Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einer lieben Pflicht zu genügen. Ich möchte unserer verehrten Kollegin und Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders zu ihrem Geburtstag unsere herzlichen Glückwünsche aussprechen.
Wir verbinden damit den Wunsch, daß sie noch oft in gewohnter Frische, Lebhaftigkeit und Interessiertheit an unseren Verhandlungen teilnehmen und ihr Gott dazu die Gesundheit geben möge.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden
ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Die Fraktion der FDP hat unter dem 23. Juni 1959 ihren Gesetzentwurf zur Aufhebung des Gesetzes über den Ladenschluß - Drucksache 184 — zurückgezogen.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 22. April 1959 ein Gutachten über die Zentrale Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 30. April 1959 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung und des Geschäftsbetriebes bei dem Bundesgerichtshof und der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und Berlin übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 25. Juni 1959 auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 4. Juli 1958 das von der Bundesregierung gebilligte Vierjahresprogramm für den Ausbau der Bundeswasserstraßen im Binnen- und Küstenbereich für die Haushaltsjahre 1959 bis 1962 nebst Erläuterungen übersandt, das als Drucksache 1199 verteilt wird.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 30. April 1959 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit der Verwaltungsabteilung, der Senatsgeschäftsstellen, der Bibliothek und der Zentralkartei bei dem Bundesfinanzhof in München übersandt, das im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 25. Juni 1959 gemäß § 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1952 die Verordnung M Nr. 2/59 zur Änderung der Verordnung M Nr. 1/58 über Preise für inländischen Raps und Rübsen übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Vor Eintritt in die Tagesordnung hat das Wort
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung beantrage ich zur Geschäftsordnung, den Antrag der Abgeordneten Unertl, Leukert, Schäffer, Strauß und Genossen betr. Hochwasserschäden in Bayern, Drucksache 1177, den Antrag der Fraktion der DP betr. Brandschäden in Niedersachsen, Drucksache 1195, und den Antrag der Abgeordneten Marx, Bals, Hörauf, Prennel, Höhne und Genossen, Drucksache 1196 , in die heutige Tagesordnung aufzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben den Antrag gehört. Wird Widerspruch erhoben? — Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß die Tagesordnung damit erweitert ist. Über den Zeitpunkt, zu dem die Anträge behandelt werden sollen, können wir uns noch im Laufe der Sitzung verständigen.Wir kommen jetzt zu Punkt 4 der gedruckten Tagesordnung:Fragestunde .Ich rufe auf die Frage 1 — des Herrn Abgeordneten Leicht — betr. Ausführungsgesetze zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz:Warum hat die Bundesregierung bisher die in § 3 Abs. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vorbehaltenen Gesetze noch nicht vorgelegt, obwohl ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums folgendes erklärt hat:„Der künftige Gesetzgeber soll ahne solche Gerichtsverfahren an die Ausarbeitung der Gesetzgebung herangehen. Wir selbst sind schon dabei, die Gesetze vorzubereiten, und werden sie gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode hier einbringen"?Das Wort zur Beantwortung hat der Staatssekretär Hettlage.Dr. Hettlage: Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Leicht wie folgt: In dem § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes ist eine Regelung für die Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsschäden vorbehalten. Die Bundesregierung wäre an sich in der Lage, den vorbehaltenen Gesetzentwurf bei dem Hohen Hause einzubringen, wenn sie dabei von einer lastenausgleichsähnlichen Regelung ausgehen könnte. Die Verbände der betroffenen Geschädigten sind aber der Meinung, daß eine Regelung dieser Kriegs- und Nachkriegsschäden nach Lastenausgleichsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt sei. Die Verbände der Geschädigten vertreten vielmehr die Auffassung, daß ihnen ein selbständiger Entschädigungsanspruch aus Art. 14 des Grundgesetzes wegen Enteignung zustehe.Über diese Rechtsfrage sind Gutachten vorgelegt worden. Ferner ist eine Verfassungsbeschwerde
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4308 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Staatssekretär Dr. Hettlageeingeleitet worden. Ehe nicht über diese Verfassungsbeschwerde in dieser tragenden Vorfrage eine Klarheit geschaffen ist, ist es fast unmöglich, einen Gesetzentwurf zur Ausfüllung der vorbehaltenen Teile des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vorzulegen.Ich möchte die Gelegenheit benutzen, mit ein paar Daten einen Überblick über den Stand der ergänzenden Gesetzgebung zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz zu geben. Die Rechtsverhältnisse der nicht mehr bestehenden Rechtsträger sind durch folgende Zusatzgesetze in der Zwischenzeit geändert worden:a) das Gesetz über Änderungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes,b) das Gesetz über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen,c) das Gesetz über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.Dann ist mittlerweile eine zweite Gruppe ergänzender Gesetzentwürfe den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet worden, die auch in dem § 3 vorbehalten sind:a) ein Gesetz über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank,b) der Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung des Reichsnährstandes.Schließlich werden noch drei Gesetzentwürfe für diese Abschlußgesetzgebung der Kriegsschäden im Bundesfinanzministerium vorbereitet, zunächst ein Gesetz, das Versorgungsansprüche bzw. Ansprüche auf Nachversicherung gegen nicht mehr bestehende öffentliche Rechtsträger regeln soll, ferner ein Gesetz zur Regelung der NS-Verbindlichkeiten und der Rechtsverhältnisse am NS-Vermögen und schließlich ein Gesetz über die Regelung von Kriegsversicherungsverhältnissen der Deutschen Kriegsversicherungsgemeinschaft und der Hermes Kreditversicherungs-Aktiengesellschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Bitte sehr!
Herr Professor, ist Ihnen ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 1959 bekannt, das den Anspruch eines Klägers bis zu einer gewissen Höhe feststellt, und können Sie Auskunft geben, ob die Bundesregierung bereit ist, die sofort anfallenden Prozeßkosten für den Prozeßgegner, hier eines Landes, eventuell zu übernehmen?
Dr. Hettlage: Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Herr Abgeordneter, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 1959, das Sie anführen, ist uns bekannt. Es verurteilt das beklagte Land dem Grunde nach, einen Entschädigungsanspruch für bestimmte Reparationsschäden anzuerkennen. In dem Urteilstenor ist das beklagte Land im wesentlichen zur Tragung der Kosten verurteilt worden. Wir sind bereit, über die Kostentragung mit dem Land zu verhandeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf die Frage 2 — des Herrn Abgeordneten Felder. Sie betrifft ein Hinweisschild der Autobahneinfahrt der Bundesstraße 4 bei Tennenlohe.
Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Kollegen Felder für seinen Hinweis. Ich habe dafür gesorgt, daß die von der Auftragsverwaltung Autobahnamt Nürnberg beseitigte Fernzielanlage „Berlin" an der Einfahrt zur Autobahn bei Tennenlohe wieder angebracht wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Frage 3. Fragesteller ist der Herr Abgeordnete Felder. Die Anfrage betrifft die Schadhaftigkeit der Autobahnstrecke Nürnberg—Hof.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie bei fast allen älteren Autobahnen sind auch die Fahrbahnen der Autobahn Berlin—München in einigen Abschnitten der Teilstrecke Bayreuth—Nürnberg erneuerungsbedürftig. Nicht nur hier, sondern auch an vielen anderen Strecken der Bundesautobahnen sind als Folge des stark angewachsenen schweren Verkehrs erhebliche Deckenschäden eingetreten. Vielfach ist dies wie im Abschnitt Bayreuth darauf zurückzuführen, daß dem Unterbau bei den älteren Autobahnen nicht die für den jetzigen Schwerverkehr erforderliche Stärke gegeben und auf eine Frostschutzschicht verzichtet wurde. Wenn bisher eine durchgreifende Instandsetzung in der Teilstrecke Bayreuth—Nürnberg noch nicht erfolgte, so liegt dies daran, daß andere, wesentlich stärker belastete Autobahnen vorgezogen werden mußten.
Es ist jedoch im Rahmen des ersten Vierjahresplanes vorgesehen, die Fahrbahnen der Autobahn zwischen Bayreuth und Nürnberg instand zu setzen. Der Aufwand dazu beträgt nicht weniger als rund 20 Millionen DM. Im Haushalt 1959 ist ein erster Teilbetrag von 5 Millionen DM ausgebracht. Seine volle Freigabe hängt allerdings von dem Inkrafttreten des geplanten Straßenbaufinanzierungsgesetzes ab. Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der vorgesehenen Instandsetzungsmaßnahmen hat der Herr Bundesfinanzminister auf meinen Antrag eine Bindungsermächtigung von 3 Millionen DM erteilt, so daß Bauarbeiten in dieser Höhe ausgeschrieben und vergeben werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4309
Vizepräsident Dr. BeckerWir kommen zur Frage 4. Fragestellerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hubert. Die Frage betrifft die Auslegung des § 17 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes:Ist der Bundesregierung bekannt, daß der § 17 Abs. 1 des Gesetzes über die Ausübung des Berufs der Krankenschwester, des Krankenpflegers und der Kinderkrankenschwester vom 15. Juli 1957 für den gesamten Personenkreis aus der sowjetischen Besatzungsnone in den Ländern unterschiedlich ausgelegt wird?Ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, daß die Übergangsbestimmung des § 17 sich selbstverständlich auch auf die Krankenschwestern, Krankenpfleger oder Säuglings- und Kinderschwestern beziehen soll, die in der sowjetischen Besatzungszone diese Tätigkeit ausgeübt haben?Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine einheitliche Auslegung der Übergangsbestimmung des § 17 in den Ländern der Bundesrepublik sicherzustellen?Das Wort hat der Staatssekretär im Ministerium des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Das Krankenpflegegesetz enthält keine ausdrückliche Vorschrift, daß eine Erlaubnis, die auf Grund der in § 22 des Krankenpflegegesetzes aufgehobenen Bestimmungen des Reiches und der Länder des Bundesgebietes erteilt worden ist, als Erlaubnis nach § 1 des Gesetzes gilt. Das Bundesministerium des Innern hat aber schon im April 1958 in einem Rundschreiben an die obersten Gesundheitsbehörden der Länder die Auffassung vertreten, § 17 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes sei in diesem Sinne auszulegen.
Auf Personen, die in der Sowjetzone nach dem Erlaß der sowjetzonalen Anordnung über die Neuordnung der Ausbildung in der Krankenpflege vom 11. Januar 1951 eine staatliche Anerkennung erhalten haben, ist § 2 Abs. 2 des Krankenpflegegesetzes anzuwenden, nach welcher Vorschrift die Erlaubnis Personen zu erteilen ist, die eine außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erworbene ,gleichwertige Ausbildung nachweisen. Eine in der Sowjetzone erworbene Ausbildung in der Unterstufe, die nur einen einjährigen Lehrgang umfaßt, kann allerdings nicht ohne weiteres als gleichwertig angesehen werden. Nach den vorliegenden Mitteilungen sind jedoch die Länder geneigt, den aus der sowjetischen Zone geflüchteten Krankenpflegepersonen, die bereits eine längere Berufserfahrung besitzen, entgegenzukommen und die Erlaubnis nach einer Einzelüberprüfung zu erteilen. Darüber hinaus hat die oberste Gesundheitsbehörde eines Landes kürzlich mitgeteilt, daß sie in Zukunft alle vor dem Inkrafttreten des Krankenpflegegesetzes in Deutschland einschließlich der sowjetischen Zone und des sowjetischen Sektors von Berlin erteilten staatlichen Anerkennungen als Erlaubnisse im Sinne des § 1 dieses Gesetzes anerkennen wird.
Die Angelegenheit wird mit den obersten Landesgesundheitsbehörden erörtert werden. Erforderlichenfalls kann eine für die ausführenden Landesbehörden verbindliche Verwaltungsvorschrift ergehen; sie bedarf nach Art. 84 Abs. 2 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrates.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen zur Frage 5. Fragesteller ist der Herr Abgeordnete Pusch. Die Frage betrifft den Vorortverkehr auf der Strecke Stuttgart-Leonberg :
Warum ist der Fahrplan auf der Vorortstrecke Stuttgart—Leonberg seit 31. Mai 1959 erheblich verschlechtert worden?
Besteht die Absicht, den Vorortverkehr auf der Strecke Stuttgart—Leonberg in absehbarer Zeit so zu verbessern, daß er den Bedürfnissen entspricht und der Versorgung der Strecken Stuttgart—Eßlingen und Stuttgart—Ludwigsburg angeglichen wird?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von einer erheblichen Verschlechterung des Fahrplans auf der Strecke Stuttgart—Leonberg kann man wohl nicht sprechen. Da der Bezirksverkehr innerhalb des gesamten Personenzugdienstes der Deutschen Bundesbahn bekanntlich am unwirtschaftlichsten ist und laufend hohe Zuschüsse erfordert, hat die Deutsche Bundesbahn unter dem allseitigen Druck, der sie zu kaufmännischer Betriebsführung veranlassen soll, zum Fahrplanwechsel 1959/60 hier wie auch an anderen Stellen gewisse Einschränkunigen vorgenommen. Jeder einzelne Zug wurde eingehend überprüft. Die Bundesbahn hat dabei hier und an anderen Stellen solche Züge ausfallen lassen, die so schwach besetzt waren, daß ihre Weiterführung wirtschaftlich wirklich nichtmehr zu vertreten ist. Dies trifft auch für die Strecke Stuttgart—Leonberg zu.
Für den Berufsverkehr brachte der neue Fahrplan auf dieser Strecke jedoch keine Einschränkungen. Lediglich in der verkehrsschwachen Tageszeit an Werktagen und nach Mitternacht sind zwischen Stuttgart und Leonberg von 40 Zügen in jeder Richtung in 24 Stunden insgesamt drei Züge ausgefallen. Die Nachtverbindung 0.39 Uhr ab Stuttgart und 1.16 Uhr ab Leonberg wurde übrigens für die Zeit von samstags bis montags beibehalten, ist also nicht völlig ausgefallen.
Für eine Angleichung des Zugverkehrs der Strecke Stuttgart—Leonberg an den der Strecke StuttgartEßlingen und Stuttgart—Ludwigsburg, die einen fast 20-Minuten-Verkehr haben, liegt nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn kein Bedürfnis vor. Der Verkehr auf den beiden zum Vergleich genannten Strecken ist erheblich größer.
Inwieweit in Zukunft auf der Strecke Stuttgart—Leonberg zu dem seinerzeit geplanten starren System wie auf anderen Vorortstrecken übergegangen werden kann, hängt wesentlich von der verkehrlichen Entwicklung ab. Im jetzigen Zeitpunkt lassen sich darüber nähere Angaben noch nicht machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? -- Das ist nicht der Fall.Dann kommen wir zur Frage 6. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Ritzel. Die Frage betrifft Reklameschriften an Brücken der Bundesbahn und an Brücken über der Autobahn:Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den Versuchen ein, an bundeseigenen Gebäuden, insbesondere an Brücken der Bundesbahn und an Brücken über der Autobahn, Reklameschriften — zum Teil auch in Leuchtschrift — anzubringen?Ist die Bundesregierung bereit, soweit die Zuständigkeit der Länder gegeben ist, auf diese im Sinne einer Unterlassung einer das Landschaftsbild schändenden und im Straßenverkehr die Aufmerksamkeit der Straßenbenutzer ablenkenden Reklame einzuwirken?Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Verkehr.
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4310 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich wiederholt gegen derartige Auswüchse der Werbung ausgesprochen, wie sie der Herr Kollege Ritzel mit Recht anprangert. Allerdings hat zuletzt in der Fragestunde am 26. Juni 1958 Herr Staatssekretär Ritter von Lex namens des Bundesministers des Innern darauf hingewiesen, daß für die allgemeine Bekämpfung von Auswüchsen des Reklamewesens nicht der Bund, sondern die Länder zuständig sind, und zwar auf dem Gebiet der Baupolizei und bezüglich des Landschafts- und Naturschutzes.
Durch § 9 des Bundesfernstraßengesetzes ist das Aufstellen oder Anbringen von Anlagen der Außenwerbung auf den Grundstücken längs der Bundesautobahnen und der freien Strecken der Bundesstraßen in einem gewissen Abstand untersagt oder erheblich eingeschränkt. Anträge, die auf eine Milderung dieses Verbots abzielten, sind in der 1. und 2. Legislaturperiode zu meiner Genugtuung mit erheblicher Mehrheit von dem Hohen Hause abgelehnt worden.
Auf den freien Strecken aller öffentlichen Straßen ist durch § 42 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung die Werbung und Propaganda durch Bildwerk, Schrift, Licht oder Ton verboten, sofern dadurch die Sicherheit oder die Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt wird. In der hierzu ergangenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift sind die Behörden angewiesen, strenge Maßstäbe anzulegen.
Reklame an Autobahnbrücken wird grundsätzlich nicht zugelassen. Die Reklame an Brücken der Deutschen Bundesbahn außerhalb der geschlossenen Ortschaften wird auf meine Veranlassung entfernt. Dazu hat der Vorstand der Deutschen Bundesbahn schon vor längerer Zeit die entsprechenden Maßnahmen getroffen. In einigen Fällen muß allerdings bis zur Entfernung der Reklameschriften noch der Ablauf der Vertragszeit abgewartet werden.
Bei Ortsdurchfahrten kann leider mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen auf Werbung nicht ganz verzichtet werden. Hier müssen auch die Verkehrsteilnehmer mit Reklame rechnen. Hier kommt es aber wesentlich darauf an, daß die Reklame nicht verkehrsgefährdend oder verunstaltend wirkt. Dazu sind in den meisten Ländern ausreichende baurechtliche Vorschriften erlassen worden.
Die Deutsche Bundesbahn hat neuerdings unter dem allseitigen Druck, ihren Betrieb weitgehend nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen, die Eisenbahn-Reklame-GmbH in Kassel mit der Vermietung der Reklameflächen an Anlagen der Deutschen Bundesbahn beauftragt. Der Bundesminister für Verkehr kann ihr auf Grund der bestehenden Rechtslage dazu keine bindenden Weisungen erteilen, sondern nur Hinweise geben.
Natürlich soll die Eisenbahn-Reklame-GmbH die Bestimmungen des geltenden Rechts beachten. Daher werden nach Auskunft der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn sämtliche Werbeplakate, Aushänge usw. auf dem Gebiet der Deutschen Bundesbahn erst nach Genehmigung der zuständigen
Behörden angebracht. Bei Erteilung dieser Genehmigung ist zu prüfen, ob eine Verunstaltung oder gar eine Gefährdung der Verkehrssicherheit gegeben ist.
Die Notwendigkeit, verkehrsgefährdende oder die Verkehrsanlagen verunstaltende Reklame fernzuhalten, wird, wie ich auf Rückfrage festgestellt habe, auch von den Ländern grundsätzlich bejaht. Ich bin aber natürlich gern bereit, auf die Länder bei Gelegenheit erneut einzuwirken, diesen Fragen besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Natürlich bin ich auch bereit, mir mitgeteilte Fälle an die obersten Straßenbaubehörden der Länder oder an den Vorstand der Deutschen Bundesbahn mit entsprechender Stellungnahme weiterzugeben. Ich wäre Ihnen dazu, sehr geehrter Herr Kollege, für Hinweise dankbar.
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Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann zur Frage 7. Fragesteller ist der Abgeordnete Baier . Die Frage betrifft die Streckenführung des Interzonenzuges Stuttgart—Berlin.
Welche Gründe waren maßgebend, daß die Deutsche Bundesbahn im Sommerfahrplan das D-Zug-Paar 151/152 nicht mehr über die traditionelle Strecke Heilbronn—Osterburken—Lauda—Würzburg, sondern über Crailsheim—Nürnberg leitet?
Steht diese Maßnahme in Verbindung mit dem beabsichtigten Abbau des zweiten Eisenbahngeleises auf der Strecke Bad Friedrichshall—Lauda?
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß durch diese unverständlichen Maßnahmen nicht nur die wirtschaftlichen Sanierungsbemühungen der nordbadischen Förderkreise empfindlich gestört werden, sondern darüber hinaus eine wichtige Bahnverbindung von Südwestdeutschland nach Mitteldeutschland und Berlin abgebaut wird?
Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das D-Zug-Paar 151/152 verkehrt seit dem Sommerfahrplan 1959 auf vielfachen Wunsch als Tagesverbindung zwischen München und Berlin. Stuttgart ist an diesen Zug mit einer Kurswagenverbindung über Nürnberg und nicht wie bisher über Heilbronn—Würzburg angeschlossen.Die Anzahl der Berlin-Züge, die von der Deutschen Reichsbahn, also in der Sowjetzone, übernommen wird, ist genau festgelegt. Es mußte daher zugunsten dieser vielfach gewünschten neugeschaffenen Tagesverbindung München—Berlin das bisherige D-Zug-Paar Stuttgart—Berlin entfallen.Zusätzlich hat im jetzigen Fahrplan Südwestdeutschland eine Nachtverbindung mit Berlin in Gestalt der Kurswagen Stuttgart—Berlin erhalten, die in Nürnberg auf das D-Zug-Paar 129/130 übergehen, so daß je eine Tages- und eine Nachtverbindung aus dem Stuttgarter Raum nach Berlin besteht.Ein Abbau des zweiten Gleises auf der Strecke Bad Friedrichshall—Lauda ist nicht geplant. Zur Zeit wird lediglich auf dem 4,7 km langen Streckenabschnitt Möckmühl—Züttlingen infolge einer teilzerstörten Brücke eingleisig gefahren. Diese Brücke wird wiederhergestellt, sobald die Notwendigkeit, wieder zweigleisig zu fahren, gegeben sein wird.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4311
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Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Bitte sehr, Herr Kollege!
Herr Minister, mir ging es in meiner Anfrage nicht nur darum, daß die Strecke Stuttgart—Berlin weiter bestehenbleibt, sondern auch darum, daß die bisherige — ich möchte sagen — traditionelle Strecke über Osterburken—Würzburg beibehalten wird, da diese Strecke ein großes Einzugsgebiet hat.
Die Verbindung zwischen Stuttgart und Würzburg hängt aber von diesem Fernschnellzug eigentlich nicht ab. Auf dieser Strecke laufen ja genügend Eilzug- und andere Zugpaare, so daß man eigentlich von einer guten Bedienung dieser Strecke sprechen kann. Diese Strecke ist ja ein Stück der großen Durchgangsstrecke, die früher von der Schweiz über Stuttgart, Würzburg nach Berlin gegangen ist, aber in einer Folge, die, wie Sie wissen, heute nicht mehr gefahren werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen zur Frage 8; Fragesteller ist Herr Abgeordneter Lermer. Die Frage betrifft die Frachtsätze für Kartoffelstärkemehl und Dextrine deutscher Produktion.
Was gedenkt der Herr Bundesverkehrsminister zu veranlassen, damit auch Kartoffelstärkemehle und Dextrine deutscher Produktion in den Genuß der gleichen ermäßigten Frachtsätze auf Schiene und Straße kommen wie die Erzeugnisse der niederländischen Produktion?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das niederländische Kartoffelstärkemehl und die Dextrine werden im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr zu nicht veröffentlichten und im einzelnen nicht bekannten Frachten in die Bundesrepublik befördert. Wegen der besonderen Verhältnisse in diesem grenzüberschreitenden Lastwagenverkehr liegen die Beförderungsentgelte im allgemeinen sehr niedrig. Auf diese Weise bereitet der Kraftwagen den Eisenbahnen zu beiden Seiten der Grenze einen starken Wettbewerb. Die Niederländischen Staatseisenbahnen und die Deutsche Bundesbahn sind daher übereingekommen, für holländisches Kartoffelstärkemehl Frachtermäßigungen zu gewähren, um diesem Kraftwagenwettbewerb soweit wie möglich entgegentreten zu können.
Die deutsche kartoffelverarbeitende Industrie fordert von der Deutschen Bundesbahn seit Jahren entsprechende Frachtermäßigungen auch für ihre Erzeugnisse. Die Deutsche Bundesbahn hat die Einführung solcher Vergünstigungen aus folgenden Gründen abgelehnt. Eine Frachtermäßigung für die deutschen Erzeugnisse würde mit Rücksicht auf die unabweisbaren Berufungen für die in ähnlichen Fällen in Betracht kommenden anderen Güter zu hohen Frachtausfällen führen. Derartige Frachtausfälle aber glaubt die Deutsche Bundesbahn unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer kaufmännischen Betriebsführung, wie sie von ihr gerade in letzter Zeit von allen Stellen immer dringender gefordert worden ist, nicht verantworten zu können,
Ein Ausweg kann leider auch nicht etwa dadurch gefunden werden, daß die Deutsche Bundesbahn die gemeinsam mit der niederländischen Eisenbahn gewährten Frachtvergünstigungen wiederaufhebt. Denn in einem solchen Falle würden die Erzeugnisse der niederländischen Produktion, soweit sie bisher noch von der Eisenbahn transportiert wurden, zu deren Nachteil von der Schiene abwandern und künftig ausschließlich mit Lastkraftwagen zu entsprechend niedrigeren Frachten eingeführt werden, was keineswegs im Interesse der deutschen Erzeuger sein würde.
Im internationalen Straßengüterverkehr gelten bekanntlich keine Festfrachten. Das Anlaufen gegen die Festfrachten nimmt ja auch im Bundesgebiet einen immer größeren Umfang an und bereitet in der verkehrspolitischen Diskussion schon manche Sorge. Dadurch werden die veröffentlichten Eisenbahntarife im internationalen Straßengüterverkehr ständig unterboten. Eine Besserung dieser heute gegebenen verzerrten Wettbewerbslage des Straßengüterverkehrs im Verhältnis zu den Eisenbahnen kann nur durch Verhandlungen in den verschiedenen hierfür zuständigen europäischen Gremien erreicht werden.
Ich habe entsprechende Schritte sowohl im Rahmen der europäischen Wirtschaftskommission in Genf, der Montan-Union in Luxemburg und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel und in unmittelbaren Verhandlungen mit der niederländischen Regierung eingeleitet, muß aber sagen, daß ich bei der Haltung der niederländischen Regierung auf Grund der monatelangen Verhandlungserfahrungen keine große Hoffnung habe, daß sie ihren grundsätzlichen Standpunkt in der Frage der Frachten für die Lastkraftwagen ändert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Bitte sehr, Herr Kollege!
Herr Minister, wenn schon nicht zu erwarten ist, daß die Inlandsproduktion eine Bevorzugung erfährt, so hätte man doch unter allen Umständen erwarten können, daß die Inlandserzeugung frachtmäßig mindestens der ausländischen Erzeugung gleichgestellt wird. Es dürfte doch bekannt sein, daß die deutsche Stärkeindustrie in einem scharfen Wettbewerb steht. Dieser Wettbewerbskampf wird durch die frachtmäßige Benachteiligung noch schwerer. Ich möchte schon bitten, daß die einheimische Industrie in ihren Frachtsätzen der ausländischen Erzeugung zumindest gleichgestellt wird.
Ich darf dazu nur bemerken, sehr verehrter Herr Kollege, daß die Eisenbahntarife nicht geeignet sind, die Wettbewerbslage verschiedener Gebiete ständig anzugleichen. Die Eisenbahntarife müssen für längere Zeit festgelegt werden. Wenn derartige Schwierig-
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4312 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohmkeiten vorliegen, müssen sie eben über die Handelsvertragsverhandlungen oder auf andere Weise geregelt werden. Das ist kein Verkehrsproblem, sondern ein Problem der Wirtschaftspolitik.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere und letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, ich bin nicht davon zu überzeugen, daß es unbedingt notwendig ist, daß die deutsche Industrie durch die Festlegung der Frachttarife durch die Deutsche Bundesbahn gegenüber der ausländischen Industrie geschädigt wird.
Herr Kollege Lermer, das hat nichts miteinander zu tun. Ich habe versucht, Ihnen darzulegen, woran es liegt, nämlich an den verzerrten, nicht veröffentlichten Tarifen für die Lastwagen im grenzüberschreitenden Verkehr. Das ist allerdings ein Problem, von dem ich ja gesagt habe, daß ich mich bemühe, es überstaatlich in Europa zu lösen. Das aber scheitert an dem ständigen und sich immer wieder verstärkenden Widerstand der niederländischen Regierung, während alle anderen europäischen Regierungen darin einer Meinung sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen jetzt zur Frage 9 — des Herrn Abgeordneten Dürr - betreffend Beseitigung von Westwallbefestigungsanlagen entlang der Schwarzwald-Hochstraße:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Beseitigung der WestwallBefestigungsanlagen entlang der Schwarzwald-Hochstraße zu veranlassen, da diese Anlagen in einem ausgesprochenen Fremdenverkehrsgebiet unschön sind und zum Teil den Verkehr nicht unerheblich behindern?
Bis wann kann mit einer Beseitigung gerechnet werden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dürr beantworte ich wie folgt:
Ich möchte zunächst darauf hinweisen, daß eine Beseitigung aller im Gebiet des Westwalls auf privaten oder bundeseigenen Grundstücken errichteten ehemaligen Kampfanlagen nicht in Erwägung gezogen werden kann. Etwaige Beseitigungsansprüche privater Grundstückseigentümer sind nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz ersatzlos untergegangen. Eine Beseitigung von Anlagen, die auf reichseigenem, jetzt bundeseigenem Grund und Boden errichtet worden sind, käme allenfalls dann in Betracht, wenn es wirtschaftlich vertretbar und geboten erscheint.
Auf Veranlassung mehrerer Abgeordneter des Deutschen Bundestages hat der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages am 10. April 1957 beschlossen, in ,den Haushaltsplan 1957 bei Kap. 08 04 für die Beseitigung von ehemaligen Kampfanlagen im Gebiet des Westwalls 6 Millionen DM reinzusetzen. In dem Haushaltsplan 1958 sind dafür weitere 4 Millionen DM und im Haushaltsplan 1959 2 Millionen DM veranschlagt worden. Alle
diese Mittel wurden anteilig den Belegenheitsländern zugewiesen. Diese führen im Rahmen dieses Finanzierungsprogramms die Beseitigung der Westwallanlagen in eigener Verwaltung und in eigener Verantwortung durch. Da die Finanzierungsmittel zur Beseitigung aller Westwallanlagen bei weitem nicht ausreichen, ist den Ländernaufgegeben, die Beseitigung nur vorzunehmen, soweit sie im Einzelfall wirtschaftlich vertretbar ist, d. h. soweit der erzielbare wirtschaftliche Erfolg in ,angemessenem Verhältnis zu den entstehenden Kosten steht. Dem Lande Baden-Württemberg, in dem die in der Frage bezeichneten Kampfanlagen liegen, sind bisher insgesamt 2,2 Millionen DM zugewiesen worden, und zwar im Rechnungsjahr 1957 1,4 Millionen DM und im Rechnungsjahr 1958 800 000 DM.
Nach einer mir .auf meine Bitte hin erteilten Auskunft der baden-württembergischen Vertretung sind mit den Mitteln des Rechnungsjahres 1957 163 Kampfanlagen beseitigt worden. Zur Beseitigung aus den Mitteln Ides Rechnungsjahres 1958 ist eine weitere Anzahl von Bunkern vorgesehen, deren Entfernung nach Auffassung der zuständigen Regierungspräsidien besonders vordringlich ist. Bunker im Bereich der Schwarzwaldhochstraße sind nach den Vorschlägen der Regierungspräsidien nicht zur Beseitigung vorgesehen. Landesmittel zur Bunkerbeseitigung stehen dem Land Baden-Württemberg nicht zur Verfügung. Soweit eine Entfernung von Kampfanlagenbeim Bau oder der Erweiterung von Straßen notwendig wird, führt sie der Baulastträger mit den zum Straßenbau zur Verfügung stehenden Mitteln durch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich danke Ihnen.
Wir kommen jetzt zur Frage 10 — des Herrn Abgeordneten Dürr —, ob eine Reform des Ehescheidungsrechts geplant ist:
Beabsichtigt der Herr Bundesjustizminister, eine Reform des Ehescheidungsrechts anzuregen?
Wenn ja, wie weit sind die Vorarbeiten gediehen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige nicht, dem Bundestag in dieser Wahlperiode eine Änderung des Ehescheidungsrechts vorzuschlagen. Vorarbeiten für eine Reform des Ehescheidungsrechts sind im Bundesjustizministerium geleistet. Ich darf darauf hinweisen, daß der am 23. Oktober 1952 von der Bundesregierung bereits vorgelegte Erste Entwurf eines Gleichberechtigungsgesetzes — Bundestagsdrucksache Nr. 3802 der 1. Wahlperiode — unter anderem schon einen Vorschlag zur Änderung des § 48 des Ehegesetzes enthält.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Bitte!
Herr Minister, darf ich aus dieser Beantwortung entnehmen, daß Sie die vom Herrn
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
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DürrBundesminister für Familien- und Jugendfragen gemachte Äußerung, unser Ehescheidungsrecht fördere den Treubruch, nicht in vollem Umfang billigen, da doch sonst die Reformarbeiten sicher von Ihrem Haus schneller vorangetrieben worden wären?
Mir ist diese Äußerung des Herrn Bundesministers für Familien-und Jugendfragen völlig unbekannt. Ich kann dazu nicht Stellung nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen -zur Frage 11 — des Herrn Abgeordneten Schmitt — betreffend Umbettung auf dein Soldatenfriedhof La Cambe in Nordfrankreich:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf dem Soldatenfriedhof La Cambe in Nordfrankreich zahlreiche Umbettungen vorgenommen worden sind und noch vorgenommen werden, ohne daß die Angehörigen benachrichtigt wurden, so daß während der Pfingstfeiertage viele Hinterbliebene vergeblich die Gräber ihrer Angehörigen suchten?
Welche Möglichkeiten bestehen, in solchen Fällen den Kriegshinterbliebenen rechtzeitig von Umbettungen Kenntnis zu geben?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister von Merkatz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich antworte namens des Bundesministers des Auswärtigen.
Auf dem deutschen Soldatenfriedhof 1939/45 La Cambe, dessen Belegung 1957 abgeschlossen wurde, werden grundsätzlich keine Umbettungen mehr vorgenommen. Es sind in letzter Zeit nur ein Osterreicher und einige Elsaß-Lothringer auf Wunsch der Angehörigen bzw. der französischen Behörden zum Zwecke der Überführung auf die Heimatfriedhöfe ausgebettet worden. Eine Kennzeichnung der einzelnen Gräber ist jedoch erst mit Abschluß der baulichen Gestaltung des Friedhofes vorhanden.
Die Hinterbliebenen von Kriegstoten werden von der Auflösung bisher bestehender, nicht endgültiger Kriegsgräberanlagen durch die Presse, insbesondere aber durch das Mitteilungsblatt des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterrichtet und erhalten, sofern sie in der Kriegsgräberkartei erfaßt sind, vom Volksbund sowohl eine Umbettungsvorbenachrichtigung als auch später eine Mitteilung über den neuen Grablageplatz ihres Toten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatz- frage gewünscht?
Die Frage 12 wird schriftlich beantwortet werden, da der Minister abwesend ist. — Frage 13 ist vom Fragesteller zurückgestellt.
Wir stehen hiermit am Ende der Fragestunde. Es ist die letzte Fragestunde in der ersten Halbzeit dieser Legislaturperiode. Ich darf vielleicht die Gelegenheit benützen, eine Anregung, die mir von einem Herrn der Presse gegeben ist, dem Hohen Hause zur gelegentlichen Überlegung zu unterbreiten. ten. Es wird angeregt, die Fragestunde dahin auszuweiten, daß auch mehr allgemein interessierende Fragen gestellt werden können. Man könnte sich
das so vorstellen, daß, gegebenenfalls im Einvernehmen mit der Bundesregierung, der Opposition oder den Regierungsparteien, Fragen gewissermaßen bestellt werden, wenn es die auswärtige Lage notwendig macht, schnell eine Erklärung in einer entsprechenden Form abzugeben. Vielleicht ist unser verehrter Kollege Ritzel als Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses in der Lage, sich diese Dinge einmal mit seinem Ausschuß zu überlegen. — Ich danke Ihnen.
Wir kommen damit zur weiteren Abwickung der Tagesordnung.
Zunächst würden wir also die Beratung der mit der Eingliederung des Saarlandes zusammenhängenden Vorlagen fortzusetzen haben. — Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Saarstreiter der verschiedenen Fraktionen sind noch nicht vollzählig zur Stelle. Deshalb wäre es gut, wenn wir die anderen Punkte der Tagesordnung, die ja unumstritten sind, vorziehen und nach Behandlung dieser Punkte wieder in die Saardebatte eintreten könnten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das würde bedeuten, daß jetzt mit der Beratung des Punktes 5 der gedruckten Tagesordnung fortgefahren und die Erledigung des Punktes 2 zurückgestellt würde. Ich mache aber auf folgendes aufmerksam, meine Damen und Herren. Aus Gründen, die ich nicht zu erörtern brauche, muß der Bundesrat über die hier beschlossenen Gesetzesänderungen morgen Beschluß fassen. Die Drucksachen müssen ihm also rechtzeitig vorliegen. Daher muß die Drucklegung im Laufe der heutigen Abendstunden erfolgen. Das bedeutet weiter, daß wir alle, wie wir hier sind, uns bei der Aussprache die entsprechende Zurückhaltung auferlegen müssen. Sonst hat das Saarland den Nachteil.
Ich stelle den Antrag des Abgeordneten Mommer zur Abstimmung. Wer dem Antrag unter Berücksichtigung dessen, was ich eben gesagt habe, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Völlig unübersichtlich! Darf ich bitten, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dem Antrag des Kollegen Mommer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:Beratung der Sammelübersicht 12 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache 1149).Wird zu diesem Punkt das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. — Die Aussprache ist ge-
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4314 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Vizepräsident Dr. Beckerschlossen. Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1149 lautet:Der Bundestag wolle beschließen,die in der nachfolgenden Sammelübersicht enthaltenen Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen anzunehmen.Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesen Beschluß zu fassen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angennommen!Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:Beratung der Ubersicht 8 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1185).Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,von einer Äußerung zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen.Sie sind tim Besitz der Drucksache. Wird das Wort hierzu gewünscht? Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag ides Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/GSU, SPD, FDP, DP betr. Behandlung von Vorlagen gemäß Artikel 2 und 3 des Gesetzes zu den Verträgen zur Gründung der EWG und EURATOM ,.
