Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Einziger Punkt der Tagesordnung ist die Fragestunde
— Drucksachen V/3625, V/3618, zu V/3618, V/3629 —
Ich rufe zunächst die Dringlichen Mündlichen Anfragen auf Drucksache V/3629 auf. Die erste dieser Fragen betrifft den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung und wird von dem Abgeordneten Dr. Marx gestellt:
Welche tatsächlichen Vorgänge kann die Bundesregierung zu der Behauptung des Abgeordneten Dorn in der Fragestunde vom 6. Dezember 1968 mitteilen, wonach ein Oberstleutnant des Bundesverteidigungsministeriums „unter anderem erklärt hat, die Bundesregierung sei z. B. über sämtliche Phasen der Entwicklung in der CSSR nach dem 21. August deshalb genauestens informiert, weil ihr alle 30 Sekunden ein Foto des gesamten Raumes bis nach Prag über die Entwicklung in der CSSR vorgelegen habe„?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 12. Dezember 1968 lautet:
Am 3. 12. 1968 hat in einem Raum des Bundeshauses ein Oberstleutnant des Bundesministeriums der Verteidigung vor Kommunalpolitikern aus dem Saarland einen Vortrag über das Thema „Die militärpolitische Lage und der Auftrag der Bundeswehr" gehalten. In der anschließenden Diskussion wurden Fragen zur Entwicklung in der Tschechoslowakei gestellt.
In seiner Antwort hat der Vortragende u. a. darauf hingewiesen, daß für Zwecke der NATO-Frühaufklärung laufend ein Radar-Bild der Luftlage erstellt würde. Um den Zuhörern den Begriff des Radar-Bildes zu erläutern, hat der Vortragende es mit einem Foto verglichen, das etwa alle 30 Sekunden vorliegt.
Der Vortragende hat also von einem Radar-Luftlagebild und nicht von einem fotografischen Bild gesprochen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die beiden Fragen stellt der Abgeordnete Dr. Ritz:
Wie beurteilt die Bundesregierung aus der Sicht ihres Agrarprogramms die Vorschläge des Vizepräsidenten der Europäischen Gemeinschaften, Mansholt, zur Reform der Agrarstrukturpolitik in der Gemeinschaft?
Wird die Bundesregierung bei den künftigen Agrarpreisverhandlungen für das Wirtschaftsjahr 1969/70 an ihrer im Agrarprogramm niedergelegten Auffassung festhalten?
Der Abgeordnete Dr. Ritz ist anwesend. Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Darf ich die beiden Fragen wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantworten?
Der Fragesteller ist einverstanden.
Zunächst möchte ich mit aller Deutlichkeit feststellen, daß es noch keine Vorschläge der Kommission zur Reform der Agrarstrukturpolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gibt. Herr Vizepräsident Mansholt hat dem Rat in seiner Erklärung vom 10. Dezember 1968 lediglich bisherige Überlegungen innerhalb der Kornmission vorgetragen.
Bei einem Programm mit so schwerwiegenden Auswirkungen für die Landwirtschaft der Gemeinschaft ist ein solches Verfahren ungewöhnlich. Da keine Dokumente mit einer detaillierten Darstellung vorhanden sind, kann eine Beurteilung lediglich auf Grund der mündlichen Erklärung erfolgen, die Vizepräsident Mansholt vorgestern vor dem Rat abgegeben hat.
Es ist auch nicht ausgeschlossen — und die Bundesregierung erwartet es sogar —, daß die Kommission bei ihrer Beschlußfassung die Reaktion der EWG-Offentlichkeit auf die Rede des Vizepräsidenten Mansholt berücksichtigen wird.
Die Bundesregierung bedauert und versteht die Unruhe, die durch die Erklärungen Vizepräsident Mansholts im Berufsstand, der sowieso große Anpassungsschwierigkeiten zu bestehen hat, entstanden sind. Bei aller kritischen Einstellung muß man aber gerechterweise sagen, daß sich auch einige positive Elemente in den Vorstellungen Vizepräsident Mansholts befinden.
Die Beschaffung von außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen, ,die Förderung der Ausbildung und Umschulung von Landwirten und deren Kindern, die Einführung von Landpachtprämien und Landabgabenrenten decken sich in der Grundtendenz mit unserem Agrarprogramm. Der aufgestellte Grundsatz der absoluten Freiwilligkeit für die Betroffenen ist zu bejahen. Niemand soll und darf gezwungen werden, seine bisherige Existenz aufzugeben oder sich an neuen Formen überbetrieblicher Zusammenarbeit zu beteiligen.
11118 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Bundesminister Höcherl
Auch eine regionale Schwerpunktbildung möchte ich begrüßen. Die Tatsache, daß eine weitgehende nationale Verantwortung bestehen und erhalten bleibt und die Agrarstrukturpolitik in der EWG lediglich koordiniert werden soll, entspricht den Vorstellungen der Bundesregierung.
Sehr bemerkenswert erscheint mir, daß der Herr Vizepräsident Mansholt entgegen seinen bisherigen Äußerungen nunmehr auch dem Nebenerwerbslandwirt seine ihm zukommende Rolle in einer modernen Landwirtschaft zuerkennt. Die Bundesregierung sieht das als ein Ergebnis ihrer jahrelangen Bemühungen an. Seine Forderungen nach besseren sozialen Bedingungen in der Landwirtschaft — kürzere Arbeitszeiten, längerer Urlaub, freies Wochenende, bessere Versorgung der älteren Menschen — sind wesentlicher Bestandteil jeder modernen Agrarpolitik und werden von der Bundesregierung auch in ihrem eigenen Agrarprogramm vertreten.
Obwohl wir bisher nur über mündliche Informationen verfügen, muß ich schon jetzt in zwei Punkten deutliche Kritik anmelden.
1. In viel größerem Maße als im nationalen Rahmen erscheinen mir Gesamtprojektionen für die EWG bis zum Jahre 1980 angesichts des völlig unzureichenden statistischen Materials in einigen EWG-Ländern sehr problematisch. Solche Zahlen, auch wenn sie nicht so gemeint sind, werden von der Landwirtschaft als eine Androhung der Existenzvernichtung aufgefaßt und als eine Mißachtung ihrer großen Leistungen und harten Arbeit im Anpassungsprozeß empfunden. Das gilt ganz besonders von der Ankündigung, daß bis 1980 weitere 5 Millionen Erwerbstätige aus der Landwirtschaft ausscheiden werden und lediglich 5 Millionen in der Landwirtschaft verbleiben sollen. Der Anteil der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen ist in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. So beträgt er in Italien 24 %, in der Bundesrepublik 10,2, in den Niederlanden 8,4 und in Belgien nur 6 %. In der Bundesrepublik sind in den letzten 15 Jahren mehr als zwei Millionen Menschen freiwillig aus der Landwirtschaft ausgeschieden, aber nur deswegen, weil ihnen vorher interessante und erstrebenswerte Existenzen in anderen Wirtschaftsbereichen geboten werden konnten. Wer 5 Millionen Menschen innerhalb der Gemeinschaft zu einem Berufswechsel veranlassen will, um den in der Landwirtschaft Verbleibenden ein ausreichendes Einkommen zu sichern, der muß zunächst die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen schaffen, die einen so starken Anreiz auszuüben in der Lage sind, daß sich dieser Prozeß organisch, freiwillig und menschlich erträglich vollziehen kann. Die Tatsache z. B., daß heute noch in Italien 24 °/o aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt sind, zeigt, daß dort der größte Nachholbedarf besteht. Mansholt hätte in seinen Ausführungen auf diese bedeutsamen Unterschiede in den Mitgliedstaaten eingehen müssen.
2. Vizepräsident Mansholt stellt seine gesamte Zielprojektion lediglich auf zwei Betriebs- bzw. Unternehmensformen ab, wobei die eine, nämlich die sogenannte Produktionseinheit, nur als Übergangsform gedacht ist. Als förderungswürdig wird letztlich nur noch das sogenannte moderne landwirtschaftliche Unternehmen herausgestellt. Eine derartige Uniformierung der möglichen Vielfalt durchaus zweckmäßiger Kooperationsformen würde der Landwirtschaft entschieden Gewalt antun.
Daß Mansholt nur Großbetrieben die Existenzberechtigung zuerkennt, hat besondere Unruhe in der Landwirtschaft erregt. Dabei muß er selbst zugeben, daß zwei Drittel sämtlicher Betriebe in der Gemeinschaft weniger als 10 ha groß sind und etwas weniger als 90 % aller Betriebe unter 20 ha liegen. Eine Planung, die sich vornimmt, bei über 6 Millionen landwirtschaftlicher Einheiten in der Gemeinschaft in 10 Jahren derartige Größenvorstellungen zu verwirklichen, ist unrealistisch. Das bedeutet keinen Verzicht auf Kooperation; denn auch das Agrarprogramm der Bundesregierung geht davon aus, daß die Kooperation landwirtschaftlicher Betriebe weiter voranschreitet und in geeigneter Form unterstützt wird.
Die Bundesregierung hat aber bewußt vermieden, in diesem Zusammenhang irgendwelche Größenvorstellungen, Unternehmenstypen und Zeitabläufe zu fixieren oder etwa gar zur Voraussetzung für die staatliche Förderung zu machen.
Bei den Erklärungen Mansholts fehlt jede Angabe über die Höhe der Kosten. Sie sind aber entscheidend für die Durchführung des Programms.
Die Vorschläge der Kommission bleiben abzuwarten. Erst dann kann die Bundesregierung mit einer gründlichen Prüfung beginnen. Das Hohe Haus wird wie bisher mit allen Einzelheiten befaßt werden.
Zusammenfassend möchte ich feststellen: Die Bundesregierung sieht ihr eigenes Agrarprogramm als d i e realistische Lösung an.
Zu der zweiten Frage: Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, bei den künftigen Agrarpreisverhandlungen für das Wirtschaftsjahr 1969/70 von ihrer bisherigen Auffassung abzugehen.
Herr Ritz!
Herr Bundesminister, sehen Sie nicht auch die Gefahr, daß durch die undifferenzierten, globalen Zahlen, die Herr Mansholt verwendet hat, unter Umständen gerade junge, tüchtige, wendige Landwirte zur Abwanderung bewogen werden, die vielleicht am ehesten in der Lage wären, mit modernen Unternehmungsformen fertigzuwerden?
Eine solche Gefahr kann nicht geleugnet werden. Aber ich habe großes Vertrauen zu unseren jungen Landwirten, daß sie sich von solchen Zahlen nicht aufscheuchen lassen.
Herr Ritz!
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968 11119
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die von Herrn Mansholt skizzierten Betriebsmodelle — zu verwirklichen ebenfalls bis 1980 — den vielfältigen Möglichkeiten unternehmerischer Entfaltung in keiner Weise Rechnung tragen?
Ich hatte das schon in meiner Antwort ausgeführt und kann es nur wieder unterstreichen.
Herr Ertl!
Herr Bundesminister, teilen Sie die Auffassung der CSU-Korrenspondenz — das ja ein Publikationsorgan Ihrer Partei ist —, daß es nicht 5 Millionen Bauern zuviel gibt, sondern in Brüssel einen Kommissar zuviel?
Dieses Hohe Haus kann ganz besonders vorsichtige Antworten erwarten. Außerdem ist es im Interesse der Landwirtschaft, des Verbrauchers und des europäischen Gedankens notwendig, daß wir auch in der Zukunft eine gute Zusammenarbeit mit der Kommission in Brüssel haben. Infolgedessen möchte ich mir diese etwas schneidige Formulierung nicht zu eigen machen. Aber ich widerspreche ihr auch nicht.
Vizepräsident Schoettle: Herr Ertl!
Herr Bundesminister, würden Sie in den Vorschlägen Mansholts eine Basis für eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft sehen?
Ich bin der Meinung, daß nicht die Kommission, sondern der Ministerrat entscheidet, und wir werden Gelegenheit nehmen, das alles zu überprüfen. Es ist schon oft so gewesen, daß ein von seinem Irrtum Bekehrter sich mit denen freundschaftlich verbunden fühlt, die ihn auf den richtigen Weg gebracht haben.
Herr Logemann!
Herr Minister, wie hoch schätzen Sie den Finanzbedarf für die Durchführung des Mansholt-Plans — wobei ich bemerke, daß nach den Berechnungen eines deutschen Wissenschaftlers die Realisierung eines solchen Plans etwa 300 Milliarden DM bis zum Jahre 1980 kosten könnte —?
Solche Zahlen sind einem an einen bescheidenen Haushalt gewöhnten Minister nicht zugänglich.
Noch einmal Herr Logemann!
Herr Minister, da es viel Übereinstimmung zwischen dem Arbeitspapier des Ministers Schiller und den Plänen des Vizepräsidenten Mansholt gibt, werden Sie vielleicht verstehen, wenn ich Sie frage: wer hat vom anderen abgeschrieben, Mansholt von Schiller oder Schiller von Mansholt?
Ich habe hier schon Gelegenheit genommen, auszuführen, daß ich den Vorschlägen des Kollegen Schiller in bezug auf das Agrarprogramm in der Sache voll zustimme. Was die Berechnung angeht, so ist der Kollege Schiller nicht mehr d e r Meinung, der die Urheber dieser Rechnung waren.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Bundesminister, wie kamen Sie zu dem positiven oder positiv klingenden Urteil über die Pläne von Herrn Mansholt in bezug auf den landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb? Sie sprachen davon, daß er „die ihm zukommende Rolle" jetzt erkannt habe. Ist es nicht gerade so, daß die bedauerliche Verkennung der Bedeutung von Zu- und Nebenerwerbsbetrieben in der Landwirtschaft durch Herrn Mansholt, und zwar sowohl in politischer und soziologischer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht, der eigentliche Kern des Gegenangriffs gegen Herrn Mansholt von deutscher Seite aus sein müßte?
Herr Kollege, ich darf Ihnen folgendes sagen. Ich halte mich an den Text seiner Rede. In dieser Rede steht zum erstenmal — und das ist auch von mir so formuliert worden — die Zielvorstellung von Herrn Mansholt, daß im europäischen Bereich in der Zukunft mindestens 1 Million Menschen in der Nebenerwerbslandwirtschaft arbeiten werden. Das ist für meine Vorstellungen ein Ergebnis unserer Bemühungen, weil es vor Tisch noch ganz anders geheißen hat.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Bundesminister, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, diese vielfältigen Pläne von Herrn Mansholt, die immer wieder neue Varianten erbringen und die unsere Landwirtschaft zwangsläufig in immer neue Unruhe, wenn nicht Verzweiflung stürzen
11120 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Dr. Schulze-Vorberg
müssen, endlich einmal abzustoppen, so daß wenigstens für eine Zeitlang Ruhe in die Dinge hineinkommt?
Wir haben kein Disziplinarrecht. Wir werden das in freundschaftlicher Belehrung tun.
Vizepräsident. Schoettle: Herr Stark!
Herr Bundesminister, wäre es nicht vielleicht zweckmäßig, den Herrn Vizepräsidenten Mansholt einmal nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem Agrarproblem nicht nur um ein Struktur- und Betriebsgrößenproblem handelt, was allein daraus hervorgeht, daß in Amerika die durchschnittliche Betriebsgröße 130 ha beträgt und dennoch das Farmer-einkommen zu 50 % staatlich subventioniert ist?
Ich gehe davon aus, daß Herrn Mansholt diese Zahlen bekannt sind. Ich bin aber gern bereit, nicht nachdrücklich, aber deutlich das dem Kollegen Mansholt zu sagen.
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt noch zehn Wortmeldungen. Ich werde jeweils nur noch eine Zusatzfrage zulassen.
Herr Peters!
Herr Bundesminister, welche Stellung nimmt die Bundesregierung ein zu den Preisvorstellungen von Herrn Mansholt für Milch, Butter, Weizen, pflanzliche Fette und Zucker?
Eine ablehnende.
Herr Bauknecht!
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, entsprechend den Beschlüssen dieses Hohen Hauses vom 25. Juni dieses Jahres die Frage des Getreidepreises entsprechend im Bundeskabinett zu vertreten, wobei ich erwähnen darf, daß in diesen Beschlüssen niedergelegt ist, das frühere Getreidepreisniveau wiederherzustellen?
Ich bin selber Mitglied dieses Hohen Hauses und würde es nicht wagen, seinen Wünschen zuwiderzuhandeln.
Herr von Gemmingen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie Ihre Antwort mit anderen Kabinettskollegen abgestimmt haben oder ob sie in Ihrem Hause allein verfaßt worden ist.
Ich bin mir der Zustimmung sicher.
Herr Niederalt!
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit und auch in der Lage, ganz generell im Ministerrat in Brüssel ein für allemal geeignete Maßnahmen zu unternehmen, daß diesem Übermut der dortigen, durch keinerlei parlamentarische Institution abgesicherten Ministerialbürokratie, wie er sich wieder in diesen jüngsten Mansholt-Erklärungen zeigt, zumindest etwas Einhalt geboten wird? Denn — als Zusatzfrage vielleicht noch — die Bundesregierung ist hoffentlich mit mir auch der Auffassung, daß solche Äußerungen nur deshalb ein Gewicht haben, weil sie von einem Mann kommen, der eine ganz bestimmte Funktion ausübt, daß diese Äußerungen also nicht eine Privatmeinung sind.
Das war keine Frage mehr.
— Ich hoffe sehr, Herr Kollege.
Herr Kollege Niederalt, das Europäische Parlament hätte sehr wohl Rechte, und zwar Aufsichtsrechte über die Kommission, während der Ministerrat ein solches Recht nicht besitzt. Aber man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Wir werden alles daransetzen, um. genauso wie in der Frage der Nebenerwerbsbetriebe auch in den weiteren offenen Fragen ein Einverständnis herzustellen und die Kommission auf unsere Seite zu ziehen. Das sind unsere Bemühungen.
Herr Reichmann! — Sie hatten sich gemeldet, aber wenn Sie nicht wollen, lassen Sie es bleiben. Das ist mir auch recht.
Herr Unertl!
