wird diese Entwicklung gebremst und das Verhältnis für die nächste Zukunft konstant gehalten. Gleichzeitig wird durch die Anhebung der Mehrwertsteuer das gesamte Steuer-, Sozial- und Innovationspaket im Haushalt finanziert.
    Es ist nicht richtig, wenn die Umsatzsteuererhöhung mit einer Einzelmaßnahme verrechnet wird. Die Umsatzsteuererhöhung ist zur Finanzierung des ganzen Paketes notwendig, begrenzt dadurch das Haushaltsdefizit und trägt damit zur Entlastung des. Kapitalmarkts bei. Wer keine zusätzlichen Schulden machen will oder kann und gleichwohl Steuerentlastungen reklamiert, muß sagen, woher er das Geld nehmen will. Nur das ist eine verantwortliche Finanzpolitik, die wir der Öffentlichkeit und dem Bürger schuldig sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Gegenüber diesem Konzept der Bundesregierung kann die CDU/CSU hier im Bundestag keine glaubwürdige Alternative auf den Tisch legen. Wie schon so oft in den letzten Jahren bietet die Opposition im Bundestag ein diffuses Bild. Sie fordert für jeden
    etwas und betreibt damit ein Verwirrspiel in der Öffentlichkeit.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Was soll man denn anderes zu einer Opposition sagen, die trotz wochenlanger Debatte über die Steuern in der Öffentlichkeit bis heute nicht weiß, was sie will und wo es längs geht?

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das müssen Sie sagen! — Zuruf von der CDU/CSU: Bei der Lohnsummensteuer!)

    Die „klassische" Steuerentlastungspartei, die Helmut Kohl gestern in Berlin gesinnungstüchtig proklamiert hat, ist wieder einmal in Verzug. Ich kann nur sagen: eine schöne Klassik!
    Aber diese Situation ist nicht neu; denn die „klassische" Steuerentlastungspartei hat sich in Wahrheit in der Vergangenheit um konkrete Steuerentlastungen für den Bürger gar nicht bemüht, sondern machte die Steuerpolitik zum Vehikel der Machtauseinandersetzung in unserem Staat. Frau Funcke hat weit in die Vergangenheit hinein ausgeholt. Ich möchte bei der jüngeren Vergangenheit bleiben und daran erinnern, daß die CDU/CSU in diesem Hohen Hause den gezielten Steuerentlastungsmaßnahmen, die letztes Jahr, also 1977, im Bundestag beschlossen worden sind, ihre Zustimmung versagt hat. Die CDU/CSU-Opposition hat 1977 in diesem Hause in dritter Lesung u. a. der Vervierfachung des Weihnachtsfreibetrages, der Erhöhung der Sonderausgabenhöchstbeträge, der Erhöhung des Grundfreibetrages,

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Hört! Hört!)

    der Verbesserung der degressiven AfA für die
    Wirtschaft, der Erleichterung bei der Gewerbesteuer
    und bei der Lohnsummensteuer nicht zugestimmt

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Hört! Hört!)

    und eine Kraftprobe im Vermittlungsausschuß gesucht. Immer, meine Damen und Herren, wenn es um mögliche Steuernachlässe für den Bürger, ging, hat sich die Opposition in diesem Parlament versagt. Ihre Worte entsprechen nicht den Taten. Wenn es zur Sache kam, blieben Sie immer bei Ihrem sterilen Nein.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Nun haben die unionsregierten Länder — Herr Ministerpräsident Späth hat dies hier deutlich gemacht — ausgeführt, daß sie ein eigenes Steuerpaket vorlegen wollen. So heißt es und ist hier ausgeführt worden, daß es um eine Steuerreform gehe, die auch Sache der Länder sei. Dies wird natürlich nicht bestritten. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß eine einheitliche Haltung der CDU/CSU-Opposition im Bundestag bis heute nicht besteht und daß auch Kernforderungen des Bundesrates, Herr Ministerpräsident, in Ihren eigenen Reihen umstritten sind. So hat sich z. B. der CDU-Oberbürgermeister Rommel von Stuttgart vehement gegen die von Ihnen geforderte Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer gewandt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)