— Der Herr Berichterstatter verzichtet auf das Wort und verweist auf den vorliegenden Schriftlichen Bericht. Ich danke ihm.Ich rufe dann zur Beratung des Gesetzentwurfs Drucksache 1028 im einzelnen auf: Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer den aufgerufenen Entwurf in zweiter Beratung zum Gesetz zu erheben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — In zweiter Beratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Beschlußfassung über das Gesetz im ganzen von Art. 1 bis 3 und über Einleitung und Überschrift. Wer in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Damit ist Punkt 9 der Tagesordnung erledigt.Ich rufe als nächsten Punkt auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Unertl, Leukert, Schäffer, Strauß und Genossen betr. Hochwasserschäden in Bayern ;
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4315
Vizepräsident Dr. BeckerBeratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Brandschäden in Niedersachsen ;Beratung des Antrags der Abgeordneten Marx, Bals, Hörauf, Prennel, Höhne und Genossen betr. Hochwasserschäden in Bayern .Ich nehme das Einverständnis des Herrn Kollegen Wacher und der Antragsteller an, daß diese drei Anträge gemeinsam verhandelt werden, auch wenn sie zwei verschiedene Gebiete betreffen, nämlich zwei Anträge die Hochwasserschäden in Bayern und ein Antrag die Dürreschäden in niedersächsischen Gebieten.Ich frage, ob besondere Anträge zur Behandlung dieser Anträge gestellt werden sollen. Soll ein Antrag auf Überweisung an Ausschüsse gestellt werden? — Das ist nicht der Fall. Wünschen die Antragsteller Annahme en bloc im Plenum?
Bitte, Herr Wacher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller bitten um Überweisung als Material an die Bundesregierung mit der Bitte an die Bundesregierung um Berücksichtigung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In dem einen Antrag wird die Bundesregierung ersucht, im Einvernehmen mit der bayerischen Staatsregierung Mittel zur Linderung der Wasserschäden zur Verfügung zu stellen.
Der andere Antrag lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht,
1. im Einvernehmen mit der niedersächsischen Landesregierung die Schäden festzustellen,
2. diese Schäden nach den Eigentumsverhältnissen — Staats- oder Privatbesitz — anzugeben,
3. gegebenenfalls Maßnahmen vorzusehen, urn die bei den privaten Eigentümern ... entstandenen Notstände zu beseitigen.
Der dritte Antrag — Drucksache 1196 -geht im Petitum im wesentlichen auch dahin, die erforderlichen Mittel zur Unterstützung der Betroffenen zur Verfügung zu stellen.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, diese Anträge ohne Debatte anzunehmen. Wenn sie ohne Debatte angenommen sind, werden sie ohnehin der Regierung zur Erledigung zugeleitet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß alle drei Anträge nichts anderes darstellen als Ersuchen an die Regierung. Eine Ausschußüberweisung kommt ebensowenig in Frage wie eine Überweisung an die Regierung als Material. Einzig und allein die Annahme der Anträge kommt in Betracht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Geschäftsordnungsdebatte ist damit geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über diese Anträge in dem Sinn, den Frau Kalinke und Herr Ritzel ihnen eben gegeben haben. Wer den drei Anträgen — ich nehme an, daß allseits en-bloc-Abstimmung gewünscht wird — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir sind damit mit der 'übrigen Tagesordnung fertig und kehren in der Annahme, daß die Gladiatoren inzwischen einmarschiert sind, zu Punkt 1 der Tagesordnung zurück, und zwar zu Punkt 1 e:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland .Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 1163).
Darf ich dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Killat das Wort geben?
— Der Herr Berichterstatter verzichtet auf mündlichen Bericht; ich danke ihm. Wir kommen dann zur Aussprache. Hier liegt noch ein Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 359 vor; er ist Ihnen bekannt. Er bezieht sich auf die Art. 1, 2a und 3.Ich rufe auf Art. 1, dazu den Antrag Umdruck 359 und gebe dem Herrn Kollegen Meyer das Wort zur Begründung des Antrags.Meyer (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Es ist nicht sehr reizvoll, einen der SPD-Fraktion sehr am Herzen liegenden Antrag zu begründen, wenn man gestern die Ablehnung fast sämtlicher von unserer Fraktion gestellten Anträge durch eine „kompakte Majorität" erlebt hat. Die „kompakte Majorität", wie sie der Dichter Henrik Ibsen in seinem Drama „Der Volksfeind" in sehr kritischer Weise schildert, handelt nicht sehr nach vorn weisend, da sich in ihr die verschiedensten Interessen, die sich sogar widersprechen, zusammenfinden. Die „kompakte Majorität" wirkt also eher hemmend als nach vorn weisend. Das ist sehr zu bedauern, da alle diese Gesetze zur Eingliederung des volkreichen Saargebiets ein wichtiges Stück Wiedervereinigungspolitik darstellen, bei der die „kompakte Majorität" ihre Probe sehr schlecht bestanden hat.Der jetzt zu behandelnde Gegenstand hat darüber hinaus eine große grundsätzliche Bedeutung.
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4316 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Meyer
Der Herr Minister für Arbeit und Sozialordnung, der auch für dieses Gesetz verantwortlich zeichnet, hat sich bei vielen Gelegenheiten zu den Grundsätzen seiner — von dieser Mehrheit geteilten und unterstützten — Sozialpolitik geäußert. Er hat eine ganze Menge Reden bei den verschiedensten Tagungen gehalten. Er hat einmal von der „gläsernen" Sozialpolitik und im letzten Bulletin von den „Chancen einer dynamischen Sozialpolitik" gesprochen. Mir scheint, der Herr Minister und die Mehrheit reden viel von Prinzipien, allgemeinen Grundsätzen usw. Aber diese verpflichten hinterher zu nichts.
Hier geht es nicht um Minister rede n, sondern für das Ganze und besonders für die nationalen Belange der Rückgliederung des Saargebiets geht es um Minister taten und um Taten dieser Mehrheit.
Das hier angesprochene Problem ist ein äußerst wichtiges gesellschaftspolitisches Problem. In letzter Zeit ist sehr viel über die Frage der Angestellten gesprochen worden. Die Kürze der Zeit erlaubt es nicht, diese Frage gründlich zu untersuchen. Einige Wissenschaftler und Soziologen sind der Auffassung, daß in Kürze in der modernen Industriegesellschaft fast alle Arbeitnehmer Angestellte sein werden. Deshalb ist das vorliegende Gesetz so außerordentlich wichtig. Hier hätten der Minister und die Mehrheit beweisen können, wie eine sogenannte dynamische Sozialpolitik, d. h. eine Sozialpolitik mit dem Blick nach vorn, aussehen müßte, I indem sie auf die noch in den Ausschußberatungen vorgenommenen Verschlechterungen verzichtet hätten. Denn ursprünglich — das möchte ich mit aller Deutlichkeit herausstellen — waren diese Verschlechterungen nicht in der Regierungsvorlage enthalten, und wie meine Informationen ergeben haben, ist auch ursprünglich der Saarregierung in Aussicht gestellt worden, diese Verschlechterungen nicht vorzunehmen. Das Gesetz ist also ohne diese Verschlechterungen eingebracht worden und hat auch in dieser Form den Bundesrat passiert. Hinterher hat dann das gleiche Ministerium Verschlechterungen eingebracht, die von der „kompakten Majorität" übernommen wurden, um sie jetzt hier mit dieser Mehrheit durchzusetzen, obwohl ich der Überzeugung bin, daß sich nur sehr wenige Kollegen in dieser großen Fraktion wirklich mit der Materie beschäftigt haben. Nach meinen Informationen ist die Verschlechterung gewissermaßen in letzter Minute trotz der der Saarregierung gegebenen Zusagen von der Unternehmerseite des Saargebietes an das Arbeitsministerium herangetragen worden.Nachdem man in der Vorlage schon von der Beitragsseite her die Lage der Angestellten im Saargebiet gegenüber dem jetzigen Zustand erheblich verschlechtert hat durch eine Mehrbelastung, die auf Grund der Sozialgesetzgebung in Höhe von ungefähr 3,5 bis 4 % auf die Angestellten zukommt, kommt nun die erneute Verschlechterung in der Form hinzu, daß alle Angestellten, die mehr als 660 DM im Monat verdienen, gänzlich aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden müssen. Das hat zur Folge, daß der Angestellte die Aufwendungen für seine Krankenversicherung künftig allein tragen muß. In jedem Falle verliert er den Anspruch auf die Beitragshälfte des Unternehmers. Das kann im Einzelfalle zu einer Mehrbelastung von 23 bis 25 DM im Monat führen. Es wäre nach unserer Auffassung richtiger gewesen, dies zunächst ruhen zu lassen und die Reform des Krankenversicherungsgesetzes, d. h. die Neuordnung des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung, die auf der Referentenebene bereits in Bearbeitung ist, abzuwarten. Das war auch in den ursprünglichen Absprachen mit den Vertretern des Saargebietes in Aussicht genommen worden. Man hätte also sehr gut abwarten können. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird in dem neuen Gesetz die Krankenversicherungspflichtgrenze erhöht werden.Als Hinderunasarund hätte man auch berücksichtigen müssen, daß ein Üherang zu einer Ersatzkrankenkasse im Augenblick im Saargebiet noch nicht möglich ist. Würde der Änderungsantrag Gesetz, dann wäre es den ausscheidenden Angestellten — sofern nicht .besondere gesetzliche Maßnahmen getroffen werden — verwehrt, jemals wieder in eine Ersatzkasse der Krankenversicherung einzutreten.Aus diesen allgemeinen gesellschaftsnolitischen und sozialpolitischen Erwägungen legt Ihnen die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den Antrag vor, diese Verschlechterung der Vorlage wieder zu beseitigen und den Art. 1 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. — Würde das Hohe Haus diesem unserem Wunsche nachkommen, müßten auch Art. 2a und Art. 3 gestrichen werden.Wir bitten um Annahme unseres Antrages.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre beinahe versucht, ebenfalls, wie Herr Kollege Meyer, Erörterungen darüber anzustellen — aber meine Schulerinnerungen in der Literaturgeschichte reichen nicht mehr so weit —, was wohl Herr Ibsen überhaupt zur Demokratie gesagt hat. Jedenfalls hat er, meine ich, mit der „kompakten Majorität" keineswegs die CDU gemeint. Dabei könnte ich noch in Erinnerung an die jüngsten Ereignisse sagen, mit Humor oder vielleicht sogar mit Galgenhumor: s o kompakt schienen wir vor einiger Zeit nicht. Ich freue mich also, daß Sie feststellen, daß wir wieder sehr kompakt sind.
Wir werden das ja nun im weiteren Verlauf der Debatte erleben.Nun, Herr Kollege Meyer, auch noch zu der anderen Vorbemerkung, in der Sie Herrn Minister Blank vorwerfen, er spreche von dynamischer Sozialpolitik, aber man habe den Eindruck, daß er nur davon spreche und keine Taten setze. Herr Kollege Meyer, es kommt darauf an, was man un-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4317
Stinglter „Dynamik" in der Sozialpolitik versteht. Offenbar verstehen wir unter „Dynamik" nicht das, was Sie darunter verstehen: nämlich, unser ganzes Volk in eine gleichmachende Versorgungsanstalt hineinzuführen. Das meint allerdings der Minister — mit unserer Zustimmung — mit „dynamischer Sozialpolitik" nicht.Nun zu der Sache, die Sie vorgetragen haben. Hier haben Sie dem Minister auch insofern unrecht getan, als die Bundesregierung den Vorschlag nicht gemacht hat, den Sie jetzt eliminieren wollen. Sie befinden sich hier, wenn Sie so wollen, in Übereinstimmung mit der Regierung; die von Ihnen vorgeschlagene Streichung würde die Regierungsvorlage insoweit wiederherstellen.Wir waren aber im Zuge des Zusammenspiels unserer „kompakten Majorität" der Meinung, daß man in dem Augenblick, in dem die wirtschaftlichen Verhältnisse an die Verhältnisse im Bundesgebiet angepaßt werden, auch im Krankenversicherungsrecht doch wohl die Regelung im Saargebiet an die im Bundesgebiet anpassen und nicht umgekehrt verfahren sollte, es auch nicht bei einer Zwischenlösung bis zu einem späteren Termin bewenden lassen sollte. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß ich aus Berlin komme. Wir haben hier ja häufiger über die Berliner Fragen gerade in bezug auf das Krankenversicherungsrecht miteinander diskutiert, und Sie wissen, daß es immer von neuem Diskussionsstoff gibt, wenn man nicht in dem Zeitpunkt, in dem man eine Gesamtbereinigung vornimmt, auch diese Dinge so bereinigt, wie sie sein sollen und wie es am besten möglich ist.Zur sachlichen Frage, ob die Versicherungspflichtgrenze so oder so richtig ist, möchte ich im Augenblick gar nichts sagen. Dazu haben wir vor gar nicht zu langer Zeit durch unseren Beschluß über die neue Krankenversicherungspflichtgrenze Stellung genommen. Wenn angepaßt wird, halte ich es für das im Augenblick Günstigste, das Gesamtpaket der wirtschaftlichen Dinge zu überprüfen und zu versuchen, eine Gleichstellung mit dem Bund zu erreichen.Wir bedauern allerdings, daß wir nicht in der Lage sind, im gleichen Zuge auch die Organisationsvorschriften an der Saar denen im Bund anzupassen.
Diese Aufgabe wartet also noch auf uns, und ich kann mir vorstellen, daß wir wieder miteinander sehr heftig diskutieren werden, ebenso wie wir es bei der Anpassung der Organisation in Berlin getan haben.Im Zuge der Anpassung der Organisationsvorschriften werden wir sicherlich auch noch einmal dafür sorgen müssen, daß diejenigen Personen, die sich jetzt auf Grund des Art. 2 a des vorliegenden Gesetzes freiwillig weiterversichern können, dies auch in den dann neu zuzulassenden Institutionen der sozialen Krankenversicherungen, den Ersatzkassen oder, wenn es sein kann, den Betriebskrankenkassen oder Innungskrankenkassen, fortsetzen können.Wir wollen keine Zwischenlösungen, sondern in der Tat das gleiche Recht im Saargebiet einführen, das es dem Personenkreis an der Saar, der über die im Bundesgebiet geltende Versicherungspflichtgrenze hinaus verdient, erlaubt, sich frei zu entscheiden, ob er einer sozialen Krankenversicherung angehören will oder nicht.Ich bitte Sie deshalb, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, Umdruck 359, abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der gestrigen Saardebatte hat die Fraktion der Deutschen Partei zu den Fragen der völligen Rechtsangleichung, die sie mit ihrem eigenen Antrag Drucksache 58 und der immer wieder von ihr erhobenen Forderung nach schneller und endgültiger Rückgliederung betont hat, nicht gesprochen. Wir haben es auch nicht nötig, bei Fragen von so grundsätzlicher Bedeutung weit auszuholen, weil wir in diesem Hause seit eh und je deutlich gemacht haben, daß der Grundsatz, daß Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Währungssystem zueinander gehören und nicht unabhängig voneinander behandelt werden können, für uns zu allen Zeiten selbstverständlich war und ist.Die Begründung, die soeben Kollege Meyer für den sozialdemokratischen Antrag gegeben hat, wie auch der Schriftliche Bericht vom Kollegen Killat veranlassen mich aber, zu einigen grundsätzlichen Fragen des Gesetzes zur Änderung des Krankenversicherungsrechts an der Saar Stellung zu nehmen.Aus dem Schriftlichen Bericht ist zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU, dem sich die Fraktion der Deutschen Partei angeschlossen hat und der auch mit den Stimmen der Freien Demokratischen Partei im Sozialpolitischen Ausschuß angenommen worden ist — also mit der absoluten Mehrheit dervier Parteien: CDU, CSU, DP und FDP angenommen worden ist —, nicht eindeutig zu erkennen, daß es sich bei der Einführung einer Versicherungspflichtgrenze an der Saar um eine grundsätzliche Entscheidung handelt.Bedauerlicherweise hat der Herr Kollege Killat — sicherlich nicht in böser Absicht, weil er das zum erstenmal getan hat — nur die Gründe für die Ablehnung durch die sozialdemokratische Opposition, d. h. für die Minderheit im Ausschuß, in seinem Bericht angegeben, nicht aber die Gründe, weshalb die Mehrheit im Ausschuß diese grundsätzliche Entscheidung wollte.Man hat gestern sehr viel von der Berechtigung und der Notwendigkeit einer Eingliederung in das Bundesgebiet gesprochen. Es ist auch das Anliegen aller Fraktionen — darüber sollte es keinen parteipolitischen Streit geben —, sich bei dieser Eingliederung um großzügige und gerechte Lösungen zu bemühen. Ebenso selbstverständlich scheint es mir
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4318 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Frau Kalinke— der Kollege Stingl hat soeben darauf hingewiesen —, daß die beste und gerechteste Eingliederung, die auch dem sozialen Frieden dienen wird, diejenige ist, bei der grundsätzliche Fragen gleich von vornherein in aller Deutlichkeit geklärt werden. Ich setze die Hoffnung darauf, die Verabschiedung der Saargesetze werde zeigen, daß die Entscheidung der Mehrheit des Hauses dem Ziele dient, durch grundsätzliche Klärung den sozialen Frieden zu wahren, ihn zu mehren und die soziale Sicherheit, die uns allen so sehr am Herzen gelegen ist, auch an der Saar deutlich zu machen.Es ist richtig, Kollege Meyer, daß die Aussprache grundsätzliche Bedeutung hat. Aber was der Arbeitsminister so oft von dynamischer Sozialpolitik sagt, ist von meinen Freunden — und ich darf das sicher auch für die Mehrheit dieses Hauses sagen — niemals so ausgelegt worden und darf auch nicht so ausgelegt werden, als hieße dynamische Sozialpolitik fortgesetzte Erhöhung der Leistungen für die einen und Erhöhung der Lasten für ,die anderen. Sozialpolitik kann doch nur bedeuten eine Fortentwicklung der sozialpolitischen Gesetzgebung in Anpassung an die veränderte wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Situation.Mit dem Blick nach vorn, von dem Sie sprechen, wollen wir das Bundesrecht nach den grundsätzlichen Auffassungen ,der Mehrheit im deutschen Parlament neu ordnen. Der Bundesminister für Arbeit, ,dessen Reden ich genauso gründlich wie Sie lese, hat unlängst auf dem Berufsgenossenschaftstag dazu einige sehr bedeutsame Leitsätze aufgestellt. Ich möchte sie, gerade weil Sie es angeführt haben, im einzelnen erläutern. Sie haben der Mehrheit in diesem Hause unterstellt, daß sie nicht wisse, um was es geht. Ich bin überzeugt, daß die Mehrheit in diesem Hause wie die Mehrheit an der Saar sehr genau weiß, um was es geht.
Es geht darum, daß jede soziale Sicherung ihren Preis kostet, nämlich Beiträge. Aber Sie, die Sozialdemokraten, tun immer so, als bestünde das deutsche Volk nur aus Arbeitnehmern und nicht auch aus Arbeitgebern, die diese Beiträge mit aufbringen müssen. Sie tun weiter so, als ob das Schicksal der Arbeitnehmer nicht davon abhängig wäre, daß die Wirtschaft hier und an der Saar gesund bleibt, weil nur so den Arbeitnehmern die sozialen Sicherungen erhalten werden können.Deshalb möchte ich zu der sehr oberflächlichen Begründung doch einige Worte zur Klarstellung hinzufügen. Der kleine Mann an der Saar, wurde gestern gesagt, habe sich für das Vaterland entschieden. Darin sind wir uns alle einig, daß es gerade die kleinen Leute sein werden, die an den Grenzen unseres Vaterlandes wie unlängst an der Saar, so auch, wie ich hoffe, demnächst in den Gebieten jenseits des Eisernen Vorhanges sich für das Vaterland entscheiden werden. Aber die Entscheidung für das Vaterland bedeutet eine Entscheidung für die gemeinsame Grundhaltung in unserem Parlament und eine Entscheidung nicht nur für die Rechte, sondern auchfür die Pflichten aller Staatsbürger. Das gilt für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber.
— Ich hoffe, daß Sie, Herr Kollege Schellenberg, bei der Begründung Ihres Antrags deutlich machen werden, ob Sie nur ,die Kosten auf einer Seite oder auch auf der anderen Seite sehen.Im Zusammenhang mit dem Antrag, den die Sozialdemokratische Partei gestellt hat, und dem Anderungsantrag der Koalitionsparteien im Ausschuß haben Sie dasselbe deutlich gemacht, was vom Deutschen Gewerkschaftsbund, aber auch von Vertretern Ihrer Partei an der Saar immer wieder gesagt worden ist: daß man die Entscheidung zurückstellen müsse, weil die Krankenversicherungsreform vor der Tür stehe. Sie verbinden ,damit die weitere Behauptung, daß die Versicherungspflichtgrenze ja auch im Bundestag erhöht werde. Es gibt keinen begründeten Anlaß, meine Herren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, anzunehmen, daß die Bundesregierung oder die Mehrheit des Hauses sich für eine totale Versicherungspflicht oder für eine Erhöhung ,der Versicherungspflichtgrenze einsetzen werden.Es besteht auch keine Veranlassung, von wohlerworbenem Besitzstand der Angestellten zu sprechen. Ich sage das mit großem Mut gerade als Vertreterin der Angestellten. Denn dann würden wir bei jeder Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze, bei jeder Veränderung der Steuerpolitik, in einen Besitzstand eingreifen. Jede Veränderung von Versicherungspflichtgrenzen hat Auswirkungen auf beide, auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber, auf den Arbeitgeberanteil, den die Arbeitnehmer bekommen, und auf die Höhe der Beiträge, die die Wirtschaft bezahlen muß, wobei gerade die mittelständische Wirtschaft und, wie uns gestern sehr deutlich gemacht worden ist, besonders die kleinen Betriebe an der Saar außerordentlich und ungewöhnlich neu belastet würden. Aber jede Versicherungspflichtgrenze hängt, was ihre Höhe angeht, auch mitdem Index der Lebenshaltungskosten zusammen. Wir sollten nicht vergessen — das gilt auch für Sie —, daß die 1958 erhöhte Versicherungspflichtgrenze schon reichlich hoch bemessen war und nach übereinstimmender Ansicht aller Institute, die statistisches Material herausgeben, im Vergleich zum Preisindex deutlich über dem lag, was heute verantwortbar wäre.Wir begrüßen, daß die im Saarvertrag befristete Übergangszeit zu Ende geht und nur noch Fragen grundsätzlicher Bedeutung geregelt werden. Ich bitte Sie aber, bei der Ablehnung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion, für die ich mich ganz klar aussprechen möchte, die Schwierigkeiten nicht zu unterschätzen, die sich ergeben würden, wenn Sie die saarländische Wirtschaft zu Belastungen veranlaßten, die, wie ich meine, eben unverantwortlich wären.Andererseits haben gerade Sie, die Sie die Meinung des Deutschen Gewerkschaftsbundes vertreten, alle Veranlassung, sich bei der Gewinnung der
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4319
Frau KalinkeTarifautonomie an der Saar dafür einzusetzen, daß diejenigen Betriebe, die dazu in der Lage sind, in einer modernen Tarifpolitik den Angestellten, die aus der Versicherungspflicht herauswachsen, ihren Arbeitgeberanteil zur freiwilligen Sicherung zur Verfügung stellen. Die betreffenden Angestellten haben dann an der Saar wie bei uns die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung und der selbständigen Entscheidung für eine individuelle Art der Sicherung im Falle der Krankheit.In der Auseinandersetzung ist gestern wie heute immer wieder auf die Wiedervereinigungspolitik und darauf hingewiesen worden, daß die Rückgliederung der Saar ein Modell für die Wiedervereinigung mit der sowjetischen Besatzungszone sei. Ich glaube, der Prozeß des Zusammenwachsens zu einer Einheit mit der sowjetischen Besatzungszone — der Kollege Mommer hat darauf hingewiesen — wird sehr viel langwieriger sein, als — ich wünsche und hoffe es — der Prozeß des Zusammenwachsens mit unseren Brüdern und Schwestern an der Saar dauern wird.Von einem Sprecher der Sozialdemokratischen Partei, und zwar von dem Kollegen Mommer, ist gestern gesagt worden, es wäre schlimm bestellt, wenn nur materielle Interessen dem natürlichen Streben nach Einheit entgegenstehen sollten. Auch Kollege Schneider hat erklärt — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Frau Kollegin, ich habe eine Frage. Führen wir eigentlich jetzt die allgemeine Aussprache von gestern weiter, oder behandeln wir den vorliegenden Antrag?
Ich behandle, Herr Kollege Schellenberg, den Antrag Ihrer Fraktion — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Kalinke, wenn ich schelle, dann bitte ich, mich sprechen zu lassen. Die Regelung der Aussprache obliegt mir.
Sie gehen in Ihren Ausführungen zwar etwas in die Breite, aber meiner Ansicht nach sind Sie immer noch bei dem Antrag der SPD.
Ich antworte dem Kollegen Schellenberg. Ich beziehe mich auf die grundsätzliche Erklärung eines sozialdemokratischen Abgeordneten in der gestrigen Debatte, die genau zu der grundsätzlichen Forderung der Regierungsparteien und der grundsätzlichen Ablehnung der sozialdemokratischen Fraktion in der Begründung ihres Antrages paßt. Sie haben Ihren Antrag damit begründet, daß bei einem Teil der Angestellten der
Arbeitgeberanteil entfällt, und der Kollege Mommer hat gestern wörtlich gesagt, „es wäre schlimm bestellt, wenn materielle Interessen dem natürlichen Streben nach Einheit entgegenstehen sollten." Zur Einheit gehört auch die Übereinstimmung in den grundsätzlichen Auffassungen von den Rechten, Pflichten und Grenzen der staatlichen Sozialpolitik.
Ich bin auch mit der Erklärung des Kollegen Schneider einverstanden: das Bekenntnis zum Vaterland bedeute mehr als das Bekenntnis zu materiellen Vorzügen. Gestern wie heute ist hier erneut zu erklären: Man kann bei der Anpassung der Sozialpolitik an der Saar nicht davon ausgehen, daß es nur Vorzüge oder nur Nachteile gibt. Man kann nicht die berühmten Rosinen aus dem Kuchen picken, sondern es muß ohne Zweifel darauf Rücksicht genommen werden, daß der saarländische Steuerzahler und die saarländische Wirtschaft nicht anders behandelt werden, sondern, nach Ihren eigenen gestrigen Worten, in diesem Zusammenhang entlastet werden sollten. Später, nach der Anpassung, wird es sich zeigen, ob diese Anpassung an der Saar nicht ein ausgezeichneter Modellfall war für soziale Verantwortung und für sozialpolitische Entscheidungen, deren moralisches Fundament ein Bekenntnis sein soll zum gemeinsamen deutschen Recht. Dafür werden wir uns mit unserer Stimme einsetzen. Ich bitte das Hohe Haus, aus Gründen dieses Bekenntnisses zum gemeinsamen deutschen Recht und zu unserer gemeinsamen Verantwortung den Antrag der Sozialdemokratischen Partei abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kalinke hat darauf aufmerksam gemacht, daß ich in meinem Schriftlichen Bericht die Meinung der Mehrheit des Ausschusses zu dem in Rede stehenden Gesetzentwurf nicht genügend wiedergegeben hätte. Ich darf dazu bemerken, daß, wenn die ganze Ausschußsitzung in dieser Frage so lange gedauert hätte, wie soeben die Frau Kollegin Kalinke hier ihre Meinung begründete, ich allerdings die Möglichkeit gehabt hätte, eine entsprechend vorgebrachte Meinung im Bericht zum Ausdruck zu bringen.Ich glaube aber, es ist notwendig, auf den Tatbestand zurückzukommen, um den es hier geht. Es geht jetzt nicht um große Grundsätze der Sozialpolitik oder speziell der Krankenversicherung, sondern es geht darum, daß wir jetzt ein Gesetz beschließen sollen, auf Grund dessen morgen die Angestellten an der Saar in einen neuen sozialrechtlichen Status versetzt werden.Die Regierungsvorlage sah aus der Tatsache der wirtschaftlichen Eingliederung die Notwendigkeit, die Tatbestände in der Krankenversicherung an der Saar nur so weit zu verändern, daß die Verteilung der Beiträge auf den Zustand gebracht wird, wie er in der Bundesrepublik besteht, also eine Teilung der Beiträge. Wir kommen aber doch nicht an der Tat-
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4320 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Killatsache vorbei, daß mit dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion ein völlig neues Moment in die Debatte geworfen wird, indem man nämlich nun den von der Krankenversicherung erfaßten Personenkreis verändern will. Teilweise handelt es sich um gewisse Selbständige, in der Regel aber handelt es sich hier um Angestellte. Wenn der Änderungsantrag, wenn die Mehrheitsvorlage jetzt zum Zuge kommt, dann müssen die Angestellten in der saarknappschaftlichen Krankenversicherung ab morgen nicht 2 %, sondern 7 % des beitragspflichtigen Einkommens bezahlen, und in der übrigen Krankenversicherung nicht mehr 2 1/2 %, sondern 7 %, also ein Mehr von 4,5 %.Außerdem, meine Damen und Herren, möchte ich darauf hinweisen, daß Herr Kollege Stingl darauf aufmerksam machte, daß wir die Frage der Krankenversicherung für die Angestellten in einem Zug lösen wollten. Jawohl, wir gehen mit Ihnen in dieser Frage einig, aber das kann doch jetzt nicht mit Ihrem Vorschlag erreicht werden. Sie erreichen nur eine Mehrbelastung der Angestellten mit einem Einkommen von über 660 DM im Monat. Weiter ändert sich nichts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Eine Frage, Herr Kollege! Würden Sie uns auch erklären, wie Sie das in einem Zuge zu lösen gedenken und wann?
Ich könnte den Ball zurückspielen. Kollege Stingl hat hier schon darauf hingewiesen, daß es entweder eine Frage des Organisationsgesetzes ist oder daß man es, wie mein Kollege Maier hier vorgetragen hat, auch der Krankenversicherungsneuregelungs-Gesetzgebung überlassen sollte und überlassen könnte.
Das ist doch jetzt nicht meine Aufgabe, in dieser Richtung Vorschläge zu machen.
Nun, Herr Kollege Stingl, Sie wissen auch - das haben Sie hier ausgeführt —, daß im Organisationsgesetz für den Übertritt für die Angestellten ein längerer Zeitraum im Gesetz zur Abgabe einer Erklärung verankert werden muß, in dem sie überlegen können, zu welchem Versicherungsträger sie ihre Mitgliedschaft erklären wollen. Wenn Sie diese Vorlage jetzt annehmen, dann besteht die große Gefahr für die Angestellten, die bisher ja alle von Gesetzes wegen versicherungspflichtig waren, daß sie die Erklärungsfrist versäumen. Jetzt bleibt ihnen nach § 313 der RVO des Saarlandes nur eine Erklärungsfrist von drei Wochen. Sie müssen sich innerhalb dreier Wochen entscheiden, und es besteht die Gefahr, daß sie die Abgabe dieser Erklärung versäumen und dann ihrer möglichen freiwilligen Versicherung in der Sozialversicherung gänzlich verlustig gehen.
Weiter darf ich darauf hinweisen, daß zur Zeit die Angestellten auch nicht die Möglichkeit haben, etwa auf die Angestelltenersatzkassen auszuweichen. Sie würden dann nicht mehr den erhöhten Beitrag zu
zahlen haben, sondern einen Beitrag, der um 6 % liegt. Ich glaube also, daß im Interesse der Angestellten — es sind nach den Schätzungen des saarländischen Statistischen Amts über 25 %o der Angestellten, die unter diese Regelung fallen würden — von der jetzt vorgeschlagenen Änderung Abstand genommen und entsprechend unserem Antrag die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen hierzu nicht vor.Wir kommen zur Abstimmung, zunächst also zu dem Antrag auf Umdruck 359 Ziffer 1. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Danke schön! — Enhaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Ich komme dann zur Abstimmung über Art. 1 in der Ausschußfassung. Wer dem Art. 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.Ich rufe den Art. 2 auf. Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Art. 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön! —Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe den Art. 2a auf und dazu zunächst den Antrag auf Umdruck 359 unter Ziffer 2.
— Hat sich erledigt, wird also zurückgezogen. Wird sonst noch das Wort zu Art. 2a gewünscht?— Das ist nicht der Fall. Dann darf ich Art. 2b mit aufrufen; wir können sie gemeinsam verabschieden.Die Aussprache dazu ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Artikeln 2a und 2b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe den Art. 3 auf und frage an, ob der Antrag Umdruck 359 Ziffer 3 auch erledigt ist.
— Sie haben recht. Ich bitte, das in Ihrem Exemplar zu korrigieren, also die Verweisung zu Art. 1 auf die Nr. 01 — 03 zu beziehen.Mit dieser Maßgabe rufe ich den Art. 3 auf. Ich nehme an, daß eine Debatte nicht stattfindet. Wer dem Artikel sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, bitte ich um das Handzeichen. Danke schön! — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.Wir kommen damit zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist
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Vizepräsident Dr. Beckernicht der Fall. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.Ich rufe nun das Gesetz Art. 1 bis Art. 3, Einleitung und Überschrift in dritter Lesung auf. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen.Wir kommen jetzt zu Punkt 1 g der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung deutschen Rechts auf den Gebieten der Arbeitsbedingungen und des Familienlastenausgleichs im Saarland ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 1160).
Hierzu liegen neben der Drucksache 1160 vor der Umdruck 360, der Umdruck 364, der Umdruck 355, ein Entschließungsantrag, und der Umdruck 363, ebenfalls ein Entschließungsantrag. Berichterstatter ist der Abgeordnete Maier . Wünscht er das Wort?
Er verweist auf seinen Bericht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
— Ich danke Ihnen für den Hinweis, aber ich hatte sie bereits aufgerufen, den Umdruck 360, den Umdruck 364, den Umdruck 355 und den Umdruck 363, wobei die beiden letzten Entschließungsanträge sind, die erst in der dritten Lesung verabschiedet werden, während über die ersten in der zweiten Lesung entschieden wird. Es ist selbstverständlich, daß die Begründung dieser Anträge jetzt mit der Debatte über den Paragraphen verbunden werden kann. Ich rufe also auf § 1 und bitte hierzu den Umdruck 360 Ziffer 1 a) zu nehmen. Wird. dieser Antrag begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich den Änderungsantrag zu Umdruck 360 wie folgt begründen. Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Einführung deutschen Rechts auf den Gebieten der Arbeitsbedingungen und des Familienlastenausgleichs im Saarland sieht in § 1 Ziffer 7 bis 14 und in § 2 Ziffer 6 vor, daß die bisherige gesetzliche Regelung der Familienzulagen im Saarland am Tage der Eingliederung außer Kraft gesetzt werden und an deren Stelle das Kindergeldgesetz der Bundesrepublik treten soll. Diese beabsichtigte Rechtsangleichung würde zu einer Verschlechterung der materiellen Lage aller saarländischen Familien mit einem Kind und zwei Kindern führen.Es ist bekannt, daß der saarländische Landtag in seiner letzten Sitzung am vergangenen Freitag einstimmig ein Kindergeldgesetz in modifizierter Fassung verabschiedet hat. Dieses saarländische Gesetz verzichtet auf eine weitere Gewährung der Frauenzulage in Höhe von zur Zeit noch 2000 Franken gleich 17 Deutsche Mark. Es sieht vor, daß nach dem Eingliederungstag im Saarland ein Kindergeld für das erste Kind von 18 DM und für das zweite Kind von 28 DM gewährt werden soll. Für das dritte Kind und weitere Kinder soll die bundesgesetzliche Regelung übernommen werden. Die Mittel für diese saarländische Sonderregelung sollen dergestalt aufgebracht werden, daß die Arbeitnehmer und Arbeitgeber je ein Prozent der Lohnsumme bis zu einem Höchsteinkommen von 750 DM an die Familienzulagenkasse abführen. Da der Aufwand mit rund 3,5 % der Lohnsumme berechnet wurde, sollen die verbleibenden 1,5 % zunächst aus den Rücklagen der Familienzulagenkasse, die für etwa 15 bis 20 Monate ausreichen dürften, abgedeckt werden. Nach Erschöpfung dieser Reserven soll der saarländische Haushalt die Restfinanzierung tragen. Eine finanzielle Belastung des Bundes würde folglich nicht eintreten.Der Bundesrat hat in seiner 204. Sitzung am 17. April dieses Jahres empfohlen, in dem vorliegenden Gesetzentwurf Drucksache 1012 in § 1 die Nrn. 7 bis 14 und in § 2 die Nr. 6 zu streichen. Demgemäß sollte dann neben der besseren saarländischen Sonderregelung für das erste und zweite Kind die bundesgesetzliche Regelung vom dritten Kinde ab im Saarland gelten. Entsprechend dieser Empfehlung wäre die Bundesregierung gehalten, dem saarländischen Gesetz in modifizierter Fassung gemäß § 6 des Saareingliederungsgesetzes die Zustimmung zu erteilen.Der Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion — Umdruck 360 Ziffer 1 — erstrebt dieses Ziel. Das vorliegende Gesetz soll in Verbindung mit einigen anderen Gesetzen, die zur Beratung und Beschlußfassung anstehen, die möglichst günstigsten Voraussetzungen zur zufriedenstellenden und harmonischen wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik schaffen.Leider müssen wir feststellen, daß dieses Ziel auf einem wichtigen Teilgebiet der sozialen Eingliederung mit der derzeitigen Fassung des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht erreicht werden kann. Die Wiedervereinigung Deutschlands — hier soll der erste Akt vollzogen werden kann nur dann zufriedenstellend gelöst werden, wenn alle Beteiligten von gutem Willen beseelt sind und Großzügigkeit die einzelnen konkreten Maßnahmen prägt. Es wurde in diesem Hohen Hause in der Vergangenheit des öfteren davon gesprochen, daß die Eingliederung des Saarlandes ein echter Testfall für die Wiedervereinigung sei. Nun, dieser erste Akt der
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4322 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
WilhelmWiedervereinigung ist zumindest ein Testfall für den guten Willen der Bundesrepublik.
Die Wiedervereinigung kann und darf nicht so verstanden werden, daß die Rechtsordnung des einen Gebietsteils derjenigen des anderen Gebietsteils gleichgeschaltet, d. h. einseitig angepaßt wird. Wer dem echten Wiedervereinigungsgedanken gerecht werden will, muß von der Grundkonzeption ausgehen, daß nur die gegenseitige Anpassung der in beiden Gebietsteilen bestehenden Rechtsordnungen eine gerechte und harmonische Lösung aller Fragen mit sich bringen kann. Daraus resultiert dann zwangsläufig eine echte Konzessionsbereitschaft auf beiden Seiten.Ich darf daran erinnern, daß dieses Hohe Haus am 14. Dezember 1956 einmütig eine Entschließung angenommen hat, in der die Bundesregierung ersucht wird, bei der Eingliederung des Saarlandes dafür Sorge zu tragen, daß bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern und bei den Sozialleistungsempfängern im Saarland, soweit sie am 1. Januar 1957 Einwohner des Saarlandes waren, der Besitzstand gewahrt werden soll. Wenn in dieser Entschließung von der Wahrung des Besitzstandes bei Sozialleistungsempfängern die Rede ist, so muß sich dieses Versprechen, wenn es überhaupt einen Sinn haben soll, zumindest auf die Erhaltung der besseren saarländischen Regelung beim Kindergeld und bei der Kriegsopferversorgung beziehen.
