Rede von
Dr.
Anton
Stark
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder, der sich ernsthaft mit Landwirtschaftspolitik beschäftigt, weiß, daß sich in der Landwirtschaft noch ein weiterer erheblicher Strukturwandel vollziehen muß. Jeder von uns weiß auch, daß noch eine erhebliche
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968 11139
Dr. Stark
Anzahl von in der Landwirtschaft Beschäftigten ausscheiden muß. Das ist ja in den letzten Jahren auch schon geschehen. Ich war immer einer derjenigen, die gegen retardierende Tendenzen gesprochen und die nie gesagt haben, im großen und ganzen könne alles so bleiben wie bisher. Ich war auch einer, der gegen diejenigen gesprochen hat, die Preiserhöhungen in einem Maße versprochen oder angestrebt haben, welches nicht aus politischen, sondern aus marktpolitischen Gründen nicht realistisch ist.
Aber was geschieht denn jetzt? Jetzt fällt man in ein anderes, völlig falsches Extrem. Jetzt wird eine Eskalation der Schocktherapie betrieben, die selbst denjenigen Landwirten, die durchaus noch eine Existenzberechtigung haben, den Mut nimmt, weiterzumachen.
Man kann sich das nur damit erklären, daß hier — das muß ich deutlich sagen — Vorstellungen dahinterstehen, die mit bäuerlicher Landwirtschaft nichts mehr zu tun haben. Man strebt offenbar bei den Agrarerzeugnissen eine völlig andere Produktionsweise an. Dazu lassen Sie mich ganz kurz aus eigener fünfjähriger Erfahrung als Sozialreferent eines Landesbauernverbandes etwas sagen, als einer, der mit Klein- und Mittelbetrieben, aber in seiner Doppelfunktion als Geschäftsführer eines Arbeitgeberverbandes auch mit Großbetrieben zu tun hatte, die wir in Baden-Württemberg ebenfalls haben, wenn auch nicht in dieser Anzahl. Ich kann Ihnen sagen: das Konzept Mansholts ist auch deshalb falsch, weil im Augenblick auch die Großbetriebe, die mehrere Fremdarbeitskräfte beschäftigen und z. B. für einen Melker 1500 DM und für einen Traktorfahrer 900 DM zahlen müssen, bei diesem Kostenniveau schon jetzt in Schwierigkeiten kommen.
Zum dritten — ich habe es heute schon angesprochen —: Nur in der Betriebsgröße, nur in der Agrarstruktur die Lösung des Agrarproblems zu sehen, ist doch illusionär. Illusionär ist deshalb auch das Konzept Mansholts. In seiner Studie steht, er will eine subventionsfreie Landwirtschaft schaffen, die überhaupt keine Unterstützung vom Staat bekommt. Wo gibt es das in einem modernen Industriestaat, in dem man eine nationale Landwirtschaft will, daß die Landwirtschaft nicht unterstützt werden muß?! Das ist illusionär, unrealistisch.
Hier ist jetzt der Punkt, wo wir sagen müssen: bis hierher und nicht weiter! Ich bedaure unsere Menschen draußen im Lande, unsere Bauern. Ich habe mir jetzt wieder ein paar Betriebe mit ca. 20 und 25 ha angesehen, die gar nicht so schlecht stehen, wie man manchmal behauptet. Es gibt durchaus Formen des bäuerlichen Familienbetriebs, die unter Umständen besser stehen als ein Großbetrieb mit 80 oder 100 ha. Deshalb sind die Forderungen von Herrn Mansholt unrealistisch und illusionär, und wir sollten ihnen jetzt entgegentreten.