Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf in der zeitlichen Reihenfolge des Vorgangs vorgehen und deshalb zunächst die Frage des Abgeordneten Weigl aufgreifen.
11126 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts beim
Bundesgericht haben nicht ergeben, daß die südkoreanischen Beamten, welche die 17 südkoreanischen Staatsangehörigen im Juli 1967 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Südkorea verbracht haben, Gewalt oder Drohungen angewendet haben. Es konnte nur festgestellt werden, daß die von der Aktion betroffenen Südkoreaner unter Vorspiegelung unwahrer Angaben in die südkoreanische Botschaft nach Bonn gebracht wurden. Die Bundesregierung sieht jedoch allein schon in dem Tätigwerden der südkoreanischen Behörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine völkerrechtswidrige Handlung, durch die die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland verletzt worden ist.
Die Bundesregierung hat seit dem ersten Begehren um volle Aufklärung des Vorgangs, das sie am 4. Juli 1967 gegenüber der koreanischen Botschaft geltend gemacht hat, jede Möglichkeit förmlicher und anderer Art wahrgenommen, die Rückführung der Verschleppten zu verlangen, und zwar sowohl hier gegenüber dem Vertreter der Republik Südkorea in Bonn als auch durch den deutschen Botschafter in Seoul. Eine Aufzählung der Schritte im einzelnen — dafür bitte ich das Haus um Verständnis — würde den Rahmen der Fragestunde einfach sprengen.
Das Auswärtige Amt war und bleibt bemüht, in diplomatischen Verhandlungen seine Forderung durchzusetzen. Diese Bemühungen sind bisher nicht ohne Erfolg geblieben. Sechs der nach Korea verbrachten Personen wurden nach den Ermittlungsverfahren freigelassen und konnten zurückkehren. Auch die Ehefrau des Komponisten Yun I Sang konnte, obwohl sie ebenso wie ihr Ehemann angeklagt war, nach Deutschland zurückkehren. Die ebenfalls angeklagte Ehefrau des Physikers Chung Kyu Myung wurde nach der zweiten Instanz auf freien Fuß gesetzt. Sie wollte allerdings nicht nach Deutschland zurückkehren, solange ihr Mann in Korea in Haft bleibt. Am 18. Juli 1968 konnten auch die Angeklagten Kim Yun Tack und Kim Chong Dak in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren. Außerdem gestattete die koreanische Regierung die Rückkehr der ebenfalls angeklagten deutschen Ehefrau von Professor Kang, der in Korea selbst verhaftet worden war, also nicht aus der Bundesrepublik Deutschland dorthin verbracht worden ist.
Diese sukzessive erfolgten Freilassungen können im wesentlichen den zähen und unermüdlichen Bemühungen der Bundesregierung zugeschrieben werden. Bei Beginn des Berufungsverfahrens am 14. November 1968 ist dem koreanischen Botschafter in Bonn außerdem mit Nachdruck die ernste Besorgnis der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht worden. Der Botschafter wurde ferner am Sonnabend, dem 23. November 1968, ins Auswärtige Amt gebeten, wo ihm Staatssekretär Lahr unzweideutig und eindringlich die ernsten Befürchtungen der Bundesregierung und der deutschen Öffentlichkeit über die deutsch-koreanischen Beziehungen zum Ausdruck gebracht hat. Staatssekretär Lahr warnte Botschafter Kim davor, die Bedeutung dieser Frage für die beiderseitigen Beziehungen zu unterschätzen. Die deutsche Souveränität sei verletzt worden, und die völkerrechtswidrigen Handlungen koreanischer Stellen seien auf deutschem Boden erfolgt.
Das Urteil des Obersten koreanischen Gerichts vom 30. Juli 1968, 'das die harten Urteile der zweiten Instanz aufhob, wurde in der mit großer Nervosität geladenen Atmosphäre Koreas zum Gegenstand innenpolitischer Kontroversen. Zwei Richter des Obersten Gerichts haben unmittelbar nach der Urteilsverkündung ihren Rücktritt erklärt, ebenso wie einige Richter des Berufungsgerichts. Dieses mußte sich erst neu konstituieren, wodurch eine Verzögerung des Prozeßbeginns bis zum 14. November eintrat.