Würde denn die Glaubwürdigkeit dieses Hohen Hauses nicht ernsthaft in Frage gestellt sein, wenn heute, mehr als 3 1/2 Jahre nach der historischen und mutigen Entscheidung der Saarbevölkerung am 23. Oktober 1955, von dem gegebenen Versprechen abgewichen würde? Eine solche Haltung dieses Hohen Hauses würde im Saarland große Enttäuschung und viel Bitterkeit auslösen, auch wären die psychologischen Auswirkungen auf die Bevölkerung in Mitteldeutschland kaum abzusehen.Sie, meine Damen und Herren, stehen daher in dieser speziellen Frage vor einer hochpolitischen Entscheidung von ganz besonderer Tragweite. Indem ich auf die Entschließung vom 14. Dezember 1956, die in diesem Hohen Hause einmütig verabschiedet wurde, verweise, möchte ich hinzufügen, daß die Einlösung von Versprechen stets Ehrensache sein sollte, insbesondere für Politiker.
Kindergeld und Kriegsopferversorgung sind für alle Saarländer echte Besitzstandsfragen. Beide sind tief im Bewußtsein der saarländischen Bevölkerung verankert. In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, daß sich nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch alle Familienorganisationen in der Bundesrepublik wärmstens für die saarländische Kindergeldregelung eingesetzt haben.Nun möchte ich ein Wort an die Adresse unseres Herrn Bundesministers für Familienfragen richten. Ich möchte zunächst meinem Badauern darüber Ausdruck geben, daß er anläßlich der vielleicht entscheidenden Vorberatung dieses Gesetzes in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Arbeit und Sozialpolitik nicht anwesend war, ja daß das Ministerium nicht einmal einen Vertreter entsandt hatte.
Ich will den guten Willen des Herrn Bundesfamilienministers nicht in Frage stellen. Ich weiß, daß er sich gelegentlich, so auch vor einigen Wochen in St. Wendel, besonders positiv über die saarländischen Familienzulagenregelung geäußert hat und daß es sein Wunsch ist, daß diese saarländische Kindergeldregelung erhalten bleibt. Aber, Herr Minister, ich glaube, der Sache wäre mehr gedient, wenn Sie uns in entscheidenden Vorberatungen und auch, wenn es hier in diesem Hohen Hause zur Abstimmung kommt, mit Ihrer Stimme und Ihrem Wort tatkräftig unterstützten.
Ist es denn nicht recht seltsam, daß das Kindergeld in der Bundesrepublik trotz eines Bundesfamilienministeriums sehr viel schlechter geregelt ist als in vielen Ländern des Westens und des Nordens und auch im Saarland, wo es kein spezielles Familienministerium gibt? Das ist immerhin einerecht seltsame Angelegenheit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege, weil Sie hier die besseren sozialpolitischen Verhältnisse an der Saar so preisen, möchte ich Sie fragen: Sind Sie sich der Tatsache bewußt und liegt es im Interesse Ihrer politischen Freunde an der Saar, daß Sie hier ein posthumes Loblied auf die sozialpolitischen Leistungen der Regierung Johannes Hoffmann singen?
Mein sehr verehrter Herr Kollege, Ihre Frage hätte vielleicht optisch noch eine gewisse Wirkung, wenn die Kindergeldregelung in dieser Form nur im Saarland bestünde. Ich gebe Ihnen jedoch zu bedenken, daß es sich hier nicht um eine spezifisch saarländische Regelung handelt. Wir hätten uns gar nicht an dem französischen Vorbild zu orientieren brauchen — was auch nie geschehen ist —, sondern wir hätten nur nach Schweden und nach anderen westlichen Ländern zu blicken brauchen, um ein Vorbild für unsere Familienzulagenpolitik zu bekommen.
Da wir in der Bundesrepublik trotz des Bundesfamilienministeriums eine sehr schlechte Familienzulagenregelung haben — das ist die fast einstimmige Meinung dieses Hohen Hauses —,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4323
Wilhelmmuß ich die Frage stellen, welchen Zweck dieses Bundesfamilienministerium eigentlich erfüllen soll. Vielleicht ist es nur der Optik wegen geschaffen worden.Meine verehrten Damen und Herren, man spricht auch so oft davon, daß die Familie die Keimzelle des Staates sei. Wir sind uns im Grunde in dieser Feststellung einig. Wenn man aber diesen Grundsatz feststellt, muß man sich auch in der praktischen Politik danach orientieren. Man muß dann auch den Familien, besonders den Familien mit Kindern, die materielle Förderung zuteil werden lassen, damit sie ihre Aufgabe als Familie — sei es der Unterhalt der Familie, sei es die Kindererziehung und -ausbildung — erfüllen können.
Es gehören eine Reihe von Voraussetzungen dazu, um diese Familien auf eine gesunde materielle Grundlage stellen zu können. Dazu sind gute Löhne, Steuervergünstigungen, aber nicht zuletzt auch Kinderzulagen geeignet. Ich gebe zu bedenken, ob eine Familie mit einem Einkommen von 300, 400 oder 500 Mark wirklich die Aufgaben erfüllen kann, die ihr als Familie in unserem Raum und in unserer heutigen Zeit gestellt sind. Liegt es denn nicht gerade an dem Fehlen der materiellen Grundlage, daß viele Mütter berufstätig sein müssen? Und auf wessen Kosten geht denn in vielen Fällen die Berufstätigkeit der Mütter? Sie geht doch oft nur auf Kosten der Harmonie der Ehe und auf Kosten einer fortschrittlichen und vernünftigen Kindererziehung.Auch in der Bundesrepublik — und das wurde in den letzten Monaten des öfteren betont — kann der Reform der Kindergeldgesetzgebung nicht mehr viel länger ausgewichen werden. Warum sollte man den familienpolitischen Gedankengängen, die ich soeben darzulegen versucht habe, nicht bei der Reform der Kindergeldgesetzgebung in der Bundesrepublik Rechnung tragen? Wenn man dazu in den kommenden Monaten bereit wäre, ließe sich das modifizierte Kindergeldsystem, wie wir es jetzt erhalten wissen wollen, sehr leicht in das reformierte Kindergeldgesetz der Bundesrepublik harmonisch einfügen.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat uns in den Ausschußberatungen verschiedene Lohnvergleichstabellen vorgelegt, um zu beweisen, daß die Aufrechterhaltung der saarländischen Kindergeldregelung für das erste und zweite Kind gar nicht notwendig sei; denn Lohnvergleiche zwischen Saar und Ruhr ergäben, daß die Einkommen später an der Saar, wenn sie sich an dem Vergleichsgebiet Nordrhein-Westfalen orientierten, eher höher als niedriger liegen würden.Er gab in seinen Statistiken aber nur reine Durchschnittswerte an. Wir haben hier gestern einoder zweimal auch etwas von Durchschnittswerten gehört, so wie bei dem Beispiel mit dem Hähnchen, das von einem aufgegessen wird, während der andere, der danebensitzt, nichts davon ißt. Nachher beweist die Statistik, daß, obwohl der eine dasHähnchen ganz gegessen und der andere nur zugeschaut hat, trotzdem auf jeden der beiden die Hälfte entfällt.So sieht es auch aus, wenn man bei Lohnstatistiken mit Durchschnittswerten operiert. Bei der Angabe von Durchschnittswerten ist es immer so, daß viele darunter und andere darüber liegen. Man summiert alles, und wenn man dann teilt, kommt man zu dem Durchschnitt.Aber gleichgültig, wie man die bei diesen Lohnvergleichen ermittelten Durchschnittswerte betrachtet, sie treffen nicht den Kern des Problems. Wenn man dem Saarland seine modifizierte Kindergeldregelung für das erste und zweite Kind nimmt, wobei bereits ein Verzicht auf die bisher gezahlte Frauenleistung gegeben ist, vermindert man in jedem Fall den Einkommensunterschied zwischen den Ledigen und den Verheirateten ohne Kinder auf der einen und den Verheirateten mit einem oder mehr Kindern auf der anderen Seite. Hier scheint überhaupt der Kern des Problems zu liegen, an dem man völlig vorbeiredet.
Man versucht uns nun zu sagen: Die Regelungen, die ihr im Saarland für das erste und das zweite Kind bisher hattet, können wir ja den Tarifpartnern überlassen. Nun, das ist eine recht eigenartige, eine recht unlogische These. Warum unlogisch? Hier in der Bundesrepublik hat der Staat durch das Kindergeldgesetz seine Verpflichtung gegenüber den Familien mit drei und mehr Kindern anerkannt. Es erscheint mir einfach unlogisch, die Verantwortung, die man von dem dritten Kind ab durch die Schaffung eines Kindergeldgesetzes übernommen hat, für das erste und das zweite Kind auf die Tarifpartner abwälzen und nicht mit übernehmen zu wollen.Weil die Familie die Keimzelle des Staates ist, glauben wir, daß nicht die Tarifpartner, sondern der Staat die Aufgabe hat, die Familien in jeder Richtung zu fördern. Zu welchen Verhältnissen würde es denn führen, wenn man eine Kindergeldregelung für das erste und das zweite Kind den Tarifpartnern überlassen wollte? Dann würden beispielsweise Gewerkschaften in einem gutfundierten Wirtschaftsbereich in Tarifverträgen ganz annehmbare Lösungen hervorbringen, während Gewerkschaften, die Arbeitnehmer in schlechteren Wirtschaftsbranchen zu vertreten haben, mit ihren Forderungen einfach scheitern müßten, weil die Arbeitgeber finanziell nicht in der Lage wären, den familienpolitischen Forderungen der Gewerkschaften zu entsprechen. Das wäre doch die Situation, wenn der Staat seine familienpolitische Verantwortung für das erste und das zweite Kind auf die Tarifpartner abwälzte.Aber mir scheint, daß das nur ein zweckbedingtes Argument ist, weil man nämlich dem Kernproblem ausweichen will. Wenn wir uns die Gesetze zur Eingliederung des Saarlandes, die zum Teil gestern in dritter Lesung verabschiedet wurden und zum Teil heute noch zur Verabschiedung anstehen, insgesamt ansehen und die Debatten und Abstimmungen in diesem Hohen Hause seit gestern verfolgen, ist eine generelle Feststellung zu treffen: soweit es in den
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4324 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
WilhelmGesetzen um Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft ging, war man zum Teil sehr großzügig. In allen Fragen der sozialen Eingliederung haben wir leider nur Rückschritte mit an die Saar genommen. Das ist das bedauerliche Ergebnis der Beratungen in diesem Hohen Hause.
Gestern wurde hier mit Recht festgestellt, daß es die Bundesregierung ziemlich eilig hatte, dem Beschluß des Saarlandtags betreffend die Mietenregelung die Zustimmung zu geben, der, wenn er zur Wirksamkeit kommt, im Saarland bei den Altbauten für lange Zeit eine um 15 bis 25 % höhere Durchschnittsmiete als in der Bundesrepublik zur Folge haben wird. Diesem Beschluß des saarländischen Landtages hat man sehr schnell zugestimmt. Wir hätten es gern gesehen, wenn man in anderen sozialen Fragen wie bei der Kriegsopferversorgung und den Familienzulagen, wo es um den sozialen Besitzstand und um Versprechen dieses Hohen Hauses geht, so großzügig gewesen wäre.
Zusammenfassend darf ich feststellen, daß es sich bei der Entscheidung über die Frage, ob das saarländische Kindergeldgesetz nach dem Eingliederungstage in modifizierter Fassung neben der bundesdeutschen Kindergeldregelung Geltung haben soll, in erster Linie um eine hochpolitische Entscheidung, um die Einlösung eines Versprechens handelt. Lassen Sie sich bei diesem ersten Testfall der Wiedervereinigung von gutem Willen und von Großzügigkeit und weniger von Rechtsprinzipien, die so oft in diesen Dingen geltend gemacht werden, leiten! Lösen Sie das gegebene Versprechen ein, damit der Tag der Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik für alle ein Tag der Freude und Zufriedenheit und nicht der Enttäuschung und Bitterkeit wird! Seien Sie sich bei Ihrer Beschlußfassung dessen bewußt: je großzügiger die gesetzlichen Eingliederungsbedingungen sind, desto mehr Hoffnung werden unsere Brüder und Schwestern in Mitteldeutschland aus diesem Testfall des guten Willens für den Tag schöpfen, an dem wir — hoffentlich recht bald — die große Wiedervereinigung mit ihnen unter den gleichen Voraussetzungen des guten Willens unsererseits vollziehen können.Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, dem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck 360 Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein sehr geschätzter Vorredner begann seine Ausführungen damit, daß er wieder über das Thema: Erhaltung des sozialen Besitzstandes an der Saar sprach. Gestern haben hier anläßlich der Regelung der Kriegsopferrenten an der Saar so viele Redner die Argumente getauscht, daß ichdiese Frage der Erhaltung des sozialen Besitzstandes jetzt nicht mehr vor Ihnen berühren will. Nur ein einziger Satz dazu: selbst die saarländische Regierung hat in Verhandlungen mit uns über die Lösung der Frage weiterer Kindergeldzahlungen an der Saar erklärt, daß sie nicht den Vorwurf erhebe, der soziale Besitzstand an der Saar bleibe nicht erhalten, wenn die deutsche Regelung eingeführt werde, sondern daß sie darüber hinaus, obwohl der soziale Besitzstand erhalten bleibe, den Fortbestand einer — wie sie sich ausdrückte — „institutionellen Einrichtung" wünsche.Die Saarregierung hat einen vom saarländischen Landtag in drei Lesungen verabschiedeten Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgelegt. Die Bundesregierung hat diesem Gesetzentwurf in der Kabinettssitzung am Mittwoch nicht zugestimmt, und zwar auf meinen Vorschlag hin. Denn nachdem das Kindergeld im übrigen Bundesgebiet durch Bundesgesetz einheitlich geregelt ist, wäre es aus allgemeinen rechtspolitischen und auch aus rechtlichen Gründen nicht zu vertreten, in einem Lande ohne zeitliche Begrenzung ein so stark abweichendes Sonderrecht zuzulassen. Erstaunlich war nämlich für mich, daß in allen Besprechungen, die über diese Frage geführt wurden, immer von einer Übergangsregelung gesprochen wurde, daß aber das im saarländischen Landtag verabschiedete Gesetz keinerlei zeitliche Begrenzungen vorsieht.
— Es sieht keinerlei zeitliche Begrenzungen vor! Es ist auch ganz klar, Herr Kollege Schellenberg, und die Beteiligten haben es auch nie bestritten, daß sie der Auffassung waren, durch den Fortbestand der saarländischen Regelung die Möglichkeit zu haben, die Frage auch für die Bundesrepublik aufzurollen. Ich bin auch so ehrlich, ganz klar zu erklären, daß es dann keinen hinreichenden Grund gäbe, den Kindergeldempfängern in der Bundesrepublik das gleiche zu versagen. Das aber würde uns vor die Frage stellen, wie wir mehrere Milliarden aufbringen sollen. Ob man nun daran denkt, das aus dem öffentlichen Haushalt zu tun, oder ob man daran denkt, die Mittel wie bisher in der Bundesrepublik durch Beiträge aus der Wirtschaft aufbringen zu lassen, — in dem einen wie dem anderen Falle ist es eine Aufgabe, die wir im Augenblick nicht zu lösen wüßten. Man soll nicht — das nehme ich wenigstens für mich in Anspruch — Wechsel ausstellen, die man auf absehbare Zeit nicht einlösen kann,
und wir könnten einen solchen Wechsel nicht einlösen.Zu keiner Zeit in den Verhandlungen ist die Saarregierung darüber im unklaren gelassen worden, daß die Bundesregierung einer solchen Lösung nicht würde zustimmen können. Dennoch hat der saarländische Landtag dieses Gesetz verabschiedet. Nachdem von der saarländischen Regierung selbst zugegeben ist, daß die Saarländer nichts verlieren,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4325
Bundesminister Blankhabe ich gar keinen Anstand gehabt, der Bundesregierung dies vorzuschlagen. Aber wenn man eine Übergangslösung gewollt hätte, wäre die Bundesregierung immer bereit gewesen, einer solchen Lösung, auf die man sich hätte einigen können, zuzustimmen.Wir wissen, daß die CDU/CSU-Fraktion einen Antrag einbringen wird, dem Gesetz eine Ziffer anzufügen, durch die, mit einer Zuschußleistung des Bundes, die Möglichkeit gegeben wird, den bisherigen Empfängern von Kindergeld für das erste und zweite Kind eine einem Einjahresbetrag entsprechende Summe zur ein- oder zweimaligen Ablösung zur Verfügung zu stellen. Einer solchen Lösung, wenn sie in der zweiten und dritten Beratung in das Gesetz eingefügt würde, würde die Bundesregierung zustimmen. Auch sie sieht das als eine durchaus vertretbare Gabe an. Die Saarländer haben keinerlei Nachteile: es wird das deutsche Kindergeldrecht auch für die Kinder eingeführt, für die es bisher kein Kindergeld gab; die Bundesregierung ist bereit, die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Ablösung der Ansprüche der Empfänger von Kindergeld für das erste und zweite Kind in Form einer Einjahressumme in ein oder zwei Raten notwendig sind. Wir halten dies für ein Angebot, das sich durchaus sehen lassen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst den Herrn Präsidenten bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich — angesichts des bisherigen Verlaufs der Diskussion — zu den Anträgen der Opposition Stellung nehme, nach denen die Bundesregierung ersucht werden soll, dem vom saarländischen Landtag verabschiedeten Gesetz zuzustimmen, und gleichzeitig zu unserem Änderungsantrag Umdruck 364 betreffend Einfügung eines § 6 c, zu dem der Herr Bundesminister für Arbeit soeben schon gesprochen hat, unsere Auffassung dartue.Meine Damen und Herren! Der Sprecher der Opposition hat aus sehr wohlüberlegten politischen Absichten den Herrn Bundesfamilienminister mehrfach und sehr nachdrücklich angesprochen, ohne Zweifel mit der Absicht, den Herrn Familienminister — entschuldigen Sie, wenn ich es so formuliere — zu provozieren, hier vor dem Hause eine unter Umständen von der Meinung der Bundesregierung oder des Herrn Blank abweichende Meinung kundzutun.
— Meine Damen und Herren, es ehrt den Herrn Bundesfamilienminister, wenn er seine Gedanken über seine familienpolitische Konzeption da, wo er es für angebracht hält, gelegentlich auch einmal zum Ausdruck bringt.
Aber der Herr Bundesfamilienminister ist so verantwortungsbewußt,
daß er sich der Tatsache bewußt bleibt, daß er ein Mitglied des Bundeskabinetts ist, das dem Hohen Hause diesen Antrag vorgelegt hat, und daß die Kindergeld- oder Familienausgleichsfrage nur auf Grund einer insgesamt zu sehenden sozialpolitischen Konzeption gelöst werden kann und nicht etwa eine Lösung in dem von Ihnen dargelegten Sinne finden kann. Ich glaube, Sie sollten deshalb die etwas polemische Art der Debatteführung in diesem Zusammenhang nicht weiter betreiben.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat soeben vor dem Hause erklärt, daß die Bundesregierung der Bitte der saarländischen Regierung, dem vom Landtag beschlossenen Gesetz zuzustimmen, nicht stattgegeben hat. Die Bundesregierung hat also aus der Gesamtschau der Dinge heraus, um die es hier geht, diesen Antrag abgelehnt. Damit werden Anträge in der Art, wie sie hier vorliegen, gegenstandslos. Ich habe das auch gestern schon ausgeführt. Es handelt sich um die alleinige Zuständigkeit der Bundesregierung. Wir können deshalb über diese Anträge zur Tagesordnung übergehen.Was nun die Behandlung des hier begründeten Antrags und überhaupt den Gesamtzusammenhang angeht, so muß ich doch an die Adresse der Opposition erklären, daß sie wider besseres Wissen oder obschon sie den Gesetzentwurf genauso kennt wie wir, die Zusammenhänge nicht richtig dargelegt hat. Wir müssen an der Tatsache festhalten, daß es sich bei dem Eingliederungsgesetz um die völlige Umgestaltung des bisherigen Lohnsystems im Saarland handelt. Wir müssen uns bewußt bleiben, daß zwischen dem bisherigen Lohnsystem und der Regelung durch die Familienkassen an der Saar ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Wenn wir nun auf das bundesdeutsche Tarifrecht umschalten und die Tarifautonomie der Sozialpartner durch das Gesetz in vollem Umfang herstellen, es also den Sozialpartnern überlassen, von nun ab Löhne und Gehälter nach unserem bundesdeutschen Recht zu regeln, muß auch eine Korrektur des bisherigen Familienzulagerechts an der Saar stattfinden. Wenn wir das nicht tun, reißen wir die beiden Dinge auseinander, und dann ist eben die korrekte Umschaltung auf die neue Lohnregelung, auf das neue, bundesrepublikanische System nicht möglich. Diese Erkenntnis ist ohne Zweifel auch an der Saar vorhanden. Die offiziellen Vertreter des Saarlandes vermögen der Tatsache, daß die ursächlichen Zusammenhänge gesehen und gewahrt werden müssen, nicht zu widersprechen, und sie haben es auch nicht getan.
Aus diesem Grunde bedauern wir, den Anträgen Umdruck 360 Ziffer 1 Buchstaben a und b nicht entsprechen zu können. Sie würden die ganze Sache wieder ins Wanken bringen und praktisch undurchführbar machen. In dem Augenblick, in dem wir auf das neue System umschalten, muß das voll und ganz geschehen. Wir können nicht in dem einen Teil, beim
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4326 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
HornTarifvertragsrecht, nach dem Gesetz verfahren und in dem anderen Teil den alten Zustand bestehen lassen.Wir haben hier ein Plädoyer dafür gehört, daß dem neuerdings beschlossenen saarländischen Gesetz stattgegeben werden sollte, mit der Begründung, daß wir damit an der Saar nur etwas erhielten, auf das die Menschen dort einen berechtigten Anspruch hätten. Ich kann mich hier nur auf die wiederholten Ausführungen beziehen, die der Herr Bundesminister für Arbeit zu diesem Thema gemacht hat, indem er dartat und meines Erachtens auch bewies, daß bei der Umschaltung auf das bundesdeutsche System die Menschen an der Saar keine Nachteile haben. Ich bin überzeugt, daß die Bevölkerung an der Saar, wenn erst einmal einige Zeit die neuen Bestimmungen praktiziert worden sind und Arbeitgeberverbände und -Gewerkschaften ihre Tarifverträge abgeschlossen haben, womit sie bis jetzt zurückhalten, weil die Gesetze noch nicht verabschiedet sind, sehr bald erkennt und einsieht, daß das nicht stimmt, was der Bundesregierung und der Mehrheit in diesem Hause unterstellt wird, und daß die Gesetze, die jetzt verabschiedet werden, auch in sozialpolitischer Hinsicht den Forderungen gerecht werden, die die Bevölkerung an der Saar billigerweise zu stellen berechtigt ist.Meine Damen und Herren! Da die Bundesregierung soeben durch den Bundesarbeitsminister erklärt hat, daß sie dem Gesetz des Landtags des Saarlandes nicht zustimmen könne, haben wir uns erlaubt, auf Umdruck 364 dem Hohen Hause einen Antrag zu unterbreiten, der für die immerhin etwas schwierige Übergangszeit eine Zwischenregelung anbietet, die, wenn sie so verwirklicht würde, wie sie gedacht ist, ein weiterer Beweis dafür wäre, daß Bundesregierung und Regierungsmehrheit wirklich von dem ehrlichen Bemühen geleitet sind, den Übergang so tragbar wie möglich zu machen.Ich darf den Ausführungen des Herrn Bundesministers für Arbeit zu dem Antrag noch ein paar Worte der Begründung hinzufügen. Der Antrag ermächtigt die Regierung des Saarlandes, durch Rechtsverordnung zur Erleichterung der Anpassung an die Verhältnisse im übrigen Bundesgebiet die Gewährung von Überleitungszahlungen durch die Kasse für Familienzulagen in Saarbrücken an die Personen, die bis zum Ende der Übergangszeit Familienzulagen nach den in § 2 Nr. 6 aufgeführten Vorschriften bezogen haben, oder einen Teil von ihnen mit der Maßgabe zu regeln, daß die Zahlungen innerhalb von einem Jahr nach dem Ende der Übergangszeit in höchstens zwei Raten aus am Ende der Übergangszeit vorhandenen Mitteln der Kasse für Familienzulagen und einem Bundeszuschuß nach Satz 2 erfolgen. Die Sachlage ist die, daß bei den Familienausgleichskassen ein restliches Vermögen von schätzungsweise 34 Millionen DM vorhanden ist. Ich glaube, wir haben davon gelegentlich schon Kenntnis genommen. Da aber das Personal der Kasse für Familienzulagen sich in der Hauptsache aus Beamten zusammensetzt, deren beamtenrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Überführung der Zahlungen aus der Kasse für Familienzulagen geregelt werden müssen, soll für die Pensionsansprüche dieserBeamten ein Betrag von schätzungsweise vielleicht 17 Millionen DM von dem Vermögen in Abzug gebracht werden. Das restliche Vermögen von ebenfalls etwa 17 Millionen DM würde mit dem Zuschuß des Bundeshaushalts bis zu einem Höchstbetrage von 30 Millionen DM nach unserer Überzeugung in der Gesamtrechnung für eine Übergangsregelung von einem Jahr ausreichen.Wenn eine so befristete Übergangsregelung verwirklicht wird und man den anspruchsberechtigten Menschen an der Saar die zweimalige Ausschüttung zuteil werden läßt — die eine etwa nach Wirksamwerden des Gesetzes und die andere um die Weihnachtszeit —, wird sich die Bevölkerung an der Saar, die jetzt aus sehr betonten Absichten — ich habe das gestern schon einmal kennzeichnen dürfen — auf diese Weise beunruhigt wird, nach der besseren Erkenntnis der Auswirkungen der Gesetze auch wieder beruhigen und wird sagen müssen, daß diese Lösung wirklich eine Lösung des guten Willens darstellt.Aus den genannten Gründen, meine verehrten Damen und Herren, möchte ich Sie namens meiner politischen Freunde bitten, den Antrag auf Umdruck 360 Ziffer 1 a und b abzulehnen, desgleichen die Anträge, die sich mit dem Ersuchen an die Bundesregierung richten wollen, dem saarländischen Gesetz ihre Zustimmung zu geben. Schließlich darf ich das Hohe Haus bitten, unserem Antrag auf Umdruck 364, der die Übergangsregelung, die ich erläutern durfte, darstellt, seine Zustimmung zu geben, damit wir auf diese Weise unter Beweis stellen, daß wir, aufs ganze gesehen, eine Regelung treffen, mit der auch bei ernster, verantwortungsbewußter Prüfung die Menschen an der Saar sehr wohl einverstanden sein können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Kollege Horn stellt sich hier schützend vor einen Minister mit der Erklärung, warum dieser Minister hier nicht für seine Sache reden kann. Damit ist der Familienminister Wuermeling gemeint.Ich kann diesem Anliegen unseres Kollegen Horn nicht beitreten, sondern muß mich wie der Kollege Wilhelm dafür einsetzen, daß der Familienminister hier seine Politik verteidigt und der deutschen Öffentlichkeit und der saarländischen Bevölkerung sagt, was er denn meint und wie viele Freunde er in seiner Fraktion hat. Der Familienminister hat nämlich — —
— Um so besser! Ich finde es nämlich unverständlich, daß er hier nicht reden wollte. Der Herr Familienminister hat nämlich in Sankt Wendel folgendes erklärt — und deshalb muß man fast verlangen, daß er hier redet und daß er zu dem, was
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Conrader draußen gesagt hat, auch hier Stellung bezieht —: Wenn sich das Saarland eisern auf die Hinterbeine stellt, wird es wahrscheinlich das Kindergeld für das zweite Kind erzwingen.Diese Aufforderung des verehrten Herrn Ministers an die saarländische Bevölkerung, sich eisern auf die Hinterbeine zu stellen, wäre doch tatsächlich eine Floskel, wenn er nicht hierher ginge, um auf seinen Hinterbeinen ebenso eisern für unser Anliegen zu kämpfen.
Deshalb bin ich sehr begierig, ihn nachher zu hören und zu sehen, wer in seiner Fraktion seinen Fahnen denn folgt.
— Ich hätte sie. gern noch einmal gehört und noch einmal bestätigt erhalten. Schließlich, verehrter Kollege, will ich Ihre Bemerkung darüber, daß Ihnen einer Ihrer Minister nichts Neues mehr zu sagen hat, nicht aufnehmen; das ist Ihre eigene Angelegenheit.
Aber in unserer Angelegenheit bitten wir um die Hilfe jedes einzelnen Abgeordneten und Ministers. Das ist der Grund, warum wir ihn hier besonders ansprechen.
Ist es im saarländischen Landtag üblich, daß Sie als Minister gegen Ihren Herrn Ministerpräsidenten auftreten?
Bei uns ist es auch nicht üblich, daß ein Minister draußen gegen das redet, was er in der Regierung mitbeschließt!
Bei Ihnen scheint es aber üblich zu sein, daß man draußen das Gegenteil von dem sagt, zu dem hier nun Butter gelegt werden soll.
Das ist es, was wir zu bemängeln haben. Der Herr Familienminister soll hier an diesem Platze, wo er hingehört, dasselbe sagen und genauso eisern kämpfen, wie er die saarländische Bevölkerung aufgefordert hat, es zu tun. Das ist ein billiges Verlangen. Deshalb, Herr Kollege Horn, kann ich Ihrer Anregung leider nicht folgen, und auch der Herr Minister Wuermeling wird Ihrer Anregung nicht folgen, sondern er wird hier nachher eine Erklärung abgeben.Der Bundesarbeitsminister Blank hat hier klar ausgesprochen, worum es geht. Er sagte: Wenn wir die Saarregelung belassen würden und wenn wir über kurz oder lang auf uns zukommen sehen würden, daß auch in der Bundesrepublik für das Grste und zweite Kind Kindergeld gezahlt wird,dann müßte unsere Wirtschaft oder unser Staatssäckel Milliardenbeträge aufbringen, und ich sehe nicht, wie diese Milliardenbeträge zu verkraften wären. - Hier liegt der Kardinalpunkt unserer heutigen Auseinandersetzung. Weil der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Meinung vertritt, in der Bundesrepublik sollen das erste und zweite Kind kein Kindergeld erhalten, bzw. weil er glaubt, jetzt sollen sie keins erhalten, verlangt er von uns an der Saar, daß bei uns diese Regelung für das erste und zweite Kind aufgegeben werden soll,
das heißt, die saarländischen Familien sollen ein Opfer bringen, damit die bundesdeutsche Wirtschaft bzw. die Bundeskasse nicht geschoren wird in Höhe der Beträge, die der Bundesarbeitsminister vorhin hier genannt hat. Ich stelle noch einmal fest, daß der Bundesarbeitsminister sich bei der Darstellung dieser Sachlage vollauf richtig ausgedrückt hat. Das ist der Punkt, um den- es geht. Es geht um die Auseinandersetzung über das System. Und deshalb hat er unrecht, wenn er sagt, die saarländische Regierung habe in dem Gesetz, das sie dem Landtag vorlegte, und in den Besprechungen mit uns immer von Übergangslösungen gesprochen. Im Gesetz steht aber jetzt nichts mehr von einer Übergangsregelung drin. Der saarländische Landtag, die saarländische Bevölkerung und die Berufsorganisationen mit Ausnahme der Arbeitgeber, Herr Dr. Fritz, sind der Ansicht, daß dieses System an der Saar aufrechterhalten bleiben soll.Wir aber von der saarländischen Regierung— ich darf das noch sagen, weil ich gestern einmal als Mitglied dieser Regierung angesprochen wurde— haben eine Übergangsregelung vorgelegt. Darin haben wir auf das Frauengeld verzichtet, und wir haben das Geld für das erste und für das zweite Kind herabgesetzt, und zwar als eine Übergangsregelung bis zur notwendigen besseren Regelung in der gesamten Bundesrepublik. Wenn das keine Übergangsregelung sein soll, dann weiß ich nicht mehr, wie sie aussehen soll. Meine Damen und Herren, wir befinden uns mit der Ansicht, daß das bundesdeutsche Kindergeldsystem keine besonders gute Sache ist, daß es vielmehr änderungswürdig ist, in allerbester Gesellschaft. Das ist nicht nur eine Ansicht der Sozialdemokraten, sondern das ist die Ansicht weiter Teile in der katholischen Bevölkerung.Der Ehrwürdige Bischof Wehr von Trier, dessen Diözese den größten Teil des Saargebietes umfaßt, nämlich drei Viertel des Saarlandes, hat am 14. Juni dieses Jahres auf dem Diözesan-Kolpingstag in Bad Kreuznach folgendes ausgeführt — ich bitte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten seine Ausführungen hier vortragen zu dürfen —:Die Familienzulagen als Ergänzung zum Leistungslohn sind ganz ohne Zweifel im Sinne der katholischen Soziallehre und im Sinne Adolf Kolpings.
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4328 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
ConradIm Sinne Kolpings spreche ich auch,— bestreiten Sie das auch nicht?wenn ich meine Meinung zum Ausdruck bringe und sage: Es wäre bedauerlich,sagte der Bischof,wenn etwa demnächst die bisherigen Familienzulagen im Saarland vermindert würden, zumal die im Bundesgebiet bestehende Regelung eines weiteren Ausbaus bedarf.Ich habe diesen Worten des Bischofs von Trier nichts hinzuzufügen.
Ich stimme mit ihm überein, daß unsere Lösung erhalten bleiben sollte, bis die schlechte Lösung in der Bundesrepublik in einer Übergangslösung harmonisiert werden kann, die für alle erträglich und die auch mit der katholischen Soziallehre in Übereinstimmung zu bringen ist.Aus diesem Grunde und um dieses System zu erhalten beantragen wir namentliche Abstimmung über unseren Antrag.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Bundesminister Wuermeling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit meiner Wortmeldung ein wenig zurückgehalten, weil ich zunächst einmal abwarten wollte, wie intensiv bei der Opposition der Wunsch war, ihren Familienminister zu sehen.
Ich habe dieses Abwarten um so mehr für richtiggehalten, als ich etwas den Eindruck habe, einigeKollegen des Hauses suchten heute mit mir Streit.
Ich habe eigentlich nicht die Absicht, diesem Suchen nach Streit — nach Wahrheit schon! — Rechnung zu tragen, zumal ich mir, vor allem seit ich Jugendminister bin, zum Prinzip gemacht habe, zu versuchen, mit allen politischen Gruppen harmonisch zusammenzuarbeiten. Gestatten Sie deswegen, daß ich das, was hier mehr oder weniger freundlich an meine Adresse gerichtet wurde, mit einigen kurzen Feststellungen beantworte.Erstens. Meine familienpolitischen Auffassungen und Erklärungen haben sich in den letzten Jahren nicht geändert. Sie stimmen mit den seit 1953 vom Herrn Bundeskanzler und vom Kabinett gegebenen Richtlinien für die Familienpolitik überein.Zweitens. Im Sinne dieser familienpolitischen Richtlinien habe ich mit Vorwissen des Herrn Bundeskanzlers mehrfach versucht, einen Kompromiß in der Frage des Kindergeldes zwischen den von der Bundesregierung und der Regierung des Saarlandes vertretenen Standpunkten zu ermöglichen.Diese Bemühungen führten nicht zum Erfolg, weil dem Saarland ein Entgegenkommen auch hinsichtlich der Erstkinder nicht möglich schien.Drittens. Wie jeder weiß, habe ich sehr viel Verständnis für die gewichtigen Gründe, die das Saarland für diese Haltung hat. Trotzdem habe ich — und ich stehe nicht- an, auch das hier in allem Freimut zu erklären - von Anfang an stets den Standpunkt vertreten, daß die Bundesregierung dem vor einigen Tagen vom saarländischen Landtag in dritter Lesung verabschiedeten Gesetz betreffend Familienzulagen vor allem aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht zustimmen könne. Diese wirtschaftspolitischen Gründe sind mir gerade anläßlich der vorhin angesprochenen Tagung in St. Wendel in einer Versammlung von einem Mittelständler bestätigt worden, der mir vorwarf, daß wir angeblich anstrebten, den Mittelständler im Saarland mit höheren Arbeitgeberbeiträgen zu den Familienausgleichskassen zu belasten, als sein Konkurrenznachbar in Birkenfeld sie zu zahlen habe. Ich bin der Auffassung,. daß dieser Mittelständler mit seinem Argument absolut recht hat; denn wir können in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet nicht verschiedenartige Belastungen der Wirtschaft in sozialpolitischer Hinsicht schaffen, wenn wir nicht die Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen wollen.Gerade weil ich dieses saarländische Gesetz deshalb nicht für möglich gehalten habe, habe ich mich, gleich nachdem ich von dem ersten Gesetzentwurf der Saarregierung Kenntnis erhalten hatte, um einen Kompromiß auf anderer Grundlage bemüht. Aber diese Bemühungen sind, ebenso wie alle Bemühungen des Herrn Kollegien Blank auf diesem Gebiete, nicht von Erfolg gekrönt gewesen.Viertens. Meine Damen und Herren, wir haben ja heute -an sich keine Debatte über das Kindergeld in der Bundesrepublik. Aber das Thema ist hier angesprochen worden und besonders mit Bezug auf meine Person, deshalb auch dazu einige Sätze. Seit der politischen Rückgliederung des Saarlandes habe ich immer wieder dahin zu wirken versucht, daß der familienpolitische Status des Saarlandes und der der übrigen Bundesrepublik einander angenähert werden. Diese Bemühungen sind, was die übrige Bundesrepublik angeht, wie jeder hier im Hause weiß, immer wieder daran gescheitert, daß hier. bei uns zwar die meisten sehr gern für einen Ausbau des Familienlastenausgleichs, also insbesondere für eine Ausweitung des Kindergeldes, eintreten, daß ich aber bisher noch kaum jemanden gefunden habe, der einen realisierbaren Deckungsvorschlag für die Aufbringung der hierfür erforderlichen zusätzlichen Mittel gemacht hätte. Wir wissen alle miteinander, meine Damen und Herren, wie große Schwierigkeiten schon die Erhöhung unseres Kindergeldes vom dritten Kinde an von 30 auf 40 DM monatlich hier im Hause hinsichtlich der Aufbringungsseite bereitet hat, weil zwar jeder für die Erhöhung war, aber — das muß immer wieder gesagt werden — ausschließlich die Mehrheitsfraktion dieses Hauses für die Aufbringung der zusätzlichen Mittel ihren Kopf hinzuhalten bereit war.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4329
Bundesfamilienminister Dr. WuermelingSolange wir uns hier in erster Linie um das Aufbringungssystem streiten, statt vor allem die Notwendigkeit der Leistungen zu sehen und uns gemeinsam in einem guten Kompromiß, bei dem alle Auffassungen berücksichtigt werden können, über die Aufbringung zu verständigen, solange wir nicht von der Formel abgehen: „Ich bin für Kindergeld, aber nur, wenn's der andere bezahlt", kommen wir einfach keinen Schritt weiter.
