Protokoll:
2111

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 111

  • date_rangeDatum: 10. November 1955

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:34 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1955 6003 111. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. November 1955. Nachruf für den am 6. November verstorbenen Abgeordneten Sassnick 6005 B Nachruf für den am 7. November verstorbenen Abgeordneten Griem 6005 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Scheppmann und Zühlke 6005 C Geschäftliche Mitteilungen 6005 D Absetzung der Beratung der Mündlichen Berichte des Vermittlungsausschusses zum Finanzverfassungsgesetz (Drucksache 1819) und zum Inanspruchnahmegesetz für 1955 (Drucksache 1820) von der Tagesordnung 6005 D Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags . . . 6005 D Mitteilung über Zurückziehung der Großen Anfrage der FDP betr. Durchführung des Saarstatuts (Drucksache 1618) 6005 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 198 und 200 (Drucksachen 1779, 1827; 1814, 1838) 6006 A Zur Geschäftsordnung (betr. Absetzung der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen [Drucksachen 1790, 1233] von der Tagesordnung): Frau Dr. Hubert (SPD) 6006 A Dr. Hammer (FDP) 6006 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier 6006 D, 6007 C Horn (CDU/CSU) 6007 A Becker (Hamburg) (DP) 6007 B, C Absetzung 6007 C Fragestunde (Drucksache 1831): 1. betr. Verhandlungen über die Bombardierung des Großen Knechtsandes: Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . 6008 A, C Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 6008 A, C 2. betr. Handhabung des Tarifaufsichtsrechts des Bundesverkehrsministers über die Einhaltung des Tarifzwanges gegenüber der Bundesbahn: Zurückgezogen 6008 C betr. Frage der Errichtung von Heeresbäckereien und -fleischereien: Held (FDP) 6008 D Blank, Bundesminister für Verteidigung 6008 D, 6009 A 3. betr. Fahrpreiserhöhungen für den Verkehr zur Insel Fehmarn: Dr. Menzel (SPD) 6009 A Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 6009 A 4. betr. Bilanz des Volkswagenwerkes: Dr. Menzel (SPD) 6009 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6009 D 5. betr. Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn: Dr. Menzel (SPD) 6009 D Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 6010 A 6. betr. Entschädigung von Seeleuten für erlittene Kriegsverluste: Walter (DP) 6010 B, D, 6011 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6010 B, D, 6011 A 8. betr. Registrierbogen der amerikanischen Luftwaffe: Wittrock (SPD) . . . . 6011 A, C, D, 6012 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6011 B, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier 6011 D, 6012 A 9. betr. Verfälschung ausländischer But- ter zu „Deutscher Markenbutter": Arnholz (SPD) 6012 A, C, D Dr. h. c. Lübke, Bundesminster für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 6012 B, D, 6013 A 10. betr. Tierquälerei durch Ausstellung von Tieren in Lokalen: Arnholz (SPD) 6013 A, C Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 6013 B, C, D 11. betr. Pressenachrichten über Beschießung des Strands von Wenningstedt auf Sylt: Arnholz (SPD) 6013 D, 6014 B, C Blank, Bundesminister für Verteidigung 6013 D, 6014 B, C 12. betr. Stellungnahme des Bundesfinanzministers zur Frage der Reform der sozialen Leistungen: Dr. Schellenberg (SPD) 6014 C, D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6014 D, 6015 A Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6015 A 13. betr Ausarbeitung von Gesetzentwürfen zur Sozialreform: Dr. Schellenberg (SPD) . . . 6015 A, C, D Storch, Bundesminister für Arbeit 6015 B, C, D 14. betr. Unfallrenten und Unfallversicherungsgesetzgebung: Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 6016 A, C Storch, Bundesminister für Arbeit 6016 A, C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6016 D 15. betr. Überholverbote für Lastzüge an Steigungen und Gefällen der Bundesautobahnen: Dr. Leiske (CDU/CSU) 6016 D Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 6017 A 16. bis 28. wegen Zeitablaufs der Fragestunde abgesetzt 6017 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr Verstöße gegen das Personenstandsgesetz (Drucksache 1712, Umdruck 492) . . . . 6017 B Dr. Arndt (SPD), Anfragender 6017 C, 6025 D Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 6019 B, 6027 C Metzger (SPD) 6020 D Frau Dr. Ilk (FDP) 6022 C Hoogen (CDU/CSU) 6023 D Dr. Bucher (FDP) 6027 B Beschlußfassung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 492 . . . 6028 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Bestimmungen über den Seidenbau (Drucksache 1616); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 1797) 6028 D Frau Dr. Jochmus (CDU/CSU), Berichterstatterin (Schriftlicher Bericht) 6034 C Beschlußfassung 6028 D Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (Drucksache 1398); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Druckaschen 1732, zu 1732) 6029 A Schütz (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 6035 A Beschlußfassung 6029 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (Drucksache 1742); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 1821) 6029 B Rasner (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 6029 B Frau Döhring (SPD), Berichterstatterin 6029 C Frau Korspeter (SPD) 6030 B Horn (CDU/CSU) 6031 C Vizepräsident Dr. Schmid 6032 A Dr. Schellenberg (SPD) 6032 A Abstimmungen 6030 A, 6032 B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen für langfristig Arbeitslose (Drucksache 1798) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Sonderzulagen für Arbeitslose (Drucksache 1799) 6032 B Ausschußüberweisungen. . . 6032 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das deutsch-isländische Protokoll vom 19. Dezember 1950 über den Schutz von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten (Drucksache 1785) . 6032 C Überweisung an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 6032 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Vorläufige Europäische Abkommen vom 11. Dezember 1953 über Soziale Sicherheit unter Ausschluß der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen und über das Vorläufige Europäische Abkommen vom 11. Dezember 1953 über die Systeme der Sozialen Sicherheit für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen (Drucksache 1786) 6032 C Überweisung an die Ausschüsse für Sozialpolitik und für Kommunalpolitik . 6032 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 10. März 1955 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) (Drucksache 1794) 6032 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 6032 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Brüsseler Protokoll vom 30. Juli 1936 über die Immunitäten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Drucksache 1795) 6032 D Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten 6032 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das deutsch-österreichische Protokoll vom 25. März 1955 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden (Drucksache 1796) . . 6033 A Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 6033 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung (Drucksache 1829) 6033 A Überweisung an den Rechtsausschuß . 6033 A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen (Drucksache 1830) 6033 A Überweisung an den Rechtsausschuß . . 6033 C Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf des ehemals reichseigenen Gesandtenwohnhauses in Athen (Drucksache 1792) 6033 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 6033 C Nächste Fragestunde 6033 C Nächste Sitzung 6033 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6034 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung von Bestimmungen über den Seidenbau (Drucksache 1797) 6034 C Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (Drucksache zu 1732) 6035 A Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage 2 Drucksache 1797 (Vgl. S. 6028 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (26. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung von Bestimmungen über den Seidenbau (Drucksache 1616). Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Jochmus Das Gesetz dient der Bereinigung von Rechtsvorschriften über den Seidenbau, die auf Grund des sogenannten Reichsnährstandsgesetzes vom 13. September 1933 ergangen sind. 1935 hatte der Reichsernährungsminister den Reichsnährstand ermächtigt, die Gewinnung, die Verwertung, den Absatz und die Preise von deutschen Kokons zu regeln. Die letzte dieser Regelungen ist die Anordnung des Beauftragten des Reichsnährstandes für den deutschen Seidenbau von 1941. Diese Anordnung machte Erzeugung und Absatz von gewissen Zustimmungen abhängig; sie legte außerdem die alleinige Bruterzeugung in die Hand der Reichsforschungsanstalt für Seidenbau - jetzt Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle -, bestimmte eine Ablieferungspflicht für Kokons an die Mitteldeutsche Spinnereihütte GmbH, regelte Preise und führte Ordnungsstrafen ein. Hauptgrund für den Erlaß dieser Bestimmungen waren wehrwirtschaftliche Überlegungen, die zu einer gewissen Autarkie auf dem Naturseidenmarkt führen sollten. Mit der Durchführung der Vorschriften - vor allem mit der Abnahme der Kokons durch die Mitteldeutsche Spinnereihütte - waren erhebliche finanzielle Belastungen verbunden, die nicht mehr gerechtfertigt erscheinen. Die anfallenden Ernten werden zur Zeit nicht mehr von der überwiegend zum Reichsvermögen gehörenden Mitteldeutschen Spinnereihütte aufgenommen; sollten aber die Seidenerzeuger erfolgreich auf deren Abnahmepflicht bestehen, so wäre mit einem jährlichen Zuschußbedarf von 75 000 bis 80 000 DM zu rechnen. Dieser steht in keinem Verhältnis zu einer Gesamternte von etwa 30 000 DM, die sich auf etwa 3000 Züchter verteilt. b) Urlaubsanträge a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 23. November Raestrup 19. November Frehsee 15. November Gumrum 15. November Matthes 15. November Dr. Miessner 15. November Welke 15. November Gemein 13. November Dr. Atzenroth 12. November Bals 12. November Bauer (Wasserburg) 12. November Bauereisen 12. November Dr. Brönner 12. November Dr. Elbrächter 12. November Hilbert 12. November Hoogen 12. November Illerhaus 12. November Knobloch 12. November Meyer (Oppershofen) 12. November Müller (Erbendorf) 12. November Regling 12. November Dr. Baade 11. November Baur (Augsburg) 11. November Dr. Bucerius 11. November Eickhoff 11. November Feldmann 11. November Frühwald 11. November Dr. Gleissner (München) 11. November I Heiland 11. November Dr. Höck 11. November Höcherl 11. November Dr. Kopf 11. November Dr. Kreyssig 11. November Margulies 11. November Mißmahl 11. November Kalbitzer 11. November Leibing 11. November Dr. Mocker 11. November Dr. Pohle (Düsseldorf) 11. November Dr. Schmidt (Gellersen) 11. November Rademacher 11. November Schwarz 11. November Spörl 11. November Stiller 11. November Unertl 11. November Dr. Wellhausen 11. November Albers 10. November Frau Albertz 10. November Brockmann (Rinkerode) 10. November Dr. Dehler 10. November Feller 10. November Huth 10. November Jacobs 10. November Jahn (Stuttgart) 10. November Kramel 10. November Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 10. November Frau Meyer (Dortmund) 10. November 011enhauer 10. November Schmücker 10. November Schüttler 10. November Frau Dr. Schwarzhaupt 10. November Wehner 10. November Dr. Welskop 10. November Abgeordnete bis einschließlich Dr. Starke 28. Februar 1956 Jahn (Frankfurt) 9. Januar 1956 Eberhard 10. Dezember 1955 Mensing 30. November 1955 Moll 30: November 1955 Erler 20. November 1955 Heye 20. November 1955 Dr. Kliesing 20. November 1955 von Manteuffel (Neuß) 20. November 1955 Dr. Bartram 19. November 1955 Schmidt (Hamburg) 20. November 1955 Morgenthaler 19. November 1955 Dr. Pferdmenges 19. November 1955 Richter 19. November 1955 Dr. Will 18. November 1955 Da überdies zu erwarten ist, daß der Bedarf an Naturseide durch die fortschreitende Entwicklung synthetischer Textilfasern weiter zurückgedrängt wird, besteht an der bisherigen Regelung kein Interesse mehr. Es bedarf daher einer Aufhebung der einschlägigen Vorschriften. Da die Verordnung von 1935 nach Wegfall des ermächtigenden Reichsnährstandsgesetzes eine selbständige Rechtsverordnung ist, muß sie durch Gesetz aufgehoben werden. Namens des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bitte ich um Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs. Bonn, den 29. September 1955 Frau Dr. Jochmus Berichterstatterin Anlage 3 zu Drucksache 1732 (Vgl. S. 6029 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (28. Ausschuß) über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (Drucksache 1398). Berichterstatter: Abgeordneter Schütz Die durch den Zusammenbruch im Jahre 1945 veränderten staatsrechtlichen Verhältnisse und die sich daraus ergebenden Folgewirkungen für die gesamtstaatliche deutsche Sozialversicherung lassen es nicht zu, die Sozialversicherung im Bundesgebiet uneingeschränkt mit sämtlichen Verpflichtungen der ehemaligen gesamtstaatlichen deutschen Sozialversicherung, die gegenüber Berechtigten im Ausland bestehen, zu- belasten. Das in Abschnitt II des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes geregelte Auslandsrecht sieht daher Leistungen an Berechtigte im Ausland nur vor, wenn versicherungsmäßig ein irgendwie gearteter Zusammenhang mit dem Bundesgebiet oder dem Land Berlin bestanden hat oder wenn es sich bei den Ersatzleistungen des § 9 um deutsche oder frühere deutsche Staatsangehörige handelt, die in der gesetzlichen Unfallversicherung oder in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach Reichsrecht, Bundesrecht oder dem Recht des Landes Berlin versichert waren. Der Entwurf des Änderungsgesetzes bezweckt die Eingliederung von Personen, die in den Jahren 1938 und 1939 aus den in das Deutsche Reich eingegliederten Gebieten wegen Bedrohung auf Grund ihrer politischen Haltung, ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung oder ihrer Rasse ins Ausland geflüchtet sind. Es handelt sich hierbei im wesentlichen um Personen, die in den genannten Zeiten, insbesondere vor der Besetzung des Sudetengebietes, wegen der vermuteten Verfolgungsmaßnahmen ins Ausland, vor allem nach Kanada, England und Schweden, ausgewandert sind. Der Personenkreis umfaßt etwa 2000 Familien. De es sich bei dem Entwurf nicht um eine Wiedergutmachung nach dem Bundesentschädigungsgesetz, sondern um eine Regelung der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse dieser Vertriebenen handelt, ist es erforderlich, Leistungen nur in den Fällen vorzusehen, in denen eine Beziehung zur deutschen Rentenversicherung vorhanden ist. Diese Beziehung kann in den Fällen angenommen werden, in denen Deckungsmittel von Versicherungsträgern des Heimatlandes der Vertriebenen auf Versicherungsträger im Reichsgebiet übertragen wurden, wie dies insbesondere im Sudeten-gebiet der Fall war. Wenn daher in dem vom sozialpolitischen Ausschuß beschlossenen Entwurf vorgesehen ist, daß Voraussetzung für die Leistungsgewährung ist, daß Deckungsmittel der verpflichteten Versicherungsträger auf die Rentenversicherungsträger im Reichsgebiet übertragen wurden, so handelt es sich dabei um die Feststellung einer globalen Übertragung, ohne daß der Versicherungsträger, der die Leistung zu gewähren hat, für den Einzelfall zu prüfen hat, ob und inwieweit Deckungsmittel übertragen wurden. Es handelt sich also um eine territoriale Beschränkung, nicht um eine Einschränkung im Einzelfall. Durch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesvertriebenengesetzes wird zugleich bestimmt, daß Leistungen nur an Personen gewährt werden, die wegen drohender oder gegen sie verübter nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen auf Grund der politischen Überzeugung, der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung die Vertreibungsgebiete, die in Absatz 1 des Bundesvertriebenengesetzes näher bezeichnet sind, verlassen und ihren Wohnsitz außerhalb des Deutschen Reichs genommen haben. Damit wird zugleich erreicht, daß der Versicherungsträger den Grund der Auswanderung nicht selbst zu überprüfen braucht sondern dafür die für Vertriebene ausgestellten Bescheinigungen hierüber seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Der mit dem Gesetzentwurf bezweckte Erfolg kann für diejenigen Personen, die noch nicht rentenberechtigt sind, nur erreicht werden, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, die in ihrem Heimatland begonnene Versicherung freiwillig fortzusetzen oder zu erneuern. Dies erfordert eine Ergänzung des § 12 Abs. 1, wie sie in Art. 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist. Demgemäß wurde hinsichtlich der Leistungsgewährung die von dem Ausschuß beschlossene Fassung gewählt. Die in Art. 1 Nr. 3 vorgesehene Änderung des § 17 Abs. 6 Satz 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes dient der Vermeidung von Härten. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzentwurfs sichert die Erhaltung der Anwartschaft für den in Nr. 1 genannten Personenkreis bis zum 31. Dezember 1956. In Art. 1 a ist vorgesehen, daß die Leistungen für den im Art. 1 Nr. 1 genannten Personenkreis frühestens mit dem 1. Oktober 1955 beginnen, sofern der Antrag bis spätestens 31. Dezember 1956 gestellt wird. Art. 2 enthält die Berlin-Klausel. Art. 3 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Bonn, den 11. Oktober 1955 Schütz Berichterstatter
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung zu haben wir des Ablebens zweier Kollegen zu gedenken