Entgegen allen Erwartungen stellte die Staatsanwaltschaft 'im nunmehr abgeschlossenen Berufungsverfahren sehr harte Strafanträge, die sich auf bisher nicht angewandte Vorschriften des Art. 6 Abs. III des Antikommunistengesetzes und Art. 3 des Staatssicherheitsgesetzes gründen. Trotz des Einspruchs der Angeklagten gegen dieses nach unseren Rechtsvorstellungen unzulässige Verfahren hat das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben. Das koreanische Berufungsgericht ist in seinem Urteil vom 5. Dezember 1968 den harten Strafanträgen der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt. Es hat jedoch in fast allen Fällen die Urteile der zweiten Instanz vom 13. April 1968 mit zwei Ausnahmen bestätigt, in denen Strafen von 15 auf 10 Jahre bzw. eine Todesstrafe auf 15 Jahre reduziert wurden.
Über die Absichten der Angeklagten und ihrer Verteidigung sowie eventuell auch der Staatsanwaltschaft bezüglich neuer Revisionsanträge ist noch nichts Endgültiges bekannt. Es ist damit zu rechnen, daß einige der Angeklagten, die besonders harte Strafen erhielten, erneut Revision einlegen werden. Das Gnadenrecht kann nur nach dem endgültigen Abschluß des Verfahrens ausgeübt werden.
Unverzüglich nach Vorliegen der ersten Nachrichten über das Ergebnis des Berufungsverfahrens hat die Bundesregierung Botschafter Ferring zur Berichterstattung nach Bonn berufen. Er hatte Weisung erhalten, vor seiner Abreise Staatspräsident Park aufzusuchen, um ihm die Bestürzung der Bundesregierung über die harten Urteile zum Ausdruck zu bringen und zu hören, welche Vorstellungen auf koreanischer Seite hinsichtlich einer endgültigen Beilegung der Kontroverse, mögliche Absichten bezüglich Straferleichterung oder Strafminderung auf dem Gnadenwege bestehen. Botschafter Ferring wurde jedoch wenige Stunden vor seinem Abflug nur noch von Ministerpräsident Kwon empfangen. Eine eingehende Analyse dieses Gesprächs erfolgt gegenwärtig im Auswärtigen Amt.
Botschafter Ferring hat sofort nach seiner Rückkehr dem Auswärtigen Amt über den Stand der Angelegenheit aus seiner Sicht berichtet. Er wurde gestern auch vom Bundesminister des Auswärtigen empfangen. Das weitere Vorgehen wird gegenwärtig einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Dabei wird es von entscheidender Bedeutung für uns sein, die weiteren Einwirkungsmöglichkeiten auf die
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968 11127
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
koreanische Regierung bezüglich eines befriedigenden Abschlusses der Angelegenheit und zugleich die Möglichkeit, wie bisher schon zugunsten der Verurteilten tätig zu werden, zu behalten. Das spricht gegen den Abbruch der diplomatischen Beziehungen.
Die Bundesregierung hält es für richtig, sich weiter darum zu bemühen, auf diplomatischem Wege zum Erfolg zu kommen. Die Tatsache, daß von den 16 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Korea verbrachten erwachsenen Koreanern zehn inzwischen wieder freigelassen wurden, neun wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind sowie in einigen weiteren Fällen das Strafmaß der Verurteilten im Vergleich zu den Vorinstanzen erheblich reduziert wurde, ist ein Beweis dafür, daß unsere Bemühungen nicht erfolglos sind. Der Bundesminister des Auswärtigen hat heute vormittag den koreanischen Botschafter empfangen und ihm die Erwartungen der Bundesregierung über die weitere Behandlung dargelegt.
Der Hinweis auf diese eben genannten vorläufigen Erfolge unserer Bemühungen sollte deutlich machen, daß Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind. Die Bundesregierung hat alles getan, um darüber hinaus den Angeklagten in Seoul menschliche Erleichterungen zu verschaffen. Sie beabsichtigt, diese Bemühungen, solange sie erforderlich und möglich sind, fortzusetzen. Es handelt sich generell um Maßnahmen, die einen optimalen Rechtsschutz der Angeklagten gewährleisten, ihre ärztliche Betreuung sicherstellen und den Freigelassenen ihre Rückreise nach hier erleichtern. Dazu kommen nicht zuletzt die Bemühungen im menschlichen Bereich durch die Angehörigen der Botschaft in Seoul. Die Angeklagten und ihre Angehörigen haben sich wiederholt für die geleistete Hilfe bedankt.