Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich zunächst herzliche Glückwünsche zu Geburtstagen aussprechen, und zwar dem Abgeordneten Dr. Rinderspacher, der am 15. November 60 Jahre alt wurde,
und dem Abgeordneten Dr. Reinhard, der am 17. November 60 Jahre alt wurde.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Präsidenten des Europäischen Parlaments
betr. Entschließung zur Frage der Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments, insbesondere auf
haushaltsrechtlichem Gebiet
— Drucksache VI/32 —zuständig: Haushaltsausschuß , Finanzausschuß
Vorlage des Präsidenten des Europäischen Parlaments
betr. Entschließung über die Hochschulforschung und ihre Bedeutung für die europäische Jugend
— Drucksache VI/33 —
zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Vorlage des Präsidenten des Europäischen Parlaments
betr. Entschließung über den Standpunkt des Europäischen Parlaments zu den Grundfragen der europäischen und der Gemeinschaftspolitik im Hinblick auf die Konferenz der Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft
— Drucksache VI/54 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Vorlage des Sprechers der Deutschen Delegation bei der Beratenden Versammlung des Europarates
betr. Bericht über die Herbsttagung der Beratenden Versammlung des Europarates vom 29. September bis 3. Oktober 1969 und die Gemeinsame Tagung der Beratenden Versammlung und des Europäischen Parlaments am 3. und 4. Oktober 1969 in Straßburg
— Drucksache VI/71 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden; das sind die Drucksachen VI/82, VI/81, VI/86 und VI/85. — Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Außerdem sollte der von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer einmaligen Überbrückungszulage auf die Tagesordnung gesetzt werden. Der Gesetzentwurf ist gestern abend ohne Begründung vorgelegt worden. Gemäß § 97 der Geschäftsordnung muß er mit einer kurzen Begründung versehen sein. Ich habe ihn deshalb nicht drucken lassen. Die Begründung wird heute vormittag vorgelegt werden. Der Gesetzentwurf wird dann vervielfältigt und Ihnen zugeleitet; er kann dann am Freitag beraten werden. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. November 1969 dem
Gesetz zu dem Abkommen vom 20. Dezember 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
zugestimmt.
Die Fraktion der CDU/CSU und die Fraktion der SPD haben ihre Anträge Drucksachen VI/19 bis VI/26 nach der Beschlußfassung über die Einsetzung von Ausschüssen in der Plenarsitzung am 5. November 1969 zurückgezogen.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Richtlinie des Rates über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten des Kohlengroßhandels und für Vermittlertätigkeiten in Handel und Industrie auf demselben Gebiet
Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten des Kohlengroßhandels und der Vermittlertätigkeiten in Handel und Industrie auf demselben Gebiet
— Drucksache VI/17 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates mit Sondermaßnahmen zur Verbesserung von Produktion und Vermarktung der in der Gemeinschaft erzeugten Zitrusfrüchte
— Drucksache VI/18 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 204/69 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und der Kriterien zur Festsetzung des Erstattungsbetrags für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die in Form von nicht unter Anhang II des Vertrags fallenden Waren ausgeführt werden
— Drucksache VI/27 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
462 Deutscher Bundestag — 6, Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Präsident von Hassel
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1586/69 über konjunkturpolitische Maßnahmen auf dem Gebiet der Landwirtschaft infolge der Abwertung des französischen Franken
— Drucksache VI/28 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten , Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten
— Drucksache VI/29 —
überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 19/69 zur vorherigen Festsetzung der Abschöpfung bei der Einfuhr von Olivenöl
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 18/69 über die vorherige Festsetzung der Erstattungen bei der Ausfuhr von Olivenöl
Verordnung des Rates über den Pauschbetrag für nicht raffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wird
Verordnung des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Marktrichtpreis, zum Interventionspreis und zum Schwellenpreis für Olivenöl im Wirtschaftsjahr 1969/1970
Verordnung der Kommission zur Festsetzung des Schwellenpreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1969/1970
— Drucksache VI/30 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Anderung der Verordnung Nr. 1059/69 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte, aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren
— Drucksache VI/35 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Einführung eines gemeinsamen
Verfahrens für die Verwaltung mengenmäßiger Kontingente
Verordnung des Rates über die Anwendung dieser Verordnung auf die französischen überseeischen Departements
— Drucksache VI/48 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über schädliche Abgase von Kraftfahrzeugmotoren mit Fremdzündung
— Drucksache VI/72 —
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit , Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinien des Rates zur Festsetzung der Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Krankenpflegers für die allgemeine Pflege
— Drucksache VI/73 —
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung Nr. 1975/69 des Rates vom 6. Oktober 1969 zur Einführung einer Prämienregelung für die Schlachtung von Kühen und die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung Nr. 2132/69 des Rates vom 28. Oktober 1969 über die Beihilfe für Olivenöl
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn ins Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung über die Erhebung einer Ausgleichsabgabe zur Sicherung der deutschen Landwirtschaft
Verordnung zur Ergänzung der Verordnung über die Erhebung einer Ausgleichsabgabe zur Sicherung der deutschen Landwirtschaft
Drucksache VI/59 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 18. Februar 1970
Wir treten dann in die Tagesordnung ein. Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache VI/76 —
Ich rufe die Dringenden Mündlichen Fragen Drucksache VI/78 aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Stoltenberg:
Wie erklärt sich die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der Aussage von Bundesminister Scheel vor dem Deutschen Bundestag vom 12. November 1969, Japan bereite nach Angaben des japanischen Wissenschaftsministers eine Entscheidung vor, den Atomwaffensperrvertrag zu unterschreiben und der folgenden Erklärung des japanischen Außenministers Aichi, eine Entscheidung Japans über den Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag sei nicht getroffen worden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Kollege, es besteht kein Widerspruch zwischen meiner Aussage, Japan bereite nach einer Mitteilung des japanischen Wissenschaftsministers eine Entscheidung vor, den Nichtverbreitungsvertrag zu unterzeichnen, und der Erklärung des japanischen Außenministers Aichi, eine Entscheidung Japans über den Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag sei noch nicht getroffen worden. In der Bundestagsdebatte ist eine Äußerung, daß eine Entscheidung Japans, d. h. der japanischen Regierung, getroffen worden sei, weder dem Wortlaut noch dem Sinn nach von irgendeinem Vertreter der Regierung gemacht worden.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Haben Sie Verständnis für die Meinung, Herr Bundesminister, daß die Mitglieder dieses Hohen Hauses, die nicht wie Sie über die amtlichen Berichte der Missionen verfügen, eine solche Formulierung philologisch und politisch als eine Willensäußerung der japanischen Regierung verstehen müssen, demnächst eine Entscheidung hinsichtlich des Vertrages zu treffen, und wie erklären Sie es, daß alle internationalen Agenturen in ihrer Berichterstattung hier einen Widerspruch zu Ihrer Äußerung gesehen haben?
Herr Kollege, erstens ist die Beantwortung Ihrer jetzigen Zusatzfrage für Ihre zweite Frage vorgesehen. Ich würde dabei darauf kommen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich sie gleich anschließen, dann können wir sie besprechen. Zweitens — das will ich gleich sagen — ist das Dementi des japanischen Regierungssprechers nicht etwa ein Dementi dessen, was hier im Bundestag gesagt worden ist,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 463
Bundesminister Scheelsondern ein Dementi einer falschen Meldung, in einer Überschrift, noch nicht einmal im Text.Ich darf aber die zweite Frage gleich beantworten, weil bier die Ergänzung sichtbar wird.
Ich rufe dann die zweite Dringliche Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Stoltenberg auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der genannten Erklärung von Bundesminister Scheel und der Darstellung von Bundesminister Leussink, die liberaldemokratische Partei Japans habe sich nach den Angaben des japanischen Wissenschaftsministers grundsätzlich für einen Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag ausgesprochen, aber den Zeitpunkt einer solchen Entscheidung offen gelassen?
Es besteht ebenfalls kein Widerspruch zwischen meiner Äußerung, Japan bereite eine Entscheidung vor, den Vertrag zu unterzeichnen, und der Aussage von Bundesminister Leussink, daß die japanische Regierungspartei — das hat er hier gesagt —, nämlich die liberale, beschlossen habe, dem Sperrvertrag beizutreten, wobei allerdings noch kein Beschluß über den Zeitpunkt gefaßt sei. Die Äußerungen beider Bundesminister sollten sich vielmehr ergänzen. Das geht auch daraus hervor, daß beide Sprecher in, der Debatte sich in ihren jeweiligen Äußerungen zu diesem Punkt ausdrücklich auf die gegenseitigen Aussagen bezogen haben.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Wie erklären Sie es, Herr Bundesminister, daß Herr Minister Leussink, der ja das Gespräch mit dem japanischen Minister geführt hat, ausdrücklich von einem Beschluß der Regierungs partei gesprochen hat, während Sie von einem Beschluß der Regierung sprechen? Ist Ihnen nicht klar, daß hier ein erheblicher Unterschied vorliegt?
Herr Kollege, ich muß sagen, Ihre Exegese entbehrt der Sauberkeit.
Ich kann also nicht mehr, was ich sonst so gern getan habe, von dem sprachlich Klaren aus dem Norden reden. Ich habe nicht von der Regierung gesprochen, sondern ich habe gesagt, Japan bereite vor, aber nicht: die japanische Regierung.
— Aber meine Kollegen! — Ich habe mich dann in dem, was ich sagte, ausdrücklich schon auf das bezogen, was mein Kollege Leussink nachher ergänzend mitteilte. Das steht ja im Protokoll. Dort können Sie es nachlesen.
Zu einer dritten Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Müssen wir bei dieser erstaunlichen philologischen und staatsrechtlichen Interpretation damit rechnen, daß der Bundesminister des Auswärtigen in Zukunft nicht mehr bereit ist, zwischen Beschlüssen der Regierungsparteien, der SPD und der FDP, und Beschlüssen unseres Staates oder unserer Regierung zu unterscheiden?
Herr Kollege, ich glaubte, daß den übrigen hier Anwesenden das Gegenteil klargeworden ist. Sie haben in Ihrer sicherlich vom Parteitag in Mainz beeinflußten Stimmung
leider den Versuch unternommen, hier etwas anzugreifen, was in Wahrheit nicht angreifbar ist.
— Herr Kollege Marx, ich war es. Ich habe das der ganzen Öffentlichkeit gegenüber zu erkennen gegeben. Sie haben es nicht erkannt. Das ist ja der Unterschied.
Zu einer letzten Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Da Sie meine Frage nicht sachlich beantwortet haben, wiederhole ich sie. Herr Bundesminister des Auswärtigen, können wir in Zukunft damit rechnen, daß die Bundesregierung in ihrer Berichterstattung vor dem Bundestag bereit ist, zwischen Entscheidungen von Staaten und Entscheidungen von Parteien zu unterscheiden, wie Sie es hier nicht getan haben?
Herr Kollege, ich habe die Frage sachlich beantwortet. Aber Ihre Dringlichen Fragen waren völlig unsachlich.
Vor allem ist mir die Dringlichkeit der Fragen in dem Augenblick — —(Abg. Köppler: Haben Sie hier zu zensieren? — Weitere lebhafte Zurufe von derCDU/CSU.)— Aber, Herr Kollege, Sie werden mir doch zugestehen, daß ich genau die Antwort gebe, die ich mir vorgenommen habe.
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Bundesminister Scheel— Ich habe nicht die Absicht, mich bei meiner Antwort hier irgendwie einschränken zu lassen, Herr Köppler.
Herr Bundesminister, die Dringlichkeit ist zugelassen worden — —
Was waren denn die Fragen des Herrn Kollegen Stoltenberg?
Das Wort hat zunächst einmal der Präsident. Die Dringlichkeit ist zugelassen worden, und damit entzieht es sich, glaube ich, Ihrer Beurteilung, ob die Dringlichkeit berechtigt war.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Bundesminister, bin ich richtig informiert, wenn ich aus den Rundfunkmeldungen entnommen habe, daß Sie, Herr Bundesminister des Auswärtigen, einen Staatsbesuch, den Sie in Begleitung des Herrn Bundespräsidenten in
I) den Niederlanden abgestattet haben, unterbrochen haben, weil Sie — so lege ich das nach dieser Meldung aus — die Achtung diesem Haus und damit auch der Opposition bezeugen wollten?
Herr Kollege, es war für mich eine Selbstverständlichkeit, heute morgen hier zu sein und die Begleitung des Herrn Bundespräsidenten bei einem Staatsbesuch abzubrechen. Ich bin heute nacht nach Bonn geflogen, weil ich vor dem Parlament dann erscheine, wenn hier ein Angriff auf die Politik der Bundesregierung sichtbar wird, den ich abzuwehren habe.
Ich sehe keine weitere Zusatzfrage.
Die Dringlichkeitsfragen sind beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich rufe die Frage I des Abgeordneten Horstmeier auf:
Welches sind die Gründe dafür, daß der Abschluß eines Vorvertrages mit den Trägern des Entwicklungsdienstes und damit die Nichtheranziehung zum Grundwehrdienst bzw. Ersatzdienst nur dann möglich ist, wenn die Berufsausbildung des Bewerbers bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres abgeschlossen ist?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist anwesend. Zur Beantwortung Herr Bundesminister Dr. Eppler.
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich beide Fragen zusammen beantworten dürfte.
Keine Bedenken. — Ich rufe dann ferner die Frage 2 des Abgeordneten Horstmeier auf:
Sieht die Bundesregierung die Altersgrenze von 22 bzw. in wenigen Ausnahmefällen von 23 Lebensjahren nicht als Diskriminierung von Jugendlichen an, die erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt ihre Berufsausbildung beenden und welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, um zumindest die Altersgrenze zu erweitern, ohne daß die Verpflichtung zum Entwicklungsdienst mißbraucht wird?
Herr Kollege, das Mindestalter eines Entwicklungshelfers nach dem Entwicklungshelfergesetz liegt bei 21 Jahren. Bereits vor diesem Zeitpunkt können Bewerber einen Vertrag mit einem der anerkannten Träger des Entwicklungsdienstes abschließen, in dem sie sich zur Leistung eines mindestens zweijährigen Entwicklungsdienstes verpflichten. Nach Bestätigung eines derartigen Vertrages durch mein Haus wird der Entwicklungshelfer zunächst nicht zum Wehrdienst oder Ersatzdienst herangezogen.Die zetiliche Grenze hierfür war im Regierungsentwurf entsprechend dem Mindestalter des Entwicklungshelfers auf 21 Jahre festgelegt worden. Da die Entwicklungsländer jedoch vorwiegend Fachleute anfordern und die Entwicklungsdienste dementsprechend grundsätzlich nur Fachleute mit abgeschlossener Berufsausbildung entsenden, erschien diese Altersgrenze zu niedrig. Daher wurde die Grenze im Gesetz auf 22 Jahre heraufgesetzt und gleichzeitig in einer Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem Bundesministerium für Arbeit und dem Bundesverteidigungsministerium die Möglichkeit einer Zurückstellung bis zur Vollendung des 23. Jahres geschaffen, wenn die Berufsausbildung nicht vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen ist.Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 21. Juni dieses Jahres liegen jetzt die ersten Erfahrungen mit dieser Regelung vor. Sie hat sich grundsätzlich bewährt. Allerdings hat sich gezeigt, daß insbesondere bei Jungakademikern auch die 23-Jahres-Grenze noch nicht befriedigt. Ein begrenzter Bedarf der Entwicklungsländer für diese Gruppe ist aber vorhanden. Wir stellen seit einiger Zeit Überlegungen an, Herr Kollege, um hier eine Lösung zu finden. Sie könnte darin bestehen, daß im Verwaltungswege für diese relativ kleine Gruppe eine dem Entwicklungshelfergesetz entsprechende Regelung gefunden wird. Allerdings wird dabei, wie auch in Ihrer Frage schon angedeutet ist, besonders darauf zu achten sein, daß bei einer möglichen Ausdehnung der Altersgrenze für diese besonderen Fälle Umgehungen der Wehrpflicht ausgeschlossen bleiben.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 465
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Horstmeier.
Teilt die Bundesregierung also grundsätzlich die Auffassung, daß nicht die Ausbildungsdauer über die Möglichkeit oder Nichtmöglichkeit des Ersatzdienstes in der Entwicklungshilfe entscheiden dürfe?
Herr Kollege, ich würde Ihre Frage mit Ja beantworten. Ich darf Sie aber darauf hinweisen, daß bei der Behandlung des Entwicklungshelfergesetzes im Ausschuß alle Fraktionen — besonders die Fraktion, der anzugehören Sie jetzt die Ehre haben — sehr darauf geachtet haben, daß keine Regelung eintritt, die es möglich macht, den Entwicklungsdienst so lange hinauszuzögern, daß dann auch der Wehrdienst nicht mehr geleistet werden muß.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Horstmeier.
Ist die Bundesregierung bereit oder in der Lage, auf dem Verordnungswege, den Sie hier soeben schon angedeutet haben, diese negativen Auswirkungen zu korrigieren?
Verehrter Herr Kollege, schon vor einem halben Jahr habe ich noch als Mitglied der alten Bundesregierung einem meiner fähigsten Mitarbeiter den Auftrag gegeben, sich mit diesem Thema zu befassen und zu prüfen, wie wir trotz Entwicklungshelfergesetz, an das wir alle gebunden sind und zu dem auch ich in seiner jetzigen Form stehe, eine Möglichkeit für Jungakademiker finden können, im Rahmen des Entwicklungsdienstes entsandt zu werden. Ich darf hinzufügen, daß ich über diese Möglichkeiten mit meinem Kollegen, dem Herrn Bundesminister der Verteidigung, im Gespräch bin und daß ich glaube, daß dieses Gespräch erfolgreich sein wird.
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende der Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf, zunächst die Frage 3 des Abgeordneten Baier — er ist im Saal —:
Wie hoch belaufen sich die jährlichen Einnahmeeinbußen, die deutschen Rentenbeziehern von Renten in ausländischer Währung auf Grund der DM-Aufwertung entstehen?
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Rohde.
Herr Präsident, ich darf Sie bitten, daß ich folgende Fragen wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten darf: die Fragen 3 und 4 des Kollegen Baier, die Fragen 5 und 6 des Kollegen Dr. Unland und die Fragen 11 und 12 des Kollegen Leicht.
Ich muß eben mal klären: das wären fünf Fragen zusammen; das wird etwas schwierig nachher mit den Zusatzfragen. Aber
bestehen Bedenken? Keine Bedenken bei Herrn
Baier. Wie ist es bei Herrn Dr. Unland? — Keine
Bedenken. Und bei den Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Leicht? — Keine Bedenken. Bitte, beantworten Sie diese Fragen im Zusammenhang. Ich rufe also auch noch die Frage 4 des Abgeordneten Baier auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die den deutschen Rentenempfängern infolge der DM-Aufwertung entstehenden finanziellen Verluste zu ersetzen?
Sodann rufe ich die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Dr. Unland auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele deutsche Staatsbürger aus früherer Berufstätigkeit im Ausland Sozialrente beziehen?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, urn die für die deutschen Bezieher ausländischer Sozialrenten aus der DM-Aufwertung resultierenden unzumutbaren und vor allem unausweichlichen Härten zu mildern?
Ferner sind die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Leicht aufzurufen:
Wie groß etwa ist der Kreis von Sozialleistungsempfängern, die ihre Renten oder Teile davon aus ausländischen Kassen erhalten?
Wie gedenkt die Bundesregierung die negativen sozialen Auswirkungen der Aufwertung für diese besonders schwache soziale Gruppe auszugleichen?
Lassen Sie mich zunächst die gewünschten Rentenzahlen nennen, soweit sie der Bundesregierung bekannt sind.Ausländische Renten werden an Berechtigte in der Bundesrepublik aus drei Gruppen von Staaten gezahlt, und zwar 1. aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf Grund der Ratsverordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer,2. aus Staaten, mit denen die Bundesrepublik durch Gegenseitigkeitsabkommen über Soziale Sicherheit verbunden ist — derartige bilaterale Verträge gibt es bereits mit Österreich, der Schweiz, Jugoslawien, Griechenland, Großbritannien, Portugal, Spanien und der Türkei —, und3. aus Nicht-Vertragsstaaten.Für den EWG-Bereich liegen nur für 1967 Vergleichszahlen vor. In jenem Jahr wurden aus den Gemeinschaftsländern rund 80,6 Millionen DM in die Bundesrepublik überwiesen, die sich auf rund 39 000 Rentenfälle verteilten. Von den Vertragsstaaten sind nur die Zahlen für Österreich und die Schweiz bekannt: 1968 wurden aus diesen beiden Ländern insgesamt rund 36 Millionen DM für rund 41 000 Rentenfälle gezahlt. Über die Anzahl und die Gesamthöhe der Renten, die aus den übrigen Vertragsstaaten, also Jugoslawien, Griechenland, Großbritannien, Portugal, Spanien und der Türkei, gezahlt werden, liegen keine Angaben vor. Ebensowenig ist die Zahl der Renten faßbar, die aus Nicht-Vertragsstaaten gezahlt werden; sie werden von den ausländischen Versicherungsträgern unmit-
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Parlamentarischer Staatssekretär Rohdetelbar an die Berechtigten in der Bundesrepublik überwiesen.Die Gesamtzahl aller Renten, die aus dem Ausland in die Bundesrepublik gezahlt werden, dürfte 100 000 Rentenfälle mit einem Zahlbetrag von jährlich rund 145 Millionen DM nicht überschreiten. Dieser Jahreszahlbetrag würde sich auf Grund der Paritätsänderung der Deutschen Mark um den Aufwertungssatz von 8,5 % vermindern.Die soziale Lage der Rentenempfänger, die Rente aus dem Ausland beziehen, kann allerdings nicht allein nach den vorgenannten Zahlen beurteilt werden. Ich darf insbesondere auf Grund der zweiten Frage des Kollegen Leicht darauf hinweisen, daß diese Zahlungen im allgemeinen nur einen Teil der Gesamtbezüge darstellen, weil zumeist auch Rentenansprüche gegenüber der deutschen Rentenversicherung bestehen.Mit Ihren Fragen wurde ein komplexes Problem angesprochen. Sie wissen, daß die Bundesregierung Überbrückungshilfen an Grenzgänger, die in Frankreich arbeiten, beschlossen hat, weil diese Leute durch die Kumulation von Franc-Abwertung und DM-Aufwertung besonders betroffen worden sind. Soweit es die Bezieher französischer Renten im Saarland angeht, gelten für sie zumeist das Sozialversicherungs-Angleichungsgesetz Saar und das Saarländische Gesetz Nr. 345. Danach erhält ein Teil dieser Rentner von deutscher Seite eine Ausgleichsleistung, wenn ihre französische Rente unter dem Betrag einer entsprechenden deutschen Rente liegt. Außerdem besteht für einen weiteren Teil der übrigen Bezieher deutscher und französischer Renten nach der EWG-Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer die Möglichkeit, daß u. a. auch bei Paritätsänderungen etwaige Minderungen des Rentenzahlbetrages ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Diese Regelung gilt auch im Verhältnis zu den übrigen EWG-Staaten und einem Teil der Vertragsstaaten.Bei der Beurteilung der von Ihnen gestellten Fragen muß berücksichtigt werden, daß die Staaten, deren Währung im Verhältnis zur D-Mark überbewertet war, mitunter stärkere Rentenerhöhungen aufweisen, als sie während der vergleichbaren Zeit in der Bundesrepublik eingetreten sind. So sind beispielsweise die französischen Renten im vergangenen Jahr um etwa 17 0/o gestiegen.
Zu einer Zusatzfrage, der Abgeordnete Baier.
Herr Staatssekretär, soll ich aus Ihren Ausführungen schließen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, Beziehern von ausländischen Renten, die zum Teil durch die deutsche Aufwertung eine erhebliche Minderung erfahren haben, einen Ausgleich zu zahlen?
Herr
Kollege, soweit es die Rentner angeht, die aus Frankreich Renten beziehen, und soweit es die Renten aus dem EWG-Bereich betrifft, habe ich versucht, Ihnen den Sachverhalt darzulegen. Ich gebe zu, Herr Kollege, daß es sich um einen komplizierten Fragenkomplex handelt, Währungsdisparitäten wirken sich wechselweise als Vorteile nach der einen und, wenn sie verändert werden, als Abbau von Vorteilen auf der anderen Seite aus. Würden in der Bundesrepublik lebenden Empfängern ausländischer Renten allgemein Ausgleichszahlungen bei Wechselkursänderungen gewährt, so könnte umgekehrt die Frage aufgeworfen werden, ob bei deutschen Rentenzahlungen in das Ausland eine entsprechende Verminderung vorgenommen werden müßte. Das erscheint nicht vertretbar. Sie wissen, Herr Kollege, daß man damit ein Element der Unsicherheit in den internationalen Rentenzahlungsverkehr hineinbringen würde.
Ich muß noch einmal unterstreichen, daß jede andere Haltung zur Folge hätte, daß schließlich jede von der Bundesrepublik oder von dem zahlenden Staat vorgenommene Änderung des Wechselkurses, die zu einer Verminderung oder auch zur Erhöhung des D-Mark-Zahlbetrags der ausländischen Rente führt, Anlaß für Maßnahmen der Bundesregierung werden könnte. Das liefe praktisch auf einen besonderen Wechselkurs für derartige Rentenzahlungen hinaus, und das wäre ein Ergebnis, das dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Wechselkurses widersprechen und schwerwiegende Fragen aufwerfen würde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie trotz der vielen Worte, die Sie zu dieser Frage gemacht haben, doch noch einmal fragen, ob Sie es nicht als eine soziale Härte empfinden, die durch eine politische Entscheidung dieser Bundesregierung herbeigeführt wurde, wenn beispielsweise der Bezieher einer österreichischen Rente nun statt 300 DM eben nur noch 275 DM bekommt.
Herr Kollege, ich habe versucht, die Problematik darzulegen, die auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der Sozialabkommen steht, und habe im übrigen in meiner ersten Antwort auf die Möglichkeiten hingewiesen, die auf Grund der heute bestehenden Regelungen insbesondere für diejenigen gegeben sind, die im Saarland wohnen und französische Renten beziehen.
Zu einer Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Leicht.
Wäre es möglich, Herr Kollege Rohde, ähnliche Regelungen, wie sie im Saarland durch das Anpassungsgesetz getroffen worden
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Leichtsind, auch für den übrigen Bereich der EWG anzustreben?
Herr Kollege, ich darf in diesem Zusammenhang zu der vorherigen Frage noch anmerken, daß Ausgleichsregelungen, wie ich sie in meiner ersten Antwort insbesondere für die EWG genannt habe, auch im Verhältnis zu Osterreich ins Auge gefaßt werden könnten.
Wenn Sie, Herr Kollege, einen besonderen Fall im Auge haben, darf ich Sie bitten, ihn unserem Hause mitzuteilen, damit er im einzelnen überprüft werden kann.
Zu einer Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Brück.
Herr Staatssekretär, würden Sie den Kollegen der CDU/CSU mitteilen, daß es bei der vorletzten D-Mark-Aufwertung, als die CDU/CSU die Regierung trug, auch keine Ausgleichszahlungen gegeben hat.
Das kann ich bestätigen. Im übrigen sind auch bei der Franc-Abwertung im August dieses Jahres vom damaligen Bundesarbeitsminister keine Voraussetzungen dafür geschaffen worden, eine andere Regelung herbeizuführen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Leicht.
Ich muß meine Frage wiederholen, da sie nicht beantwortet worden ist. — Ist die Bundesregierung bereit, ähnliche Regelungen, wie sie durch das Anpassungsgesetz für das Saarland getroffen worden sind, auch für den übrigen EWG-Bereich anzustreben?
Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß das Anpassungsgesetz für die Rentner im Saarland gilt. Darüber hinaus gilt die Verordnung Nr. 3 für den gesamten EWG-Bereich. Im übrigen darf ich anmerken, daß in Brüssel, soweit ich unterrichtet bin, über die weitere Entwicklung der Verordnung Nr. 3 beraten wird.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Unland.
Herr Staatssekretär, darf ich angesichts Ihres Hinweises auf die EWG-Vorschriften unterstellen, daß ein kompletter Ausgleich für die Empfänger ausländischer Sozialrenten gewährleistet ist?
Die Frage, ob ein kompletter Ausgleich gewährleistet ist, kann ich hier in diesem Augenblick nicht in vollem Umfang beantworten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie damit einverstanden wären, daß ich Ihnen hierzu eine schriftliche Mitteilung zugehen lasse.
