Rede von
Fritz
Logemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Landwirtschaft hat vor dem Weihnachtsfest noch zwei Weihnachtsgeschenke auf den Tisch bekommen, einmal den Mansholt-Plan aus Brüssel. Aber ich möchte auch Bonn nicht vergessen; aus Bonn kam ebenfalls ein Weihnachtsgeschenk, und zwar in Form von Beschlüssen des Agrarkabinetts mit Kürzungen des ursprünglichen Globalansatzes für die mittelfristige Finanzplanung um rund die Hälfte
und mit Mehrbelastungen durch Sozialbeiträge für die Landwirtschaft in einer Größenordnung von 160 bis 180 Millionen DM. Diese beiden Geschenke sind zwei echte Danaer-Geschenke mit unheilbringender Wirkung für die Landwirtschaft.
Zunächst zu den Vorstellungen von Herrn Mansholt. Die Aussagen von Herrn Mansholt, die jetzt wiederum vorliegen,. sind an sich nicht neu. Sie erinnern sich vielleicht noch daran, daß auch im Sommer schon Aussagen kamen, die etwa die Kreiszeitungen unter der Überschrift brachten: „Mansholt: vier Bauernfamilien in einem Betrieb". Hier haben wir also schon seit längerer Zeit Aussagen vorliegen:
Die FDP hat sich seit Monaten gegen diese Aussagen des Vizepräsidenten Mansholt zur Wehr gesetzt. Ich habe die Auffassung vertreten, die Bauern Europas sollten sich zusammenschließen und den Rücktritt eines Mannes fordern, der dauernd Vorschläge zur Liquidierung landwirtschaftlicher Betriebe macht, die nach den Beschlüssen von Stresa und nach dem deutschen Landwirtschaftsgesetz durchaus eine echte Existenzberechtigung haben. Wir sollten es nicht zulassen, daß die Bauern zum Spielball immer neuer Pläne und zum Spielball immer neuer Politik werden.
Als Zweites möchte ich hier anmerken, daß die Kritik der Bundesregierung an den Vorstellungen des Herrn Mansholt seit Monaten, Herr Minister, zu pflaumenweich war. Ich habe hier eine Erklärung vorliegen, die in einer Information Nr. 36 aus Ihrem Hause steht, in der es heißt, die Gegensätze zwischen der Bundesregierung und Herrn Mansholt seien nicht unüberwindbar. Ich möchte sagen, die Auffassungen sind in der Tat nicht miteinander zu vereinbaren. Hier muß eine härtere Sprache geführt werden. Wenn schon in den vergangenen Monaten von seiten der Bundesregierung deutlicher gesprochen worden wäre, dann hätte Herr Mansholt es wahrscheinlich nicht gewagt, seine Pläne immer wieder neu vorzutragen.
Eine weitere Anmerkung! Auch uns hier in diesem Hause ist bekannt — wir haben uns damit beschäftigt —, daß Herr Mansholt die Stichworte für seine Pläne von dem deutschen Wirtschaftsminister Professor Dr. Karl Schiller bekommen hat. Dessen Aussagen von damals gleichen sich in vielen Punkten mit denen von Herrn Mansholt.
Das alles muß zu einer echten Unruhe in der Landwirtschaft führen. Ich möchte sagen, jeder Bauer, der nicht über den Großbetrieb, den Herr Mansholt will, verfügt, der also nicht 80 bis 100 ha oder 40 bis 60 Kühe hat, muß Existenzangst bekommen, wenn dauernd Leitbilder mit diesen Betriebsgrößen entwickelt werden.
Eine Anmerkung zu einem Einzelpunkt. Herr Mansholt geht bei seinem Vorschlag u. a. davon aus, daß der Nahrungsmittelverbrauch in den letzten Jahren bis 1965 zwar um 3,6 % gestiegen sei, die landwirtschaftliche Produktion aber nur um 3,3 %. Aber das würde sich ändern. Von 1966 bis 1970 sei nur noch mit einem Mehrverbrauch an Nahrungsmitteln von 2,7 % zu rechnen. Ich finde, solche Zahlen sollten wir nicht einfach abnehmen. Herr Mansholt kann gar nicht voraussehen, wie sich der Nahrungsmittelverbrauch entwickelt.
Ich möchte dazu gleich einen Vorschlag machen. Wenn man schon so genau rechnen will, mache ich den Vorschlag, wie man zu einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage kommen kann, und schlage vor, daß Herr Mansholt sofort die gewerblich-industrielle Veredelungsproduktion stillegt; dann haben wir nämlich den Ausgleich.
Als dritten und letzten Punkt darf ich anmerken, daß die Produktionseinheiten, wie sie Mansholt anstrebt, durchaus — und das geht aus vielen Erfahrungen hervor — nicht immer kostengünstiger arbeiten und produzieren als modern geführte Familienwirtschaften. Auch die Großbetriebe Mansholts können ohne eine aktive Erzeugerpreispolitik im Sinne der von uns dargelegten Vorstellungen nicht bestehen. Und als letztes: Der Ruf nach Großbetrieben, wie ihn Mansholt erhebt, wird die landwirtschaftliche Produktion nicht bremsen, sondern eher verstärken. Das so oft erwähnte sogenannte Überschußproblem wird sich damit nicht lösen lassen. Aus diesem Grunde lehnen wir die Vorstellungen Mansholts mit Entschiedenheit ab.
11132 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968