Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich stehe zu dem, was in der Drucksache 58 über die wirtschaftliche Rückgliederung — —
Hören Sie doch erst zu, ehe Sie lachen! Sie wissen das ja gar nicht, weil Sie wahrscheinlich an der Saar nicht dabei waren. Aber ich war im Wahlkampf an der Saar, und ich kenne die Probleme. Ich war im Wahlkampf an der Saar und habe mit dem Prinzen zu Löwenstein dort gesprochen. Er hat nichts anderes gesagt, als was in der Drucksache 58 steht
und was die Meinung aller redlichen Politiker ist: daß die Sicherheit — so heißt ,es nämlich im Antrag der DP — einer stabilen Lebens- und Wirtschaftsführung in Anpassung an die Verhältnisse in der Bundesrepublik auch an der Saar ermöglicht werden soll. Das ist auch der Inhalt der heutigen Beratungen.
Es ist — im Gegensatz zu Ihren Argumenten; Herr Hellwig hat es Ihnen gestern schon deutlich gesagt — der Fehler dieser Debatte und die gefährliche Verführung solcher polemischen Debatten, daß bei der Bevölkerung, die das hört, der Gedanke entsteht, es handele sich immer nur um Einzelleistungen oder die Minderung einzelner Leistungen und es gebe hier gar keinen Zusammenhang in dem ganzen Bukett der sozialpolitischen Leistungen an der Saar einerseits und im Bundesgebiet andererseits.
Die Frage des Kindergeldgesetzes ist und bleibt eine neuralgisch Frage in diesem Hause. Die Fraktion der Deutschen Partei ist sich dabei - das ist offenbar — mit ihren Koalitionspartnern nicht immer, vor allem nicht in der grundsätzlichen Frage einig gewesen. Trotzdem hat es mich außerordentlich peinlich berührt - ja, ich muß es sehr bedauern —, daß ein Minister der Saar, der dort mit den Kollegen der CDU in einer Koalition ist, hier Auffassungen vertreten hat, die bei aller Gegensätzlichkeit der Meinungen in einer Koalition in dieser Form nicht vertreten werden sollten.
- Ich will hier keine Zensuren verteilen, ich will nur sagen, daß ich das als sehr peinlich empfunden habe.
Ich weiß nicht, ob der Sprecher der Saar katholisch oder evangelisch ist. Ich bin evangelisch; aber ich meine die katholische Soziallehre so gut zu kennen und aus christlicher Verantwortung zu wissen, ''daß es in der katholischen Soziallehre kein Rezept und keinen Aufhänger für das französische Sozialleistungssystem gibt.
Wenn Herr Kollege Conrad— Herr Minister Conrad, Verzeihung — die Auffassung vertreten hat, daß man einem Randland das Recht lassen muß, sich von sich aus in der Sozialpolitik von den Lösungen des Bundes abzuwenden, so meine ich, daß es längst eine allgemein gültige Erkenntnis aller Parteien und aller Richtungen sein sollte, daß man in der Sozialpolitik
keine Landespolitik machen kann und darf. Ich will nicht auf das Grundgesetz hinweisen, auch nicht auf das gute Beispiel, das Ihre Kollegen und Genossen aus Baden damals gegeben haben, als wir das Bundesversorgungsgesetz bearbeiteten und dort wirklich sehr harte Entscheidungen treffen mußten.
Der Sprecher Conrad hat von der Uniformierung gesprochen. Es fällt mir wirklich sehr schwer, hier darauf zu verzichten, der sozialdemokratischen Fraktion nachzuweisen, wie gerade ihre Diktion von der Sozialpolitik und ihre Vorstellungen von einem einheitlichen Recht für Arbeiter und Angestellte, von einer Einheitskasse und einer totalen Versicherungspflicht an der Saar sie doch bei Gott nicht als Vorkämpfer gegen die Uniformierung oder Vereinheitlichung erscheinen lassen.
Ich meine aber, eins kann aus dieser Debatte nicht unwidersprochen hingenommen werden: Wir sollten uns nicht einbilden, daß ein deutsches Land, sei es so groß wie Nordrhein-Westfalen oder so klein wie die Saar, Modell für ein anderes europäisches Land stehen sollte und daß in diesem Lande Experimente gemacht werden sollten als Modellösungen für europäische Probleme, die der Lösung bedürfen. Denn auch Sie werden wissen, wie problematisch das französische Sozialleistungssystem für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Frankreich ist. Deshalb, Herr Kollege Dr. Schneider, tut es mir leid, daß hier ein FDP-Mann ein System verteidigt hat und zu einem Modell erheben möchte, das in Gegensatz zu allen von den Freien Demokraten seit eh und je vertretenen Auffassungen von freier Wirtschaftsordnung und von einem System der Sozialpolitik innerhalb der freien Wirtschaftsordnung steht.
— Aber gern!