Herr Bundesminister, wäre es jetzt endlich einmal möglich, daß Sie es mit Ihren guten Beziehungen zu Herrn Mansholt fertigbringen, daß der Herr Mansholt, der Kommissar in Brüssel, einmal in den Bayerischen Wald kommt und sich dort einer Versammlung von kleinen Bauern stellt, damit wir ihm einmal sagen können, was der mit seiner marxistischen Idee landwirtschaftlicher Prognosen und Ulbrichtscher Formulierung alles an Unheil angerichtet hat?
Herr Kollege Unertl, ich
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968 11121
Bundesminister Höcherl
werde dem Herrn Vizepräsidenten Mansholt diese Einladung überbringen, aber in höflicher Form.
Ich bin versucht, jetzt eine Bemerkung zu machen; ich unterlasse es aber. Man kann sich im Ton auch vergreifen, auch in der Fragestunde.
Herr Wächter!
Herr Bundesminister, teilen Sie mit mir den Standpunkt, daß die COPA erwägen sollte, die Abberufung von Mansholt zu verlangen?
Ich möchte in die Souveränität der COPA nicht eingreifen.
Herr Gleissner!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß gemäß der Ratsentscheidung vom 4. Dezember 1962 zwar die Markt- und Preisordnung aber nicht der Bereich der Agrarstruktur zu den Zuständigkeiten der Kommission gehört?
Das ist mir bekannt. Die Kommission, d. h. die Generaldirektion Landwirtschaft, hatte ja ursprünglich andere Vorstellungen. Sie wollte eine weitgehende Zuständigkeit mit Zustimmung des Ministerrates für die Agrarstruktur haben. Sie ist von diesem Standpunkt aber wieder abgekommen. Ich führe das nicht zuletzt auf die eingehenden Vorgespräche zurück, die wir mit Herrn Mansholt geführt haben.
Ich habe nur noch eine Zusatzfrage für jeden zugelassen. Ich bin nicht verpflichtet, zwei zuzulassen. Ich mache auf die Richtlinien aufmerksam.
Herr Ehnes!
Herr Bundesminister, teilen Sie meine Auffassung, daß bei einer solchen Strukturanalyse, wie sie Herr Mansholt gegeben hat, mehr vom Menschen als von ökonomischen Gesichtspunkten ausgegangen werden sollte?
Ja, voll und ganz.
Herr Prassler!
Herr Bundesminister, auf Grund Ihrer ersten Äußerung heute nachmittag möchte ich Sie fragen: Bis wann könnten Sie diesem Hohen Hause geeignete Vorschläge zu einer verbesserten Agrarstatistik mit entsprechender Aussagekraft vorlegen?
Jederzeit, wenn mir die Gelegenheit gegeben wird, dieses statistische Gesetz, dessen Durchführung bekanntlich sehr viel Kosten verursacht und das oft wegen der Notwendigkeit der Zustimmung der Länder gescheitert ist, durchzubringen. Wenn Sie mir dazu Gelegenheit geben, kann das schon morgen der Fall sein.
Herr Klinker!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, wie die drei deutschen Kommissare auf diesen Vorschlag der Kommission reagiert haben?
Das ist ein Beratungsgeheimnis, dessen Offenbarung mir nicht zusteht.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Herr Präsident, darf ich eine Bitte äußern: ich hätte noch zwei Fragen — —
Es tut mir leid; ich kann das jetzt nicht mehr machen, das geht auf Kosten aller anderen Fragesteller. Tut mir leid, Herr Minister.
Ich habe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr aufgerufen. Wir kommen zur Frage 48 des Abgeordneten Dröscher:
Warum ist die Deutsche Bundesbahn bei der Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien bei der Altersgrenze von 25 Jahren geblieben, obwohl bei den Kinderfreibeträgen des Finanzamtes, ebenso wie bei den Bezügen im öffentlichen Dienst, die Grenze von 25 Jahren auf 27 Jahre heraufgesetzt worden ist, um so der längeren Ausbildungsdauer zu entsprechen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 12. Dezember 1968 lautet:
Eine Erweiterung der Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien würde für die Deutsche Bundesbahn erhebliche Einnahmeausfälle zur Folge haben. Bei ihrer bekanntlich schwierigen Finanzlage erscheint der Deutschen Bundesbahn deshalb eine solche Maßnahme nicht vertretbar. Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesbahn für die jetzt geltende Regelung keinen Ausgleich aus dem Bundeshaushalt erhält. Im übrigen wird den Bedürfnissen der in Berufsausbildung stehenden älteren Studenten dadurch Rechnung getragen, daß sie die stark ermäßigten Schülertarife ohne jegliche Altersgrenze für die notwendigen Fahrten zwischen Wohn- und Ausbildungsort in Anspruch nehmen können.
Dann die Fragen 49, 50 und 51 des Abgeordneten Härzschel: •
Für welches Jahr ist der Termin der Bauarbeiten an den Ortsumgehungen von Lörrach, Schopfheim und Zell der B 317 nach dem augenblicklichen Stand vorgesehen?
Hat die Bundesregierung bei ihrer Planung den in den letzten Jahren stark angestiegenen Regionalverkehr sowie den ständig steigenden Durchgangsverkehr von der Schweiz und Frankreich zu den Erholungsgebieten des Hochschwarzwaldes und die dadurch entstandene zusätzliche Belastung berücksichtigt?
Ist die Bundesregierung angesichts dieser Entwicklung bereit, die vorgesehenen Termine zu überprüfen, ggf. vorzuverlegen und verstärkte Anstrengungen im Blick auf eine möglichst rasche Realisierung der angeführten Bauvorhaben zu machen?
Die Fragen werden auch im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Hier lautet
11122 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Vizepräsident Schoettle
die Antwort des Bundesministers Leber vom 11. Dezember 1968:
Verbindliche Termine für den Neubau der Ortsumgehungen von Lörrach, Schopfheim und Zell im Zuge der Bundesstraße 317 konnten bisher noch nicht festgelegt werden. Ich darf dabei als bekannt voraussetzen, daß die Verlegung der Bundesstraße 316 zwischen Eimeldingen und Waidhof, die auch eine Umgehung von Lörrach einschließt, gegenüber den anderen Bauvorhaben im Raume Lörrach auf jeden Fall Vorrang besitzt. Denn nur durch die Verwirklichung dieser Maßnahme können die schwierigen Verhältnisse in Lörrach verbessert und eine leistungsfähige Verbindung aus dem Wiesetal in Richtung zur Rheintalautobahn hergestellt werden.
Die von Ihnen angesprochene Ortsumgehung von Lörrach im Zuge der Bundesstraße 317 wird sich zeitlich an die Verlegung der Bundesstraße 316 anschließen. Sofern die erforderlichen Mittel dazu bereitgestellt werden können, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die Arbeiten an der Bundesstraße 317 anlaufen, bevor noch die Verlegung der Bundesstraße 316 völlig abgeschlossen ist.
Die Ortsumgehungen von Schopfheim und Zell stehen nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Neubau der Bundesstraße 317 im Raume Lörrach. Deshalb ist der Bau der Ortsumgehung von Schopfheim im wesentlichen nur von der reibungslosen Abwicklung des Planfeststellungsverfahrens und der Durchführung des Grunderwerbs abhängig. Angestrebt wird das Anlaufen der Baumaßnahme für das Jahr 1970. Die Verwirklichung der Ortsumgehung von Zell-Atzenbach wird sich dann zeitlich an die Ortsumgehung von Schopfheim anschließen.
Bei allen diesen Planungen wird von der Bundesstraßenverwaltung selbstverständlich der starke Regionalverkehr im Wiesetal sowie der Durchgangsverkehr aus der Schweiz und Frankreich nach den Erholungsgebieten des Hochschwarzwaldes berücksichtigt. Ob allerdings eine weitere Beschleunigung bei der Durchführung der einzelnen Maßnahmen technisch und finanziell möglich ist, kann heute noch nicht gesagt werden.
Die Fragen 52 und 53 stellt der Abgeordnete Spillecke. — Der Abgeordnete Spillecke ist nicht anwesend. Die Fragen werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 109 stellt der Abgeordnete Ertl:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß sie mit ihrer Weigerung, die von Bundesaußenminister Brandt gebilligten Geheimgespräche des Sonderbotschafters Bahr näher zu erläutern, nur jenen Kräften Auftrieb gegeben hat, die den von Bundesaußenminister Brandt beklagten „Sumpf von Verdächtigungen und Verleumdungen" verursacht haben?
Die Frage wird von Herrn Staatssekretär Jahn beantwortet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Erklärung des Bundesaußenministers vor der Presse, die von Herrn Bahr geführten Gespräche hätten mit seiner Kenntnis stattgefunden und sich im Rahmen der Politik des Senats von Berlin bzw. der Bundesregierung gehalten, stellen eine klare Antwort dar. Zu den in einigen Zeitungen aufgestellten falschen Behauptungen ist bisher keinerlei Material vorgelegt worden, das diese Behauptungen stützt. Im übrigen mag die Feststellung der Klarheit dienen, daß nicht jedes nichtöffentlich geführte Gespräch den Charakter von Geheimverhandlungen hat.
Herr Staatssekretär, wenn Pressemeldungen zutreffen, gibt es in dieser Sache eine Untersuchungskommission beim Bundeskanzler. Glauben Sie nicht, daß es für die deutsche Offentlichkeit nützlicher wäre, wenn man sie über diese Untersuchungen und auch ihren Inhalt informieren würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ertl, diese Pressemeldungen treffen nicht zu. Es gibt keine Untersuchungskommission beim Bundeskanzler. Es wird auf Bitten des Bundeskanzlers lediglich — aber nicht von einer Kommission — geprüft, erstens, ob die Presseveröffentlichungen richtig sind, daß Tonbänder oder ähnliches Material irgendwelchen Geheim- oder Nachrichtendiensten zur Verfügung stehen, und zweitens, falls dies zutreffen würde, die Frage, wie es möglich ist, daß Material aus diesem Bereich in die Hände von offensichtlich und erkenn-. bar Unbefugten gelangt. Die Prüfung in dieser Frage erstreckt sich auf nichts anderes, und das steht nicht mit dem im Zusammenhang, worauf Sie in Ihrer Frage abzielen.
Herr Ertl!
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, zu dieser Frage von sich aus eine klärende Antwort bezüglich der gesamten Spekulationen zu geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum Teil betrifft das schon die nächste Frage, auf die ich gesondert antworten wollte, Herr Kollege Ertl. Vielleicht können wir das noch einen Moment zurückstellen.
Herr Bucher!
Herr Staatssekretär, ich habe eine ganz andere, vielleicht etwas laienhafte Frage: Wären denn, unterstellt, daß die Vorwürfe, die Herrn Bahr von Ihren christlichen Koalitionspartnern gemacht werden, zutreffen, überhaupt weitergehende Konsequenzen zu ziehen als jene, die gezogen wurden, als der damalige Bundesjustizminister Fritz Schäffer zu Gesprächen in die DDR reiste?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, Herr Kollege Dr. Bucher. Es haben Gespräche stattgefunden, 'natürlich! Diese Gespräche haben zulässigerweise stattgefunden. Solche und andere Gespräche zu führen, liegt im Rahmen der Politik dieser Bundesregierung. Es gibt daraus keine Konsequenzen zu ziehen. Auch ein Vergleich, wie Sie ihn soeben gezogen haben, ist nicht ganz zutreffend, weil sich das, was sich in diesem Bereich vollzogen hat, selbstverständlich mit vorherigem Wissen und unter Beteiligung der Verantwortlichen vollzogen hat.
Herr Zoglmann!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß .es nicht überraschend ist, festzustellen, daß bei Gesprächen solcher Art Tonbandaufnahmen gewissermaßen die natürliche Beigabe sind?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968 11123
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann nur wiedergeben, was der Herr Bundesaußenminister in der vergangenen Woche hier bereits in der Debatte gesagt hat. Davon auszugehen ist in solchen Fällen immer zweckmäßig.
Herr Unertl!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der damalige, jetzt zitierte Bundesfinanzminister Schäffer seinerzeit nur einen Verwandtenbesuch gemacht und einen verwandten Offizier, Herrn Müller, gesprochen hat? Glauben Sie nicht, daß es eine Geschmacklosigkeit ist, das heute noch einmal in die Fragestunde zu bringen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bisher, Herr Kollege Unertl, war ich anders unterrichtet. Falls in Ihrer Frage eine Belehrung liegen sollte, nehme ich sie gern entgegen, um sie dann allerdings noch einmal etwas genauer nachzuprüfen.
Sind Sie bereit, dann auch die Argumente von mir entgegenzunehmen, die genau auf dem beruhen, was ich gesagt habe?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Kollege Unertl, dazu bin ich allerdings nicht bereit.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß im Bereich der Außenpolitik ebenso wie im Bereich der Verteidigungspolitik sehr wohl Fälle eintreten können, in denen eine vorzeitige öffentliche Behandlung dieser Fragen nur schädlich sein kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann das nur bestätigen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, welches Staatsinteresse — um auf Äußerungen des Bundesaußenministers in seiner Pressekonferenz Bezug zu nehmen — soll vorgelegen haben, wenn die von der Presse aufgestellte Behauptung, die Rede von Herrn Ministerialdirektor Bahr in Tutzing sei mit SED-Funktionären abgestimmt gewesen, weder dementiert noch bestätigt wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann diese Frage nur beantworten, nachdem ich vorher ausdrücklich ihren nicht zur Sache gehörenden polemischen Charakter festgestellt habe. Im übrigen, Herr Kollege Baier, bezog sich die Äußerung des Herrn Bundesministers ja nicht auf diesen von Ihnen hierdargelegten Tatbestand, sondern auf die Tatsache, daß Gespräche stattgefunden haben. Die Unterstellung, es habe eine Abstimmung irgendwelcher Reden mit irgendwelchen Leuten, mit denen wir nichts abzustimmen haben, stattgefunden, ist nicht nur falsch, sondern böswillig, und ich benutze die Gelegenheit gern, um sie in aller Form zurückzuweisen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Freiherr von Gemmingen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, darf ich Sie in der Annahme, daß Sie mit mir darin einig gehen, ,daß es dem Ansehen der Bundesrepublik nicht schadet, wenn ein Deutscher mit Deutschen im anderen Teil von Deutschland spricht, fragen, warum dann die Bundesregierung nicht endlich den Schleier über die ganze geheimnisvolle Affäre lüftet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es besteht ja in dieser Frage gar kein Schleier, Herr Kollege von Gemmingen, außer ,dem, der durch unbewiesene und, wie sich inzwischen herausgestellt hat, offenbar auch unbeweisbare Behauptungen entwickelt wird. Den können aber nur diejenigen beseitigen, die ihn entwickeln, nicht die Bundesregierung, die sich an derartigen Dingen nicht beteiligt und auch nicht bereit ist, sich daran zu beteiligen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, können Sie diesem Hohen Hause bestätigen, daß die damalige Rede von Herrn Bahr in Tutzing auf Veranlassung des damaligen Leiters des Politischen Klubs von Tutzing, des jetzigen CSU-Landtagsabgeordneten Roland Messner, stattgefunden hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe mich über die Einzelheiten nicht so genau informiert, aber ich sehe keinen Anlaß, der in Ihrer Frage liegenden Behauptung zu widersprechen.
Keine weiteren Fragen.
Es folgt die zweite Frage des Abgeordneten Ertl, die Frage 110:
Ist der Bundesaußenminister bereit, der Offentlichkeit über die von ihm gebilligten Geheimgespräche des Sonderbotschafters Bahr nähere Auskunft zu geben, um zu verhindern, daß sie noch mehr ins Zwielicht geraten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gehe davon aus, daß nicht erwartet wird, im Deutschen Bundestag über Fragen zu sprechen, für die der Senat von
11124 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Berlin zuständig ist. Im übrigen ist der Herr Bundesaußenminister nicht bereit, von der üblichen Praxis abzugehen und über vertrauliche Besprechungen zu berichten.
Derartige Gespräche können nicht in ein Zwielicht geraten, da sie mit Wissen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin bzw. des Bundesaußenministers geführt worden sind. Davon abgesehen, Herr Kollege Ertl, erweist sich wieder einmal die Erfahrung als richtig, daß falsche Behauptungen auch bei ihrer Wiederholung noch nicht richtig werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ertl.
Herr Staatssekretär, ich darf vorausschicken, daß auch ich der Auffassung bin, daß Gespräche mit Vertretern des anderen Teils Deutschlands durchaus nützlich sein können. Ich frage Sie: Wird dann wenigstens dem Gesamtdeutschen Ausschuß, dem zuständigen Fachausschuß, über diese Gespräche berichtet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicher dann, wenn es etwas Berichtenswertes oder Berichtenswürdiges gibt, Herr Kollege Ertl, insbesondere wenn es sich um förmliche und offizielle Gespräche handelt.
Herr Staatssekretär, ich schließe daraus — —
Sie müssen eine Frage stellen.
Ich kann es auch mit einer Frage machen. Nachdem der Herr Außenminister die Gespräche gebilligt und wahrscheinlich auch angeordnet hat, nehme ich an, daß ein spezifisches Interesse bestand. In diesem Zusammenhang kann man die Erwägung anstellen, daß die Frage im Gesamtdeutschen Ausschuß behandelt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ertl, da Sie Ihre Frage mit Recht auf eine Annahme stützen, kann ich Ihnen auch keine bejahende Antwort geben.
Herr Dr. Arndt .
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß eine Außenpolitik zum Wohle unseres Landes nur dann durchführbar ist, wenn sich die verantwortlichen Minister, Staatssekretäre und Beamten auf das Vertrauen dieses Hauses stützen können, daß auch vertrauliche Verhandlungen im deutschen Interesse geführt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann diese Auffassung nur bestätigen, Herr Kollege Arndt. Es ist in der Tat notwendig, davon auszugehen, daß sich sowohl die Tätigkeit der verantwortlichen Beamten — übrigens nicht nur auf dem Gebiet der Außenpolitik, sondern auch in den Fragen der innerdeutschen Politik — selbstverständlich nicht nur auf das Vertrauen ihrer Dienstvorgesetzten im formalen Sinne, sondern auch auf das Vertrauen derjenigen stützen muß, die in diesem Lande politische Verantwortung tragen. Man muß auch davon ausgehen können, daß unter Umständen auf eigene Initiative und auf Grund eigener Überlegungen angeführte informatorische und andere Gespräche jederzeit von denjenigen, die in diesen Dingen arbeiten müssen, geführt werden können, schon deshalb, damit sie über alle Möglichkeiten der Information zu verfügen in der Lage sind, die überhaupt erreichbar sind.