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Am 6. November _1955 verstarb nach längerer Krankheit der Abgeordnete des Deutschen Bundestages Walter Sassnick, Mitglied der Fraktion der SPD. Er starb im Alter von 60 Jahren in einem Nürnberger Krankenhaus. Unser Kollege Walter Sassnick wurde am 10. März 1895 in Bonn geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums wurde er 1912 Berufsjournalist. Im gleichen Jahr schon trat er der SPD bei. Er war Teilnehmer am ersten Weltkrieg. 1918 wurde er Mitglied des Ostpreußischen Provinzialrates und Stadtrat in Memel. Später wirkte er als Chefredakteur im Westen und Süden des Reiches. Im März 1933 wurde Herr Sassnick wegen Hoch- und Landesverrats verfolgt und ausgebürgert. Es gelang ihm die Flucht zunächst in das Saargebiet, später nach Frankreich, in die Schweiz und nach Schweden. In Schweden war unser Kollege Sassnick Herausgeber der Emigrantenzeitschrift „Das Wort". 1946 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm die Chefredaktion bayrischer Zeitungen. Herr Sassnick war bereits Mitglied des 1. Bundestages. In den 2. Bundestag wurde er im Wahlkreis Nürnberg gewählt. Er war ordentliches Mitglied im Ausschuß für Geschäftsordnung, im Ausschuß für Petitionen und stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Besatzungsfragen und im Ausschuß für Verkehrswesen.
Am 7. November 1955 verstarb in einem Duisburger Krankenhaus der Abgeordnete der CDU/ CSU-Fraktion Hans Griem im Alter von 53 Jahren. Unser Kollege Hans Griem wurde am 14. Februar 1902 in Hamburg geboren. Nach Schulbesuch und einer kaufmännischen Lehre im In- und Ausland wurde Herr Griem 1928 selbständiger Kaufmann. 1945 wurde er Vorstandsmitglied im Verband des Lebensmitteleinzelhandels in Hamburg, 1952 Vorsitzender dieses Verbandes und stellvertretender Vorsitzender des Gesamtverbandes des Hamburger Einzelhandels. Seit 1946 gehörte der Verstorbene der Christlich-Demokratischen Union an. 1948 wurde er Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Im Wahlkreis 20 — Hamburg — wurde Herr Griem in den 2. Bundestag gewählt. Hier bei uns war er ordentliches Mitglied im Beirat für handelspolitische Vereinbarungen und im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes und im Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen.
Meine Damen und Herren! Wir beklagen den Tod zweier verdienstvoller Mitglieder des Hauses, zweier getreuer Kollegen. Ich habe den Angehörigen in Ihrem Namen und in meinem eigenen die aufrichtige Anteilnahme des Hauses ausgesprochen. Ich spreche diese Anteilnahme den beiden betroffenen Fraktionen hiermit aus. — Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.
Glückwünsche zum Geburtstag darf ich aussprechen dem Herrn Kollegen Scheppmann zu seinem 60. Geburtstag am 4. November