Ich habe vom Herrn Bundeskanzler vor einigen Monaten den Auftrag erhalten, eine Denkschrift über die wirtschaftliche Lage der Familien in der Bundesrepublik auszuarbeiten.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage. Ich habe Sie eben nicht verstanden. Sie sagen: „— wenn's der andere bezahlt". Ist Ihnen bekannt, daß in unserem Entwurf die Beiträge für das erste und zweite Kind mit 1 % von den Arbeitgebern und von den Arbeitnehmern aufgebracht werden sollen? Wie kann ich Ihre Wendung „wenn's der andere bezahlt" verstehen?
Herr Kollege, diese Bemerkung bezieht sich nicht auf das Saarland, sondern auf die Bundesrepublik. Ich hatte vor den Ausführungen, die ich zuletzt gemacht habe, ausdrücklich bemerkt, daß sie sich auf die Bundesrepublik beziehen.
Ich sagte, ich habe vom Herrn Bundeskanzler den Auftrag zur Ausarbeitung einer Denkschrift über die wirtschaftliche Lage der Familie in der Bundesrepublik erhalten, die in diesen Tagen nach bereits erfolgter Billigung durch den bei meinem Ministerium bestehenden Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen den Ressorts zugeht. Diese Denkschrift soll für die Bundesregierung und das Parlament die Grundlage zu Erörterungen darüber bieten, in welchem Ausmaß, wie und wann der Familienlastenausgleich bei uns seiner Verwirklichung zugeführt werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Dr. Wuermeling: Bundesminister für Familien-und Jugendfragen: Bitte schön!
Dr. Schellenberg: : Sie sprechen von einer neuen Denkschrift Ihres Ministeriums. Ihr Ministerium hat bereits im November 1955 eine Denkschrift über den Familienlastenausgleich vorgelegt, und in dieser Denkschrift heißt es
ja, ich komme zur Frage —: „Die Ausdehnung des Kindergeldes auf das zweite Kind ist notwendig, um die als vordringlich erkannte Förderung der niederen Einkommenschichten zu erreichen." Ich frage
Sie: Wollen Sie in Ihrer neuen Denkschrift von der Denkschrift des Jahres 1955 in dieser Hinsicht abweichen?
Dr. Wuermeling: Bundesminister für Familien-und Jugendfragen: Herr Kollege, die neue Denkschrift wird noch etwas fundierter sein.
— Wenn Sie das, was ich jetzt sagen will, so auffassen, wäre es eine Mißdeutung, Herr Kollege. — Die Denkschrift wird aber nicht mit praktischen Forderungen enden,
weil es uns darauf ankommt, das Thema der Lage der Familie als solches einmal so gründlich zu erörtern, daß auch dem letzten klar vor Augen geführt wird, welche Konsequenzen daraus gezogen werden müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir kommen durch die Zwischenfragen von dem eigentlichen Thema etwas weit ab. Ich möchte dem Herrn Minister Gelegenheit geben, auf die wesentliche Frage zu sprechen zu kommen, zu der er sich zu Wort gemeldet hat.
Dr. Wuermeling: Bundesminister für Familien-und Jugendfragen: Herr Präsident, ich bin sogleich am Ende.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das sollte keine Mahnung an Sie sein.Dr. Wuermeling: Bundesminister für Familien-und Jugendfragen: Nur noch einige wenige Worte. Ich habe zu der generellen Frage immer wieder an das gemeinsame Wollen in diesem Hause appelliert in dem Sinne, daß idas Wollen zur Leistung nur wirksam werden kann, wenn auch ein gleich verantwortliches Wollen zur Aufbringung der Mittel vorhanden ist.
Ich habe für meine Person — das tue ich auch heute wieder — betont, daß ich nicht dogmatisch am jetzigen Aufbringungssystem klebe, sondern für jedes Aufbringungssystem zu haben bin, das der Bundestag zu akzeptieren bereit ist.Noch eine Schlußbemerkung. Wenn hier von Differenzen oder Gegensätzlichkeiten zwischen dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herrn Kollegen Blank, und mir gesprochen worden ist, so muß ich diejenigen, die dabei auf Differenzen innerhalb der Bundesregierung spekulieren, absolut enttäuschen. Ich habe auch in der Frage des Kindergeldes mit Herrn Kollegen Blank während unserer
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4330 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Bundesfamilienminister Dr. Wuermelinggemeinsamen Kabinettstätigkeit stets in bestem persönlichem Einvernehmen gestanden. Sie dürfen sicher sein, daß sich auch in Zukunft nichts daran ändern wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Diskussion über das Thema ist von dem eigentlichen Kernpunkt, um den es geht, etwas abgewichen, nämlich in der Frage, ob die Saarbevölkerung, die in diesen Tagen und Stunden mit bangem Herzen nach Bonn sieht und zuhört, erwarten kann, daß gewisse, sehr bescheiden gewordene Forderungen entsprechend gegebenen Versprechungen erfüllt werden.
Ich habe nicht die Absicht, meine Damen und Herren von der CDU, mich auf Ihren Herrn Familienminister zu berufen oder die von mir sehr geschätzten geistlichen Würdenträger als Zeugen anzuführen. Ich glaube auch nicht, daß ich, wenn ich für die Einlösung eines gegebenen Versprechens und damit für die Erhaltung der Familienzulage in beschränktem Umfang eintrete, in den Geruch komme, Errungenschaften des Herrn Johannes Hoffmann zu verteidigen. Wenn wir das Versprechen vor der Abstimmung abgegeben haben, dann nur, um Herrn Hoffmann loszuwerden; und wir sind ihn losgeworden.
Nun könnten Sie von der CDU mir allenfalls entgegenhalten: Wenn du ein Versprechen abgegeben hast, dann sieh zu, wo du bleibst! Darauf muß ich eingehen, weil ich jetzt diejenigen in Anspruch nehme, die das Versprechen uns gegeben haben. Ich bedauere nur, daß der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundeswirtschaftsminister, die auch Versprechungen in dieser Hinsicht an . der Saar abgegeben haben, heute nicht hier sind. Ich würde lieber in ihrer Anwesenheit über die gegebenen Versprechungen und ihre Einhaltung diskutieren.Meine Damen und Herren, ich habe vorhin die Bemerkung gehört, es sehe so aus, als ob die Bundesrepublik an das Saarland angeschlossen werden solle. Ich darf Ihnen ehrlich versichern, daß wir nicht so vermessen sind, das zu glauben. Ebenso falsch ist es aber — wie das hier durchgeklungen ist oder wie es dem einzigen Kommentar, den der Bundespressespiegel heute zu veröffentlichen für notwendig hält, zu entnehmen ist —, anzunehmen, hier komme ein Volksteil zurück, der sich sofort dem zu fügen habe, was für die Mehrheit bestimmend sei. Meine Damen und Herren, wenn Sie von diesem Grundsatz ausgehen, erlebt keiner von uns hier im Saal die deutsche Wiedervereinigung mit den Ostgebieten.
Denn die dortige Bevölkerung wird es sich sehr überlegen, wenn sie gleichgeschaltet werden soll.
In der Frage des Kindergeldes wird vom Saarland verlangt, sich entgegen gegebenen Versprechungen dem zu beugen, was jetzt hier die Mehrheit bestimmt.
Nun, das ist Demokratie. Aber Sie können uns, wenn Sie demokratisch handeln wollen, nicht daran hindern, Ihre verantwortlichen Männer an das zu erinnern, was sie zur richtigen Zeit versprochen haben.
Ich muß zur Klarstellung — denn die Diskussion hat das ganze Bild verschoben — an folgendes erinnern. Der saarländische Separatismus — lassen Sie mich das Wort einmal klar aussprechen — hatte den ganzen Abstimmungskampf darauf abgestellt, die Saarländer zu einem Ja zum Saarstatut zu bringen. Der Separatismus stützte sich nur auf die materiellen Verschlechterungen, die das Saarland erleben würde, wenn es das Saarstatut ablehnen und durch sein Nein zu Deutschland zurückkehren sollte.
— Ich könnte Ihnen die Plakate hier aufhängen; ich habe sie noch alle in meinem Besitz. Es war ein Appell an den materiellen Instinkt. Nachdem auch der Herr Bundeskanzler am 2. Oktober 1955 die Saarbevölkerung über den deutschen Rundfunk aufgefordert hatte, ja zu sagen, war es selbstverständlich, daß wir alle miteinander, vor allen Dingen auch Ihre Parteifreunde an der Saar, meine Damen und Herren von der CDU, uns in dieser entscheidenden Frage mit den maßgebenden Stellen in Bonn in Verbindung setzten und ein Absprache trafen. In dieser Absprache wurde der Begriff „sozialer Besitzstand" formuliert. In der Drucksache heißt es: Die besseren sozialen Leistungen im Saarland werden erhalten, und soweit sie im Bundesgebiet besser sind, werden sie eingeführt.
Meine Damen und Herren, an diesem Wortlaut, der nun einmal festliegt, ist nicht zu zweifeln. Es ist eine andere Frage, Herr Kollege Stingl, ob wir von der Saar heute noch auf der vollen Erfüllung bestehen. In dieser Hinsicht sind wir schon so bescheiden geworden, daß außer den 8% Differenz bei den Kriegsopferrenten und außer dem Kindergeld von dem ganzen sozialen Besitzstand nichts mehr in der Diskussion steht. Ich habe gestern bereits gesagt und anerkannt, daß CDU/CSU und DP den Entschließungsantrag Drucksache 1781 vom 12. Oktober 1955 nicht mit unterschrieben haben. Aber wie man uns damals ausdrücklich erklärt hat, wurde er nicht etwa deshalb nicht unterschrieben, weil man dem Saarland die Zusagen nicht geben wollte, sondern weil man sich nach dem Saarstatut nicht in die Abstimmung einmischen wollte. Aber wir wurden er-
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Dr. Schneider
mächtigt, meine Damen und Herren — und zwar von Bundesministern, die damals amtierten —, dieses Versprechen mit voller Überzeugung der saarländischen Bevölkerung, den Abstimmenden gegenüber abzugeben, und wir haben es abgegeben.
Wir haben es in dem guten Glauben abgegeben, daß wir heute nicht hier stehenbleiben und in unserer Heimat als Lügner erscheinen.
Das ist doch die Frage, um die es für uns geht.Meine Damen und Herren, dann gelangte der Antrag Drucksache 1781 in die Ausschüsse, und zwar in den gesamtdeutschen Ausschuß und den Auswärtigen Ausschuß. Er wurde diskutiert, und die Formel: „Die besseren sozialen Leistungen im Saarland werden erhalten, und soweit sie im Bundesgebiet besser sind, werden sie eingeführt" wurde debattiert. Ich habe das gestern Herrn Minister Blank schon vorgehalten. Herr Bundesminister Jakob Kaiser hat am 22. Februar 1956 — er hat es mir selbst berichtet, und Sie, die Sie in dem Ausschuß sitzen, können alle auf Grund des geheimen Protokolls feststellen, ob ich hier etwas Falsches oder Richtiges erkläre — a) als Vertreter der Bundesregierung an dieser Ausschußsitzung teilgenommen und b) im Namen des Herrn Arbeitsministers der Bundesregierung die Zustimmung zu dieser Formulierung erteilt. Das war am 22. Februar 1956, also nach der Abstimmung.
Meine Damen und Herren, seit dieser Zeit hat es an der Saar niemand in der saarländischen Regierung unter den saarländischen Politikern, gleich, welchen Parteien sie angehörten, gegeben, der nicht ständig und immer diesem Versprechen getreu der Bevölkerung, die er vertritt, erklärt hat: Wir werden für die Erfüllung dieses Versprechens bis zum Letzten eintreten.Wir haben drei saarländische Regierungen seit dieser Zeit gehabt, drei saarländische CDU-Ministerpräsidenten. Es ist ohne Belang, ob das Herr Kollege Dr. Ney, der Herr Kollege Reinert oder Herr Kollege Dr. Röder waren. Sie haben sämtlich in ihren Regierungserklärungen vor dem Landtag das Versprechen wiederholt. Auch die Vertreter der früheren Hoffmann-Partei — ich bedauere, daß sie hier so schweigsam sind —, die später zu Ihnen gekommen sind, haben sich in einer fulminanten Entschließung vom 4. Februar 1956 zum Verfechter dieser sozialen Errungenschaften gemacht und feierlich versichert, nicht zu ruhen, bis die Versprechungen erfüllt werden.
Dann kam die erste Diskussion. Meine Damen und Herren, jetzt gebe ich Ihnen ein Bekenntnis ab. Ich habe dem Frieden nicht getraut. Ich habe immer die Sorge gehabt, ob wir nicht auf diesem Versprechen sitzenbleiben, und habe mit meinen Freunden gefordert, daß die Regelung dieser entscheidenden Frage vor dem Beitrittsbeschluß der Saarbevölkerung in einem Briefwechsel schriftlich festgelegt wird. Wir wußten und fühlten, daß die jetzige Stunde kommen werde. Heute vor zweieinhalb Jahren war es, meine Damen und Herren, als wir, meine Parteifreunde und ich überstimmt wurden. Am 12. Dezember 1956, ein Tag, bevor Sie hier das Eingliederungsgesetz verabschiedet haben, zogen wir die Konsequenz in der Erkenntnis, daß jetzt eine Sternenstunde für die Politiker an der Saar versäumt worden ist. Außer dem Kollegen Heinemann waren wir die einzigen, die nach dem Kriege aus einer politischen Überzeugung zwei Ministerämter und dás Amt des Landtagspräsidenten aufgegeben haben. Das war unsere Haltung 1956 in dieser entscheidenden Frage.Dann gab es an der Saar immer wieder Diskussionen. Der Herr Kollege Conrad ist mein Zeuge, daß er in Versammlungen erklärt hat, er werde den Besitzstand „mit Klauen und mit Zähnen" verteidigen. Und nun frage ich Sie: Wie stehen wir jetzt vor unserer Bevölkerung?Es wird uns eingewandt: Ihr könnt doch keine Extrawürste verlangen, es muß doch Korrekturen geben. Meine Damen und Herren, niemand von uns hat angenommen, daß wir an der Saar auf Ewigkeiten ein Sondersystem aufrechterhalten werden. Aber ein Gesichtspunkt ist hier überhaupt noch nicht berührt worden; das ist die Frage der Harmonisierung der Soziallasten im Rahmen der EWG und im Verhältnis zu Frankreich. Hat sich denn einmal jemand bei Ihnen darüber Gedanken gemacht, wie das Verhältnis der Saar zu Frankreich wird, wenn jetzt die Grenze gezogen wird — Frankreich hat das Familienleistungssystem, das turmhoch über dem der Saar und der Bundesrepublik liegt —, und wie dann der Wechsel von der Saar zu Frankreich aussehen wird?
- Nein, das widerspricht dem nicht, Herr Kollege. Sie werden es gleich von mir hören.
— Einen Moment, Herr Kollege; lassen Sie mich doch bitte aussprechen.Ich habe diese Gedanken vor den Wirtschaftsministern der Länder in Saarbrücken entwickelt, ich habe sie vor dem Herrn Kollegen Erhard entwickelt, und ich wiederhole das gleiche hier: Es wird niemals eine zweite Etappe des EWG-Vertrages geben, wenn nicht vorher das Problem der Soziallasten zwischen Deutschland und Frankreich gelöst ist. Ich weiß, daß die deutschen Politiker im Bundestag erklärt haben: Es kommt ja gar nicht in Frage, daß wir das französische System übernehmen. Aber, meine Damen und Herren, lesen Sie bitte auch einmal die Protokolle der französischen Nationalversammlung vom 3., 4., 6. und 18. Januar 1957! Lesen Sie, was die Franzosen zu diesem Problem erklärt haben! Sie haben sich auf eine ausdrückliche Zusage des Herrn Bundeskanzlers berufen, daß in der ersten Etappe die Sozialbelastung harmonisiert werde. Wenn ich mich recht erinnere,
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4332 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Dr. Schneider
wurde diese Zusage am 27. Oktober 1956 vom Herrn Bundeskanzler dem damaligen Ministerpräsidenten der Republik 'Frankreich gegeben. Wenn Sie alle Erklärungen der offiziellen Vertreter Frankreichs kennen und wenn Sie die französische Wirtschaft kennen, in der wir 15 Jahre gelebt haben, dann wissen Sie, daß es ganz unmöglich ist, das Problem der sozialen Belastungen zu lösen, ohne daß Sie einen Mittelweg finden.Unser Vorschlag war von Anfang an der: Führen wir doch im Saarland als Beispiel eine Zwischenstufe herbei, eine Art Schleuse, mit der wir beweisen, daß es mit erheblich weniger Leistungen als in Frankreich, aber mit etwas mehr als im Bundesgebiet geht.
- Einen Moment, Herr Kollege; lassen Sie mich das noch entwickeln. Ich komme ja auf die Kosten. Ich bin wirtschaftlich mindestens so versiert wie Sie, Herr Kollege.
Wir haben vorgeschlagen, für das erste Kind 18 DM und für das zweite 28 DM zu zahlen, also erheblich weniger als jetzt, und zwar so lange, bis in der ersten Etappe dieses Problem gelöst ist. Dann hätte die Bundesrepublik immer ein hervorragendes Argument gegenüber Frankreich gehabt: An der Saar haben wir erfolgreich eine Zwischenlösung gefunden. Wer heute an die EWG glaubt und wer sie verwirklichen will, der muß dieses Problem lösen. Denn Frankreich bringt heute jetzt komme ich auf Ihre Frage — als Beitrag für die französischen Familienleistungen einen Zuschlag von 13 oder 14 %, je nach Département, über die Sozialbeiträge, die wir haben, auf, damit die hohen und höchsten Familienleistungen in Frankreich gezahlt werden können.Wenn Sie sich fragen: Wie soll denn die französische Wirtschaft dann konkurrenzfähig sein?, dann gibt die französische Wirtschaft Ihnen dieselbe Antwort, die die französischen Abgeordneten im Parlament gegeben haben: Die Deutschen müssen sich anpassen. Daß das für uns in diesem Ausmaß unmöglich ist, daß wir dann auf den Weltmärkten konkurrenzunfähig werden, ist doch selbstverständlich. Deswegen wich mein Vorschlag, der leider nicht zum Tragen kam; auch in einem gewissen Umfang von dem Gesetz des saarländischen Landtages ab. Ich war nicht der Meinung, daß es richtig sein könne, die saarländische Wirtschaft auch nur mit einem Prozent mehr zu belasten, obwohl man darüber streiten kann, ob dieses eine Prozent etwas ausmacht. Ich war der Meinung, daß hier ein absolutes politisches Sander-problem für die Saar vorliegt, daß es sich um die Einlösung eines politischen Versprechens handelt und daß dieses Versprechen nur eingelöst werden kann durch ein Opfet des Bundes als Probefall für die spätere Realisierung der EWG.Aber, meine Damen und Herren, das Versprechen können Sie nicht dadurch einlösen, daß Sie ein Gnadenjahr geben. Denn die Bevölkerung an der Saar, die in diesem Gnadenjahr zwei Ratenzahlungen erhält, ist dann, wenn die Raten aufhören, erst recht wütend und sagt: jetzt merken wir erst recht, was wir verloren haben.Nun ein Wort zu den Tabellen, den Vèrgleichen! Der Herr Bundesarbeitsminister hat uns gesagt: Hier habe ich Tabellen; ich habe ausgerechnet, daß der Durchschnittslohn des Arbeiters an der Ruhr in der und der Branche nach der - Rückgliederung, wenn ich es auf die Kaufkraftparität berechne, nicht höher oder umgekehrt des Arbeiters an der Saar nicht niedriger sein wird. Wenn Sie aber diesen Vergleichen nachgehen und feststellen, wie sie zustande gekommen sind, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß das doch Milchmädchenrechnungen sind. Man hat einfach in einer Branche — sagen wir, der holzverarbeitenden oder der metallverarbeitenden Industrie — berechnet, wieviel Lohn und sonstige Zulagen im Ruhrgebiet ausgezahlt worden sind, und hat diesen Betrag durch die Zahl der beschäftigten Arbeiter dividiert, und dasselbe hat man an der Saar gemacht. So kann man nicht berechnen, wer was an Kaufkraft einbüßt, wenn er das Kindergeld aufgeben muß. So geht es nicht. Es ist doch für den Mann an der Saar, der bisher das Kindergeld bezogen hat, eine ganz einfache Rechnung: wenn er weiß oder hofft, daß er für das erste Kind 18 Mark in der Tasche hat — und für das zweite Kind .28 Mark, zusammen 46 Mark —, und er bekommt es dann nicht mehr, dann fehlt es ihm eben, und das ist sein Verlust. Das ist doch das Entscheidende und nicht die Frage der Statistik, die quer durch eine ganze Wirtschaft geht. Mit diesen Vergleichszahlen ist also nichts anzufangen.Herr Kollege Horn, die Saarbevölkerung hat Ihnen bei dem zugehört, was Sie gesagt haben, und sie hört dem zu, was wir hier debattieren. Ich glaube, wir können es ihr überlassen, ob sie das Gefühl hat, die Regelung mit dem Gnadenjahr, die man ihr anbietet, ist gut, oder ob sie das Gefühl hat, die Regelung ist schlecht. Die Saarbevölkerung hat ein gutes Gedächtnis, und sie hat in Erinnerung behalten, was der Herr Bundeskanzler versprochen hat. Ich habe es gestern wörtlich vorgelesen; ich will es jetzt nicht wiederholen. Sie hat in Erinnerung, was Herr Minister Erhard .bei drei Besuchen und soundso viel Wahlkämpfen ausgeführt hat und was er geschrieben hat. Alles das ist ihr in Erinnerung. Aber, wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, auch nicht mir zu gefallen entscheiden wollen, dann haben Sie doch wenigstens etwas Mitleid mit Ihren eigenen Fraktionskollegen an der Saar! Wie stehen diese denn heute da? Doch genauso wie wir - als Menschen, die ihr Versprechen nicht einlösen können!Meine Damen und Herren! Diese Frage ist mehr als die Frage eines Prinzips. Es ist die Frage, ob ein Volksteil von einer Million Menschen, der sich im 'Vertrauen auf ein gegebenes Versprechen politisch bekannt hat — ohne daß das Versprechen ausschlaggebend war —, das Vertrauen behalten und sagen darf, wir sind nicht enttäuscht worden — um keine härteren Worte zu gebrauchen. Das ist das, was die Saarbevölkerung heute bewegt, und -zig Anrufe und Telegramme in diesen Stunden beweisen es uns.Dann ist eingewandt worden: Wir haben so viel Geld für die Saar ausgegeben; wie könnt ihr uns
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4332
Dr. Schneider
zumuten, daß wir nun noch mehr Millionen aufbringen? Ich sehe mich angesichts der Tatsache, daß Zahlen im Raum stehen, genötigt, hierauf kurz einzugehen.Es ist gesagt warden: der Bund wird in den Jahren bis 1961 etwa 21/2 Milliarden DM für die Saar aufbringen. Dazu folgendes: 680 Millionen DM werden an Frankreich gezahlt, um französische Ansprüche, die im Saarvertrag von der Bundesregierung anerkannt sind, die teils berechtigt sind, teils Sonderleistungen waren, abzufinden.
Es sind des weiteren etwa 600 Millionen DM Darlehen an die Saar gegeben worden, die ebenfalls in der genannten Summe enthalten sind, die aber zurückgezahlt werden. Als echte Zuschüsse sind überhaupt nur folgende Posten zu werten — und ich habe gestern als Sprecher der Saar und der Freien Demokraten dankbar anerkannt, daß die Bundesregierung uns diese Zuschüsse gegeben hat —: Zur Stabilisierung des saarländischen Haushalts sind jährlich etwa 50, 60, 65 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Aber vergessen wir nicht, daß dabei 65 Millionen DM für Defizite sind, die das Hoffmann-Regime uns hinterlassen hat und die auch der Bund bezahlen mußte. Dann ist Geld für den Bau von Straßen an der Saar gegeben worden. Ja — ist denn das irgendeine politische Leistung? Es werden doch auch für den Straßenbau im Bundesgebiet Mittel des Bundes gegeben. Des weiteren sind Mittel für die Deckung der Defizite van Bahn und Post gegeben worden. Auch das sind Leistungen, die selbstverständlich sind, die man der Saarbevölkerung doch nicht als Opfer für die Heimkehr anrechnen kann.
: Das ist ja
nichtgesagt worden!)Doch, es ist so gesagt worden, Herr Kollege Fritz; es hat das gesagt Herr Kollege Hellwig, es haben das gesagt Herr Professor Hettlage und Herr Kollege Becker. Das steht im Raum; Sie lesen es heute in allen deutschen Zeitungen, und es könnte der Eindruck entstehen, daß die Saarländer so eine Art von Unverschämten seien, die nicht genug bekommen können
und vom deutschen Volk nun noch mehr Leistungen verlangten.Wenn die uns vorliegende Rückgliederungsgesetzgebung, wie gesagt worden ist, 290 Millionen DM kostet, dann können wir doch nicht davon ausgehen, daß die Wiedergewinnung eines Volksteils mit einem solchen Industriepotential, wie es die Saar ist,
in einem Jahr vom Bundeshaushalt abgeschrieben werden müsse. Das muß doch kapitalisiert werden auf Jahre hinaus. Glauben Sie, die Franzosen hätten sich so um die Saar bemüht, wenn sie nicht denWert in der Saarbevölkerung und. der Saarwirtschaft erkannt hätten?
Wir haben uns ausgerechnet, was die Regelung nach unserem Vorschlag kosten würde. Wir haben in den Ausschüssen vorgeschlagen - und vielleicht ist dieser Vorschlag eine neue Grundlage für eine Diskussion mit dem Herrn Arbeitsminister darüber, die Sache außerhalb des saarländischen Gesetzes zu regeln —, vorerst, bis zum Ablauf der ersten Etappe der EWG, an der Saar das Kindergeld für das erste und zweite Kind in den Sätzen, die Sie kennen, zu erhalten, aber nicht, indem ein Exempel durch die Wirtschaft statuiert wird — denn auch wir wollen die Wirtschaft an der Saar nicht stärker belasten —, sondern indem der Bund von sich aus ein Saar-Opfer bringt, um das politische Versprechen einzulösen. Mit dieser Lösung werden Sie jede Berufung in der Bundesrepublik auf die Regelung an der Saar — und eine solche Berufung wird ja befürchtet, darum geht ja der Streit — vermeiden; man wird dann immer erklären können: Die Regelung für die Saar ist eine Lösung zur Überbrückung eines Zustandes, den man nicht von einem Tag auf den anderen, sondern nur in Jahren abbauen kann. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie Elsaß-Lothringen nach 1918 von Frankreich auf dem Gebiete der Sozialpolitik behandelt worden ist — auch davon ist gestern gesprochen worden —, werden Sie finden, daß man auch dort von der nüchternen Erkenntnis ausgegangen ist, daß man bessere soziale Regelungen nicht von einem Tag auf den anderen abbauen darf, sondern sie eine Zeitlang erhalten muß.Nun, meine Damen und Herren: was kostet die Geschichte? Sie kostet den Bund — wenn Sie die saarländischen Reserven einbeziehen — in vier Jahren 160 Millionen DM oder jährlich 40 Millionen DM. Nun können Sie sagen: Das ist eine große Stimme. Wenn ich vom Bundesverteidigungshaushalt ausgehe, muß ich sagen: es ist eine kleine Summe.
— Ich erwähne es nur. Ich will nicht von Ihnen verlangen, daß Sie wegen der Saar die 11,6 Milliarden Verteidigungskosten kürzen.Aber ich will Ihnen ein anderes Gegenargument bringen, das Ihnen vielleicht zu denken gibt. Durch die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes verschlechtert sich die Frachtlage der saarländischen Unternehmungen so, daß ein Hüttenwerk nach der Eingliederung in einem Jahr 70 Millionen DM mehr Frachten aufzubringen hat als bisher. Das ist auch ein Problem, das hier noch nicht zur Diskussion stand. Wenn ein Unternehmen mit solchen Summen rechnen muß, dann darf ich wohl die Frage stellen: Was soll ein Streit um jährlich 40 Millionen, wenn es um die so hochpolitische und neuralgische Frage der Kindergeldgesetzgebung im. Saarland geht?Ein letztes Argument. Wenn Sie uns sagen: Ihr Saarländer müßt euch gefallen lassen, daß ihr vorDr. Schneider
heute auf morgen in allen wichtigen Fragen mit geringen Abweichungen auf einzelnen Gebieten in das Bundesgebiet rechtlich eingegliedert werdet, dann hat das für die Saarbevölkerung so etwa den Eindruck, als ob wir die ganze Last des letzten Jahrzehnts und die dadurch bedingten Schwierigkeiten der Umstellung allein zu tragen hätten. Meine Damen und Herren, das Saarland ist im Laufe meiner Generation zweimal für je 15 Jahre abgetrennt worden, und zwar zweimal als Reparationslast, stellvertretend für das ganze deutsche Volk. Frankreich hat die Saar als Siegespfand und als Ausgleich für Kriegsverluste gefordert und erhalten. Niemand kann von uns verlangen, daß wir diese Last allein tragen.Wir erwarten deshalb heute ein finanzielles Opfer in Höhe der 160 Millionen DM für vier Jahre. Ich bin aber überzeugt, daß das ganze deutsche Volk, wenn Sie es fragten, mit vollem Herzen ein solches Opfer bejahen würde angesichts der Tatsache, daß die Saar entgegen dem Willen aller Maßgebenden selbst heimgefunden hat.
Die Saar hat nicht allein den Krieg verloren, und die Kosten der Rückführung gehen uns alle, das gesamte deutsche Volk an. Wenn wir . einmal die Wiedervereinigung, die wir alle wünschen, errei- chen werden, müssen diese Kosten auch von uns allen' getragen werden. Dann wird man auch nicht sagen können: Das und jenes hat zu verschwinden, sondern dann wird man den Menschen den Weg zurück in die größere Gemeinschaft auch so leicht wie irgend möglich machen müssen.Die Einlösung des Versprechens und der planmäßige abgestufte Übergang, wie er in meinem Vorschlag enthalten ist, ist deshalb die Erfüllung einer selbstverständlichen Verpflichtung der deutschen Bundesregierung, des deutschen Bundestags und, das darf ich mit gutem Gewissen sagen, des ganzen deutschen Volkes. Wir von der Saar haben unter schwersten Bedingungen am 23. Oktober 1955 unsere Pflicht getan, ohne zu fragen, was hinterher materiell kommt. Tun Sie jetzt die Ihre!
Das Wort hat der Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl wir gestern stundenlang über das gleiche Thema debattiert haben, zwingen mich die Äußerungen des Herrn Kollegen Dr. Schneider, doch noch einmal kurz das Wort zu ergreifen.
Zunächst bin icherstaunt über den Wechsel der Argumente. Herr Kollege Schneider stellt es jetzt so dar, als ob die erforderliche Aufwendung von etwa 160 Millionen DM, mit das Kindergeld weiter zahlen zu können, eine Schuld sei, die das deutsche Volk für das Saarland zu erbringen habe. Wenn ich recht gehört habe, hat uns aber soeben der Herr Kollege Conrad dargelegt, daß uns das ja gar nichts kante, weil man im Gesetzentwurf festgelegt habe,
daß die ,erforderlichen Gelder durch Beitragsleistungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzubringen seien. Welches ist nun die richtige Version?
— Ihre?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, gern!
Herr Ministier, ich habe ausdrücklich erklärt, daß mein Vorschlag und die Vorstellungen, die ich seit drei Jahren entwickelt habe, abweichen von dem Gesetz, das der Landtag des Saarlandes verabschiedet hat. Das Gesetz des Landtags des Saarlandes ist entstanden infolge der ablehnenden Haltung, vom Bund überhaupt etwas zu tun. Deshalb hat der Landtag des Saarlandes sich mit ,der Mehrheit auf den Standpunkt gestellt, daß man dann eben die geforderte Regelung auf eigene Kosten durchführen müsse, also davon ausgehend, daß der Weg, der von mir aufigezeigt wurde, nicht gangbar sei. Das habe ich zum Ausdruckgebracht. Insofern weichen tatsächlich die Vorschläge voneinander ab. Aber der Landtag des Saarlandes - ich glaube, das wird der Kollege Conrad auch erklären — war der Meinung, daß wir alle glücklicher sein könnten, wenn Sie meinem Vorschlag zustimmten, als wenn wir dise Zustimmung zu dem saarländischen Gesetz brauchen.
Ich bin Ihnen für diese Klarstellung außerordentlich dankbar. Sie erklären, daß das Kindergeld fortgezahlt werden muß und die erforderlichen Mittel der Bund aufzubringen hat. Der Landtag des Saarlandes — auch Herr Conrad hat es uns dargelegt —. wollte nur die Zustimmung zu einem Gesetz, nach dem die Mittel aus Beiträgen aufgebracht werden. In Wahrheit ist also gar keine Diskrepanz in den beiden Auffassungen. Ich wollte das nur noch einmal klar .herausgestellt haben. Wenn die Saar sich darauf berufen hätte — vielleicht sogar mit Recht —, daß ihre Wirtschaft in keiner Weise eine ihre Konkurrenzfähigkeit hemmende Vorbelastung gegenüber der Bundesrepublik übernehmen könne, wäre die logische Konsequenz gewesen, zu verlangen, daß die Mehrbelastung von 2 % ebenfalls durch Bundessubvention ersetzt wird. Nun frage ich Sie aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, inwiefern liegt darin ein Akt besonderer Gerechtigkeit. Wir haben erklärt und bleiben bei dieser Erklärung — ich habe es auch gestern schon ausgeführt und kann mich deshalb in diesem Punkt kurz fassen —, daß der soziale Besitzstand an der Saar erhalten bleiben soll. Ich habe in meinen mehrfachen Verhandlungen mit der Saarregierung immer wieder dargelegt, daß dieses Versprechen eingehalten wird. Es ist mir auch niemals widerlegt worden, daß esnicht geschehen wäre.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4335
Bundesminister BlankIch habe schon gestern darauf hingewiesen, was die ,Saarregierung in den Verhandlungen ausgeführt hat. Es würde mich reizen, Herr Dr. Schneider, aus einer langen Aufstellung, die ich mir gemacht habe, im einzelnen darzulegen, wie die Einkommens- und sozialen Verhältnisse der saarländischen Arbeit- nehmerschaft sich nach der Eingliederung gestaltet haben. Ich verzichte ,darauf, weil, wie gesagt, bis heute meine Darlegungen von saarländischer Seite nie widerlegt worden sind.
Gestatten Sie eine Frage? —
Gern, Herr Dr. Schneider.
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß Ihre Unterlagen im Saarland nachgeprüft worden sind, und zwar von der Arbeitskammer des Saarlandes, einem Institut des öffentlichen Rechts, und von den beiden Gewerkschaften, und daß in Denkschriften der drei Institutionen eingehend die Fehlerquellen Ihrer Berechnungen — auch ich will nicht darauf eingehen; ich könnte es, ich habe sie hier — dargetan sind?
Mir sind die Dinge bekannt, und es ist nicht nachgewiesen. Die Gewerkschaften z. B. haben im wesentlichen gesagt: Es ist zu befürchten. Es wird immer von dem gesprochen, was zu befürchten sei. Ich habe Ihnen auch im Wirtschaftsausschuß dargetan, was zu erwarten sein wird, wenn die Saar jetzt endgültig in das deutsche Währungs- und Zollsystem eingebaut wird.Nun haben Sie wieder etwas Neues vorgebracht, und zwar die Behauptung, daß der EWG-Vertrag nicht vervollständigt werden könne, wenn man die Kindergeldregelung an der Saar jetzt ändere. Sie sprechen immer von der zweiten Etappe des EWG-Vertrages. Ich unterstelle, Herr Kollege, daß Ihnen der EVG-Vertrag bekannt ist.
— Entschuldigen Sie! Es wäre übrigens gut gewesen, wenn der EVG-Vertrag angenommen worden wäre.
Der EWG-Vertrag enthält nur die Verpflichtung, in der ersten Etappe, in den ersten vier Jahren also, gleichen Lohn für Mann und Frau zu zahlen. Das ist das Ergebnis der von Ihnen so häufig zitierten Unterhaltung zwischen Herrn Adenauer und Herrn Mollet. Das Ergebnis dieser Verhandlung ist in den Vertrag aufgenommen worden. Darüber hinaus gibt es in dem Vertrag gar kein Versprechen. Es ist nur die Erwartung ausgeprochen, daß sich im Zuge der Entwicklung eine Annäherung der sozialen Verhältnisse ergeben werde.Mit diesem Problem habe ich mich mehrfach zu beschäftigen gehabt, auch mit einer parlamentarischen Kommission und mit den Vertretern der Hohen Kommission. Die Vorstellung von der sozialen Harmonisierung, die Vorstellung mancher, daß man die sozialen Leistungen gleich gestalten könne, auch wenn unterschiedliche volkswirtschaftliche Ergebnisse vorlägen, halte ich für nicht verwirklichungsfähig. Sie steht auch nicht im Vertrag. Die soziale Harmonisierung wird eine Folge der wirtschaftlichen Harmonisierung sein. Sie wird kommen, wenn es uns gelingt, durch den großen Zusammenschluß die wirtschaftliche Effizienz der zurückgebliebenen Länder zu erhöhen. Das ist die Frage.Als die Herren an mich einmal allen Ernstes die Frage richteten, wie ich mich dazu stellen würde, in Deutschland auf einen möglichen sozialen Fortschritt so lange zu verzichten, wie die anderen Länder ihn noch nicht haben könnten und bis sie ihn erreicht hätten, habe ich sie gefragt, wie sie sich das vorstellten. Ich habe erklärt, daß es in Deutschland überhaupt keine Möglichkeit gebe, die Sozialpartner daran zu hindern, vertragliche Vereinbarungen zu treffen, die einen sozialen Fortschritt bedeuteten: höhere Löhne, kürzere Arbeitszeit, längere Urlaubszeiten, Kindergeld — es gibt ja auch tarifvertragliches Kindergeld —, an diesen Vereinbarungen könnten wir sie nicht hindern; die Herren sollten diese Frage doch einmal den deutschen Gewerkschaften stellen.Herr Schneider, was Sie vorbringen, ist kein Argument: Um die soziale Harmonisierung herbeizuführen, muß das Kindergeld an der Saar erhalten bleiben. Wir wollen den Saarländern ihren Arbeitsplatz erhalten. Wir wollen die Vollbeschäftigung an der Saar. Wie aus einem Interview hervorgeht, sieht der Herr Kollege Conrad auch die Vollbeschäftigung jetzt schon vorweg als höchst gefährdet an. Mit solchen Erklärungen erzeugt man an der Saar nur unnütze Nervosität.