    Parl. Staatssekretär Dr. Böhme
    — Das sind die Tatsachen. Ebenso hat sich Herr Kollege Vogt von den Sozialausschüssen der CDU laut gegen die Wiedereinführung von Kinderfreibeträgen gewandt. Man kann gespannt sein — ich sage dies gar nicht ironisch —, ob Herr Vogt demnächst ebenso wie sein Kollege Blüm öffentlich Selbstkritik üben muß und damit wieder einmal beweist, was die Sozialausschüsse bei der CDU/CSU wert sind.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sehr gut! — Zurufe von der CDU/CSU)

    Läßt man jedoch diese uneinheitlichen Positionen der CDU/CSU außer acht und betrachtet isoliert die Vorschläge der unionsregierten Länder im Bundesrat, so wird das Bild nicht besser; denn diese Vorschläge sind deprimierend.
    Zusammengefaßt muß man urteilen, daß diese Vorschläge verteilungspolitisch ungerecht, sozialpolitisch ein Rückschritt und im Hinblick auf die beabsichtigte Abschaffung der Gewerbesteuer ein Schlag gegen die Selbstverwaltung der Gemeinden sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Steuerpolitik des Bundesrats ist wahrhaft eine Konzentration nach rückwärts.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr gut!)

    Im einzelnen sehen die Vorschläge — Herr Ministerpräsident Späth hat dies vorgetragen — wie folgt aus: Wiedereinführung der Kinderfreibeträge mit einem Ausfall von sage und schreibe 4,5 Milliarden DM, Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer mit einem Steuerausfall von rund 2 Milliarden DM netto, Verzicht auf die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen beim Gewerbeertrag mit einem Steuerausfall von rund 1,8 Milliarden DM.
    Vorhin habe ich bereits einige Worte zur Wiedereinführung der Kinderfreibeträge gesagt. Die besondere Ungerechtigkeit der Wiedereinführung der Kinderfreibeträge wird deutlich, wenn für Steuerpflichtige in der Proportionalzone eine gleiche Entlastung, wie sie jetzt durch Kindergeld gegeben ist, durch Kinderfreibeträge ausgerechnet wird. Wir haben dies — hypothetisch — unternommen. Für einen Steuerpflichtigen . in der Proportionalzone müßten die Kinderfreibeträge pro Jahr folgende Höhe haben, wenn sie das von der Bundesregierung vorgesehene und angebotene Kindergeld erreichen sollen: für das erste Kind 2 727 DM, für das zweite Kind 5 494 DM, für das dritte und jedes weitere Kind 10 636 DM. Bei drei Kindern, meine Damen und Herren, müßte somit jährlich ein Kinderfreibetrag von insgesamt knapp 19 000 DM eingeräumt werden, um zu der monatlichen Entlastung, die heute dem normalen Arbeitnehmer gewährt ist, von 345 DM zu gelangen. Kinderfreibeträge in dieser Höhe brächten jedoch für den Großverdiener eine überhaupt nicht zu vertretende Entlastung.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Da gibt es gar keinen Zwischenruf! Das sind die Zahlen, das sind die Fakten.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU)

    Diese Zahlen zeigen, daß die Wiedereinführung von Kinderfreibeträgen ein Weg in die falsche Richtung ist. Hierzu gibt es nur ein glattes Nein.

    (Erneuter Beifall bei der SPD)