Herr Dr. Arndt!
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß auch ein Journalist, der von solchen vertraulichen Verhandlungen erfährt, unserem Lande keinen guten Dienst tut, wenn er diese Vertraulichkeit bricht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Arndt, ich möchte jedenfalls von dieser Stelle aus — ich würde es auch persönlich höchst ungern tun —, keine Verhaltensmaßregeln für Journalisten aufstellen. Aber beim Lesen der Presse erkennt man sicher ohne Schwierigkeiten, welche Journalisten bereit sind, sich der Sache anzunehmen, und welchen es mehr darum geht, Sensationsbedürfnisse zu befriedigen.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Antworten schließen, daß die politischen Wertungen in den beiden angesprochenen Artikeln im „Bayernkurier" und in der „Welt am Sonntag" in der Sache falsch sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Bevor ich die anderen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts aufrufe, darf ich mitteilen, daß die noch offenen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — die Fragen 91 des Abgeordneten Dr. Müller , 92 bis 94 des Abgeordneten Dr. Aigner — im Einverständnis mit den Fragestellern schriftlich beantworten werden. Zunächst die Frage des Abgeordneten Dr. Müller:
Was soll mit der Übersthußproduktion an Zucker innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nach Meinung der Bundesregierung geschehen?
Die Antwort des Bundesministers Höcherl vom 12. Dezember 1968 lautet:
Rd. 450 000 t werden in der Gemeinschaft für Futterzwecke und zu einem kleinen Teil zur Herstellung von chemischen Erzeugnissen verwendet werden,
rd. 550 000 t sind für die Ausfuhr vorgesehen, wovon bereits Ausfuhrlizenzen über mehr als 520 000 t erteilt worden sind.
Es ist ferner vorgesehen, den Zuckerbestand, der zu Beginn des Zuckerwirtschaftsjahres vorhanden war, um rd. 250 000 t abzubauen. Diese Menge wird voraussichtlich ebenfalls in unverarbeiteter oder verarbeiteter Form zur Ausfuhr kommen.
Der größte Teil der Überschüsse ist bereits verwertet worden. Der Rest wird im Laufe dieses Zuckerwirtschaftsjahres verwertet werden.
Dann die Fragen 92, 93 und 94 des Abgeordneten Dr. Aigner:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Förderung einzelbetrieblicher Maßnahmen, insbesondere von Aussiedlungen landwirtschaftlicher Betriebe nicht nur im Interesse der einzelnen Betriebe selbst, sondern als Voraussetzung für die Auflockerung der Dorflage und damit der Dorferneuerung schlechthin auch weiterhin und mindestens im bisherigen Umfange fortgesetzt werden sollte?
Hält die Bundesregierung die Absicht der Kommission der EWG, künftig aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft , Abt. Ausrichtung, einzelbetriebliche Maßnahmen nicht mehr zu fördern, wie dies u. a. aus den Vorschlägen für die Gemeinschaftsprogramme (Kommissionsdokument 7960/VI/68) hervorgeht, mit den Zielen ihres Agrarprogramms für vereinbar?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sich angesichts der immer schmäler werdenden nationalen Finanzierungsbasis — bedingt vor allem durch die steigenden Ausgaben für die gemeinsamen Marktorganisationen — zusätzliche Finanzierungshilfen aus dem EAGFL, Abt. Ausrichtung, für die Förderung von Aussiedlungen und anderen einzelbetrieblichen Investitionen zu sichern?
Hier lautet die Antwort des Bundesministers Höcherl vom 12. Dezember 1968:
Die Bundesregierung hält die Förderung einzelbetrieblicher Maßnahmen, wie z. B. die Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe aus beengter Ortslage, nach wie vor für notwendig. Sie ist auch der Auffassung, daß die Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe große Bedeutung im Rahmen der Dorferneuerung behalten wird. Allerdings zwingt die allgemeine Haushaltslage des Bundes dazu, die u. a. für die Aussiedlung maßgeblichen Haushaltstitel im Entwurf des Bundeshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1969 gegenüber dem Rechnungsjahr 1968 erheblich zu kürzen. Ich werde den Minderbetrag durch Kapitalmarktmittel, die mit Hilfe des bei der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank bestehenden Zweckvermögens aufgenommen werden sollen-, wenigstens teilweise ausgleichen.
Die Förderung einzelbetrieblicher Maßnahmen wird infolgedessen nicht mehr im bisherigen Umfange möglich sein. Ich habe deshalb entsprechend der Konzeption des Agrarprogramms der Bundesregierung veranlaßt, daß Aussiedlungen in Zukunft schwerpunktmäßig im Rahmen von Flurbereinigungs- oder Dorf-erneuerungsverfahren gefördert werden sollen und damit ein wesentliches öffentliches Interesse vorliegt.
Die zweite Frage beantworte ich mit Nein!
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sich die in der Landwirtschaft bestehenden Strukturprobleme nur durch eine Vielfalt einander ergänzender und harmonisch zusammenspielender Maßnahmen lösen lassen. Dazu gehören auch die auf den Einzelbetrieb gerichteten Initiativen, deren Förderung sowohl aus dem nationalen Haushalt als auch aus den Mitteln der Abteilung Ausrichtung nach wie vor notwendig ist. Der Rat hat im übrigen den Vorschlägen der Kommission für die Gemeinschaftsprogramme .nicht zugestimmt. Es ist deshalb zumindest sehr fraglich, ob die Kommission diese Vorschläge wieder aufgreifen wird.
Die Bundesregierung gedenkt ihre im Agrarprogramm verankerten Vorstellungen über die Zielrichtung der Agrarstrukturpolitik in die kommenden Brüsseler Verhandlungen über das Memorandum der Kommission zur künftigen Entwicklung der Agrarpolitik einzubringen. Dabei wird sie mit Nachdruck darauf bestehen, daß im wohlverstandenen Gemeinschaftsinteresse die Mittel des Teils Ausrichtung des EAGFL wohlausgewogen zur Ergänzung der Anstrengungen der Mitgliedstaaten, die unterschiedlichen Strukturprobleme zu lösen, benutzt werden. In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung dafür eintreten, daß zusätzliche Finanzierungshilfen aus der Abteilung Ausrichtung des EAGFL für einzelbetriebliche Maßnahmen wie bisher im Rahmen großräumiger Vorhaben der Agrarstrukturverbesserung beantragt und bewilligt werden können.
Der Herr Bundesminister kann also entlassen werden.
— Aus diesem Hause entlassen werden!
— Meine guten Beziehungen zum Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten machen eine solche Frage eigentlich überflüssig.
Ich rufe jetzt die Frage 111 des Abgeordneten Dorn auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung nach dem bisherigen Verlauf der Verfahren die plötzlichen Meldungen aus Seoul über neuerliche Todesurteile gegen Südkoreaner, die aus der Bundesrepublik Deutschland entführt worden waren?
Bitte, Herr Staatssekretär zur Beantwortung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich hier eine Anregung geben? Zu dem Gesamtkomplex der entführten Koreaner liegen insgesamt acht Fragen vor, die sich teilweise überschneiden. Ich glaube, es wäre nützlich, wenn ich Gelegenheit hätte, zu dem gesamten Komplex im Zusammenhang Stellung zu nehmen, und sich die Fragen dann anschließen, — falls das Hohe Haus und der Herr Präsident damit einverstanden wären.
Ich kann dagegen mit guten Gründen nichts einwenden. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß Sie mir, was die Zusatzfragen angeht, eine schwierige Buchführungsaufgabe stellen. Aber versuchen wir es.
Ich rufe also auch folgende Fragen auf: 112 des Abgeordneten Dorn, 115 des Abgeordneten Weigl, 119 und 120 des Abgeordneten Dr. Arndt , 130 bis 132 des Abgeordneten Müller (Mülheim) :
Was hat die 'Bundesregierung unternommen, um die baldige Freilassung der widerrechtlich aus ihrem Hoheitsgebiet Verbrachten zu erreichen?
Stützt sich nach dem neuesten Stand der Ermittlungen die Forderung auf Rückkehr der in Seoul verurteilten Koreaner in die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor nur auf Vermutungen oder neuerdings auch auf Beweise über eine gewaltsame Entführung dieser Personen?
Sind der Bundesregierung die neuerlichen — in der vergangenen Woche ergangenen — Urteile gegen die zum Teil aus Deutschland entführten Koreaner bekannt?
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung im Hinblick auf ihre früheren Erklärungen vor dem Deutschen Bundestag und an anderer Stelle aus diesen Gerichtsentscheidungen zu ziehen?
Womit will die Bundesregierung den Vorwurf entkräften, sie habe in der Sache der verschleppten Koreaner weder das Notwendige noch das Letzte getan, um die Regierung Südkoreas zu bewegen, die entführten Personen in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen?
Hat die Bundesregierung neben der berechtigten Wahrung ihrer völkerrechtlichen Interessen hinsichtlich der begangenen Rechtsbrüche durch Organe eines fremden Staates auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nichts versäumt, um menschliche Erleichterung und auch die Rückführung der Verschleppten zu erreichen?
Was hat die Bundesregierung im einzelnen seit der Verschleppung an diplomatischen Schritten gegenüber Südkorea unternommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf in der zeitlichen Reihenfolge des Vorgangs vorgehen und deshalb zunächst die Frage des Abgeordneten Weigl aufgreifen.
11126 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts beim
Bundesgericht haben nicht ergeben, daß die südkoreanischen Beamten, welche die 17 südkoreanischen Staatsangehörigen im Juli 1967 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Südkorea verbracht haben, Gewalt oder Drohungen angewendet haben. Es konnte nur festgestellt werden, daß die von der Aktion betroffenen Südkoreaner unter Vorspiegelung unwahrer Angaben in die südkoreanische Botschaft nach Bonn gebracht wurden. Die Bundesregierung sieht jedoch allein schon in dem Tätigwerden der südkoreanischen Behörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine völkerrechtswidrige Handlung, durch die die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland verletzt worden ist.
Die Bundesregierung hat seit dem ersten Begehren um volle Aufklärung des Vorgangs, das sie am 4. Juli 1967 gegenüber der koreanischen Botschaft geltend gemacht hat, jede Möglichkeit förmlicher und anderer Art wahrgenommen, die Rückführung der Verschleppten zu verlangen, und zwar sowohl hier gegenüber dem Vertreter der Republik Südkorea in Bonn als auch durch den deutschen Botschafter in Seoul. Eine Aufzählung der Schritte im einzelnen — dafür bitte ich das Haus um Verständnis — würde den Rahmen der Fragestunde einfach sprengen.
Das Auswärtige Amt war und bleibt bemüht, in diplomatischen Verhandlungen seine Forderung durchzusetzen. Diese Bemühungen sind bisher nicht ohne Erfolg geblieben. Sechs der nach Korea verbrachten Personen wurden nach den Ermittlungsverfahren freigelassen und konnten zurückkehren. Auch die Ehefrau des Komponisten Yun I Sang konnte, obwohl sie ebenso wie ihr Ehemann angeklagt war, nach Deutschland zurückkehren. Die ebenfalls angeklagte Ehefrau des Physikers Chung Kyu Myung wurde nach der zweiten Instanz auf freien Fuß gesetzt. Sie wollte allerdings nicht nach Deutschland zurückkehren, solange ihr Mann in Korea in Haft bleibt. Am 18. Juli 1968 konnten auch die Angeklagten Kim Yun Tack und Kim Chong Dak in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren. Außerdem gestattete die koreanische Regierung die Rückkehr der ebenfalls angeklagten deutschen Ehefrau von Professor Kang, der in Korea selbst verhaftet worden war, also nicht aus der Bundesrepublik Deutschland dorthin verbracht worden ist.
Diese sukzessive erfolgten Freilassungen können im wesentlichen den zähen und unermüdlichen Bemühungen der Bundesregierung zugeschrieben werden. Bei Beginn des Berufungsverfahrens am 14. November 1968 ist dem koreanischen Botschafter in Bonn außerdem mit Nachdruck die ernste Besorgnis der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht worden. Der Botschafter wurde ferner am Sonnabend, dem 23. November 1968, ins Auswärtige Amt gebeten, wo ihm Staatssekretär Lahr unzweideutig und eindringlich die ernsten Befürchtungen der Bundesregierung und der deutschen Öffentlichkeit über die deutsch-koreanischen Beziehungen zum Ausdruck gebracht hat. Staatssekretär Lahr warnte Botschafter Kim davor, die Bedeutung dieser Frage für die beiderseitigen Beziehungen zu unterschätzen. Die deutsche Souveränität sei verletzt worden, und die völkerrechtswidrigen Handlungen koreanischer Stellen seien auf deutschem Boden erfolgt.
Das Urteil des Obersten koreanischen Gerichts vom 30. Juli 1968, 'das die harten Urteile der zweiten Instanz aufhob, wurde in der mit großer Nervosität geladenen Atmosphäre Koreas zum Gegenstand innenpolitischer Kontroversen. Zwei Richter des Obersten Gerichts haben unmittelbar nach der Urteilsverkündung ihren Rücktritt erklärt, ebenso wie einige Richter des Berufungsgerichts. Dieses mußte sich erst neu konstituieren, wodurch eine Verzögerung des Prozeßbeginns bis zum 14. November eintrat.
Entgegen allen Erwartungen stellte die Staatsanwaltschaft 'im nunmehr abgeschlossenen Berufungsverfahren sehr harte Strafanträge, die sich auf bisher nicht angewandte Vorschriften des Art. 6 Abs. III des Antikommunistengesetzes und Art. 3 des Staatssicherheitsgesetzes gründen. Trotz des Einspruchs der Angeklagten gegen dieses nach unseren Rechtsvorstellungen unzulässige Verfahren hat das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben. Das koreanische Berufungsgericht ist in seinem Urteil vom 5. Dezember 1968 den harten Strafanträgen der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt. Es hat jedoch in fast allen Fällen die Urteile der zweiten Instanz vom 13. April 1968 mit zwei Ausnahmen bestätigt, in denen Strafen von 15 auf 10 Jahre bzw. eine Todesstrafe auf 15 Jahre reduziert wurden.
Über die Absichten der Angeklagten und ihrer Verteidigung sowie eventuell auch der Staatsanwaltschaft bezüglich neuer Revisionsanträge ist noch nichts Endgültiges bekannt. Es ist damit zu rechnen, daß einige der Angeklagten, die besonders harte Strafen erhielten, erneut Revision einlegen werden. Das Gnadenrecht kann nur nach dem endgültigen Abschluß des Verfahrens ausgeübt werden.
Unverzüglich nach Vorliegen der ersten Nachrichten über das Ergebnis des Berufungsverfahrens hat die Bundesregierung Botschafter Ferring zur Berichterstattung nach Bonn berufen. Er hatte Weisung erhalten, vor seiner Abreise Staatspräsident Park aufzusuchen, um ihm die Bestürzung der Bundesregierung über die harten Urteile zum Ausdruck zu bringen und zu hören, welche Vorstellungen auf koreanischer Seite hinsichtlich einer endgültigen Beilegung der Kontroverse, mögliche Absichten bezüglich Straferleichterung oder Strafminderung auf dem Gnadenwege bestehen. Botschafter Ferring wurde jedoch wenige Stunden vor seinem Abflug nur noch von Ministerpräsident Kwon empfangen. Eine eingehende Analyse dieses Gesprächs erfolgt gegenwärtig im Auswärtigen Amt.
Botschafter Ferring hat sofort nach seiner Rückkehr dem Auswärtigen Amt über den Stand der Angelegenheit aus seiner Sicht berichtet. Er wurde gestern auch vom Bundesminister des Auswärtigen empfangen. Das weitere Vorgehen wird gegenwärtig einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Dabei wird es von entscheidender Bedeutung für uns sein, die weiteren Einwirkungsmöglichkeiten auf die
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Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
koreanische Regierung bezüglich eines befriedigenden Abschlusses der Angelegenheit und zugleich die Möglichkeit, wie bisher schon zugunsten der Verurteilten tätig zu werden, zu behalten. Das spricht gegen den Abbruch der diplomatischen Beziehungen.
Die Bundesregierung hält es für richtig, sich weiter darum zu bemühen, auf diplomatischem Wege zum Erfolg zu kommen. Die Tatsache, daß von den 16 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Korea verbrachten erwachsenen Koreanern zehn inzwischen wieder freigelassen wurden, neun wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind sowie in einigen weiteren Fällen das Strafmaß der Verurteilten im Vergleich zu den Vorinstanzen erheblich reduziert wurde, ist ein Beweis dafür, daß unsere Bemühungen nicht erfolglos sind. Der Bundesminister des Auswärtigen hat heute vormittag den koreanischen Botschafter empfangen und ihm die Erwartungen der Bundesregierung über die weitere Behandlung dargelegt.
Der Hinweis auf diese eben genannten vorläufigen Erfolge unserer Bemühungen sollte deutlich machen, daß Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind. Die Bundesregierung hat alles getan, um darüber hinaus den Angeklagten in Seoul menschliche Erleichterungen zu verschaffen. Sie beabsichtigt, diese Bemühungen, solange sie erforderlich und möglich sind, fortzusetzen. Es handelt sich generell um Maßnahmen, die einen optimalen Rechtsschutz der Angeklagten gewährleisten, ihre ärztliche Betreuung sicherstellen und den Freigelassenen ihre Rückreise nach hier erleichtern. Dazu kommen nicht zuletzt die Bemühungen im menschlichen Bereich durch die Angehörigen der Botschaft in Seoul. Die Angeklagten und ihre Angehörigen haben sich wiederholt für die geleistete Hilfe bedankt.