(Beifall)

und dem Herrn Kollegen Zühlke ebenfalls zu seinem 60. Geburtstag am 8. November.

(T eif all.)

Ich darf dem Hau_ weiter bekanntgeben, daß ich nach einer interfraktionellen Vereinbarung vorschlage, den Punkt 2 aer heutigen Tagesordnung — die Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zum Finanzverfassungsgesetz und zum Inanspruchnahmegesetz für 1955 — zunächst abzusetzen und für morgen vorzusehen. Ob wir morgen darüber verhandeln können, darüber werden wir morgen vormittag Beschluß fassen.
Die Mittagspause soll heute nach Möglichkeit um 12 Uhr 30 beginnen und die Sitzung erst um 15 Uhr 30 wieder eröffnet werden. Grund dieser Veränderung ist der Wunsch, den Fraktionen Gelegenheit zu geben, über Mittag noch zusammenzutreten.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 28. Oktober 1955 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden;
Sechstes Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft;
Zweites Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes.
Zum Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden hat der Bundesrat außerdem eine Entschließung angenommen, die in Drucksache 1826 vervielfältigt ist.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft einen Einspruch nicht einzulegen.
Die Fraktion der FDP hat ihre Große Anfrage betreffend Durchführung des Saarstatutes — Drucksache 1618 — mit Schreiben vom 26. Oktober 1955 zurückgezogen, da die Beantwortung durch die Ereignisse überholt sei.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 28. Oktober 1955 die Kleine Anfrage 198 der Fraktion der FDP betreffend Rheinseitenkanal — Drucksache 1779 — be-


