Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister ist heute sehr schweigsam, fällt mir auf.
— Er muß sich offensichtlich für den Abend schonen. Dafür haben wir Verständnis. Aber es ist natürlich schon merkwürdig — —
— Wissen Sie, Herr Kollege Rinderspacher, es wird natürlich auch Leute geben, die zum Lachen in den Keller gehen. Das überlasse ich Ihnen. Es gibt aber auch noch Leute, die bei allen Situationen ein klein wenig Humor — der soll auch zum Charakter des Menschen gehören — behalten.
Ich würde Ihnen nur raten, manchmal zu lächeln. Das wäre vielleicht gut für Sie. Das würde vielleicht Ihren seelischen Haushalt mehr ausbalancieren.
Aber nun zum Wesentlichen. Der Kollege Schmidt hat mit Recht festgestellt: Die EWG-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968 11135
Ertl
Politik ist am Ende. Ich unterstreiche diesen Satz. Die Konzeption der EWG-Kommission des Herrn Mansholt ist am Ende. Der verzweifelte Versuch, diese Politik immer weiter fortzuentwickeln — um nämlich nicht zugeben zu müssen, daß er selbst eine falsche Konzeption entwickelt hat —, .ergibt zwangsläufig seine jetzigen Vorschläge. Das ist das Ergebnis seiner falschen Grundkonzeption einer EWG-Agrarpolitik, die, meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, in diesem Haus viel Unterstützung gefunden hat, die, wie ein Kollege immer sagte, folgende Philosophie hatte: Wir machen das Industriegeschäft, die anderen machen das Agrargeschäft, und im übrigen versuchen wir, die Landwirtschaft abzukapseln; und dann wurde hinzugefügt: Die Überschüsse werden wir schon meistern. Eine grundlegend falsche Konzeption! Wer nicht bereit ist, diese Konzeption von Grund auf zu überdenken und in ganz neue Fahrbahnen zu lenken, der wird sehen, daß dies ein verhängnisvoller Kreislauf ist, aus dem er nicht herauskommt. Angesichts einer Situation, in der der Herr Bundesminister feststellt, er könne die Auswirkungen in dieser Form nicht billigen, in der die beiden Koalitionsfraktionen feststellen, so dürfe es nicht kommen, in der der Finanzminister, wenn er hier wäre, feststellen müßte: Im übrigen habe ich gar kein Geld dafür — wir haben heute eine Zahl, nämlich 120 Milliarden DM, nur für einen Bereich gehört; das sind ja alles astronomische Summen —, frage ich mich: Wie kann man dann dauernd Planspiele machen, Leute nervös machen, bei nicht Fachkundigen Illusionen wecken, die anderen einschüchtern und dabei noch glauben, das sei eine erfolgreiche, zukunftsträchtige Agrarpolitik? — Nein, so geht es nicht. Das ist die Kernfrage, und diese Kernfrage wird, meine ich, von der CSU angeschnitten, indem sie die Frage stellt: Kann dieser Mann in dieser Form weiter verhängnisvolle Politik machen?
Damit Sie unsere Absichten hier nicht verkennen, sage ich: Wir sind der Meinung, daß der Strukturwandel das Gegebene in einer Industriegesellschaft ist. Dieser Strukturwandel muß allerdings — das wiederhole ich zum x-ten Male in diesem Haus — kontinuierlich und ohne sozialen Druck erfolgen. Das ist der entscheidende Faktor, und darin besteht die Freiheit.
— Der Druck besteht darin, verehrter Kollege Schmidt , daß Sie selbst gesagt haben — ich habe die Ausführungen bei Ihnen sehr genau verfolgt —, Sie seien nicht mehr für Einkommenssenkungen.
Wenn Sie das sind, müssen Sie auch zu gegebener Zeit, wenn die übrigen Einkommen steigen, für Einkommensverbesserungen sein. Sie wollen doch nicht die Einkommen in der Landwirtschaft für immer einfrieren!
Ich könnte mir gar nicht vorstellen, daß Sie das als sozial empfänden. Denn das wäre ja ein schlechter Sozialdemokrat, der einen Sektor sozial einfrieren möchte. Das würden Sie wahrscheinlich nicht machen. Das ist die Kernfrage. Sie können überhaupt keine Einkommens- und keine Preispolitik machen, wenn Sie diesen Teufelskreis nicht aufbrechen. Politische Lösungen — die Kürze der Zeit erlaubt es mir nicht, das auszuführen — gibt es sicherlich genügend.
— Die gibt es in der Öffnung der EWG; die gibt es in einem Zehner-Europa. Herr Kollege Kurlbaum, Sie müssen nur unsere Vorschläge lesen. Das muß ich von Ihnen als einem interessierten Kollegen erwarten, daß Sie das lesen, was wir veröffentlichen.
Genügend Vorschläge sind von uns gemacht worden. Wir haben von vornherein vor diesem falschen Weg gewarnt. Das ist die Frage, die sich jetzt stellt und die sich für die Zukunft stellt: Sind wir bereit, diese Politik zu überprüfen, sind wir bereit, Bilanz zu ziehen und eine Politik zu machen, die in diesem Europa partnerschaftliche Verhältnisse schafft, partnerschaftliche Verhältnisse auch über dieses enge Konzept hinaus? Nur so können Sie auf die Dauer überhaupt noch eine Agrarpolitik in diesem Bereich und für die deutsche Landwirtschaft machen.