Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf den Punkt „Kindergeld", also auf die Vorlage in Drucksache 8/2102, beschränken. In diesem Gesetzentwurf — ich muß es nochmals betonen — wird das Kindergeld für Zweit- und Drittkinder sowie alle weiteren Kinder beträchtlich erhöht. Ab 1980 stehen uns dafür 2,56 Milliarden DM zur Verfügung. Das heißt, wir können das Zweitkindergeld um 25 % und das Kindergeld für Drittkinder und alle weiteren Kinder um 30 % erhöhen.
Frau Kollegin Geier, Sie sprachen davon, daß diese Erhöhung des Kindergeldes ein erster Schritt der Umkehrung ist.
Ich glaube, Sie haben vergessen, daß das Kindergeld
bereits zum 1. Januar dieses Jahres erhöht wurde.
Sie haben weiterhin gefordert — ich zähle es hier einmal auf —: höheres Kindergeld, Erziehungsgeld, erweiterten Mutterschutz, Familiengründungsdarlehen. Das sind alles Punkte, die Sie aufgezählt haben und die ich alle für vernünftig halte. Nur, wie wollen wir das bei sinkenden Steuern finanzieren, wie Herr Häfele heute morgen gefordert hat?
— Wir sind dabei, diese Zielvorstellungen — z. B. beim Kindergeld — zu verwirklichen.
Frau Geier, Sie sprachen hier davon, daß die Mehrwertsteuererhöhung vor allem Familien mit Kindern stärker belaste, als die Steuerentlastung für diese Familien ausmache. Sie haben das auch im Deutschland-Union-Dienst geschrieben. Ich glaube, Sie haben z. B. bei der Einkindfamilie die Erhöhung der Freibeträge, die Tarifreform, mit zu berücksichtigen vergessen. Sie haben bei der Zweikinderfamilie die Rechnung aufgemacht, daß die Mehrwertsteuererhöhung mehr ausmache als die 20 DM, die für das zweite Kind mehr gezahlt werden. Wir wissen, daß die Erhöhung der Mehrwertsteuer in diesem Familienkreis ungefähr ein halbes Prozent der Aufwendungen ausmacht. Wenn das so ist, müßten die 20 DM weniger sein als die 0,5 % von
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. September 198 8169
Eimer
x DM, die für die Kinder ausgegeben werden. Das heißt, eine Familie müßte für ihre zwei Kinder mehr als 4 000 DM im. Monat ausgeben. Ich frage mich manchmal, für welche Einkommensschichten Sie Ihre Rechnungen aufgestellt haben.
-- Das ist ein Durchschnittswert. Ich kann ihn Ihnen ganz leicht erklären. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer beträgt 1 °/o, für Lebensmittel 0,5 °/o.
Wenn Sie davon eine Reihe von Ausgaben abziehen, .die nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, zum Beispiel die Miete, kommen Sie auf einen durchschnittlichen Satz von ungefähr 0,5 %. Selbst wenn Sie den vollen Satz von 1 % ansetzen, liegen die Ausgaben für zwei Kinder immer noch bei 2 000 DM.
Auch das ist kein realistischer Wert. Die Ausgaben für zwei Kinder liegen normalerweise unter 2 000 DM, selbst wenn ich mit einer Erhöhung um 1 % rechne.
Ich rate Ihnen, Frau Kollegin Geier, das zu tun, was uns Ihr Parteifreund Späth heute nachmittag empfohlen hat, nämlich zu rechnen.
— Ich habe den Eindruck, daß Sie hier nicht gerechnet, sondern nur geraten haben.
Gerechnet haben auch andere, Frau Kollegin Geier. Mir liegt eine Rechnung über die Auswirkungen der Steuerreform vor. Daraus kann ich sehen: Ganz gleich, wie viele Kinder eine Familie hat, und ganz gleich, wie hoch das Einkommen ist, in allen Fällen liegt für Familien mit Kindern und für die übrigen Arbeitnehmer eine Entlastung vor.
Ich mache kein Hehl daraus, daß uns die Differenzen zwischen dem Erst-, dem Zweit- und dem Drittkindergeld sehr groß erscheinen. Wir wissen aber, daß uns gerade die Erhöhung des Erstkindergeldes am meisten kostet. 10 DM mehr kosten uns rund 1 Milliarde DM. Auf der anderen Seite waren wir durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Alimentation von Beamtenkindern gezwungen, vor allem das Kindergeld für Zweit- und Drittkinder zu erhöhen, damit der Unterschied beim Kindergeld zwischen Beamtenkindern und Kindern der anderen Arbeitnehmer nicht zu groß wird. Die vorliegende Finanzmasse läßt deshalb eine zusätzliche Erhöhung des Erstkindergeldes nicht zu.
Wissenschaftler sprechen aber gerade von dem sogenannten Erstkindschock, der dazu führt, daß ursprünglich geplante weitere Kinder nicht kommen. Es ist deshalb, meine ich, zu überlegen, ob der Erstkindschock verhindert werden kann, wenn man
bei künftigen Erhöhungen des Kindergelds wieder etwas mehr an das Erstkindergeld denkt.
Ich habe den Eindruck, daß vergessen wird, daß der Familienlastenausgleich in den letzten Jahren laufend verbessert worden ist und daß die Gründe des Geburtenrückgangs allzu sehr im Materiellen gesehen werden. Ich glaube, es wird vergessen, daß es uns vor 20 Jahren wesentlich schlechter als heute ging und daß vor 20 Jahren mehr Kinder als heute geboren wurden. Ich bin überzeugt davon, daß der Geburtenrückgang selbstverständlich auch mit der finanziellen Lage etwas zu tun hat; aber ich bin auch davon überzeugt, daß der Geburtenrückgang in erster Linie davon kommt,
daß unsere Gesellschaft kinderfeindlich ist; und das kann man durch finanzielle Maßnahmen allein nicht beseitigen.
Die Union fordert in diesem Zusammenhang die Wiedereinführung von Kinderfreibeträgen. Ich möchte an einer Rechnung zeigen, was das bedeutet. Für jede 100 DM Freibetrag bedeutet das eine Entlastung von 22 DM in der Proportionalzone und von 56 DM beim Spitzensteuersatz. Das ist das Zweieinhalbfache für die, die es im Grund genommen nicht notwendig haben. Die vom Freistaat Bayern geforderten 600 DM Freibetrag bedeuten eine jährliche Entlastung von 132 DM in der Proportionalzone, also bei denen, die ein verhältnismäßig geringes Einkommen haben, und von 366 DM beim Spitzensteuersatz. Das macht im Monat 11 DM bzw. 28 DM aus. Ich glaube, das zeigt sehr deutlich, daß wir diesen Weg nicht mehr gehen sollten.
Wenn wir am Kindergeld etwas ändern wollen, dann sollten wir uns an die Modalitäten der Auszahlung machen. Leider hat uns die Union über den Bundesrat die höchst bürokratische Regelung der Auszahlung über das Arbeitsamt aufgezwungen.
Wir sollten überlegen, ob es nicht unbürokratischer, kostengünstiger und einfacher wäre, das Kindergeld über das Finanzamt auszuzahlen.
Ich darf abschließend sagen: Wir Freien Demokraten sind froh, daß 2,56 Milliarden DM ab 1980 für die Kindergeldverbesserung und für die Verbesserung des Familienlastenausgleichs zur Verfügung stehen. Wir wollen, daß dieses Programm nicht zerredet und daß es über alle Parteigrenzen hinweg angenommen wird. Wir Freien Demokraten werden das tun.