Meine Herren, ich werde jetzt die Zusatzfragen in der Reihenfolge der Fragesteller aufrufen. Zunächst kommen die Fragesteller, dann erst kommen die anderen. — Zuerst Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, nachdem Sie in der letzten Fragestunde, die wir zu diesem Thema hatten, in Aussicht gestellt haben, daß eine Entwicklungshilfe nicht mehr durchgeführt würde, wenn nicht entsprechende Maßnahmen erfolgten, frage ich Sie, ob die Entwicklungshilfemaßnahmen nach Ihrer damaligen Zusage eingestellt worden sind — oder ob die Entwicklungshilfe bei diesem Projekt weitergegangen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die eingestellten Maßnahmen auf dem Gebiet der Kapitalhilfe sind eingestellt geblieben. Ein bereits angelaufenes Projekt auf dem Gebiet der technischen Hilfe ist weitergeführt worden, und zwar im Zusammenhang mit dem Urteil in der Revisionsinstanz vom Juli dieses Jahres, das erwarten ließ, daß die Sache nunmehr zu einem besseren Ergebnis kommen würde.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin noch einmal festgestellt haben, daß es sich hier um eindeutig völkerrechtswidrige Handlungen gehandelt hat, frage ich Sie, ob die Bundesregierung denn nunmehr — nachdem sich die Hoffnungen, die sie an all die Entwicklungsphasen geknüpft hat, nicht erfüllt haben — endlich bereit ist, auch die Frage des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zu diesem System in Erwägung zu ziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dorn, Sie gehen von einer Voraussetzung aus, die ich mir nicht zu eigen machen kann.
Ich habe eben festgestellt: Von den insgesamt 17 verschleppten Koreanern sind im Laufe der Zeit immerhin zehn zurückgekehrt bzw. jedenfalls — bis auf die eine Ehefrau — freigelassen worden. Das heißt, die Fortführung der diplomatischen Beziehungen seit dem Vorfall, der uns hier beschäftigt, hat sich als richtig erwiesen. Ich bin der Überzeugung, daß wir andernfalls weder diesen Fortschritt noch die Möglichkeit der Einwirkungen auf die koreanische Regierung, die dazu geführt haben, daß das Verfahren bisher — jedenfalls in weiten Strecken und auch im Hinblick auf das Strafmaß — entsprechend verlaufen ist, gehabt hätten. Ich kann deswegen schon aus dieser reinen Zweckmäßigkeitsbetrachtung heraus keinen Sinn darin erblicken, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen.
Ich möchte darüber hinaus aber sagen, daß der Bundesminister des Auswärtigen der Auffassung ist — die ich auch persönlich teile; ich möchte das ausdrücklich in dieser Form sagen —, daß der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu irgendeinem Land überhaupt nicht ein geeigneter Schritt ist, um strittige Fragen zwischen zwei Ländern zu klären.
Herr Dorn!
Herr Staatssekretär, gehen Sie davon aus, daß selbst bei einer großen Anzahl von völkerrechtswidrigen Handlungen, die von einem anderen Staat oder von Personen, deren Auftraggeber in einem anderen Staat sitzen, bei uns durchgeführt werden, der Abbruch der diplomatischen Beziehungen nicht zum Bestandteil der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in unserem Land gehört?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Als Instrument — wenn Sie das in dieser abstrakten Form fragen, Herr Kollege Dorn — kann und will ich das natürlich nicht ausschließen. Ich habe eben nur versucht, die Vorstellungen, die das Auswärtige Amt in dieser Frage hat, deutlich zu machen. Sie laufen darauf hinaus, ein solches Instrument, wenn überhaupt,
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Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
dann nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen zu gebrauchen.
Jetzt hat Herr Weigl das Wort.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß deutsche Exportfirmen bei geschäftlichen Kontakten in Südkorea heute auf immer stärkere Reserve stoßen, weil nach Meinung ihrer dortigen Geschäftspartner die deutsche Öffentlichkeit viel zuwenig über die innenpolitisch schwierige Situation in Südkorea aufgeklärt wird, über eine Situation, die z. B. dazu führt, daß sich die Partisanenüberfälle dauernd mehren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einzelfälle sind mir nicht bekannt, Herr Kollege Weigl. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, daß in der Diskussion zwischen Deutschen und Koreanern die sehr unterschiedliche Einschätzung, die sehr unterschiedliche Bewertung der jeweiligen nationalen Lage sehr deutlich spürbar wird.
Keine weitere Frage? — Herr Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, in Würdigung der Umstände, die Sie eben über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen angeführt haben — die ich teile : Würde die Bundesregierung dennoch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen in Erwägung ziehen, wenn auf Grund der Anträge der weisungsbefugten Staatsanwaltschaft Urteile des gegenwärtigen Umfangs einmal rechtskräftig werden sollten, so daß ein weiteres Verfahren, eine weitere Einwirkung nicht mehr möglich wäre?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Arndt, der Abschluß des Gerichtsverfahrens bedeutet ja noch nicht zwingend den Abschluß und die Erfolglosigkeit unserer Bemühungen, zugunsten der Angeklagten oder der in diesem Fall dann Verurteilten etwas zu tun. Ich würde also auch unter diesen besonderen Bedingungen, die Sie genannt haben, nicht dafür plädieren können, diesen Schritt des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zu tun.
Ich möchte hinzufügen: Unter den besonderen Umständen dieses Falles würde ich sogar sagen: gerade dann wäre der ungeeignetste Zeitpunkt.
Noch eine Frage, Herr Dr. Arndt?
Herr Staatssekretär, was würde die Bundesregierung davon halten, — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte einen Moment um Entschuldigung, Herr Präsident! Die temperamentvolle Unterhaltung vor mir macht es mir akustisch fast unmöglich, die Fragen hier noch aufzunehmen.
Ich wollte soeben eingreifen. Ich bitte, die Unterhaltungen einzustellen; sonst ist die Fragestunde nicht durchzuführen. — Bitte noch einmal, Herr Dr. Arndt!
Herr Staatssekretär, wie würde die Bundesregierung den Plan von Mitgliedern dieses Hauses beurteilen, nunmehr, insbesondere im Zusammenhang mit der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft, eine Delegation aus Bundestagsabgeordneten nach Seoul zu entsenden, die dort im Sinne der Bemühungen der Bundesregierung interveniert?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Solche Überlegungen sind hilfreich. Im gegenwärtigen Zeitpunkt, Herr Kollege, glaube ich aber, ist zunächst einmal die Bundesregierung zum Handeln aufgerufen, und das Auswärtige Amt prüft im gegenwärtigen Zeitpunkt, was die Bundesregierung tun wird. Die Bundesregierung wird etwas tun. Ich will damit nicht ausschließen, daß außerdem zusätzlich — und das eine das andere ergänzend — auch ein solcher Gedanke geprüft und weiter verfolgt werden sollte.
Herr Dr. Arndt!
Herr Staatssekretär, können Sie etwas dazu sagen, wie sich die Bundesregierung zu dem Vorschlag stellen würde, in Zukunft die Inhaber aller Arten von koreanischen Dienstpässen, also insbesondere von Dienst- und Diplomatenpässen, dem Visumzwang zu unterwerfen, damit die Bundesregierung in Zukunft rechtzeitig erkennen kann, daß eine größere Anzahl von Personen in dienstlicher Eigenschaft in das Bundesgebiet einreist und hier offensichtlich etwas vorhat, was mit normalen Beziehungen zwischen zwei Staaten nicht in Übereinstimmung steht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Inhaber von Dienst- oder Amtspässen bedürfen ohnehin keines Einreisesichtvermerks.
Ich meinte ja gerade, — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie meinen eine Einführung? Die Frage, ob das auf Grund der bestehenden vertraglichen und internationalen Vereinbarungen möglich ist, kann ich im Augenblick nicht beantworten. Dies wäre einer besonderen Prüfung vorzubehalten. Ich bin gerne bereit, diese Prüfung hier zuzusagen. Ob das insgesamt aber sehr hilfreich ist,
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Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
um das zu erreichen, was Ihnen vorschwebt, wage ich zu bezweifeln. Wenn Leute, die sich auf diesem Gebiete betätigen, in die Bundesrepublik Deutschland — übrigens in jedes andere Land auch — hineinkommen wollen, dann kommen sie hinein, auch wenn sie die förmlichen Voraussetzungen dafür nicht eindeutig nachweisen können.
Meine letzte Frage, Herr Präsident!
Ich weiß nicht, Herr Kollege Arndt, ob Sie nicht bereits vier Fragen gestellt haben.
Nein, drei habe ich gestellt.
Gut, dann haben Sie noch eine. Das ist wohl mehr eine Frage der Buchführung.
Herr Staatssekretär, hätten Sie Verständnis dafür, daß es für die Offentlichkeit dennoch einen Unterschied macht, ob entsprechende Personen mit amtlichen Dienstpässen hier einreisen und dann einer solchen Tätigkeit nachgehen oder ob sie illegal einreisen, eben in einer Art, wie Sie sie soeben angedeutet haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich, Herr Kollege Arndt. Ich möchte auch nicht den leisesten Zweifel daran lassen, daß die Bundesregierung die Einreise der an der Verschleppung beteiligten Personen mit Hilfe von Dienstpässen als ein grobes Täuschungsmanöver empfindet.
Jetzt Herr Abgeordneter Müller !
Herr Staatssekretär, was wird künftig von der Bundesregierung bei der Beurteilung dieses Falles im Hinblick auf mögliche Sanktionen, die ins Auge zu fassen wären, primär beachtet werden: die Tatsache, daß die Souveränität verletzt worden ist, oder die Tatsache, daß es darum geht, die widerrechtlich entführten Koreaner auf das Gebiet der Bundesrepublik zurückzuüberstellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich würde das eine nicht vom anderen trennnen, Herr Kollege. Die Tatsache, daß hier eine grobe Verletzung der deutschen Souveränität vorgekommen ist, ist für die Bundesregierung ein entscheidender Grund dafür, die ausnahmslose Rückführung aller jetzt Verurteilten zu verlangen.
Herr Müller !
Wären Sie bereit, mir darin zuzustimmen, Herr Staatssekretär, daß es für die Betroffenen, die im Augenblick in Haft gehalten werden und die widerrechtlich entführt worden sind, persönlich viel wichtiger ist, wieder nach hier überstellt zu werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das würde ich gern tun. Aber die praktischen Erfahrungen auf Grund der Bemühungen der letzten Monate erlauben es mir nicht, in dieser pauschalen Form zu antworten. In der Tat hat der eine oder andere nicht den Wunsch, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. Deswegen bitte ich um Verständnis. Das kann man nicht in dieser Form generalisieren. Ich will hier jetzt gar nicht das extreme Beispiel der Ehefrau der noch Verhafteten anführen. Aber das ist auch ein Beweis.
Herr Müller !
Die Bundesregierung hat ja im ersten Rechtszug der Berufung einen Prozeßbeobachter entsandt. Ich habe die Frage, ob das bei den folgenden Rechtszügen auch der Fall gewesen ist und, falls es nicht der Fall war, ob ins Auge gefaßt wird, jedenfalls zu den laufenden Verfahren wieder offiziell einen Prozeßbeobachter zu entsenden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach der ersten Instanz ist das nicht mehr erfolgt. Es ging ja bei der Entsendung in der ersten Instanz nicht in erster Linie um eine förmliche juritische Kontrolle dieses Verfahrens, sondern darum, ein Bild von der gesamten Situation zu gewinnen und einen Maßstab dafür zu finden, wie die Umstände überhaupt gewürdigt werden müssen.
Aber ich will die Anregung, die in Ihrer Frage liegt, gern aufgreifen. Wir sind gern bereit, noch einmal zu prüfen, ob vielleicht unter den gegebenen Umständen gerade wegen der sehr schwankenden Rechtsprechung ein solcher Schritt auch noch erwogen werden könnte. Ich sage allerdings offen, im gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine derartige Überlegung nicht in dem Bereich dessen, was wir prüfen.
Herr Müller !
Eine letzte Frage! Herr Staatssekretär, sehen Sie einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem jetzt überraschend hoch ausgefallenen Urteil und der Tatsache — die bereits vorhin in einigen Fragen anklang — gewisser Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Südkorea?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist sehr schwer zu beurteilen. Aber es ist sicherlich gerechtfertigt, davon auszugehen, daß innenpolitische Situa-
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Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
tionen im allgemeinen auch nicht ohne Einfluß auf dieses Verfahren gewesen sind.
Herr Wagner!
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bereits bekannt, ob die aus Deutschland verbrachten Koreaner — gegebenenfalls, welche — gegen das viertinstanzliche Urteil Revision eingelegt haben, und wird die Bundesregierung entsprechenden Rechtsschutz geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann nur auf das verweisen, was ich soeben bereits ausgeführt habe, Herr Kollege Wagner. Die Bundesregierung kann heute noch nicht sagen, welche der jetzt Verurteilten ihrerseits wieder Rechtsmittel einlegen werden. Man wird es bei denjenigen unterstellen können, die eine besonders harte Strafe getroffen hat. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten wie bisher nichts unterlassen, was geeignet ist, den Betroffenen wirksam zu helfen.
Herr Matthöfer, die letzte Frage.
Herr Staatssekretär, liegen Zusicherungen der koreanischen Regierung vor, die ausschließen, daß sich solche Aktionen auf dem Gebiet der Bundesrepublik wiederholen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es liegt eine förmliche Entschuldigung der koreanischen Regierung wegen der Vorfälle vor, die eine Bejahung Ihrer Frage erlaubt.
Hat es Zusicherungen gegeben, Herr Staatssekretär, oder gibt es sie noch, daß von koreanischer Seite keine Tatbestände geschaffen werden, die nicht wiedergutzumachen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage ist mir nicht ganz klar. Ich sehe eigentlich nur die Möglichkeit, darauf das gleiche zu antworten wie auf die soeben gestellte Frage.
Herr Staatssekretär, meine Frage geht dahin, ob von der koreanischen Regierung früher einmal und vielleicht auch jetzt der Bundesregierung zugesichert wurde, daß von koreanischer Seite keine Tatbestände geschaffen werden, die nachher nicht wiedergutzumachen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt in dieser Frage für mich nicht die Möglichkeit, hier vor dem Hause definitive Erklärungen abzugeben. Ich habe aber begründeten Anlaß zu der Erwartung, daß solche Tatbestände nicht geschaffen werden.
Meine Damen und Herren, bevor ich die Fragestunde schließe, darf ich feststellen, daß aus diesem Geschäftsbereich die Fragen 109, 110, 111, 112, 115, 119, 120, 130, 131 und 132 erledigt sind. Die beiden nächsten Fragen des Abgeordneten Dr. Müller — 113 und 114 —:
Wie viele Bürger der Bundesrepublik Deutschland werden zur Zeit gegen ihren Willen in der Volksrepublik China festgehalten?
Was hat die Bundesregierung getan, um die Ausreise von in der Volksrepublik China festgehaltenen Bundesbürgern zu ermöglichen?
werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Die Fragestunde ist geschlossen.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bingen, daß ich bei einem schlecht besetzten Saal das Wort zur Geschäftsordnung ergreife. Das ist das Ergebnis einer unverständlichen Anordnung, nämlich daß während der Plenarsitzung Ausschußsitzungen stattfinden dürfen.
Herr Präsident, die Fragen des Abgeordneten Dr. Ritz sind von allgemeinem aktuellem Interesse. Ich beantrage deshalb eine Aktuelle Stunde. Mein Antrag wird ausreichend unterstützt.
Ich muß zunächst über den Antrag des Abgeordneten Genscher abstimmen lassen.
— Zu dem Antrag? An sich gibt es darüber keine Diskussion. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich stehen auf dem Standpunkt, daß das, was uns aus Brüssel bekanntgeworden ist, eine so wichtige Frage für die deutsche Agrarpolitik darstellt, daß wir diese Stunde dazu benutzen sollten, darüber zu sprechen, weil am 13. und 14. Januar die Ministerratssitzung stattfindet. Ich glaube, es ist im Interesse aller Menschen, die hier betroffen sind, daß dieses Parlament eine Aktuelle Stunde durchführt und die Ausschußberatungen, die zweifelsohne auch wichtig sind, um eine Stunde zurückstellt. Ich beantrage deshalb auch namens meiner politischen Freunde eine Aktuelle Stunde.
Dieser Antrag war nicht notwendig, denn der Antrag des Abgeordneten Genscher ist ausreichend unterstützt. Die Aktuelle Stunde findet auf jeden Fall statt und wird hiermit eröffnet.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968 11131
Vizepräsident Schoettle
Aktuelle Stunde
Ich frage die ersten Antragsteller, wer von ihnen nach unseren Richtlinien das Wort wünscht.
— Das Wort hat der Abgeordnete Logemann.
— Darüber kann ich jetzt nicht befinden.
— Nein, jetzt gibt es keine Geschäftsordnungsdebatte.
— Die Ausschüsse müssen mit der Situation selbst fertigwerden; das ist ihre Sache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Landwirtschaft hat vor dem Weihnachtsfest noch zwei Weihnachtsgeschenke auf den Tisch bekommen, einmal den Mansholt-Plan aus Brüssel. Aber ich möchte auch Bonn nicht vergessen; aus Bonn kam ebenfalls ein Weihnachtsgeschenk, und zwar in Form von Beschlüssen des Agrarkabinetts mit Kürzungen des ursprünglichen Globalansatzes für die mittelfristige Finanzplanung um rund die Hälfte
und mit Mehrbelastungen durch Sozialbeiträge für die Landwirtschaft in einer Größenordnung von 160 bis 180 Millionen DM. Diese beiden Geschenke sind zwei echte Danaer-Geschenke mit unheilbringender Wirkung für die Landwirtschaft.
Zunächst zu den Vorstellungen von Herrn Mansholt. Die Aussagen von Herrn Mansholt, die jetzt wiederum vorliegen,. sind an sich nicht neu. Sie erinnern sich vielleicht noch daran, daß auch im Sommer schon Aussagen kamen, die etwa die Kreiszeitungen unter der Überschrift brachten: „Mansholt: vier Bauernfamilien in einem Betrieb". Hier haben wir also schon seit längerer Zeit Aussagen vorliegen:
Die FDP hat sich seit Monaten gegen diese Aussagen des Vizepräsidenten Mansholt zur Wehr gesetzt. Ich habe die Auffassung vertreten, die Bauern Europas sollten sich zusammenschließen und den Rücktritt eines Mannes fordern, der dauernd Vorschläge zur Liquidierung landwirtschaftlicher Betriebe macht, die nach den Beschlüssen von Stresa und nach dem deutschen Landwirtschaftsgesetz durchaus eine echte Existenzberechtigung haben. Wir sollten es nicht zulassen, daß die Bauern zum Spielball immer neuer Pläne und zum Spielball immer neuer Politik werden.