Wir haben ein Wirtschaftsgebiet, in dem traditionell, jetzt seit vielen Jahren, die Vollbeschäftigung vorhanden ist und das sich mit seinen gesamten sozialen Leistungen in Europa sehr wohl sehen lassen kann. In dieses Wirtschaftsgebiet, in dem nahezu 20 Millionen Menschen in abhängiger Arbeit stehen, strömen nun vielleicht 300 000 Arbeitnehmer neu hinein. Und da will man annehmen, daß es diesen 300 000 Arbeitnehmern in Zukunft schlechter gehen wird als bisher? Meine Damen und Herren, das ist doch — entschuldigen Sie — einfach absurd!
So wie die Dinge liegen, wird allein die Tatsache, daß die Saar-Arbeitnehmer nunmehr aus dem Bereich einer Währung herausgehen, die im letzten Jahrzehnt zunehmend an Wert verlor und mehrmals offiziell abgewertet werden mußte, einen unschätzbaren Gewinn für die Arbeitnehmerschaft an der Saar bedeuten.
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4336 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Bundesminister BlankIch behaupte noch einmal: wenn wir das deutsche Kindergeld einführen, bedeutet das für die Saar insofern einen Fortschritt, als nunmehr auch diejenigen Kindergeld bekommen, die es in der Vergangenheit überhaupt nicht bekommen haben. Es steht fest, daß die Saar-Arbeitnehmer, die Verheirateten mit Kindern, bei dieser Regelung kein geringeres Einkommen haben werden, als sie es bisher hatten; denn es fände doch nur, wenn Sie so wollen, meine Damen und Herren, eine Umstrukturierung statt, und zwar das Herauswachsen aus dem französischen Entlohnungssystem mit einem geringeren Anteil vom im Betrieb erworbenen Leistungslohn und einem höheren Sozialpaket in einen Zustand, bei dem das Sozialpaket zahlenmäßig kleiner, dafür aber das Leistungslohn-Paket erheblich größer wird. Ich verstehe gar nicht, weshalb Sie überhaupt nicht in Rechnung stellen, daß auch die Sozialpartner an der Saar und insonderheit die Saar-Gewerkschaften, sehr wohl imstande sein werden, die Vorteile für ihre Mitglieder wahrzunehmen. So liegen die Dinge. Und wenn das so ist, haben wir unser Versprechen erfüllt. Und wenn man den Saar-Arbeitern alle diese Vorteile gewährt, wenn man sie aufnimmt in unsere Gemeinschaft und wenn wir stolz darauf sind, daß wir ihnen wahrscheinlich mehr zu bieten haben als sie bisher gehabt haben, dann liegt kein Anlaß vor, nunmehr noch darüber hinausgehend einen Teil aus dem alten französischen System zu erhalten. Meine Damen und Herren, man kann nicht nur teilweise von einem Währungs- und Wirtschaftssystem in ein anderes gehen, sondern man muß schon ganz und gar von einem System in das andere gehen. Das läßt sich nun einmal nicht ändern.
So sage ich: es wäre ein Unrecht gegenüber dem deutschen Arbeiter, wenn man ihm nicht das gleiche zukommen lassen wollte. Damit kommen wir aber wieder zu dem Problem der Milliardenbeträge. Ich habe gestern gesagt und wiederhole heute: ich weigere mich, Wechsel auf Milliarden auszustellen, von denen ich nicht weiß, wann ich sie einlösen kann.
Das kann und darf ein verantwortungsbewußter Politiker nicht machen, und Sie können es genauso wenig tun, wie ich das tun kann. Deshalb, glaube ich, handeln wir recht und hat auch die Bundesregierung recht gehandelt, als sie diesem saarländischen Gesetzentwurf ihre Zustimmung nicht gab. Denn in keiner Phase der Verhandlungen — und das muß Herr Conrad wissen, der ja einmal daran teilgenommen hat, der einmal in einer solchen Verhandlung von einer fünfjährigen Übergangsregelung sprach —, zu keiner Zeit hat die Bundesregierung die Saar darüber im unklaren gelassen, daß sie diesen Wunsch auf Übernahme aller besseren Bedingungen, als die Bundesrepublik sie kennt, aber obendrein noch auf das Festhalten an einer darüber hinausgehenden Regelung, ohne daß wir in der Lage sind, dieselbe gegenwärtig auf die gesamten deutschen kinderreichen Familien ausdehnen zu können, nicht erfüllen könne, daß die Bundesregierung einer solchen Lösung ihre Zustimmung nicht geben könne.Also, Herr Schneider, ist die Öffentlichkeit an der Saar von uns nicht getäuscht worden. Was Sie im Einzelfall im Feuer des Wahlkampfes versprochen haben, das vermag ich nicht zu kontrollieren, brauche ich aber auch nicht zu honorieren.
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Hettlage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als Sprecher des Finanzministeriums nicht zu der finanzpolitischen Seite der gegenwärtigen Debatte Stellung nehmen. Mir liegt vielmehr daran, Ihnen im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schneider ein paar tatsächliche Angaben über die finanziellen Leistungen des Bundes für das Saarland in den letzten Übergangsjahren zu geben sowie eine Unterrichtung über die Auswirkung der Gesetze, die Sie gegenwärtig beraten.Aus dem Bundeshaushalt sind in den Jahren 1956 bis 1959 an den Saarhaushalt 586 Millionen DM gezahlt worden oder zu zahlen. Davon ist ein Teilbetrag von 231 Millionen DM als Zuschuß gekennzeichnet, der Rest von 354 Millionen DM sind Darlehen. Über die Umwandlung eines Teils dieser Darlehen, die für verschiedene Zwecke gegeben worden sind, sind zwischen der Saarregierung und der Bundesregierung noch Besprechungen im Gange.Neben diesen Leistungen aus dem Bundeshaushalt an den Saarhaushalt sind weiter für die Wirtschaftsförderung an der Saar — einschließlich der Übernahme von Schulden der Saar an Frankreich — erhebliche Beträge auf den Bundeshaushalt übernommen worden, und zwar in der Gesamthöhe von rund 367 Millionen DM. Wenn Sie diese Haushaltsleistungen zusammenrechnen, haben also die deutschen Steuerzahler in den bisherigen Jahren insgesamt genau 952,8 Millionen DM für den Saarhaushalt und die Saarwirtschaft gezahlt. Selbstverständlich sind darin auch die zinsverbilligten Darlehen enthalten, die aus Haushaltsmitteln des Bundes zu Lasten der deutschen Steuerzahler zur Kapitalaufstockung der Saarbergwerke, zum industriellen Ausbau der Röchling-Werke und für andere Zwecke gegeben worden sind.Nur der Ergänzung halber darf ich hinzusetzen, daß in der Vergangenheit aus ERP-Mitteln für den wirtschaftlichen Aufbau der Saar weitere 210 Millionen DM gegeben worden sind. Schließlich haben auch Bundesbahn und Bundespost verlorene Zuschüsse an die Saarbahn und die Saarpost in Höhe von rund 383 Millionen DM gezahlt. Ein Teil dieser Zuschüsse, vor allen Dingen bei der Bundesbahn, wird im Endergebnis vom Bundeshaushalt getragen.Ich führe hier als Leistungen des Bundes im Interesse des Saarlandes nicht die einmaligen und außerordentlich hohen Zahlungen auf, die im Zuge der Währungsumstellung der Saar an Frankreich zu leisten sind. Das waren 680 Millionen DM, die durch die letzte Abwertung des französischen Franken auf
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Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4337
Staatssekretär Dr. Hettlagerund 580 Millionen DM gesunken sind. Diese hohen Zahlungen rechne ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht auf.
— Deswegen führe ich sie ja auch nicht auf.
Schließlich darf ich Ihnen als Erläuterung zu den vorliegenden Gesetzentwürfen kurz sagen, was das kostet, was gestern hier beschlossen worden ist und was nach der Regierungsvorlage für die weiteren Gesetze als Übergangshilfe ab 1. Januar 1960 im Jahre 1960 anfällt. Für die gestern erörterte und beschlossene Hilfe für die Tabakwarenhersteller zahlt der Bund im nächsten Jahr rund 10,1 Millionen DM. Wir geben weiter eine ergänzende Finanzhilfe an das Saarland vom Tage X bis zum Ende der Übergangszeit von weiteren 50 Millionen DM. Wir erstatten Zölle, Verbrauchsabgaben und anderes mehr an das Saarland in Höhe von weiteren 50 Millionen DM. Die Sicherung der Ersparnisse nach dem Ersparnissicherungsgesetz kostet etwa 85 Millionen DM, die aus diesem Anlaß aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte!
Ich frage Sie: Werden zu dem Antrag, der hier gestellt ist, Bundesmittel gefordert? Sprechen Sie eigentlich zum Thema?
Meine Damen und Herren! Auch wenn es lange dauert, ich bitte um Ruhe! -
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Herren Abgeordneten, erlauben Sie mir bitte noch zum Schluß, die steuerliche Auswirkung der Präferenzen zu schildern, die Sie gestern beschlossen haben.
Die Steuervergünstigungen, Präferenzen und Subventionen, die gestern beschlossen worden sind, führen im Bundeshaushalt im nächsten Jahr zu einer Wenigereinnahme von mindestens 80 Millionen DM; im folgenden Jahr nochmals zu einer Mindereinnahme von etwa 50 Mio DM.
Das D-Markbilanzgesetz, das Sie heute noch verabschieden wollen, führt zu einer Belastung des Bundeshaushalts in den nächsten beiden Jahren um je etwa 25 Millionen DM.
Die Kindergeldregelung, die hier von der Bundesregierung vorgeschlagen ist, erfordert eine einmalige weitere Hilfe von 30 Millionen DM.
Wenn ich das zusammenrechne, kostet das nächste Jahr zusätzlich zu dem bisher Geleisteten allein in den hier genannten Beträgen rund 330 Millionen DM.
Nicht erwähnt habe ich die Leistungen, die aus dem Beamtenüberleitungsgesetz noch vor uns liegen. Bei der Überleitung der Sozialleistungen werden mittelbar noch einige weitere Lasten im Wege der Bezuschussung der Versicherungsträger, z. B. Knappschaft, Mutterschutz und anderes auf den Bund zukommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der saarländische Landtag in seinem Entwurf den Absichten Dr. Schneiders gefolgt wäre, zu beantragen, daß die Mittel aus dem Bundeshaushalt aufgebracht werden, dann hätte Herr Staatssekretär Hettlage Gelegenheit, zu seinen Zahlen nun auch diese Beträge noch hinzuzurechnen. Zur Beurteilung der Frage, ob man dem Saarland das Recht belassen soll — um mehr handelt es sich gar nicht —, in der Frage des Kindergeldes in etwa vom System des Bundes abzuweichen, kann man aber nicht allgemeine Erklärungen abgeben, wie es der Staatssekretär jetzt getan hat. Der Staatssekretär hat Zahlen vorgelesen, die wir von der Saar sehr begrüßen. Es hat wohl noch kein Sprecher, und ich am wenigsten, hier gesagt, der Bund habe bisher für das Saarland nichts getan. Die Zahlen, die Herr Staatssekretär Hettlage hier dargestellt hat, sind tatsächlich Mittel, die aufgebracht worden sind, um das Projekt der Eingliederung der Saar in Fluß zu bringen und zu verwirklichen.
Kein Mensch von uns denkt daran, diese Leistungen geringer zu bewerten. Es ist aber auch schlecht, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang, wenn es um eine Prinzipienentscheidung geht, solche Rechnungen aufzumachen.
Ich habe gestern schon davon gesprochen, daß die Diskussion in diesem Hause wahrscheinlich letzten Endes von den Zahlen diktiert werde, und Herr Staatssekretär Hettlage hat hier ein wunderbares Beispiel gegeben.Ich darf noch einmal feststellen: Die bisherigen Leistungen des Bundes werden von der Saarbevölkerung, und zwar von der genannten Saarbevölkerung, anerkannt. Die Bevölkerung hat keinen Zweifel, daß der Deutsche Bundestag sich auch künftig noch mit Gesetzen beschäftigen wird, die mit diesen Dingen zusammenhängen. Hier geht es aber um ein Prinzip. Hier geht es darum, ob das Recht zuerkannt wird, daß wir in kleinerem Ausmaß auch ein Eigenleben führen können, oder ob in diesem Hause die Uniformierung erzwungen werden soll.
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4338 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
ConradDer Vorschlag, den der Herr Bundesarbeitsminister gemacht hat, ist nämlich nicht im geringsten ein Vorschlag zur Harmonisierung, sondern es ist der Vorschlag, zu liquidieren. Die Liquidation soll dadurch erleichtert werden, daß noch ein paar Millionen draufgezahlt werden. Wir wollen dieses Geld gar nicht haben, sondern wir wollen an der Saar das Recht haben, durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 1 %
von ihrem sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn aufbringen zu lassen, um damit unsere Kindergeldkassen zu speisen, nicht mehr und nicht weniger!
Herr Dr. Fritz!
Herr Conrad, widerspricht das nicht dem, was Sie vorhin sagten, als Sie erklärten, daß die im Saarland angestrebte Regelung Modellfall für eine baldige Regelung im gesamten Bundesgebiet sein soll?
Conrad Das ist die Ansicht von sehr vielen Leuten. Sagten Sie „einige"? Ich habe den Bischof angeführt. Ich teile die Ansicht — und das ist heute auch die Ansicht der Gewerkschaften —, daß wir bei uns in der Bundesrepublik zur Zahlung von Kindergeld für weitere Kinder kommen müssen, Herr Dr. Fritz.
— Was ist bald, Herr Dr. Fritz? Es ist Ihnen doch keine Neuigkeit, daß es auch in Ihrer Fraktion genügend Männer und Frauen gibt, die die gleiche Meinung vertreten, einschließlich des Bundesfamilienministers. Das ist doch überhaupt keine Streitfrage, um die es geht.
- Jawohl, wir möchten an der Saar dieses System, und zwar verändert durch Harmonisierung in Richtung auf das, was die Bundesrepublik sowieso tun muß, um zur Zahlung von Kindergeld für das zweite und dann vielleicht auch für das erste Kind zu kommen. Das haben wir hier vorweggenommen; insofern ist es eine Übergangslösung.
— Ich halte das für nicht erforderlich, Herr Kollege Stingl. Sie wissen doch, was die Rechtsgleichheit in unserem Lande bei dem Schlosser, der in Hamburg auf einer Werft arbeitet, und dem Schlosser, der in einer kleinen Werkstatt im Bayerischen Wald beschäftigt ist, bedeutet. Diese Rechtsgleichheit bedeutet, daß der eine am Ende seines Lebens nur die Hälfte der Rente hat, die der andere erhält, weil er nämlidi geringere Löhne hat. Der Schlosser im
Bayerischen Wald bezieht nur die Hälfte des Krankengeldes, das der andere in Hamburg bekommt.
— Bitte, Herr Stingl, so ist das mit der Rechtsgleichheit; man darf sie nicht strapazieren. Trotz gleicher Gesetze kommen wir zu ganz anderen Ergebnissen. Wir wollen folgendes Ergebnis anstreben. Dem Manne, der ein Kind hat oder der zwei Kinder hat, wollen wir das Gefühl erhalten, das er bisher hatte, daß er nämlich gegenüber seinem Kollegen, der ledig oder verheiratet ist, aber noch nicht für ein Kind zu sorgen hat, einen Vorteil hat, einen Vorteil, der ja nur einen Bruchteil von dem bedeutet, was er zur Erziehung der Kinder aufwenden muß.
Das ist unsere Ansicht. Ich teile nicht die Ansicht des Bundesarbeitsministers, daß man diese Frage bei der Harmonisierung des europäischen Marktes außer Betracht lassen kann. Seine Erklärungen gegenüber dem Vorsitzenden des Sozialpolitischen Ausschusses im Europäischen Parlament, von denen er hier vorhin Mitteilung machte, werden zweifellos bei den Mitgliedern des Europäischen Parlaments einschließlich der Mitglieder Ihrer Fraktion in diesem Parlament keinen Beifall finden. Ich habe keinen Zweifel, daß im Europäischen Parlament über die Haltung des Bundesarbeitsministers noch gesprochen wird, genauso gesprochen wird, wie in diesem Parlament über die mangelnde europäische Haltung des Bundeswirtschaftsministers gesprochen wurde, als er im Europäischen Parlament eine Rede hielt.
Was Sie, Herr Minister Blank, vorhin hier mitgeteilt haben, ist also noch nicht der Weisheit letzter Schluß. Ihre Mitteilung — ich habe in dem Gespräch mit Ihnen angeboten, eine fünfjährige Regelung durchzuführen — greife ich gern noch einmal auf und wiederhole das Angebot. Geben Sie,, uns die von uns vorgeschlagene Regelung für fünf Jahre. Dann reden wir in fünf Jahren weiter darüber.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erkenne durchaus an, - daß die Zahlen, die Herr Staatssekretär Hettlage genannt hat, im Zusammenhang mit meinen Ausführungen eine gewisse Berechtigung haben. Aber sie sind für mich gar nichts Neues. Ich habe sie hier vor mir liegen gehabt und ich hätte sie Ihnen genauso vortragen können. Ich habe daraus aber tauch die Schlußfolgerung gezogen — das hat jeder hören können, der meinen Ausführungen gefolgt ist —, daß man bei diesen Zahlen nicht stehenbleiben kann, wenn es sich um die Einlösung eines so gravierenden Versprechens handelt und wenn insgesamt nur - jetzt sage ich einmal: nur — 160 Millionen DM zur Diskussion stehen. Das ist doch das Problem.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 433
e
Dr. Schneider
Wir Saarländer wissen, was der Bund für uns getan hat. Wir wissen aber auch, was wir mitbrïngen. Wir kommen doch nicht mit leeren Händen. Fahren Sie doch einmal durch das Saargebiet! Sehen Sie sich einmal die gigantischen Werke der Gruben an, die wir dem Bund heute zu 74 % gebracht haben. Hätten wir 1955 ja gesagt, dann hätte der Bund das Nachsehen gehabt. Oder sehen Sie sich die anderen Werte an! Wir bringen doch. eine Volkskraft, ein Arbeitspotential mit. Das kann man nicht in einem Haushaltsjahr abrechnen.
Das muß man kapitalisieren!
Das ist doch die Frage.
Es wäre interessant, zu erfahren — ich habe diese Frage bisher noch nicht gestellt, aber ich stelle sie jetzt —, welche Summen der Bund, sagen wir einmal, zur Stützung der französischen Währung und des französischen Haushalts aufgebracht hat.
Das sind Hunderte von Millionen! Interessant wäre ferner, zu erfahren, wie viele Millionen der Bund aufbringt, um die Sahara zu erschließen. Bei uns sagt man schon: Ganz Frankreich erwartet, daß die Bundesrepublik für die Sahara und Algerien ihre Pflicht tut.
Ja, meine Damen und Herren, das mag der Bund tun, wenn es politisch opportun ist. Aber Sie dürfen es uns doch dann nicht verübeln, daß wir die Erfüllung eines Versprechens verlangen, wenn es sich um solche Beträge handelt. Sie können dann nicht sagen: Das lehnen wir ab, weil wir schon so viel getan haben.Wenn ich rechnen wollte, könnte ich dem Herrn Professor Hettlage vorrechnen, was der Bund allein an den beiden Abwertungen verdient hat. Sehen Sie in den Bericht, der zum Eingliederungsgesetz in der Saardebatte im Dezember 1956 gegeben wurde. Da sind an Stelle der 680 Millionen DM, die heute angegeben worden sind, noch etwa 980 Millionen aufgeführt.
— Ja, Entschuldigung, das ist aber doch abzüglich der Mittel für die Ersparnissicherung eine Vermögensminderung der saarländischen Vermögensbesitzer! Denn unsere Franken werden jetzt schlechter honoriert, und damit wird Frankreich bezahlt. Wir Saarländer sind nicht so unverschämt, daß wir Forderungen stellen, die vor der deutschen Öffentlichkeit nicht zu vertreten wären.Nun zu dem, was Herr Minister Blank sagte. Selbstverständlich kenne ich den EWG-Vertrag. Ich weiß auch, daß in ihm kein Wort von der Harmonisierung der Soziallasten steht. Aber ich weiß noch mehr, und das habe ich Ihnen, Herr Minister Blank, auch in der Ausschußsitzung entgegengehalten. Ich wundere mich, daß Sie hier dasselbe wiederholen.
Ich werde Ihnen die Protokolle der französischen Nationalversammlung verehren, in denen die Stellen angestrichen sind, an denen etwas dazu gesagt worden ist. Dort liegt nämlich der Dissens. Die Franzosen erklären ganz klar: Die EWG kommt für uns nie in Frage, wenn Deutschland nicht harmonisiert. Wir sind ja nicht in der Lage, den EWG-Vertrag einseitig zu realisieren, wenn von Frankreich nicht mitgemacht wird.Seien Sie versichert: Unsere Erfahrungen im französischen Wirtschaftsraum sind so tiefgehend, daß wir die These aufstellen und vertreten können: Ohne Lösung dieses Problems gibt es keine EWG. Ich habe nicht, wie Herr Minister Blank sagte, von der Notwendigkeit der Regelung des Saarproblems für die EWG gesprochen, sondern ich habe ausdrücklich ausgeführt, daß nach meinem Vorschlag ein Musterbeispiel exerziert werden soll, wie man die Frage im Interesse der EWG zwischen Deutschland und Frankreich einmal lösen kann, um etwa eine Brücke oder eine Art Schleuse zwischen den beiden unterschiedlichen Niveaus und Systemen zu finden.Auch aus diesem Grunde müßte man unseren Gedanken schon entgegenkommen, nicht nur zur Erfüllung des politischen Versprechens. Die Saar hat insoweit mit dem EWG-Vertrag nichts zu tun. Ich weiß auch, daß es darum geht, die Vollbeschäftigung zu erhalten. Aber ich wünschte, ich könnte den Optimismus haben, auch als oppositioneller Parteivorsitzender an der Saar, wie ihn der Herr Minister Blank ausgedrückt hat. Wenn ich noch das Amt des Wirtschaftsministers hätte, würde ich mir in bezug auf die Prognosen, wie leicht es sei, die 300 000 Menschen in den deutschen Wirtschaftsprozeß einzuführen, graue Haare wachsen lassen müssen. Herr Minister, wenn die Betriebe an der Saar ihre Erzeugnisse nicht loswerden — ich kann Ihnen hier vom Pult aus Namen nennen —, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie für den Absatz dieser Erzeugnisse die entsprechenden Käufer im Bundesgebiet fänden. Das ist unser Problem.Sie waren gestern nicht anwesend, als wir darüber sprachen. Ich will die Dinge nicht wieder aufrollen; das würde zu weit führen. Aber mit einem solchen sonnigen Optimismus ist die Herauslösung der Saar und ihre Wiedereingliederung in das Bundesgebiet nicht durchzuführen. Wir alle wären froh, wenn alles so leicht ginge. Aber wir, die wir nun jahrelang mit den Fragen befaßt sind, fühlen uns auch vor unserer Bevölkerung und unseren Wählern verpflichtet, das zu vertreten und deutlich zu sagen.Meine Damen und Herren, auch die These, daß die saarländischen Gewerkschaften den Ausgleich in den Tarifverträgen treffen würden, ist gar nicht zu verwirklichen. Der Herr Minister Blank hat das selbst erklärt. Er hat im Wirtschaftsausschuß ausgeführt:
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4340 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Dr. Schneider
Ich bin ein alter Gewerkschaftler und möchte den Gewerkschaftssekretär sehen, der heimkommt mit einem Tarifvertrag, der weniger Lohn festlegt als der an der Ruhr oder in einem anderen Vergleichsgebiet.Also ist das Problem der Familienzulagen nicht durch die Tarifregelungen zu lösen, sondern nur außerhalb, wie ich das immer wieder vertreten habe.Auch der Hinweis auf die gesamtdeutsche Bedeutung ist nicht gerechtfertigt. Wenn der Herr Minister Blank sagt, wir müßten die Saar jetzt mit dem gleichen Recht versehen, weil wir einen anderen Zustand unseren deutschen Menschen gegenüber nicht verantworten könnten, ja, meine Damen und Herren, wollen Sie dann alle sozialen Regelungen in Mitteldeutschland mit denselben .Begründungen aufheben, wenn es einmal zur Wiedervereinigung kommt?
Diese Logik wäre doch zwangsläufig. Auch da wird man Überleitungen finden und Konzessionen machen müssen.
Meine Damen und Herren, man kann auch die deutsche Wiedervereinigung nicht diktieren!Schließlich hat der Herr Minister Blank erklärt, wenn wir Versprechungen gegeben hätten — und das war das schlechteste Wort, Herr Minister, das Sie in den zwei Tagen hier gesagt haben! —,
dann brauche er sie nicht zu honorieren, dann sollten wir sehen, wo wir blieben. Das ist für einen deutschen Minister traurig.
Wir haben die Versprechungen gegeben, weil hinter uns die Bundesregierung stand. Ihr Vorgänger, Herr Minister, stand noch in einem Brief vom 5. Dezember 1956 dahinter. Am 10. Dezember 1956 hat er es dann allerdings widerrufen. Der Hinweis, daß Sie für das, was Ihr Amtsvorgänger gesagt habe — Sie haben es gestern ausgedrückt —, nicht verantwortlich seien, ist unverständlich. Ich hätte es mir als Minister — ich war auch einmal Minister — nie träumen lassen, daß ein Minister erklärt: Was mein Amtsvorgänger in seiner Amtseigenschaft erklärt hat, gilt nicht mehr. Dann kann morgen jeder Minister ausgewechselt werden, und jede Regierung ist von dem entbunden, was sie getan hat. So kann man keine Regierungspolitik treiben; das ist ausgeschlossen.
Also diese Worte müssen wir mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Unsere saarländischen Landsleute haben ein sehr deutliches, in der Heimatsprache sehr verständliches Wort. Es ist das Prinzip: „Was kümmert mich mei dumm Geschwätz von geschtern!"Meine Damen und Herren, an der Saar geht es alle an, die Herren Ihrer CDU-Regierung, IhrerCDU-Kollegen, die unter Ihnen sitzen und die genauso über die Entwicklung betrübt sind — das weiß ich — wie wir, Ihre CDU-Freunde im Saarland alle miteinander und die Kollegen von der SPD, von der DPS, also der FDP. Es gilt an der Saar die einzige Meinung, daß Versprechungen, die vor allen Dingen von Herrn Adenauer und von Herrn Erhard, aber auch von vielen anderen nach der Abstimmung gegeben worden sind, honoriert werden müssen. Honorieren heißt Ehre geben; das Wort kommt von honor, Ehre. Denken wir daran, daß es in dieser Frage wirklich um die Ehre geht!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Meine Herren und Damen! Ich spreche für die Fraktion der Deutschen Partei nach der Debatte, die jetzt stattgefunden hat, wieder zur Drucksache 1160, dem Schriftlichen Bericht, zu der Drucksache 1012, d. h. dem Familienlastenausgleich im Saarland, und zu ,den dazu gestellten Anträgen der SPD und der CDU.
Ichhabe viel Verständnis für Temperament und allen Respekt, Herr Kollege Dr. Schneider, vor dem Eifer und dem Ernst, mit dem Sie als Politiker hier kämpfen. Aber es ist mir etwas peinlich, daß der oppositionelle Parteivorsitzer an der Saar, wie er sich selber nennt, die Gelegenheit benutzt hat, all die Probleme erneut anzurühren, die wir gestern diskutiert haben, und daß die Opposition in diesem Hause das sehr wohltuend vermerkt hat, während vor einer Stunde bei einer anderen Debatte das Vorbringen einer Grundsatzfrage, die absolut zum Antrag gehörte, von ihr sehr heftig korrigiert wurde.
Ich möchte mich für die Fraktion der Deutschen Partei auch nicht in den peinlichen Streit um Wahlversprechen einmischen. Diese Debatte hat wieder einmal gelehrt, daß es besser ist, in .der Politik redlich zu sein,
die Wahrheit zu sagen und den Preis für soziale Leistungen zu nennen.
— Ich sage das für Freund und Feind.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete?
Bitte sehr.
Frau Kollegin Kalinke, ist Ihnen bekannt, daß die Vertreter der Deutschen Partei, vor allen Dingen der Prinz zu Löwenstein, im Saarland .der Bevölkerung das gleiche versprochen haben, und stehen Sie dazu? Die Saarbevölkerung hört das mit!
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4341
Ich stehe zu dem, was in der Drucksache 58 über die wirtschaftliche Rückgliederung — —
Hören Sie doch erst zu, ehe Sie lachen! Sie wissen das ja gar nicht, weil Sie wahrscheinlich an der Saar nicht dabei waren. Aber ich war im Wahlkampf an der Saar, und ich kenne die Probleme. Ich war im Wahlkampf an der Saar und habe mit dem Prinzen zu Löwenstein dort gesprochen. Er hat nichts anderes gesagt, als was in der Drucksache 58 steht
und was die Meinung aller redlichen Politiker ist: daß die Sicherheit — so heißt ,es nämlich im Antrag der DP — einer stabilen Lebens- und Wirtschaftsführung in Anpassung an die Verhältnisse in der Bundesrepublik auch an der Saar ermöglicht werden soll. Das ist auch der Inhalt der heutigen Beratungen.
Es ist — im Gegensatz zu Ihren Argumenten; Herr Hellwig hat es Ihnen gestern schon deutlich gesagt — der Fehler dieser Debatte und die gefährliche Verführung solcher polemischen Debatten, daß bei der Bevölkerung, die das hört, der Gedanke entsteht, es handele sich immer nur um Einzelleistungen oder die Minderung einzelner Leistungen und es gebe hier gar keinen Zusammenhang in dem ganzen Bukett der sozialpolitischen Leistungen an der Saar einerseits und im Bundesgebiet andererseits.
Die Frage des Kindergeldgesetzes ist und bleibt eine neuralgisch Frage in diesem Hause. Die Fraktion der Deutschen Partei ist sich dabei - das ist offenbar — mit ihren Koalitionspartnern nicht immer, vor allem nicht in der grundsätzlichen Frage einig gewesen. Trotzdem hat es mich außerordentlich peinlich berührt - ja, ich muß es sehr bedauern —, daß ein Minister der Saar, der dort mit den Kollegen der CDU in einer Koalition ist, hier Auffassungen vertreten hat, die bei aller Gegensätzlichkeit der Meinungen in einer Koalition in dieser Form nicht vertreten werden sollten.
- Ich will hier keine Zensuren verteilen, ich will nur sagen, daß ich das als sehr peinlich empfunden habe.
Ich weiß nicht, ob der Sprecher der Saar katholisch oder evangelisch ist. Ich bin evangelisch; aber ich meine die katholische Soziallehre so gut zu kennen und aus christlicher Verantwortung zu wissen, ''daß es in der katholischen Soziallehre kein Rezept und keinen Aufhänger für das französische Sozialleistungssystem gibt.
Wenn Herr Kollege Conrad— Herr Minister Conrad, Verzeihung — die Auffassung vertreten hat, daß man einem Randland das Recht lassen muß, sich von sich aus in der Sozialpolitik von den Lösungen des Bundes abzuwenden, so meine ich, daß es längst eine allgemein gültige Erkenntnis aller Parteien und aller Richtungen sein sollte, daß man in der Sozialpolitik
keine Landespolitik machen kann und darf. Ich will nicht auf das Grundgesetz hinweisen, auch nicht auf das gute Beispiel, das Ihre Kollegen und Genossen aus Baden damals gegeben haben, als wir das Bundesversorgungsgesetz bearbeiteten und dort wirklich sehr harte Entscheidungen treffen mußten.
Der Sprecher Conrad hat von der Uniformierung gesprochen. Es fällt mir wirklich sehr schwer, hier darauf zu verzichten, der sozialdemokratischen Fraktion nachzuweisen, wie gerade ihre Diktion von der Sozialpolitik und ihre Vorstellungen von einem einheitlichen Recht für Arbeiter und Angestellte, von einer Einheitskasse und einer totalen Versicherungspflicht an der Saar sie doch bei Gott nicht als Vorkämpfer gegen die Uniformierung oder Vereinheitlichung erscheinen lassen.
Ich meine aber, eins kann aus dieser Debatte nicht unwidersprochen hingenommen werden: Wir sollten uns nicht einbilden, daß ein deutsches Land, sei es so groß wie Nordrhein-Westfalen oder so klein wie die Saar, Modell für ein anderes europäisches Land stehen sollte und daß in diesem Lande Experimente gemacht werden sollten als Modellösungen für europäische Probleme, die der Lösung bedürfen. Denn auch Sie werden wissen, wie problematisch das französische Sozialleistungssystem für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Frankreich ist. Deshalb, Herr Kollege Dr. Schneider, tut es mir leid, daß hier ein FDP-Mann ein System verteidigt hat und zu einem Modell erheben möchte, das in Gegensatz zu allen von den Freien Demokraten seit eh und je vertretenen Auffassungen von freier Wirtschaftsordnung und von einem System der Sozialpolitik innerhalb der freien Wirtschaftsordnung steht.
— Aber gern!
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, daß die Fraktion der Freien Demokraten, damals noch verstärkt durch einen Teil
von Abgeordneten, die inzwischen bei Ihnen sind, die Drucksache 1781 vom 12. Oktober 1955 unterschrieben und das Versprechen abgegeben hatte, daß die Fraktion der Freien Demokraten im Gegensatz zu den Herren, die jetzt bei Ihnen sind, ihr Versprechen einhalten will und daß es sich hier um ein Saar-Versprechen handelt und nicht um das Prinzip, das Sie jetzt damit vermengen wollen?
Sie haben mich vorhin schon im Einzelgespräch darauf aufmerksam gemacht. Sie müssen voraussetzen, daß mir noch sehr viel mehr bekannt ist.
— Mir ist noch sehr viel mehr bekannt! Aber ich binnicht der Meinung, Ihnen hier antworten zu sollen.Ich will Ihnen ganz klar sagen: Grundsätze, die man in der Wirtschafts- und Sozialpolitik hat, kann man nicht hin und her drehen und wenden, wie gerade der parteipolitische Wind weht.
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4342 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Frau KalinkeMan kann sie auch nicht hin und her drehen je nachdem, ob das Saarland am Rundfunk zuhört oder ob demnächst Landtagswahlen sind oder ob das eine Parole für die Bundestagswahl 1961 sein soll. Man muß sich mit solchen Grundsätzen auseinandersetzen und sauber ja oder nein sagen. Ich gebe Ihnen dazu eine ganz klare Antwort: Hier geht es eindeutig darum, ob sich das französische System des Kindergeldes und der Familienleistungen in unser deutsches System der freien Marktwirtschaft fügt oder nicht. Leider haben Sie, der Sprecher der SPD wie der Sprecher der Freien Demokratischen Partei, diese Frage sehr nebensächlich behandelt. Es geht hier doch um den Zusammenhang der Kindergeldregelung mit der Lohnpolitik und mit den Strukturfragen der Einkommensverhältnisse an der Saar. Es geht doch darum, daß sich unter idem Einfluß der französischen Sozialgesetzgebung und sicher nicht nach dem Willen der Mehrheit des Volkes an der Saar eine sehr unterschiedliche Einkommensstruktur entwickelt hat. Es geht doch darum, daß wir alle wollen, daß die in der Bundesrepublik höheren Leistungslöhne, die schon vor einem Jahrzehnt Anlaß zu Auseinandersetzungen waren, auch an der Saar eingeführt werden. Wer die Reden über die Harmonisierung der sozialen Leistungen in Europa gehört hat, könnte ja auf den Gedanken kommen, als wäre die Bundesrepublik rückschrittlich und das französische System so fortschrittlich und so wohltuend, daß es zur Erhaltung einer gesunden Marktwirtschaft in Europa geradezu ein Modell wäre.
Ein jedes Volk muß seine sozialen Probleme nach seinen Notwendigkeiten und nach der Meinung seiner Mehrheit lösen. Das muß bei allem Verständnis für die Probleme des Gemeinsamen Marktes auch in Zukunft gelten, und daran sollte nicht gerührt werden. Der Bund und seine Regelung ist für die künftige deutsche Familienpolitik sicherlich nicht das Maß — so steht es, der Slogan stammt nicht von mir, in dem Bericht der Arbeitskammer des Saarlandes —; aber meine Herren, Ihr saarländisches Gesetz ist auch nicht das Maß für eine künftige bundesdeutsche Regelung des Kindergeldgesetzes.Ich bedauere sehr, daß Sie alle um die Kernfragen, um die Grundsatzfragen herumgegangen sind; daß Sie nicht Stellung zu der Frage genommen haben, ob das Kindergeld an der Saar und, wie Sie wollen, nach der Reform eine Angelegenheit der Lohnpolitik, ob es eine Ergänzung des Leistungslohns sein soll — wie bisher — oder ob Sie als Sprecher der Gewerkschaften, von denen Sie hier sprachen, vom Leistungslohn abgehen wollen zum Familienlohn, oder ob es nicht doch vielmehr darum geht, daß wir die Aufgabe der Familienpolitik aus Mitteln der Allgemeinheit für alle lösen. Ob das einmal möglich sein wird — ich hoffe es — in einem verbesserten und besseren System, als es das bisherige ist, wird dieser Bundestag noch zu entscheiden haben. Aber um die Grundsatzfrage, ob die Selbständigen als Beitragszahler oder als Empfänger dazugehören sollen — um nur ein Problemherauszugreifen —, um dieses heiße Eisen sind Siealle fein herumgegangen und haben nur polemisiert.Es ist hier immer wieder vom Modellfall der Wiedervereinigung und vom Testfall des guten Willens gesprochen worden. Ich wiederhole, was ich bei der Beratung eines anderen Gesetzes, bei dem Sie etwas andere Auffassungen hinsichtlich der Anpassung und hinsichtlich des Wartens bis zur Reform vertreten haben, gesagt habe: Wenn die moralischen Fundamente eines Bekenntnisses zum gemeinsamen deutschen Recht und die Bereitschaft zur Verteidigung der Freiheit als Grundpfeiler auch in der Sozialpolitik an der Saar und bei uns gleich deutlich sind — und ich glaube, daß sie an der Saar deutlich sind —, dann wäre es wirklich Zeit, Sorge zu haben um unsere freiheitliche Wirtschafts- und Sozialordnung. Ich weiß aber, daß die Bevölkerung an der Saar in ihrer absoluten Mehrheit mit der Mehrheit in der Bundesrepublik darin einig ist, daß es darum geht, diese gesunde freiheitliche Wirtschaftsordnung zu verteidigen um einer guten Sozialpolitik willen.