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

antwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1827 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 7. November 1955 die Kleine Anfrage 200 der Fraktion der FDP betreffend Rückfahrkarten über die Zonengrenze — Drucksache 1814 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1838 vervielfältigt.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich das Wort zur Geschäftsordnung der Frau Abgeordneten Hubert.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0211100100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion möchte ich Sie bitten, den Punkt 4 der Tagesordnung, Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen, heute von der Tagesordnung abzusetzen.
Sie alle wissen, meine Damen und Herren, daß meine Fraktion schon bei der ersten Beratung von dieser Stelle aus ihrem großen Bedauern Ausdruck gegeben hat, daß das Gesetz über das Apothekenwesen nicht zugleich und im Zusammenhang mit einem Gesetz, das den Vertrieb und die Herstellung von Arzneimitteln regelt, hier eingebracht worden ist.
Die Apotheke hat, obgleich die Medikamente zum größten Teil nicht mehr in ihr hergestellt werden, selbstverständlich auch heute noch eine wichtige Aufgabe für die öffentliche Gesundheitspflege zu erfüllen. Die gleichmäßige Verteilung von Apotheken über alle Gegenden unseres Landes soll gewährleisten, daß der notwendige Bedarf an Arzneimitteln überall gedeckt werden kann. Eine ebenso gewissenhafte wie sorgfältige Abgabe von Arzneimitteln soll dem übermäßigen Verbrauch steuern helfen, der durch eine uferlose und, man muß sagen, geradezu verantwortungslose Propaganda in
3) so erschreckendem Maße gestiegen ist. In einer Zeit, in der die Reklame und die Propaganda der herstellenden Industrie den Verbraucher direkt erreicht, ist aber die Arzneimittelversorgung nicht nur von der Apotheke her, sondern nur durch eine gesetzliche Regelung schon der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln zu lenken und zu ordnen.
Die Regierung ist ursprünglich derselben . Ansicht gewesen. Denn als wir im vorigen Bundestag den von der CDU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über das Apothekenwesen behandelten und die Regierung baten, auch ihre Meinung zu einem Apothekengesetz zu sagen, wurden wir immer mit dem Hinweis vertröstet, daß das Apothekengesetz im Zusammenhang mit dem Arzneimittelgesetz von der Regierung vorgelegt werden sollte.

(Widerspruch.)

— Das war so. Es wurde uns damals immer gesagt: wir müssen das Apothekengesetz im Zusammenhang mit dem Arzneimittelgesetz bringen, und es dauert noch einige Zeit. Wir waren, zumal es so lange gedauert hat, enttäuscht, daß das Apothekengesetz nun doch allein auf den Tisch des Hauses kam.
Nun hat aber die Bundesregierung im Wirtschaftspolitischen Ausschuß erklärt, daß sie in der Lage sei, da die Arbeiten am Arzneimittelgesetz so weit vorgeschritten sind, ein solches Gesetz bis Ende Juni 1956 vorzulegen. Wir haben das außerordentlich erfreulich gefunden. Wir sind aber der Ansicht, daß es nunmehr doch sinnvoll und zweckmäßig wäre, mit der Verabschiedung des Apothekengesetzes bis zu diesem Zeitpunkt zu warten. Es ist nicht etwa das Trommelfeuer, das in den letzten Tagen auf uns herabgeprasselt ist, das uns zu diesem Wunsch veranlaßt hat; denn auch der Entwurf unseres verehrten Kollegen Platner, der ja eine Variante des einstigen Frankfurter Entwurfs und somit eine, sagen wir, verschleierte Form des Wiederauflebens der Realkonzession ist, wäre für uns keine Diskussionsgrundlage gewesen. Die Beratungen in den Ausschüssen und ganz besonders im Wirtschaftspolitischen Ausschuß haben aber gezeigt, daß so viele Fragen offengeblieben sind,

(Sehr richtig! in der Mitte)

ja, offenbleiben mußten, weil man eben nicht weiß, wie ein künftiges Arzneimittelgesetz aussehen wird und welche Auswirkungen ein solches Gesetz über die Herstellung und den Vertrieb von Arzneimitteln auch wieder auf den Vertrieb in der Apotheke haben wird, daß ich Sie sehr dringend bitten möchte, dem einstimmigen Vorschlag des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zuzustimmen: mit der Verabschiedung dieser Gesetze bis zur Vorlage des Arzneimittelgesetzes zu warten und sie heute von der Tagesordnung abzusetzen.
Wenn auch einige Kollegen meinen, daß man das Apothekengesetz unabhängig von einem Arzneimittelgesetz verabschieden kann, so, glaube ich, sollten wir doch auch auf die Kollegen Rücksicht nehmen, die das im Zusammenhang sehen wollen. Ich bin der Überzeugung, daß wir dann in diesem Hause zu einer sehr viel einheitlicheren Stellungnahme und Verabschiedung eines Apothekengesetzes kommen werden, zumal der Regierungsentwurf in seiner jetzigen Form, in der er alle Verschiedenartigkeiten aufrecht erhält, auch denen, die Anhänger einer Beschränkung der Apothekenzahl und der Personalkonzession sind, nicht gefallen kann.
Ich bitte Sie daher um Absetzung dieses Punktes von der heutigen Tagesordnung.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211100200
Meine Damen und Herren, ich gebe das Wort noch weiter zur Geschäftsordnung. Aber ich muß bitten, daß in Übereinstimmung mit § 34 der Geschäftsordnung die Ausführungen keinesfalls länger als fünf Minuten dauern.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hammer.

Dr. Richard Hammer (FDP):
Rede ID: ID0211100300
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu meinem großen Bedauern muß ich der Frau Kollegin Dr. Hubert widersprechen. Die Vertagung der Beratung dieser Apothekengesetze auf einen Zeitpunkt, der mit der Verabschiedung eines Arzneimittelverkehrsgesetzes identisch ist, bedeutet die Vertagung auf den Sankt-NimmerleinsTag.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Pelster: Warum denn?)