Eine letzte Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Unland.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zuzugestehen, daß ein nicht kompletter Ausgleich nach den EWG-Vorschriften für diese Rentenbezieher eine besonders harte und vor allen Dingen unausweichliche Konsequenz bedeutet?
Das kommt auch auf die Lage des Einzelfalles an. Herr Kollege, ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Bezieher ausländischer Renten zu einem erheblichen Teil auch Ansprüche gegenüber der deutschen Rentenversicherung geltend machen können. Die Verhältnisse bei den einzelnen Rentnern, was ihren Gesamtrentenbezug angeht, sind in dieser Beziehung sicher unterschiedlich.
Ich lasse nur noch eine einzige Zusatzfrage zu. Bitte schön, Herr Kollege Baier!
Herr Staatssekretär, unter Bezug auf Ihren vorherigen Hinweis auf die Bezieher österreichischer Renten möchte ich Sie doch fragen, ob eine generelle Regelung hinsichtlich eines Ausgleiches für Bezieher österreichischer Renten besteht. Oder ist Ihre Antwort so zu verstehen, daß Sie nur im Einzelfall bereit sind, eine solche Überbrückungszahlung zu leisten?
Diese Regelung gilt, soweit ich das im Augenblick übersehen kann, bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Ruf auf:
Plant die Bundesregierung Maßnahmen auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung und ggf. welche?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte schön!
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen des Kollegen Ruf wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
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Keine Bedenken: Dann rufe ich noch die Frage 8 des Abgeordneten Ruf auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, um das Problem der Verfallbarkeit von Anwartschaften bzw. Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung im Falle eines Arbeitsplatzwechsels zu lösen?
Die Bundesregierung prüft zur Zeit, Herr Kollege, wie das gegenwärtige System der betrieblichen Altersversorgung sozial- und gesellschaftspolitisch zweckmäßiger gestaltet werden kann. Die Bundesregierung untersucht dabei insbesondere folgende Probleme:
1. Die Verfallbarkeit der Pensionsansprüche beim Arbeitsplatzwechsel, also das Problem, das Sie, Herr Kollege, mit Ihrer zweiten Frage angesprochen haben,
2. die nicht gesicherte Erfüllung von Pensionsansprüchen bei Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens,
3. die vielfach fehlende Anpassung der Betriebsrente an die wirtschaftliche Entwicklung und
4. die Verminderung von Betriebsrenten durch Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Bemühungen der Bundesregierung richten sich vor allem darauf, eine flexiblere und mobilitätsgerechtere Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung zu erreichen. Damit könnten auch bisher nicht ausgeschlossene soziale Härten beseitigt werden.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Ruf.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß die neue Bundesregierung bezüglich der Alterssicherung der Arbeitnehmer an den drei Säulen „Sozialversicherung als Grundsicherung", „betriebliche Altersversorgung" und „private Lebensversicherung" festhalten will?
Herr Kollege Ruf, ich will hier keine Drei-Säulen-Theorien aufstellen. Wenn wir darüber diskutieren wollten, müßten wir das bei einer anderen Gelegenheit tun; das würde über den Rahmen der Fragestunde hinausgehen. Hier kommt es darauf an, konkret für die in Ihrer Frage angesprochene Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung die Kriterien zu nennen, nach denen sich die Bundesregierung bemüht vorzugehen.
Im übrigen füge ich hinzu, daß die Bemühungen der Bundesregierung um die Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung auch mit den Sozialpartnern und mit verschiedenen Sachverständigen erörtert werden. Es haben bereits erste Besprechungen mit den Gewerkschaften stattgefunden. Sie werden zügig fortgesetzt. Darüber hinaus wird sich die Bundesregierung bemühen, mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber ins Gespräch zu kommen.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Roser auf:
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, im Rahmen einer Änderung des Leistungsrechtes in der sozialen Rentenversicherung zu bewirken, daß künftig auch bei Nichterreichen der sogenannten „Halbdeckung" die Schul- und Hochschulzeiten in vollem Umfang und nicht nur im sehr bescheidenen Maß einer pauschalen Ausfallzeit angerechnet werden?
Herr Kollege, das Erfordernis der Halbdeckung wurde ebenso wie der Begriff der Ausfallzeiten durch die Rentenreform von 1957 eingeführt. Ich darf daran erinnern, daß bis dahin Schul- und Hochschulzeiten überhaupt nicht rentensteigernd anzurechnen waren.
Wenn der Gesetzgeber diese weitgehende Vergünstigung zu Lasten der Versichertengemeinschaft eingeführt hat, so wollte er doch auf der anderen Seite sicherstellen, daß sie nur solchen Personen zugute käme, die während ihres Arbeitslebens überwiegend entweder pflichtversichert oder als Angestellte wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren. Diese Erwägung trifft auch heute noch zu. Allerdings wirkt sich das Problem der „Halbdeckung" nach Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze heute für einen kleineren Personenkreis aus.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Roser.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die eingeleitete Regelung in Zukunft insofern erhöhte Bedeutung haben wird, als sich die Ausbildungszeiten zunehmend verlängern werden?
Herr Kollege, ich darf mit dem Blick auf die Zukunft darauf hinweisen, daß wir jetzt, nachdem die Pflichtversicherungsgrenze in der Rentenversicherung der Angestellten aufgehoben worden ist, vor einer anderen Ausgangssituation stehen. Sie wissen, daß meine politischen Freunde und ich seit Jahren darauf gedrängt haben, diese Pflichtversicherungsgrenze aufzuheben. Wäre das zu einem früheren Zeitpunkt als im Jahre 1967 geschehen, dann hätte es eine ganze Reihe Härten — die Sie sicherlich im Auge haben — nicht gegeben. Damit stehen Sie — ich darf das, wenn Sie die Frage so an mich richten, schon einmal sagen — vor den Ergebnissen der eigenen politischen Haltung in den vergangenen Jahrzehnten.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Roser. Aber ich muß darauf aufmerksam machen, daß sowohl die Zusatzfrage als auch die Zusatzantwort sich auf die Frage Nr. 9 beziehen soll und nicht etwa auf Versicherungspflichtgrenzen und ähnliches. — Sie verzichten auf die Frage.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 469
Präsident von HasselIch weise darauf hin, daß die Frage 10 vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet wird.Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Weigl auf:Wie entwickeln sich Einnahmen und Ausgaben der Rentnerkrankenversicherung?
Die Einnahmen der Krankenversicherung der Rentner — ausgenommen die Knappschaft — sind zwischen 1957 und 1967 von 686 Millionen DM auf 2569 Millionen DM gestiegen. Während des gleichen Zeitraums wuchsen die Ausgaben von 737 Millionen DM auf 3275 Millionen DM. Die Ergebnisse für 1968 werden zur Zeit aufbereitet. Die künftige Entwicklung läßt sich kaum vorausschätzen. Auch das Sozialbudget 1968 enthält darüber keine Aussagen. Es dürfte jedoch davon auszugehen sein, daß die Ausgaben der Rentnerkrankenversicherung vermutlich weiterhin entsprechend der durchschnittlichen Jahreszuwachsrate der Vergangenheit steigen.
Hinsichtlich der Einnahmen hat das Finanzänderungsgesetz von 1967 die Beiträge der Rentenversicherung an die Krankenversicherung neu geregelt. Danach sollen im Jahr 1968 die von den Rentenversicherungen zu zahlenden Beiträge 80% der Ausgaben der Krankenversicherung der Rentner decken. Vom 1. Januar 1969 an sollen sich die Beiträge an der Summe der gesetzlichen Rentenausgaben orientieren. Der Gesetzgeber hat diese Regelung, wie Sie
wissen, im Interesse einer kontinuierlichen finanziellen Entwicklung der Rentenversicherung getroffen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Rentenversicherungsträger infolge der steigenden Kosten der Rentnerkrankenversicherung zusätzliche Beträge in Höhe von mehreren Hundert Millionen D-Mark jährlich an die gesetzliche Krankenversicherung zu entrichten haben, ohne daß diese zusätzlichen Ausgaben der Rentenversicherung in - der Finanzplanung gedeckt sind?
Herr Kollege, zu diesem Sachverhalt, den Sie soeben angesprochen haben, wird der Erlaß einer Verordnung, deren Inhalt im einzelnen noch geprüft wird, in Aussicht genommen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, wollen Sie trotz der steigenden Kosten der Rentnerkrankenversicherung die Rentner in Zukunft auf keinen Fall an den Kosten ihrer Krankenversicherung beteiligen?
Herr Kollege Weigl, darüber hat es am letzten Freitag eine ausgedehnte Fragestunde gegeben, in der alle Aspekte, sowohl die sozialen wie die finanziellen, erörtert worden sind. Außerdem wird dieser Sachverhalt auch bei der ersten Lesung des Gesetzes über die Aufhebung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrages im einzelnen zu erörtern sein. Ich sage das, Herr Kollege, weil ich das Wort des Präsidenten ernst nehme, bei der Beantwortung von Zusatzfragen nicht in Bereiche hineinzukommen, die über die Hauptfrage hinausgehen.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Weigl auf:
Kann eine Herabsetzung des Rentenalters in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne eine Beitragserhöhung für die aktiven Versicherten durchgeführt werden, wenn der Einnahmeausfall der Rentenversicherungsträger in Höhe von 18 Milliarden DM für die Zeit von 1970 bis 1985 infolge der Aufhebung des Krankenversicherungsanteils der Rentner nicht durch eine Erhöhung der Bundeszuschüsse ausgeglichen wird?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Wie aus der Regierungserklärung hervorgeht, wird die Bundesregierung im Laufe der Legislaturperiode den schrittweisen Abbau der starren Altersgrenze prüfen und sich bemühen, sie durch ein Gesetz über eine flexible Altersgrenze zu ersetzen. An Modellen über die Ausgestaltung der flexiblen Altersgrenze wird zur Zeit gearbeitet. Erst nach Fertigstellung dieser Modelle kann die damit jeweils verbundene finanzielle Auswirkung ermittelt werden. Die Bundesregierung wird sorgfältig prüfen, welches Modell finanziell tragbar ist und wie im einzelnen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung seine finanziellen Grundlagen beschaffen sein werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, sollte man nicht vor der Ankündigung solcher weitreichenden Maßnahmen die Prüfung vorgenommen haben?
Die Prüfung wird im Zusammenhang mit dieser Maßnahme vorgenommen werden, wie auch bei einer Reihe anderer — nicht nur sozialpolitischer — Gesetzesvorhaben, die in der Regierungserklärung mit dem Blick auf die ganze Legislaturperiode angekündigt worde sind, Prüfungen hinsichtlich des Zeitpunktes und des Umfanges ihrer Verwirklichung vorgenommen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ruf.
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470 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Herr Staatssekretär, würden Sie mir sagen, was Sie unter flexibler Altersgrenze verstehen.
Herr Kollege Ruf, darüber ist in der sozialpolitischen Diskussion schon sehr oft gesprochen worden.
Damit soll erreicht werden — das wissen Sie ja auch, Herr Kollege —, dem Arbeitnehmer am Ende seines Arbeitslebens mehr Wahlfreiheit hinsichtlich des Ausscheidens aus dem Arbeitsleben und dem Beginn der Rente zu geben. Die Einzelheiten werden in den Untersuchungen, die wir für die konkreten Regelungen anzustellen haben, zu erörtern sein.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß die geplanten Maßnahmen ohne Erhöhung des Finanzausgleichs zwischen der Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung und ohne eine Beitragserhöhung für die aktiven Versicherten durchgeführt werden?
Herr Kollege, ich habe keinen Anlaß, eine Beitragserhöhung anzukündigen, und will noch einmal unterstreichen, daß die Finanzierung nicht isoliert vom Modell einer flexiblen Altersgrenze behandelt werden kann. Was die Frage des Ausgleichs zwischen der Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung angeht, so haben wir darüber bei der Beratung des 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes nicht nur ausführlich geredet, sondern in diesem Gesetz auch ein Ausgleichsverfahren festgelegt. Im übrigen wird diese Frage auch schon bei der Beratung des Gesetzes über die Beseitigung des zweiprozentigen Rentnerkrankenversicherungsbeitrags angesprochen werden.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Dr. Marx auf:
Glaubt die Bundesregierung, daß es für die Betroffenen hilfreich ist, wenn im Rahmen gerichtlicher Feststellungen bei Sozialgerichtsprozessen Unterlagen über Krankheiten als Haftfolgen bei Zuchthausverwaltungen der ,.DDR" angetordert werden?
Herr Kollege, das Grundgesetz hat die Unabhängigkeit der richterlichen Tätigkeit ausdrücklich hervorgehoben. Die Bundesregierung muß daher — und ich bitte Sie um Verständnis dafür — bei der Beantwortung der von Ihnen gestellten Frage eine durch diese Unabhängigkeit gebotene Zurückhaltung wahren. Die Frage, ob es für den Betroffenen hilfreich ist, Auskunftsersuchen an Behörden im anderen Teil Deutschlands zu richten, kann in jedem Einzelfall nur der Richter entscheiden. Eine Kontrolle darüber steht der Bundesregierung nicht zu. Wenn
Sie jedoch einen besonderen Fall im Auge haben, Herr Kollege, so bitte ich, mir die näheren Umstände schriftlich mitzuteilen. Die Bundesregierung wird alsdann den Fall prüfen und mit den zuständigen Stellen Kontakt aufnehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx .
Herr Staatssekretär, weil ich Achtung davor hatte, daß selbstverständlich die grundgesetzliche Regelung die Unabhängigkeit der Richter garantiert, wollte ich nicht mit einem einzelnen Fall — denn es gibt viele, die ich in der Hand habe — an Sie herantreten, aber ich möchte doch die Frage wiederholen, was Sie davon halten, daß bei Zuchthausverwaltungen der DDR Krankheitsakten über Menschen angefordert werden, die sich auf dem Gebiete der Bundesrepublik Deutschland befinden, die auf Grund der Behandlung in den Zuchthäusern krank geworden sind und heute bei Sozialgerichtsprozessen ihre Beschädigung nachweisen müssen.
Herr Kollege, eine Beantwortung dieser Frage würde mich in den Bereich der Beurteilung des Vorgehens des Richters bringen. Dabei wäre dann im einzelnen zu prüfen, wie groß die Beweisschwierigkeiten gewesen sind. Ich würde Sie, wenn es sich nicht nur um einen Einzelfall handelt, sondern, wie Sie sagen, um viele Fälle, um so mehr bitten, daß Sie dem Bundesarbeitsministerium von diesen Kenntnis geben. Ich würde dann gern Gelegenheit nehmen, diese Fälle im einzelnen an Hand konkreter Unterlagen mit Ihnen zu erörtern. Ich glaube, daß dies Verfahren in der Sache weiterführen würde als eine Diskussion hier, bei der der Sachverhalt nur Ihnen im einzelnen bekannt ist.
Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx .
Herr Staatssekretär, ich bin natürlich gern dazu bereit, aber es gibt auch ein öffentliches Interesse an der Tatsache, daß offensichtlich nicht mehr gesehen wird, daß es in der Bundesrepublik Deutschland, einem freiheitlichen Rechtsstaat, ein völlig anderes Rechtssystem, andere Rechtsnormen und ein anderes Verständnis von Menschenrechten gibt als im anderen Teile Deutschlands. Ich wollte bitten, darauf hinzuweisen, und meine Frage wäre, ob Sie bereit sind, diesen Überlegungen, die ich für fundamental halte, zuzustimmen.
Herr Kollege, auch diese Frage wäre mit den Stellen, die die Krankheitsunterlagen angefordert haben, zu erörtern. Wir sind dazu gern bereit. Ihr Material, das Sie uns zur Verfügung stellen, kann uns helfen, diese Gespräche zu führen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 471
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf, zunächst die Frage 60 des Abgeordneten Seefeld:
Wann gedenkt die Bundesregierung gemäß § 25 des Berufsbildungsgesetzes die seil mehr als zehn Jähren anhängige Anerkennung des Berufes „Berufskraftfahrer" durch die Erstellung eines Berufsbildes zum Abschluß zu bringen?
Der Abgeordnete Seefeld ist im Saal. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat 1967 den 'Technischen Überwachungsverein Rheinland e. V. beauftragt, unter Mitwirkung der Arbeitsstelle für Betriebliche Berufsausbildung eine Berufs- und Arbeitsplatzanalyse durchzuführen. Diese Analyse soll klären, ob die für die Anerkennung des von Ihnen genannten Berufsbildes erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die Bundesregierung rechnet damit, daß die Untersuchungen gegen Ende dieses Jahres abgeschlossen sind. Die Bundesregierung kann dann über die Anerkennung des Berufes „Berufskraftfahrer" entscheiden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seefeld.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Meinung, daß wegen der Verkehrssicherheit, vor allem aber wegen der sozialen Stellung der Berufskraftfahrer sehr schnell eine Lösung in der Frage der Ausbildung gefunden werden muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß darüber im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten schnell eine Klärung herbeigeführt werden sollte.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seefeld.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für richtig, daß das Berufsanerkennungsverfahren bereits über zehn Jahre andauert, daß deswegen den Berufskraftfahrern bislang, obwohl sie, wie wir wissen, doch gesundheitlich besonders gefährdet sind, keine Berufsunfähigkeitsrente gezahlt wird und daß die Berufskraftfahrer dadurch finanzielle Einbußen erleiden, weil sie als Hilfsarbeiter mit Führerschein eingestuft werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist richtig, daß die Berufsunfähigkeitsrente davon abhängt, ob ein Arbeitnehmer eine Berufstätigkeit ausübt, die, wie es heißt, normalerweise eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf voraussetzt. Jedenfalls legt das Bundessozialgericht die entsprechende Vorschrift der Reichsversicherungsordnung so aus. Die Tätigkeit des Berufskraftfahrers erfüllt diese Voraussetzung bisher nicht. Auch das ist einer der Gründe, warum die Bundesregierung diesen Prüfungsauftrag gegeben hat, um nämlich die Grenzen dieses Berufsbildes von kundiger Hand umreißen zu lassen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es nur schwer verständlich ist, wenn wie im Falle der Anerkennung des Berufs Berufskraftfahrer — der übrigens einer der verantwortungsvollsten Berufe ist; denn es handelt sich ja vorwiegend um Fernlastwagenfahrer — die Überprüfung des Wunsches nach Anerkennung langer Jahre bedarf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schmidt, die Bundesregierung hat im Jahre 1967 so gehandelt und den Technischen Überwachungsverein in Ihrem Sinne beauftragt. Daß dem viele Jahres des Säumens vorausgingen, kann ich nur mit Ihnen gemeinsam registrieren.
Meine Damen und Herren, weitere Zusatzfragen lasse ich nicht zu. Wir haben über hundert Fragen in der Fragestunde. Das Präsidium ist sich einig, daß wir nur wenige Zusatzfragen zulassen, weil auch die anderen Fragesteller ein Recht haben, eine mündliche Antwort zu bekommen. Ich bitte dafür um Verständnis.
Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Dr. Jahn auf:
In welchem Umfang und ans welchen Ländern wird zur Zeit ausländische Kohle in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich würde gerne die beiden Fragen des Herrn Kollegen Dr. Jahn gemeinsam beantworten.
Keine Bedenken. Ich rufe also noch die Frage 62 des Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Steht diese Einfuhr im Zusammenhang mit der schnellen Zechenstillegung?
Bitte schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kohle wird derzeit in einer Größenordnung von jährlich etwa neun Millionen Tonnen eingeführt, und zwar annähernd acht Millionen Tonnen Steinkohle und Steinkohlenerzeugnisse und eine Million Tonnen Braunkohle. Diese Einfuhr kommt vorwiegend aus den Gemeinschaftsländern Frankreich, Belgien und den Nieder-
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472 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtlanden sowie den Drittländern USA, England, Norwegen, Polen, CSSR und UdSSR.Diese Importe sind seit der Einführung der Kohlenzollregelung im Jahre 1959 ziemlich konstant. Sie schwanken zwischen sieben und zehn Millionen Tonnen jährlich. Insofern steht bei dieser konstanten Einfuhr eine Veränderung der Einfuhr mit Zechenstillegungen in keinem Zusammenhang.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Dr. Hermersdorf auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage, die dadurch entstanden ist, daß das Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidung vom 25. Juni 1969 das Ingenieurgesetz vom 1. Juli 1965 für nichtig erklärt hat?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich auch diese Frage zusammen mit der nächsten Frage von Herrn Dr. Hermesdorf beantworten?
Keine Bedenken. Ich rufe also noch die Frage 64 des Abgeordneten Dr. Hermesdorf auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dazu beizutragen, daß die Bundesländer eine baldige und einheitliche gesetzliche Regelung des Schutzes der Berufsbezeichnung „Ingenieur" treffen und damit auch für die Anerkennung der deutschen Ingenieure im EWG-Raum eine feste Rechtsgrundlage schaffen?
Bitte schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Bundesregierung steht im engen Kontakt mit den Ländern, die ebenfalls den Erlaß übereinstimmender Ländergesetze zum Schutz der Berufsbezeichnung „Ingenieur" für erforderlich erachten.
Die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder hat einen Arbeitskreis gebildet. Das Bundesministerium für Wirtschaft ist in ihm vertreten. Aufgabe dieses Arbeitskreises ist es, einen Modellentwurf für eine einheitliche gesetzliche Regelung in den einzelnen Bundesländern zu erarbeiten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hermesdorf.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, sich im Ministerrat für eine beschleunigte Entscheidung in der Frage der wechselseitigen Anerkennung der Abschlüsse der Ingenierausbildungsgänge im EWG-Raum einzusetzen, nachdem die Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen den deutschen Belangen gerecht werdenden Vorschlag dem Ministerrat zugeleitet hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Hermesdorf, das steht nur in sehr losem Zusammenhang mit dieser Gesetzgebung oder der Vorbereitung dieser neuen Gesetzgebung, von der wir hier sprechen. Sie ist nämlich in erster Linie ein kulturpolitischer Akt. Selbstverständlich ist die Bundesregierung aber nach wie vor bereit, sich im EWG-Ministerrat für eine Beschleunigung der Beratung und Beschlußfassung einzusetzen. Diese Position ist oft genug auch hier in Fragestunden zum Ausdruck gekommen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hermesdorf.
Herr Staatssekretär, stehen einer positiven Entscheidung des Ministerrates Schwierigkeiten entgegen? Falls das der Fall sein sollte: worin bestehen diese?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein; die europäischen Beratungen behandeln ja in erster Linie den Ausbildungsgang. Bei dem Ingenieurgesetz geht es aber darum, wer den Berufstitel führen darf, also welche graduierten Ingenieure, freien Ingenieure usw.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Ist bei der in Kürze zu erwartenden Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die öffentliche- Hand damit zu rechnen, daß die Bundesregierung auf die Bundesbank Einfluß nehmen oder empfehlen wird, daß durch Mindestreservelockerung die Voraussetzung für die dafür notwendige und zur Zeit nicht vorhandene Liquidität geschaffen wird, so wie es die Bundesbank bei der Begebung der letzten Bundesanleihe durch die vorher erfolgte Mindestreservesenkung tat?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die Bundesbank zielt bei ihrer Mindestreserven- und Geldpolitik nur indirekt auf die Probleme des Kapitalmarkts und schon gar nicht auf einen bestimmten Teil des Kapitalmarkts, nämlich den der öffentlichen Anleihen allein. Dennoch ist die von Ihnen erwartete Anspannung eingetreten. Die Bundesregierung hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die im Auslandsgeschäft tätigen Konsortialbanken das Niveau der Emission von Auslandsanleihen gegenüber den ersten neun Monaten des Jahres auf die Hälfte reduzieren wollen. Davon versprechen wir uns eine wesentliche Entlastung der Verhältnisse am Kapitalmarkt. Außerdem sind mit der Bundesbank laufend Erörterungen im Gange, wie man etwaige geldmarktpolitische Anspannungen — z. B. beim nächsten großen Steuertermin — vermeiden könnte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Riedl .
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung meiner Auffassung, daß die derzeitigen Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt dazu angetan sind, die Vermögens-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 473
Dr. Riedl
bildung nicht zu fördern, ja, sogar zu beeinträchtigen, wenn das Vertrauen der privaten Anleger am Kapitalmarkt durch die von mir aufgezeigten Schwankungen, ich kann schon sagen: erschüttert wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zinssteigerungen und Kursverluste haben bei weitem noch nicht das Ausmaß des Jahres 1966. Aber im übrigen teile ich Ihre Auffassung, daß es höchste Zeit ist, zu einer Lockerung zu kommen.
Damit ist die Beantwortung der Fragen aus diesem Geschäftsbereich beendet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Die Frage 16 des Abgeordneten Ollesch ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Jung auf:
Walche sportpolitischen Leistungszentren fehlen in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig am nötigsten, und in welcher Form wird in Kürze Abhilfe geschaffen?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Genscher.
Zur Zeit sind zwölf Bundesleistungszentren funktionsfähig. Um den weiteren Bedarf entsprechend der Dringlichkeit zu befriedigen, bereitet die Bundesregierung im Zusammenwirken mit dem Deutschen Sportbund und den Bundessportfachverbänden einen längerfristigen Ausbauplan für Bundesleistungszentren vor. Dieser sieht neben der Errichtung einiger neuer vor allem den Ausbau vorhandener Leistungszentren vor. Der Ausbau soll gewährleisten, daß in den Bundesleistungszentren optimale Trainingsvoraussetzungen geschaffen werden und daß diese Anlagen voll ausgelastet sind. Bei allen Planungen haben die Bauten Vorrang, die noch dem Training unserer Sportler für die Olympischen Spiele 1972 dienen können.
Zur Zeit befinden sich folgende Zentren im Bau:
1. Bundesleistungszentrum für Schwimmen in Köln,
2. Bundesleistungszentrum für Fechten in Bonn,
3. Bundesleistungszentrum für Reitsport und modernen Fünfkampf in Warendorf.
Darüber hinaus ist die Errichtung folgender weiterer Zentren vorgesehen: 1. Bundesleistungszentrum Nord in Hannover für Schwimmen und Leichtathletik 2. Bundesleistungszentrum in Heidelberg
für Basketball, Handball und Volleyball, 3. Bundesleistungszentrum in Lippstadt für Kanusport, 4. Bundesleistungszentrum in Frankfurt für Radsport. Daneben sollen für einige weitere Sportarten in vorhandenen oder neu zu errichtenden Leistungszentren die erforderlichen Trainingsmöglichkeiten geschaffen werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jung.
Herr Minister, können Sie einen Zeitplan bekanntgeben, der verdeutlicht, daß insbesondere die Leistungszentren für die Olympia-Teilnehmer rechtzeitig fertiggestellt werden?
Herr Kollege, die Zentren in Bonn und Warendorf werden voraussichtlich 1970, das Zentrum in Köln 1971 fertiggestellt. Auch die übrigen, noch in der Planung befindlichen Anlagen, sollen wenigstens teilweise 1971 benutzbar sein. Ich darf Ihnen versichern, daß all diese Arbeiten mit ungewöhnlicher Dringlichkeit betrieben werden und daß wir uns zur Aufgabe gesetzt haben, die Zeitpläne, soweit es nur irgend möglich ist, bei weitem zu unterschreiten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Bundesminister, darf ich annehmen, daß bei der Entscheidung über die Standorte von Leistungszentren neben dem Urteil der Fachverbände ganz besonders auch die Möglichkeiten, damit in strukturärmeren Gebieten auch Strukturentwicklungen und die Raumordnung zu fördern, in die Überlegungen einbezogen werden und Ballungszentren nicht auch noch so sehr mit Leistungszentren besetzt werden?
Häufig gebietet schon die Art des zu fördernden Sports eine solche Entscheidung.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schirmer.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß sportliche Leistungszentren in Gemeinsamkeit mit dem Deutschen Sportbund und dessen Fachverbänden so geplant, gebaut und eingerichtet werden sollten, daß sie leicht erreichbar sind, möglichst den Hochschulen zugeordnet werden und sachlich wie personell so ausgestattet werden, daß sie den Erfordernissen des Spitzensports, aber auch der Ausbildung für die Übungsleiter und der Ausbildung für die kommenden Sportlehrer genügen können?
