Rede von
Dr.
R. Martin
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige unter uns werden
11134 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 205. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1968
Dr. Schmidt
sehr nervös. Ich verstehe das durchaus, denn ich weiß, daß der Wahltermin immer näher rückt.
Man braucht wohl reichlich Zündstoff, um auf irgendeinen schimpfen zu können.
Lassen Sie mich zur Sache einiges sagen. Erstens: Ich bin gewiß, daß die meisten von Ihnen das Papier gar nicht kennen. Zweitens: Bei den Bemerkungen, die Herr Mansholt in Brüssel im Beisein der Außenminister gemacht hat, muß man zweierlei unterscheiden. Das, was er zu den Preisen und zu den Marktordnungen zu sagen hatte, hat er im Auftrage der Kommission sagen können, weil es darüber Grundsatzbeschlüsse gibt. Das, was er zu den Strukturverhältnissen gesagt hat, ist seine persönliche Meinung. Meine Herren Kollegen, es gibt noch keine Meinung der Kommission darüber. Derartige Meinungen, wie sie Herr Mansholt geäußert hat, gibt es auch in der Bundesrepublik in Massen. Lesen Sie nur einmal die wissenschaftliche Literatur durch. Da werden Sie einige solcher Perspektiven finden.
Im übrigen ist es ja eindeutig so — auch Sie in Bayern kommen nicht darum herum, das zu bemerken —, daß der technische und wissenschaftliche Fortschritt in der Landwirtschaft Veränderungen erzwingen wird, ob Sie es wollen oder nicht. Sie liegen einfach auf der Hand. Wir unterliegen tagein, tagaus solchen Veränderungen. Sie haben sie inzwischen auch schon zugestanden. Warum regen Sie sich dann also hier darüber auf, daß Herr Monsholt einige Feststellungen trifft. Im übrigen haben wir heute vormittag im Ausschuß von Minister Höcherl gehört, daß viele der Anmerkungen und allgemeinen Feststellungen von Herrn Mansholt zur Lage der Landwirtschaft durchaus richtig sind.
Nun ist es natürlich so, daß die Strukturen in der EWG außerordentlich verschieden sind. Was mir persönlich und meinen Freunden an Herrn Mansholts Feststellungen nicht gefallen hat, ist, daß er es unterlassen hat, auf die Finanzierung solcher Maßnahmen einzugehen und zu sagen, woher die Mittel kommen sollen. Deswegen zweifeln wir an der Durchführbarkeit solcher Pläne. Darüber sind wir uns ja einig.
Aber solche Pannen sind ja auch in der Bundesrepublik passiert. Das wissen wir doch. Schauen wir ein paar Wochen zurück! Da ging es auch darum. Da lagen auch Pläne vor, und da war noch nichts von der Finanzierung gesagt. Dann mußte ein Finanzminister sagen: Was kostet der ganze Spaß? — Also daher keine allzu große Aufregung!
Im übrigen sind die Vorschläge, meine Herren von der CSU und von der FDP, gar nicht neu. Wir praktizieren im Rahmen des Regierungsprogramms ja einige der von Mansholt hier geforderten Dinge. Wir fordern die Umschulung. Wir werden sie sogar finanzieren. Wir fordern eine Landabgaberente. Sie ist sogar schon im Programm eingeplant. Was wollen Sie eigentlich mehr? Ich gebe zu, daß man das in der Bundesrepublik eher verwirklichen kann als in Süditalien, weil es sehr schwer sein wird, die entsprechenden Industrien dahin zu kriegen.
Also das zu diesem Teil. Es ist für uns nichts Neues. Wir praktizieren es in der Bundesrepublik, und wir werden dabei zugunsten der Landwirte, die freiwillig ausscheiden, die nötigen Alternativen schaffen.
Und nun zum Markt und zu den Preisen! Meine Damen und Herren, wissen wir denn, wie es in der Kommission zugegangen ist? Gab es nicht auch dabei deutsche Kommissare, die ganz andere Vorstellungen hatten? Wenn dabei Herr Höcherl die Katze aus dem Sack lassen könnte, würden Sie sehr schwer enttäuscht sein. Ich sage Ihnen nur, die Vorschläge des Herrn Mansholt halte ich für wenig realistisch. Ich glaube nicht, daß wir dazu beitragen können, Einkommensverlagerungen zugunsten der nach der Landwirtschaft folgenden Gruppen vorzunehmen. Im übrigen glaube ich, daß wir es nicht hinnehmen würden — auch meine Freunde nicht —, daß weitere Einkommensverluste in der deutschen Landwirtschaft einfach in Kauf zu nehmen sind. Das zu dem.
Nun zum Abschluß, meine Damen und Herren. Ich bin im Grunde genommen darüber erfreut, daß man auch in der EWG-Kommission über ein neues Konzept diskutiert; denn mehr ist es ja nicht, es ist eine Diskussion. Wir stellen doch alle fest, daß wir in der gegenwärtigen EWG-Politik am Ende sind, daß wir einen Kurswechsel vollziehen müssen. Diesen Beitrag von Herrn Mansholt bezeichne ich eben als einen Beitrag zur Diskussion. Wir selber haben ja noch genügend Zeit und Gelegenheit, auch späterhin im einzelnen dazu Stellung zu nehmen.