    Diese klare Aussage gilt auch gegenüber der weiteren Forderung der unionsregierten Länder des Bundesrates nach einer zusätzlichen — ich betone: zusätzlichen — Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer bei gleichzeitiger Einschränkung der Zurechnung von Dauerschuldzinsen bei der Gewerbeertragsteuer.
    Ich bin sehr dafür — Frau Kollegin Funcke hat das bereits angesprochen —, daß über das System der Gemeindefinanzen einmal grundsätzlich nachgedacht wird. Bei der Beurteilung, wie der Ausgleich für die beabsichtigte Abschaffung der Lohnsummensteuer geschaffen werden soll, haben wir die beste Gelegenheit dazu. Doch darum geht es im Moment nicht. Vielmehr geht es darum, daß durch eine isolierte Entscheidung, wie sie hier gefordert wird, der Realsteuercharakter der Gewerbe-
    , steuer praktisch beseitigt würde. Übrig bliebe eine zweite Steuer auf den gewerblichen Gewinn, die neben der Einkommen- und Körperschaftsteuer schwer zu rechtfertigen wäre. Da die Gewerbesteuer die wichtigste selbständige Einnahmequelle der Gemeinden darstellt, wäre damit die Finanzautonomie der Gemeinden weitgehend beseitigt.
    Außerdem — das muß man hinzufügen — würde bei einem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer die Konjunkturabhängigkeit des Gewerbesteueraufkommens erheblich zunehmen. Die Gemeinden sind aber auf eine möglichst konjunkturunempfindliche Steuerquelle angewiesen, .um ihren Aufgaben, vor allem auf dem Gebiet der öffentlichen Investitionen, gerecht zu werden. Die Gemeinden sind der größte öffentliche Investor. In seiner Gemeinde erlebt der Bürger den Staat und nimmt täglich an der demokratischen Auseinandersetzung über die Gestaltung seiner Umwelt teil. Eine Abschaffung der Gewerbesteuer insgesamt, die Beseitigung des eigenen Einnahmerechts und damit das Ende der Finanzautonomie wären somit ein Schlag gegen die Selbstverwaltung an sich und nach der deutschen Tradition freier Selbstverwaltung der Gemeinden auch in ihrem Kern undemokratisch.
    Nun versucht die Union im Bundesrat, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer als eine Maßnahme zur steuerlichen Entlastung der Kleinbetriebe und des Mittelstandes darzustellen. Wie sehen aber die tatsächlichen Verhältnisse aus? Das Aufkommen aus der Gewerbekapitalsteuer beträgt im Rechnungsjahr 1978 rund 4 Milliarden DM. Belastet sind dadurch rund 500 000 Betriebe, das sind ein Drittel aller Unternehmungen in der Bundesrepublik. Rund 3,7 Milliarden DM davon werden von nur 120 000 Betrieben erbracht, d. h. — diese Zahl ist entscheidend —, rund 8 °/o der Betriebe erbringen rund 93 % des gesamten Aufkommens an der Gewerbekapitalsteuer.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Diese Zahlen belegen, daß die Gewerbekapitalsteuer nicht vom Mittelstand, sondern zur Haupt-



    Parl. Staatssekretär Dr. Böhme
    sache von den großen Betrieben erbracht wird. Diese Tatsache kann auch nicht überraschen, da die Kapitalintensität mit der Größe eines Unternehmens bekanntlich zunimmt. Mit diesen Zahlen wird aber auch deutlich, daß die Gewerbekapitalsteuer gerade von den Wirtschaftsbetrieben gezahlt wird, die die gemeindliche Infrastruktur am stärksten belasten und für die wegen ihrer Betriebsgröße von den Kommunen häufig gezielte Sondermaßnahmen getroffen werden müssen.

    (Dr. Czaja [CDU/CSU] : Das stimmt doch nicht!)

    und zwar unabhängig davon, ob ein Großbetrieb in einem Jahr einen hohen, einen niedrigen oder auch einmal gar keinen Gewinn erwirtschaftet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Oder Verluste, Herr Kollege!)