Meine Damen und Herren, an einem Arzneimittelverkehrsgesetz wird in Deutschland, im Reich und in der Bundesrepublik, jetzt bald fünfzig Jahre lang herumgedrückt. Die Materie ist so schwer, daß es ausgeschlossen erscheint, in dieser Legislaturperiode, selbst wenn das Kabinett uns eine solche Vorlage zugehen ließe, zu einem Abschluß zu kommen.
Die Gefahr, die droht, ist außerordentlich groß. Wir beraten die Gesetzentwürfe zur Regelung des Apothekenrechts jetzt seit etwa fünf Jahren. Aus den Akten geht hervor — eine Ausführung des Ar-


(Dr. Hammer)

beitsministeriums vom 2. April 1952 —, daß folgender Tatbestand hinsichtlich des Arzneimittelverbrauchs in deutschen Apotheken vorliegt: „Während im Lande Nordrhein-Westfalen — britische Besatzungszone — die Ausgaben für Arznei im Jahre 1951 96 % über der Ausgabe des Jahres 1937 liegen, beträgt die Steigerung in der amerikanischen Besatzungszone — offensichtlich infolge der Niederlassungsfreiheit der Apotheker in diesem Gebiet — im Lande Bayern 125 %, im Lande Hessen 143 %."
Meine Damen und Herren, es ist Zeit! Ich bitte, das Gesetz heute zu verabschieden.

(Beifall bei Abgeordneten in der Mitte und rechts.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211100400
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Horn.

Peter Horn (CDU):
Rede ID: ID0211100500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich namens — jedenfalls eines erheblichen Teils — meiner Freunde der Begründung anschließen, die Herr Dr. Hammer eben gegeben hat. Uns erscheint es außerordentlich dringlich, das Gesetz heute zu beraten und, wenn tunlich, zu verabschieden.
Wer die Vorgänge auf dem Deutschen Apothekertag in Kassel so wie ich persönlich miterlebt hat und das tiefe Bedauern darüber hat empfinden müssen, daß der Berufsstand selber, was die Meinung zu diesem Problem angeht, vielfältig gespalten ist, der darf der Ansicht Ausdruck geben, daß es 'allerhöchste Zeit ist, die Frage nun, nach jahrelangen Diskussionen, endlich zu klären und das Gesetz zu verabschieden. Die Vertagung auf den — wie Herr Dr. Hammer sich ausgedrückt hat — Sankt-Nimmerleins-Tag ist auch im Interesse des Berufsstandes selber unmöglich. Auf dem Apothekertag hat sich ein erheblicher Teil der Tagungsteilnehmer, um die Sache nun endlich zu Ende zu bringen, für die Regierungsvorlage ausgesprochen.

(Abg. Pelster: Stimmt nicht! — Abg. Frau Dr. Steinbiß: Doch!)

Wenn wir das Gesetz heute verabschieden, bleibt in der Folge immer noch die Möglichkeit, wenn notwendig, zum gegebenen Zeitpunkt entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Wir sollten aber dieses Thema endlich aus der Diskussion herausbringen. Deshalb bin auch ich für die Ablehnung des sozialdemokratischen Antrags.

(Abg. Pelster: Sie hätten einen besseren Entwurf vorlegen sollen!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211100600
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Becker (Hamburg).

Fritz Becker (DP):
Rede ID: ID0211100700
Meine Damen und Herren! Es lassen sich gute Gründe anführen für eine Absetzung des nunmehr vorliegenden Entwurfs eines Apothekengesetzes und es lassen sich gute Gründe für eine Beratung am heutigen Tag anführen. Meine Freunde werden sich bei der Abstimmung über diesen Geschäftsordnungsantrag der Stimme enthalten. Die Deutsche Partei ist aber der Ansicht, daß es notwendig sein wird, heute eine Debatte über das Apothekengesetz zu führen;

(Heiterkeit und Zurufe)

denn die Ausführungen, die eben gemacht worden sind, —

(Anhaltende Zurufe. — Unruhe.)

— Lassen Sie mich doch einmal zu Ende sprechen, bitte!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211100800
Herr Abgeordneter, einen Augenblick! Man kann im Zweifel sein, ob solche Erklärungen im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte zulässig sind. Ich bitte aber, sich kurz zu fassen, damit wir zur Abstimmung kommen.

Fritz Becker (DP):
Rede ID: ID0211100900
Ich bin gezwungen, das so zu fassen, weil ich den Antrag, den ich zum Apothekengesetz stellen möchte, im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte noch nicht stellen kann. Ich möchte jetzt dafür plädieren, dem Antrag auf Absetzung nicht zuzustimmen.

(Heiterkeit und Zurufe.)

Ich glaube aber, daß der Antrag noch einmal aufgenommen werden kann, nämlich dann, wenn wir uns in diesem Hause erst noch einmal über das Apothekengesetz ausgesprochen haben.

(Erneute Heiterkeit und Zurufe.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211101000
Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor. Damit ist die .Geschäftsordnungsdebatte abgeschlossen. Ich lasse abstimmen.
Meine Damen und Herren, beantragt ist Absetzung des Punktes 4 von der Tagesordnung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —

(Zurufe: Hammelsprung!)

— Einen Augenblick, meine Herren! Bevor wir uns wieder in Gang setzen und hinausmarschieren, darf ich bitten, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! —

(Erneute Zurufe: Hammelsprung!)

— Bedaure, meine Damen und Herren, im Vorstand kann man sich nicht einigen. Wir kommen zum Hammelsprung. Ich bitte, den Saal zu räumen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. — Wir beginnen mit der Auszählung. Ich bitte, die Türen wieder zu öffnen.

(Wiedereintritt und Zählung.)

Meine Damen und Herren, ich darf bitten, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja, also für den Antrag der Frau Abgeordneten Hubert, haben gestimmt 193 Mitglieder des Hauses, mit Nein 135 Mitglieder des Hauses bei 1 Enthaltung. Damit ist der Antrag auf Absetzung des Punktes 4 angenommen; der Punkt 4 ist von der heutigen Tagesordnung abgesetzt.