Ich kann diese Frage, Herr Kollege, uneingeschränkt mit Ja beantworten.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Mertes auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang die Kriminalpolizei in der Bundesrepublik Deutschland über ein eigenes Bildfunknetz verfügt und ob der Ausbau eines solchen in Vorbereitung ist?
Versuche im Oktober 1967 zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Bayerischen Landeskriminalamt sowie dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen haben er-
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474 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Bundesminister Genschergeben, daß mittels Bildtelegraphie kriminalpolizeiliche Informationen übermittelt werden können. Danach können Lichtbilder, Fingerabdruckproben, Schriftstücke, Urkunden, Handschriften, Abbildungen und andere geeignete Beweismittel in kürzester Zeit über größte Entfernungen von einer Polizeidienststelle zu einer anderen übermittelt werden.Die Kriminalpolizei wird so in die Lage versetzt, insbesondere den reisenden Verbrecher unter Inanspruchnahme technischer Mittel wirksamer als bisher zu bekämpfen. Die Bildtelegraphie stellt sich somit als ein Mittel dar, um mit moderneren Methoden die Verbrechensbekämpfung besonders nachhaltig zu verbessern.Bund und Länder haben die Einrichtung eines besonderen Bildtelegraphennetzes für die Polizei beschlossen. Dieses Netz soll als Standleitung von der Post gemietet und von Bund und Ländern gemeinsam finanziert werden. Es wird als Sternnetz mit dem Bundeskriminalamt als Zentrale und den Landeskriminalämtern als Schaltstellen ausgebaut. Die technischen Einrichtungen befinden sich im Aufbau.Im Vorgriff auf diese Regelung, Herr Kollege, ist bereits seit dem 6. Januar 1969 mit dem Land Nordrhein-Westfalen eine Verbindung geschaltet, auf der bisher ca. 1350 Übertragungen durchgeführt wurden. Ich habe mich bei meinem jüngsten Besuch beim Bundeskriminalamt von der besonderen Wirksamkeit dieses technischen Hilfsmittels überzeugen können. Mit den übrigen Bundesländern sollen im ) Laufe des Jahres 1970 entsprechende Anschlüsse geschaltet werden.Auf Grund der bisherigen Erfahrungen und wegen der Bedeutung dieses Bildtelegraphennetzes habe ich die Länder gebeten, beschleunigt die erforderlichen Maßnahmen, die hierzu noch ergriffen werden müssen, in die Wege zu leiten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mertes.
Herr Bundesminister, können wir damit rechnen, daß im Laufe des nächsten Jahres die übrigen Bundesländer diesem Beispiel von Nordrhein-Westfalen in der Tat folgen werden?
Herr Kollege, ich gehe zuversichtlich davon aus, daß die anderen Bundesländer im Jahre 1970 folgen werden. Die von mir schon genannte Bitte an die Länder, die erforderlichen Maßnahmen zu beschleunigen, geht von der Erkenntnis aus, daß wir eine wesentliche Verbesserung in der Verbrechensbekämpfung — auch im Tempo — erreichen könnten, wenn dieser von Ihnen gewünschte Zustand schon sehr schnell hergestellt werden könnte.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Mertes auf:
In welchem Umfang bedient sich die Kriminalpolizei heute schon in dringenden Fällen des Bildfunknetzes der Deutschen Bundespost, und in welcher Form könnte diese Zusammenarbeit ausgebaut werden?
Unabhängig von den von mir eben schon dargestellten Einrichtungen und Absichten wird das Bundeskriminalamt ab 2. Januar 1970 einen Bildhauptanschluß an das öffentliche Bildnetz der Bundespost erhalten, nachdem Versuche über dieses Netz im Mai und Juni dieses Jahres mit dem Polizeipräsidium in Stuttgart in 188 Fällen erfolgreich durchgeführt worden sind.
Dieses öffentliche Bildnetz wird in Zukunft jedoch nur im Falle der Störung des polizeieigenen Netzes oder in den Fällen in Anspruch genommen werden, in denen Informationen mit einer Stelle ausgetauscht werden sollen, die an das polizeieigene Netz nicht angeschlossen ist. Das ist z. B. denkbar bei Fahndungsersuchen an das Fernsehen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Schmidt auf:
Ist der Bundesregierung bekennt, wie die immer neuen und jetzt schon gegenüber 1966 um 100';o erhöhten Zahlen der Kalkulation für die Olympiabauten in München und Kiel zu erklären sind?
Ihre Frage, Herr Kollege, läßt sich in der hier gebotenen Kürze nur schwerpunktmäßig beantworten. Bei dem Anstieg der durch die Olympiade bedingten Investitionskosten in München — in Kiel ist die Sachlage im Grundsatz nicht anders — handelt es sich zunächst vor allem um die Korrektur einer Ausgangsbasis, die in ihren Planungen und in den daraus folgenden Kostenschätzungen weit von den Anforderungen entfernt waren, die die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1972 tatsächlich stellt. Hierzu trug nicht zuletzt die Tatsache bei, daß die Ergebnisse der für die architektonische Gesamtkonzeption grundlegenden Architektenwettbewerbe noch nicht vorlagen. Darüber hinaus sind weitere Kostenerhöhungen hinzugekommen. Sie beruhen z. B. auf zusätzlichen Anforderungen, die vor allem der Sport, die Technik einschließlich der Fernsehtechnik und der Verkehr an das Bauprogramm gestellt haben, ferner auf Berichtigungen der Kostenansätze, entweder weil sie in den Grundwerten zu gering veranschlagt waren oder weil erst der Fortschritt in der Einzelplanung eine genauere Berechnung ermöglichte. Auch Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus können hier eine Rolle spielen.
Im einzelnen ist die Entwicklung der olympiabedingten Investitionskosten in München Gegenstand einer eingehenden Prüfung, an der auch die Rechnungsprüfungsbehörden des Bundes, des Freistaates Bayern und der Landeshauptstadt München beteiligt sind. Über das Ergebnis werde ich dem Hohen Hause so bald wie möglich berichten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Köppler.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 475
Herr Bundesminister, ist Ihr Hinweis auf Ihren baldigen Bericht so zu verstehen, daß von der Bundesregierung nicht termingemäß zum 1. Dezember berichtet wird?
Herr Kollege, ich habe den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages gebeten, mir im Interesse einer umfassenden und nicht auf Einzelgebiete beschränkten Berichterstattung eine Terminverlängerung bis zum 15. Februar 1970 einzuräumen. Ich hoffe, daß dann eine wirklich klare Auskunft gegeben werden kann, die sicher im Interesse aller Verantwortlichen liegt, die am Ende auch Haushaltsverantwortung tragen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Strohmayr.
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß die große Überschreitung bei den Olympia-Bauten in München auch ein Auswuchs davon ist, daß in München heute jeder Preis bezahlt wird, um die Arbeiten nur rechtzeitig fertigzustellen?
Herr Kollege, ich habe Veränderungen im Preisniveau als eine mögliche Ursache dargestellt. Die Untersuchungen werden sich auch darauf zu erstrecken haben, ob der von Ihnen genannte Grund maßgeblich für die Überschreitung der ursprünglich angenommenen Kostenanforderungen ist.
Ich rufe Frage 21 des Abgeordneten Wagner auf. Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
— Nein, sie wird nicht durch einen anderen übernommen; die Richtlinien lassen das nicht zu.
Ich rufe die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Müller auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ankündigung des „Vorstandes Deutscher Flugleiter", einen neuen Bummelstreik auszurufen?
Haben sich die bisherigen Verhandlungen zwischen den beteiligten Bundesministerien und den Gewerkschaften so gestaltet, daß eine solche Androhung gerechtfertigt erscheint?
Diese Fragen werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Ollesch auf. Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Dr. Schulz auf:
Wie wird die Bundesregierung in angemessener und würdiger Form des 6. Dezember 1894 als des Tages gedenken, an dem sich zum erstenmal Abgeordnete des damaligen Deutschen Reichstages im Wallotbau in Berlin versammelten?
Ist der Fragesteller im Saal? — Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort zur Beantwortung erteile: wir stehen vor der Lage, daß die Fragestunde an sich in einer Minute ausläuft. Besteht die Chance, daß die drei Fragen schnell beantwortet werden? Sonst müßte ich die Fragestunde beenden. — Zur Beantwortung der Herr Bundesinnenminister.
Der Reichstag selbst hat nach der Einweihung des Reichstagsgebäudes am 5. Dezember 1894 der Übersiedlung in die neue Tagungsstätte nur durch zwei kurze Ansprachen seines Präsidenten am 5. und 6. Dezember 1894 gedacht. Der 6. Dezember 1894 ist im Bewußtsein unseres Volkes nicht als denkwürdiges Ereignis in Erinnerung geblieben. Die Bundesregierung beabsichtigt jedoch, aus Anlaß der 100. Wiederkehr des Jahres der Reichsgründung während des Jahres 1971 unter anderem im wiederhergestellten Reichstagsgebäude in Berlin und voraussichtlich in der Frankfurter Paulskirche eine historische Ausstellung mit dem Titel „Wege zur deutschen Einheit" zu veranstalten, in der auch die wesentlichen Ereignisse der deutschen Parlamentsgeschichte angemessen gewürdigt werden. In diesem Rahmen werden auch die Tagungsstätten des Reichstages Erwähnung finden. Die Bundesregierung kann, Herr Kollege, selbstverständlich nicht Erwägungen vorgreifen, die dieses Hohe Haus selbst hinsichtlich der von Ihnen genannten Gedenktage anstellt.
Eine Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Schulz .
Meinen Sie nicht, Herr Bundesminister, daß auf diesem Gebiet doch etwas mehr geplant und getan werden müßte, um so mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, daß unser Volk, dessen eigentliche Freiheitsgeschichte leider unterbelichtet ist, einigen Anlaß hätte, der wenigen positiven Daten mit besonderem Nachdruck und besonderer Dankbarkeit zu gedenken?
Herr Abgeordneter, ich teile voll Ihre Auffassung, daß alle Daten der deutschen Parlamentsgeschichte so stark wie möglich, auch durch Erinnerungen, in das Bewußtsein unseres Volkes gebracht werden sollten. Ich fühle mich persönlich hier eigentlich mehr als Mitglied dieses Hohen Hauses denn als Mitglied der Bundesregierung angesprochen.
Eine letzte Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Schulz .
Könnten Sie sich vorstellen, Herr Bundesminister, daß das Reichstagsgebäude selbst nach Abschluß der Ausbauarbeiten Schauplatz eines solchen Gedenkens sein könnte?
Ich könnte mir das sehr wohl vorstellen, Herr Kollege, und ich würde eine solche Bestrebung unterstützen.
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476 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Zebisch — er ist im Saal — auf:
Welche Vorstellungen liber die weitere Eingliederung der DDR-Flüchtlinge und die Verbesserung des Lastenausgleichs hat die Bundesregierung bereits entwickelt?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister!
Konkrete Beschlüsse des Bundeskabinetts liegen zur Zeit, Herr Kollege, noch nicht vor. Schon die Regierungserklärung läßt jedoch erkennen, daß die Bundesregierung den Lastenausgleich zu einem gerechten Abschluß bringen und in diesem Zusammenhang auch die Eingliederungsmaßnahmen verbessern will.
Darüber hinaus hat das Parlament bereits bei der Verabschiedung der 21. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz die zuständigen Ressortminister verpflichtet, erstmalig zum 1. April 1972 über die finanziellen Auswirkungen bei der Gewährung von Hauptentschädigungen für Zonenschäden zu berichten, um danach unter Umständen die nach sozialen Gesichtspunkten eingefügten einschränkenden Vorschriften abzubauen.
Als der zuständige Ressortminister kann ich Ihnen mitteilen, daß nach meiner Auffassung nicht bis zum Jahre 1972 gewartet werden muß. Nachdem seit 1965 nur rund 220 000 Anträge auf Schadensfeststellungen nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz eingegangen sind, wird sich die Bundesregierung schon vor dem 1. April 1972 mit dieser Frage beschäftigen können, um das eingeplante Finanzvolumen von 2,6 Milliarden DM auszuschöpfen. Auch eine Verbesserung des Flüchtlingshilfegesetzes durch Erhöhung der bei 500 DM liegenden Einkommensgrenze bei der Gewährung der Einrichtungshilfe für verlorengegangenen Hausrat wird im Rahmen der Beratungen zur mehrjährigen Finanzplanung erwogen.
Ich darf Ihnen zu Punkt 1 sagen, Herr Kollege, daß ich Anweisung gegeben habe, gerade diese Frage besonders dringlich in der dafür zuständigen Abteilung meines Hauses zu behandeln.
Keine Zusatzfrage. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich darf Ihnen, Herr Bundesinnenminister, für die Beantwortung danken.
Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz
— Drucksache VI/69 —
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
— Drucksache VI/77 —
c) Beratung des Berichts der Bundesregierung nach § 56 des Bundesversorgungsgesetzes über die Möglichkeit von Änderungen der
Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft
— Drucksache VI/81 —
Ich erteile zur Begründung das Wort zunächst dem Herrn Abgeordneten Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir es richtig sehen, ist dies die erste Bundestagssitzung, in der Gesetze und Vorlagen verabschiedet werden, die für den Bundeshaushalt jetzt und morgen von großer Bedeutung sind. Wir hätten es deshalb begrüßt, wenn der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundeswirtschaftsminister anwesend sein könnten, gerade mit dem Blick auf die heutige Presse.Da wir, die Fraktionsvorsitzenden, gleich ein Gespräch beim Bundeskanzler haben, möchte ich mit dem Blick auf diese Gesamttagesordnung und deren ausgabewirksame Punkte eine Erklärung der Bundestagsfraktion der CDU/CSU abgeben.Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU sieht die finanzpolitische Lage. Sie kennt die finanzpolitischen Voraussetzungen für eine gute soziale und wirtschaftliche Entwicklung, also für Vollbeschäftigung, Preisstabilität, Geldwert und Wachstum. Sie ist bereit, im Interesse der Preisstabilität und der Konjunktur entsprechend verantwortlich zu handeln. Wir empfehlen deshalb der Koalition und der Bundesregierung, alle ausgabewirksamen Beschlüsse, ausgenommen die Kriegsopferversorgung,
in zweiter und dritter Lesung erst zusammen mit dem Haushalt 1970 und der fortgeschriebenen mittelfristigen Finanzplanung zu fassen.
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Dieses Angebot der CDU/CSU enthält die Bereitschaft, in diesem Sinne auch hinsichtlich eigener Anträge zu handeln, damit in diesem Hause von Notwendigkeiten nicht nur geredet wird.
Die Bundesregierung hat zwar offenbar ein konzertiertes Gespräch, nicht aber eine konzertierte Aktion zustande gebracht.
Hier im Parlament ist, wenn die Bundesregierung will und wenn die Koalition kann, eine Aktion der Vernunft und nicht der Rederei über das eigentlich Nötige möglich und vollziehbar.Die Kollegen Möller und Schiller, die nicht hier sind — deshalb appelliere ich an Sie, Herr Kollege Scheel, als den Vertreter des Bundeskanzlers —, sollten dieses Angebot jetzt akzeptieren. Wenn die Lawine rollt, ist es zu spät.
Schon manch einer, meine Damen und Herren, hattegute Vorsätze. Die Schillersche Version davon ist
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 477
Dr. Barzelheute reichlich der Presse zu entnehmen. Aber auch für diese Vorsätze gilt, daß der Weg zur Hölle oftmals mit guten Vorsätzen gepflastert ist.
Wir bieten deshalb Taten an, damit klar wird, wer hier redet und wer hier handelt,
und damit völlig klar wird,
Herr Kollege Wehner, wer hier jetzt die Verantwortung dadurch übernimmt, daß er zwar den Mund spitzt, aber nicht pfeift, wer hier folgenschwere Verantwortung übernimmt, indem er nicht, wie dies nach dem Angebot dieser Opposition möglich ist, alle ausgabewirksamen Beschlüsse — ausgenommen die Kriegsopferversorgung — in zweiter und dritter Lesung erst zusammen mit dem Bundeshaushalt 1970 und der mittelfristigen Finanzplanung faßt. — Herr Möller ist da; wäre Herr Schiller da, so würde ich ihn gern an die Fabel des Äsop erinnern — er weiß, gegen wen das gerichtet ist, gegen einen, der besonders laut den Mund vollgenommen hatte —, wo am Schluß die Antwort kommt: Hic Rhodus, hic salta! Dies würde ich gern Herrn Schiller auf diesem Wege sagen.
Verzeihung, Herr Bundesminister, wir sind jetzt bei der Begründung der Vorlagen. Darf ich anregen, daß wir zunächst die Vorlagen begründen und daß Sie dann, Herr Bundesminister, das Wort bekommen. Sind Sie damit einverstanden?
Ich hätte gern zu den allgemeinen Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Barzel etwas gesagt.
Keine Bedenken. Bitte, Herr Bundesminister Genscher, zu den allgemeinen Bemerkungen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Interesse der Klarheit in diesem Hause und vor der Öffentlichkeit muß ich Fragen aufwerfen, die sich aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Barzel ergeben. Herr Kollege Barzel hat gesagt: ausgabewirksame Entscheidungen — ausgenommen die Kriegsopferversorgung — sollen erst zusammen mit der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts getroffen werden.
Das Hohe Haus hat einen interfraktionellen Antrag vorliegen, der die gesetzliche Grundlage für die schon ausgezahlten 300 DM im öffentlichen Dienst liefern muß.
Ich gehe davon aus: dieses Problem ist nicht einbezogen.
— Sie haben von ausgabewirksamen Beschlüssen gesprochen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU.
Die zweite Frage befaßt sich mit der Zahlung an die Wehrpflichtigen. Auch hierzu liegen Anträge der Koalition und der Opposition vor.
Ich hätte gern gewußt, ob Sie Ihren Antrag zu dieser Frage — es handelt sich um eine Zahlung an die Wehrpflichtigen aus Anlaß des Jahresendes — zurückziehen wollen oder nicht.
Das dritte ist die Frage, ob die Erklärungen des Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU auch bedeuten sollen, daß der öffentliche Dienst, soweit seine Gehälter durch Gesetz angehoben werden, zurückstehen soll, in Ungewißheit bleiben soll bis zur zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts. Das allerdings möchte die Bundesregierung nicht.
Noch zu der Grundsatzerklärung, die vorausgeschoben wurde, Herr Abgeordneter Dr. Stoltenberg; danach Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden die Fragen des Bundesministers des Innern im Grunde klar beantwortet haben.
Es ist selbstverständlich und wohl unbestritten,daß ein bereits zur Auszahlung gelangter Betraghier nicht in die Diskussion eingeführt werden kann.
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Das hat mit Konjunkturpolitik und mit Fiskalpolitik nichts zu tun. Durch einstimmiges Votum der vergangenen Bundesregierung, gestützt von allen Fraktionen dieses Hauses, sind die Beträge als Übergangsgeld zur Auszahlung gekommen; sie werden selbstverständlich von dieser Diskussion nicht erfaßt.Bei den Mitteln für die Wehrpflichtigen geht es nach den Aussagen der Bundesregierung, auf die wir uns hier stützen, nicht darum, neue Ausgaben zu bewilligen, sondern darum, Ausgaben innerhalb des beschlossenen Rahmens des Verteidigungshaushalts umzubuchen. Insofern ist ganz klar, daß er von dem Vorschlag, von dem Angebot an die anderen Fraktionen, nicht erfaßt wird.
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478 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Dr. StoltenbergAber wir würden es in der Tat begrüßen, wenn die Bundesregierung nach der Klärung solcher Vorfragen in eindeutiger und verbindlicher Weise zu dem Vorschlag selber Stellung nähme,
gerade im Hinblick auf Widersprüche, die sich aus Erklärungen der letzten Tage ergeben, etwa dem, was der Bundesminister für Wirtschaft gestern gesagt hat, und dem, was der Bundesminister der Finanzen über eine verstärkte Verschuldung im nächsten Jahr angekündigt hat; das war ein Beitrag, der sicherlich nicht zur Klärung des konjunktur- und finanzpolitischen Wollens dieser Regierung diente.
Noch zu der Aussprache über die Grundsatzerklärung, — Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Koalitionsfraktionen muß ich feststellen, daß die CDU/CSU-Fraktion die Grundsätze der Vernunft, von denen Herr Kollege Barzel soeben gesprochen hat, nicht beachtet hat.
— Ich werde Ihnen das beweisen. — Das Haus hat
hier am 12. dieses Monats Ihre Gesetzentwürfe zur
Wehrpolitik — das wurde schon kurz angedeutet —
mit einem Mehrbedarf von 55 Millionen DM beraten. Das Haus hat ferner am gleichen Tage Ihre Gesetzentwürfe über Änderungen der Wohngeldgesetze in einer Größenordnung von 500 Millionen DM beraten.
Heute steht auf der Tagesordnung u. a. ein Gesetzentwurf Ihrer Fraktion zum Bundesversorgungsgesetz, in dem Sie die Regierungs- und Koalitionsvorlagen um 300 Millionen DM überbieten.
Gestern abend haben Sie einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes eingebracht: mit einem zusätzlichen Aufwand von 400 Millionen DM.
Sie haben also innerhalb der letzten Tage und Wochen Gesetzentwürfe eingebracht, die mit einer Größenordnung von 1,2 Milliarden DM jährlich über Regierungsvorlagen hinausgehen
Demnach stellen Sie sich heute hin und sprechen von Grundsätzen finanzpolitischer Solidität.
Die Regierungsparteien werden bei der Beratung dieser Gesetzentwürfe die Grundsätze finanzwirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Vorausschau wahren. Wir werden diese Gesetzentwürfe der Fraktion und selbstverständlich auch die der Bundesregierung in vollem Einklang mit der mittelfristigen Finanzplanung halten;
ich muß aber feststellen, daß die CDU/CSU-Initiativen diesen Grundsätzen nicht entsprechen.
Es ist e i n ganzer Satz gewesen, Herr Kollege Rasner, den ich nicht unterbrechen konnte. Wenn Sie das Protokoll nachlesen, werden Sie, glaube ich, feststellen, daß eine Unterbrechung nicht möglich war; sonst hätte ich bereits vorher unterbrochen.
Ich darf das Wort zu der Aussprache Herrn Abgeordneten Mischnick erteilen. — Ihm folgt der Herr Abgeordnete Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Fragen des Bundesinnenministers ist keine Antwort gekommen.
Ich stelle also fest, daß die Opposition der Auffassung ist, daß Zahlungen für den öffentlichen Dienst durch Gesetzesbeschluß nicht vor Verabschiedung des Haushalts erfolgen sollen.
Zweitens stelle ich fest, daß das, was die Opposition hier vorgetragen hat, bedeutet, daß die Agrarfinanzierung auch nicht verabschiedet werden sollte, daß also die CDU/CSU damit den Landwirten jetzt keinen Einkommensausgleich gewähren will. Das bedauern wir.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere eigentlich, daß, wie Einzeläußerungen zeigen, der Sinn dieses ernstgemeinten und politisch, glaube ich, bedeutsamen Angebots unserer Fraktion verkannt wird.
Sicher, wir führen hier eine spontane Debatte; dasist keine vorher interfraktionell abgestimmte Ak-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 479
Dr. Stoltenbergtion. Aber vielleicht bekommt es dem Parlament ganz gut, daß wir etwas spontaner über ernste Fragen miteinander reden.Ich möchte aber, weil ich glaube, daß hier ein Mißverständnis und nicht eine mangelnde Bereitschaft, dieses Angebot zu erkennen, vorliegt, noch einmal ganz klar sagen, was gemeint ist. Hier geht es nicht darum, zu bestreiten, daß es in den ersten Wochen dieses Bundestages ausgabewirksame Vorlagen der Regierung und aller Fraktionen gegeben hat. Es kann ja auch in der Tat nicht das Recht dieser Regierung sein, ohne eine mittelfristige Finanzplanung Initiativen zu beschließen, die Milliarden kosten, während sich die Opposition entgegenhalten lassen muß, daß sie nicht auf die mittelfristige Finanzplanung gewartet habe.
So können wir in der Tat nicht miteinander verkehren. Ich sage das zu Ihren Bemerkungen, Herr Kollege Schellenberg, weil Sie hier mal 50 Millionen DM und dort mal 500 Millionen DM erwähnt haben. Die Experten meiner Fraktion sind übrigens der Meinung, daß der Betrag von 500 Millionen DM für diese Initiative einer Gruppe nicht zutrifft. Aber darüber möchten wir uns mit Ihnen heute nicht streiten.Es geht darum, ob wir gewisse falsche Signale, die mit Ihren Koalitionsvereinbarungen gesetzt sind — Steuersenkungen in der Hochkonjunktur, isolierte Zusagen und Ausgabenbeschlüsse ohne ein Finanzkonzept, ein konjunkturwidriges Verhalten durch die mangelnde Abstimmung von Konjunktur- und Fiskalpolitik — gemeinsam noch korrigieren und in den Griff bekommen oder nicht. Darum geht es in diesem Hohen Hause heute.
Sie, Herr Kollege Mischnick, sollten nicht den Versuch machen, jetzt den Eindruck zu erwecken, wir wollten den Landwirten nichts zukommen lassen oder wären hier gegen Zahlungen an die Wehrpflichtigen. Das ist ein klares Mißverständnis, eine Fehlinterpretation dessen, was unser Vorsitzender gesagt hat. Hier geht es um das Angebot, alle noch offenen Entscheidungen — bis auf die Kriegsopferfrage — in der Gesetzgebung mit der Vorlage des Bundeshaushalts und der Finanzplanung zu verbinden.
Das scheint mir im Interesse dieses Hauses und der Verantwortung, die wir alle haben, notwendig zu sein. In der Agrarpolitik ist doch keine offene Entscheidungssituation gegeben. Die Verantwortung für die 1,7 Milliarden DM Mindereinnahmen der Landwirtschaft nehmen wir Ihnen nicht ab! Das ist doch keine offene Entscheidungssituation. Das ist von Ihnen präjudiziert,
und natürlich müssen wir versuchen, hier einen Ausgleich zu erzielen.
— Sie können mir hier eine „freche Unterstellung"vorwerfen; das ist nur der gleiche Stil, den heutemorgen schon der Herr Außenminister gewählt hat,
der hier sachliche Fragen in einer unerhörten Weise abqualifiziert hat. Das ist der neue Stil dieser Koalition, der nicht für Stärke, sondern für Schwäche und Unsicherheit spricht.
Sie werden als Regierungskoalition — sowohl was die Solidität Ihrer Politik als auch was die Antworten und deren Form und Inhalt in der Fragestunde angeht — nach den gleichen strengen Maßstäben gemessen, die Sie an uns in der Regierung angelegt haben. Glauben Sie nicht, daß wir uns diese Form der Zwischenrufe und der unsachlichen Belehrungen von der Regierungsbank, die Herr Scheel heute morgen gewählt hat, gefallen lassen!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Schellenberg?
Nein, ich beantworte jetzt keine Zwischenfragen.
Dies ist ein Angebot,
das, wie die bisherigen Äußerungen zeigen, mißverstanden worden ist. Wir warten darauf, ob die Koalition und die Regierung, nachdem dieses Mißverständnis ausgeräumt worden ist, bereit sind, dieses Angebot anzunehmen,
d. h. die noch offenen Entscheidungen zur rechten Zeit zu treffen, und zwar bei der Vorlage und Beratung des Haushaltes, in der zweiten und dritten Lesung, um so zu der dringend notwendigen Übereinstimmung zwischen Konjunktur- und Ausgabenpolitik zu kommen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe in der Tat die Aufregung des Hohen Hauses in dieser frühen Stunde nicht ganz, denn das Angebot, das der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion hier gemacht hat, sollte doch von der Regierung und von dem Fi-
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Katzernanzminister dieser Regierung dankbar anerkannt und aufgegriffen werden. So war es doch von uns gemeint.
Meine Damen und Herren, es gab einen Zwischenruf auf der rechten Seite, als der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion sagte: Wir stehen zu diesem Angebot und schließen von diesem Angebot die Kriegsopferversorgung aus. Herr Kollege Rutschke, in der Tat, hier stehen wir alle miteinander im Wort, Sie, unsere Fraktion und die Sozialdemokraten.
Wir wollen dieses Wort einlösen, wie wir das in der Aussprache zur Regierungserklärung deutlich dargetan haben.