Als Zweites möchte ich hier anmerken, daß die Kritik der Bundesregierung an den Vorstellungen des Herrn Mansholt seit Monaten, Herr Minister, zu pflaumenweich war. Ich habe hier eine Erklärung vorliegen, die in einer Information Nr. 36 aus Ihrem Hause steht, in der es heißt, die Gegensätze zwischen der Bundesregierung und Herrn Mansholt seien nicht unüberwindbar. Ich möchte sagen, die Auffassungen sind in der Tat nicht miteinander zu vereinbaren. Hier muß eine härtere Sprache geführt werden. Wenn schon in den vergangenen Monaten von seiten der Bundesregierung deutlicher gesprochen worden wäre, dann hätte Herr Mansholt es wahrscheinlich nicht gewagt, seine Pläne immer wieder neu vorzutragen.
Eine weitere Anmerkung! Auch uns hier in diesem Hause ist bekannt — wir haben uns damit beschäftigt —, daß Herr Mansholt die Stichworte für seine Pläne von dem deutschen Wirtschaftsminister Professor Dr. Karl Schiller bekommen hat. Dessen Aussagen von damals gleichen sich in vielen Punkten mit denen von Herrn Mansholt.
Das alles muß zu einer echten Unruhe in der Landwirtschaft führen. Ich möchte sagen, jeder Bauer, der nicht über den Großbetrieb, den Herr Mansholt will, verfügt, der also nicht 80 bis 100 ha oder 40 bis 60 Kühe hat, muß Existenzangst bekommen, wenn dauernd Leitbilder mit diesen Betriebsgrößen entwickelt werden.
Eine Anmerkung zu einem Einzelpunkt. Herr Mansholt geht bei seinem Vorschlag u. a. davon aus, daß der Nahrungsmittelverbrauch in den letzten Jahren bis 1965 zwar um 3,6 % gestiegen sei, die landwirtschaftliche Produktion aber nur um 3,3 %. Aber das würde sich ändern. Von 1966 bis 1970 sei nur noch mit einem Mehrverbrauch an Nahrungsmitteln von 2,7 % zu rechnen. Ich finde, solche Zahlen sollten wir nicht einfach abnehmen. Herr Mansholt kann gar nicht voraussehen, wie sich der Nahrungsmittelverbrauch entwickelt.
Ich möchte dazu gleich einen Vorschlag machen. Wenn man schon so genau rechnen will, mache ich den Vorschlag, wie man zu einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage kommen kann, und schlage vor, daß Herr Mansholt sofort die gewerblich-industrielle Veredelungsproduktion stillegt; dann haben wir nämlich den Ausgleich.
Als dritten und letzten Punkt darf ich anmerken, daß die Produktionseinheiten, wie sie Mansholt anstrebt, durchaus — und das geht aus vielen Erfahrungen hervor — nicht immer kostengünstiger arbeiten und produzieren als modern geführte Familienwirtschaften. Auch die Großbetriebe Mansholts können ohne eine aktive Erzeugerpreispolitik im Sinne der von uns dargelegten Vorstellungen nicht bestehen. Und als letztes: Der Ruf nach Großbetrieben, wie ihn Mansholt erhebt, wird die landwirtschaftliche Produktion nicht bremsen, sondern eher verstärken. Das so oft erwähnte sogenannte Überschußproblem wird sich damit nicht lösen lassen. Aus diesem Grunde lehnen wir die Vorstellungen Mansholts mit Entschiedenheit ab.
11132 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Ich mache darauf aufmerksam, daß nach unseren Richtlinien weder Erklärungen noch Reden verlesen werden dürfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ehnes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Logemann, wir sollten in der heutigen Debatte das, was an nationaler Politik zu erledigen ist, ausklammern, um uns dem Hauptaufgabengebiet zu widmen, nämlich der Auseinandersetzung, die am 13. und 14. Januar in Brüssel von den Regierungen der Sechsergemeinschaft geführt werden muß. Ich glaube, daß unsere Regierung darauf angewiesen ist, von uns eine ganz klare Aussage in diesem Bereich zu haben. Wenn man das, was uns an Papier bekanntgeworden ist, liest und wenn man die Stimmung der Menschen draußen hört, die davon betroffen sind, kann man, glaube ich, sagen, daß es noch niemals einen solchen Vertrauensschwund gegeben hat, seitdem dieser Vertrag von Rom Wirklichkeit geworden ist. Der Vertrag, der in der Sechsergemeinschaft abgeschlossen wurde, ist in erster Linie auf Vertrauen aufgebaut, und wir alle in diesem Hohen Hause vertreten den Standpunkt, daß dieses Europa nicht mit Auseinandersetzungen, sondern nur auf einer Vertrauensbasis zusammengeführt werden kann. Wenn diese Vertrauensbasis gegenüber einer Person, nämlich dem Herrn Vizepräsidenten Mansholt, nicht mehr gegeben ist, sollten wir alle gemeinsam überprüfen, ob es unter diesen Voraussetzungen nicht notwendig wäre, diesen Mann zu ersetzen, damit die Vertrauensbasis, die in Europa so dringend notwendig ist, wieder geschaffen wird.
— Der Kollege Unertl hat mit Sicherheit Gründe dafür, daß er den Bayerischen Wald genannt hat. Denn wer täglich die Auseinandersetzungen sieht und weiß, daß dort sowjetische Divisionen an der Grenze stehen,
der macht keine Zielprojektion zum Jahre 1980, sondern der schaut von der Nähe die Gegenwart an, und in diesem Punkte hat der Kollege Unertl mit Sicherheit aus den Erfahrungen und dem unmittelbaren Erleben in seinem Wahlkreis die Dinge angesprochen. Ich glaube, auch diesem Kollegen sollte man die freie Meinungsäußerung zubilligen.
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung, die nun angebrochen ist, betrifft jetzt nicht mehr die Arbeitskräfte, die früher als Fremdarbeitskräfte tätig waren, sie betrifft nicht mehr die Familienangehörigen, sondern sie betrifft die Existenz von vielen Hunderttausenden von Betrieben bei uns und von 5 Millionen Menschen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Wir stehen damit in der dritten Phase dieser Strukturauseinandersetzungen. Ich glaube, daß diese dritte Phase deshalb viel schwerer ist, weil wir alle gemeinsam in diesem Hohen Hause dafür kämpfen, daß Existenzen geschaffen werden.
Deswegen sollte man gemeinsam bemüht sein, daß hier nicht durch verkehrte preispolitische Vorstellungen allein auf dem Wege der Strukturpolitik Eigentum zerschlagen wird, selbständige Existenzen aufgegeben werden, während wir uns auf der anderen Seite mühsam darum bemühen, diese selbständigen Existenzen in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu schaffen.
Ich glaube aber auch, daß deswegen im Mittelpunkt unseres ganzen Interesses der Mensch stehen muß. Denn dieser Mensch wird hier zum Objekt gemacht, und dagegen verwahre ich mich. Die Menschen, um die es sich hier handelt, müssen uns interessieren; denn diese Menschen haben auf Grund ihrer Vergangenheit eben nicht jene Möglichkeit, die hier erwogen wird, sich umzuschulen oder in andere Bereiche zu gehen, und zum anderen trifft es einen Teil, der, schon durch sein Alter und durch schwere Arbeitsleistung bedingt, nicht mehr die Voraussetzungen besitzt, in die Massengesellschaft der Industrie entsprechend eingegliedert zu werden.
Von dieser Warte her betrachten wir von der Christlich-Sozialen Union diese Aussagen des Herrn Mansholt als sehr problematisch, und ich darf im Namen meiner Freunde sagen, von uns aus ist die Frage einer Überprüfung der Person des Herrn Mansholt gegeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Peters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt in ganz kurzer Zeit drei Vorschläge bekommen: einen Vorschlag der Bundesregierung, den sogenannten Höcherl-Plan, dann die Schiller-Studie und jetzt eine weitere Ausarbeitung von Herrn Mansholt. Diesen drei Plänen ist im Grunde manches gemeinsam. Es sollen Menschen aus der Landwirtschaft herausbefördert werden, es sollen größere Betriebseinheiten in der Landwirtschaft geschaffen werden, und man glaubt, daß wir dann in der Landwirtschaft eine geringere Mengenerzeugung bekommen würden. Das Wesentliche, was allen dreien gemeinsam ist, ist, daß man für alle drei Pläne kein Geld hat.
Die Erfahrung hat uns Deutsche eigentlich gelehrt, daß es in diesen letzten 10 Jahren, in denen die Landwirtschaft schwer um ihre Existenz gerungen hat, den 20- bis 40-Hektar-Betrieben noch am besten gegangen ist. Das war der Betriebstyp, der den meisten Widerstand gegen eine schlechte Agrarpolitik leisten konnte.
Nun will Herr Mansholt Produktionseinheiten von 80 bis 120 ha Getreidefläche, 40 bis 60 Kühen, 150 bis 200 Rindern und 450 bis 600 Schweinen schaffen. Nach einer bestimmten Anlaufzeit sollen keine Betriebe mehr über Investitionshilfen gefördert werden, die nicht in dieses Konzept hineinpassen. Dadurch wird ja nicht nur ein Preiskampf gegen den bäuerlichen Betrieb gemacht, sondern es wird von
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Peters
der Investitionshilfe, vom Staat, von der Förderung her parallel die gleiche Tendenz verfolgt.
Dann will man zweieinhalb Millionen Menschen vorzeitig aufs Altenteil setzen, was ja nicht billig ist, und man will daneben zweieinhalb Millionen Menschen durch Umschulung in andere Berufe hineinbringen. Meine Damen und Herren, wir haben hier schon vor Wochen klargemacht, daß wir der Meinung sind, daß im Zuge der nächsten zehn Jahre Menschen aus der Landwirtschaft ausscheiden werden. Wir sind der Meinung, das soll im Generationswechsel geschehen, und wir befürworten es, wenn der Staat durch Umschulung und durch differenzierte Hilfen diesen Menschen wirklich hilft. Es hat aber keinen Sinn, alle drei Wochen mit Plänen zu kommen, kein Geld dafür zu haben, Unruhe in die Landwirtschaft zu bringen und letztlich nichts zu erreichen.
Als letztes noch ein Wort zu den Preisvorstellungen, die ja auch mit in den Vorstellungen von Herrn Mansholt enthalten sind. Herr Minister Höcherl, Sie haben mir vorhin gesagt, die Bundesregierung lehne die Preisvorstellungen von Herrn Mansholt ab, als ich die Zusatzfrage zu den Einzelprodukten stellte. Mit dieser Antwort ist uns nicht Genüge getan. Die CDU hat hier vor einigen Monaten einen Antrag mit ganz klaren Preisvorstellungen eingebracht. Nachdem zuvor unsere Anträge in den Ausschüssen und im Bundestag abgelehnt worden waren, haben Sie beantragt, die Bundesregierung solle bei den nächsten Verhandlungen in Brüssel das frühere deutsche Preisniveau und anschließend noch eine Anhebung von einigen Prozenten durchsetzen. Wir haben jetzt die konkrete Frage an Sie: Liegt ein Beschluß der Bundesregierung vor — die CDU ist ja schließlich der größte Partner in dieser Bundesregierung —, daß die Bundesregierung und Sie dieses Ziel in Brüssel verfolgen werden? Wollen Sie an dem früheren Antrag festhalten? Wollen Sie versuchen, diese Vorstellung durchzusetzen?. Wir sind durch Ihre Studie bzw. Ihre Ausarbeitung, die Sie hier gegeben haben, bevor die Bundesregierung ihren Plan herausgab, nämlich etwas irre geworden, weil in dieser Studie genau das Gegenteil von dem steht, was die CDU als Antrag eingebracht hat und wo Sie mitgestimmt haben. Wir möchten eine klare Darstellung darüber haben, wie sich die Bundesregierung bei den nächsten Verhandlungen in Brüssel zu den Preisvorstellungen stellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Schulze-Vorberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Hoffentlich ist es in dieser Aktuellen Stunde erlaubt, einmal zu sprechen, auch wenn man kein Bauer ist. Aber ich möchte sehr deutlich machen, daß hierzulande die sich jagenden Pläne von Herrn Mansholt durchaus nicht nur bei den Bauern kritisch gesehen werden, sondern daß sie unser aller kritische Aufmerksamkeit verdient haben.
Der Versuch, der hier gemacht wird, Herrn Mansholt in Brüssel und unseren Bundeslandwirtschaftsminister Höcherl sozusagen in einen Topf zu werfen, erscheint mir geradezu grotesk.
Von Hermann Höcherl wissen wir, daß er mit uns den Sinn der Politik darin sieht, Eigentum zu schaffen, nicht aber Eigentum zu vernichten.
Darum haben die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe
eine, wie ich überzeugt bin, gute Zukunft. Sie stellen eine geradezu wünschenswerte Existenzform dar.
— Neuerdings soll er das gesagt haben.
Um so besser, wenn er lernt, kann ich nur sagen. Daran wollen wir ihn nicht hindern. Ganz im Gegenteil! Er sollte langsam begreifen, daß es in dieser Bundesrepublik eine gute Zukunft nur geben kann, wenn wir Tausende und Abertausende landwirtschaftlicher Zu- und Nebenerwerbsbetriebe haben.
Hier gilt es geradezu, die Vorteile der modernen industriellen Arbeitswelt, z. B. den relativ hohen Lohn, mit der Sicherheit zu verbinden, die das Eigentum an Grund und Boden verbürgt.
Meine Damen und Herren, wenn in unserem Land neue Fabriken, neue Industrien entstehen, werden wir auf neuen Äckern säen und Wälder neu pflanzen müssen. Wir brauchen uns über gesunde Luft und reines Wasser überhaupt nicht mehr zu unterhalten — weder in diesem Haus noch sonst irgendwo —, wenn unsere Bauern wegen der Mansholt-Pläne tatsächlich alle miteinander in die Fabriken flüchten.
Mir kam es darauf an, das als ein Mann, der nicht aus der Landwirtschaft kommt, zu sagen und die große Leistung unserer Landwirtschaft einmal ausdrücklich anzuerkennen. Auch Herr Mansholt sollte doch sehen, daß wir nicht in die Zeit der Leibeigenschaft und großer Güter zurückgehen können. Wir brauchen den kleinen Bauernbetrieb, wir brauchen Zu- und Nebenerwerbsbetriebe, wir brauchen Familienbetriebe.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige unter uns werden
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Dr. Schmidt
sehr nervös. Ich verstehe das durchaus, denn ich weiß, daß der Wahltermin immer näher rückt.
Man braucht wohl reichlich Zündstoff, um auf irgendeinen schimpfen zu können.
Lassen Sie mich zur Sache einiges sagen. Erstens: Ich bin gewiß, daß die meisten von Ihnen das Papier gar nicht kennen. Zweitens: Bei den Bemerkungen, die Herr Mansholt in Brüssel im Beisein der Außenminister gemacht hat, muß man zweierlei unterscheiden. Das, was er zu den Preisen und zu den Marktordnungen zu sagen hatte, hat er im Auftrage der Kommission sagen können, weil es darüber Grundsatzbeschlüsse gibt. Das, was er zu den Strukturverhältnissen gesagt hat, ist seine persönliche Meinung. Meine Herren Kollegen, es gibt noch keine Meinung der Kommission darüber. Derartige Meinungen, wie sie Herr Mansholt geäußert hat, gibt es auch in der Bundesrepublik in Massen. Lesen Sie nur einmal die wissenschaftliche Literatur durch. Da werden Sie einige solcher Perspektiven finden.
Im übrigen ist es ja eindeutig so — auch Sie in Bayern kommen nicht darum herum, das zu bemerken —, daß der technische und wissenschaftliche Fortschritt in der Landwirtschaft Veränderungen erzwingen wird, ob Sie es wollen oder nicht. Sie liegen einfach auf der Hand. Wir unterliegen tagein, tagaus solchen Veränderungen. Sie haben sie inzwischen auch schon zugestanden. Warum regen Sie sich dann also hier darüber auf, daß Herr Monsholt einige Feststellungen trifft. Im übrigen haben wir heute vormittag im Ausschuß von Minister Höcherl gehört, daß viele der Anmerkungen und allgemeinen Feststellungen von Herrn Mansholt zur Lage der Landwirtschaft durchaus richtig sind.
Nun ist es natürlich so, daß die Strukturen in der EWG außerordentlich verschieden sind. Was mir persönlich und meinen Freunden an Herrn Mansholts Feststellungen nicht gefallen hat, ist, daß er es unterlassen hat, auf die Finanzierung solcher Maßnahmen einzugehen und zu sagen, woher die Mittel kommen sollen. Deswegen zweifeln wir an der Durchführbarkeit solcher Pläne. Darüber sind wir uns ja einig.
Aber solche Pannen sind ja auch in der Bundesrepublik passiert. Das wissen wir doch. Schauen wir ein paar Wochen zurück! Da ging es auch darum. Da lagen auch Pläne vor, und da war noch nichts von der Finanzierung gesagt. Dann mußte ein Finanzminister sagen: Was kostet der ganze Spaß? — Also daher keine allzu große Aufregung!
Im übrigen sind die Vorschläge, meine Herren von der CSU und von der FDP, gar nicht neu. Wir praktizieren im Rahmen des Regierungsprogramms ja einige der von Mansholt hier geforderten Dinge. Wir fordern die Umschulung. Wir werden sie sogar finanzieren. Wir fordern eine Landabgaberente. Sie ist sogar schon im Programm eingeplant. Was wollen Sie eigentlich mehr? Ich gebe zu, daß man das in der Bundesrepublik eher verwirklichen kann als in Süditalien, weil es sehr schwer sein wird, die entsprechenden Industrien dahin zu kriegen.
Also das zu diesem Teil. Es ist für uns nichts Neues. Wir praktizieren es in der Bundesrepublik, und wir werden dabei zugunsten der Landwirte, die freiwillig ausscheiden, die nötigen Alternativen schaffen.
