Rede von
Georg
Ehnes
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Logemann, wir sollten in der heutigen Debatte das, was an nationaler Politik zu erledigen ist, ausklammern, um uns dem Hauptaufgabengebiet zu widmen, nämlich der Auseinandersetzung, die am 13. und 14. Januar in Brüssel von den Regierungen der Sechsergemeinschaft geführt werden muß. Ich glaube, daß unsere Regierung darauf angewiesen ist, von uns eine ganz klare Aussage in diesem Bereich zu haben. Wenn man das, was uns an Papier bekanntgeworden ist, liest und wenn man die Stimmung der Menschen draußen hört, die davon betroffen sind, kann man, glaube ich, sagen, daß es noch niemals einen solchen Vertrauensschwund gegeben hat, seitdem dieser Vertrag von Rom Wirklichkeit geworden ist. Der Vertrag, der in der Sechsergemeinschaft abgeschlossen wurde, ist in erster Linie auf Vertrauen aufgebaut, und wir alle in diesem Hohen Hause vertreten den Standpunkt, daß dieses Europa nicht mit Auseinandersetzungen, sondern nur auf einer Vertrauensbasis zusammengeführt werden kann. Wenn diese Vertrauensbasis gegenüber einer Person, nämlich dem Herrn Vizepräsidenten Mansholt, nicht mehr gegeben ist, sollten wir alle gemeinsam überprüfen, ob es unter diesen Voraussetzungen nicht notwendig wäre, diesen Mann zu ersetzen, damit die Vertrauensbasis, die in Europa so dringend notwendig ist, wieder geschaffen wird.
— Der Kollege Unertl hat mit Sicherheit Gründe dafür, daß er den Bayerischen Wald genannt hat. Denn wer täglich die Auseinandersetzungen sieht und weiß, daß dort sowjetische Divisionen an der Grenze stehen,
der macht keine Zielprojektion zum Jahre 1980, sondern der schaut von der Nähe die Gegenwart an, und in diesem Punkte hat der Kollege Unertl mit Sicherheit aus den Erfahrungen und dem unmittelbaren Erleben in seinem Wahlkreis die Dinge angesprochen. Ich glaube, auch diesem Kollegen sollte man die freie Meinungsäußerung zubilligen.
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung, die nun angebrochen ist, betrifft jetzt nicht mehr die Arbeitskräfte, die früher als Fremdarbeitskräfte tätig waren, sie betrifft nicht mehr die Familienangehörigen, sondern sie betrifft die Existenz von vielen Hunderttausenden von Betrieben bei uns und von 5 Millionen Menschen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Wir stehen damit in der dritten Phase dieser Strukturauseinandersetzungen. Ich glaube, daß diese dritte Phase deshalb viel schwerer ist, weil wir alle gemeinsam in diesem Hohen Hause dafür kämpfen, daß Existenzen geschaffen werden.
Deswegen sollte man gemeinsam bemüht sein, daß hier nicht durch verkehrte preispolitische Vorstellungen allein auf dem Wege der Strukturpolitik Eigentum zerschlagen wird, selbständige Existenzen aufgegeben werden, während wir uns auf der anderen Seite mühsam darum bemühen, diese selbständigen Existenzen in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu schaffen.
Ich glaube aber auch, daß deswegen im Mittelpunkt unseres ganzen Interesses der Mensch stehen muß. Denn dieser Mensch wird hier zum Objekt gemacht, und dagegen verwahre ich mich. Die Menschen, um die es sich hier handelt, müssen uns interessieren; denn diese Menschen haben auf Grund ihrer Vergangenheit eben nicht jene Möglichkeit, die hier erwogen wird, sich umzuschulen oder in andere Bereiche zu gehen, und zum anderen trifft es einen Teil, der, schon durch sein Alter und durch schwere Arbeitsleistung bedingt, nicht mehr die Voraussetzungen besitzt, in die Massengesellschaft der Industrie entsprechend eingegliedert zu werden.
Von dieser Warte her betrachten wir von der Christlich-Sozialen Union diese Aussagen des Herrn Mansholt als sehr problematisch, und ich darf im Namen meiner Freunde sagen, von uns aus ist die Frage einer Überprüfung der Person des Herrn Mansholt gegeben.