Meine Damen und Herren, ich habe den von der Fraktion der CDU/CSU am 13. November eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zu begründen. Meine Damen und Herren, die Regierung hat es leider bis heute nicht vermocht
— diese Regierung, mit der wir es zu tun haben —, eine eigene Vorlage vorzulegen. Ich begrüße es, daß die Koalitionsfraktionen sich dann unserem Beispiel angeschlossen haben.
Ich erachte es als ersten Erfolg des von der CDU/ CSU-Fraktion vorgelegten Gesetzentwurfes, daß wir hier und heute die erste Lesung dieses Gesetzgebungswerkes veranstalten können.
Wenn wir auf die Regierung gewartet hätten, meine Damen und Herren, wären wir heute nicht in der Lage, hier darüber miteinander zu sprechen.
— Ja, das hätte ich von der Regierung in der Tat erwartet. Ich wäre sehr dankbar gewesen, wenn sie dies getan hätte, zumal, Herr Kollege, die Vorarbeiten in meinem Hause — das weiß ich nun aus eigener Kenntnis — so weit gediehen waren, daß es kein großes Kunststück gewesen wäre, diesen Regierungsentwurf hier einzubringen, wenn man den politischen Mut zu dieser Entscheidung rechtzeitig gehabt hätte.
Ich begrüße es aber, daß wenigstens die Fraktionen der SPD und der FDP uns gefolgt sind, und stelle fest, daß wir es damit mit einer Initiative des Parlaments und nicht der Regierung zu tun haben.Ein unentschuldbares und schwerwiegendes Versäumnis der gegenwärtigen Regierung ist es, daß der Kriegsopferbericht sage und schreibe heute morgen um 9 Uhr auf unseren Plätzen gelegen hat, so daß wir beim besten Willen noch nicht in der Lage waren, diesen Bericht, der von zwei Fraktionen als Grundlage für unsere Entscheidung gefordert war —Sie — die FDP — waren damals anderer Meinung —,
zu lesen.Nun, meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat den ersten der von ihr vorzulegenden Berichte nicht zu dem Zeitpunkt vorgelegt, der an sich dem gesetzlichen Zweck dieses Berichts entsprochen hätte.
Dieser Bericht, den wir, Herr Kollege Schellenberg, gewollt haben — Herr Kollege Schellenberg, wenn Sie mir mal zuhören würden —,
von dem wir gesagt haben: „Wir brauchen ihn, um diese Entscheidung zu treffen", liegt heute vor. Das hat dazu geführt, daß sowohl wir als auch Sie —unsere Daten, darauf komme ich nachher zu sprechen, stimmen ja fast überein -- gezwungen waren, uns den Datenkranz zu erarbeiten, den wir an sich von der Regierung gewünscht hätten. Sie selber haben, wenn ich richtig gelesen habe, vorgestern in einer Pressekonferenz die Bundesregierung ermuntert, nun schnellstens alle volkswirtschaftlichen Angaben dem Parlament zuzuleiten. Ich begrüße diese Ihre Ermunterung, die Sie an die Regierung gegeben haben. Ich ersehe daraus eine gewisse Chance, daß wir als Parlament als Ganzes dieser Regierung gegenüberstehen, wie das übrigens in Kriegsopferfragen immer der Fall gewesen ist. Denn, meine Damen und Herren, lassen Sie mich das hier und jetzt gleich sagen, in der langen Geschichte der Kriegsopfergesetzgebung hat es, wenn ich richtig unterrichtet bin, immer einstimmige Beschlüsse dieses Parlaments gegeben. Ich meine, das sollte uns Anlaß zum Nachdenken sein.Wir haben also, Herr Kollege Schellenberg, Sie wie wir — wir vor Ihnen, und Sie haben sich dem angeschlossen — --
— Herr Kollege Schellenberg, wir haben diesen Antrag vor Ihnen vorgelegt. Ich weiß, daß Sie das gern tun: so ein bißchen herumkramen.
Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Natürlich, das wissen nicht nur Sie, sondern das weiß auch ich, denn ich war ja bis zum 22. Oktober Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und habe, wie das meine Pflicht ist, rechtzeitig Vorsorge getroffen. Denn ich hätte, wenn ich Minister geblieben wäre, diesen Bericht als Arbeitsminister dem Parlament vorgelegt und es nicht den Fraktionen dieses Hauses überlassen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 481
KatzerDas war meine Pflicht. Daher habe ich meine Zahlen; natürlich!
Es sind keine Zwischenfragen zugelassen. Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Katzer! Es sind während der Begründung durch den Abgeordneten Katzer mehrere Versuche gemacht worden, Zwischenfragen zu stellen. Ich weise darauf hin, daß während der Begründung Zwischenfragen nicht zugelassen werden, sondern erst, wenn die Aussprache eröffnet ist.
— Ja, Zwischenrufe sicher, wenn sie in Grenzen bleiben, Herr Kollege Schellenberg.
Herr Präsident, man darf aber Zwischenfragen zulassen.
Nein, man darf keine zulassen.
Ich bedaure das sehr. Ich würde es sehr gern tun. Es macht die Rede natürlich bunter. Aber ich werde dann auf Zwischenrufe antworten. Allerdings — Lohnfortzahlung wollen wir zu einem späteren Zeitpunkt machen, wenn sich Ihr Koalitionspartner zu dieser Frage geäußert hat; ich hatte ihn ja schon bei der Aussprache über die Regierungserklärung darum gebeten.
Wenn diese Äußerung vorliegt, wollen wir uns einmal miteinander darüber unterhalten.Wir waren also in der Situation, daß wir ohne Daten der Regierung arbeiten mußten. Die CDU/ CSU-Fraktion ist bei der Vorbereitung ihres Entwurfs von folgenden Zuwachsraten ausgegangen: Bruttosozialprodukt — real — in den letzten drei Jahren plus 16°/o; Bruttosozialprodukt — nominal — plus 22,4 O/Ø; Bruttolohn- und Gehaltssumme plus 19,5 °/o. Wenn ich mir den Entwurf der sozialdemokratischen Fraktion ansehe, stelle ich fest, daß wir in diesen Daten übereinstimmen. Nur, Herr Kollege Schellenberg, vermisse ich ein Datum in Ihrer Begründung, und das scheint mir bemerkenswert zu sein. Ich vermisse das Datum über den Anstieg der Bestandsrenten der Rentenversicherung.
— In § 56 stehen alle diese Daten nicht, sonderndort ist generell die Verpflichtung der Bundesregierung angesprochen, einen Bericht vorzulegen, aus dem sich ergibt, inwieweit. im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Leistungen geändert werden können. Diese Daten sind alle nicht expressis verbis in § 56 genannt. Ich schließe aus dieser Tatsache — Sie mögen das nachher gernanders kommentieren — etwas anderes, als Sie in der Zwischenbemerkung gesagt haben.Ich halte vorerst als Ausgangslage fest: Bestandsrenten der Rentenversicherung, die bei Ihnen fehlen, als Mitindiz für die Entscheidung: 26,4 %.Diese Werte werden, wie auch aus dem Bericht über die konzertierten — „Aktionen" kann man nicht sagen — Besprechungen hervorgeht, die gestern und vorgestern stattgefunden haben, bis Ende des Jahres keinesfalls unter 20 % liegen. Die von uns vorgeschlagene Anpassung in Höhe von 22 %, Herr Kollege Schellenberg, erreicht den nominalen Zuwachs des Bruttosozialprodukts nicht ganz und geht mit keinem Pfennig über die wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen drei Jahren hinaus.Der Satz ist durch den von der Regierung beabsichtigten Wegfall des Krankenversicherungsbeitrages für Rentner beeinflußt.In der Öffentlichkeit ist von Ihnen in einer Pressebesprechung schon gesagt worden, das habe doch gar keinen Sachzusammenhang. Ich sehe diesen Sachzusammenhang sehr wohl. Jedermann in diesem Hohen Hause weiß doch, daß der in Aussicht genommene Wegfall des Krankenversicherungbeitrages für Rentner entstanden ist, nachdem der Herr Bundesarbeitsminister mit seinem Vorschlag einer Überbrückungszulage oder eines Weihnachtsgeldes — wie man es nennen will — von erst 100 DM und dann 50 DM gescheitert war. Damit wurden bei Millionen von Rentnern Hoffnungen erweckt, die leider nicht erfüllt werden konnten.
Als Ersatz für die nichterfüllbaren Hoffnungen haben Sie dann den Rentnerbeitrag gestrichen.
Das ist doch der politische Hergang, der nicht nur der Opposition in diesem Hause, sondern der mehr als 9 Millionen Rentnern in unserem Lande sehr wohl bekannt ist.Wenn wir — und das ist meine Argumentation — davon reden, daß Preissteigerungen hier besonders zu Buche schlagen, dann — das meine ich so, wie ich es hier sage; das kennen Sie aus meiner jetzt mehr als zwölfjährigen Arbeit in diesem Hohen Hause — muß doch eine Lösung — mir wäre am liebsten: gemeinsam — gefunden werden, die gerecht ist und bei der nicht eine Gruppe herausgenommen wird, während die anderen herausgelassen werden. Ich vermag nicht einzusehen, daß das, was zum Ausgleich der Preissteigerungen bei den Rentnern geschehen soll, nicht auch für die Kriegsbeschädigten Geltung haben soll.
Ich las in diesem Zusammenhang eine Bemerkung: ob wir vielleicht leichtfertig von dem abgingen, wofür ich mich im Amt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vier Jahre lang leidenschaftlich eingesetzt habe: von der Verzahnung von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Meine Damen
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Katzerund Herren, davon kann nicht im mindesten die Rede sein.
— Verzahnung von Wirtschafts- und Sozialpolitik, Herr Schellenberg, heißt nicht Unterordnung der Sozialpolitik unter wirtschaftspolitische Daten, sondern heißt Einordnung der Sozialpolitik in wirtschaftliche Daten.
Sie ordnen sie im Augenblick unter, was ich nicht für richtig halte.
Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen gehen bei ihrem Vorschlag einer Rentenerhöhung von 16 O'o also von dem niedrigsten aller vergleichbaren Werte und Indizes, die ich angeführt habe, aus, nämlich dem Realzuwachs des Bruttosozialprodukts. Alle übrigen Werte, die zu einem erheblichen Teil bedeutend höher liegen, bleiben unberücksichtigt. Die Veränderung der Bestandsrenten in der Rentenversicherung wird, wie ich schon sagte, in der Begründung überhaupt nicht erwähnt. Da frage ich nur — und darauf wäre nachher eine Antwort vonnöten —, welchen Maßstab die Regierung in Zukunft bei der in der Regierungserklärung angekündigten Dynamisierung der Kriegsopferrenten anwenden will.
— Aber man darf die Regierung doch fragen, Herr Kollege Schellenberg, welche Vorstellungen sie dazu hat, und dann werden wir beschließen! Oder? So haben wir es bisher gehalten, so war es üblich. Da frage ich nur — und das geht auch an Sie —. Welchen Maßstab will man anwenden? Wenn man die Berechnungsgrundlage der Rentenversicherung anwenden möchte, kann ich nur sagen: der jetzige Vorschlag bleibt um nicht weniger als 10,4 Punkte hinter der Erhöhung der gesetzlichen Rentenversicherung zurück.Besonders inkonsequent scheint mir die Nichtberücksichtigung des nominalen Zuwachses des Bruttosozialprodukts; denn die Kriegsopferrenten werden schließlich in nominaler D-Mark ausgezahlt. In der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Veränderung der Renten ebenfalls an den Nominalwert von Bruttolohn- oder Gehaltssumme geknüpft. Eine Verdoppelung der Kriegsopferrenten über den Realzuwachs des Bruttosozialprodukts würde auf die Dauer zu einem zunehmenden Nachhinken der Kriegsopferrenten hinter der allgemeinen Bemessungsgrundlage führen.
Ich bitte, zu einem Abschluß zu kommen. Die 15 Minuten sind abgelaufen. Wenn Sie vielleicht versuchen, in einer Minute zum Abschluß zu kommen.
Ich habe leider das rote Licht übersehen, Herr Präsident.
Ich habe mehrfach gedrückt, die fünf Minuten hätten Sie noch, Herr Kollege Katzer.
Vielen Dank! — Lassen Sie mich eine zweite Bemerkung machen. Es war ein besonderes Anliegen des Antrags der CDU/CSU-Fraktion, zu einer erheblichen Verbesserung der Witwenrenten zu kommen. Ich begrüße, daß die Fraktionen der SPD und FDP diesem Vorschlag gefolgt sind und damit konsequent die Politik fortsetzen, die wir mit dem Dritten Neuordnungsgesetz in der letzten Legislaturperiode begonnen haben. Sie wissen, daß wir damals von dem in der Rezession eingebrachten Antrag von zusätzlich 880 Millionen DM rund 550 Milionen DM auf die Witwenversorgung gelegt haben. Ich freue mich, daß wir nunmehr an die 60% Witwenrente herankommen, und möchte hier sagen, daß wir dabei bleiben werden. Der Herr Kollege Mick wird hierzu im Zusammenhang mit einem Antrag nachher noch etwas sagen.
Wir haben noch einige besondere Wünsche, die die Versorgung der Schwerbeschädigten angehen, und zwar die Pflegezulage. Ich muß mich wegen der Kürze der Zeit auf diese Bemerkung hier beschränken.
Einen Satz würde ich gerne zur Finanzierung sagen.
Herr Kollege Katzer, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Zeit abgelaufen ist. Ich bitte in einer Minute zum Abschluß zu kommen.
Ich darf also zur Finanzierung in einer Minute sagen: Wir haben diese Finanzierung sorgfältig überprüft. Wir sind davon ausgegangen, daß diese Regierung das tun würde, was wir uns vorgenommen hatten,
nämlich eine Milliarde DM für die Kriegsopferversorgung einzusetzen. Das ist leider nicht geschehen. Ich habe die Zuversicht und die Hoffnung, daß wir uns bei den künftigen Beratungen im Ausschuß über diese Frage miteinander verständigen können, wie das bisher geschehen ist. Die Fraktion der CDU/CSU, meine Damen und Herren, legt Wert auf eine zügige, schnelle Beratung.Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Die Kriegsopferverbände hatten Sorge, es sei ein neues Parlament da, es seien viele junge Leute da, die vielleicht nicht das rechte Verständnis für die Situation der Kriegsopfer hätten. Meine Damen und Herren, ich habe damals geantwortet, und ich bin froh, daß ich heute sagen kann: wir haben es gehalten.
Das werden wir dann unseren jungen Freunden, diesehr viel Abstand vom Krieg haben, schon beizubringen wissen, daß es nicht geht, zu sagen: Der-
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Katzerjenige, der Kriegsopfer geworden ist, hat eben im Krieg Pech gehabt, und wir haben Glück gehabt, sondern daß hier die Solidargemeinschaft des Volkes für alle jene einzutreten hat, die Tag für Tag an ihr Schicksal aus dem Krieg erinnert werden.
Das Wort zur Begründung der Vorlage zu Punkt 2 b der Tagesordnung hat der Abgeordnete Glombig.
Ich darf das Haus auf folgendes aufmerksam machen. Es ist offenbar interfraktionell vereinbart worden, den Zusatzpunkt 3 — Kindergeld — im Anschluß an die Beratung des Gesamtpunktes 2 a, b und c zu behandeln. Die Damen und Herren, die sich darauf einstellen müssen, werden also darauf aufmerksam gemacht: Vor dem Aufruf des Tagesordnungspunktes 3 kommt der Zusatzpunkt 3, nämlich das Kindergeld, dran.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Glombig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Katzer hat uns soeben daran erinnert, daß die Probleme der Kriegsopferversorgung nur in der Solidarität dieses Hauses und in der Solidarität des gesamten Volkes zu lösen sind. Herr Kollege Katzer, das ist ja keine neue Erkenntnis. Diese Erkenntnis haben wir Sozialdemokraten immerhin in zwanzigjähriger leidvoller Geschichte des Bundesversorgungsgesetzes von diesem Platze aus und vor allem im zuständigen Ausschuß gepredigt und oftmals nicht das notwendige Verständnis der Bundesregierungen gefunden, die in dieser Zeit vor allem von der CDU/CSU gestellt worden sind. Die Initiativen zum Bundesversorgungsgesetz sind in den letzten 20 Jahren — bis auf einen Fall in den Fünfzigerjahren — ständig von diesem Hause ausgegangen,
vor allem von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, natürlich auch von den anderen Fraktionen und nicht zuletzt von Ihrer und unserer, Kollegin Frau Dr. Probst, und zwar gegen die Regierungen der CDU/CSU in den vergangenen Jahren.
Das muß man hier doch einmal feststellen; sonst hat man den Eindruck, als würden Sie uns hier in der Sorge um die Kriegsopfer in der Tat überbieten. Dieser Ermahnung Ihrerseits bedarf es nicht. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.Nach § 56 des Bundesversorgungsgesetzes in der gegenwärtig geltenden Fassung — ich lege Wert auf die Betonung der Worte „in der gegenwärtig geltenden Fassung" — ist die Bundesregierung verpflichtet — ich möchte Ihnen das mit Genehmigung des Präsidenten noch einmal in Erinnerung rufen —, in zweijährigem Abstand, erstmals im Jahre 1969, den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zu berichten,inwieweit es unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeitund des realen Wachstums der Volkswirtschaft möglich ist,— ich betone: möglich ist —die Leistungen dieses Gesetzes zu ändern.Über diese Formulierung des § 56 sind ich und meine Freunde von den Sozialdemokraten bei der Ausschußberatung zu § 56 nicht sehr glücklich gewesen. Wir haben bereits beim Zweiten und Dritten Neuordnungsgesetz einen Vorstoß unternommen, um die Leistungen der Kriegsopferversorgung in echter Weise zu dynamisieren und nicht nur eine Berichtspflicht einzuführen, die ja im Grunde genommen nur insofern eine Verpflichtung enthält, als dieser Bericht vorzulegen ist. Die Entscheidung, was dann geschehen soll, fällen die Bundesregierung und das Parlament.Wenn es trotzdem in diesem Jahre, im Jahre 1969, möglich gewesen ist, diesen Bericht noch vorzulegen, so ist das sicherlich nicht auf die Initiative der CDU/ CSU-Fraktion dieses Hohen Hauses zurückzuführen. Denn die SPD und die FDP haben Ende vorigen Jahres in diesem Hause einen Gesetzentwurf eingebracht mit dem Ziel, § 56 zu ändern, um die Bundesregierung zu veranlassen, den Bericht nicht bis zum 31. Dezember 1970 vorzulegen, wie es durch das Finanzänderungsgesetz vorgesehen war, sondern im Jahre 1969. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, haben sich damals geweigert, diesen Antrag mit uns gemeinsam einzubringen.
Sie haben dann allerdings später diesem Antrag zugestimmt, wenn auch schweren Herzens. Aber was sollten Sie in einer solchen Lage auch anderes tun?Vom Herrn Kollegen Katzer wurde hier gesagt, der Kriegsopferbericht hätte doch eigentlich schon längst vorgelegt werden können. Herr Katzer, ich spreche Sie jetzt als ehemaligen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung an. Sie hatten ja zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Sie aus dem Hause ausschieden, sehr intime Kenntnisse über die Vorgänge dort. Die haben Sie sicherlich auch heute noch; denn vieles läßt, wenn man sich den Gesetzentwurf der CDU/CSU einmal ansieht, darauf schließen, daß Sie doch einiges „Gepäck" mitgenommen haben. Im Grunde genommen liest sich Ihr Gesetzentwurf als ein Katalog von Versäumnissen der letzten 20 Jahre. Ich will Ihnen das erläutern: Sie haben eine Dynamisierungsklausel in Ihren Gesetzentwurf nicht hineingebracht. Sie haben sich darauf beschränkt, § 56 dadurch zu ändern, daß Sie aus zwei Jahren ein Jahr gemacht haben.Das Dilemma bleibt. Es wird sogar größer, weil Sie nämlich jetzt die Bundesregierung verpflichten, jährlich diesen sehr komplizierten Bericht vorzulegen, ohne daß daraus die Verpflichtung für die Bundesregierung und das Parlament folgt, nach irgendeinem Anpassungsmodus das Notwendige zu tun.Erst als Sie ausschieden, lagen die letzten Daten für den Rest des Jahres 1969 vor. Sie und wir, Herr Kollege Katzer, haben Wert darauf gelegt, daß alle
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484 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
GlombigDaten des Jahres 1969 bei der Entscheidung über den Umfang der Anpassung berücksichtigt werden. Sie sind es vor allem gewesen, der die Ansprüche der Kriegsopferverbände in den vergangenen Monaten aus diesem Grunde zurückgewiesen hat. Sie haben gesagt: Wir müssen warten. Nun, Herr Kollege Katzer, wenn die CDU/CSU nach der Wahl die Regierung gebildet hätte, wäre die Regierung wahrscheinlich frühestens erst in dieser Woche zustande gekommen
— jawohl! —, und dann hätten Sie auf gar keinen Fall den Bericht, der angeblich verspätet vorgelegt worden ist, nun schon vorlegen können. Sie können von einer neuen Bundesregierung doch nicht erwarten, daß sie einen solchen Bericht in weniger als vier Wochen erarbeitet und vorlegt. Wenn Sie schon der neuen Bundesregierung die Entscheidung über diesen Bericht und darüber, was daraus folgt, übertragen, müssen Sie ihr auch die Möglichkeit geben, den Bericht zu überarbeiten und nach ihren Vorstellungen dem Hohen Hause vorzulegen. Das ist übrigens ein Recht, das auch wir Ihnen gern eingeräumt hätten. Daraus resultiert die Vorlage zum jetzigen Zeitpunkt. Diese Bundesregierung hat in diesem Punkt ganz bestimmt nichts versäumt und braucht sich deswegen hier auch keine Vorwürfe machen zu lassen.Der vorliegende Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP trägt den Ergebnissen des volkswirtschaftlichen Teils des heute eingebrachten Kriegs- und Wehrdienstopferberichts 1969 Rechnung. Er sieht im Haushaltsjahr 1970 Leistungsverbesserungen mit einem Mehraufwand in Höhe von 938 Millionen DM vor, was einer mehr als 20%igen Anhebung des Finanzvolumens für die angepaßten Renten entspricht. Auf Ihre Anpassungsvorschläge und vor allem auf das Finanzvolumen Ihres Antrags komme ich noch zu sprechen.Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, daß die unter Berücksichtigung der „Solidität und Stabilität" des Bundeshaushalts — wie es der Herr Bundesarbeitsminister bei der Einbringung des Gesetzentwurfs der Regierung zum Ausdruck gebracht hat — zur Verfügung gestellten Mittel nicht nur für eine allgemeine lineare Anhebung der Renten, sondern auch und vor allem für eine stärker gezielte Verbesserung der Witwenversorgung verwandt werden sollten, um das seit langem erwünschte Ableitungsverhältnis für die Witwenrente in Höhe von 60 v. H. der Rente eines erwerbsunfähigen Beschädigten zu erreichen. Ob nun Ihre finanziellen Berechnungen dieser Solidität entsprechen, möchte ich gleich noch untersuchen.Durch diese Anhebung der Witwenrenten auf 60 % würde eine Gleichstellung mit der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Beamtenrecht herbeigeführt. Der Entwurf sieht für Beschädigte, Waisen und Eltern eine allgemeine Anhebung der vollen Rentenbeträge um durchschnittlich 16 v. H. und der Witwenrentenbeträge um 25,3 v. H. vor.Meine Damen und Herren, der Anpassungsspielraum für die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz ergibt sich aus den Orientierungsdaten, die die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft in den Jahren 1967 bis 1969 zum Ausdruck bringen.Bestimmte Orientierungsdaten waren für uns vor allem unter dem Gesichtspunkt der „Solidität und der Stabilität" maßgebend. Von diesen beiden Dingen sprechen Sie im Augenblick sehr viel; aber wenn es darum geht, aus sehr parteiegoistischen Motiven „einen draufzulegen", quasi „einen auszugeben", wie es Herr Dr. Barzel — der jetzt leider nicht hier ist, sondern nur zu Beginn der Sitzung da war — in der Debatte zur Regierungserklärung gesagt hat, ist diese Solidität vergessen, und dann werden schnell Angebote gemacht. — Herr Mick, wir kennen uns aus dem Ausschuß, und auf Grund dieser Kenntnis muß ich sagen, daß die Bewegung, die Sie eben gemacht haben, eigentlich mehr für Sie als für mich gilt. Ich will mich in diesem Zusammenhang nicht deutlicher ausdrücken.Die Orientierungsdaten, von denen wir ausgehen, sind das reale Bruttosozialprodukt — 1969 gegenüber 1966 plus 16,0 v. H. —, aber auch die Nettolohn- und -gehaltssumme — nicht die Bruttolohn- und -gehaltssumme; denn auch hier kann der Arbeitnehmer nur mit dem rechnen, was er ausgezahlt bekommt —, die 1969 gegenüber 1967 um 16,2 v. H. gestiegen ist.Wenn Sie jetzt auf die Bestandsrenten aus der Sozialversicherung verweisen, Herr Kollege Katzer, so muß ich Ihnen sagen, daß die Anpassung der Kriegsopferrenten, wenn es eine solche in diesem Sinne bisher überhaupt gegeben hat — in diesem Sinne hat es sie ja nie gegeben —, niemals nach den Gesichtspunkten der Anpassung in der Sozialversicherung vorgenommen worden ist. — Herr Kollege Katzer, selbstverständlich wollen wir das künftig erreichen.
Das, was wir hier unter Anpassung, unter Dynamisierung verstehen, kann nur im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf und den Sätzen der Erhöhung — 16 bzw. 25,3 v. H. — gesehen werden. Das sollten Sie beachten.
Das, was wir erreichen wollen, können Sie mit der sogenannten „Dynamisierungsklausel" gemäß § 56, die Sie vorgeschlagen haben, bestimmt nicht erreichen. Es ist unsere Absicht, diese Dinge bei der späteren Beratung im Ausschuß entsprechend den Vorstellungen, die wir in der Regierungserklärung entwickelt haben, weiter zu behandeln.Bundeskanzler Brandt hat in der Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 28. Oktober 1969 nicht nur gesagt, daß vom 1. Januar 1970 an die Kriegsopferrenten erhöht werden — dem folgen wir, indem wir diesen Gesetzentwurf vorlegen —, sondern auch, daß sie jährlich an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden. Das ist ein weiterer
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GlombigSchritt, den wir während der Ausschußberatungen tun werden.Wir hoffen, daß bis dahin eine Ubersicht über die mittelfristige Finanzplanung nach 1970 gegeben ist und wir gemeinsam mit Ihnen zu einer vernünftigen Dynamisierungsklausel kommen, die es erübrigt, daß die Kriegsopfer auch in den kommenden Jahren wie bisher in dieser für sie und für uns entwürdigenden Weise um jeden Pfennig an Mehr in der Kriegsopferversorgung feilschen müssen. Dies wollen wir für die Zukunft verhindern. Das sollten wir gemeinsam verhindern, eben deshalb, weil es bisher in der Frage der Kriegsopferversorgung in diesem Hause gemeinsame Beschlüsse gegeben hat — ohne Rücksicht auf parteiegoistische Interessen.In der Regierungserklärung ist aber auch gesagt worden, daß auch strukturelle Verbesserungen vorgesehen sind, strukturelle Verbesserungen, die in der Sozialversicherung bisher trotz der Rentenanpassung möglich gewesen sind; auch das wollen wir in der Zukunft nicht aus dem Auge verlieren.Ich möchte mit der Zustimmung des Herrn Präsidenten aus der Begründung des Entwurfs der CDU-Fraktion, Drucksache VI/69, folgendes vorlesen:Die finanziellen Aufwendungen des Bundes durch den Gesetzentwurf— nämlich durch den Gesetzentwurf der CDU —werden sich auf rund 1,1 Milliarden DM belaufen. Bei einer Anhebung der Grund- und Ausgleichsrenten auf 20 % wäre eine Milliarde DM erforderlich. Diesen Betrag hatte der seinerzeitige Bundesarbeitsminister für den Bundeshaushalt 1970 angemeldet.Angemeldet! Angemeldet hat er in der Vergangenheit viel. Nur ist letzten Endes maßgebend, was er bekommen hat, und das war meistens nicht das, was er angemeldet hat. In der Begründung heißt es weiter:Die nunmehrige Erhöhung um rund 100 Millionen DM — —
— das müssen Sie doch am besten wissen, Herr Kollege Leicht, daß er es nicht ganz leicht hatte. Wir hätten ihn gern noch mehr unterstützt, aber das haben Sie ja nicht in allen Fällen zugelassen. In der Begründung heißt es weiter:Die nunmehrige Erhöhung um rund 100 Millionen DM erfordert die Gleichbehandlung der Kriegsopfer mit dem vorgesehenen Wegfall des Krankenversicherungsbeitrages für Sozialversicherungsrentner, nicht zuletzt aber auch angesichts des Tatbestandes, daß für Soldaten und Ersatzdienst ein Weihnachtsgeld von 70 DM in Aussicht genommen ist.Erstens. Der Aufwand auf Grund des CDU/CSU-Gesetzentwurfes beträgt nicht 1,1 Milliarden, sondern genau 1,217 Milliarden DM; das hat Herr Kollege Schellenberg hier bereits gesagt. Das ist Ihre „Solidität" der Berechnung der Ausgaben, wenn Sie einen Gesetzentwurf vorlegen!Zweitens. Allein die Anhebung aller Grund- und Ausgleichsrenten einschließlich der Anhebung der Grund- und Ausgleichsrenten für Witwen verursacht nach Ihrem Gesetzentwurf einen Aufwand von nicht1 Milliarde, sondern von 1,1 Milliarden DM, da die Witwen nicht nur eine Erhöhung ihrer Grund- und Ausgleichsrenten um 20 % bzw. 22 % — auf diese ominösen 2 % komme ich noch zu sprechen — erhalten sollen, sondern auch vom Grunde her eine Erhöhung von 55 auf 60 % vorgesehen ist. Das bedeutet eine Erhöhung der Witwenrenten um 32 % und eine Erhöhung aller Leistungen um durchschnittlich 27 %.