Es ist richtig, daß dieser Bundestag den Reformfragen um die Kindergeldgesetzgebung nicht ausweichen kann. Wird es Verbesserungen oder Änderungen des Systems geben, dann wird die Saar daran genauso beteiligt sein wie die Bundesrepublik. Aber es ist nicht unser Auftrag und unsere Aufgabe, den französischen Freunden in Europa aus dem Dilemma ihres Sozialsystems mit Experimenten und Modellen herauszuhelfen. Wir können nur wünschen, daß unsere europäischen Freunde ihre Probleme selbst gut lösen.Es ist schließlich auch falsch, jetzt, meine Herren Kollegen, bei diesem Problem auf die Reform zu verweisen, während Sie vor zwei Stunden, beim Problem der Krankenversicherung, genau umgekehrt argumentiert haben. Es gibt weder heute an der Saar noch morgen in der sogenannten DDR sogenannte soziale Errungenschaften, die man im einzelnen, ohne den Zusammenhang der gesamten sozialen Leistungen und der Grundlage des Wirtschafts- und Sozialsystems zu sehen, vergleichen oder diskutieren kann; man muß bei all diesen Problemen die soziale Wirkung, die Kaufkraft von Lohn und Sozialleistungen im Zusammenhang mit dem Lohn- und Preisgefüge und dem Wert der festen Währung sehen.
Deshalb ist es einfach falsch, von besseren Leistungen des französischen Systems zu sprechen. Ich erlaube mir diese Feststellung, weil ich schon vor Jahren Gelegenheit hatte, mit Kollegen aus diesem Hause das französische System sehr genau zu studieren und die Klagen der verantwortlichen Männer in Frankreich über die Fehler, die Mißstände und die Möglichkeiten des Mißbrauchs dieses Systems zu hören.
In einem Augenblick, in dem Frankreich mit allen Kräften darum bemüht ist, sein System zu revidieren, sollten uns fortschrittliche Politiker und solche
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4343
Frau KalinkeMinister und Politiker, die die Dynamisierung im fortschrittlichen Sinne auf ihre Fahne schreiben, Derartiges nicht empfehlen.
Ohne Zweifel werden das französische Familienlohnsystem und damit die Familienzulagen im Saarland auch noch bei den Problemen des Gemeinsamen Marktes eine Rolle spielen. Aber sie sind auch nicht das Maß für das, was in Europa eines Tages zu geschehen hat, wenn der freie Markt in Europa Wohlstand und Sicherheit für alle Europäer garantieren soll.Sie, Herr Kollege Schneider, und die Kollegen der SPD haben immer wieder an uns appelliert, wir möchten doch die Wünsche der Saarbevölkerung erfüllen. Ich bin überzeugt und — zur Politik gehört ja auch Glauben — ich glaube daran, daß die Gesetze eine Grundlage dafür sein werden, die Wünsche der Mehrheit der Bevölkerung an der Saar zu erfüllen, nämlich ihnen durch eine gesunde und bessere Wirtschaftsstruktur die Möglichkeit zu geben, mehr Sicherheit in Frieden und Freiheit zu haben.Das Angebot der Bundesregierung, das ich für die Fraktion der Deutschen Partei für gut und annehmbar halte, und der Antrag der CDU/CSU, den ich für eine vernünftige Kompromißlösung halte, solange wir die endgültige Lösung nicht haben können, und dem wir zustimmen werden, bieten die Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion müssen wir ablehnen.Ich hoffe, das Problem des Kindergeldes und des Familienlastenausgleichs wird in einer Form geregelt werden, die alle die Wünsche der arbeitenden Menschen an der Saar — und unter arbeitenden Menschen verstehe ich Arbeitgeber und Arbeitnehmer— erfüllt. Die Besorgnisse, die die Sprecher der Freien Demokratischen Partei und der Sozialdemokratischen Partei geäußert haben, scheinen mir nicht begründet zu sein. Wenn wir heute dafür sorgen, daß morgen die Lasten und die Früchte gemeinsamer Arbeit im Bundesgebiet und an der Saar gemeinsam verteidigt und getragen werden und wenn wir uns mit unseren Freunden an der Saar in den fundamentalen Grundlagen freiheitlicher Lebens-und Staatsgestaltung einig sind — und davon bin ich fest überzeugt —, dann werden wir ein Modell für die Verteidigung der Freiheit liefern, mit dem wir uns auch in Zukunft vor ganz Deutschland sehen lassen können.
Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir zur Geschäftsordnung eine Frage an den Herrn Präsidenten erlauben und sie wie folgt begründen.
Der Herr Kollege Dr. Schneider hat im Verlauf des heutigen Nachmittags mehrfach, hier in Rede,
dort durch Zwischenruf, so quasi den erhobenen Zeigefinger warnend gegen uns gerichtet, erklärt: Die Saarbevölkerung hört zu! Diese Debatte werde durch den Rundfunk an die Saarbevölkerung übertragen.
Ähnliche Auslassungen habe ich schon heute mittag draußen vor dem Saale gehört.
Soweit ich in Erinnerung habe, besteht im Hause seit längerem die Vereinbarung, daß unmittelbare Rundfunkübertragungen nicht mehr stattfinden sollen.
Ich erlaube mir die Frage an den Präsidenten, ob es richtig ist, daß eine unmittelbare Übertragung über den saarländischen Rundfunk an die Saarbevölkerung erfolgt und ob der Herr Präsident oder der Ältestenrat dazu ihre Zustimmung erteilt haben.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Richtigstellung! Wir sind uns im Ältestenrat einig gewesen, daß keine Fernsehübertragung stattfinden soll.
Radioübertragungen sind ein anderes Kapitel. Für sie muß aber auch jeweils, sofern Direktübertragungen stattfinden sollen, die Zustimmung des Präsidenten und des Ältestenrats vorliegen. Ich bin im Ältestenrat gewesen, und es ist richtig, daß darüber nicht gesprochen worden ist. Wenn also Direktübertragung stattfindet, ist etwas nicht in Ordnung.Aber, Herr Horn, wenn es nicht in Ordnung ist, wollen wir es in Ordnung bringen. Die Debatte geht nun wirklich, wenn sie jemanden angeht, die Saarbevölkerung an,
und wenn die Menschen an der Saar Gelegenheit hätten, würden sie am Rundfunk sitzen und alle die Reden anhören. Ich glaube, wir sollten uns da der Technik bedienen und die Debatte, in der über Lebensfragen der Saarbevölkerung entschieden wird, direkt übertragen lassen.Ich bitte also, daß wir den Formfehler, der hier vielleicht vorliegt,
dadurch korrigieren, daß wir über den Antrag abstimmen, den ich jetzt stelle, nämlich die Übertra-
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4344 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Dr. Mommergung durch den Rundfunk des Saarlandes ausdrücklich zu billigen.. Das Haus ist souverän.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin über die Feststellung überrascht. Aber ich darf erklären, Herr Kollege Horn; daß es keine Drohungen waren, wenn ich bei meinem angeborenen Temperament Bewegungen mit erhobenem Zeigefinger gemacht habe. Ich habe wohl gesagt, und zwar veranlaßt durch Ihre Ausführungen, Herr Kollege Horn, die Saarbevölkerung höre mit, weil Sie sehr überzeugt Ihre Meinung damit begründet haben, daß sie mit der Meinung der Saarbevölkerung übereinstimme. Mir liegt es völlig fern, irgend jemanden im Hohen Hause unter Druck zu setzen. Wie käme ich dazu? Außerdem bin ich nicht so überheblich, mir einzubilden, die stärkste Fraktion mit absoluter Mehrheit unter Druck setzen zu können.
Ich weiß nicht, wie die Übertragung zustande gekommen ist, ich habe nur durch telefonische Anrufe davon Kenntnis erhalten. Ich schließe mich aber namens meiner Fraktion dem Antrag an, den Kollege Dr. Mommer gestellt hat.
Herr Abgeordneter Rösing zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Mommer hat vorhin selbst festgestellt, daß die Radioübertragung dieser Plenarsitzung im Ältestenrat nicht besprochen worden ist, und seine Überraschung zum Ausdruck gebracht, daß eine Übertragung durchgeführt wird. Es handelt sich um eine prinzipielle Frage. Deshalb bitte ich namens meiner Fraktion den Herrn Präsidenten, sofort den Ältestenrat zusammentreten zu lassen.
Meine Damen und Herren! Der amtierende Präsident weiß nichts von einer Übertragung. Ich weiß auch nicht, ob irgend jemand die Genehmigung erteilt hat oder nicht.
— Ich lasse es feststellen, Herr Kollege Hilbert. Ich danke für den Rat.
Ich bin für jede Unterweisung dankbar.
Der Pressereferent des Herrn Präsidenten weiß nichts von einer Übertragung. Den habe ich gefragt. Ich glaube, er war der nächste, dazu befragt zu werden. Aber ich habe mich nicht damit begnügt, sondern noch weitere Nachforschungen anstellen lassen. Sobald ich die Antwort habe, werde ich dem Hause mitteilen, ob die Übertragung statt-
findet oder nicht.
Wir fahren in den Beratungen fort. Das Wort hat Frau Abgeordnete Döhring.
— Ich weiß nicht, ob übertragen wird.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte ebenfalls nur ganz kurz auf den Antrag Umdruck 364 zurückkommen, weil wir schließlich vor der Abstimmung über diesen Antrag stehen.
Vorher möchte ich aber noch einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Familienministers machen. Herr Familienminister, Sie haben die Nichteinhaltung Ihrer in St. Wendel gemachten Versprechungen damit zu entschuldigen versucht, daß die finanzielle Seite zu schwierig sei. Aber alles, was Sie an Schwierigkeiten bei der Aufbringung der Mittel aufgezeigt haben, haben Sie doch auch schon gewußt, bevor Sie Ihre Ausführungen in St. Wendel gemacht haben. Dort war nicht eine x-beliebige Versammlung, sondern es war eine Arbeitstagung von Vertretern beider christlicher Kirchen, christlichen Gewerkschaftlern, von Ärzten, Erziehern, Lehrern und anderen. — Es ist mir recht, wenn Sie, Herr Familienminister, auf Ihre Abgeordnetenbank gehen. Dann kann ich Sie besser ansprechen.
In diesem Gremium haben Sie, Herr Familienminister, des weiteren gesagt, bei einer Unterredung mit dem Bundeskanzler vor wenigen Tagen — wenigstens hat es die Presse so wiedergegeben — hätten Sie diesem einen Kompromiß-vorschlag gemacht, weil Sie, wie Sie dort ausführten, der Saarbevölkerung nicht die Regelung für das erste und zweite Kind versprechen könnten. Aber Sie hätten dem Herrn Bundeskanzler vor wenigen Tagen einen Kompromißvorschlag gemacht, Kindergeld vom zweiten Kind an zu gewähren, und Sie hofften, daß wenigstens dieser Vorschlag akzeptiert würde. Das Saarland müsse jedoch darauf dringen, daß diese Lösung nicht nur für eine gewisse Zeit gelten, sondern eine dauernde Einrichtung bis zu weitergehenden Entwicklungen in der Bundesrepublik sein solle.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4345
Dem Abgeordneten Wuermeling &der dem Minister Wuermeling?
— Auch ein Minister kann eine Frage stellen.
Von welchen Versprechungen glauben Sie, verehrte Frau Kollegin, zu wissen, daß ich sie in St. Wendel gemacht hätte? Mir ist nur bekannt, daß ich mich in St. Wendel bemüht habe, im Saarland Verständnis dafür zu gewinnen, daß nicht alles erreicht werden- könne, was das Saarland wünscht.
Nach der Wiedergabe in verschiedenen Zeitungen, die uns aus dem Saarland seinerzeit übersandt worden sind, haben Sie, Herr Minister, die Erklärung abgegeben, Sie würden sich dafür einsetzen, zumindest für das zweite Kind das Kindergeld zu erreichen, weil dann der Anschluß besser garantiert sei. Diesen Sinn hatten doch Ihre Ausführungen, die in der Presse wiedergegeben wurden. Das ist auch gar nichts Neues, Herr Minister. Sie haben in der Öffentlichkeit ja immer gesagt, Sie wollten das Kindergeld für das zweite Kindherbeiführen. Im Jahre 1958 haben Sie und der Herr Bundeskanzler dies ganz konkret erklärt.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Frau Kollegin, ist Ihnen nicht bekannt, daß diesen meinen Bemühungen auch im Saarland der Erfolg versagt geblieben ist?
Aber natürlich, Herr Minister, ist mir das bekannt. Das ist es ja gerade, was wir so sehr bedauern, daß Sie sich hier im Bundeskabinett nicht durchgesetzt
und nicht wenigstens den Anschluß für das zweite Kind erreicht haben.
Meine Damen und Herren von der Regierungspartei und Herr Familienminister, was sind denn die von Ihnen hier in Ihrem Antrag vertretenen zwei Raten, die Sie den Familien im nächsten Jahr für das erste und zweite Kind zukommen lassen wollen, so wie es im Umdruck 364 enthalten ist! Gewiß, Herr Minister, werden diese Familien es nicht ablehnen, wenn sie zwei solche Ratenbekommen. Wer könnte das vor seinen Kindern verantworten? Wenn man aber bedenkt, daß die betroffenen Familien für diese zwei Raten innerhalb eines Jahres das Kindergeld für das erste und zweite Kind für 16, 18 oder noch mehr Jahre eintauschen sollen, weil sie ja nach Ablauf des einen Jahres nichts mehr bekommen, dann mutet dies —das muß ich schon sagen — fast wie eine Korrumpierung des einzelnen an.
Herr Minister, Sie haben, wie das schon mein Fraktionskollege Conrad ausgeführt hat, den Betroffenen im Saarland noch einen weiteren Hoffnungsanker zugeworfen, indem Sie vor allen Dingen auch in St. Wendel sagten — natürlich war es nur sinnbildlich gemeint —, die Saarbevölkerung solle sich eisern auf die Hinterbeine stellen, um wenigstens für das zweite Kind das Kindergeld zu behalten. Wenn die Bevölkerung im Saargebiet, so wie es auch der saarländische Landtag beschlossen hat, auf Grund der Versprechungen, die auch der Herr Bundeskanzler gemacht hat und nicht nur Sie allein, Herr Minister, die Familienzulagen für das erste und das. zweite Kind erhalten will, dann ist das ein durchaus berechtigtes Verlangen. Schließlich ist die Zahlung von Familienzulagen vom ersten Kind an doch weitaus dominierend. Insgesamt zahlen heute 35 Länder ein Kindergeld, davon 25 Länder vom ersten Kind an, 5 Länder vom zweiten Kind an, und ausgerechnet zu den 3 Ländern, die eist vom dritten Kind an zahlen, gehört die Bundesrepublik.
Seit Jahren schon versprechen Sie immer wieder ein Kindergeld wenigstens vom zweiten Kind an. Aber wenn es darum geht, im Parlament dafür zu stimmen —.und meine Fraktion hat schon wiederholt derartige Anträge vorgelegt —, dann sagen Sie, Herr Familienminister, immer und immer wieder „nein", anstatt sich in Ihrer Fraktion und im Bundeskabinett endlich einmal durchzusetzen.
Heute und hier hätten Sie endlich Ihr Versprechen
Wahrmachen müssen! Jetzt ist die Einführung des
Kindergeldes für das zweite Kind dringend geworden.
— Das steht sehr wohl zur Debatte! Ich muß es wiederholen: Herr Minister, Sie verlangen von der Saarbevölkerung, daß sie sich „eisern auf die Hinterbeine stellt", sind aber nicht einmal bereit, hier Ihre Hand hochzuheben und für unseren Antrag zu stimmen.
Mich dünkt - immer bezogen auf Ihre Äußerungen, Herr Familienminister, die natürlich sinnbildlich gemeint waren —, daß die Bevölkerung an der Saar, die sich auf die Hinterbeine stellen soll, Kopf stehen wird, wenn sie die heutigen Abstimmungsergebnisse erfährt; denn sie wird nie begreifen können, daß die so oft und in feierlicher Form gemachten Versprechungen, daß man die Kinderzulagen im Saargebiet erhalten werde, heute von der Mehrheit des Bundestages nicht erfüllt werden. Sie, Herr Minister, müssen heute hier Farbe bekennen zu dem, was Sie nicht nur in St. Wendel, sondern schon seit Jahren in der Öffentlichkeit vertreten haben.
Das Wort hat der Familienminister Dr. Wuermeling.
Dr. Wuermeling: Bundesminister für Familien-und Jugendfragen: Herr Präsident! Meine sehr ver-
Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling
ehrten Damen und Herren! Ich habe an die verehrte Frau Kollegin nur eine einzige, ganz kurze Gegenfrage: Herr Kollege Conrad hat vorhin, wenn ich recht verstanden habe, die Regelung des vom Saarlandtag beschlossenen Gesetzes über die Aufbringung der Kindergeldbeiträge mit 1 % durch die Arbeitgeber und 1 % durch die Arbeitnehmer als einen geeigneten Aufbringungsweg hingestellt.
Es würde mich außerordentlich interessieren, ob die sozialdemokratische Fraktion bereit ist, für einen solchen Weg auch im Bundesgebiet einzutreten; dann sähe ich Land.
Das Wort hat der Abgeordnete Gottesleben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen versichern, daß wir Saarländer mit größer Sorge und auch mit schwerem Herzen gestern und heute die Debatten verfolgt haben, die sich um die Probleme unserer Heimat drehen. Wir sind im Augenblick bei einem — es- heißt „Kindergeld" — Familienproblem.
Ich möchte hierbei denn doch die Mahnung aussprechen: Eltern sollten sich, wenn es sich um das Wohl eines Kindes oder der Familie dreht, nicht streiten, sie sollten es erst recht nicht in der Öffentlichkeit tun, und sie sollten es insbesondere nicht tun — ich symbolisiere nun Bundestag und Bundesregierung —, wenn beide Elternteile nach ihren Äußerungen nur das Gute für Kind und Familie wollen.
Von mehreren Rednern wurde nun rückblickend die Familientagung in St. Wendel erwähnt. Ich war für diese Familientagung in St. Wendel allein verantwortlich, und ich habe führende Persönlichkeiten des Saarlandes zu dieser ganztägigen Veranstaltung eingeladen. Ich habe meiner Tagung die Überschrift gegeben: Familie in Not. Wir haben die großen Probleme unserer Familie in Deutschland erörtert. Dabei hat die materielle Seite den kleinsten Teil der Tagung in Anspruch genommen. Vielmehr haben ich möchte sagen - drei Viertel des Tages die ideellen Sorgen um unsere Familien berührt.
Ich darf mit Stolz sagen - und wir waren alle stolz —, d ,B der Familienminister Dr. Wuermeling uns am Nachmittag mit seiner Anwesenheit beehrt
und sich an unserer Diskussion sehr rege beteiligt hat.
Zu der materiellen Seite des Kindergeldproblems habe ich in St. Wendel den Standpunkt vertreten, und ich vertrete ihn auch hier im Deutschen Bundestag, daß man uns die sozialen Errungenschaften, die wir Saarländer auf dem Gebiet des Kindergeldes — nämlich Kindergeld für das erste und zweite Kind - haben, lassen soll.
Weiter habe ich in St. Wendel gesagt, und ich betone es auch hier - das ist auch heute noch mein Standpunkt —; man sollte uns für eine Übergangszeit von wenigstens zwei Jahren dieses Kindergeld lassen. In diesem Falle würden wir alle die Hoffnung hegen, daß in der Zwischenzeit das gesamte Bundesgebiet eine Lösung findet, die unserer Familie auch in dieser materiellen Hinsicht hilft.
Was weiter das Aufbringen des Kindergeldes angeht, vertrat und vertrete ich die Meinung, daß das Sache aller ist und nicht so sein-kann und sein darf, daß etwa ein Kinderloser oder ein Junggeselle sagt: Was soll ich für anderleuts Kinder sorgen. Die Kinder, für die wir heute ein Opfer bringen, werden später einmal uns allen, ob Junggeselle oder kinderlos, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, mit ihrer Arbeitskraft und mit ihrem Abeitseinsatz — so Gott will - einen sonnigen Lebensabend bescheren. Darum geht es alle an. Ich möchte deshalb hier für mich und meine CDU-Freunde von der Saar die Erklärung abgeben, daß wir zu dem Beschluß unserer saarländischen Regierung stehen und uns bei der Abstimmung nachher entsprechend verhalten werden.
Ich möchte aber nun darum bitten; den Streit und Hader um das Saarland einzustellen, und möchte deswegen von mir aus erklären: Es ist uns vieles gegeben worden, und wir werden auch noch vieles bekommen. Rückschauemd möchte ich sagen, es war ein gütiges Geschick, das unser jahrelanges Bemühen um die Deutscherhaltung unserer Saarheimat gesegnet hat. Wir sind nun politisch eingegliedert, und wir werden es in Tagen oder vielleicht Stunden auch wirtschaftlich sein. Ich gebe hier das Versprechen für uns: Wir werden dann auf Gedeih und Verderb in Leid und Freud mit unserem deutschen Vaterlande gemeinsam den Weg in die Zukunft gehen!
Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen eine Mitteilung über die Radioübertragung machen. Es findet keine Direktübertragung statt, sondern der Sender Saarbrücken nimmt, wie jeder andere Journalist das kann — denn es findet Direktübertragung in die Pressehäuser statt —, diese Verhandlungen offensichtlich auf Band auf, schneidet sie und überträgt sie — offensichtlich — in diesem Zustand auf seiner Welle.
Ich kann ihn daran nicht hindern. - Das Wort hat
Herr Abgeordneter Horn zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mit dem Herrn Präsidenten völlig einer Meinung darüber, daß er an dieser Methode der Behandlung der Dinge nichts ändern
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4347
Hornkann. Es entspricht zweifellos der ständigen Gepflogenheit, daß die einzelnen Rundfunkgesellschaften Bandaufnahmen machen können und dann zu gegebener Tageszeit ihren Hörern Ausschnitte zur Kenntnis bringen. So auch hier. Aber was mich zu meiner Meldung vorhin veranlaßt hat, war eben die mehrfache, konkrete Erklärung des Kollegen Dr. Schneider: „Geben Sie acht, die Saarbevölkerung hört mit!" Was er darstellte, war nichts anderes als das Vermitteln der Auffassung: Hier wird eine Direktübertragung vorgenommen. Diese Klarstellung wollte ich herbeiführen.Im übrigen haben wir genauso wenig dagegen. Im Gegenteil.
Wir sind sehr damit einverstanden, daß die Saarbevölkerung diesen Dingen wenigstens in etwa folgen kann.
Aber Sie werden mir doch zustimmen, insbesondere Herr Kollege Dr. Mommer: wenn die Dinge so gewesen wären, wie vorhin aus den Darstellungen zu entnehmen war, dann hätte es sich in der Tat um eine Methode gehandelt, die von keiner Seite dieses Hauses hätte gebilligt werden können, weil der Ältestenrat zu dem Thema nicht gehört gewesen wäre. Nachdem die Dinge von dem Herrn Präsidenten so klargestellt sind, kann ich nur noch bedauern, daß der Kollege Dr. Schneider ein solches Mißverständnis in diese ganze Sache hineingebracht hat.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe keinen Zweifel daran gelassen, daß, wenn es so gewesen wäre, etwas nicht in Ordnung wäre. Aber wollen wir nicht alle Zweifel ausschließen? Ich wiederhole meinen Antrag. Wir beschließen jetzt, daß Radio Saarbrücken und jeder andere Sender im Bundesgebiet autorisiert wird, diese Sitzung direkt zu übertragen.
Einen Augenblick! Nicht so eifrig, nicht so eilig! Meine Damen und Herren, ich bedaure, diesen Antrag nicht zur Abstimmung stellen zu können.
Das Hausrecht — und das ist eine Sache des Hausrechts — übt der Präsident aus. Wenn er glaubt, daß es nützlich sei, berät er sich mit dem Altestenrat. Aber über solche Dinge gibt es keine Abstimmung, hier kann nicht die Mehrheit des Hauses entscheiden, sondern nur Weisheit und Gewissen des Präsidenten.
— Wünschen Sie das Wort? — Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, ich danke Ihnen für Ihre Stellungnahme, möchte aber doch als Mitglied des Ältestenrates dem Herrn Kollegen Mommer sagen, daß ich es nicht für fair ansehen kann, wenn nun gerade er als Mitglied des Altestenrates hier den Antrag stellt, einfach von der Regelung im Ältestenrat abzuweichen, ohne daß wir die Angelegenheit vorher im Ältestenrat besprochen haben.
Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Mommer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich doch dagegen wehren, daß man mir hier sagt, mein Verhalten sei nicht fair. Der Ältestenrat ist einberatendes Organ des Präsidenten. Der Präsident handelt im Namen des Hauses, aber das Haus selber ist souverän. Insoweit bedaure ich, auch unserem amtierenden Präsidenten widersprechen zu müssen.
Das Haus ist souverän in seiner Entscheidung darüber, was in diesem Hause zu geschehen hat. Es besteht damit ein Widerspruch in den Auffassungen, den ich aber nicht bis zum letzten weiterführen möchte.
Ich glaube, wir sollten es, nachdem dieser Meinungsaustausch hier stattgefunden hat, bei dem bewenden lassen, was bisher war. Mir scheint, das kommt ziemlich auf das gleiche heraus.
Meine Damen und Herren, ich bedaure, noch einige Ausführungen machen zu müssen. Gewiß, dieses Haus ist souverän. Aber einige seiner Souveränitätsbefugnisse ruhen auf der Verantwortung eines Mannes, nämlich des Präsidenten. Dieses Haus kann ja auch z. B. keine Ordnungsrufe beschließen.
Es hat seinen guten Grund, daß bestimmte Entscheidungen nicht nach Mehrheit gefällt werden; denn ein Faktor des Minderheitenschutzes ist gelegentlich „aufgeklärter Absolutismus".
Meine Damen und Herren, wir fahren in den Verhandlungen fort. Das Wort hat der Abgeordnete Rutschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu einer Bemerkung der Frau Kollegin Kalinke Stellung nehmen. Sie sagte vorhin, daß die Freie Demokratische Partei ihre Grundsatzlinie in Hinsicht der
Dr. Rutschke
Sozialpolitik verlassen habe, weil sie hier in diesem Falle für das Kindergeld stimme.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege, ich hoffe, durch meine Frage bewirken zu können, daß Sie nicht weitere Verwirrung in die Grundsatzhaltung Ihrer Partei und Fraktion bringen.
Haben Sie verstanden, daß ich Sie gefragt habe, ob die Freie Demokratische Partei etwa von dem Grundsatz der freiheitlichen Wirtschaftsordnung und damit einer freiheitlichen Sozialordnung abgeht, wenn sie sich für dás französische Sozialsystem im Rahmen der französischen Ordnung als Modell für Deutschland einsetzt?
Hochverehrte Frau Kollegin! Es handelt sich hier im Augenblick ja nicht um das französische Sozialmodell, über das wir beschließen, sondern darum, daß wir heute darüber beschließen, ob das gegebene Versprechen deutscher Politiker eingehalten wird, ob man nun zu dem stehen wird, was man den Saarländern versprochen hat. Darum geht es!
Gestatten Sie eine eine weitere Zwischenfrage?
Bitte schön, Frau Kollegin!
Herr Kollege, ich darf doch unterstellen, daß Ihnen bekannt ist, daß das System an der Saar, das Sie verteidigen und beibehalten wollen, als Modell ein französisches System ist und von den Franzosen der Bevölkerung an der Saar aufgedrückt wurde?
Ich glaube, Frau Kollegin Kalinke, die einzig richtige Antwort hat Ihnen vorhin Herr Kollege Schneider gegeben. Herr Kollege Schneider hat nämlich gesagt: Auch wenn jemand hier zufällig ein Gesetz, das der Herr Hoffmann eingebracht habe, verteidige, so tue er es nicht Herrn Hoffmann zuliebe, sondern aus völlig anderen Gründen. In diesem Fall tun wir es allein — —
— Gnädige Frau, nun lassen Sie mich doch einmal ausreden. Dieser Gedanke könnte Ihnen wirklich auch einmal kommen.
Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter!
Danke vielmals, Herr Präsident!
Wir Freien Demokraten sind nicht grundsätzlich gegen ein Kindergeld. Das haben wir niemals erklärt. Wir haben nur immer gegen die ungerechte Aufbringung des Kindergeldes Protest erhoben. Dagegen in erster Linie richtet sich unser Protest. Wenn wir in diesem Falle für die Saarregelung stimmen, dann deshalb, weil es einmal versprochen wurde. Damals mußte es versprochen werden — das hat der Kollege Schneider sehr eingehend dargelegt —, weil Herr Hoffmann die Saarbevölkerung damit erschrecken wollte, daß er sagte, sie werde alle diese Vorzüge verlieren. Für uns handelt es sich hier um eine nationale Frage, und wir sind der Ansicht, daß das gegebene Versprechen gehalten werden muß.
Da ich gerade von der nationalen Frage spreche, darf ich eines sagen. Hochverehrte Frau Kalinke, Sie gehören doch zur Deutschen Partei. Wissen Sie, zu Ihrer Haltung in diesen Saarfragen kann man nur sagen: „Sie sind mir eine scheene Deutsche Partei!"
Darf ich fragen, was Sie unter „schön" verstanden haben?
Ich meine, wegen eines eventuellen Ordnungsrufes.
— Aber bei Zitaten ist zunächst die Erlaubnis des Präsidenten einzuholen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht möglich, die Ausführungen der Frau Kolinke - -
— Sehen Sie, das ist eine typisch Freudsche Komplexleistung; das hat mit dem Wort „Kohl" zu tun,
Es ist nicht möglich, diese Ausführungen unwidersprochen zu lassen. Denn was Sie, Frau Kollegin Kalinke, hier über das Sozialsystem und das System der Entlohnung — —
Herr Abgeordneter, das, was Sie soeben gemacht haben, war nicht sehr fein.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 434
g
Es war eine spontane Erwiderung auf den Zwischenruf der Frau Kollegin Kalinke. Ich habe das nicht gesagt, um die Ausführungen der Frau Kollegin Kalinke beleidigend zu kommentieren. Wenn dieser Eindruck entstanden sein sollte, stehe ich nicht an, mich insoweit für dieses Zwischenspiel zu entschuldigen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht möglich, diese Ausführungen in der Sache unwidersprochen im Raume stehenzulassen. Denn dann sähe es so aus, als ob wir Saarländer keine Ahnung von dem System hätten, das bei uns gilt, und nicht wüßten, inwieweit es sich von dem System im Bundesgebiet unterscheidet. Es ist eine völlige Verkennung der Tatsachen, wenn man sagt: Ihr habt an der Saar das französische System und ihr kommt jetzt in das System des Leistungslohns. Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren und Frau Kollegin Kalinke: im Saarland hat die ganzen Jahre hindurch das System des Leistungslohns, aufgestockt durch die Familienzulagen, existiert. Jede andere Deutung ist falsch. Ich komme doch selbst aus der Wirtschaft, aus den Betrieben, und weiß, daß wir durch Tarifregelungen oder Arbeitsverträge ,das gleiche System des Leistungslohns wie Sie hier im Bundesgebiet haben, lediglich aufgestockt durch die Familienzulagen.
Es ist auch nicht so, daß das System der Familienzulagen an der Saar ein französisches wäre. Das System in Frankreich ist ein ganz anderes. Das Saarland hat sein eigenes System der Familienzulagen entwickelt. Jetzt handelt es sich doch nur darum, das viel weitergehende saarländische System auf den kleinen Restbestand — erstes und zweites Kind — zurückzuschrauben. Wäre das die Übernahme eines französischen Systems und, wie Sie sagen, Frau Kollegin Kalinke, die Gefährdung der freiheitlichen Wirtschaftsordnung, könnten Sie im Bundestag nie über ein Kindergeld für das zweite und erste Kind debattieren; dann müßten Sie sagen: Das ist französisch, das machen wir nicht.
Meine Damen -und Herren, so liegen die Dinge doch. Wir wissen genau, daß wir eine langsame Überleitung zwischen der Regelung in der Bundesrepublik und Frankreich anstreben müssen; sonst gibt es keine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Wir von der Saar wollen nichts anderes als das, was der Kollege Gottesleben für die CDU-Kameraden aus der Saar gesagt hat — wir von der Saar bilden hier eine Kameradschaft —: daß wir zu einer Übergangszeit kommen, um die Saarbevölkerung in ihren Erwartungen nicht allzu grausam zu enttäuschen.
Deshalb bitte ich, dem Antrag die Zustimmung zu geben.
Es liegen in der Tat keine weiteren Wortmeldungen vor.
— Ach, Sie danken Gott dafür. Ich hatte Sie falsch verstanden; ich verstand Ihren Zwischenruf: „Doch, eine noch!"Meine Damen und Herren; wir kommen zur Abstimmung, und zwar lasse ich abstimmen über den Antrag Umdruck 360; zunächst Ziffer la. Oder ist das Haus der Meinung, daß gleichzeitig über Ziffer lb abgestimmt werden kann?
— Einverständnis darüber? — Dann stimmen wir also über den Antrag Umdruck 360 Ziffern la und b. Besteht Klarheit, worüber wir abstimmen? — Es ist namentliche Abstimmung beantragt; der Antrag ist genügend unterstützt.Noch einen kleinen Augenblick! Meine Damen und Herren, ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß der Bundesrat am Freitag im Besitz des Beschlusses des Bundestages sein muß. Ich glaube, das sollte uns veranlassen, in freiwilliger Selbstkontrolle unsere Redezeiten zu rationieren.