(Unruhe.)

Wir kommen zu der so verkürzten Tagesordnung. Ich rufe Punkt 1 auf:
Fragestunde (Drucksache 1831).


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Das Wort zur Frage 1 hat der Abgeordnete Dr. von Buchka.

(Anhaltende Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

— Einen Augenblick, Herr Kollege; es muß erst hier im Saal etwas mehr Ruhe eintreten. Meine Damen und Herren, wir können doch so nicht in die Fragestunde eintreten. —
Bitte, Herr Abgeordneter, nehmen Sie das Wort.

Dr. Karl von Buchka (CDU):
Rede ID: ID0211101100

Wie weit sind die laut Pressemeldungen zwischen dem Auswärtigen Amt und der britischen Regierung schwebenden neuen Verhandlungen über die Bombardierung des Großen Knechtsandes gediehen, die für das anliegende Gebiet mit seinen Bewohnern nach wie vor eine schwere Last darstellt, und was kann über das Ergebnis dieser Verhandlungen schon gesagt werden?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211101200
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211101300
Herr Abgeordneter! Die Verhandlungen zwischen dem Auswärtigen Amt und der Regierung des Vereinigten Königreiches über ein Zusatzabkommen zum deutsch-britischen Abkommen „Großer Knechtsand" vom 9. September 1952 stehen unmittelbar vor ihrem Abschluß. Das bisherige Abkommen hatte eine Reihe von Beschwerden ausgelöst, da durch die häufige Sperrung des Zielgebiets die Krabbenfischerei wesentlich beeinträchtigt wurde und die Abwürfe von Hochbrisanzbomben zu einer erheblichen Störung der Bevölkerung und einiger Krankenanstalten in Cuxhaven geführt haben. Die Bundesregierung war daher seit langem bemüht, eine Änderung des Abkommens mit dem Ziel einer Entlastung des bisherigen Übungsgebiets herbeizuführen.
Nach dem vorgesehenen Zusatzabkommen werden die britischen Luftstreitkräfte künftig neben dem bisherigen Zielgebiet — genannt B — ein weiteres Übungsgebiet — genannt A — mit der Maßgabe benutzen können, den Abwurf von Bomben im bisherigen Zielgebiet B auf dreimal wöchentlich, zwölfmal monatlich, zu beschränken. Das Zusatzabkommen sieht vor, daß lediglich Bomben mit Sandfüllung oder einem Höchstsprengsatz von 25 lbs auf die beiden Zielgebiete abgeworfen werden.
Auf Veranlassung der Bundesregierung und des Landes Niedersachsen ist mit diesen Bomben Mitte Oktober ein Probeabwurf im Zielgebiet A durchgeführt worden. Die Detonationen waren kaum zu hören; eine Beeinträchtigung durch Geräusch und Erschütterung war nicht gegeben.
Das Kabinett des Landes Niedersachsen hat dem Abschluß eines Zusatzabkommens zum KnechtsandAbkommen vom 9. September 1952 u. a. unter der Voraussetzung zugestimmt, daß zur Vermeidung einer Störung des Kurbetriebs von Cuxhaven und der Gemeinde Sahlenburg im neuen Zielgebiet während der Badesaison keine Übungen oder nur nachts Übungen stattfinden. Das britische Luftfahrtministerium, das zur Zeit dieses Ersuchen prüft, hat seinerseits das Auswärtige Amt gebeten, das neue Zielgebiet A den britischen Luftstreitkräften für Übungszwecke bereits vor Abschluß des geplanten Zusatzabkommens unter den darin vorgesehenen Bestimmungen zur Verfügung zu stellen. Das Auswärtige Amt hat im Einvernehmen mit den übrigen Bundesressorts und dem Lande Niedersachsen keine Bedenken, dieser Bitte zu entsprechen, da dies eine sofortige Entlastung des bisherigen Zielgebietes B zur Folge haben würde.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211101400
Eine Zusatzfrage?

Dr. Karl von Buchka (CDU):
Rede ID: ID0211101500
Ich möchte folgende Zusatzfrage stellen: Ist zu erwarten, daß nach Einbeziehung des Zielgebietes A künftighin auch noch das Zielgebiet B benötigt wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211101600
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211101700
Die britischen Luftfahrtsachverständigen haben schon im Rahmen der zur Zeit schwebenden Verhandlungen, über die ich berichtet habe, erklärt, daß das Zielgebiet B wegen seines größeren Radius für Abwürfe von nichtexplosiven Bomben, die aus großer Höhe von schnell fliegenden Flugzeugen stattfinden, auch in Zukunft in Anspruch genommen werden muß.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211101800
Eine weitere Zusatzfrage? — Der Fragesteller verzichtet.
Die Frage 2 ist von dem Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 3 auf. Das Wort hat der Abgeordnete Held.

Fritz Held (FDP):
Rede ID: ID0211101900
Ich bitte den Herrn Bundesverteidigungsminister um Auskunft darüber, ob für die zukünftige Versorgung der Streitkräfte wieder Heeresbäckereien und -fleischereien errichtet werden sollen, oder ob beabsichtigt ist, den Truppenbedarf an Brot und Fleischwaren durch die in den Garnisonen ansässigen Betriebe des Handwerks decken zu lassen, die, soweit ich unterrichtet bin, über ausreichende Kapazitäten für derartige Leistungen verfügen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211102000
Der Herr Bundesverteidigungsminister!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211102100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht geplant, heereseigene Bäckereien und Schlächtereien für die Versorgung der Streitkräfte 'einzurichten. Der Bedarf an Brot und Fleischwaren soll in den Standorten im Wege der Ausschreibung gedeckt werden. Hieran können sich im freien Wettbewerb das einschlägige Handwerk wie die Brot- und Fleischwarenindustrie beteiligen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211102200
Eine Zusatzfrage!