Herr Kollege Glombig, Ihre Redezeit ist an sich abgelaufen. Aber Herr Kollege Katzer hatte von dem Herr Präsidenten eine Verlängerung bekommen. Ich wollte Sie nur vorwarnen.
Ich komme zum Schluß.Ich möchte auf eine dpa-Meldung aus Anlaß des CDU-Parteitages in Mainz verweisen. Ich halte diese dpa-Meldung für sehr interessant und möchte sie Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier zur Kenntnis bringen. Es heißt dort:Barzel wiederholte in Mainz seinen Vorwurf, die Regierung treibe eine Politik der leichten Hand. Als Beispiel berief er sich auf den Vorschlag, den zweiprozentigen Krankenversicherungsbeitrag der Rentner wieder zu streichen. Die SPD-FDP-Regierung habe damit die von dem früheren Arbeitsminister Hans Katzer erreichte langfristige Konsolidierung der Rentenversicherung in Frage gestellt.
Der Kabinettsbeschluß sei ohne ausreichende Unterlagen der beteiligten Ministerien, der Bundesbank und der Rentenversicherungsträger zustande gekommen. „Wir fürchten, die so mühsam erreichte Verzahnung von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik wird zugunsten isolierter Sozialpolitik aufgegeben", meinte Barzel.Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist allerdings ein Stück „isolierter Sozialpolitik",
bei der Sie die Bedürfnisse der Wirtschafts- und Finanzpolitik keinesfalls berücksichtigt haben.
Das muß man bei Ihrem — von mir als nicht so ganzernsthaft aufgefaßten — Angebot unterstreichen, dasSie zu Beginn dei Aussprache gemacht haben. Die2 °/o für die Sozialrentner sind das, was ihnen auf Grund der Rezession des Jahres 1966 genommen worden ist.
Die Sozialrentner bekommen doch nur das wieder, was man ihnen genommen hat. Das ist letzten Endes mehr als 50 DM Überbrückungszulage. Das müßten gerade Sie als früherer Bundesarbeitsminister wissen. Ich bin sehr enttäuscht, daß Sie eine so „leicht-
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Glombigfüßige" Begründung für Ihren Standpunkt hier gegeben haben.
— Herr Kollege Katzer, was hat eigentlich der 2%ige Rentnerkrankenversicherungsbeitrag, den auch die Kriegsopfer, die eine Rente aus der Sozialversicherung erhalten, bekommen, mit der Kriegsopferversorgung zu tun? Wie kommen Sie eigentlich dazu, die 2 %, die die Sozialrentner jetzt auf dem Wege über den Krankenversicherungsbeitrag zurückbekommen, und die 70 DM Weihnachtsgeld für Wehrund Ersatzdienstpflichtige in einen Zusammenhang mit der Erhöhung der Kriegsopferrenten zu bringen?Sorgen Sie mit uns dafür, daß unser Gesetzentwurf in den Ausschußberatungen nach Möglichkeit noch vollkommener wird, und zwar durch die Dynamisierung. Nur so wird dieser Gesetzentwurf, davon bin ich überzeugt, allen Seiten dieses Hauses, vor allem aber den Kriegsopfern, gerecht werden können.Dann wollen wir mal sehen, was von der Bemerkung, die Sie auf dem CDU-Parteitag nach dpa gemacht haben, Herr Katzer, übrigbleibt. In der Meldung heißt es:Auch der ehemalige Bundesarbeitsminister Hans Katzer äußerte seine Sorge über eine entscheidende Weichenänderung in der Sozialpolitik der neuen Bundesregierung.Er sagte, die Frage: Wer bezahlt die Leistungen denn?, müsse jetzt gestellt werden, da offenbar der von der CDU stets angestrebte Zusammenhang von Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik verlorenzugehen drohe.Ich weiß nicht, ob Sie der Frage, wer nun das, was über Ihre ursprünglichen Vorstellungen bzw. über die Vorstellungen dieses Hauses hinausgeht — —
Herr Kollege, ich muß Sie leider bitten, zum Schluß zu kommen.
Ich komme zum Schluß. Wer das bezahlen soll, darauf müssen Sie allerdings die Antwort noch geben.
Ich bitte, diesen Gesetzentwurf zur weiteren Beratung als federführendem Ausschuß dem Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden
sowie dem Haushaltsausschuß als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. — Ich meine den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Entschuldigen Sie bitte, ich habe noch an den ehemaligen Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden gedacht, weil ich Herrn Mick hier vor mir sehe, den ich eigentlich in Warschau gewähnt hätte.
Wir kommen jetzt zu dem heute morgen in die Tagesordnung aufgenommenen Punkt 2 c) : Bericht der Bundesregierung über die Möglichkeit von Änderungen der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz .
— Herr Kollege Rutschke, nach dem, was Herr Präsident von Hassel mir übergeben hat, soll jetzt der Punkt 2 c) begründet werden, während Sie als Redner in der Aussprache vorgesehen sind. So ist mir das übergeben worden.
— Ich frage den Herrn Bundesarbeitsminister, ob er einverstanden wäre, daß zunächst die Aussprache beginnt. — Bitte, Herr Kollege Rutschke, dann haben Sie das Wort.
— Herr Kollege Rutschke, ich fürchte aber, Sie befinden sich im Irrtum; entschuldigen Sie, wenn ich das hier sage. Der Herr Präsident von Hassel hatte das richtig notiert. Es bestand Einigkeit, daß zunächst die Vorlagen begründet werden. Die eine Vorlage ist von der CDU/CSU begründet worden, die andere Vorlage ist von der SPD begründet worden. Die Vorlage 2 c) sollte jetzt von dem Herrn Bundesarbeitsminister begründet werden. Der Herr Bundesarbeitsminister hätte verzichtet. Aber ich glaube, wir sollten im gemeinsamen Interesse so verfahren, wie es vorgesehen war.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache VI/81 beehrt sich die Bundesregierung, diesem Hohen Hause den Bericht gemäß § 56 des Bundesversorgungsgesetzes vorzulegen. Nach dieser Vorschrift ist die Bundesregierung verpflichtet, in zweijährigem Abstand, erstmals in diesem Jahr, den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zu berichten, ob es unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft möglich ist, die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zu ändern.Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 20. November 1969 über die Anpassung der Kriegsopferleistungen hat das Bundeskabinett nach der für die entscheidende Aussage dieses Berichts notwendigen Klärung wirtschaftlicher und finanzieller Möglichkeiten unter Berücksichtigung der für eine Anpassung der Kriegsopferrenten notwendigen Mittel die Voraussetzungen für die formelle Vorlage dieses Berichts geschaffen,Der Bericht muß auf der Grundlage der im Oktober zur Verfügung stehenden Zahlen erarbeitet werden. Im Zusammenhang mit dem im Januar zu erstellenden Jahreswirtschaftsbericht wird an diesem Zahlenwerk weitergearbeitet. Die Bundesregierung wird im Verlaufe des weiteren Gesetzgebungsver-
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Bundesminister Arendtfahrens die neueren Zahlen einbringen. Es läßt sich aber jetzt schon übersehen, daß keine ins Gewicht fallenden Korrekturen notwendig sein werden.Zugleich mit diesem Anpassungsbericht hätte ich Ihnen auch gern eine ausführliche Darstellung über die Gesamtsituation der Kriegsopferversorgung vorgelegt, die über die wichtigsten Fakten und Leistungen der Kriegsopferversorgung Aufschluß gibt und für Sie eine brauchbare Arbeitshilfe darstellt. Dieser Bericht, der sehr umfangreich ist, wird zur Zeit noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Ich hoffe aber, daß diese Abstimmung schnell erfolgen kann und die Bundesregierung bald in der Lage sein wird, ihn ebenfalls vorzulegen.Die gesonderte Vorlage des Anpassungsberichts erfolgt insbesondere mit dein Ziel, eine möglichst rasche Verabschiedung des Anpassungsgesetzes, wie sie offensichtlich von allen Fraktionen dieses Hauses gewünscht und angestrebt wird, zu fördern. Sie wissen, daß der Gesetzgeber in § 56 des Bundesversorgungsgesetzes keine genau bestimmte wirtschaftliche Größe als ausschließliche Bemessungsgrundlage für die periodische Überprüfung der Rentenleistungen vorgeben wollte. Vielmehr sollte die Bundesregierung lediglich dazu verpflichtet werden, unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Daten die Möglichkeit einer Leistungsänderung zu prüfen. Diese Prüfung hat die Bundesregierung in der bereits genannten Kabinettssitzung am 20. November 1969 vorgenommen mit dem Ergebnis, daß es möglich ist, die Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes zu ändern.Bei der Entscheidung über die Höhe der vorzuschlagenden Leistungsverbesserungen hielt es die Bundesregierung indes für angebracht, die zur Verfügung stehenden Mittel nicht nur für eine lineare Anhebung der Renten zu verwenden, sondern auch eine gezielte Verbesserung für einige besondere Personengruppen vorzunehmen. Hierbei stand besonders der seit langem immer wieder aus den Kreisen der Kriegsopfer vorgetragene Wunsch im Vordergrund, das Ableitungsverhältnis der vollen Grund- und Ausgleichsrente für Kriegerwitwen auf 60 v. H. der entsprechenden Rentenleistung für erwerbsunfähige Beschädigte anzuheben. Diesem immer wieder so eindringlich vorgetragenen Anliegen glaubte sich die Bundesregierung nunmehr nicht länger verschließen zu können, nachdem feststeht, daß die Witwenversorgung in der Vergangenheit zu kurz gekommen ist. Ohne die berechtigten Belange der übrigen Versorgungsberechtigten schmälern zu wollen, sollte damit auch zum Ausdruckgebracht werden, welch große Bedeutung die Bundesregierung einer gerechten Witwenversorgungbeimißt. Es darf nicht vergessen werden, wie viele Kriegerwitwen in der Vergangenheit oft unter großen Opfern und mit meist nur geringen Mitteln unter eigenem Verzicht ihre Kinder erzogen haben. Ihre Entbehrungen in jungen Jahren und ihr Alleinsein im Alter können zwar nicht mit materiellen Mitteln ausgeglichen werden, jedoch sollte vermieden werden, daß neben ihren sonstigen Sorgen ihre wirtschaftliche Existenz in Frage gestellt ist.Unter Berücksichtigung dieses besonderen Anliegens und bei Abwägung aller für eine Anpassung in Frage kommenden Fakten, wie sie sich insbesondere auch aus dem Ihnen vorliegenden Bericht ergeben, hielt es die Bundesregierung für vertretbar, die Renten der Beschädigten, Waisen und Eltern um durchschnittlich 16 % und die der Witwen um 25,3 % anzuheben. Darüber hinaus hat die Bundesregierung noch vorgesehen, bei der Berechnung des Schadensausgleichs für Witwen von Empfängern einer Pflegezulage mindestens nach Stufe 3 — insbesondere Kriegsblinde — ein höheres Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, was in fast allen Fällen eine erhebliche Erhöhung des Schadensausgleichs bedeutet.Die vorgesehenen Leistungsverbesserungen erfordern im Haushaltsjahr 1970 Mehraufwendungen in Höhe von 938 Millionen DM.Eine Entscheidung über eine künftige laufende jährliche Anpassung der Kriegsopferrenten, wie sie der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 in Aussicht gestellt hat, hat das Bundeskabinett vorerst noch nicht getroffen, weil es gilt, hier noch einige wichtige Fragen zu klären. Es ist aber damit zu rechnen, daß auch hierüber in Kürze entschieden wird.Ich bin mir darüber im klaren, daß bei diesem Änderungsvorschlag nicht alle Wünsche und Hoffnungen Berücksichtigung finden konnten. Ich darf Ihnen aber versichern: die Bundesregierung hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Mit dem Ziel einer möglichst gerechten und angemessenen Fortentwicklung des Kriegsopferrechts hat sie alle Umstände und. Wünsche sorgfältig geprüft. Dabei war die Solidität und Stabilität des Haushalts, die im Interesse aller Bürger — auch der Kriegsopfer —liegt, zu berücksichtigen. Ich freue mich, daß die Vorschläge der Bundesregierung inzwischen auch in dem gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen ihren Niederschlag gefunden haben.Im Interesse von 2,6 Millionen Kriegsopfern, die auf Leistungsverbesserungen warten, möchte ich dieses Hohe Haus bitten, das Gesetz alsbald zu verabschieden.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Kollege Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Glombig, nachdem ich Ihre Rede — mit Ihren Begründungen — gehört habe und wenn ich mir die jahrelangen Beratungen im Kriegsopferausschuß vergegenwärtige, dann könnte ich sagen: welcher Wandel in den Vorstellungen und Begründungen zu verschiedenen Problemen! Ich hin aber der Meinung, diese Frage der Kriegsopferversorgung — das ist zu Recht gesagt worden — hat dieses Haus am Ende immer zu einer gemeinsamen Entscheidung zusammengeführt.
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488 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
MaucherEs ist eigenartig, daß man ausgerechnet der Opposition vorhält, welche Anträge auf Leistungsverbesserungen sie stellt. Wenn Sie aber
die Vergangenheit nüchtern betrachten, müssen Siefeststellen, daß es gerade Abgeordnete der CDU— und auch die CDU-Fraktion im ganzen — waren, die
diese Anträge immer getragen haben.
— Herr Kollege Rutschke, über die ganze Entwicklung in der Kriegsopferversorgung würde ich mich, wenn ich die Zeit dazu hätte, gern mit Ihnen auseinandersetzen. Auch hier ist ein zwiespältiges Verhalten bei Ihnen festzustellen, je nachdem, ob Sie in der Regierungskoalition oder in der Opposition stehen. Nach Tisch spricht man anders. Es ist eigenartig: nachher hat man alle anderen Gründe.Worum geht es in dieser Frage? Ich darf feststellen, vor der Bundestagswahl hat dieses Haus einstimmig beschlossen — und das ist das Entscheidende, Herr Kollege Glombig, was am Ende dieser Überlegungen stand —, daß in der Tat im Jahre 1969 der Bericht vorzulegen sei. Weiter gab es den entscheidenden Beschluß, daß in der mittelfristigen Finanzplanung die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden. Alle anderen Diskussionen um Be- richte — wann oder wo — sind Begleitmusik. Die entscheidende Frage ist: wann wird zur Kasse getreten?Dazu möchte ich Ihnen sagen, Herr Kollege Schellenberg ich weiß, was Sie fragen wollen, Herr Kollege Glombig —, daß wir uns in der Fraktion die Sache nicht sehr leicht gemacht haben. Sie wissen, daß in den Gesprächen mit den Kriegsopferverbänden damals der frühere Bundeskanzler Kiesinger die Zusage gemacht hat: Eine fühlbare Erhöhung für die Kriegsopfer. In diesem Zusammenhang habe ich selber in der Fraktion gesagt, eine Änderung des § 56 — Ihr Zwischenruf, Herr Kollege Schellenberg, Ihr Einwand zu der Rede des Kollegen Katzer, das sei im Bericht nicht gemeint gewesen, hat deutlich gemacht, daß Sie zunächst nur den propagandistischen Sinn der Änderung des § 56 im Vordergrund gesehen haben — heißt: Am 1. Januar 1970 zur Kasse treten.
Damals hat der frühere Bundesfinanzminister Strauß vor der Fraktion gesagt: Das kostet uns i Milliarde DM.
Unter diesem Gesichtpunkt hat die Fraktion erst eine Klärung herbeiführen wollen.
Herr Abgeordneter, die Kollegen Professor Schellenberg und Glombig bitten um Gelegenheit zu Zwischenfragen. Ich frage Sie, ob Sie diese zulassen.
Ich habe sehr lange gewartet; wir dürfen aber auch das Recht der Fragesteller nicht beschneiden.
Bitte schön, zunächst Herr Kollege Schellenberg!
Herr Kollege Maucher, erinnern Sie sich daran, daß Sie vor noch nicht einem Jahr, nämlich am 29. November, hier im Plenum darauf hingewiesen haben, daß die Vorlage des Berichtes erst im ersten Vierteljahr 1970 mit Sicherheit möglich sein würde?
Herr Kollege Schellenberg, würden Sie mir noch einmal das Datum nennen.
29. November 1968, und zwar aus Anlaß der Beratung des SPD-Antrags betreffend Vorlage des Berichts nach § 56 im Jahre 1969, dem Sie damals noch nicht zustimmen konnten.
Sehen Sie, Herr Kollege Schellenberg — —
— Nein, nein, nicht: „So ändern sich die Zeiten." Das könnte man Ihnen sagen, meine verehrten Kollegen, die Sie in der Verantwortung stehen. Nach Tisch spricht man anders.
Herr Kollege Schellenberg, Ihre Frage zwingt mich dazu, die Situation darzulegen. Zunächst muß ich einmal ganz klar feststellen
Herr Kollege Maucher, darf ich einen Vorschlag machen. Vielleicht sollten wir noch den Kollegen Glombig die Frage, die Sie zugelassen hatten, stellen lassen.
Gern!
Bitte schön!
Herr Kollege Maucher, finden Sie es nicht zwiespältig, daß Sie im Zusammenhang mit dem Fortfall der Ergänzungsabgabe zum Ausdruck brachten, es fehle die soziale Komponente, und daß Sie nun, wo die soziale Komponente in Gestalt des Fortfalls des Krankenversicherungsbeitrags von 2 %, der nach Ihrer Auffassung 4 % betragen sollte, kommt, sagen, das sei unsolide, weil die finanzpolitischen Voraussetzungen dafür nicht vorlägen? Trotzdem hält Sie das nicht davon ab, diese 2 %, die mit der Kriegsopferversorgung überhaupt nichts zu tun haben, den Kriegsopfern mit „leichter Hand" zusätzlich zu geben.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 489
Herr Kollege Glombig, das Fragezeichen war nur mit sehr großer Mühe zu verstehen.
Es war übrigens keine Frage. — Herr Kollege Glombig, ich muß Sie auf die Erklärung unseres Fraktionsvorsitzenden verweisen. Tatsache ist, daß Sie diese Erklärung nicht begriffen haben. Sie kommen mir mit all Ihren Anträgen wie ein Weihnachtsmann vor, der einen Goldregen ausschüttet, um im Augenblick populär zu sein.
Am Ende kommen die Entscheidungen, die man zugesagt hat und bei denen wir alle im Wort, in der Verpflichtung sind, und dann will man sparen.
Herr Kollege Schellenberg, Sie haben diese Frage nicht aufgeworfen. Wir haben uns in der Frage bezüglich des § 56, der Anpassung, im Grunde genommen gegenseitig gar nichts vorzuwerfen.
Dahinter verbergen sich eine ganze Reihe einstimmiger Beschlüsse der Bundesregierung. Wir waren es doch, die diese Beschlüsse der Bundesregierung in diesem Hause rückgängig gemacht haben. Dann wollen Sie mir den Vorwurf machen, ich hätte in dieser Sache nichts getan. Sie sind damals bereit gewesen, die Streichung hinzunehmen.
— Das war ein einstimmiger Beschluß. Wir haben die Zurückstellung vorgenommen und dann auf Grund der Besserung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation den Standpunkt vertreten, daß die Sache der Kriegsopfer unter keinen Umständen so lange hinausgeschoben werden dürfe.
Ich muß Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sagen — ich sagte es vorhin schon —, hier geht es nicht um die Frage, wer mehr bietet, sondern es geht darum, daß wir angesichts der Entwicklung in den vergangenen drei Jahren einen Ausgleich für die Kriegsopfer in ihrer Gesamtheit finden.
Herr Kollege Schellenberg, Sie sagen, daß die Rentenversicherung damit praktisch nichts zu tun hat. Es ist eigenartig, wenn Sie andererseits — so vor der Pressekonferenz — sagen, es sei Ihre persönliche Meinung, daß nach der allgemeinen Rentenerhöhung auch die Erhöhung der Kriegsopferversorgung vorgenommen werden sollte.
In diesem Zusammenhang möchte ich zu § 56 eine Anmerkung machen. Herr Kollege Glombig, Ihr Entwurf sagt zu § 56 gar nichts. Unser Entwurf sagt: jährlich statt zweijährlich. Ich möchte sagen — deshalb bin ich ja hier —, was wir damit andeuten wollten. Wir waren uns völlig im klaren darüber, daß damit angedeutet wird, daß wir der in der Regierungserklärung gegebenen Zusage zustimmen, die Renten alljährlich anzupassen. Wir wollten aber gleichzeitig damit diese Frage zur Diskussion stellen und deutlich machen, daß wir für jede Klärung offen sind — —
— Herr Kollege Glombig, ich kenne Ihre Bemerkungen aus dem Ausschuß. Ich will jetzt dazu nichts sagen. Im Ausschuß würde ich jetzt eine entsprechende Bemerkung machen.
Herr Kollege Maucher, Herr Kollege Schellenberg möchte, wie Sie sehen, eine Frage an Sie richten. Sie lassen die Frage zu? — Bitte schön!
Herr Kollege Maucher, ist Ihnen bekannt, daß der damalige Arbeitsminister, Herr Kollege Katzer, im März 1969 beim Finanzminister eine Anpassung der Kriegsopferrenten um 15 °/o beantragt hat, daß der Finanzminister damals eine Anpassung nur um 12 °/o vorgesehen hat.
und daß ferner der damalige Bundesarbeitsminister
seine Anforderung erst im September 1969, wenige
Tage vor der Bundestagswahl, auf 20 % erhöht hat?
Herr Kollege Schellenberg, ich halte Sie für so klug, daß Sie die damalige und die heutige Entwicklung kennen. Wenn Sie schon eine solche Frage stellen, würde ich ganz gern auch einmal Ihre Meinungen gegenüberstellen und vergleichen, was viele Ihrer Leute vor der Wahl gesagt haben und was hinterher geschehen ist.
— Das ist eine Beantwortung der Frage. Erinnern Sie sich einmal — Sie waren ja mit in der Regierung —, welche Darlegungen gemacht und welche Vorstellungen entwickelt worden sind. Wir haben doch hier vom Parlament aus diese Frage aufgeworfen und, glaube ich, durchgesetzt, daß der Weg, der heute eingeleitet worden ist, begangen werden kann. Ich möchte damit sagen, was hier von uns vorgeschlagen wird, ist gar nichts anderes als die Erfüllung dessen, was wir zugesagt haben und was der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung entspricht.Die Regierung sagt nun: Wir werden noch prüfen, unter welchen Gesichtspunkten die Anpassung zu erfolgen hat. Wir bitten die Regierung, daß a) diese Prüfung bis zum Beginn der Beratung in den Ausschüssen erfolgt, damit die Voraussetzungen dafür gegeben sind, das Gesetz noch in diesem Jahr zu verabschieden, und daß b) auch eine Bestimmung aufgenommen wird, in der ganz eindeutig festgelegt wird, daß — und auch wie und auf welche Weise — die Renten alljährlich angepaßt werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich die Darstellung der Koalitionsfraktionen über die prozentuale Erhöhung lese, muß ich feststellen, daß hier eine echte optische Täuschung vorliegt. Ich
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490 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Maucherkann nicht sagen: Die Renten werden um 22 % erhöht, wenn damit eine Erhöhung des Gesamtvolumens gemeint ist. In der Tat ergibt sich keine Erhöhung um 22 %. Wenn ich die Zahl der Rentner und die prozentuale Erhöhung zusammenfasse, ergibt sich eine durchschnittliche Erhöhung um 16 %.
Bei der Anpassung der Witwenrenten, bei der Heranführung dieser Renten an die 60 %-Grenze geht es nicht um eine prozentuale Erhöhung auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung.
Hier besteht vielmehr ein echter Nachholbedarf. Hier geht es um eine Anpassung besonderer Art. Diese Anpassung ist mit dem ersten Neuordnungsgesetz eingeleitet worden. Der Herr Kollege Katzer hat damals mit Recht gesagt: Angesichts der Rezession ist diese Witwenrente damals von 50 % auf über 55 % erhöht worden. Der Kriegsopferausschuß hat in seiner Beratung ganz klar und deutlich gesagt — in dem Bericht, der von mir verfaßt wurde, ist es vermerkt —, daß diese Weiterentwicklung der Anpassung auf 60 % erfolgt. Das ist längst gerechtfertigt und ist auch notwendig. Ich bin der Meinung, daß auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung das, was der Bericht — wie er jetzt, allerdings verspätet, vorliegt — vorschlägt, das Mindeste ist, um den Kriegsopfern in ihrer Gesamtheit gerecht zu werden. Wir haben hier einen Nachholbedarf. Wenn man von anderen Bereichen spricht, muß man die gesamte Entwicklung vergleichen. Man kann nicht einfach hier einen Bericht vorlegen ohne Berücksichtigung der entscheidenden Entwicklungen in der Rentenanpassung. Man kann nicht sagen: „Nach der allgemeinen Bemessungsgrundlage soll erhöht werden" und nachher zu dem Ergebnis kommen: „Aber in die durchschnittliche Entwicklung paßt es nicht hinein", weil dann die finanzielle Rechnung nach Ihrem Gesetz und nach Meinung der Regierung nicht mehr aufgeht. Diesen Tatbestand kann man nicht bestreiten. Sie haben in den vergangenen zwanzig Jahren immer wieder die Priorität der Kriegsopfer herausgestellt. Ich bin angesichts der Situation der Meinung, wenn wir dem Vorschlag, den heute der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU gemacht hat, folgen, können wir ohne Schwierigkeiten diese Aufgabe auch finanziell meistern.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rutschke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Maucher, Sie haben vorhin ein sehr böses Wort gesagt: jedenfalls empfinden wir Freien Demokraten es als böse. Sie behaupten, wir hätten eine wechselnde Einstellung zur Kriegsopferversorgung gezeigt, je nachdem, ob wir in der Opposition oder in der Koalition waren. Das können Sie nur wider besseres Wissen sagen.
Sie waren im Kriegsopferausschuß dabei, in dem ich C mich immer bemüht habe, eine fortschrittliche Politik in der Kriegsopferversorgung durchzusetzen. Sie haben gebremst, als wir in der Koalition mit der CDU waren,
und Sie haben versucht, das abzuwehren, haben uns Illusionen vorgeworfen, insbesondere mir. Die einzige aus der CDU/CSU-Fraktion, die mir geholfen hat, war Frau Probst. Sie waren auf der anderen Seite. Wenn Sie das jetzt hier anders darzustellen versuchen, ist das eine unerhörte Verdrehung der Tatsachen.
Das wollen wir hier mal klar feststellen. Wir haben uns in dieser Frage immer völlig einheitlich verhalten, ob in der Opposition oder in der Koalition. Das werden mir alle Mitglieder des Kriegsopferausschusses bestätigen müssen.