Ich bitte, mit der Abgabe der Stimmscheine zu beginnen.Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Insgesamt wurden 366 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 168 Abgeordnete, mit Nein 192 Abgeordnete; 6 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten haben 14 mit Ja gestimmt und 5 mit Nein. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.Ja CDU/CSUBaldauf DraegerDr. Görgen GotteslebenHeyeRulandSpies
SPDFrau Albertz AltmaierDr. Arndt AugeBadingDr. BärschBäumer BalsBauer Baur (Augsburg) BazilleDr. Bechert Behrendt BehrischFrau Bennemann BerkhanBerlinBlachsteinDr. Bleiß BörnerDr. BrechtBruseBüttner Conrad Corterier Cramer DewaldDiekmannFrau Döhring DopatkaDröscherFrau Eilers
ErlerEschmannFallerFolger Franke Frehsee Frenzel Geiger
GeritzmannHaage HamacherHansing Dr. Harm Hauffe HeideHeilandDr. Dr. HeinemannFrau HerklotzHermsdorfHerold Höcker HöhmannHöhne Hörauf Frau Dr. HubertHufnagelIven
JacobsJahn
JürgensenJunghansFrau KeilhackFrau KettigKeuningKillat
Kinat
Frau Kipp-KauleKoenen
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4350 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Frau KorspeterKrausKühn
KurlbaumLange LantermannLudwigLücke LünenstraßMaier
Marx MatznerMeitmannDr. MenzelMerten MetterMeyer Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Frau NadigPaulPeters Pöhler Pohle Prennel Priebe PützPusch Rasch Regling RehsReitzFrau RengerRitzel Rohde Frau RudollRuhnkeDr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenDr. Schmid Schmitt (Vockenhausen) SchoettleSchröder Seidel (Fürth)Seither Stierle StriebeckTheis Wagner WalpertWegenerWehner Wehr Welke Weltner
Frau WesselWienandWilhelmWischnewskiWittrockZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-HeiseDr. KönigswarterFrau KrappeMattickNeubauer Neumann ScharnowskiDr. SchellenbergSchröter
Schütz
Dr. SeumeFrau Wolff FDPDr. AchenbachDr. Becker
Dr. Bucher Dr. DahlgrünDr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus Döring
DürrEisenmannFrau Friese-KornDr. Kohut Kreitmeyer Kühn
Lenz
MaukDr. Miessner MurrDr. Rutschke SanderDr. Schneider SchultzSpitzmüllerDr. StammbergerWalterWeber ZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. WillNeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner ArndgenBaier
Balkenhol Dr. Bartels Dr. BarzelBauer Bauereisen BauknechtDr. Becker Becker (Pirmasens) BerberichDr. BergmeyerDr. Besold BlankFrau Dr. BleylerFrau Blohmvon BodelschwinghDr. Böhm BrandFrau BrauksiepeBreseFrau Dr. BrökelschenBrückDr. Bucerius BühlerBurgemeisterCillienDr. Conring DemmelmeierDiel
Dr. Dollinger DrachslerDr. Dresbach EhrenEichelbaum Dr. ElbrächterEngelbrecht-GreveFrau EngländerEnkEpléeEtzenbach FinckhDr. Franz Franzen Dr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FuchsFunkFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehringFrau GeisendörferD. Dr. Gerstenmaier GewandtGibbertGlüsing GöldhagenGontrum Dr. Gossel GüntherFreiherr zu Guttenberg HackethalHäusslerDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerHeixHesemann HilbertHöcherlDr. Höck
HöflerHollaHornbr. Huys Dr. Jaeger JostenDr. Kanka KatzerKemmer Kirchhoff Frau KlemmertDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr KochKramelKrammig KrollKrüger
Krüger
KrugFrau Dr. KuchtnerKunstKuntscher KunzeLang
LeichtLenze
LermerLeukertLulayMajonicaDr. Baron Manteuffel-Szoeg Dr. MartinMaucher MeisMemmel MengelkampMenkeMensingMeyer MuckermannMühlenberg Müller-HermannMüserNellenNieberg Niederalt Frau NiggemeyerOetzelFrau Dr. PannhoffPelsterDr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumDr. PhilippFrau Dr. RehlingDr. Reinhard Dr. ReithFrau Rösch RösingRufScharnberg Scheppmann SchleeSchlickFrau Schmitt
Schütz Schulze-PellengahrFrau Dr. SchwarzhauptDr. Schwörer Seidl SiebelSolkeSpies StauchDr. Stecker StillerDr. StoltenbergStorm StücklenSühlerTerieteUnertlVarelmann Dr. Vogel VogtWacherDr. WahlFrau Dr. h. c. Weber Dr. Weber (Koblenz) WehkingWeimerWeinkammFrau Welter WendelbornDr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. Winter WittmannWittmer-EigenbrodtWormsDr. Wuermeling WullenhauptBerliner AbgeordneteBendaDr. GradlHübner Dr. KroneStinglDPFrau Kalinke LogemannMatthesDr. PreißProbst
Dr. RipkenDr. Schneider
Dr. Schranz Dr. Steinmetz Tobaben
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4351
EnthaltenCDU/CSUDr. CzajaDr. Even MickNeuburger Dr. ZimmerFDP KellerWir stimmen nunmehr ab über § 1, § 2 und § 2a nach der Ausschußfassung. Wer für die Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.§ 3! Dazu ist ein Änderungsantrag angekündigt, den Sie auf Umdruck 360 Ziffer 2 finden. Wer begründet den Antrag? — Das Wort hat der Abgeordnete Killat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihr Einverständnis und die Zustimmung des Herrn Präsidenten erbitten, die Ziffer 2 und die Ziffer 3 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD Umdruck 360 gemeinsam zu begründen. Es handelt sich um die Regelung und Sicherung der Arbeitsverhältnisse und der Einkommen der Arbeitnehmer im Saarland.Im einzelnen regelt der § 3 die Behandlung der tarifvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen und der § 4 die Behandlung der Einkommen aus den auf Einzelarbeitsvertrag beruhenden Arbeitsverhältnissen. Was bewirken diese beiden Paragraphen?Alle Tarifverträge, soweit sie auf französischer Währungsbasis beruhen, sollen nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 1 außer Kraft gesetzt werden. Außerdem sollen nach dem Abs. 2 dieses Paragraphen auch diejenigen Tarifverträge fristlos gekündigt werden können, die entweder eng mit außer Kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen zusammenhängen oder auf ihnen beruhen.Wir haben uns sehr eingehend mit den wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen befaßt, die aus Anlaß der Eingliederung des Saarlandes notwendig sind. Ich darf feststellen, daß die vermögensrechtlichen Ansprüche am Tage X, wenn ich so sagen darf, d. h. am Tage nach dem Ende der Übergangszeit, nach dem amtlichen Umstellungsfaktor in D-Mark-Beträgen anerkannt werden. Für die Geldansprüche der Arbeitnehmer soll das nach dieser Vorlage nicht gelten. Wenn die §§ 3 und 4 unverändert angenommen werden, ist die Situation für die Arbeitnehmerschaft des Saarlandes so, daß sie tariflos und, soweit es sich um die die Arbeitsbedingungen regelnden gesetzlichen Bestimmungen handelt, auch rechtlos ist. Ich glaube, für eine solche Maßnahme gibt es weder stichhaltige Gründe noch ein Beispiel in unserer Geschichte. Selbst nach dem Zusammenbruch, selbst in der regierungslosen Zeit nach 1945, galten im wesentlichen alle gesetzlichen Bestimmungen und auch die gesetzlich verordneten Tarifordnungen weiter. Die Währungsreform von 1948 und auch die Einführung des neuen Tarifvertragsgesetzes von 1949, die man zum Vergleich heranziehen könnte, sahen in keiner Weise eine Beseitigung oder Außerkraftsetzung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden arbeitsrechtlichen Bedingungen oder Inhaltsnormen von Arbeitsverträgen und Tarifverträgen vor. Bei der Währungsumstellung im Juni 1948 waren nach § 18 des Umstellungsgesetzes alle Löhne und Gehälter zum vollen, bis dahin in Reichsmark gezahlten, Nennbetrag in D-Mark weiterzuzahlen. Lediglich der § 27 sah Anpassungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und des Beamtenrechts vor. Nach diesen Anpassungsmaßnahmen konnten die Arbeitgeber lediglich Überzahlungen durch eine Verkürzung der gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfristen verändern. Dabei gab es Kündigungsfristen von drei bis neun Monaten für die Aufkündigung solcher Änderungsverträge oder gar Auflösung des Arbeitsverhältnisses.Die Einführung der absoluten Vertragsfreiheit der Sozialpartner im Jahre 1949 hätte unter Umständen dazu führen können, die bis dahin gesetzlich verordneten, aus der Nazi-Zeit stammenden Tarifordnungen oder andere Anordnungen außer Kraft zu setzen. Auch das ist nicht geschehen, obwohl mit diesem Gesetz die volle Tarifautonomie hergestellt wurde. Vielmehr hat man in § 9 des Tarifvertragsgesetzes die Bestimmungen eingebaut, daß die Tarifpartner nur durch neue Tarifabschlüsse die alten gesetzlichen Regelungen verdrängen können. Man ging sogar so weit, daß selbst Einzelbestimmungen weiterhin ihre Geltung behielten, wenn der Tarifvertrag nicht alle Regelungen einer Tarifforderung veränderte.Ich erzähle hier nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, daß mindestens drei bis fünf Jahre ins Land gingen, ehe die ersten wesentlichen Manteltarifverträge abgeschlossen wurden. Noch heute, zehn Jahre nach Einführung der Tarifvertragsfreiheit, gelten eine ganze Reihe von Manteltarifverträgen, weil sich die Sozialpartner nicht einigen konnten, weil man vielleicht noch nicht einmal bereit war, die Bestimmungen der Tarifordnung durch freie Verträge zu ersetzen.Der Gesetzgeber hat seinerzeit aus seiner sozialen Verantwortung heraus zur Wahrung des sozialen Besitzstandes der schwer arbeitenden Menschen beschlossen, daß diese Tarifordnung nur durch einen Vertrag verdrängt werden kann. Ich glaube, die Tatsache, daß Tarifordnungen heute noch bestehen, zeigt, daß eine solche Maßnahme nur allzu richtig war.Daß in § 3 Abs. 3 die Nachwirkung des Tarifvertragsrechts im Einzelarbeitsvertrag in der Inhaltsnorm verankert ist, ist ein sehr schwacher Trost. Auch Ihnen ist bekannt, daß die Sätze der Tarifverträge im Saarland im wesentlichen unter den Sätzen vergleichbarer Verträge des Bundesgebiets liegen, weil sie eben durch gesetzliche Maßnahmen aufgestockt waren. Zum anderen gibt es in vielen Bereichen überhaupt keine Manteltarifverträge, weil hier die gesetzlichen Regelungen ausreichend waren. Aber die Nachwirkungsklausel hat noch einen anderen Haken. Jeder Unternehmer kann sich
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4352 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Killat
von heute auf morgen der Nachwirkung entziehen, indem er eine Änderungskündigung vornimmt.Selbst in der gegebenen Situation ist es uns unverständlich, daß man es seinerzeit im Ausschuß für notwendig hielt, die Nachwirkung noch einzuengen und in § 3 Abs. 3 den Zusatz aufzunehmen, daß sie nicht gelten soll, soweit tarifvertragliche Bestimmungen den nach § 2 außer Kraft tretenden Vorschriften entsprechen. Mit dem Wort „entsprechen" ergibt sich schon der Streitpunkt.Der Nachsatz bedeutet noch eine weitergehende Einengung, ja überhaupt eine Bestreitung der Tarifautonomie der Vertragspartner. Ich bin erfreut, daß auch in Ihren Kreisen Geneigtheit besteht, aus grundsätzlichen Erwägungen unserem Vorschlag in Ziffer 2 zu § 3 Abs. 3 zuzustimmen.Nun zu § 4! Aus § 4 ist nicht eindeutig ersichtlich, ob die Bestimmung nur für Einzelarbeitsverhältnisse gelten soll, und zwar für Arbeitnehmer, die nicht tarifgebunden sind. Man kann es eindeutig erst der Begründung der Regierungsvorlage entnehmen. Im ersten Satz des ersten Absatzes des Paragraphen ist als Grundsatz aufgestellt, daß kein Arbeitnehmer infolge der Währungsumstellung oder in Auswirkung der gestern und heute beschlossenen Gesetze eine Einbuße in dem wirtschaftlichen Wert seines Nettoarbeitseinkommens erleiden soll. Wir Sozialdemokraten bejahen diesen Grundsatz, ja wir möchten, daß er der Kernpunkt des Gesetzes überhaupt wird. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann dieser Grundsatz bei Ihrem Vorschlag aber nicht zum Zuge kommen, weil Sie die tarifgebundenen Arbeitnehmer schlechthin ausschließen. Auch die tarifgebundenen Arbeitnehmer kommen nur dann in den Genuß der Regelung, wenn sie in Wirtschafts- oder Verwaltungsbereichen tätig sind, die üblicherweise durch Tarifverträge die Arbeitsverhältnisse regeln, obwohl dieser Personenkreis nicht unter einen Tarifvertrag fällt. Die Voraussetzung zur Befriedigung des Anspruchs auf Weiterzahlung der Bezüge in dem gleichen wirtschaftlichen Wert ist der Abschluß eines neuen Tarifvertrags. Nach Ihrem Vorschlag soll der Anspruch aber ersatzlos erlöschen, wenn nicht innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird oder abgeschlossen werden kann. Meine Damen und Herren, was bedeutet das? Das könnte da und dort geradezu Anlaß sein, keinen Vertrag abzuschließen, weil durch die Klausel der Sechs-Monatsfrist überhaupt kein Anspruch, auch nicht für die zurückliegende Zeit, entstehen kann.Die §§ 3 und 4 besagen, einmal simpel ausgedrückt, nicht mehr und nicht weniger, als daß das gesamte Risiko der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes allein zu Lasten der Arbeitnehmerschaft gehen soll. Wir haben uns hier über eine Vielzahl von notwenigen Stütz- und Hilfsmaßnahmen wie Umstellungsbeihilfen usw. für die Wirtschaft unterhalten, um ihr eine Starthilfe zu geben. Ich brauche die Positionen nicht im einzelnen aufzuzählen. Wir sind so weit gegangen, selbst für in Zukunft nicht mehr mögliche Gewinne auf Unternehmerseite Beihilfen zu gewähren; denn unterUmständen werden in der Tabakbranche oder der Zigarettenbranche die Herstellungsbetriebe entweder veräußert oder nicht mehr betrieben. Auch der Fortfall der weiteren Lohnzulage bringt eine Einsparung von allein schon 6 % der Lohnsumme. Die Umverteilung der Sozialversicherungsbeiträge bewirkt gleichfalls eine nicht unerhebliche Einsparung. Der Herr Staatssekretär hat ja die Beträge genannt, die im ersten Haushaltsjahr im wesentlichen zur Stützung der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden.Wir Sozialdemokraten bejahen diese Forderung und auch die Erleichterung der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes. Es erfüllt uns aber mit Sorge, daß die Arbeitnehmer am Tage X schutzlos einem etwa möglichen Tarifvertragsabschluß überlassen werden. Die Regierung selbst hat in dem Bericht über die zu treffenden wirtschaftlichen Maßnahmen vom April dieses Jahres, Drucksache 1002, Ausführungen gemacht, die nicht zu Unrecht große Befürchtungen bei den arbeitenden Menschen an der Saar hervorrufen müssen. Sie hat in der Darstellung der notwendigen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Maßnahmen Beispiele genannt. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Absatz vorlesen, der sich mit der Konkurrenzfähigkeit und der Anpassung der Löhne und Sozialabgaben befaßt. Es heißt in dem Bericht:Alle oben genannten Maßnahmen können jedoch nur eine Starthilfe für die Umstellung auf den deutschen Markt sein und nur dann zur nachhaltigen Konkurrenzfähigkeit der saarländischenWirtschaft führen, wenn es gelingt, die laufende Kostenbelastung der saarländischen Wirtschaft dem Kostenniveau im übrigen Bundesgebiet anzupassen.Und ich darf fortfahren:Das Hauptproblem liegt bei den Personalkosten im weitesten Sinne, also bei Löhnen, Gehältern und Sozialabgaben.Hierin liegt doch offen oder versteckt die Möglichkeit, daß das Ausweichen zur Herstellung der Konkurrenzfähigkeit unter Umständen hauptsächlich zu Lasten der Arbeitnehmerschaft erfolgt. Das erfüllt uns mit großer Sorge.Ich darf in diesem Zusammenhang noch einen Satz zitieren, der die Diskussion, die gestern und heute hier über den sozialen Besitzstand geführt worden ist — darum geht es auch in dieser Frage —, schlaglichtartig beleuchtet:In der öffentlichen Diskussion über den sogenannten sozialen Besitzstand ist immer wieder der Eindruck entstanden, als ob es sich um Errungenschaften handelte, die die Arbeitnehmer von den Arbeitgebern im Saarland erkämpft haben. Dies ist nicht der Fall.Ich glaube, der Arbeitnehmer fragt überhaupt nicht, auf welcher Grundlage oder ,auf welchem Wege der soziale Besitzstand zustande gekommen ist. Er ist für ihn ein Faktum, davon müssen wir ausgehen. Man kann den sozialen Besitzstand nicht, wie es auch hier schon teilweise geschehen ist, mit einer Hand-
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Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4353
Killat bewegung abtun. Zu der Frage des sozialen Besitzstandes ist hier sehr vieles gesagt worden. Man sollte einmal eindeutig zum Ausdruck bringen, worum es sich hier handelt. Nach der Auffassung meiner Freunde ist die Wahrung des sozialen Besitzstandes nicht nur eine spezielle Aufgabe für die Überleitungsmaßnahmen im Saarland; die Wahrung des sozialen Besitzstandes kann man vielmehr geradezu als eine Magna Charta des in abhängiger Arbeit stehenden Menschen in einer marktwirtschaftlich geordneten Wirtschaftsgesellschaft ansehen.
Nur dieser Grundsatz garantiert überhaupt die Existenzsicherung und auch die Förderung des sozialen Fortschritts in einer letztlich doch egozentrischen Erwerbswirtschaft.An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf eine Bemerkung zurückkommen, die der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gestern gemacht hat. — Ich begrüße es, daß der Herr Minister wieder seinen Platz einnimmt. Herr Bundesminister Blank hat unter anderem sinngemäß erklärt, Sozialpolitik könne nicht so getrieben werden, daß man Gutes behält und noch Besseres hinzunimmt. Ich möchte in diesem Hause erklären: gerade so muß Sozialpolitik getrieben werden!
— Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen, daß eine internationale Organisation, das Internationale Arbeitsamt in Genf, auf diesem Grundsatz mit aufgebaut ist.Ich darf aber auch einmal — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — einen berufenen Zeugen aus Ihren Kreisen zitieren. Der leider allzu früh verstorbene Ministerpräsident des Saarlandes, Herr Reinert, hat am 13. Juni 1957 in der Regierungserklärung der Saarregierung u. a. gesagt:Die Regierung ist sich bewußt, daß die Unterstützung, die sie der Wirtschaft angedeihen läßt, das Land befähigen soll, auch seine sozialen Verpflichtungen zu erfüllen. Sie sieht daher die möglichst baldige vollständige und reibungslose Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse an diejenigen der übrigen Bundesrepublik als vordringliche Aufgabe an. Dabei sollen saarländische Leistungen nicht vermindert und Neuregelungen der übrigen Bundesrepublik möglichst unverzüglich für das Saarland eingeführt werden. Die Regierung wird sich bemühen, auf die Einführung von Verbesserungen der Kriegsopferversorgung, der Familienzulagen und sonstiger sozialer Bestimmungen für das ganze Bundesgebiet hinzuwirken, soweit sich solche Bestimmungen im Saarland bewährt haben.Ich möchte dem Herrn Minister und auch den Kollegen sagen: Im Katechismus des Sozialpolitikers und auch des Vertreters, der für die Arbeitnehmerschaft einzutreten hat, kann es überhaupt keinen Artikel geben, wonach man einer sozial bedürftigen Gruppe etwas wegnimmt, um es vielleicht einer anderen sozial bedürftigen Gruppe zu geben, wie es hier gestern vertreten worden ist.In der Debatte ist schon mehrfach von dem sogenannten Kostenniveau der Bundesrepublik gesprochen worden. Nun, ich verrate hier kein Geheimnis, wenn ich erkläre, daß es in ,der Bundesrepublik überhaupt kein einheitliches Kostenniveau gibt. Allein die gesamten betrieblichen Sozialleistungen unterschiedlicher Art können die Kostensituation verschieben. Trotzdem oder gerade deshalb sind sehr viele Betriebe und Werke außerordentlich leistungsfähig. Ich will hierauf aufmerksam machen, damit kein Irrtum in der Frage der vergleichbaren Kosten entsteht, etwa in der Frage, welche Personalkosten den Arbeitgebern im Saarland zugemutet werden können.Wir haben allgemein, das ist Ihnen bekannt, in der Bundesrepublik ein Kostengefälle von Norden nach Süden, nicht nur in den Tarifverträgen, sondern auch in den Effektivverdiensten. Dieses Kostengefälle wirkt sich bis zu 40% der Effektivleistungen aus. Ich darf hier einmal eine Branche nennen, die, glaube ich, aus Konkurrenzgründen nicht etwa in Versuchung geraten könnte, ihre Waren nicht in Hamburg abzusetzen, sondern vielleicht in München oder meinetwegen in Mainz. Ein kaufmännischer Angestellter mittlerer Kategorie — der Gehaltsgruppe III von fünf Leistungsgruppen — erhält nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Hamburg ein Gehalt von 640 DM. Er erhält in einem gleichen Wirtschaftsbereich in Mainz oder in München, in dem die gleichen Preise gelten, für die gleiche Tätigkeit sage und schreibe nur 460 bis 470 DM, d. h. ein Gehalt, das um 40 % geringer ist.Auch die nachbarlichen Wirtschaftsräume wirken sich in dieser Beziehung nicht aus. Sie könnten sagen, und ,das wurde hier schon angeführt: Der Kaufmann oder der Handwerker oder der Mittelständler im Saarland muß ja jetzt das Grenzgebiet, das Nachbargebiet sehen. Dafür ein Beispiel aus den Grenzbereichen Hamburg und Schleswig-Holstein: In Hamburg bekommt der von mir soeben genannte Angestellte ein Gehalt von. 640 DM, in Schleswig-Holstein ein Gehalt von rund 500 DM; das heißt, das Hamburger Gehalt ist um 26 % höher. Trotzdem ist der Einzelhandel in Hamburg wahrscheinlich in der Lage, genauso günstig zu verkaufen wie in Schleswig-Holstein.Ich bin der Meinung, daß man einen Wirtschaftsraum in sich geschlossen sehen muß und daß man Eber diesen Wirtschaftsraum, so wie ihn etwa das Saarland darstellt, diskutieren und entscheiden muß.Bei der Behandlung dieser Probleme dürfen Sie nicht übersehen — ich habe den Eindruck, das geschieht jetzt schon —, daß auf die Arbeitnehmer weitere und erhöhte Belastungen zukommen. Nicht nur, daß man ihnen vieles wegnehmen will, vielmehr müssen sie am Tage X auch die erhöhten Rentenversicherungsbeiträge, die erhöhten Krankenversicherungsbeiträge und Leistungen zur Arbeitslosenversicherung zahlen — die bisher nur den Wirtschaftsmitteln, den Betriebsmitteln entnommen
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4354 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Killat
wurden —, so daß sich bei den Beiträgen zur Sozialversicherung schon eine Mehrbelastung von 3,5 % bei den Angestellten bis über 7 % ergibt.Es ist von den Saarmieten und von den wegfallenden Leistungen gesprochen worden. Meine Damen und Herren, soll all das, was die Tarifpartner, was die Sozialpartner in anderthalb Jahrzehnten — ob gesetzlich, ob vertraglich, ob auf Vereinbarung oder Verordnungen beruhend — erreicht haben, mit einem Federstrich weggewischt werden, und sollen die Sozialpartner nun sehen, wie sie damit fertig werden? Wenn man den Sozialpartnern noch einen Spielraum ließe, könnte man über eine solche Methode reden. Wenn man aber so, wie es hier der Fall ist, entweder ad hoc am Tage X oder, wie es in einem anderen Fall durch einen von uns gestellten Antrag in § 2 a erreicht wurde, nur für drei Monate noch eine Nachwirkung gelten lassen will, dann bin ich der Meinung, daß zum größten Teil schon aus rein personellen und organisatorischen Gründen diese Tarifregelungen nicht erfolgen können, die ja all das auffangen sollen, was wir heute durch die Abstimmung hier beseitigt haben. Man kann fast sagen, nur am grünen Tisch konnte die Idee geboren werden, daß in wenigen Wochen durch solche Vereinbarungen eine Materie tarifvertraglich geregelt werden kann, die nicht nur sozial- und arbeitsrechtlich, sondern auch gesellschaftspolitisch Zustände geschaffen hat, die gewachsen sind.Es kommt hinzu: der eine Sozialpartner — nämlich die Gewerkschaften — kann nur für seine tarifgebundenen Mitglieder sprechen. Ein nicht unerheblicher Teil — es können zwischen 30 und 40 % der arbeitenden Bevölkerung sein — wird überhaupt nicht erfaßt werden. Das muß man bedenken. Auch ist die Partnerschaft, die Gleichwertigkeit mit den Unternehmern, wahrscheinlich nicht gegeben, weil am Tage nach der Umstellung die Gewerkschaften nicht mit allem Nachdruck einen Tarifvertrag erzwingen können. Sie sind doch nicht in der Lage, einen Vertragsabschluß vorzunehmen etwa unter dem Druck eines möglichen Streiks; denn dann würden sie sich den Vorwurf zuziehen, die gerade einzugliedernde und aufzubauende Saarwirtschaft zu zerstören. — Herr Kollege, es sind ganz andere Reden als Beiträge hier gehalten worden, und da haben Sie auch nicht auf die Uhr gezeigt!
Meine Damen und Herren! Mein persönlicher Eindruck ist, daß neben der Frage des Familienlastenausgleichs hier in der Regelung und Sicherung der Arbeitsverhältnisse und Einkommen der Beschäftigten überhaupt das Kernproblem der wirtschaftlichen Eingliederung liegt.
Ich möchte das hier nicht so schnell über die Bühnegebracht sehen, weil ich auch den Eindruck habe,das sich viele, viele Ihrer Kollegen über die Bedeutung Ihrer Vorschläge noch nicht im klaren sind.
Es handelt sich hier nicht nur um eine währungs-und wirtschaftspolitische, sondern auch um eine in höchstem Maße staatspolitische und nationale Aufgabe dieses Hauses.Wir schlagen Ihnen vor, den Abs. 1 von § 4 in drei Teile aufzulösen. Im Teil 1, im Umdruck 360 unter Ziffer 3 a, halten wir den Grundsatz fest, daß der Arbeitnehmer am Tage der Eingliederung im wirtschaftlichen Wert seiner Bezüge nicht schlechter gestellt werden darf als zuvor. Als zweiten Teil schlagen wir unter Ziffer 3 b des Umdrucks vor, in einem neuen Absatz 1 a Regelungen für die tarifgebundenen Arbeitnehmer vorzusehen, für die Sie, bis auf die nicht wirksam werdende Nachwirkung, überhaupt keine Regelungen im Gesetz vorgesehen haben. Im dritten Teil, unter Ziffer 3 c des Umdrucks, haben wir Regelungen für die tarifungebundenen Arbeitnehmer vorgeschlagen.Meine Damen und Herren, wir muten Ihnen auch hier nichts zu, was nicht zu erfüllen wäre. Wir wollen diesen Vorschlag auch begrenzen, allerdings nicht mit drei, vier oder fünf Monaten; wir glauben, daß hier ein Zeitraum von mindestens 12 Monaten notwendig ist, um den Sozialpartnern die Möglichkeit zu geben, einen entsprechenden Abschluß zu tätigen.Ich möchte abschließend sagen, daß dieser erste Fall einer Wiedervereinigung unter keinen Umständen wegen mangelhafter Sicherung des sozialen Besitzstandes Schiffbruch erleiden darf. Er darf auch nicht deshalb scheitern oder diskriminiert werden, weil man die Verantwortung in dieser Frage den Sozialpartnern aufbürdet, die ihre Tarifverträge nicht in jedem Falle unter sozialen und nationalen Notwendigkeiten abschließen.In diesem Falle muß das Parlament nicht nur beraten, sondern auch nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Ich bitte Sie namens meiner Freunde und im Interesse der beschäftigten Arbeiter und Angestellten des Saarlandes, unserer Vorlage zuzustimmen.Wegen der Bedeutung dieser Frage beantragen wir namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, von den drei Gesetzen, die die Saar betreffen und die wir heute behandeln sollen, ist in viereinhalb Stunden erst eines verabschiedet worden. Da um 21 Uhr Sitzungsschluß sein soll, bitte ich, diesen Umstand beim weiteren Verlauf der Diskussion zu berücksichtigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns leider
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4355
Dr. Schneider
nicht möglich, der Regelung in den §§ 3 und 4, die zweifellos eine der entscheidenden Kernfragen der wirtschaftlichen Eingliederung überhaupt sein wird, zuzustimmen. Diese Konstruktion nach vielen Kompromissen ist nach meiner Auffassung ein Homunkulus; betrachtet man sie von der saarländischen Praxis und ihrer Durchführung aus, so ist es klar, daß sie ein Homunkulus bleiben muß.
§ 3 Abs. 1 geht von dem Grundsatz aus, den alle aufgestellt haben, daß nach der Eingliederung deutsche Preise gelten und infolgedessen auch deutsche Löhne eingeführt werden, ein Grundsatz, der klar und deutlich ist und den man in den Besprechungen als Neuordnungsprinzip an der Saar bezeichnet hat. Dabei ging man von der Tatsache aus, daß am Tage X etwa 90 % aller Fälle in Tarifverträgen geregelt seien und daß nur für den Rest — das war vor allem die Auffassung des Justizministeriums — noch eine Ersatzlösung gefunden werden müsse. Man hat diese Ersatzregelung über § 3 Abs. 2 ff. und § 4 gefunden. Diese Ersatzlösung steht im Widerspruch zum Prinzip der Neuordnung. Man geht hierbei wieder von dem alten Lohnsystem aus und versucht, nach dem amtlichen Frankenkurs umzurechnen. Man geht aber nicht von dem Einkommen aus, das die saarländischen Arbeitnehmer vor dem Tage X hatten, sondern vermindert es, wie § 4 Abs. 2 sagt, um die Zulagen. Dadurch entsteht zunächst einmal, wie wir ausgerechnet haben, für die Arbeitnehmerschaft bei bei der Umrechnung in vielen Fällen eine zu niedrige Entlohnung. Das nimmt der Gesetzgeber in seinem Entwurf auch in Kauf und sieht vor, Korrekturen vorzunehmen, entweder durch Tarifverträge, die später abgeschlossen werden, oder durch die Inkraftsetzung von Tarifverträgen für solche Partner des Arbeitslebens, die nicht unter einen Tarifvertrag fallen, und sogar, wie der § 4 Abs. 4 sagt, für Einzelverträge. Das alles aber soll nachträglich geschehen, wenn festgestellt ist, daß ein Tarifvertrag geschlossen wurde.In dieser Ordnung liegt das ganz gefährliche Prinzip der rückwirkenden Nachzahlung von Löhnen und Gehältern bis auf die Dauer von sechs Monaten, nach deren Ablauf der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Wie soll sich die Saarwirtschaft nach diesem Prinzip, ob Sie von dem Entwurf der Regierung oder von der noch erweiterten Vorlage der SPD ausgehen, kostenmäßig einstellen, wenn sie nicht vom Tage X an kalkulieren und berechnen kann, welche Lohn- und Gehaltsausgaben sie effektiv hat? Es ist das schlimmste Prinzip, in der Wirtschaft Unklarheiten zu lassen und ihr dann zuzumuten, nach Monaten noch Löhne und Gehälter nachzuzahlen. Ich erkenne durchaus die von der SPD vorgetragenen Bedenken an, die die Arbeitnehmerschaft gegen die unglückliche Regelung äußert. Ich bin immer der Meinung gewesen, daß man eine Regelung hätte finden müssen, die auch den berechtigten Belangen der Arbeitnehmerschaft entspricht. Eine solche Regelung kann man jedoch nicht finden, indem man fordert, daß die Wirtschaft die Differenzbeträge hinterher nachzahle.Wie absurd — verzeihen Sie mir den Ausdruck — die Konstruktion ist, ersehen Sie aus § 4 Abs. 5. Sehen Sie sich diese Vorschrift einmal an! Ich möchte wissen, wer im Hause mir sagen kann, wie man diese Regelung in der Praxis durchführen soll. In Abs. 5 wird gesagt, daß eine Abweichung von dem System der rückwirkenden Mehr- und Nachzahlung möglich ist, wenn die sich danach ergebenden Leistungen dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden können, weil sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der Eingliederung wesentlich geändert haben. Hier stellt man bei der Frage einer rückwirkenden Höherbezahlung darauf ab, ob der Arbeitgeber beweisen kann, daß sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Das Betriebsrisiko wird also auf die Arbeitsverträge abgeschoben.Früher konnte man noch eine Vorstellung davon haben, wie diese Regelung verwirklicht würde. Zuerst gab es noch den berühmten § 5, in dem die Saarregierung ermächtigt wurde, durch Rechtsverordnung zu entscheiden, ob eine solche wesentliche Änderung oder Verschlechterung vorliegt. Dieser § 5 ist wegen Verstoßes gegen die Tariffreiheit gestrichen worden. Er war auch nicht realisierbar. Denn wie soll eine Regierung durch Rechtsverordnung entscheiden, ob Tarifregelungen mehr als 10 % zu hoch oder zu niedrig liegen. Das ist doch völlig unmöglich.Jetzt überläßt man es dem Arbeitsrichter an der Saar, mit diesem Homunkulus fertig zu wenden, und man überläßt es den Tarifpartnern, den Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sich monatelang herumzuschlagen. Während dieser Zeit bleibt völlig offen, ob man überhaupt zu einem Tarifvertrag kommt oder nicht. Man geht davon aus: Jeder muß zunächst einmal abwarten, ob ein solcher Tarifvertrag geschlossen wird; erst dann kann er vielleicht klagen.Dieses Gesetz ist tatsächlich entstanden — das habe ich gestern bereits beklagt —, ohne daß man sich rechtzeitig höheren Orts, auf Ministerebene, mit den Problemen befaßt hat. Diese Regelung ist so kompliziert, daß meiner Überzeugung nach — ohne daß ich damit den Fachleuten im Hause irgendwie zu nahe treten will — ,eine völlige Klarheit über die Ordnung und unsere Verhältnisse nicht zu erzielen ist. Es ist wirklich eine Regelung, die in der Form einfach nicht paßt und die zu keinem guten Erfolg führen kann.Wir würden Ihrem Änderungsantrag, meine Damen und Herren von der SPD, sofort zustimmen, wenn wir davon überzeugt wären, daß dadurch die Dinge gefördert werden könnten und der Wirtschaft, die ja um die Erhaltung der Arbeitsplätze kämpfen muß, gedient wäre. Das ist aber nicht möglich, wenn die Wirtschaft nicht weiß, was sie morgen zu bezahlen hat, Denken Sie doch an einen Handwerker, der seine Rechnungen ausstellt! Die Rechnungen stellt er nach dem gezahlten Lohn aus. Jetzt soll er nach 6, 8 oder 10 Wochen oder gar nach 6 Monaten Nachzahlungen leisten. Das ist unmöglich. Ich glaube deshalb, daß unsere Ansicht begründet und berechtigt ist, ohne daß ich in dieser letzten Stunde bessere Lösungsvorschläge machen könnte.
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Dr. Schneider
Auch der saarländische Landtag hat erkannt, daß diese Lösung schlecht ist. Er hat in einer einstimmig gefaßten Entschließung vor über 14 Tagen Bundesregierung und Saarregierung aufgefordert, hier eine andere, bessere Lösung auszuarbeiten. Das ist nicht geschehen. Auch insoweit ist in dem Hohen Hause die Entschließung des saarländischen Landtags nicht berücksichtigt worden.Ich glaube, wir sind alle überfordert, wenn wir dieser Regelung zustimmen und damit die Verantwortung übernehmen sollen, die dieser Entwurf uns auferlegt. Ich bedauere, daß wir weder dem § 3 noch dem § 4, damit auch nicht dem ganzen Gesetz und ebensowenig den Änderungsanträgen die Zustimmung geben können, nicht etwa deshalb, weil wir die sozialen Belange nicht anerkennten - ich glaube, diese haben wir hier eifrig vertreten —, sondern weil wir von der schlechten Ordnung des durch die §§ 3 und 4 bestimmten Systems insgesamt völlig überzeugt sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Franzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich vertrete hier den Änderungsantrag der SPD Umdruck 360.
— Ich nehme dazu Stellung, ich vertrete ihn nicht.
Ich bin der Auffassung, daß ich zu der Begründung, die der Kollege Killat zu den Ziffern 2 und 3 gegeben hat, im einzelnen nicht mehr Stellung zu nehmen brauche. Denn nach unserer Meinung wird es uns, wenn wir so weitermachen wie bisher, nicht gelingen, die Saargesetze heute noch zum Abschluß zu bringen. Wir von der CDU/CSU-Fraktion lehnen die Verantwortung ab, wenn dadurch die Verabschiedung im Bundesrat morgen gefährdet wird.
Dem Änderungsantrag Umdruck 360 Ziffer 2 werden wir zustimmen, obwohl wir in der Sache die Ausschußvorlage für richtig halten. Aber im Grundsatz werden wir der Ziffer 2 zustimmen.
Den Antrag unter Ziffer 3 müssen wir dagegen ablehnen, weil wir der Auffassung sind, daß die Sicherheit der Löhne und auch der Arbeitsbedingungen durch die Regierungsvorlage gewährleistet ist, während die Durchführung der Vorschrift des § 4 Abs. 1 durch Annahme der von der SPD-Fraktion vorgelegten Änderungsanträge erschwert würde und damit auch die Verhandlungen der Sozialpartner präjudiziert würden. Wir sind der Meinung, daß das Tarifrecht an der Saar neu geordnet werden muß und daß in die neuen Tarifverträge auch die sogenannten staatlichen Leistungen aufgenommen werden müssen. Es soll also zu einer freien Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern kommen. Diese freie Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern wird bald kommen, wenn wir ihnen hier in keiner Weise Hemmungen auferlegen. Wir werden, wenn die Vorlage der Regierung angenommen wird und damit das deutsche Recht im Saargebiet Platz greift, der Saarbevölkerung und der saarländischen Arbeitnehmerschaft den besten Dienst erweisen.
Deshalb bitte ich Sie, meine sehr verehrten Kollegen, den Änderungsantrag der SPD Umdruck 360 Ziffer 3 anzunehmen.
Meine Damen und Herren, wir stehen in der Aussprache über die §§ 3 und 4 des Gesetzes und die dazu gestellten Änderungsanträge. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache hierüber.Es ist der Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt. Ich nehme an, Sie wollen eine namentliche Abstimmung nur über den Antrag Umdruck 360 Ziffer 3, nicht auch über Ziffer 2.