    Das ist das Prinzip der Äquivalenz.
    Der letzte und ein wesentlicher Punkt der Anträge der unionsregierten Länder aus dem Bundesrat betrifft den Finanzausgleich. Hier sollen die Anteile aus der Umsatzsteuer, die 1978 32,5 % für die Länder betragen, wie folgt zu Lasten des Bundes erhöht werden: im Jahre 1979 um 2 v. H., im Jahre 1980 um 4 v. H. und in den Jahren 1981 und 1982 jeweils um 5 v. H. Diese Forderung muß vom Bund zurückgewiesen werden. Für die Neuregelung der Umsatzsteuerverteilung können nicht die Auswirkungen und Belastungsverschiebungen eines einzelnen Gesetzes maßgeblich sein, sondern hier gelten die Grundsätze der Verfassung in Art. 106 des Grundgesetzes, wonach von der Gesamtentwicklung aller laufenden Einnahmen und aller Ausgaben der Gebietskörperschaften auszugehen ist.
    Diese Aussage ist kein Widerspruch gegen den vom Bund befürworteten Ausgleich für die betroffenen Gemeinden durch die beabsichtigte Abschaffung der Lohnsummensteuer. Hierzu hat die Bundesregierung ausgeführt, daß vor der Abschaffung der Lohnsummensteuer in Beratung mit den Bundesländern und mit den kommunalen Spitzenverbänden vorher übereinstimmende Lösungen für die finanzwirtschaftlichen Probleme gesucht werden, die sich für die betroffenen Gebietskörperschaften ergeben. Die Bundesregierung geht hier davon aus, die Abschaffung der Lohnsummensteuer nur so vorzunehmen, daß die gesamte Neuregelung mit der Ausgleichsregelung am 1. Januar 1980 in Kraft treten kann.
    Hierauf richtet sich auch nicht der Antrag des Bundesrates, sondern dieser Antrag und auch die zusätzlichen Punkte gehen weit darüber hinaus und machen deutlich, daß es den unionsregierten Ländern und natürlich der CDU/CSU-Opposition im Bundestag im Grunde darum geht, den Bund finanziell handlungsunfähig zu machen. Die sozialliberale Koalition in Bonn soll finanziell so an die Wand gedrückt werden, daß ihr kein Spielraum mehr bleibt. Dies ist der politische Kern der Anträge aus dem Bundesrat, die einerseits zusätzlich Steuerverzicht fordern, andererseits dem Bund Steuermehreinnahmen nicht nur verweigern, sondern über die Umsatzsteuerverteilung Finanzmasse wegnehmen. Damit soll erreicht werden, daß der Bund zu Ausgabenkürzungen gezwungen wird, weil die Kreditfinanzierung natürlich — das wurde hier mehrfach er; wähnt — nicht überzogen werden darf. Ausgabenkürzungen bedeuten jedoch, daß die im Haushalt ausgewiesenen Leistungen und öffentlichen Investitionen gemindert werden müssen, z. B. die Ausgaben für Forschung und 'Entwicklung, die Hilfen bei der Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen und der weite Bereich der Sozialleistungen; denn das Aufkommen an Steuern und Sozialabgaben bleibt nicht beim Staat.
    Von 100 DM werden z. B. etwa 46 DM als sogenannte Transferleistungen an die Bürger weitergeleitet. Aus diesen Beträgen werden z. B. Renten gezahlt. Aus Steuermitteln werden Forschungsvorhaben finanziert oder wird Kindergeld gewährt. Zirka 50 DM von jedem Hundertmarkschein nimmt der Staat für sich in Anspruch, um Straßen, Schulen oder Krankenhäuser zu finanzieren, Verteidigungsmaterial zu beschaffen oder Arzneimittelrechnungen der Versicherten oder seiner Bediensteten zu bezahlen. Dies bedeutet aber, daß der Staat auch finanziell handlungsfähig bleiben muß, um seine Aufgaben zu erfüllen, insbesondere die sozialen Sicherungen zu finanzieren. Wer eine Diktatur der leeren Kassen fordert, wie dies immer von finanzpolitischen Sprechern der CDU/CSU verlangt wird, führt in Wahrheit einen Schlag gegen unseren Sozialstaat.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese im Grunde poujadistische Haltung wird von Ihnen als mehr Freiheit für den einzelnen verbrämt, ist aber in Wahrheit eine Strangulation des Sozialstaates und eine Aushöhlung der finanziellen Handlungsfähigkeit unseres Gemeinwesens, die zur Sicherung der Vollbeschäftigung und des Arbeitsfriedens in unserem Lande erhalten bleiben muß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)