— Herr Leicht, ich habe die FDP-Fraktion vertreten. Ich habe niemals Schwierigkeiten in meiner Fraktion gehabt, wenn ich diese Anträge gestellt habe; ich habe volle Unterstützung gehabt. —
Herr Kollege Rutschke, Sie haben gesagt, in der FDP-Fraktion hätten Sie immer Unterstützung gehabt. Darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß der damalige Vizekanzler in der Regierung Erhard/Mende, Harr Mende, sich in der Kriegsopferfrage in jenen entscheidenden Tagen 1966 eindeutig dagegen ausgesprochen hat,
— aber entschuldigen Sie, ich war in der Kabinettssitzung zugegen! — und daß das mit ein Grund gewesen ist, daß es zu der Koalitionskrise 1966 gekommen ist.
Herr Katzer, ich wäre ja gern glimpflich mit Ihnen umgegangen. Aber Sie waren heute derjenige, der den Antrag der CDU/ CSU begründet hat. Ob ausgerechnet Sie der richtige Mann zur Begründung des Antrags waren, daran habe ich große Zweifel. Sie waren es doch, Herr Katzer, der in der vorigen Regierung alles versucht hat, um Herrn Strauß zu stützen. Daß diese überfälligen Fragen, die jetzt verstärkt auf uns zukommen, damals nicht gelöst wurden, hat doch an Ihnen als zuständigem Ressortminister gelegen. Jetzt stellen Sie sich hier hin und kritisieren diese Regierung, die, nachdem sie vier Wochen im Amt ist, bereits eine Vorlage und den Bericht gemacht hat, und die Koalitionsfraktionen, die, um das schneller durch diesen Bundestag zu bringen, nun einen entsprechenden Entwurf mit Zustimmung der Regierung eingebracht haben. Sie haben doch auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung versagt, wie nur jemand versagen konnte. Das muß ich mal ganz deutlich sagen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 491
Herr Kollege Dr. Rutschke, der Kollege Glombig hätte gern eine Zwischenfrage gestellt. Lassen Sie sie zu?
Bitte sehr!
Herr Kollege Dr. Rutschke, können Sie bestätigen, daß der frühere Bundesfinanzminister Herr Dr. Strauß, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der CSU zeitweise den Fortfall der Grundrenten für sogenannte „Minderbeschädigte" gefordert hat, und können Sie sich daran erinnern, daß der frühere Bundeskanzler, Herr Dr. Erhard, zeitweilig von der Grundrente als einem Taschengeld oder einem „Zigarettengeld" gesprochen hat?
Herr Kollege Glombig, diese Formulierungen sind mir bekannt. Ich will Ihnen ehrlich sagen, beim Finanzminister möchte ich von vornherein eine gewisse Schonung bei der Kritik walten lassen, weil der Finanzminister andere Vorstellungen hatte.
— Wenn er das als CSU-Vorsitzender gesagt hat, beweist er damit nur, daß er seine Vorstellungen als Finanzminister auf dieses Amt übertragen hat. Denn so mit zwei Zungen zu reden, ist natürlich in diesem Moment außerordentlich schwierig, weil er sofort kontrolliert werden kann; andere Leute tun das, und ich werde darauf nachher noch zurückkommen. Aber im Grundsatz ist es richtig.
Dann das, was Herr Erhard gesagt hat! Ich war damals bei dem Gespräch im Bundeskanzleramt dabei. Herr Erhard ließ sich dann auch überzeugen, daß sich diese Argumentation einfach nicht aufrechterhalten ließ.
— Da waren Sie, glaube ich, auch noch dabei, Herr Maucher.
Wir wollen also diese einzelnen Äußerungen zu dieser Frage nicht weiter behandeln, auch Äußerungen, die von unserer Seite möglicherweise mal gekommen sein können; ich weiß es nicht. Es handelt sich eben hier um eine Auffassungssache. Wer in der Materie nicht wirklich drinsteht, kommt leicht zu falschen Schlüssen. Deshalb möchte ich das nicht auf die Goldwaage legen. Eines ist aber sicher: daß jedenfalls der vorige Bundesminister für Sozialordnung, Herr Katzer, in dieser Richtung zugunsten der Kriegsopfer nichts getan hat; das ist nun mal ganz eindeutig.
Die FDP begrüßt, daß der Kriegsopferbericht so schnell vorgelegt worden ist. Ich glaube, daß die Bundesregierung, die, wie gesagt, erst vier Wochen im Amt ist, sich in dieser Frage wirklich beeilt hat, etwas zu tun, und zwar aus Überzeugung. Sie sagten ja sehr richtig, Herr Maucher, daß wir den Kriegsopfern gegenüber im Worte stehen. Das hat diese Bundesregierung sehr ernst genommen. Sie hat den Entwurf, der die Basis für eine Gesetzesinitiative ist, rechtzeitig und so schnell wie möglich vorgelegt. Deshalb ist die Kritik von Herrn Katzer völlig abwegig. Er war nicht in der Lage, das rechtzeitig zu tun. Jetzt wirft er dieser Regierung vor, die kaum vier Wochen im Amt ist, daß sie noch nicht schneller reagiert habe. Das ist nicht sehr überzeugend, Herr Katzer.
Gerade im Hinblick auf § 56 haben wir als Freie Demokraten immer wieder unseren Standpunkt klargemacht. Herr Maucher, selbst Sie werden zugeben müssen, wir haben die Aussetzung des § 56 stets abgelehnt. Wir waren nämlich der Meinung, daß man in diesem sozialen Bereich die Kriegsopfer nicht schlechter als andere Gruppen behandeln darf. Deshalb waren wir gegen die Aufhebung des § 56. Wir haben ihn dann mit Hilfe der SPD — gegen Ihre Stimmen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU — auch wieder eingebracht; jawohl, so war es. Damit ist, glaube ich, schon der Weg für eine schnellere und sachliche Erörterung dieser Fragen bereitet worden.
Wir haben seinerzeit gleichfalls einen entsprechenden Entwurf zur Verbesserung der Kriegsopferversorgung eingebracht. Es ist richtig, daß dann kurz vor den Wahlen auch die Bundesregierung — oder vielmehr die CDU — erklärt hat, daß sie für eine zwanzigprozentige lineare Anhebung der Kriegsopferrenten sei. Aber eines darf dabei nicht vergessen werden: daß noch im März 1969 Herr Katzer nur 15 % Erhöhung verlangt und Herr Strauß überhaupt nur 12 % zugestanden hat. Woher nehmen Sie eigentlich jetzt den Mut, das bei einer Anhebung von durchschnittlich 22 % noch zu kritisieren, Herr Katzer? Das möchte ich gerne einmal wissen.
Herr Kollege Dr. Rutschke, der Kollege Maucher hat eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Rutschke, sind Sie nicht der Meinung, daß man andere Maßstäbe anlegen muß, wenn sich die Verhältnisse ändern, und ist Ihnen zweitens nicht bekannt, daß damals, und zwar zu einem späteren Zeitpunkt, auf Grund der Zusage von Bundeskanzler Kiesinger im Namen der Bundesregierung und auf Grund der Zusage von Herrn Katzer selbst und auch der Meinung der Fraktion, daß 1 Milliarde DM erforderlich ist, darin bereits eine 20%ige Anhebung enthalten war?
Herr Kollege Maucher, daß sich die Zeiten ändern, was Sie ja angesprochen haben, merke ich an der jetzigen Haltung der CDU zu diesen Fragen im Gegensatz zu ihrer früheren Haltung.
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492 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Dr. RutschkeDas ist das Entscheidende dabei; alles andere ist uninteressant.
Meine Damen und Herren, wir haben gemeinsam mit dem Koalitionspartner der SPD einen Antrag eingebracht, der eine Erhöhung der Kriegsopferrenten um durchschnittlich 22,5 % vorsieht.
— Insgesamt, global, jawohl. Nun könnten wir sicherlich mit 22,5 % eine lineare Erhöhung aller Leistungen durchführen. Dann würde aber ein Bereich, der in der Vergangenheit besonders unter einer Ungerechtigkeit zu leiden hatte, und zwar der Bereich der Witwenrenten, auch nur eine Anhebung um 22,5 % bekommen. Wir sind aber der Meinung, daß gerade die Witwenrenten jetzt stärker angehoben werden müssen und daß man damit, wenn man im Rahmen des Volumens der Ausgaben bleiben will, natürlich auf der anderen Seite etwas kürzer treten muß. Wir geben ohne weiteres zu, daß das so ist. Das ist auch nicht verschwiegen worden. Ich glaube aber, daß diese Entscheidung richtig ist; denn wir müssen einfach jetzt für diese Witwen etwas tun, damit sie mit diesen 60 %, auf die sie letzten Endes — auch in den anderen Systemen ist das so — ein Anrecht haben, zu ihrem Recht kommen. Ich bin der Meinung, daß Sie wohl damit einverstanden sein werden.
Herr Kollege Dr. Rutschke, der Herr Kollege Maucher hat noch eine Zwischenfrage. Wollen Sie die zulassen?
Bitte sehr!
Herr Kollege Rutschke, aus Ihren soeben erfolgten Äußerungen könnte der Eindruck entstehen, daß Sie allein, d. h. die Regierungskoalition, der Meinung sind, die Anhebung der Witwenrenten sei absolut berechtigt. Haben Sie nicht aus früheren Erklärungen des damaligen Bundesministers Katzer und auch jetzt aus dem vorliegenden Entwurf ganz klar erkennen können, daß das für uns eine unumstößliche Auffassung ist?
Diese unumstößliche Auffassung hat sich erst dokumentiert, als Sie in die Opposition gekommen waren, Sie hätten es ja schon längst machen können, wenn Sie es gewollt hätten.
Jetzt kommen Sie und stellen das als ein Non-plus-ultra dar, als oberste Forderung der CDU seit Jahrhunderten. Das stimmt doch gar nicht! Reden Sie sich doch nicht selbst um Kopf und Kragen.
Herr Kollege Dr. Rutschke, würden Sie eine weitere Zwischenfrage zulassen?
Bitte sehr!
Herr Kollege Rutschke, wollen Sie nicht zugeben, daß es der Arbeitsminister Katzer war, der in dem Entwurf zum Dritten Neuordnungsgesetz erstmals die entscheidende Anhebung der Witwenrenten von 50 auf über 55 °/o vorgenommen hat, und sehen Sie nicht in dieser Entscheidung ein absolutes Wollen der CDU, das fortzuführen?
Nein. Ich will Ihnen nur sagen, daß die Fraktionen diese Sachen durchgesetzt haben, einschließlich der CDU/CSU-Fraktion. Das war doch eine klare Sache.
Wir haben diese Frage der Witwenrenten immer wieder angesprochen. Von der Regierungsseite sind immer wieder Einwände gekommen, und zwar als Sie die Verantwortung in dem entsprechenden Ressort getragen haben. Das müssen wir uns einmal klarmachen. Drehen Sie das nicht um, Herr Maucher, das ist eine schlechte Situation für Sie.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen. Eines, was wir noch vermissen, ist die Anpassungsklausel, die in dem Gesetzentwurf noch nicht vorhanden ist. Ich hoffe — und da darf ich mich an die Erklärung von Herrn Kollegen Glombig anschließen —, daß das im Ausschuß noch entsprechend geprüft wird und wir eine befriedigende Lösung in dieser Richtung bekommen.
Ich bin der Meinung, daß eine unterschiedliche Behandlung der Probleme in diesen sozialen Bereichen einfach unzulässig ist. Vier Wochen, nachdem die neue Regierung nun in Tätigkeit ist, haben wir diese Fragen sofort angepackt, und wir werden sie auch lösen.
Meine Damen und Herren, nur noch ein ganz kurzes Wort zu den Ausführungen, die der Herr Kollege Barzel vorhin gemacht hat. Herr Kollege Barzel hat das Kunststück versucht, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen.
— Das will ich Ihnen gern erklären. Auf der einen Seite stellen Sie pausenlos Anträge mit hohem Ausgabenvolumen.
Die Unterschrift ist von Herrn Barzel daruntergesetzt worden. Das ist die eine Seite.
Auf der anderen Seite stellt sich Herr Barzel hier hin und gibt mit einem schmalzigen Angebot seine Mitarbeit „zur Rettung der deutschen Finanzen" bekannt.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 493
Dr. Rutschke
Diese Art und Weise, wie hier argumentiert wird, ist zu durchsichtig, als daß wir auf Ihren Leim gehen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gegen Ende der Diskussion noch einmal in Sachlichkeit und Ruhe die Auffassung der CDU/CSU-Fraktion zu diesen schwierigen Fragenkomplexen darlegen.
Es geht uns heute um eine richtige und gerechte Anpassung der Kriegsopferrenten. Es geht darum, nicht nur von sozialer Symmetrie zu sprechen, sie muß heute auch konkret bei 2,7 Millionen Menschen, die an Leib und Leben Schaden gelitten haben, verwirklicht werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen den Vorwurf der Leichtfertigkeit zurückweisen. Wir stehen alle in der Kriegsopferversorgung im Wort. Wir haben die großen Kundgebungen der Verbände vor dieser Bundestagswahl mitgemacht, wir haben klare Erklärungen abgegeben, und es war für uns alle schon vor der Bundestagswahl klar, daß mit einem Betrag von unter einer Milliarde eine befriedigende Lösung nicht möglich ist.
Die derzeitige Bundesregierung ist bei der Realisierung dieser Zusagen nach unserer Auffassung nicht nur, wenn man noch vor dem 1. Januar das Gesetz verabschieden will, zu spät gestartet, sie hat, wie wir meinen, leider Gottes auch das Pferd von hinten aufgezäumt. Der gesetzliche Auftrag lautete: Die Bundesregierung muß dem Hohen Hause gemäß
§ 56 — —
Herr Kollege Burger, Herr Kollege Glombig hat sich zu einer Zwischenfrage gemeldet.
Herr Präsident, ich bitte verstehen zu wollen, daß ich meine Gedankengänge nicht unterbrochen haben möchte. Ich möchte ein geschlossenes Konzept vortragen. Vielleicht haben wir nachher noch Zeit.
— Nein, ich habe mir nur ein paar Notizen gemacht, Herr Wehner. Ich beherrsche das Thema so, daß ich wohl frei reden kann.
Es ging einzig und allein darum — nach dem Auftrag in § 56 des Gesetzes —, diesem Hohen Hause zu berichten, wie es unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft möglich ist, die Leistungen der Kriegsopferrenten zu verbessern. Die harten Daten sollten der Maßstab für die Anpassung sein. Die Koalition ging aber den umgekehrten Weg. Sie ging nicht nach den Daten vor, sondern hat entschieden, wieviel Geld da ist und — unter Berücksichtigung dieses Betrages — wie wir eine Lösung anbieten können. So entstand der nach unserer Auffassung ungenügende Entwurf.
Für 1 225 000 Beschädigten-, für 60 000 Waisen- und für 182 000 Elternrenten liegt die Anpassung linear bei 16 %. Hier liegt die Koalition, meine Damen und Herren, an der untersten Grenze der möglichen Anpassungsformen. Aber durch die Anpassung von 16 % der Rente des Erwerbsunfähigen ist die von uns allen gewünschte Priorität für die Witwen mit 60 %o der Rente eines Erwerbsunfähigen auch geringer als der Vorschlag der CDU/CSU, nämlich genau um 20 DM unter Berücksichtigung der Erhöhung der Grund- und Ausgleichsrente. Diese lineare Erhöhung der Renten der Kriegsbeschädigten, der Waisen und der Eltern und die dadurch bedingte geringere Anhebung der Renten für die Witwen entsprechen nicht der tatsächlichen Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und nicht dem realen Wachstum der Volkswirtschaft in der Bundesrepublik.
Ich darf deshalb zum Schluß schlicht zusammenfassen. Meine Damen und Herren, es geht darum, daß wir deutlich sagen: 16% lineare Anpassung sind zu wenig. Dies ist die Anpassung an der untersten Grenze.
Ich darf auch noch einmal auf den Zusammenhang mit der Versorgung der Soldaten der Bundeswehr hinweisen. Infolge dieser geringen Anpassung ist auch die Versorgung der dort jetzt Beschädigten oder Unfallverletzten zu gering. Die Schere zwischen den dort beschäftigten Arbeitern und den Soldaten öffnet sich im Leistungsanspruch bei gleichen Tatbeständen noch weiter. Hier appelliere ich an den Verteidigungsminister. In einer spürbaren Anhebung bei der linearen Erhöhung liegt auch ein Stück Wehrgerechtigkeit.
Meine Damen und Herren, auch wir sind an einem Votum interessiert, das von uns gemeinsam abgegeben werden kann, daran, daß eine der Würde und der Größe der gebrachten Opfer entsprechende Anhebung der Renten stattfindet, damit auch wir unsere Zustimmung zu diesem Gesetz geben können. Wir fordern Sie daher auf, meine Damen und Herren von der Koalition: Runden Sie die 16 % auf! Sie haben die Daten gesetzt. Wir haben die unseren gesetzt. Korrigieren Sie Ihre, setzen Sie neue! Dann sind wir bereit, noch in diesem Jahr das Gesetz mit Ihnen zu verabschieden.
Das Wort hat Frau Kollegin Schanzenbach.
' Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für jemanden, der seit 20 Jahren in diesem Parlament
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494 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Frau Schanzenbachin der Kriegsopferversorgung arbeitet, ist diese sehr lebhafte Debatte recht interessant und, ich muß sagen, auch ein bißchen amüsant gewesen, bei aller Aufregung, die hier zur Schau getragen worden ist.Ich frage mich nur: Warum haben wir denn einen Nachholbedarf in der Kriegsopferversorgung? Warum ist die CDU heute so energisch dabei, diesen Nachholbedarf aufzuholen? Denn soviel ich mich erinnere, hat die CDU 20 Jahre lang hier die Regierung gestellt und in diesem Parlament die Mehrheit gehabt.
Warum sind Sie nicht dem Beispiel Ihrer von mir sehr verehrten Frau Dr. Probst früher gefolgt? Ich glaube, es wäre ihr eine Genugtuung für all das, was sie in ihrer Fraktion durchfechten mußte, wenn sie den heutigen Tag noch hätte erleben dürfen. Denn allen Respekt vor dieser verstorbenen Kollegin gerade in dieser Frage! Ich meine, angesichts 20 Jahre Regierung der CDU sollten wir heute in der Kriegsopferversorgung keinen Nachholbedarf mehr haben.Deshalb bin ich sehr erfreut, daß die neue Regierung unter Bundeskanzler Brandt vier Wochen nach der Regierungserklärung diese wichtige Frage der Kriegsopferversorgung hier zur Diskussion stellt. In der Regierungserklärung vom 28. Oktober heißt es: Vom 1. Juli 1970 an werden die Kriegsopferrenten erhöht, sie werden jährlich der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt. Für mich ist es sehr wichtig, daß auch strukturelle Verbesserungen vorgesehen sind. Eine dieser wichtigen strukturellen Verbesserungen in diesem Gesetz ist die Erhöhung der Witwenrente auf die 60 %, die wir schon seit Jahren immer wieder gefordert haben. Es war geradeimmer ein Anliegen von Frau Dr. Probst, daß diese Angleichung stattfindet. Das ist also gar nicht neu; aber die Fraktion der CDU/CSU konnte sich bisher nicht durchringen. Ich freue mich, daß wir heute gemeinsam diese Forderung erheben, daß die Witwe künftig in der Grund- und Ausgleichsrente 60 % der Vollrente eines erwerbsunfähigen Geschädigten erhalten soll. Damit wird eine bisherige Schlechterstellung der Kriegerwitwen behoben; denn alle anderen Witwen, die ihre Rente aus der Unfallversicherung, der Invalidenversicherung oder der Beamtenversorgung erhalten, haben bisher immer schon 60 % bekommen.Für die etwa 1,1 Millionen Kriegerwitwen sind Leistungsverbesserungen von 584 Millionen DM nach dieser von uns eingebrachten Vorlage vorgesehen. Das sind mehr als 60 % der gesamten jetzt in dieser Gesetzesvorlage vorgesehenen Mehraufwendungen. Das wird sich praktisch so auswirken, daß die Witwe, die bisher eine Rente von 150 DM erhält, künftig 188 DM bekommen wird, und die Vollversorgung, die bisher 300 DM betrug, wird nun auf 376 DM angehoben.Auch der Schadensausgleich für die Witwen, der bisher im Höchstfall 250 DM betrug, soll nunmehr auf 290 DM angehoben werden. Zu der Frage desSchadensausgleichs muß ich allerdings sagen, daß es nur ganz, ganz wenige sind, die den vollen Betrag bekommen; alle anderen Beträge sind natürlich sehr gering. Ich kann nur sagen, es ist einfach bedauerlich, daß die Witwen 20 Jahre lang warten mußten, bis ihnen diese Gleichstellung zuteil wurde. SPD und auch FDP haben in früheren Jahren immer wieder versucht, diese Forderung durchzubringen, aber es ist uns leider nicht gelungen.Nun war ich, wie ich sagen muß, ein bißchen amüsiert, als ich in der Begründung des CDU-Gesetzentwurfes folgendes las:Es ist nicht einzusehen, weshalb die Kriegsopferwitwen nicht dieselben Renten erhalten sollen, wie sie die Witwen von Beamten und Sozialversicherungsrentnern seit langem bekommen.Das ist schon lange unsere Auffassung. Ich bin sehr erfreut darüber, daß wir hier an einem Strang ziehen. Ich hoffe, daß das ganze Haus in dieser Frage zu einem einstimmigen Beschluß kommen wird; denn wir alle, die wir diese Kriegsopferversorgung kennen, wissen, daß die Witwenversorgung im Grund genommen seit eh und je der schwächste Teil im Bundesversorgungsgesetz war.Die materielle Versorgung der Kriegerwitwen ist bis zum heutigen Tage unzureichend; denn wenn sie allein auf die Grund- und Ausgleichsrente angewiesen sind, leben sie am Rande des Existenzminimums. Von den 1 136 000 Witwen haben etwa 100 000 außer der Grund- und Ausgleichsrente kein Einkommen. Das heißt, diese Frauen haben in der Vergangenheit ein karges Leben geführt. Aber mehr als die Hälfte der Witwen — das ist eine sehr erstaunliche Zahl — bekommt nur die Grundrente. Das bedeutet, daß sie ein weiteres Einkommen haben. Dem ist zu entnehmen, daß sie in der Mehrzahl einer Erwerbsarbeit nachgehen. Es blieb ihnen ja auch gar nichts anderes übrig, wenn sie einigermaßen ein Leben führen wollten, wie das bei einer Normalfamilie in unserem Lande heute der Fall ist. Wenn die Grund- und Ausgleichsrente nur 300 DM beträgt und auch nur eine kleine Schadensausgleichsrente dazukommt, entspricht das nicht dem, was für unseren Lebensstandard von heute notwendig ist.Was ich in all den Jahren — mit mir alle Witwen und viele Rechtdenkende — als große Ungerechtigkeit empfunden habe, ist, daß diejenigen, die ins Erwerbsleben gegangen sind, wesentliche Kürzungen ihrer Renten auf Grund der Anrechnungsbestimmungen in Kauf nehmen mußten. Das bedeutet, wer erwerbstätig war, bekam gar keine oder aber eine teilweise gekürzte Ausgleichsrente. Es ist eine Kürzung der Waisenrente erfolgt, die Kinder erhielten keine Ausbildungs- und keine Erziehungsbeihilfen, die Familien bekamen keine besonderen Leistungen aus der Kriegsopferfürsorge.
— Herr Maucher es kam ganz darauf an, wie hoch das Einkommen der Frau war. Wenn die Frau also ein, sagen wir einmal, ordentliches Einkommen in einem einigermaßen qualifizierten Beruf hatte, dann
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 495
Frau Schanzenbachstanden ihr keine Möglichkeiten der Hilfe nach der Kriegsopferversorgung mehr offen. Davon können viele ein Lied singen.Jedenfalls kann man sagen, daß gerade diese erwerbstätigen Kriegerwitwen in der Vergangenheit eine große Leistung vollbracht haben und daß diese Frauen dazu beigetragen haben, dem Staat sehr viel Geld zu ersparen. Ich bin der Auffassung, daß diesen Frauen Unrecht geschehen ist, wenn ich noch bedenke, welche Erziehungsaufgabe sie geleistet haben. Etwa die Hälfte dieser Witwen — wir hatten 1950 1,17 Millionen Kriegerwitwen — hat 1,5 Millionen Kriegerwaisen großgezogen. Es ist erstaunlich, daß fast alle diese Kinder einen Beruf erlernt haben und mit dem Gesetz nicht in Konflikt geraten sind. Wir haben den statistischen Nachweis, daß diese Kinder der Kriegerwitwen weniger straffällig geworden sind, weniger öffentliche Erziehung in Anspruch genommen haben als Kinder aus normalen Familien. Das heißt doch, daß diese Mütter eine ganz außergewöhnliche gesellschaftspolitische Leistung vollbracht haben und daß sie daneben ihr persönliches Schicksal gemeistert haben. Viele dieser Frauen — das möchte ich gerade hier im Parlament sagen — haben aber nicht nur für ihre Kinder und für ihre eigene Familie gesorgt, sondern haben darüber hinaus auf allen Ebenen unseres Staates an seinem Aufbau teilgehabt,
angefangen von den Frauen, die in den Kriegsopfer-verbänden sind, die in den Gemeinden mitarbeiten, I bis zu den Frauen, die hier im Parlament mitgeholfen haben, die Gesetzgebung zu gestalten.Aber nun kommt für diese Kriegerwitwen eine, ich möchte fast sagen, neue Zeit. Das Durchschnittsalter dieser Witwen ist 62 Jahre. Sie scheiden jetzt aus dem Erwerbsleben aus; die Probleme der älteren Menschen kommen nun auf sie zu. Da ist es besonders wichtig, daß sie im Alter ohne wirtschaftliche Sorgen leben können. Gerade für diese Frauen — und darum bin ich so froh, daß wir schon heute über diesen Antrag reden können — ist die Anhebung ihrer Grund- und Ausgleichsrenten besonders wichtig, aber auch aus dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit heraus. Die Kriegerwitwen haben es tatsächlich verdient, daß das Parlament ihre wirtschaftliche Situation verbessert, und ich kann nur hoffen, daß wir gerade in dieser Frage im Ausschuß eine gute gemeinsame Lösung finden werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Infolge einer Panne, die ich zu vertreten habe, liegt ein Antrag, den ich formuliert habe, hier noch nicht vor. Ich möchte ihn aber hier nennen, damit er ohne weiteres in die Beratung gehen kann, ohne daß hier im Plenum noch etwas geschieht.
Entschuldigen Sie, Herr Kollege Schellenberg, ich will den Antrag nicht behandeln, ich will ihn nur ankündigen.
Herr Kollege, wir können keine Anträge begründen, die dem Hause nicht vorliegen.
Herr Präsident, ich begründe sie auch nicht, ich kündige sie nur an, damit klar ist, daß diese Anträge kommen, und damit vor allem der Herr Vorsitzende des Ausschusses im Bilde ist. Das habe ich getan. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in den letzten Tagen des öfteren meine Auffassung über die finanzwirtschaftliche Entwicklung in Bund, Ländern und Gemeinden dargelegt. Um so erfreuter war ich, als ich heute vormittag von dem Vorschlag des Herrn Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Kenntnis nehmen konnte.
Herr Kollege Barzel hat gemeint, daß wir uns auf einer Basis verständigen könnten, die ich nicht noch einmal darstellen muß.
Ich darf Sie bitten, bei Ihren Überlegungen zu beachten, daß wir nicht nur hinsichtlich der Kriegsopferversorgung eine am 1. Januar 1970 in Kraft tretende Regelung durchführen müssen, sondern daß man in die weiteren Überlegungen auch den öffentlichen Dienst einbeziehen muß. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ist, wie Sie wissen, zum 31. Dezember 1970 gekündigt. Es würde doch in unser aller Interesse liegen, wenn möglichst bald eine Verständigung zwischen den Tarifpartnern erfolgen könnte, die ja auch Auswirkungen auf die Beamtenbesoldung hat. Ich meine, das müßte man in dieses Paket einbeziehen.
Außerdem bitte ich die Damen und Herren, auch daran zu denken, daß wir, ganz gleich, wie man den Ausgangspunkt beurteilt, verpflichtet sind, für die Einkommensverluste der Landwirtschaft einzutreten. Wir können diesen dritten Punkt nicht unbeachtet lassen, wenn wir nicht in einem Kreise von Menschen, die in den letzten Jahren viele Sorgen gehabt haben, noch mehr Sorgen und Unruhe entstehen lassen wollen.