Und nun zum Markt und zu den Preisen! Meine Damen und Herren, wissen wir denn, wie es in der Kommission zugegangen ist? Gab es nicht auch dabei deutsche Kommissare, die ganz andere Vorstellungen hatten? Wenn dabei Herr Höcherl die Katze aus dem Sack lassen könnte, würden Sie sehr schwer enttäuscht sein. Ich sage Ihnen nur, die Vorschläge des Herrn Mansholt halte ich für wenig realistisch. Ich glaube nicht, daß wir dazu beitragen können, Einkommensverlagerungen zugunsten der nach der Landwirtschaft folgenden Gruppen vorzunehmen. Im übrigen glaube ich, daß wir es nicht hinnehmen würden — auch meine Freunde nicht —, daß weitere Einkommensverluste in der deutschen Landwirtschaft einfach in Kauf zu nehmen sind. Das zu dem.
Nun zum Abschluß, meine Damen und Herren. Ich bin im Grunde genommen darüber erfreut, daß man auch in der EWG-Kommission über ein neues Konzept diskutiert; denn mehr ist es ja nicht, es ist eine Diskussion. Wir stellen doch alle fest, daß wir in der gegenwärtigen EWG-Politik am Ende sind, daß wir einen Kurswechsel vollziehen müssen. Diesen Beitrag von Herrn Mansholt bezeichne ich eben als einen Beitrag zur Diskussion. Wir selber haben ja noch genügend Zeit und Gelegenheit, auch späterhin im einzelnen dazu Stellung zu nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister ist heute sehr schweigsam, fällt mir auf.
— Er muß sich offensichtlich für den Abend schonen. Dafür haben wir Verständnis. Aber es ist natürlich schon merkwürdig — —
— Wissen Sie, Herr Kollege Rinderspacher, es wird natürlich auch Leute geben, die zum Lachen in den Keller gehen. Das überlasse ich Ihnen. Es gibt aber auch noch Leute, die bei allen Situationen ein klein wenig Humor — der soll auch zum Charakter des Menschen gehören — behalten.
Ich würde Ihnen nur raten, manchmal zu lächeln. Das wäre vielleicht gut für Sie. Das würde vielleicht Ihren seelischen Haushalt mehr ausbalancieren.
Aber nun zum Wesentlichen. Der Kollege Schmidt hat mit Recht festgestellt: Die EWG-
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Ertl
Politik ist am Ende. Ich unterstreiche diesen Satz. Die Konzeption der EWG-Kommission des Herrn Mansholt ist am Ende. Der verzweifelte Versuch, diese Politik immer weiter fortzuentwickeln — um nämlich nicht zugeben zu müssen, daß er selbst eine falsche Konzeption entwickelt hat —, .ergibt zwangsläufig seine jetzigen Vorschläge. Das ist das Ergebnis seiner falschen Grundkonzeption einer EWG-Agrarpolitik, die, meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, in diesem Haus viel Unterstützung gefunden hat, die, wie ein Kollege immer sagte, folgende Philosophie hatte: Wir machen das Industriegeschäft, die anderen machen das Agrargeschäft, und im übrigen versuchen wir, die Landwirtschaft abzukapseln; und dann wurde hinzugefügt: Die Überschüsse werden wir schon meistern. Eine grundlegend falsche Konzeption! Wer nicht bereit ist, diese Konzeption von Grund auf zu überdenken und in ganz neue Fahrbahnen zu lenken, der wird sehen, daß dies ein verhängnisvoller Kreislauf ist, aus dem er nicht herauskommt. Angesichts einer Situation, in der der Herr Bundesminister feststellt, er könne die Auswirkungen in dieser Form nicht billigen, in der die beiden Koalitionsfraktionen feststellen, so dürfe es nicht kommen, in der der Finanzminister, wenn er hier wäre, feststellen müßte: Im übrigen habe ich gar kein Geld dafür — wir haben heute eine Zahl, nämlich 120 Milliarden DM, nur für einen Bereich gehört; das sind ja alles astronomische Summen —, frage ich mich: Wie kann man dann dauernd Planspiele machen, Leute nervös machen, bei nicht Fachkundigen Illusionen wecken, die anderen einschüchtern und dabei noch glauben, das sei eine erfolgreiche, zukunftsträchtige Agrarpolitik? — Nein, so geht es nicht. Das ist die Kernfrage, und diese Kernfrage wird, meine ich, von der CSU angeschnitten, indem sie die Frage stellt: Kann dieser Mann in dieser Form weiter verhängnisvolle Politik machen?
Damit Sie unsere Absichten hier nicht verkennen, sage ich: Wir sind der Meinung, daß der Strukturwandel das Gegebene in einer Industriegesellschaft ist. Dieser Strukturwandel muß allerdings — das wiederhole ich zum x-ten Male in diesem Haus — kontinuierlich und ohne sozialen Druck erfolgen. Das ist der entscheidende Faktor, und darin besteht die Freiheit.
— Der Druck besteht darin, verehrter Kollege Schmidt , daß Sie selbst gesagt haben — ich habe die Ausführungen bei Ihnen sehr genau verfolgt —, Sie seien nicht mehr für Einkommenssenkungen.
Wenn Sie das sind, müssen Sie auch zu gegebener Zeit, wenn die übrigen Einkommen steigen, für Einkommensverbesserungen sein. Sie wollen doch nicht die Einkommen in der Landwirtschaft für immer einfrieren!
Ich könnte mir gar nicht vorstellen, daß Sie das als sozial empfänden. Denn das wäre ja ein schlechter Sozialdemokrat, der einen Sektor sozial einfrieren möchte. Das würden Sie wahrscheinlich nicht machen. Das ist die Kernfrage. Sie können überhaupt keine Einkommens- und keine Preispolitik machen, wenn Sie diesen Teufelskreis nicht aufbrechen. Politische Lösungen — die Kürze der Zeit erlaubt es mir nicht, das auszuführen — gibt es sicherlich genügend.
— Die gibt es in der Öffnung der EWG; die gibt es in einem Zehner-Europa. Herr Kollege Kurlbaum, Sie müssen nur unsere Vorschläge lesen. Das muß ich von Ihnen als einem interessierten Kollegen erwarten, daß Sie das lesen, was wir veröffentlichen.
Genügend Vorschläge sind von uns gemacht worden. Wir haben von vornherein vor diesem falschen Weg gewarnt. Das ist die Frage, die sich jetzt stellt und die sich für die Zukunft stellt: Sind wir bereit, diese Politik zu überprüfen, sind wir bereit, Bilanz zu ziehen und eine Politik zu machen, die in diesem Europa partnerschaftliche Verhältnisse schafft, partnerschaftliche Verhältnisse auch über dieses enge Konzept hinaus? Nur so können Sie auf die Dauer überhaupt noch eine Agrarpolitik in diesem Bereich und für die deutsche Landwirtschaft machen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ritz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden dringlichen mündlichen Anfragen, die ich eingebracht habe, waren laut Antragstellung von Herrn Genscher Anlaß für diese Aktuelle Stunde. Ich möchte meinen Kurzbeitrag damit beginnen, daß ich zunächst dem Herrn Minister sehr herzlich für die Antworten danke, die er auf diese Fragen und auch auf die vielen Zusatzfragen gegeben hat.
Diese Antworten haben in der Tat sehr deutlich gemacht, daß es einfach nicht angeht, Herr Kollege Peters, sich eines billigen Tricks zu bedienen, indem man den Höcherl-Plan, die Schiller-Studie und den Mansholt-Plan in einen Topf steckt.
Dieser billige Trick kommt nicht an, und ich kann Ihnen also nur empfehlen, die Antwort des Herrn Ministers in aller Ruhe zu studieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt unter meinen Freunden sicher niemanden, der sich nicht darüber im klaren wäre, daß der im Agrar-
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Dr. Ritz
programm der Bundesregierung angedeutete Strukturwandel zweifelsohne erfolgen wird. Aber meine Freunde und ich sind genauso sehr der Meinung, daß es geradezu unmöglich ist, durch ständig neue globale Quantifizierungen Unruhe und Unsicherheit in Bereiche hineinzutragen, die im Grunde nie von diesem Strukturwandel betroffen werden.
Leider ist es nun einmal so, daß es bei solchen Globalzahlen wie: die Hälfte wird bis 1980 ausscheiden, psychologisch sehr naheliegt, daß, wenn sich zwei Bauern treffen, der eine zum anderen sagt: Wer ist von uns beiden nun dran; bist du es oder bin ich es, oder sollen wir knobeln? Das scheint mir in der Tat das Deprimierende bei diesen Zahlen und bei diesen globalen Quantifizierungen zu sein. Içh meine, wir sollten uns deshalb mit allem Nachdruck dagegen aussprechen und sollten die Bundesregierung bei ihren Beratungen in Brüssel künftig unterstützen, damit sie an den Grundlagen ihres Agrarprogramms festhalten kann.
Ein Zweites scheint mir allerdings nicht minder bedenklich zu sein: daß hier gewisse Betriebsmodelle so dargestellt werden, als wenn sie bis 1980 die Landwirtschaft Europas schlechthin repräsentierten. Ich habe versucht, schon in meiner Zusatzfrage deutlich zu machen, daß nach meiner Meinung eine solche planerische Vorstellung keineswegs den mannigfachen privaten Initiativen und unternehmerischen Kräften der Landwirtschaft Rechnung trägt, die sich in vielfältiger Weise auswirken. Deshalb meine ich auch hier, daß alle diese Vorschläge nicht geeignet sind, das zu bringen, was wir brauchen, nämlich ein ruhiges, sachliches Gespräch mit den Betroffenen über den Weg, den wir gemeinsam zu gehen haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ablehnen! Das war eine klare Antwort, die wir heute bekommen haben. Ich meine, daß auch hier der Regierung der Rücken gesteift werden sollte für die Verhandlungsrunde, die Ende Januar in Brüssel ansteht, um die Ziele, auch die preispolitischen, so wie sie im Agrarprogramm angedeutet sind, auf der EWG-Ebene und nur dort, meine verehrten Kollegen von der FDP, zu realisieren.
Wenn wir das heute aus dieser Stunde mitnehmen, daß wir uns gemeinsam — jedenfalls das darf ich für meine Freunde und mich sagen — in diesem Willen hinter den Bundesminister stellen und ihn in dem harten und schweren Geschäft unterstützen, das er dort in Brüssel zu leisten hat, dann mag diese Stunde ihren Wert gehabt haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Prassler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fünf Millionen Bauern weniger in der EWG oder 1,2 Millionen weniger in der Bundesrepublik
oder 93 000 in Baden-Württemberg, — ich möchte hier erhebliche Zweifel anmelden. Als ich im Verlaufe dieses Sommers versucht habe, diese Zahlen aus der Agrarstatistik — und hier bin ich dem Herrn Bundesminister sehr dankbar für seinen Hinweis heute nachmittag in seiner ersten Antwort — in den kleinen Bereichen nachzuprüfen, nämlich in den Orten draußen, bin ich zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Leider muß ich feststellen, daß die Aussagekraft unserer bisherigen Agrarstatistik für diese Überlegungen nicht mehr gegeben ist. Denn die bisherige Agrarstatistik baut auf der einen Seite auf der Baden- und Betriebsbilanz, die jährlich erhoben und fortgeschrieben wird, und daneben auf einer Viehbilanz auf, also auf den Zahlen der Tiere, die in den Betrieben gehalten werden; sie wird jedenfalls jährlich erhoben. Es mangelt ihr aber andererseits völlig an einer vergleichbaren und zu dieser Boden- und Betriebsbilanz in Beziehung stehenden Personalbilanz. Diese Ziffern sind nur sehr vage aus der letzten großen Landwirtschaftszählung von 1960 oder aus der Bevölkerungszählung zu entnehmen. Es mangelt genauso an einem dritten Bereich, der für die Aussagekraft dringend notwendig ist, nämlich an einer sozialen Strukturbilanz. Wenn diese Fragen draußen im einzelnen nachgeprüft werden, ergibt sich in manchen Bereichen, mindestens unseres Landes, ein erheblich anderes Ergebnis.
Ich habe dabei feststellen können, daß in den Bereichen, in denen die Neben- und Zuerwerbsbetriebe überwiegen — und das sind weite Teile Süddeutschlands —, keinerlei freiwerdende Arbeitskräfte mehr gefunden werden können,
es sei denn, die Betriebsleiter der hauptberuflich geführten landwirtschaftlichen Betriebe würden selbst ausscheiden.
— Es sei denn, die Betriebsleiter der hauptberuflich bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebe würden selbst ausscheiden. Von den bisher erfaßten im Vollerwerb stehenden landwirtschaftlichen Beschäftigten entfallen allein im süddeutschen Raum bis zu 70 % auf Frauen oder weibliche Familienangehörige.
Diese Ziffern sind zweifellos in diesen statistischen Grundlagen so gravierend mit enthalten, daß sie in dieser Form keine genügende Aussagekraft mehr bringen können.
Ich darf den Minister deshalb dringend bitten — ich habe versucht, ihm das in Form der Zusatzfrage an die Hand zu geben —, in seine Überlegungen einzubeziehen, wie wir schnellstmöglich zu einer besseren Aussagekraft kommen, differenziert nach den verschiedenen Bereichen des Bundesgebietes,
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Dr. Prassler
differenziert nach der Altersstruktur der heute noch in der Landwirtschaft Beschäftigten, differenziert nach dem sozialen Stand, nämlich nach den bis jetzt erreichten Vorsorge- und Risikoverhältnissen für die einzelnen Familienmitglieder und ihre Angehörigen. Ich persönlich bin der Meinung: Solange wir diese Unterlagen nicht haben, ist es nicht nur verfrüht, sondern verfehlt, solche Schocktherapien weiter zu verfolgen. Ich glaube, es würde uns dann gelingen, mit wesentlich mehr Überzeugungskraft und auch für die Bauern verständlicher eine wesentlichere Zukunftsprognose zu stellen.
Ich möchte deshalb dringend auch um Unterstützung aus dem ganzen Hause dafür bitten, daß wir die Agrarstatistik so schnell wie möglich modern, datenverarbeitungsfähig und für die nächsten Jahre, für die diese Denkmodelle — ich möchte absichtlich nicht sagen: Planungen — abgestellt sind, fortschreibungsfähig machen. Dann kommen wir der Sache zweifellos einen ganzen Schritt näher.
Das Wort hat der Abgeordnete Mauk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte eigentlich gern gewartet, bis der Herr Minister Höcherl heute gesprochen hat; denn ich hätte gern gewußt, wie es ihm vorgestern in Brüssel ergangen ist, als er die Mansholtsche Rede hinter sich hatte. Sie, Herr Minister, mußten sich das vormittags im Rat anhören; mein Freund Klinker und ich mußten uns das nachmittags im Landwirtschaftsausschuß des Europäischen Parlaments anhören. Ich jedenfalls kam nach der über zweistündigen Rede und nach dem Studium dessen, was uns noch schriftlich überreicht worden ist, zu der Überzeugung: das ist der Konkurs der Mansholtschen Agrarpolitik; nichts mehr und nichts weniger.
Es wurde hier schon einmal ausgeführt, daß die Mansholtsche Agrarpolitik eine völlig falsche Konzeption gehabt hat. Wenn man alles liest, was uns vorgelegt wurde — Herr Kollege Schmidt , ich habe es gelesen, und zwar von vorne bis hinten —, wenn Sie es auch gelesen haben, dann wundert es mich, daß Sie heute die Mansholtschen Pläne verteidigen.
— Sie haben es teilweise verteidigt.
— Sie müssen das richtig durchsehen und auch die Auswirkungen beurteilen.
Wir wissen, daß sich die Struktur laufend auch bei uns verbessert. In den letzten zehn Jahren ist ein großer Teil der in der Landwirtschaft Tätigen ausgeschieden. Dieser Prozeß ist — das wissen wir alle, die wir offenen Auges sind — noch lange nicht zu Ende. Er wird sich zwangsläufig weiterentwickeln. Das ist teilweise nur noch eine Frage des Generationenalters. Wir wissen ja, daß über 50 % schon über 57 Jahre alt sind.
— Das wollen wir nicht verneinen; aber wenn man so tut, als ob die europäische Landwirtschaft allein mit der Struktur zu retten wäre, dann sagt man bewußt etwas, was nicht stimmen kann und was nicht so ist.
— Ich habe Ihnen vorhin nicht dazwischengerufen, obwohl Sie vielleicht etwas mehr Unsinn gesagt haben als ich jetzt gerade.
In der neuen Konzeption, meine Herren — wenn Sie das lesen —, wird nicht mehr von Bauern gesprochen, sondern nur von bäuerlichen Unternehmen und bäuerlichen Unternehmensgemeinschaften. Der Bauer hat in der künftigen Agrarpolitik schon gar keine große Rolle mehr zu spielen, der ist nur noch am Rande dabei. Es wird von industriellen Großbetrieben auf der bäuerlichen Ebene ausgegangen, und ich muß sagen, ich habe einfach den Eindruck bekommen: das ist der Anfang einer Sozialisierung der Landwirtschaft.
Diesen Eindruck habe ich zwangsläufig bekommen.
Entscheidend, meine sehr verehrten Anwesenden, ist nicht die Strukturverbesserung, so bedeutungsvoll sie ist. Ich verleugne keineswegs die Notwendigkeit der Strukturverbesserung. Aber entscheidend für die Erhaltung ist der Preis. Und da muß ich, Herr Minister Höcherl, leider sagen, daß Sie und die anderen Vertreter der Bundesregierung im vorigen Jahr schuld gewesen sind, wenn der Getreidepreis nicht so erhöht worden ist, wie selbst die Kommission es vorgeschlagen hatte.
Sie wollte ja nicht viel anderes, als den Futtergetreidepreis an den Weichweizenpreis heranführen und einige andere solche Korrekturen durchführen, die sich eben in dem einen Jahr seit dem Inkrafttreten als notwendig erwiesen haben. In erster Linie ist die Bundesregierung schuld, daß dies damals nicht durchgeführt werden konnte. Die Vertreter der anderen Regierungen hätten dem zugestimmt.
— Auch die Holländer haben diesen Preisberichtigungen zugestimmt.
— Lachen Sie; ich weiß es besser.