— Nur zu Ziffer 3, jawohl. Wird der Antrag hinreichend unterstützt? — Das sind mehr als 50 anwesende Mitglieder.Wir kommen aber zuerst zu § 3, wo wir keine namentliche Abstimmung brauchen. Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 360 Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die große Mehrheit; angenommen.Ich lasse abstimmen über § 3 mit der nunmehr beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.Ich komme zu § 4 und lasse namentlich abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 360 Ziffer 3.Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Von den uneingeschränkt stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben mit Ja gestimmt 135, mit Nein 217; enthalten haben sich 2 Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt. Von den Berliner Abgeordneten haben 12 mit Ja und 7 mit Nein gestimmt.JaCDU/CSUBaldauf GotteslebenSPDFrau Albertz AltmaierDr. Arndt AugeBadingDr. BärschBäumer BalsBauer
Baur
BazilleDr. BechertBehrendt Behrisch Frau BennemannBerkhan BerlinBlachstein Dr. Bleiß BörnerDr. Brecht
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BruseBüttner Conrad CorterierCramer DewaldFrau Döhring DopatkaDröscherFrau Eilers ErlerEschmannFaller Folger Franke Frehsee FrenzelGeiger GeritzmannHaage HamacherHansing Dr. HarmHauffe Heide Heiland Dr. Dr. HeinemannFrau Herklotz HermsdorfHerold Höcker HöhmannHöhne HöraufFrau Dr. Hubert HufnagelIven
JacobsJahn JürgensenJunghansFrau KeilhackFrau KettigKeuningKillat Kinat (Spork)Frau Kipp-Kaule Koenen
Frau KorspeterKrausKühn
KurlbaumLange LantermannLudwigLücke LünenstraßMaier
Marx MatznerMeitmannDr. MenzelMerten MetterMeyer Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Frau NadigPaulPeters Pöhler Pohle Prennel Priebe PützPusch Rasch Regling RehsReitzReitznerFrau RengerRitzelRohdeFrau RudollRuhnkeDr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenSchmitt SchoettleSchröder Seidel (Fürth)SeitherStierleStriebeck TheisWagner Walpert Wegener WehrWelkeWeltner
Frau WesselWienand Wilhelm WischnewskiWittrock ZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-HeiseDr. KönigswarterFrau KrappeMattickNeubauer Neumann ScharnowskiDr. Schellenberg Schröter
Schütz
Dr. SeumeFrau Wolff
NeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner ArndgenBaier BalkenholDr. Bartels Dr. BarzelBauer Bauereisen BauknechtBauschBecker BerberichDr. BergmeyerDr. Besold BlankFrau Dr. BleylerFrau Blohmvon BodelschwinghDr. Böhm BrandFrau BrauksiepeBreseFrau Dr. Brökelschen BrückDs. BuceriusBühlerBurgemeisterCillien Dr. ConringDr. CzajaDemmelmeierDiel
Dr. DollingerDrachslerDr. DresbachEichelbaumDr. ElbrächterFrau EngländerEnkEplée EtzenbachDr. Even
Dr. FranzFranzenDr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)Fuchs FunkFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedat GehringFrau GeisendörferGewandtGibbertGlüsing
Dr. GörgenGoldhagenGontrumDr. GosselHackethalHäusslerDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerHeix HesemannHeye HilbertHöcherlDr. Höck
HöflerHolla Horn Dr. JaegerJahn
JostenDr. KankaKatzer KemmerKirchhoffFrau KlemmertDr. Kliesing KnoblochDr. KnorrKoch KramelKrammigKrollKrüger
Krüger
Krug Kunst KuntscherLang
LeichtLenze LeonhardLermerLeukertLücke
Lulay MajonicaDr. Baron Manteuffel-SzoegeDr. MartinMeis MemmelMengelkampMenkeMeyer
MickMuckermannMühlenbergMüller-HermannMüser Nieberg NiederaltFrau NiggemeyerOetzelFrau Dr. PannhoffPelsterDr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumDr. PhilippFrau Dr. RehlingDr. ReinhardDr. ReithFrau RöschRösing RufRuland ScharnbergScheppmannSchlee SchlickFrau Schmitt SchüttlerSchütz Schulze-PellengahrFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SeffrinSeidl
Siebel SimpfendörferSolkeSpies
Spies StauchDr. SteckerStillerDr. StoltenbergStorm StücklenSühler Teriete Unertl VarelmannVeharDr. VogelVogtWacher Dr. WahlFrau Dr. h. c. Weber Dr. Weber (Koblenz) WehkingWeimer WeinkammFrau Welter WendelbornDr. WerberWieningerDr. WilhelmiDr. WillekeWindelenWinkelheideDr. WinterWittmann Wittmer-EigenbrodtWormsDr.. Wuermeling WullenhauptDr. ZimmerBerliner AbgeordneteBendaDr. GradlHübnerDr. KroneStingl
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FDPDr. AchenbachDr. Becker
Dr. BucherDr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus DürrEisenmannFrau Friese-KornKellerDr. KohutKreitmeyer Kühn Lenz (Trossingen)MaukDr. Miessner MurrDr. Rutschke SanderSchultzSpitzmüllerDr. StammbergerWalterWeber ZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. WillDPFrau KalinkeLogemann MatthesProbst
Dr. RipkenDr. Schneider
Dr. Schranz TobabenEnthaltenCDU/CSUDraegerFDPDr. Schneider
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über § 4 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 4 ist angenommen.Nach Erklärung der Antragsteller sind vom Umdruck 360 die Ziffern 4 und 5 durch die bisherigen Abstimmungen erledigt.§ 5 entfällt.Ich rufe nunmehr auf § 6; — § 6 a, — § 6 b. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 364 betreffend Einfügung eines § 6 c. Der Antrag ist, soviel ich weiß, bereits begründet. Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 364 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
— Bei zahlreichen Enthaltungen. Aber das erste war die Mehrheit.Ich rufe nunmehr auf § 7, § 8, Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 7,- § 8, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratungund eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache und komme zur Schlußabstimmung.Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen mit Mehrheit angenommen.Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat mir erklärt, daß ihr Entschließungsantrag Umdruck 363 durch die bisherigen Abstimmungen erledigt ist. Darf ich das von dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 355 auch annehmen? Das ist der Fall; dann haben wir darüber nicht mehr zu befinden.Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 h der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Beamtenrecht des Bundes im Saarland ;Schriftlicher Bericht. des Ausschusses für Inneres (Drucksachen 1183, zu 1183).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Hübner, hat einen Schriftlichen Bericht erstattet. Ich danke ihm dafür.Ich rufe auf in zweiter Beratung §§ 1, 2 und 3. Das Wort wird nicht gewünscht.Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.Ich rufe auf § 4 und dazu den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 365. Wird das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, wenn ich Sie etwas mit dem Gesetzestext und mit einigen weni- gen Zahlen beschäftige.In § 4 Nr. 3 der Regierungsvorlage war folgendes vorgesehen:Bleibt das nach den Nummern 1 und 2 maßgebende neue Grundgehalt einschließlich Stellenzulagen hinter dem am Tage vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zustehenden Grundgehalt einschließlich Stellen- und Ausgleichszulagen bei Anwendung des § 7 zurück, so erhalten die Beamten eine ruhegehaltfähige Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedes, bis dieser durch Erhöhung des Grundgehalts einschließlich Stellenzulagen ausgeglichen ist. Allgemeine Erhöhungen wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vermindern die Ausgleichszulage nicht.Das Gehalt kann in drei Fällen eine Änderung erfahren: 1. durch die Dienstalterszulage, 2. durch eine Stellenzulage und 3. durch die Beförderung. Die Ausgleichszulage, die nun zunächst vorgesehen ist, ist natürlich nach den einzelnen Besoldungs-
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Brückgruppen verschieden. Sie beträgt — und diese Zahlen wollte ich Ihnen mitteilen bei A 1 8 DM, bei A 2 18 DM, A 3 19 DM, A 4 20 DM, A 5 10 DM, A 6 31 DM, A 7 13 DM, A 8 18 DM, A 9 17 DM, A 10 18 DM, A 11 26 DM, A 12 28 DM, A 13 28 DM, A 14 32 DM, A 15 35 DM und A 16 43 DM.Die Regierungsvorlage sah vor, daß die Ausgleichszulage in dem Augenblick aufgerechnet wird, in dem sich die Dienstalterszulage ändert, eine Stellenzulage hinzukommt oder eine Beförderung erfolgt. Der Ausschuß hat dagegen jetzt beschlossen — und ich unterstelle jedem ehrliche und gute Absicht bei der Beschlußfassung über die Ausschußfassung —, die letzten Zeilen in § 4 Nr. 3 des Regierungsentwurfs zu streichen. Das bedeutet in der Praxis, daß die Ausgleichszulagen zu allen Zeiten immer weiter gezahlt werden sollen.Ich will jetzt von der Dienstalterszulage und der Stellenzulage nicht sprechen. Wir sind aber der Meinung, daß man eine Verrechnung vornehmen muß, wenn eine Beförderung eintritt. Dazu ein Beispiel. Ein Beamter des Saarlandes wird vielleicht demnächst nach Trier oder Köln versetzt. Er bekommt bis an sein Lebensende die ruhegehaltfähige Ausgleichszulage. Der Mann, der von Köln ins Saargebiet kommt, erhält sie nicht. Aber das wollen wir noch hinnehmen.Ich darf Ihnen nun folgendes Beispiel bringen, das jeden Tag praktisch werden kann. Ich sagte eben, daß ein Bediensteter der Besoldungsgruppe A 6 eine Ausgleichszulage von 31 DM erhält. Nach dem derzeitigen Saarbesoldungsgesetz beträgt sein Gehalt von 61 900 Franken, bei einem Umrechnungskurs von 120 516 DM, nach dem deutschen Besoldungsgesetz 485 DM. Die Ausgleichszulage beträgt also 31 DM. Diese Ausgleichszulage erhält er, wenn der Beschluß des Ausschusses aufrechterhalten wird, auch dann, wenn er Obersekretär und Hauptsekretär sowie im Wege des Aufstiegs Inspektor und Oberinspektor wird. Ein Inspektor bekommt nach der Regelung eine Ausgleichszulage von 17 DM, der Oberinspektor eine Ausgleichszulage von 18 DM. Ich darf hier einfügen, daß bei Beamten der Bahn, der Post und auch des Zolls der Aufstieg in erheblichem Maße möglich ist. Es scheint uns nicht gerechtfertigt zu sein, wenn der Bedienstete in der Besoldungsgruppe A 6 die Ausgleichszulage von 31 DM auch noch dann bekommt, wenn er im Wege des Aufstiegs Inspektor geworden ist, obwohl für Inspektoren nach der Regelung die Ausgleichszulage nur 17 DM beträgt. Dadurch käme ein Moment der Unruhe in die Beamtenschaft.Ich möchte Sie deshalb herzlich bitten, auch zur Erreichung einer gewissen Gleichmäßigkeit unserem Änderungsantrag auf Umdruck 365 zuzustimmen, damit der Beschluß des Ausschusses revidiert wird. Ich gebe gern zu, daß ich persönlich die Auswirkung nicht übersehen habe, als wir den Beschluß gefaßt haben. Ich möchte aber keinen Beschluß gefaßt wissen, der nachher große Unruhe verursacht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser beamtenrechtlichen Vorlesung kann ich mich sehr kurz fassen und Ihnen schlicht und einfach sagen, daß der Ausschuß mit großer Mehrheit die Bestimmung angenommen hat. Sie haben auch gesehen, um welch kleine Beträge es sich handelt. Der Ausschuß war nicht dafür, der Beamtenschaft diese kleinen Beträge anzurechnen. Dies wäre tatsächlich eine Verschlechterung der mit Mehrheit angenommenen Ausschußfassung.
Die Sozialdemokratische Partei wird sich an den Ausschußbeschluß halten und gegen den Änderungsantrag stimmen.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht !der Fall. Ich lasse abstimmen.
Wer dem Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 365 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich lasse abstimmen über den § 4 im ganzen in der Ausschußfassung unter Berücksichtigung der soeben beschlossenen Änderung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, !den bitte ich um ein Handzeichen. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 5, 6, 7. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 8 und )den Umdruck 372. Wird hierzu das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über !den Änderungsantrag der Abgeordneten Gottesleben, Draeger und Wilhelm auf Umdruck 372.
Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Gegen einige Stimmen rechts angenommen.
Wer dem § 8 in der Ausschußfassung unter Berücksichtigung der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 9, — 10, — 11, — 12. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 13 und Umdruck 366. Wird !das Wort gewünscht? —
Bitte sehr, Herr Abgeordnete Schüttler!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag Umdruck 366 beinhaltet auf dem Gebiete des Beamtenrechts die Wiederherstellung des § 13 der Regierungsvorlage. Wir haben uns den ganzen Nachmittag und auch den
Schüttlergestrigen Tag immer um ,ein einheitliches Recht in der Bundesrepublik einschließlich des Saarlandes bemüht. Diesen Grundsatz haben wir durchgehalten, so gut das eben möglich war, aus dem Rechtsempfinden heraus, daß diese Gleichheit notwendig ist.
Wir sollten deswegen auch in § 13 beim Beamtenrecht nicht anders verfahren. Wir sollten auch hier die Regierungsvorlage wiederherstellen.
— Ja bitte, dann alles schlecht!
Wir möchten aber nicht alles schlecht haben, sonden wir möchten den Grundsatz, den wir bisher durchgehalten haben, auch heute abend noch durchhalten. Wenn wir auf dem Gebiete des Lohn- und Tarifrechts, der Krankenversicherung, des Rentenrechts, kurz überall die Gleichheit betont haben, ist es sicherlich nicht gut, jetzt, im letzten Augenblick, zu sagen: Beim Beamtenrecht kommt es nicht so genau darauf an.
Stellen wir uns doch einmal vor, welche Wirkung es hat, wenn wir im Saarland in der Ortsklasseneinteilung nur noch die Sonderklasse kennen, wenn auch der kleinste Ort im Saargebiet in die Sonderklasse fällt und wenn die Klassen A und B, wie wir sie in der Bundesrepublik im übrigen haben, überhaupt nicht mehr in Geltung sind!
Es wird eingewandt, das sei nicht so wichtig, da 80 oder 85 % der Beamten an der Saar nach den Bestimmungen des Beamtenlbesoldungsrechts die Besitzstandsklausel für sich in Anspruch nehmen könnten und damit doch in der Sonderklasse blieben. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Wir sollten jedoch nur die Besitzstandsklausel anwenden, und alle, die diesen Besitzstand haben, sollen ihn behalten. Aber im Grundsatz sollten wir uns nicht von der Regelung im Bundesgebiet trennen. Es geht nicht an, daß wir einem Landort die gleiche Klasse zuerkennen wie einer Großstadt, in der man unter ganz anderen Voraussetzungen lebt.
Wir sollten es auch schon deshalb nicht tun, damit nicht die beamtenbesoldungsrechtliche Situation in Gefahr gebracht wird. Denn dann könnte man sagen: Wir brauchen keine Ortsklasseneinteilung mehr, wir brauchen keine Dreiteilung des Gehalts in Grundgehalt, Ortsklassenzuschuß und Kindergeld mehr, eine Dreiteilung, auf der bisher das Beamtenbesoldungsrecht beruht hat. Wir zerstören ja förmlich diese Grundlagen. Aus diesen Prinzipien sollten wir das Recht an der Saar grundsätzlich so gestalten, wie wir es in der Bundesrepublik haben.
Ich glaube, Sie können das auch tun. Sie sehen in der Beilage noch einen Entschließungsantrag, den die CDU/CSU eingebracht hat. Danach soll überprüft werden, ob nicht die Klasse B der Ortsklasseneinteilung auch in der Bundesrepublik in Fortfall kommen kann, so daß nur noch zwei Klassen übrigbleiben. Es soll immerhin eine Prüfung dieser Frage stattfinden. Aber wir sollten kein Sonderrecht in dieser Form schaffen. Sonst entsteht eine Sogwirkung, die ungeheuerlich ist. Denken Sie sich einmal
eine größere Stadt an der Grenze des Saarlandes
und einen kleinen Landort im Saarland. In dem kleinen Landort gilt dann die Ortsklasse S, in der größeren Stadt die Klasse A. Das wollen Sie doch selber nicht. Wenn auch 80 oder 85 % ihr Recht behalten, so sollten wir es im Grundsatz doch nicht tun.
Ich bitte das Haus, diesen Grundsatz heute abend nicht mehr zu verlassen und auch im Beamtenrecht an der Saar die Gleichheit des Rechtes wiederherzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kramel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für einen Teil meiner politischen Freunde habe ich zu erklären, daß wir uns für die Ausschußfassung einsetzen und den Antrag der CDU/CSU, die Regierungsvorlage wiederherzustellen, ablehnen. Was soeben der Herr Kollege Schüttler vorgetragen hat, kann uns in unserem Entschluß nicht wankend machen. Das Saarland hat seit dem Jahre 1951 eine einheitliche Ortsklasse. Ich sehe nicht ein, warum wir jetzt zwei Orsklassen schaffen sollten.Ad 2 wird behauptet, irgendwelche angrenzenden Gemeinden könnten ebenfalls das Verlangen stellen, in die Ortsklasse S zu kommen.
— Vielleicht mit Recht. Wenn sie es mit Recht verlangen, dann werden sie es auch bekommen.Bereits bei der Beratung des Bundesbesoldungsgesetzes waren wir uns darüber klar, daß die Tendenz von den Ortszuschlägen weg zu den Gebietszuschlägen geht. Wir haben nun den ersten praktischen Fall, wo es sich wirklich um ein einheitliches, geschlossenes Wirtschaftsgebiet handelt. Das wird jeder, der im Saarland lebt, und auch jeder, der es ein paarmal gesehen hat, bestätigen müssen. Ich sehe nicht ein, warum wir ausgerechnet jetzt, wo wir das zum erstenmal praktizieren können, davon abweichen sollen. Wegen irgendwelcher Konsequenzen, die das nach sich ziehen könnte, brauchen wir uns nicht den Kopf zu zerbrechen, denn das ganze Ortsklassenverzeichnis ist ohnehin wieder in Bewegung gekommen, und wir werden uns über kurz- oder lang mit diesen Dingen beschäftigen müssen. Todsicher wird das Saarland die Tendenz haben, einen etwaigen Beschluß, die Ortsklassen S und A einzuführen, wieder aufzuheben, und dann wird die ganze Frage von dieser Seite wieder aufgerollt. Außerdem bitte ich Sie, zu berücksichtigen, daß das Saarland zweimal vom deutschen Vaterland abgetrennt war und sich infolgedessen auch wirtschaftlich eigenartig entwickelt hat, ein geschlossenes, einheitliches Wirtschaftsgebiet geworden ist.Aus all diesen Gründen bitten wir Sie, der Ausschußvorlage Ihre Zustimmung zu geben.
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Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959 4361
Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin schon die Ehre gehabt vorzutragen, daß die Ausschußfassung, wie wir sie Ihnen vorlegen, im Ausschuß mit einer sehr großen Stimmenmehrheit, nur gegen drei Stimmen, angenommen worden ist. Es waren durchaus nicht nur Beamte dabei, sondern es waren auch eine ganze Reihe anderer, die sich den Argumenten gebeugt haben. Ich habe es sehr bedauert, daß sich Herr Schüttler heute nicht mehr über die Argumente informiert hat, die im Ausschuß vorgebracht wurden. Er hat lediglich ein Argument gebracht, das von ihm aus gesehen Gewicht hat. Das war das Argument des Neides einer Nachbarstadt in Rheinland/Pfalz, die nicht glaubt ansehen zu können, wie dort drüben ein gleicher Ort in die Ortsklasse S eingestuft wird. Das war das einzige Argument, das Herr Schüttler gebracht hat. Alles andere, was er über das Beamtenrechtliche gesagt hat, ist falsch, ist falsch von der Voraussetzung aus.
Wir haben für das letzte Ortsklassenverzeichnis Richtlinien erlassen. Diese Richtlinien besagen eingangs, daß jeder Ort, wenn die Richtlinien ihn niedriger einstufen, seine Ortsklasse behält. Das ist der dort vorherrschende Grundsatz. Man kann sich also jetzt lediglich darüber unterhalten, welche Ortsklasse das Saarland gehabt hat. Wenn wir einen Kurs von 1 : 100 zugrunde legen — denn damals galt dieser Kurs, und das Saarland hat die Ortsklassenbeträge nicht verbessert —, dann entspricht das, wenn wir heute gerecht umstellen wollen, durchaus unserer damaligen Ortsklasse S. Infolgedessen muß der Grundsatz der Richtlinien gelten, die hier, um jeden Zweifel auszuschalten, im Gesetz verankert werden sollen. Es darf kein Ort schlechter eingestuft werden. Im Saarland hatte also jeder Ort die Ortsklasse S. Infolgedessen muß das ganze Saarland nach den Richtlinien, die im Bundesgebiet gelten, in S eingestuft werden.
Es könnte höchstens jemand beweisen wollen: das war nicht in der Höhe der Ortsklasse S. Das hätte dann nur eine teilweise Berechtigung. Aber bei einem Verhältnis von 1 : 100 ist die Höhe genau mit den Zahlen in der Ortsklasse S vergleichbar. Das war damals auch der Grund für die Aufstellung des Ortsklassenverzeichnisses im Saarland. Man wollte sich dort schon mit einer einheitlichen Ortsklasse an das Bundesgebiet anschließen. Das ist sachlich richtig und ist nicht zu widerlegen. Es ist also kein ungleiches Recht.
Nun noch einige Worte wegen der Neidgefühle in Nachbargemeinden. Mir ist bekannt, daß die Regierung von Rheinland-Pfalz bereit ist, auch im Bundesrat jedem Antrag, der von der Saarregierung kommt bzw. der vom Bundestag beschlossen worden ist, zuzustimmen und nicht den Vermittlungsausschuß anzurufen. Denn die Landesregierung hat hierin eine andere Meinung als einige Kollegen des Bundestages.
Ich bitte Sie deshalb, in diesem Falle aus sachlichen Gründen die Ortsklasse S für das ganze Saarland gelten zu lassen. Sie begehen damit keinen Verstoß, auch wenn ich Ihre heutigen Beschlüsse, die ich
jetzt in dieser vorgerückten Stunde nicht mehr kritisieren will, in Betracht ziehe. Hier handelt es sich um etwas ganz anderes. Hier ist die vollständige Gleichheit mit den Richtlinien des Bundes gegeben, und ich bitte Sie deshalb, dem Antrag Ihrer Fraktion nicht stattzugeben. Ich hoffe, daß sich alle diejenigen, die im Beamtenrechtsausschuß für die Ortsklasse S gestimmt haben — und das waren sehr viele von, Ihnen —, bei der Abstimmung so verhalten und eine ganze Anzahl von ihren Freunden auf das richtige Gleis zurückführen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben von Anfang an die Regelung vertreten und ihr auch zugestimmt, die in der jetzt vorliegenden Fassung des Entwurfs enthalten ist, also die einheitliche Ortsklasse für das ganze Saarland. Wir bleiben bei dieser Auffassung und treten für sie ein.
Ich habe mich lediglich noch eines Auftrages zu entledigen. Ich bin heute nachmittag von der Saarher so etwa als „Lohengrin" bestellt worden. Die Betroffenen haben durch ihren Vorsitzenden Streiter für ihr Recht gesucht. Ich darf sagen, daß es wiederum ein prominentes Mitglied Ihrer CDU ist. Ich darf weiterhin sagen, was gewünscht wird:
Das Saarland hat, seit Jahren einheitlichen Wohnungszuschlag, der S entspricht, ist einheitliches Wohngebiet und stark industrialisiert. Vorschlag des Ausschusses für Inneres im Bundestag und der Beschluß des Arbeitskreises der CDU/CSU-Fraktion vom 30. 6. 1959 sind richtig. Erbitten heute dringend Eintreten, daß Ortsklasse S zustande kommt.
Sie werden verstehen, warum „Lohengrin" und „Streiter".
Das Wort hat der Abgeordnete Conrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine ganz kurze Bemerkung, die ich bei Ihrer Entscheidung zu berücksichtigen bitte. Heute sind in Saarbrücken die Tarifvertragsverhandlungen für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst zwischen der TDL und den anderen Verbänden zu Ende gegangen, und das Ergebnis ist unterschriftsreif unter der Voraussetzung, daß der Beschluß des Innenausschusses des Bundestages bestehenbleibt. Sollte dieser Beschluß hier geändert werden, würden die Verhandlungen alle von vorn beginnen müssen. Ich bitte, das auch zu bedenken.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über den Umdruck 366, Änderngsantrag der
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4362 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1959
Vizepräsident Dr. JaegerFraktion der CDU/CSU , § 13 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen und damit die Ausschußfassung zu beseitigen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren! Das Ergebnis ist zweifelhaft. Ich muß auf andere Weise abstimmen lassen. Wer dem Antrag auf Umdruck 366 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir stimmen im Hammelsprung ab. Wer dem Antrag auf Umdruck 366 zuzustimmen wünscht, der soll den Saal durch die Ja-Tür wieder betreten, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür, die übrigen durch die Tür der Enthaltungen. —Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU — Umdruck 366 — bekannt. Es haben mit Ja gestimmt 153 Mitglieder des Hauses, mit Nein 145, enthalten haben sich 3. Der Antrag ist angenommen. Damit ist in § 13 eine Neufassung hergestellt.Ich rufe nunmehr auf §§ 13 a, — 14, — 15, — 16, — 17, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. — Wer den Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratungund eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Ministerpräsident Dr. Röder, der Regierungschef des Saarlandes.Dr. Röder, Ministerpräsident des Saarlandes: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor nunmehr zweieinhalb Jahren hatte ich erstmalig Gelegenheit, als Vertreter der Saar in diesem Hohen Hause zu sprechen, als zehn saarländische Abgeordnete zum erstenmal hier ihre Plätze einnehmen konnten. Damals habe ich unter der Zustimmung des ganzen Hauses ausgeführt, daß die saarländische Bevölkerung in ihrem Bekenntnis zum Vaterland nur die selbstverständliche Erfüllung einer sittlichen Pflicht gesehen habe. Ich habe ferner ausgeführt, daß wir alle sehr glücklich darüber seien, daß die politische Rückkehr der Saar in freundschaftlichem Einvernehmen mit dem französischen Nachbarvolk vollzogen werden konnte. Ich habe schließlich der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß durch die Rückkehr der Saar auch neue Impulse für eine Wiedervereinigung mit dem deutschen Osten ausgelöst werden.
Darüber besteht sicher auch heute noch in diesem Hohen Hause keine Meinungsverschiedenheit und ebenso sicher auch nicht darüber, daß nunmehr am Ende der sogenannten wirtschaftlichen Übergangszeit nichts unterlassen werden darf, was der Saarbevölkerung den Übergang in ein anderes Wirtschafts- und Währungsgebiet erleichtert, Dieser Wirtschaftsraum ist insofern völlig neuartig, als im Rahmen des Saarvertrages in unserem Lande zum erstenmal zwei Warenströme, der eine aus dem übrigen Bundesgebiet, der andere aus Frankreich, ungehindert auf die saarländische Eigenerzeugung treffen werden.Daher sollte, so glaube ich, zunächst einmal eine einmütige Auffassung darüber bestehen, daß hier nur ein großzügiges Denken und Handeln zum Erfolg führen kann und daß wir über den Geltungsbereich der heute hier verabschiedeten Gesetze hinaus eine dauernde Bereitschaft des Bundes brauchen, wenn die Schwierigkeiten überwunden werden sollen, die in der Zukunft auftreten werden. Dazu ist ein gutes Einvernehmen zwischen der saarländischen Regierung und der Bundesregierung, zwischen dem Deutschen Bundestag und dem saarländischen Parlament eine der notwendigen Voraussetzungen.Ich freue mich, feststellen zu können, daß in diesem guten Einvernehmen und in dieser guten Zusammenarbeit eine Reihe von Fragen, die für die Zukunft unseres Landes von wesentlicher Bedeutung sind, einer guten Lösung zugeführt werden konnten.
Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang einige Gesetze zu nennen: das D-Markbilanzgesetz für das Saarland, das die saarländische Wirtschaft in die Lage versetzt, ohne steuerliche Belastung in der D-Markeröffnungsbilanz die Wertansätze vorzunehmen, die sie zur Erreichung gleicher Wettbewerbsbedingungen mit der deutschen Wirtschaft benötigt; das Gesetz über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiete der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland, das eine echte steuerliche Entlastung für eine begrenzte Zeit nach der wirtschaftlichen Eingliederung vorsieht; das Gesetz zur Sicherung von Ersparnissen im Saarland und das Gesetz zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln vom Saarland auf den Bund, das entscheidend für die künftige Gestaltung des saarländischen Haushalts ist und das Maß für sein finanzielles Leistungsvermögen bestimmt. Hierbei konnte eine Lösung gefunden werden, die insbesondere während des Überganges dem Saarland bestimmte Erleichterungen gewährt. Dadurch wird das Saarland nicht nur befähigt, den laufenden Haushalt 1959 — ungeachtet des Zeitpunktes der Eingliederung — planmäßig zu vollziehen, sondern es wird auch dem Saarland für den ersten D-MarkHaushalt eine zum Ausgleich des Etats notwendige Finanzhilfe zugesichert.Ich kann darüber hinaus noch eine Reihe von Maßnahmen aufzählen, die sicher geeignet sind, die Verhältnisse in unserem Lande günstig zu gestalten. Hier ist ohne Unterschied der Parteien gute Arbeit geleistet worden, und ich sehe es als eine meiner vornehmsten Pflichten an, von dieser Stelle aus allen, die mitgearbeitet haben, den Dank meines Landes zum Ausdruck zu bringen.Die saarländische Regierung unterschätzt auch sicher nicht den Gesichtspunkt, der in den Debatten des heutigen und gestrigen Tages immer wie-
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Ministerpräsident Dr. Röderder erwähnt worden ist, daß eine wesentliche Hilfe für die Wirtschaft letzten Endes allen und damit auch den Arbeitnehmern in Form von guten Löhnen und gesicherten Arbeitsplätzen zugute kommt. Sie bestreitet sicher nicht, daß befriedigende Sozialleistungen auf die Dauer nur von einer gut funktionierenden Wirtschaft aufgebracht werden können.
Die saarländische Regierung kann aber nicht der Auffassung beitreten, daß in einem Gebietsteil, der 15 Jahre vom Vaterland getrennt war und in dem sich eigenständige Sozialleistungen, wie die Familienzulagen, entwickelt und bewährt haben, diese Sozialleistungen schon mit dem Tage der Wiedervereinigung beseitigt werden müssen, weil sie nicht in das bundesdeutsche Schema passen.Wir wollen — meine Damen und Herren, lassen Sie mich das ganz deutlich sagen — für unsere Saarbevölkerung keine Sonderrechte auf die Dauer. Auch wollen wir nicht, wie das manchmal angeklungen ist, mit unseren Einrichtungen den Bund erobern. Was wir wollten — und wir glaubten, darauf einen bescheidenen Anspruch zu haben —, war eine gewisse Rücksichtnahme und eine Einfügungsmöglichkeit für eine Bevölkerung, die sich während vieler Jahre an Einrichtungen gewöhnt und sie auch für gut befunden hat.Aus diesem Grunde hat der saarländische Landtag die Gesetze beschlossen, die Sie kennen und die nicht die Zustimmung der Bundesregierung gefunden haben. Bisweilen ist hier der Eiindruck aufgekommen, der saarländische Landtag und die saarländische Regierung hätten diese Gesetze in Erkenntnis der Tatsache, daß sie nicht angenommen würden, mit einer gewissen Leichtfertigkeit verabschiedet. Meine Damen und Herren, ich muß hier erklären, daß diese Gesetze im saarländischen Landtag auf Grund einer genauen Kenntnis der Situation an der Saar und aus großer politischer Verantwortung einstimmig verabschiedet worden sind. Die Bundesregierung hat diese Gesetze abgelehnt. Aber ich bin der Auffassung, daß damit der Weg für weitere Verhandlungen in diesen Fragen nicht abgeschnitten zu sein braucht.Der Abgeordnete Dr. Hellwig hat gestern in diesem Hause darauf hingewiesen, daß für die Saarbevölkerung bei ihrem Bekenntnis zum Vaterland keine materiellen Erwägungen bestimmend gewesen seien. Er hat damit fast wärtlich Ausführungen wiederholt, die ich am 17. Juni dieses Jahres in einer großen Kundgebung auf dem Theaterplatz in Saarbrücken gemacht habe. Damals hatte ich ausgeführt, die Saarbevölkerung möge dafür sorgen, daß das Bekenntnis des 23. Oktober 1955, das im deutschen Volk einen großen Widerhall gefunden und in der Welt eine starke Beachtung hervorgerufen habe, nicht nachträglich durch kleinliche materielle Erwägungen entwertet wird.Das ist unsere Auffassung an der Saar. Aber ich glaube, wir sollten alle darin einig sein - und ich habe den Eindruck, daß wir es sind —, daß dieses Land gerade in Würdigung dieser Haltung vor weiteren materiellen Sorgen bewahrt bleiben sollte, einLand, das in seiner wechselvollen Geschichte in den letzten Jahrzehnten immer mit großen materiellen und sonstigen Sorgen belastet war.Meine Damen und Herren, wir sind im Augenblick in einer historisch bedeutsamen Stunde, nicht nur für Idle Saar, sondern für das ganze deutsche Volk. Der Eingliederungstag wird ja nur das vollziehen und verwirklichen können, was Sie gestern und heute in diesem Hohen Hause beschlossen haben. Ich glaube, die Freude über die endgültige Rückkehr ist an der Saar groß, und sie wird vom ganzen deutschen Volk geteilt.
Wir alle, die wir diesen Tag mit heißem Herzen ersehnt und erkämpft haben, nicht nur für die Saar, sondern für das ganze deutsche Volk, haben Veranlassung, am heutigen Tage dankbar zu sein. Ich persönlich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, als den Vertretern des deutschen Volkes den Dank der Saarbevölkerung zum Ausdruck bringen, daß Sie sich ohne Unterschied der Partei, wenn auch manchmal eine verschiedene Auffassung über den einzuschlagenden Weg bestand — auch mit uns verschiedene Auffassung —, in den hinter uns liegenden Jahren unermüdlich für die Belange der Saar eingesetzt haben.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf § 13. Zu § 13 ist ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD bei mir eingereicht worden, der den Wortlaut hat: „§ 13 wird in der Fassung des Ausschußberichts wiederhergestellt." Das gibt sozusagen die gegenteilige Abstimmung zu der, die wir zuletzt vorgenommen haben. — Herr Abgeordneter Matzner zur Begründung!
Meine Damen und Herren! Ich werde zur Sache gar nichts mehr sagen. Ich hatte gehofft, daß meine rein sachlich vorgebrachten Gründe auf Sie den nötigen Eindruck machen würden. Vielleicht haben Sie es sich inzwischen anders überlegt. — Da gibt es gar nichts zu lachen. Wenn Sie meinen, daß Sie darüber lachen können, daß ein Politiker darüber nachdenkt, dann kann ich nur sagen: Das tut mir leid.
Weil wir diese Hoffnung haben, möchten wir jedem Gelegenheit geben, mit seinem Namen dazu Stellung zu nehmen. Wir beantragen hierzu namentliche Abstimmung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird der Antrag
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Vizepräsident Dr. Jaeger -auf namentliche Abstimmung unterstützt? — Das sind mehr als 50 anwesende Mitglieder des Hauses. Ich eröffne die namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, § 13 in der Fassung des Ausschußberichts wiederherzustellen.Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir inzwischen die Punk te 2 und 3 der Tagesordnung erledigen, was sich unschwer machen läßt, da keine Aussprache notwendig ist.Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über den Antrag der Fraktion der DP betr. Wirtschaftliche Rückgliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik (Drucksachen 58, 1173).Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Hellwig. Das Hohe Haus verzichtet auf die Berichterstattung und auf Aussprache. Wer dem Ausschuß Bericht zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. —Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958 (Umdruck 141, Drucksache 1174).
Dr. SeumeFrau Wolff
FDPDr. AchenbachDr. Becker
Dr. BucherDr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus. DürrEisenmannFrau Friese-KornDr. KohutKreitmeyerKühn
Lenz
MaukDr. MiessnerMurrDr. RutschkeSanderDr. Schneider SchultzSpitzmüllerDr. StammbergerWalter
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Vizepräsident Dr. JaegerWeber ZoglmannBerliner Abgeordnete Frau Dr. Dr. h. c. Lüders DPFrau KalinkeLogemannProbst
Dr. RipkenDr. Schneider
Dr. Schranz TobabenNeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner Arndgen Baier
Balkenhol Dr. BartelsBauer BauereisenBauschBecker BerberichDr. BergmeyerDr. BesoldFrau Dr. BleylerFrau Blohmvon BodelschwinghDr. Böhm BrandFrau BrauksiepeBreseFrau Dr. BrökelschenBrückDr. Bucerius BühlerBurgemeisterCillienDr. Conring Dr. Czaja DemmelmeierDiel
Dr. DollingerDrachslerDr. DresbachEichelbaum Dr. ElbrächterFrau EngländerEnkEtzenbachDr. Even FranzenDr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FuchsFunkFrau Dr. Gantenberg GaßmannGedatGehringGewandt GibbertGlüsing GoldhagenGontrum Dr. Gossel Hackethal HäusslerDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerHeixHesemannHeyeHilbert Höcherl Dr. Höck
Holla HornDr. JaegerJahn
JostenDr. KankaKatzer KemmerKirchhoffFrau KlemmertDr. Kliesing KnoblochDr. KnorrKochKrammigKrollKrüger
Kunst KuntscherLang
LeichtLenze
LeonhardLermer Leukert MajonicaDr. Baron Manteuffel-Szoege MengelkampMenke MickMuckermannMühlenberg Müller-HermannMüser NiederaltFrau NiggemeyerOetzelFrau Dr. PannhoffPelsterDr. h. c. PferdmengesDr. PflaumbaumDr. PhilippFrau Dr. RehlingDr. ReinhardDr. ReithFrau RöschRösing RufScharnbergScheppmannSchlee SchlickFrau Schmitt SchüttlerSchütz Schulze-PellengahrFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr. SeffrinSeidl
Siebel SimpfendörferSolkeSpies
Spies StauchDr. SteckerStillerDr. StoltenbergStorm StücklenSühler Teriete Unertl VarelmannVeharVogtWacherDr. WahlFrau Dr. h. c. Weber WehkingWeimerWeinkammFrau Welter WendelbornDr. Werber Wieninger Dr. Wilhelmi Dr. Willeke WindelenWinkelheide Wittmann Wittmer-EigenbrodtWormsWullenhaupt Berliner AbgeordneteBendaDr. Gradl Dr. Krone StinglEnthaltenCDU/CSUDr. BarzelKrüger MemmelFDPKellerBerliner Abgeordnete Dr. WillSonst steht zur Einzelberatung nichts mehr an. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einige Gegenstimmen! Enthaltungen? — Bei wenigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen!Ich komme nunmehr zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Brück, Lulay, Kramel, Krammig, Hübner und Genossen auf Umdruck 367. Der Antrag wurde in der Diskussion schon behandelt. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.Die Beratung der Eingliederungsgesetze ist damit beendet. Ich darf feststellen, daß sich das Hohe Haus diese Arbeit nicht leicht gemacht und zwei Tage darauf verwandt hat. Wir sind uns in dem Wunsche einig, daß der Tag der völligen Wiedereingliederung des Saarlandes zu einem Tag des Segens für das Saarland und das ganze deutsche Volk werden möge.
Zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Wacher.
Ich habe für die Fraktion der CDU/CSU folgende Erklärung abzugeben:Der Ältestenrat hat sich mehrfach mit Rundfunkübertragungen aus dem Plenum beschäftigt. Der Präsident hat sich mit dem Ältestenrat dahin gehend verständigt, daß Life-Sendungen prinzipiell zu genehmigen sind, daß die Rundfunkanstalten aber Ausschnitte der Plenarsitzungen senden können.Heute und gestern hat der Saarländische Rundfunk einen fragwürdigen Weg gewählt.
Er übertrug die Saardebatte wohl nicht als LifeSendung, aber mit einer Stunde Verspätung vom Band vollständig.Damit hat der Saarländische Rundfunk die Absicht des Ältestenrates und dieses Hohen Hauses auf eine moralisch anzweifelbare Art glatt umgangen.
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WacherDie Ausführungen des Kollegen Dr. Schneider von der FDP ließen erkennen, daß er von dieser Übertragung wußte.
Seine Reden waren danach!
Anderen Parteien war von der Übertragung nichts bekannt.
Ihre Redner blieben sachlich.
Ihre Ausführungen waren kurz.
Meine Damen und Herren! Es ist undemokratisch, einen Redner niederzuschreien. Ich muß bitten, den Redner anzuhören.
Die CDU/CSU-Fraktion redete nicht zum Fenster hinaus,
sondern aus Verantwortung.
Die Fraktion der CDU/CSU hat gegen diese hier exerzierte, sonderbare Praktik des Saarländischen Rundfunks während der Verhandlungen nicht eingegriffen. Sie hat für ihre Sachlichkeit bei der Bevölkerung noch immer Verständnis gefunden.
Die Fraktion der CDU/CSU legt aber Wert darauf, gegen eine solche Manipulation des Willens des gesamten Hohen Hauses Verwahrung einzulegen.
Wir werden Gelegenheit nehmen, diese Angelegenheit im Ältestenrat zu behandeln.
Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende der heutigen Sitzung. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden sich als Bundestag vor den Ferien nicht mehr versammeln, wohl allerdings als Teil der Bundesversammlung in Berlin. Es ist darum, glaube ich, Anlaß, Ihnen geruhsame und erholsame Ferien im Kreise Ihrer Familien zu wünschen. Vorerst aber wünsche ich uns allen ein gutes Wiedersehen in Berlin,
Die Sitzung ist geschlossen.