Wenn es hier zu einer Verständigung käme, würde das selbstverständilch insbesondere von mir begrüßt werden. Im Einverständnis mit dem Herrn Bundeskanzler habe ich hinzuzufügen, daß die Bundesregierung unter diesen genannten Voraussetzungen keine Einwendungen erhebt, wenn alle Anträge und Vorlagen mit finanzwirtschaftlichen Auswirkungen in zweiter und dritter Lesung gemeinsam
496 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
mit der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts beraten werden.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache wieder eröffnet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Fraktion bedanke ich mich bei dem Herrn Bundesfinanzminister, daß er es fertiggebracht hat, so schnell auf das Angebot der Fraktion von heute morgen zu reagieren.
— Sie sollten doch dankbar sein, wenn wir in aller Sachlichkeit versuchen, hier ein Klima zu schaffen, das uns die wichtigen Aufgaben in Zukunft gemeinsam lösen läßt, meine Damen und Herren.
Herr Bundesfinanzminister, nur der Vollständigkeit halber möchte ich in das Tableau natürlich auch die steuerlichen Vorlagen einbezogen sehen, die man nicht außerhalb der Belastungen, die Sie mit Recht hier vorgetragen haben, sehen kann.
Ich bitte Sie also, auch diese Frage mit einzubeziehen. Dann werden wir uns sehr schnell über das
verständigen, was heute morgen angekündigt worden ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Selbstverständlich sind alle Vorlagen einbezogen.
Ich glaube, ich habe mich da eindeutig ausgedrückt. Wir müssen eine Sonderbehandlung vornehmen bei den Kriegsopfern, beim öffentlichen Dienst und bei der Landwirtschaft. Alle anderen Vorlagen sollten wir, wenn die Fraktionen des Hauses damit einverstanden sind, jedenfalls nach der Vorstellung der Bundesregierung — ich habe mich deswegen mit dem Herrn Bundeskanzler abgestimmt — mit der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts verbinden.
Zu den Punkten 2 a bis 2 c liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Punkte 2 a, 2 b und 2 c dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als federführendem Ausschuß und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Es sind keine weiteren Anträge dazu gestellt. — Ich stelle fest, daß die Vorlagen entsprechend überwiesen sind.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 3 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
— Drucksache VI/86 —
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baier .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Antrag der CDU/CSU zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes kurz zu begründen und möchte vorausschicken: es ist selbstverständlich, daß auch dieses Gesetz hinsichtlich der zweiten und dritten Beratung unter das Angebot fällt, das heute der Fraktionsvorsitzende Dr. Barzel gemacht hat und soeben von Herrn Bundesfinanzminister Möller akzeptiert worden ist, und damit in zweiter und dritter Lesung nicht vor der Einbringung des Bundeshaushalts beraten werden kann.
Die Verantwortung für die Gesamtfinanzen hat selbstverständlich auch in diesem Punkt die Priorität.
Einige Worte zur Begründung dieses Gesetzentwurfs.
Herr Kollege, da ist eine Zwischenfrage des Kollegen Glombig.
Vielen Dank. Aber ich habe nicht viel Zeit und möchte mich jetzt nicht auf Zwischenrufe einlassen.
Der Entwurf zur Anhebung des Kindergeldes sieht vor, daß mit dem 1. Januar 1970 das Kindergeld vom dritten Kind an um 10 DM erhöht werden soll. Diese Anhebung erscheint dringend geboten — wir haben das in der Begründung auch angeführt —; denn die Anhebung der Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz ist seit 1964 vom dritten Kind an, seit 1961 beim zweiten Kind, nicht erfolgt, obwohl gleichzeitig die durchschnittlichen Einkommen im Zeitraum zwischen 1964 und 1970 eine Steigerung um 50 % erfahren und obwohl gleichzeitig eine ständige Verteuerung der Lebenshaltungskosten zu verzeichnen ist, was insbesondere die Familie mit Kindern trifft.Aus dieser Sicht ist es notwendig, nun diesen Schrittzu tun, der sich auf einen Antrag stützt, den CDU/
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 497
BaierCSU und SPD im Frühjahr in diesem Hause eingebracht haben. Danach sollen als Vorwegmaßnahme vor der Gesamtreform des Familienlastenausgleichs die Kindergeldleistungen ab 1970 an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden, und deshalb soll nach unserem Antrag mit Wirkung vom 1. Januar 1970 zunächst — zunächst! — das Kindergeld vom dritten Kind an um 10 DM erhöht werden.Zum zweiten beantragen wir in Anlehnung an den § 56 BVG, der heute hier schon zum Tragen kam, die Einführung eines § 10 a beim Bundeskindergeldgesetz, wonach die Regierung erstmals Ende 1970 zu berichten hat, inwieweit auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung eine Anpassung der Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz geboten ist.
— Auf einen so unsachlichen Hinweis, verehrter Herr Glombig, gebe ich Ihnen keine Antwort.
Offensichtlich sind Sie heute hier durch diesen verantwortungsvollen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der Sie alle sehr nervös macht, sehr überrascht worden.
Mit der Einführung des § 10 a wollen wir, daß auch eine ständige Überprüfung der finanziellen Lage der Familien erfolgt und daß die soziale Sicherung der Familien, ohne daß eine Massenorganisation dahintersteht, eben auch auf dem Tisch des Hauses in unserer Verantwortung bleibt.Die beabsichtigte Leistungsverbesserung darf nicht einer Gesamtreform des Familienlastenausgleichs entgegenstehen und angesichts der finanziellen Situation nur ein erster Schritt sein. Wir alle haben uns zu einer großen Reform des Familienlastenausgleichs hier im Hause bekannt. Dem ersten Schritt sollte, sobald es möglich ist, ein weiterer mit dem Abbau der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld und schließlich auch in der Anhebung des Zweitkindergeldes von 25 DM folgen.Was die Deckung des finanziellen Mehrbedarfs betrifft, so darf ich darauf hinweisen, daß wir den einstimmigen Beschluß in diesem Hause hatten und daß sich die alte Regierung auf die Verwirklichung dieses Beschlusses eingerichtet hatte. Wir können wohl erwarten, daß auch die neue Bundesregierung diesen einstimmigen Beschluß des Bundestages vom Frühjahr dieses Jahres akzeptiert und in ihrer mittelfristigen Finanzplanung und Haushaltsplanung berücksichtigen wird.Natürlich ist das letztlich eine Frage des Ranges oder der Priorität, die wir hier setzen. Wir in der CDU/CSU meinen — und ich glaube, hier sollten wir nicht alleinstehen —, daß die Verbesserung des Familienlastenausgleichs einen hohen Rang hat, den wir alle anerkennen. Damit diese Forderung des Bundestages realisiert werden kann, wird dieser Antrag der CDU/CSU vorgelegt. Wir bitten umÜberweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß.
Das \\/Tort hat der Herr Kollege Professor Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf der CDU hat eine kurze, aber eindrucksvolle Vorgeschichte.
Gestern abend um 18.40 Uhr sprach mich Herr Kollege Rasner auf der Treppe an
und sagte mir: „Hier haben wir einen Gesetzentwurf, wir wollen ihn morgen auf die Tagesordnung bringen; wenn Sie nicht damit einverstanden sind. werden wir dennoch im Rahmen der Kriegsopferdebatte darüber sprechen."
Die Sorgen von Herrn Rasner waren natürlich ungerechtfertigt. Denn selbstverständlich stellen die Sozialdemokraten sich immer einer sozialpolitischen Debatte.
Aber es ist unerfindlich — das muß ich wohl sagen —, warum gestern abend unter Zeitdruck von der CDU/CSU gesagt wird: „Die Sache muß heute zur Beratung in die erste Lesung", und der heutige Tag mit jenen Ausführungen von Herrn Barzel beginnt, die besagen, daß so eilig die Sache nun doch nicht ist; denn es soll mal erst die zweite und dritte Lesung des Haushalts vor der Beschlußfassung auch über diese Vorlage abgewartet werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rasner?
Ja, gerne.
Herr Kollege Professor Schellenberg, erinnern Sie sich, daß unsere beiden Fraktionen die Kriegsopferversorgung und das Kindergeldgesetz in eine gemeinsam vorgelegte Entschließung gebracht haben und daß deshalb eine gemeinsame Aktion auch im nächsten Bundestag gemeinsam fortgesetzt werden sollte?
Herr Kollege Rasner, Sie irren. Die Entschließungsanträge — sehr ver-
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498 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Dr. Schellenbergschiedene Entschließungsanträge — sind bei der dritten Lesung des Haushalts 1969 eingebracht worden. Sie standen aber keineswegs in einem unlösbaren Zusammenhang, und sie wurden auch nicht zusammenhängend diskutiert. Da läßt Sie Ihr sonst so hervorragendes Gedächtnis im Stich, Herr Kollege Rasner.
— Die gesamte Sozial- und Gesellschaftspolitik steht im Zusammenhang, aber auch im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftspolitik.
— Meine Damen und Herren von der CDU, ich freue mich sehr über Ihren Beifall. Aber das, was Sie in den letzten vier Wochen hier an Gesetzentwürfen dargeboten haben, entspricht nicht diesem Grundsatz. Dieser Gesetzentwurf erfordert im ersten Jahr ein Volumen von 400 Millionen DM, das sich durch die Anpassungsklausel im Jahre 1971 noch sehr erheblich, und zwar in der Größenordnung von 600 Millionen DM, erhöhen würde.Nun hat die CDU/CSU in ihren Antrag — Herr Kollege Baier hat das auch kurz angedeutet -- auf die Entschließung zur Familienpolitik Bezug genommen. Der Gesetzentwurf ist so überhastet erstellt worden, daß die Begründung einen Fehler enthält.
— Sie sprechen von einer Entschließung von März 1968, Es muß „März 1969" heißen. Sie haben den Entwurf so schnell gemacht, daß Sie ihn noch nicht einmal durchlesen konnten.
Auch die Entschließung, auf die Sie Bezug nehmen,haben Sie nicht gründlich gelesen. In der Entschließung heißt es nämlich, daß im Laufe des Jahres 1970
die Anpassung der Kindergeldleistungen erfolgen soll. Was beantragen Sie nun jetzt? Inkrafttreten am 1. Januar 1970. Das ist finanzwirtschaftlich ein beachtlicher Unterschied.
Im übrigen hat sich die CDU bezüglich des Inkrafttretens konkret festgelegt. Im „Sozialpolitischen Schwerpunktprogramm" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die 6. Legislaturperiode vom 20. August heißt es wörtlich:Dementsprechend wird vorgeschlagen, ab 1. Juli 1970 zugleich mit Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes die Kindergeldsätze ab 3. Kind jeweils um 10,— DM aufzustocken.Das geschah damals in Regierungserwartung. Aber jetzt als Opposition haben Sie offensichtlich die Grundsätze einer systematischen, vorausschauenden Finanzpolitik, buchstäblich über Nacht aufgegeben.
Ja, bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Professor Schellenberg, wenn Sie schon davon reden, daß wir die Grundsätze ordnungsgemäßer Finanzpolitik deshalb aufgegeben hätten, weil wir vom 1. Juli auf den 1. Januar gegangen seien, würden Sie dann noch behaupten wollen, daß Sie sich an die Grundsätze ordnungsgemäßer Finanzpolitik halten, wenn Sie die Ergänzungsabgabe bereits am 1. Januar senken wollen?
Meine Damen und Herren, über diese Frage ist bereits sehr ausführlich in der Aussprache über die Regierungserklärung geredet worden, und ich halte es im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht für ratsam, das Thema, das nachher wieder behandelt wird, aufzugreifen.
— Aber, meine Damen und Herren, wir haben darüber in der Aussprache über die Regiexungserklärung und über den Rentnerkrankenversicherungsbeitrag gesprochen und sprechen darüber nachher weiter. Jetzt stelle ich fest, daß die CDU von ihrem Schwerpunktprogramm beim Kindergeld abweicht.Wir Sozialdemokraten bekennen uns bezüglich der Familienpolitik zu dem Inhalt des Entschließungsantrags, den wir, den das ganze Haus am 28. März 1969 beschlossen hat. Die Familien können sich darauf verlassen, daß die Leistungen beim Kindergeld im Laufe des Jahres 1970 verbessert werden. Entsprechend der Regierungserklärung werden nicht nur die Leistungen beim Kindergeld, sondern auch die Steuerbegrünstigungen und andere materielle Hilfen für Familien aufeinander abgestimmt und zu einem einheitlichen, gerechten System zusammengefaßt werden.Aber, meine Damen und Herren, es ist völlig unmöglich, in den ersten Monaten einer von Sozialdemokraten geführten Bundesregierung die Fehler und Versäumnisse von Jahren und Jahrzehnten einer CDU-Familienpolitik zu beseitigen.
Auch die Leistungen für Familien müssen in die mittelfristige Finanzplanung eingebaut werden. Das wird geschehen. Das entspricht den Grundsätzen finanzieller Solidität. Das entspricht auch den Prinzipien — auf die Sie früher so stolz waren — der Koordinierung von Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wer diese Grundsätze mißachtet — und angesichts Ihrer Entwürfe muß man leider den Eindruck haben, daß dies geschieht —, hilft nicht den Familien, sondern macht sie — das war das traurige Ergebnis des Jahres 1966 — zum Opfer einer verfehlten Politik.Meine Damen und Herren, wir werden nicht zulassen, daß das geschieht. Wir werden die Leistungen für die Familien systematisch und im Einklang mit der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung ausbauen und dabei Schritt um Schritt den bisheri-
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Dr. Schellenberggen erheblichen schweren Benachteiligungen gegenüber den Familien ein Ende machen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Kollege Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Notwendigkeit der Verstärkung des Familienlastenausgleichs ist nicht neu. Sie war Thema der gemeinsamen Erklärung der drei Bundestagsfraktionen vom März 1969. Auch die Regierung Kiesinger hat sich im Rahmen der Tarifgespräche im öffentlichen Dienst und in einem Kabinettsbeschluß vom 23. September 1969 ausdrücklich dazu bekannt. Allerdings ist es bei diesem Lippenbekenntnis geblieben.
Sie alle, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, erinnern sich doch noch der Kritik, die Ihre Kollegen Wuermeling und Süsterhenn hier in diesem Hause an der Politik der Regierung Kiesinger im Bereich der Familie geübt haben. Sie kennen wohl auch den Brief Ihrer Kollegen Wuermeling und von Eckardt vom 14. September 1969 an den damaligen Bundeskanzler Kiesinger, in dem zum Ausdruck kam, daß das Vertrauen der Familien in die Politik der damaligen Bundesregierung infolge der seit fünfeinhalb Jahren ausstehenden Anpassung der Kindergeldsätze an die Lohn- und Preisentwicklung ernsthaft gefährdet sei. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, es ist unbestritten, daß ein Nachholbedarf vorhanden ist. Ich meine aber, dieser Nachholbedarf ist insbesondere bei Ihnen vorhanden. Wer hat denn — so frage ich Sie — in den vergangenen fünfeinhalb Jahren und nicht nur in diesen fünfeinhalb Jahren, sondern seit 20 Jahren die Familienpolitik in diesem Hause verantwortlich geleitet? Das war doch die CDU/CSU. Es war Bundeskanzler Kiesinger, der die Richtlinien der Politik der letzten Regierung bestimmt hat.
Herr Kollege Jung, der Herr Kollege Ott möchte gern eine Zwischenfrage stellen.
Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Jung, würden Sie mir bestätigen, daß Ihre Fraktion in diesen 20 Jahren durch aus Ihren Reihen kommende Bundesfinanzminister die Möglichkeit gehabt hätte das zu tun, worauf sich Ihre Kritik an uns jetzt bezog? Sie saßen 18 Jahre in der Regierung!
Wenn Sie Ihre Anträge hier mit dem entsprechenden Nachdruck vertreten hätten und wenn der von Ihnen gestellte Bundeskanzler, der ja immer die Richtlinien der Politik bestimmt hat, diese Familienpolitik als notwendig erachtet hätte, hätten Sie diese Politik gemeinsam mit uns und gemeinsam mit der SPD-Fraktion durchsetzen können. Herr Kollege Ott, ich habe aber den Eindruck, daß Sie nach dem Konkurs Ihrer Familienpolitik jetzt durch die Vorlage, die Sie gestern abend ohne Begründung auf den Tisch gelegt haben, noch schnell zu einem Vergleich kommen wollen, damit Ihr totales Versagen etwas kaschiert wird.
Ich kann mich dem anschließen, was Herr Kollege Schellenberg hier eben sagte, nämlich daß wir, die SPD- und FDP-Fraktion, uns dieser Frage im Rahmen der Steuerreform und im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung ernsthaft annehmen und es nicht, wie die Regierung Kiesinger es gemacht hat, bei Lippenbekenntnissen belassen werden. Es ist doch eine unseriöse Methode, so zwischen Dunkel und Siehst-mich-Nicht einen Antrag einzubringen — ohne eine entsprechende Begründung und ohne auch einen Deckungsvorschlag zu machen —, der immerhin, wie ja schon angedeutet wurde, Kosten in Höhe von 400 Millionen DM verursacht. Ja, Herr Kollege Baier, Sie sagten, wir seien überrascht worden. Aber überrascht waren wir nur über die Widersprüchlichkeit Ihrer Fraktion.
Es wurde wiederholt gesagt, daß heute früh Herr Kollege Barzel und Herr Kollege Stoltenberg die Politik der leichten Hand verurteilt haben. Andererseits aber bringen sie einen Antrag ein, mit dem sie ein Füllhorn ausschütten wollen, ohne dafür Dekkungsvorschläge zu haben.
Es ist auch gesagt worden, daß sich diese neue Regierung erst einmal mit dem beschäftigen muß, was Sie hinterlassen haben, Wir haben ja auch gehört, daß gerade in der Finanzpolitik einige Dinge noch der Klärung bedürfen.
Ich gebe Ihnen gleich das Wort, Herr Kollege. — Entschuldigen Sie, das macht der Präsident; aber ich lasse gleich eine Zusatzfrage zu.
Vielen Dank, Herr Kollege. Bitte schön!
Herr Kollege Jung, darf ich Ihnen und noch einigen Kollegen von den Regierungsfraktionen etwas haushaltspolitischen Nachhilfeunterricht geben,
indem ich noch einmal frage, ob Sie nicht begreifen, welcher Unterschied zwischen der Einbringung eines ausgabenwirksamen Gesetzesantrages und der zweiten und dritten Lesung und der Beschlußfassung und damit dem Inkrafttreten ist? Das ist doch der gravierende Punkt: daß wir die endgültige Beschlußfassung zurückstellen wollen,
um Ihnen endlich die Chance zu geben, die mittelfristige Finanzplanung zu machen.
500 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26, November 1969
Herr Kollege Baier, ich bin Ihnen dankbar für den Hinweis, der von der Sache her natürlich jedem einzelnen in diesem Hause völlig klar ist. Aber Sie verdeutlichen hier, daß es Ihnen bei diesem Antrag offensichtlich mehr auf Klamauk und Propaganda ankam als auf die wirkliche Durchsetzung.
Herr Kollege Baier, Sie haben ja im Haushaltsausschuß die Möglichkeit, die Dinge exakt zu prüfen. Ich sage Ihnen nur: der jetzige Vorsitzende des Haushaltsausschusses wird dann auch klären können — ich sage Ihnen das, weil es mir erst jetzt bekannt wurde —, wieso die mittelfristige Finanzplanung durch den Finanzminister, der von Ihnen gestellt wurde und in dessen Ressort der jetzige Vorsitzende des Haushaltsausschusses als Parlamentarischer Staatssekretär tätig war, nicht fortgeschrieben wurde. Wir sehen uns jetzt z. B. vor die Tatsache gestellt, daß wir beim Devisenausgleich in 1969 noch einmal 800 Millionen DM zusätzlich aufnehmen müssen.
Herr Kollege, zwei Kollegen möchten Zwischenfragen stellen.
Bitte sehr.
Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie soeben geäußert haben, der Herr Bundesfinanzminister sei einem Klamauk aufgesessen?
Da haben Sie mich völlig mißverstanden. Ich habe dem Herrn Kollegen Baier auf seine Zwischenfrage gesagt, es werde hier deutlich, daß es Ihnen mehr auf Propaganda und Klamauk ankomme als auf die Sache.
Würden Sie, Herr Kollege, die weitere Zwischenfrage — des Herrn Kollegen Ott — zulassen?
Ja, natürlich.
Bitte schön.
Herr Kollege Jung, da Sie jetzt bestätigt haben, dem Herrn Kollegen Baier Klamauk und Propaganda unterstellt zu haben,
darf ich Sie fragen, ob es Ihnen auf Klamauk und Propaganda angekommen ist, wenn Sie jetzt bereits für das Jahr 1971 die völlige Beseitigung der Ergänzungsabgabe ins Auge gefaßt haben?
Nein, es kam uns nicht auf Klamauk an,
sondern auf die konsequente Fortsetzung der von der FDP hier in diesem Hause vertretenen Auffassung, daß die unbefristete Ergänzungsabgabe verfassungswidrig ist. Darauf kam es uns an. Deswegen haben wir hier Termine gesetzt.
Herr Kollege Jung, der Herr Kollege Stoltenberg hat noch eine Zwischenfrage.
Können Sie begründen, Herr Kollege Jung, warum finanzwirksame Anträge der Koalition, die Geld kosten oder Steuereinnahmen verringern, konsequent und konjunkturgerecht sind, während Anträge der Opposition, die Geld kosten, konjunkturwidrig und Klamauk sind?
Herr Kollege Stoltenberg, ich glaube, Sie haben meinen Ausführungen nicht genügend Aufmerksamkeit zugewandt.
Ich habe nicht gesagt, daß die Anträge der Opposition grundsätzlich Klamauk sind.
— Ich habe nicht gesagt, daß die Anträge der Opposition, die ausgabewirksam sind, Klamauk und die der Regierungskoalition, die ausgabewirksam sind, kein Klamauk sind. Ich habe auf Ihre Zwischenfrage, Herr Kollege Baier, Ihnen gesagt, daß ich den Eindruck habe, daß dieser Ihr Antrag eben Klamauk und Propaganda ist, weil Sie hier nochmals die Selbstverständlichkeit verdeutlichten, daß dieser Antrag erst in den Ausschüssen beraten und im Haushaltsausschuß endgültig verabschiedet werden muß.
Ich möchte zusammenfassend sagen: Den Familienlastenausgleich zu lösen, ist eine ernste Aufgabe, und das bedarf ernsthafter Vorbereitungen.
Im Gegensatz zu Ihnen und Ihrer Familienpolitik — und das wiederhole ich jetzt noch einmal, denn sie wurde von Ihren Kollegen hier in diesem Hause kritisiert, und durch einen Brief an den damaligen Bundeskanzler Kiesinger auch bestätigt — wird diese Regierungskoalition die Familienpolitik ernsthaft und verantwortungsbewußt im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung
durchführen und die notwendige Anpassung mit Sicherheit vornehmen.
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Meine Damen und Herren! Ich habe gerade mit den Herren Geschäftsführern eine Verständigung dahingehend erzielt: Wir wollen bis etwa 13.30 Uhr tagen in der Hoffnung, daß wir bis dahin den Tagesordnungspunkt 4 — Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften — noch behandeln können. Wir könnten dann den Rest der Tagesordnung am Freitag erledigen, weil morgen nur eine Fragestunde vorgesehen ist.
Das Wort hat jetzt die Frau Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir liegt daran, zu dem hier anstehenden Thema kurz folgendes zu sagen. Diese Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Familienlastenausgleich grundlegend zu reformieren. Dies wird im Zusammenhang mit der großen Steuerreform geschehen. Da diese umfangreiche gesetzgeberische Aufgabe der Vorarbeit bedarf, die bereits eingeleitet ist, aber doch noch Zeit braucht, ergibt sich notwendigerweise, daß vorher eine Aufstockung des Kindergeldes erfolgt, um die Familieneinkommen der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen.Herr Kollege Baier hat schon gesagt, daß die Kindergeldsätze seit 1964 gelten. Beim Zweitkindergeldgesetz, für das die CDU/CSU in diesem Gesetzentwurf keine Erhöhung vorsieht — auch nicht für die Zweitkinderfamilien, deren Einkommen unter 650 DM im Monat liegt —,
ist die Erhöhung sogar letztmals 1961 erfolgt.Nun hat der Herr Bundeskanzler bereits in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 ausgeführt, über die Erhöhung des Kindergeldes sollte im Jahre 1970 entschieden werden. Das ist im Grunde genommen auch nichts anderes als das, was Herr Barzel heute angeboten hat, als er sagte, es sollte darüber beim Haushalt 1970 entschieden werden. Sie haben also jetzt mit der Regierungserklärung gleichgezogen.Dies ist auch absolut im Einklang mit der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 28. März 1969, in der es heißt:Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, bei der Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes sicherzustellen, daß die bisher erst für 1972 vorgesehene Verbesserung des Kindergeldes schon im Laufe des Jahres 1970 wirksam werden kann.Her Baier, ich betone das deswegen, weil heute in der „Welt" im Zusammenhang mit der Vorlage des Gesetzentwurfes der CDU/CSU wörtlich folgendes gesagt wird:Man erinnert jedoch daran, daß schon die Regierung der Großen Koalition vorgesehen hatte, für die Erhöhung der Kindergelder im Jahre 1970 einen Betrag von 400 Millionen DM einzusetzen.Das stimmt nicht. In der mittelfristigen Finanzplanung ist eben erst ab 1972 ein Betrag von 200 Millionen DM für die Erhöhung des Kindergeldes vorgesehen gewesen. Sie muß also jetzt geändert werden, um eine Erhöhung des Kindergeldes vorher möglich zu machen. Mir liegt daran, das hier richtigzustellen, weil in der Zeitung der Eindruck erweckt wird, das Geld sei ja schon von der Regierung der Großen Koalition vorgesehen gewesen. Dazu kommt außerdem, daß eben über den Gesamtbetrag der Erhöhung des Kindergeldes, über den Zeitpunkt und über den Umfang der Erhöhung noch im einzelnen im Zusammenhang mit der finanziellen Absicherung, die ja unbedingt notwendig ist für den Haushalt 1970 und für die mittelfristige Finanzplanung, in der Regierung entschieden werden muß. Die Anpassung des Kindergeldes an die wirtschaftliche Entwicklung ist bereits in die im Gang befindlichen Beratungen im Kabinett über den Haushalt 1970 und die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung einbezogen. Mir lag daran, das hier festzustellen.Lassen Sie mich noch ein Wort im Zusammenhang mit der Reform des Familienlastenausgleichs sagen. Die Herren Barzel und Katzer hatten bei der Debatte über die Regierungserklärung den Vorwurf erhoben, daß das Wort Familienlastenausgleich in der Regierungserklärung nicht vorkomme. Ich möchte mit allein Nachdruck die Gelegenheit benutzen, um darauf aufmerksam zu machen, daß es in der Regierungserklärung wörtlich heißt:Kindergeld, Steuerbegünstigungen und andere materielle Hilfen für die Familien müssen aufeinander abgestimmt und zugleich mit dem weiteren Ausbau der Ausbildungsförderung verbunden werden.
Dieser Satz, dem weitere zum gleichen Thema in der Regierungserklärung folgen, macht doch ganz deutlich, wie umfassend diese Regierung an die Reform des Familienlastenausgleichs herangehen will. Die Regierungserklärung zeigt auch, daß die gesamte Politik der Bundesregierung der Familie dienen soll. Das gilt z. B. in hohem Maße auch für die beabsichtigten Schritte in der Bildungspolitik, das gilt insbesondere für die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die doch dafür sorgen muß, daß das Steigen der Lebenshaltungskosten abgefangen wird und der Familie im Zuge der konjunkturellen Entwicklung nicht das genommen wird, was ihr zu Recht über Steuergelder im Wege der Erhöhung des Kindergeldes gegeben werden soll.Meine Damen und Herren, diese Darlegungen wollte ich machen. Ich hoffe, daß dadurch klar ist, daß die Erhöhung des Kindergeldes auch von der Bundesregierung beabsichtigt ist. Was ich allerdings hier nicht sagen kann, sind Details, Einzelheiten über den Inhalt der zu erwartenden Regierungsvorlage. Da gelten für das Ressort Jugend, Familie und Gesundheit die gleichen Grundsatzbeschlüsse, wie sie das Bundeskabinett am 12. November über finanzwirksame Ausgaben gefaßt hat.Zum Schluß möchte ich auch noch sagen: im Lichte der Erklärung, die heute früh Herr Kollege Barzel
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Bundesminister Frau Strobelabgegeben hat, im Lichte des Inhalts Ihres sozialpolitischen Wahlprogramms, das eben Herr Kollege Schellenberg zitiert hat, ist die Vorlage Ihres Gesetzentwurfs heute mit dem Inhalt, daß ab 1. Januar 1970 die Erhöhung erfolgen soll, mindestens sehr, sehr widersprüchlich.