Meine Damen und Herren! Ich habe nun eine Bitte an Herrn Minister Höcherl, nämlich, daß er sich diesen Mansholt-Plan einmal gründlich ansieht. Er muß wirklich zwei-, dreimal studiert werden, bevor man überhaupt begreift, was ganz raffiniert dahintersteckt. Das ist ein raffinierter Plan, und ich bitte Sie, meine Kollegen, dies ebenfalls zu studieren. Und dann müssen wir von der Bundesregierung fordern, daß sie keiner Preissenkung, wie sie jetzt
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Mauk
im Mansholt-Plan vorgesehen ist, zustimmt, sondern daß sie fordert, daß die Preise einiger Erzeugnisse endlich so angehoben werden, daß ein Ausgleich und ein richtiges Verhältnis hergestellt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Marquardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht auf das Paket „Mansholt" eingehen, sondern ich möchte ,ein paar Bemerkungen machen zu dem, was auf die Fragen des Kollegen Ritz zum Tragen kam. Ich hatte den Eindruck, einige Kollegen waren auf der Suche nach der Blauen Blume der Romantik, wollten zurück in längst vergangene Zeiten; andere ließen Wahlkampf-Rohrkrepierer los. Wenn sie das später einmal nachlesen, werden sie feststellen, das waren wirklich Rohrkrepierer.
Vor welcher Tatsache stehen wir denn? — Nicht mehr in der Zeit, wo man um jeden Preis produzieren mußte. Wir stehen vielmehr vor der harten Tatsache, mit einer Überproduktion fertigwerden zu müssen, und wir strengen uns allesamt an, um zu möglichen Lösungen zu kommen. Dazu gehören auch Vorausschauen.
Und nun lassen Sie mich eines sagen! Daß Sie .von der FDP besonders allergisch gegen Vorausschauen sind, ist altbekannt. Sie kommen dauernd und fordern: Neue Wege! Neue Wege! Und dabei ist das, was Sie machen, das Konservativste vom Konservativen. Ihnen fällt sonst nichts anderes ein, als immer wieder erneut zu rufen: Preiserhöhungen! Preiserhöhungen!. Und dann ist der Ofen aus.
Das geht ja so weit, daß Sie sagen, man könne nicht einmal fixieren, welcher Nahrungsmittelmehrverbrauch in den nächsten Jahren zu erwarten sei. Da gibt es ziemlich feste Erfahrungen, es sei denn, daß Ihnen ein deutscher Professor Barnard einfällt, der einem zwei Mägen beschert; vielleicht können wir dann mehr verkonsumieren.
Aber in dieser Zeit sind wir noch nicht. Wir müssen mit dem fertigwerden, was bei uns auf dem Tisch liegt.
Alle Romantik: wer Bauer bleiben will, kann Bauer bleiben, ist doch Makulatur. Machen Sie sich doch endlich von diesen Dingen frei! Gehen Sie heraus aus der Position, den Kopf in den Sand zu stecken! Denken Sie doch einmal zurück — Sie von der FDP — an jene Zeit, als die Professoren ein Gutachten vorlegten, in dem sie einige Perspektiven aufgezeigt hatten. Da ist man vor die Professorenhäuser gegangen und hat diesen Professoren — die recht behalten haben — die Fensterscheiben eingeworfen. Man hat sie verdammt. Das ist weit dahin. Wir sind viel weiter, als diese Professorengutachten vorausschauend auszusagen gewagt hatten. Lassen Sie uns in Sachlichkeit die Vorschläge von Mansholt analysieren und in Verfolg des Agrarprogramms der Bundesregierung darangehen, das Bestmögliche zustande zu bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kempfler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht als ein massig eindrucksvoller Landwirt wie mein Vorredner Ertl und mein vermutlicher Nachfolger Unertl,
sondern nur als ein nüchterner Jurist möchte ich die hier anstehende Frage weniger vom agrarpolitischen als vom Gesichtspunkt der allgemeinen Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur behandeln. Ich möchte die Folgen der Gedankengänge Mansholts und in Weiterführung dieses Planspiels die notwendigen Ergänzungen zu ihm an einem regionalen Beispiel deduzieren, das aber in der Bundesrepublik bestimmt nicht einzig dasteht.
An der österreichischen Grenze und an der Grenze des Zonenrandgebietes erstreckt sich in Oberbayern, Niederbayern und in der Oberpfalz ein breiter Gürtel von Landkreisen mit überwiegend landwirtschaftlicher Struktur: bis zu 30 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig, und davon wiederum 75 % in Betrieben unter 10 ha. Schon heute ist der Wanderungsverlust aus diesem Gebiet beachtlich: bis zu ein paar hundert Mann aus jedem Landkreis. Diese Erosion würde aber zweifellos bei einer Verwirklichung der Gedankengänge Mansholts zum Erdrutsch.
Denn dann würde in wenigen Jahren etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Bevölkerung zur Abwanderung gezwungen sein. Und wohin? In die großen Städte, die ja sowieso schon wegen der Überfüllung ihre Probleme haben.
Daß aber ein bevölkerungsleeres Vakuum ebensolche Gefahren hat wie eine überfüllte Großstadt, lehrt uns die Geschichte. Die Katastrophen, die hier eintreten können, betreffen dann nicht mehr nur die einzelnen Regionen, sondern uns alle.
Deshalb möchte ich sagen: Distanzierung von diesen Plänen in Worten und in Taten!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stark.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder, der sich ernsthaft mit Landwirtschaftspolitik beschäftigt, weiß, daß sich in der Landwirtschaft noch ein weiterer erheblicher Strukturwandel vollziehen muß. Jeder von uns weiß auch, daß noch eine erhebliche
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Dr. Stark
Anzahl von in der Landwirtschaft Beschäftigten ausscheiden muß. Das ist ja in den letzten Jahren auch schon geschehen. Ich war immer einer derjenigen, die gegen retardierende Tendenzen gesprochen und die nie gesagt haben, im großen und ganzen könne alles so bleiben wie bisher. Ich war auch einer, der gegen diejenigen gesprochen hat, die Preiserhöhungen in einem Maße versprochen oder angestrebt haben, welches nicht aus politischen, sondern aus marktpolitischen Gründen nicht realistisch ist.
Aber was geschieht denn jetzt? Jetzt fällt man in ein anderes, völlig falsches Extrem. Jetzt wird eine Eskalation der Schocktherapie betrieben, die selbst denjenigen Landwirten, die durchaus noch eine Existenzberechtigung haben, den Mut nimmt, weiterzumachen.
Man kann sich das nur damit erklären, daß hier — das muß ich deutlich sagen — Vorstellungen dahinterstehen, die mit bäuerlicher Landwirtschaft nichts mehr zu tun haben. Man strebt offenbar bei den Agrarerzeugnissen eine völlig andere Produktionsweise an. Dazu lassen Sie mich ganz kurz aus eigener fünfjähriger Erfahrung als Sozialreferent eines Landesbauernverbandes etwas sagen, als einer, der mit Klein- und Mittelbetrieben, aber in seiner Doppelfunktion als Geschäftsführer eines Arbeitgeberverbandes auch mit Großbetrieben zu tun hatte, die wir in Baden-Württemberg ebenfalls haben, wenn auch nicht in dieser Anzahl. Ich kann Ihnen sagen: das Konzept Mansholts ist auch deshalb falsch, weil im Augenblick auch die Großbetriebe, die mehrere Fremdarbeitskräfte beschäftigen und z. B. für einen Melker 1500 DM und für einen Traktorfahrer 900 DM zahlen müssen, bei diesem Kostenniveau schon jetzt in Schwierigkeiten kommen.
Zum dritten — ich habe es heute schon angesprochen —: Nur in der Betriebsgröße, nur in der Agrarstruktur die Lösung des Agrarproblems zu sehen, ist doch illusionär. Illusionär ist deshalb auch das Konzept Mansholts. In seiner Studie steht, er will eine subventionsfreie Landwirtschaft schaffen, die überhaupt keine Unterstützung vom Staat bekommt. Wo gibt es das in einem modernen Industriestaat, in dem man eine nationale Landwirtschaft will, daß die Landwirtschaft nicht unterstützt werden muß?! Das ist illusionär, unrealistisch.
Hier ist jetzt der Punkt, wo wir sagen müssen: bis hierher und nicht weiter! Ich bedaure unsere Menschen draußen im Lande, unsere Bauern. Ich habe mir jetzt wieder ein paar Betriebe mit ca. 20 und 25 ha angesehen, die gar nicht so schlecht stehen, wie man manchmal behauptet. Es gibt durchaus Formen des bäuerlichen Familienbetriebs, die unter Umständen besser stehen als ein Großbetrieb mit 80 oder 100 ha. Deshalb sind die Forderungen von Herrn Mansholt unrealistisch und illusionär, und wir sollten ihnen jetzt entgegentreten.
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht die Nervosität vor einem Wahltermin, Herr Dr. Schmidt , bringt die Nervosität hier zustande, sondern ganz einfach und schlicht die Tatsache, daß wir — das darf ich für meine politischen Freunde erklären — diese kalte Sozialisierung Europas nach Mansholts Plan nicht mitmachen. Meine Vorredner haben schon die Frage gestellt, ob auf europäischer Ebene der Begriff Eigentum überhaupt noch etwas gilt.
Was die gestrigen Verlautbarungen bewirkt haben, ist nichts anderes, als die Angst in unseren bäuerlichen Kreisen zu vergrößern und Unruhe ins Landvolk zu tragen. Wir wissen, daß die Agrarpolitik heute weitestgehend in Brüssel gemacht wird. Wir können die Agrarpolitik hier zwar noch kritisieren, aber nicht mehr so maßgebend beeinflussen wie früher, als wir sie allein, in nationaler Zuständigkeit machen konnten.
Für mich gibt es nur einen einzigen Ausweg aus dieser Mansholt-Misere: daß der Finanzminister den Geldhahn zudreht in einer Zeit, in der wir mehr in diesen Topf hineinbezahlen, als wir je herausbekommen.
Wir bedauern nur, daß unser Hermann Höcherl den Platz, den er heute in Brüssel leider einnehmen muß, nicht schon vor zehn Jahren eingenommen hat. Uns wäre manches erspart geblieben.
Herr Präsident, ich habe verstanden, was Sie vorhin mit Ihrer Bemerkung zu meiner Zusatzfrage meinten. Ich bin weit davon entfernt, Herrn Mansholt politisch mit Herrn Ulbricht gleichzustellen. Was aber hat er hier gemacht, mit seinen Plänen, mit seiner Methode, immer nur von dem 100-ha-Betrieb auszugehen! Mein Wahlkreis liegt an der tschechischen Grenze, wo — der Kollege Ehnes hat es mit Recht angedeutet — die sowjetischen Panzer praktisch vor der Haustür stehen. In einem solchen Gebiet sind die Angstgefühle der Menschen und insbesondere der kleinbäuerlichen Familien mit den gestrigen Verlautbarungen erneut angesprochen. Herr Mansholt möge sich einmal — Herr Minister Höcherl, ich bitte wirklich daraum — in den Bayerischen Wald begeben; dort wird mit ihm ein freies Wort gesprochen, und er wird hören, welchen politischen Unsinn er dort mit seinen Theorien angerichtet hat.
Abschließend darf ich eines sagen, was hier festgestellt werden muß. Es rächt sich von Tag zu Tag mehr, daß wir in Brüssel kein gewähltes Parlament haben. Wäre dort ein gewähltes Parlament mit frei gewählten Abgeordneten, würden sich solche Persönlichkeiten wie Mansholt auf dem Kommissarsessel nicht lange halten können; denn frei gewählte
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Unertl
Abgeordnete würden die Abberufung eines solchen Ministers oder Kommissars verlangen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Gesagtes ganz bestimmt nicht wiederholen. Ich möchte erstens ein Wort des Dankes an den Landwirtschaftsminister sagen für seine ganz eindeutige Distanzierung von dem, was wir seit wenigen Tagen aus Brüssel an schrecklichen Neuigkeiten zur europäischen Agrarpolitik wieder hören mußten. Ich habe gleichzeitig die Bitte und die Hoffnung — die Regierungsbank ist ganz zwangsläufig heute sehr schwach besetzt —, daß das, was später durch das Filter des Kabinetts geht, ebenso deutlich ausgedrückt wird, wie es heute der zuständige Ressortminister — wohl zunächst einmal ohne Abstimmung mit seinen Kabinettskollegen — getan hat. Dazu wünsche ich Ihnen, Herr Minister, viel Glück und viel Erfolg.
Heute ist hier oft die Frage gestellt worden, ob es berechtigt war, aus diesem Anlaß eine Aktuelle Stunde abzuhalten. Ich gehöre nun dem Haus 15 Jahre an. Ich bin der Meinung, daß wir noch nie vor dem Jahreswechsel in so sorgenvollen Stunden gestanden haben und mit derartigen „Hoffnungen" in das neue Jahr hinübergehen mußten, wie das jetzt, wenige Tage vor dem Ende unserer Arbeit in Bonn der Fall ist.
Ich glaube, es war gut — Herr Kollege Schmidt, ich habe auch die Erklärung Ihrer Fraktion hier —, daß alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, sicherlich mit unterschiedlichen Tönen und mit unterschiedlicher Schärfe, sich klar und deutlich von dem distanziert haben, was wir bis zur Stunde von diesen Plänen des Herrn Mansholt kennen. Leider muß man ihn immer wieder zitieren, weil ja der größte Teil dessen, was wir jetzt kennen, seine persönliche Meinung ist.
Lassen Sie mich noch einen Satz wiederholen und etwas sagen, was wir auch in unserer Erklärung bereits zum Ausdruck gebracht haben. Es ist geradzu erschreckend, wenn man immer wieder den Versuch erleben muß, unseren dicht besiedelten westeuropäischen Gebieten, in denen nun einmal unsere Bevölkerung und die der anderen fünf EWG-Staaten leben muß, Siedlungsformen als Rezept für die Struktur unserer Länder anzupreisen, wie sie meinetwegen in amerikanischen oder asiatischen Großräumen denkbar sind.
— Das ist leider so, Herr Kollege. Schauen Sie sich das genau an und denken Sie doch einmal die Dinge bis zu Ende durch.
Etwas macht mich noch mehr besorgt. Ich habe das Papier von Herrn Mansholt auch gelesen. Ich habe hier Sätze über die bodenrechtlichen Probleme entdeckt. Hier leuchtet für mich etwas auf, was fast zu den anderen Plänen hinzuzupassen scheint. Ich erkläre hier vor diesem Hohen Hause: ich hoffe, daß ich mich irre, wenn wir einmal die Interpretation dazu bekommen, was 'es heißt, „es bedürfe keiner besonderen Erwähnung, daß die bodenrechtlichen Probleme in dieser Entwicklung eine wichtige Rolle spielen; es gebe eine Reihe von Hindernissen, die der Mobilität des Bodens entgegenstünden, usw...." Ich empfehle gerade diesen Passus einem ganz besonders sorgfältigen Studium.
Damit lassen Sie mich schon zum Ende kommen. Ich glaube, es ist hohe Zeit — wie es hier schon gesagt worden ist —, daß der offensichtliche Übermut Brüsseler Bürokraten durch eine demokratische parlamentarische Kontrolle gezügelt wird und daß wir sehr rasch und schnell Kollegen bekommen, die an unserer Stelle für die notwendigen Maßnahmen sorgen und die nicht nur reden dürfen, sondern auch handeln können, wenn es notwendig wird, auch in Brüssel einmal jemand in die Schranken zu weisen.
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war doch gut, Herr Präsident, daß ich noch dageblieben bin. Sie haben mich zwar in der Fragestunde liebenswürdigerweise schon 'entlassen; aber der berühmte sechste Sinn hat mich am Platz gehalten.
Nun, Herr Kollege Ertl meinte, ich sei sehr schweigsam gewesen. Schweigsamkeit ist eigentlich eine Tugend für einen Minister. Den Ausführungen im Hohen Hause zu lauschen und danach zu handeln, ist eine Pflicht. Allerdings glaube ich gar nicht, daß ich so sehr schweigsam war. Es ist erst einige Stunden her, daß ich heute im Ausschuß zu diesem großen Thema Rede und Antwort gestanden habe, und in der Fragestunde habe ich 20 bis 25 Minuten sehr eingehend dazu Stellung genommen. Ich bin Ihnen dankbar für die Feststellung, daß diese Antwort, die die Antwort der Bundesregierung ist, an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt.
Lassen Sie mich hier etwas richtigstellen, was dieser ganzen Diskussion, die ja nicht nur von heute ist, anhaftet. Es hat den Anschein, als ob es nur ein landwirtschaftliches Strukturproblem gebe. Meine Damen und Herren, Strukturprobleme sind eine Dauererscheinung und eine Begleiterscheinung jedes wirtschaftlichen Sektors. Selbst die modernste Industrie — nehmen Sie die chemische oder die elektronische Industrie — hat ihre Strukturprobleme, obwohl sie ganz jung aus der Taufe gehoben worden ist. Die Kohle brauche ich nicht zu erwähnen. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, daß auch im gewerblichen Sektor Klein- und Mittelbetriebe nach Hunderttausenden zu dem Reichtum unserer wirtschaftlichen Struktur gehören. Die Größe für sich selber ist ganz und gar kein entscheidendes Kriterium. Daß gewisse optimale Größenordnungen bei der Kostenstruktur und bei der Preissituation eine Rolle
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Bundesminister Höcherl
spielen, ist klar. Aber Strukturfragen durchziehen und überdecken die ganze Wirtschaft, und in der Landwirtschaft ist es nicht anders, vielleicht etwas komplizierter, weil sie es naturgemäß mit schwierigen Produktionsbedingungen zu tun hat.
Ich darf noch mitteilen, daß auch heute die Kommission zu keiner Entscheidung gekommen ist, obwohl sie sich schon seit Wochen, ja man kann sagen: Monaten, mit diesem Problem befaßt. Ich habe gehört, daß es vor allem die finanziellen Auswirkungen sind, die es der Kommission nicht möglich gemacht haben, eine Vorlage einzubringen. Wir werden uns also noch eine Woche gedulden müssen.
Zur wiederholten Klarstellung folgendes: Es gibt noch kein Papier der Kommission. Selbst wenn sich die Kommission ganz auf den Boden dieses Vorschlags begeben sollte, gibt es keine Entscheidung dieser Art. Sie wird vom Ministerrat einstimmig getroffen.
Die deutsche Landwirtschaft braucht keine Sorgen zu haben, daß wir es gestatten, daß ihr Schaden zugefügt wird. Das kommt überhaupt nicht in Betracht. Wir werden dieses Papier behandeln wie jedes andere. Wir werden es gründlich prüfen und wir werden unsere Entscheidungen nach unserem Gewissen und nach dem Willen treffen, den Sie mir in dieser Diskussion und auch heute schon im Ausschuß mitgegegeben haben.
Die Bundesregierung ist sich in all ihren Teilen in dieser Frage absolut einig. Es ist ein großer Vorteil, daß nun zum erstenmal in der ganzen Öffentlichkeit, nicht nur im Berufsstand, nicht nur in der Fachwelt, sondern überhaupt in Stadt und Land, eine breite gründliche Diskussion über die Fragen der Landwirtschaft und ihre Existenzsorgen ausgelöst worden ist. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß das nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß wir ein Agrarprogramm vorgelegt haben. Diese Diskussion darf nicht abreißen, bis wir Lösungen gefunden haben, die eine Besserung bringen.
Ich möchte mich jetzt in aller gebotenen Kürze einigen Diskussionsbeiträgen zuwenden. Herr Kollege Logemann, Sie haben von „Weihnachtsgeschenken" gesprochen. Was ich zu diesen Plänen zu sagen habe, ist bereits gesagt worden. Ich glaube nicht, daß eine Wiederholung notwendig ist. Wenn Sie aber gleichzeitig die Beschlüsse des Agrarkabinetts angreifen, obwohl sie nicht Diskussionsgegenstand sind, dann muß ich Ihnen schon sagen: natürlich kann man jede Maßnahme und jede Hilfestellung danach bemessen, daß man ein noch weiteres Ziel steckt und sagt: Bis zu dem von mir vorgeschlagenen Ziel bleibt noch eine gewisse Strecke. — Die Regierung kann diesen Wettlauf niemals bestehen.
Das ist — von mir aus — eine erlaubte Methode der Opposition. Es wäre aber besser, wenn Sie Argumente beibringen könnten. Eine Verbesserung der Altershilfe angesichts der finanziellen Situation, die Sie kennen, um 100 Millionen DM pro Jahr, ist schließlich auch keine Kleinigkeit, auch wenn meine eigenen Vorstellungen und unsere gemeinsamen Vorstellungen damit noch nicht in Erfüllung gegangen sind. Eine Verbesserung von 100 Millionen DM für rund 580 000 Altersgeldbezieher scheint mir etwas Vernünftiges und etwas Gutes zu sein.
Sie meinen, die Bundesregierung führe in Brüssel nur eine pflaumenweiche Kritik. Ich weiß nicht, ob die Kritik knüppeldick sein muß. Im internationalen Bereich empfiehlt sich ein Auftreten, das zum Erfolge führt, ein Auftreten, das von Argumenten ausgeht und das sich der Regeln der internationalen Höflichkeit bedient und mit Festigkeit operiert. Aber ein Auftreten oder Vorgehen mit knüppeldicker Kritik würde, wie ich glaube, dem Kreis der Bevölkerung, um den es sich heute dreht, nicht nützen, sondern schaden. Ich habe nicht das Recht, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen und damit vielleicht der Aufgabe zu schaden und vielleicht dem Mandat nicht gerecht zu werden, das Sie mir gegeben haben.
Meine Damen und Herren, die ständige Wiederholung, wer von wem abgeschrieben hat, Schiller von Mansholt, Mansholt von Schiller: Die Debatte über das Strukturprogramm und den Beitrag des Bundeswirtschaftsministeriums zu unserem Agrarprogramm, der zum ersten Mal in dieser gezielten Form geliefert wird, ist bereits geführt, und der Kollege Schiller hat sich auch von einigen Quantifizierungen distanziert. Solche Dinge passieren in jedem Ressort. Im Grundsatz ist es doch ein Gewinn und ein Vorteil, daß der Sozialminister und der Wirtschaftsminister den Agrarminister bei seinen schweren Aufgaben für die Landwirtschaft flankierend unterstützen.
Was heißt hier außerdem abschreiben! Der Geist weht, wo er will, und die Gedanken sind frei und zur freien Verwendung.
Was Sie nun über die gewerbliche Veredelung sagen: ein bekanntes Thema. Ich brauche es hier nicht abzuhandeln. Sie wissen, welche rechtlichen Schwierigkeiten wir haben und daß es in der EWG, wo einstimmige Beschlüsse notwendig sind, keineswegs leicht ist, Länder, die sehr stark in gewerblicher Veredelung stehen — schon viel, viel länger, als das bei uns der Fall ist —, Länder, die exportorientiert waren, die Futtermittel eingeführt haben
— Sie wissen, was ich meine —, und auch Länder, die sich neuerdings diesem Zweig zuwenden, zu bestimmen, einem solchen einstimmigen Beschluß zuzustimmen, diese gewerbliche Veredelung aufzugeben. Die deutsche Delegation hat sich wiederholt
— und sie wird das auch in Zukunft tun — diesem Thema zugewandt.
Der Herr Kollege Ehnes hat das richtige Wort gewählt; er hat erklärt, es sei ein großer Vertrauensschaden eingetreten. Das ist richtig. Ich glaube, daß die taktische Absicht des Vizepräsidenten Mansholt, einen Stein in den Teich zu werfen, um breite Wellen auszulösen und um eine Diskus- sion zu entfachen, eine Schocktherapie — wie mit Recht wiederholt gesagt worden ist —, auch von einer anderen Seite gesehen werden muß. Menschen, die in einem Anpassungsprozeß so schwieriger Art sind, sind sowieso verängstigt und in einer nicht
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Bundesminister Höcherl
ganz beneidenswerten Gemütsverfassung. Man muß diese Menschen sehen, und es baut sich auf diese Weise eher ein Hindernis und ein Widerstand auf, und Notwendigkeiten, die vielleicht nicht zu vermeiden sind, werden erschwert und nicht erleichtert. Wir haben das dem Vizepräsidenten Mansholt schon gesagt und wir werden ihm das auch wieder sagen. Es ist für uns, die wir in der politischen Verantwortung stehen, außerordentlich schwierig, weil draußen immer der Eindruck entsteht: Wenn Mansholt etwas gesagt hat, dann ist das Gesetz. Es ist so furchtbar schwer, diese Dinge in ihrer richtigen Ordnung vorzutragen. Meine Damen und Herren, es ist nichts geschehen, es sind Gedanken geäußert worden, und wir werden aus diesen Gedanken das machen, was wir für richtig befinden und was wir für billig und gerecht halten.
Bezüglich der Preispolitik vielleicht noch ein Wort an den Kollegen Ehnes. Er hat mit Recht den Menschen in den Mittelpunkt all dieser Maßnahmen gesetzt. Es geht nicht um Betriebe, es geht nicht um dies oder nicht um jenes, sonders es geht um das Schicksal des Menschen in dieser Landwirtschaft, in der heute noch über 2,9 Millionen Erwerbstätige in der Bundesrepublik und über 11 Millionen in der EWG arbeiten. Es geht darum, diesen Menschen zu helfen, daß sie zu einer besseren und günstigeren Existenz kommen.
Herr Kollege Peters, Sie haben die Gretchenfrage gestellt, wie denn eigentlich die Preisvorstellungen sind. Meine Damen und Herren, ich kann nur das wiederholen, was im Agrarprogramm steht. Wir werden jede Gelegenheit wahrnehmen, um die Einkommenssituation über den Preis der Landwirtschaft zu verbessern. Ich kann auf Grund meiner jetzt mehr als dreijährigen Tätigkeit in Brüssel selber Fortschritte in Richtung auf bessere Preise feststellen. Heute haben wir sehr vernünftige Veredlungspreise; das können Sie nicht bestreiten. Ich freue mich darüber. Das ist eine Erleichterung. Wir haben die Getreidepreise verbessert; hier kommt es vor allem auf eine bessere Relation an. Bei den Überschußprodukten können wir zur Zeit nichts unternehmen, das wissen Sie. Die Öffentlichkeit würde das auch nicht hinnehmen. Auch produktionspolitisch wäre das falsch. Hier muß das richtige Maß und das richtige Instrument für den in Frage kommenden Bereich gefunden werden.
Ich möchte mich noch dem Kollegen Schulze-Vorberg zuwenden. Er hat mit Recht den Eigentumsgedanken als den Kern unserer Bemühungen herausgestellt. Es ist wiederholt das Wort von der kalten Sozialisierung gefallen und vom Versuch, die Landwirtschaft zu sozialisieren und das Eigentum zu gefährden, gesprochen worden. Meine Damen und Herren, ich möchte dazu in aller Offenheit und in aller Klarheit folgendes sagen: niemals wird eine deutsche Regierung zulassen, daß das Eigentum gefährdet wird.
Wir wissen ganz genau, daß Eigentum und Freiheit zwei Seiten einer Sache sind.
Nun zu der Frage, die der Kollege Ertl angeschnitten hat. Er sprach von Planspielen und davon, daß die EWG-Politik am Ende ist. Meine Damen und Herren, die EWG-Politik ist nicht am Ende. Die EWG-Politik hat Fehler gemacht, aber die EWG-Politik hat ja eine Aufgabe bewältigen müssen, die es bisher in dieser Form überhaupt nicht gegeben hat, nämlich sechs Volkswirtschaften, die historisch gewachsen sind, zu verbinden und auf einen Nenner zu bringen, und zwar auf einen sehr breiten Nenner. Das war und ist eine Aufgabe von überwältigender Größe. Es ist ganz natürlich, daß dieser Prozeß nicht harmonisch und ohne Fehler und Widersprüche vor sich gehen kann. Das Bessere und das Ideale waren immer der Feind des Guten und des Möglichen. Wer sagt denn, daß wir nicht in der Lage sind und nicht die Kraft haben, die Fehler, die gemacht worden sind, die sich herausstellen, weil vor 10, 15, 20 Jahren jeder von uns anders gedacht hat — und vielleicht werden wir in 10 Jahren wiederum andere Vorstellungen haben —, wieder in Ordnung zu bringen? Jetzt haben wir die Agrarpolitik schon neun Jahre im Rahmen der EWG betrieben. Wir werden in Gottes Namen nun auch in der Lage sein, im letzten Jahr des Übergangs Fehler auszugleichen. Das ist menschlich. Ich möchte fast sagen, wenn alles glattgegangen wäre, hätte ich sogar Zweifel, ob wir auf dem richtigen Wege sind. Menschenwerk hat immer Unzulänglichkeiten.
Meine Damen und Herren, der Kollege Ritz meinte, Sie sollten mir den Rücken stärken. Dafür bin ich sehr dankbar. So fasse ich auch die Diskussion auf. Mit Ihrer Vollmacht kann ich dann am 13. und 14. des nächsten Monats in der ersten Aussprache in Brüssel unsere übereinstimmende Auffassung vertreten.
Was nun die Statistik betrifft, so möchte ich eines zu unserer Ehrenrettung sagen. Es gibt kein Land der Welt, das eine so großartige, wenn auch noch unvollkommene Agrarstatistik hätte, wie sie die Bundesrepublik über die Grünen Pläne und über die statistischen Jahrbücher und über die alle zwei Jahre stattfindenden Arbeitskraftzählungen aufzuweisen hat. Das ist schon sehr viel. Wenn wir in der EWG eine solche Basis von Zahlen und ein so aufbereitetes Material hätten, könnten wir wahrscheinlich viel bessere Politik machen. Aber man hat oft den Eindruck, daß nicht jeder so sehr an dieser statistischen Genauigkeit interessiert ist. Diese Zahlen haben immer zwei Seiten, eine gute und eine schlechte. Das ist der eigentliche Grund. Wir haben hier nicht geringe Schwierigkeiten, statistische Gesetze durchzubringen. Der Bundesrat, der praktisch über die Länder die Ausführung zu besorgen hat, und die Kosten waren schon oft ein Hindernis zu einer besseren Statistik.
Was bei all diesen Vorschlägen sein muß — sie sind irreal und unrealistisch —, ist folgendes. Wir müssen nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch allen anderen Berufs- und Wirtschaftszweigen, die es schwerer haben und die etwas im Windschatten liegen, eine laufend verbesserte Option gegenüberstellen, eine Optionsmöglichkeit, daß sie sich einrichten können, ganz wie sie wollen, ob sie dies
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Bundesminister Höcherl
oder ob sie jenes machen wollen — vor allem die junge Generation —, über Preispolitik, über Strukturpolitik, Bildungs-, Verkehrs- und sonstige infrastrukturelle Maßnahmen. Das ist eine Daueraufgabe.
Es wird gesagt, wir hätten vor 10 und 15 Jahren die Statistik so angelegt, daß ab 0,5 ha gezählt wird. Ja, meine Damen und Herren, vor 15 Jahren waren 2, 3, 4, 5 ha noch Betriebe, von deren Existenzen allein man abgehangen hat. Das war so. Heute sind es doch zwei große Elemente, die uns bedrängen, einmal die Einkommenserwartung, die von der industriellen Gesellschaft in einer erfreulichen, nach vorn gerichteten Weise ständig entwickelt wird. Alle Zweige der Landwirtschaft und andere Gewerbezweige, deren Kapital sich weniger schnell umdrehen läßt und die weniger Entfaltungsmöglichkeiten haben, haben in erster Linie Anspruch, so wie es auch in der ganzen Welt der Fall ist, auf unsere Unterstützung. Das ist nicht eine Subvention, sondern ein gerechter Ausgleich, der zu vollziehen ist, den die Amerikaner für ihre großräumige Landwirtschaft genauso vollziehen müssen wie irgendeine andere Landwirtschaft auch.
Wir müssen — das ist vielleicht das Entscheidende — immer wieder prüfen, ob wir für die Landwirtschaft, deren Kapitalverzinsung nicht so ist wie in anderen Bereichen, die Verhältnisse immer so geordnet haben, daß wir die Chance haben, daß sich auch die junge Generation, die in der Landwirtschaft steht, in einer ausreichenden Zahl für diese schwierige Arbeit zur Verfügung stellt. Das ist die eigentliche große Gefahr. Wir müssen überlegen, ob bei der Einkommenspolitik und im Vergleich der einzelnen Bereiche die Landwirtschaft gerecht behandelt wird oder ob sie nicht doch zu kurz kommt — und das scheinen alle Zahlen aufzuweisen — und ob hier besser ausgeglichen werden muß, um Gerechtigkeit in der Einkommenspolitik zu schaffen. Das ist das eigentliche Ziel, und darum geht die ganze Arbeit.
Noch ein Wort zu der Frage des Herrn Kollegen Mauk, wie ich diese Vorträge aufgenommen hätte. Herr Kollege Mauk, ich habe gute Nerven. Wer vier Jahre Innenminister und drei Jahre Landwirtschaftsminister ist, braucht gute Nerven. Wenn er sie nicht hätte, wären sie ihm hier beigebracht worden. Sie können sich darauf verlassen, ein solcher Vortrag wirft mich nicht um, sondern im Gegenteil, da werden erst Kräfte des Widerstands wach und Kräfte, die uns dazu führen müssen, daß wir die Dinge in den Griff bekommen.
Der Herr Kollege Kempfler hat ein rührendes Bild aus seinem Wahlkreis und der Nachbarregion gegeben. Ich brauche nicht weiter darauf einzugehen. Er sprach von Ausscheidern. Lassen Sie mich das noch sagen: das Wort „ausscheiden" — der muß ausscheiden, jener muß ausscheiden, sei es aus dem Handwerk, sei es aus dem Handel, sei es da oder dort — ist total falsch! Nein, ausscheiden muß überhaupt niemand, sondern die Dinge sind so, daß sich der einzelne überlegen muß — und wir müssen ihm helfen —, daß er viele zusätzliche Chancen hat. Dann kann er sich überlegen, wie er sein Bodeneigentum bewirtschaftet.
Gemeinschaftsformen gibt es viel, viel bessere als diejenigen, die dort vorgeschlagen sind.
Nehmen Sie die Maschinenringe als Beispiel! Hier ist eine kostensparende Gemeinschaftsform, die noch längst nicht so entwickelt und so ausgebaut ist. Wir werden uns Förderungsformen überlegen müssen.
Zum Schluß — und damit darf ich diese lange Debatte beenden — möchte ich noch folgendes sagen. Meine Damen und Herren, seien Sie versichert, daß ich Ihren Auftrag in dem hier erörterten Sinne verstanden habe, nämlich in dem Sinne, das Äußerste einzusetzen und alles aufzubieten, um der Landwirtschaft zu helfen, einer Bevölkerung, die an vielen sozialen Errungenschaften, am freien Wochenende und am Urlaub, nicht teilhaben kann, einer Bevölkerung, die uns in bitteren Zeiten versorgt hat. Wir sind heute trotz aller internationalen Arbeitsteilung nicht berechtigt, zu glauben, für uns sei jede Gefahr schon vorbei. Wir wollen einer Bevölkerung helfen, die diesen Raum, den wir so lieben, die den so eng besiedelten Raum in dieser großartigen Kultur erhält. Wir wollen dieser Bevölkerung durch eine gerechte Politik vor allem auch in Brüssel, was ihr Einkommen, was die Preisentwicklung und die Strukturseite betrifft, helfen. So habe ich Ihren Auftrag verstanden.
Ich möchte noch einmal sagen, die deutsche Landwirtschaft braucht keine Sorge zu haben, daß sie wegen solcher Strukturpläne und wegen solcher Größenvorstellungen Schaden nehmen wird. Das wird nicht der Fall sein, sondern wir werden das fortsetzen, was wir begonnen haben, und es jeweils anpassen, sei es gelernt aus der Erfahrung, sei es orientiert an den Entwicklungen, die ja sehr stürmisch vor sich gehen.
In diesem Sinne darf ich mich herzlich dafür bedanken, daß Sie dem großen Thema Landwirtschaft diese Stunde gewidmet haben.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aktuellen Stunde und damit am Ende der heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Freitag, den 13. Dezember, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.