Ich versuche, in der Beurteilung sehr zurückhaltend zu sein.Dazu noch den Hinweis, daß außerdem in der „Welt" von heute noch steht:Als zweite Stufe ihres familienpolitischen Programms befürworten die Christlichen Demokraten, zum 1. Januar 1971 die Einkommensgrenze aufzuheben, die für den Anspruch auf Kindergeld für die Zweitkinder gegeben ist, und als dritte Stufe zum 1. Juli 1971 die Erhöhung des Zweitkindergeldes von 25 auf 35 DM.Das würde zusammen 1,35 Milliarden — —
— Das steht nicht in Ihrem Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren, mir kommt es nur darauf an, festzustellen, daß hier Erwartungen erweckt werden, von denen auch in Ihrem Gesetzentwurf nichts steht.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache über diesen heute morgen noch aufgenommenen Punkt. Es ist vorgeschlagen Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Jugend-, Familien- und Gesundheitsfragen — federführend —, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend -, an den Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Es liegen keine anderen Anträge vor. — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften
— Drucksache VI/75 —
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung schlägt in dem vorliegenden Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1970 vor, ab 1. Januar 1970 den Arbeitnehmerfreibetrag von zur Zeit 240 DM auf 480 DM jährlich zu verdoppeln und die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer stufenweise abzubauen. Hierdurch ergeben sich im Entstehungsjahr 1970 Steuermindereinnahmen von insgesamt 1,1 Milliarden DM, und zwar durch die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrags 900 Millionen DM und durch den Abbau der Ergänzungsabgabe 200 Millionen DM.Der Arbeitnehmerfreibetrag in Höhe von 240 DM jährlich wurde ab 1. Januar 1965 zum Ausgleich dafür eingeführt, daß im Lohnsteuerabzugsverfahren die Steuer zeitnäher als im Veranlagungsverfahren entrichtet wird. Nach Auffassung der Bundesregierung stellt die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrages einen notwendigen Akt der sozialen Symmetrie dar. Trotz gleicher Tarifbelastung entstehen infolge unterschiedlicher Steuererhebungsformen und Einkunftsermittlungssysteme unzweifelhaft Nachteile für die Arbeitnehmer, denen durch den erhöhten Arbeitnehmerfreibetrag Rechnung getragen werden soll. Unternehmer haben zum Beispiel Gestaltungsmöglichkeiten bei Abschreibungen, Sonderabschreibungen und Investitionszulagen.Die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrags stellt keineswegs — das muß ich ganz besonders hervorheben — eine Bevorzugung der Arbeitnehmerschaft dar. Für andere Berufsgruppen bestehen bereits Vergünstigungen, nämlich der Freibetrag für freie Berufe von 1200 DM jährlich und der Freibetrag für Landwirte von 1200 DM bzw. 2400 DM bei Zusammenveranlagung.Zu der Behauptung, die Erhöhung des tariflichen Grundfreibetrages von zur Zeit 1680 DM jährlich sei gerechter, weil dadurch nicht nur Arbeitnehmer, sondern alle Steuerpflichtigen begünstigt würden, ist aus der Sicht des Bundesfinanzministers folgendes zu sagen:Durch die Erhöhung des Grundfreibetrages könnte die Frage der Erhöhung der Kinderfreibeträge und Erhöhung der Freibeträge für außergewöhnliche Belastungen ausgelöst werden. Die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags um 240 DM jährlich kostet zirka 900 Millionen DM. Eine Erhöhung des Grundfreibetrages um 250 DM jährlich würde zu Steuermindereinnahmen von 1,2 Milliarden DM führen. Die Kinderfreibeträge können aber meines Erachtens erst im Rahmen der Steuerreform bei der Entscheidung über die Familienbesteuerung überprüft werden.Bei der Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags handelt es sich um eine Sofortmaßnahme im Vorgriff auf die vorgesehene umfassende Steuerreform. Die Steuerreformkommission ist hierdurch jedoch nicht von ihrem Auftrag entbunden, auch auf diesem Gebiet Untersuchungen anzustellen. Die Überprüfung des derzeitigen Einkommensteuertarifs, der der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen Rechnung tragen soll, ist für die Steuerreformkommission ein Problem von besonderer Bedeutung. Die Überprüfung muß in erster Linie die Tarifgestaltung für die unteren und mittleren Einkommen, die Höhe des tariflichen Grundfreibetrags und der Kinderfreibeträge sowie das Ehegatten-Splitting betreffen. Bei einer sozial orientierten Verbesserung des Einkommensteuertarifs könnten gegebenenfalls bestimmte Freibeträge und andere Begünstigungen entfallen.Weiter wird behauptet, die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags sei zu gering, weil die durch-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 503
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerschnittliche Entlastung der Arbeitnehmer durch die vorgeschlagene Verdoppelung nur zu einer Steuererparnis von durchschnittlich 4 DM monatlich führt. Dem habe ich entgegenzuhalten, daß eine weitere Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags zur Zeit aus haushaltspolitischen Gründen ausgeschlossen ist. Z. B. würde eine Erhöhung auf 720 DM jährlich zwar zu einer weiteren Steuerentlastung von 4 DM monatlich für den Arbeitnehmer führen, die Haushaltsbelastung beträgt dann jedoch zusätzlich etwa 850 Millionen DM. Jede weitere Erhöhung erschwert außerdem die spätere Überprüfung mit dem Ziel, einen sozial orientierten Einkommensteuertarif zu erarbeiten.Die Bundesregierung hat auch die konjunkturellen Auswirkungen dieser Steuersenkung sorgfältig geprüft. Dabei hat sich ergeben, daß die Steuersenkung wirtschaftspolitisch unbedenklich ist, weil sich die, Kaufkraft, die durch die Steuersenkung freigesetzt wird, in elf Raten auf das Jahr 1970 verteilt, nach den Erklärungen, die heute abgegeben wurden, auf noch weniger Raten, aber immerhin mit Beginn des nächsten Jahres, ab 1. Januar 1970, worüber ich keinen Zweifel aufkommen lassen möchte. Eine langsam anlaufende Nachfragebelebung würde gut zu der erwarteten konjunkturpolitischen Entwicklung passen.Nun, meine Damen und Herren, ein Wort zur Ergänzungsabgabe. Die Ergänzungsabgabe ist zur Konsolidierung des Bundeshaushalts nach der finanzwirtschaftlichen Krise im Jahre 1966 eingeführt worden. Es war von vornherein vorgesehen, die Ergänzungsabgabe für einen begrenzten Zeitraum zu erheben. Nunmehr ist die Zeit für einen stufenweisen Abbau der Abgabe gekommen. Die Bundesregierung schlägt vor, ab 1. Januar 1970 unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige nur noch mit einem zu versteuernden Einkommensbetrag von mehr als 32 000 DM für Ledige und 64 000 DM für Verheiratete zur Ergänzungsabgabe heranzuziehen. Diese Maßnahme kommt insbesondere den Mittelschichten zugute.Ab 1. Januar 1971 soll die Ergänzungsabgabe ganz entfallen.Ihnen, meine Damen und Herren, ist bekannt, daß der Bundesrat im ersten Durchgang keine Einwendungen erhoben hat. Ich hoffe, daß sich eine Mehrheit des Hohen Hauses findet, die diesem Steueränderungsgesetz 1970 die Zustimmung gibt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dadurch, daß dieser Punkt erst jetzt auf die Tagesordnung kommt, haben sich gewisse Überschneidungen mit der Debatte von vorhin ergeben. Wenn hier gesagt worden ist, Herr Kollege Schellenberg, die Ergänzungsabgabe sei ja ein Punkt, der bereits in der Regierungserklärung und in der Aussprache dazu erörtert worden sei, oder wenn hier davon die Rede gewesen ist, daß durch die neue Vorlage meiner Fraktion bezüglich des Familiengeldes ein Klamauk entfesselt worden sei, so darf ich darauf verweisen, daß hier sehr wohl Zusammenhänge mit der Vorlage bestehen, über die wir jetzt beraten. Denn hier geht es eigentlich nur darum, welche Prioritäten gesetzt werden können und müssen. Meine Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß dem Familienlastenausgleich eine Priorität vor anderen steuermindernden Maßnahmen gebührt.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal zum Ausdruck. bringen, was mein Freund Leicht hier vorhin gesagt hat, und möchte meinen persönlichen Dank hinzufügen, auch an Ihre Adresse, Herr Bundesfinanzminister. Sehr verehrter Herr Kollege Möller: ich glaube, daß durch Ihre Erklärung die Dinge in eine sachliche Bahn laufen, daß wir nämlich alle Vorlagen — mit Ausnahme der Frage der Kriegsopfer, der öffentlichen Dienste und der Landwirtschaft — in der zweiten und dritten Lesung gemeinsam beraten, weil wir dann auch feststellen können, welche Prioritäten zu setzen sind, und weil wir dann auch auf den von Ihnen gegebenen Prioritätenkalender im einzelnen einzugehen vermögen.Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die jetzige Vorlage zu betrachten, eine Vorlage, die etwas inhomogen im Raum steht, weil sie zwei vollkommen verschiedene Elemente in sich zu vereinigen sucht — wahrscheinlich aus Gründen der Koalitionssymmetrie. Das ist aber offenbar bei allen Koalitionen so. Hier ist der Arbeitnehmerfreibetrag mit der Milderung und dem späteren Wegfall der Ergänzungsabgabe in einen Topf geworfen.Abgesehen von der Frage der Prioritäten und der Frage danach, ob vor Vorlage des Haushalts 1970/71 — es stehen jetzt zwei Jahre zur Debatte — und vor Vorlage der mittelfristigen Finanzplanung genügend geprüft worden ist, ob ausreichende Dekkungsmittel vorhanden sind, insbesondere wenn man weiß, daß z. B. die drei soeben genannten Gegenstände mit Sicherheit auf dieses Hohe Haus zukommen Kriegsopferversorgung, Aufwertungsverluste der Landwirtschaft, öffentliche Dienste —, muß man die Frage aufwerfen, ob dieses Steueränderungsgesetz zu dieser Stunde, vor Einreichung und Vorlage der mittelfristigen Finanzplanung in diesem Haus, sinnvoll erscheint oder nicht. Dazu kommt noch die konjunkturelle Lage. Wir haben gerade in dieser Woche mit steigender Entschiedenheit aus der Konzertierten Aktion, aber auch aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers vernommen: äußerste Zurückhaltung in der öffentlichen Ausgabenpolitik. Wir haben das Vorstelligwerden der beiden für die Ökonomie verantwortlichen Minister dieses Kabinetts, des Bundeswirtschaftsministers und des Bundesfinanzministers, erlebt, die offenbar dann auch den Beschluß des Kabinetts herbeigeführt haben, „die Entscheidung über sämtliche rechtlich noch nicht festgelegten Mehrausgaben und Mindereinnahmen erst in der Gesamtschau unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Zielwerte bei Fortschreibung des Finanzplanes zu fällen."
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504 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969
Dr. PohleIch danke dem Bundesfinanzminister auch dafür, daß er unzweideutig und wörtlich erklärt hat, daß gewisse Gesetzesvorlagen „wegen ihrer nachfragesteigernden Wirkung überhaupt nicht in die Konjunkturlage des ersten Halbjahres 1970 hineinpassen". Ich glaube, gerade diese Gesetzesvorlage, um die es sich hier handelt, ist wirklich eine prozyklische und keine antizyklische Gesetzesvorlage. Nach dem Stabilitätsgesetz sollten uns jetzt alle Maßnahmen recht sein, die antizyklisch und nicht prozyklisch wirken.Ich begrüße deshalb, daß sich der Bundesfinanzminister auch in einem Zeitungsinterview für eine Mäßigung des prozyklisch wirkenden Einflusses eingesetzt hat. In der Zeitung war gleichzeitig hervorgehoben, daß der Herr Bundesfinanzminister das „mit Erfolg" getan hat. Ich würde mich freuen, aus seinem Munde gelegentlich zu hören, worin dieser Erfolg bestanden hat.Man kann sehr wohl die Frage aufwerfen, ob man die Vorlage allgemein ablehnen und aus den so gewonnenen zusätzlichen Steuermitteln — denn diese Vorlage hat, je nach Jahresrechnung, Steuermindereinnahmen in Höhe von 1 bis 2 Milliarden DM zur Folge — entscheidende Weichen hinsichtlich des Familienlastenausgleichs stellen sollte.Wenn wir das nicht tun, sondern hier nur eine Sofortmaßnahme in bezug auf 10 DM Kindergeld angekündigt haben, die wir mit in die gemeinsame Beratung der Prioritäten einzubringen wünschen, dann deshalb, weil wir darüber befriedigt sind, aus dem Munde des Bundesfinanzministers heute gehört zu haben, daß alles zusammen in der zweiten und dritten Lesung geprüft werden soll. Infolgedessen können wir auch mit der heutigen Vorlage in die Ausschußberatungen eintreten und uns dort über Einzelheiten dieser Vorlage verständigen. Unter Einzelheiten dieser Vorlage, soweit der Arbeitnehmerfreibetrag in Frage kommt, verstehen wir z. B. die auch vom Herrn Bundesfinanzminister angeschnittene Frage, ob es nicht Alternativen gibt, die ebenso gut oder vielleicht besser sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat die Möglichkeit erwogen, sie dann aber abgelehnt, etwa an die Stelle des Arbeitnehmerfreibetrages eine Erhöhung des Grundfreibetrages treten zu lassen. Diese Erhöhung des Grundfreibetrages würde dann auch dem kleinen Rentner, dem Kleingewerbetreibenden und dem Selbständigen zugute kommen. Dieser Grundfreibetrag steht seit 1958 unverändert auf 1680 DM; er könnte auf 1920 DM angehoben werden. Ich habe wohl recht verstanden, daß der Herr Bundesfinanzminister darauf verwiesen hat, daß das allerdings 300 Millionen DM mehr kostet. Gut, darüber müßte man sich im Finanzausschuß und in anderen Ausschüssen dieses Hauses unterhalten. Immerhin sind solche Modifikationen möglich, und wir sollten diese Möglichkeit ernsthaft prüfen.Was die Ergänzungsabgabe anlangt, die mit dem Arbeitnehmerfreibetrag nicht sehr viel zu tun hat, es sei denn, daß man wiederum die Stichworte der sozialen Symmetrie — das war das Stichwort, unter dem sie damals eingeführt worden ist, als es sich um die Entlastung der Altvorräte und die Erhöhung der Mehrwertsteuer handelte — oder der Koalitionssymmetrie wählt, so ist hier die Synchronisierung mit unserem Antrag zum Familienlastenausgleich wesentlich. Man könnte sich vorstellen — und auch das werden wir in den Ausschüssen prüfen —, daß man z. B. dem Regierungsentwurf zustimmt, soweit die Aufhebung der Ergänzungsabgabe für die Einkommen von 32 000 bzw. 64 000 DM ab 1970 in Frage kommt, daß wir aber nicht einer völligen Aufhebung der Ergänzungsabgabe ab 1971 zustimmten und die dann gewonnenen Mittel anderweitig verwenden. Insbesondere muß man berücksichtigen, daß alle steuersenkenden Maßnahmen — ich habe das vorhin schon gesagt und betone es noch einmal —im Augenblick prozyklisch wirken und genau das Gegenteil von dem sind, was heute eine gute Konjunkturpolitik ausmachen könnte und müßte. Dann könnte man wahrscheinlich aus diesen gewonnenen Mitteln Gelder abzweigen, um sie dem Familienlastenausgleich zuzuwenden. Hier liegt die Synchronisierung, und deshalb sind wir befriedigt, daß diese Dinge zusammen geprüft werden sollen.Natürlich haben Sie, Frau Minister, recht mit Ihrem Hinweis, daß die 400 Millionen DM, von denen hier die Rede war, in der mittelfristigen Finanzplanung bisher nicht erscheinen. Ich möchte das namens meiner Fraktion konzedieren und danke Ihnen für den Hinweis. Die 400 Millionen DM sind aber in gewissen Vorstellungen enthalten, die die vorige Regierung für die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 1970/71 angestellt hatte, genauso wie auch die 1 Milliarde oder 900 Millionen DM für die Kriegsopfer in Druckstükken verzeichnet sind, die im Oktober dieses Jahres erschienen. Es existiert also eine finanzpolitische Vorstellung und nicht, wie ich Ihnen zugebe, schon ein Stück der mittelfristigen Finanzplanung. Aber es sind Dinge, die sicher in die mittelfristige Finanzplanung eingegangen wären, wenn die frühere Regierung ihre Tätigkeit fortgesetzt hätte. Das möchte ich zu der Frage der Ergänzungsabgabe sagen. Ich glaube, daß wir im Ausschuß eingehend prüfen werden, ob die zweite Stufe der Senkung der Ergänzungsabgabe aus konjunkturpolitischen und aus anderen Gründen, die ich angeführt habe, im Augenblick überhaupt vertretbar ist. Wenn wir die in der Vorlage vorgesehenen Mindereinnahmen nicht zum Ausgleich des Haushalts brauchen — denn es werden noch andere Dinge auf uns zukommen: ich nenne das Brüsseler Paket, ich nenne den Devisenausgleich und ich erinnere an eine ganze Reihe von anderen Mehranforderungen, dann müßte man überlegen, ob man aus den gewonnenen Mitteln nicht weitere Gelder für den Familienlastenausgleich abzweigt.Vor einem darf ich allerdings warnen: nun etwa unter diesen und anderen Motiven und ohne Rücksicht auf die Stärkung der Investitionen im künftigen Haushalt zu dem Prinzip einer stärkeren Neuverschuldung zurückzukehren. Das halte ich für ein Mittel, das weder dem Stabilitätsgesetz noch den Prinzipien einer soliden Finanzwirtschaft entspricht.„Für die Zeit, in der wir noch keinen ordentlichen Haushalt haben" — nämlich für das Jahr 1970/71 —,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1969 505
Dr. Pohle„muß das Parlament sich verpflichtet fühlen, die Verwendung öffentlicher Mittel auch auf ihre Sparsamkeit zu überwachen. Gerade das ist die Aufgabe und die Rolle der Opposition." — Meine Damen und Herren, das letzte Wort stammt nicht von mir, sondern von Fritz Erler aus dem Jahre 1950. Ich darf es deshalb um so freudiger aufnehmen.
— Wieso darf ich denn nicht zitieren? Darf ich nicht richtige Worte zitieren?
— Herr Wehner, ich habe keine Worte für diesen Zwischenruf; denn das, was Fritz Erler hier gesagt hat, hat er in bester Überzeugung gesagt. Ich darf das aufnehmen, was er gesagt hat.
— Herr Wehner, ich finde diese Bemerkung von Ihnen so taktlos, daß ich sie zurückweise.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Porzner hat im Hinblick auf die Arbeitslage des Hauses seine Wortmeldung zurückgezogen. Nach der Reihe der Wotmeldungen kommt nun Frau Kollegin Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die FDP-Fraktion hat bei der Einführung der Ergänzungsabgabe eindeutig nein gesagt. Sie werden es deswegen verstehen, daß wir uns bei den Koalitionsbesprechungen für die Abschaffung der Ergänzungsabgabe eingesetzt haben und daß wir es begrüßen, daß die Regierung nunmehr sehr schnell eine Vorlage zu diesem Punkt und zu einigen anderen Punkten vorgelegt hat.Wir begrüßen gleicherweise die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrages; denn überproportional ansteigende Steuereinnahmen beruhen ja nicht nur auf dem progressiven Tarif des Einkommensteuerrechts, sondern auch darauf, daß permanente Geldwertverschiebungen bei einem Festhalten an festen Wertgrenzen auch indirekt eine Mehreinnahme des Staates bewirken. Auch aus diesem Grunde muß man diese festen Wertgrenzen, die als Freibeträge oder als Höchstbeträge eingesetzt worden sind, im Verlauf von Geldwertverschiebungen gelegentlich ändern. Ich habe das an dieser Stelle schon mehrfach dargelegt. Wir begrüßen, daß in der Frage des Arbeitnehmerfreibetrages nun ein erster Schritt getan wird, und wünschen, daß auch weitere feste Grenzen spätestens bei der Steuerreform unter die Lupe genommen werden.Was die Ergänzungsabgabe angeht, meine Herren und Damen, so wissen Sie genau, auch Herr Dr. Pohle, daß Sie keine Dauersteuer sein soll. Als das Grundgesetz 1954 entsprechend geändert wurde, hat der Bundesrat und hat die Regierung, die die Vorlage eingebracht hat, auf die Einmaligkeit und die Kurzfristigkeit solcher Erhebungen abgestellt. Daher rührten unsere verfassungspolitischen Bedenken bei der Einführung der unbefristeten Ergänzungsabgabe vor drei Jahren. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Begründung der Regierungsvorlage im .Jahre 1954 ausdrücklich sagte:Sie soll es ermöglichen, Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt zu decken, die auf anderem Wege, insbesondere durch Senkung von Ausgaben, nicht ausgeglichen werden können. Auf diese Weise wird die Erhebung der Abgabe nur mit geringen Hebesätzen in Betracht kommen und keineswegs für die Dauer, sondern lediglich für Ausnahmelagen bestimmt sein.Ähnlich hat sich der Bundesrat geäußert, der seine Zustimmung ausdrücklich davon abhängig machte, daß nur bestimmte Notfälle und Sondersituationen berücksichtigt werden sollen.Das hat auch die CDU/CSU 1967 genau im Blick gehabt. Ich darf hier den Kollegen Herrn Dr. Pohle zitieren — man darf ja zitieren —, der bei der Verabschiedung des Gesetzes 1967 bei der Einführung der Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 °/o deutlich ausgeführt hat:Die Ergänzungsabgabe hat den Vorteil, daß sie schnell und ohne Komplikationen wieder aufgehoben werden kann.
Ich hätte es deshalb für richtiger gehalten, wenn sie nur befristet erhoben worden wäre.Nun, Herr Dr. Pohle, dem Manne kann geholfen werden,
d. h. wir können schnell und unkompliziert die von Ihnen auch so gemeinte einmalige und kurzfristige Ergänzungsabgabe aufheben. So hatten Sie es ja gewollt; so hatte es die Mehrheit des Finanzausschusses sogar beschlossen, nämlich zu befristen, und nur unter dem Druck des Haushaltsausschusses ist damals die unbefristete Einführung erfolgt. Wir nähern uns also durchaus Ihren Wünschen, Herr Dr. Pohle, wenn wir nun die Befristung wiedereinführen, die Sie selbst seinerzeit im Namen der CDU/ CSU-Fraktion vorgetragen und vertreten haben.Nun haben Sie einige Einwendungen angedeutet, insbesondere im Hinblick auf konjunkturpolitische Erwägungen. Sicherlich kann man sich darüber unterhalten. Nur, Herr Dr. Pohle: die CDU/CSU ist natürlich ein denkbar schlechter Anwalt für konjunkturpolitische Erwägungen in Verbindung mit der Ergänzungsabgabe; denn Sie wissen sehr genau, daß die Einführung so antizyklisch wie überhaupt nur möglich gewesen ist. Zu einem Zeitpunkt, wo sämtliche Sachverständigen, von dem Bundesbankpräsidenten angefangen, für eine Steuersenkung eingetreten sind, zur Zeit der Rezession, wo auch das
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Frau FunckeStabilitätsgesetz, das wir gerade beschlossen hatten, die Regierung und das Haus verpflichtete, für Steuersenkungen zu sorgen, in dem Augenblick haben Sie die Ergänzungsabgabe — und nebenbei neun andere Steuererhöhungen — beschlossen. In den drei Jahren der Großen Koalition haben wir zehn verschiedene Steuererhöhungen oder neue Steuern erlebt. Das ist nun wirklich alles außerhalb der konjunkturpolitischen Erwägungen passiert.
Deshalb sollten Sie, so meine ich, dieses Argument nach Möglichkeit etwas zurückhaltend gebrauchen; denn es wirkt nicht ganz so glaubwürdig, als wenn Sie sich im Zustand der Unschuld befänden.
— Eben.Was nun die haushaltsmäßige Seite angeht, so ist doch eines festzustellen. Die steuereinnahmen 1969 liegen um 11 Milliarden DM über denen des Vorjahres. Diese besonders hohe Spanne ist mit darauf zurückzuführen, daß im Jahr vorher die Mehrwertsteuer durch die Altvorräteentlastung unterhalb des normalen Aufbringungsstandes war. Aber selbst wenn wir das berücksichtigen, haben wir ein Steuervolumen, das in einem Jahr um über 10% gestiegen ist.
— Moment, Herr Kollege, ich habe gerade — sonst wären es über 16 % — den Sondertatbestand der Mehrwertsteuer auf der geringeren Vergleichsgrundlage ausgeklammert. Aber immerhin haben wir ein jährliches Anwachsen von mindestens 10 bis 11 %, das auch für das nächste Jahr zu erwarten ist.Nun ist es Ziel und Absicht der Regierung — die FDP ist dieser Meinung, und wir haben uns auch mit unseren Koalitionspartnern abgestimmt —, die Steuerlastquote nicht ständig progressiv steigen zu lassen. Da es nun einmal so ist, daß die Steuern, mindestens im Einkommensbereich überproportional steigen, muß man gelegentlich durch Tarifsenkung oder Aufhebung von Steuern das Gesamtvolumen reduzieren. Sonst kommt eben die erhöhte Steuerlastquote heraus.Als die Ergänzungsabgabe eingeführt wurde, wurden doch einige Argumente beiseite geschoben, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, die von Ihrem Mittelstandsausschuß warnend kamen. Denn die Ergänzungsabgabe greift gerade in jenen mittelständischen Bereich, der in der Konkurrenz zum Großbetrieb besonders die Möglichkeit fortschreitender Investitionen haben muß. Das darf doch wohl als unbestritten angesehen werden. Diese Ergänzungsabgabe ist praktisch ein neuer Mittelstandsbogen gegenüber der Steuersenkung, die wir gemeinsam in diesem hause 1965 beschlossen haben. Sie war praktisch die Wiedereinführung des Mittelstandsbogens, und wer die Probleme gerade im gewerblichen Bereich ein wenig kennt, der weiß um die Existenzsorgen der unterkapitalisierten mittelständischen Betriebe in der laufenden wirtschaftlichen Auseinandersetzung mit den Großbetrieben. Man sollte nicht gerade die produktive Seite der Finanzpolitik übersehen. Vergessen wir nicht: unsere Steuereinnahmen sind nicht nur das Ergebnis momentaner Steuergesetze, sondern sie beruhen langfristig auf der Produktivität und Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, die wir in entscheidenden Punkten nicht schmälern dürfen.
Wir stehen am Ende der ersten Beratung des Steueränderungsgesetzes 1970. Der Überweisungsvorschlag des Altestenrates sieht vor: Finanzausschuß federführend und Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung. Andere Anträge werden nicht gestellt. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe den letzten Punkt der heutigen Tagesordnung — es handelt sich um Punkt 3 der gedruckten Tagesordnung auf. Da seitens der Koalitionsfraktionen unter Drucksache VI/82 ein entsprechender Antrag vorliegt, der im Hause verteilt worden ist, gliedert sich der Tagesordnungspunkt jetzt in a) und b) :
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Böhme, Müller und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes
— Drucksache VI/58 —
b) Erste Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP betr. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes
— Drucksache VI/82 —
Wortmeldungen liegen dazu nicht vor, so daß ich die Beratung schließen kann. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates lautet: federführend Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung; mitberatende Ausschüsse sind bisher nicht vorgeschlagen worden. Ich kann annehmen, daß so beschlossen wird? — Ich danke Ihnen.
Damit stehen wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 27. November 1969, 14 Uhr, ein mit der Tagesordnung „Fragestunde".
Die Sitzung ist geschlossen.