Fritz Held (FDP):
Rede ID: ID0211102300
Sollen, abgesehen von den selbstverständlichen Vorkehrungen für mobile Zwecke, auch wieder die sogenannten Schuhmacher- und Schneiderwerkstätten errichtet werden?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211102400
Der Herr Bundesverteidigungsminister!

L) Blank, Bundesminister für Verteidigung: Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, das ist keine Zusatzfrage zu der ersten Frage. Sie kommen nunmehr auf ein vollkommen neues Problem, das ich natürlich vor der Fragestunde nicht eingehend geprüft habe. Ich kann Ihnen daher keine verbindliche Auskunft darüber geben, wie es mit den Schuhmacher- und Schneiderwerkstätten steht.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211102500
Auf weitere Fragen wird verzichtet.
Ich rufe auf Frage 4. Der Abgeordnete Schmidt (Hamburg) !

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0211102600
Herr Präsident, ich stelle die Frage für Herrn Kollegen Schmidt, der mit dem Sicherheitsausschuß auf einer Dienstreise ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211102700
Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0211102800

Welcher Art sind die Fahrpreiserhöhungen, welche die Deutsche Bundesbahn für den Fährverkehr von und nach der Insel Fehmarn Pressemitteilungen zufolge beabsichtigt?
Welche Gründe liegen vor?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211102900
Der Herr Bundesminister für Verkehr!

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0211103000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Insel Fehmarn hat mit Großenbrode im holsteinischen Kreise Oldenburg schon seit Jahrhunderten eine Fährverbindung. Bis 1902 betrieb der preußische Staat diese Fährverbindung, dann übernahm sie die Kreis-Oldenburger Eisenbahn, die auf dem Festland und auf der Insel Fehmarn neue. Strecken errichtete. Seitdem dienen die Fährschiffe gleichzeitig der Beförderung von Schienenfahrzeugen, dem Straßenverkehr und dem Fußgängerverkehr.
Dieser Betrieb ist niemals rentabel gewesen. Deshalb gab die Kreisverwaltung den Kreisbahn- und Fährbetrieb 1941 an die Deutsche Reichsbahn ab. Die Tatsache, daß nunmehr die Zuschüsse nicht mehr aus dem Kreise Oldenburg geleistet zu werden brauchten, veranlaßte den Kieler Oberpräsidenten im Jahre 1943, die seit 1931 festgesetzten Gebühren um 50 % zu ermäßigen. Gegenwärtig liegt der Tarif nach einer Erhöhung im Zuge der allgemeinen Tariferhöhung von 1951 bei 62,5 % der Vorkriegssätze. Die Bundesbahn erleidet bei dem Betrieb dieser Fährverbindung einen jährlichen Verlust von 400 000 DM bei einem jährlichen Aufwand von 800 000 DM. Wegen der Natur des Gewässers im Fehmarnsund und der häufigen Stürme müssen die Betriebsmittel und festen Anlagen den für Hochseefähren geltenden Bedingungen entsprechen.
Unter diesen Voraussetzungen hat die Deutsche Bundesbahn bereits im April 1954 einen Antrag auf Tarifänderung eingereicht, um durch eine Gebührenerhöhung das jetzige Defizit von jährlich 400 000 DM auf -einen Jahresverlust von 200 000 DM zu senken. Der Antrag geht im wesentlichen dahin, die Sätze des Jahres 1931 wiederherzustellen. Nur für die im Tarif bisher nicht berücksichtigten schweren Lastkraftwagen und Anhänger hat die Deutsche Bundesbahn einen Tarif beantragt, der das Doppelte der Vorkriegssätze ausmacht, die früher für die leichten Lastkraftwagen erhoben wurden. Ein solcher Antrag unterliegt natürlich eingehender Prüfung. Der Antrag hat daher zu eingehenden Verhandlungen mit den Interessenten, mit der Preisbehörde und mit der Regierung des Landes Schleswig-Holstein geführt. Der Herr Kollege Diedrichsen bemüht sich in dieser Angelegenheit sehr im Interesse der Einwohner der Insel. Die zuständige Preisbehörde hat sich zu dem Antrag bisher noch nicht geäußert. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat inzwischen vorgeschlagen, daß sich das Land Schleswig-Holstein an den Kosten des Fährbetriebes so weit beteiligen möge, daß eine Erhöhung der Fährgebühren entfallen kann. Auch diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Eine endgültige Entscheidung über den Antrag der Deutschen Bundesbahn durch den Bundesminister für Verkehr kann erst erfolgen, wenn die Stellungnahme der Preisbehörde vorliegt und die Verhandlungen der Deutschen Bundesbahn mit dem Land Schleswig-Holstein abgeschlossen sind. Die Entscheidung über die Angelegenheit wird im übrigen auch dadurch beeinflußt, daß von interessierter Seite ein stufenweise weiterer Ausbau der sogenannten Vogelfluglinie betrieben wird. Aber auch hierüber sind Entscheidungen noch nicht gefallen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211103100
Eine Zusatzfrage?

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0211103200
Danke, nein!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211103300
Zur Frage 5 für den Abgeordneten Schmidt (Hamburg) der Herr Abgeordnete Dr. Menzel!

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0211103400

Für welches Geschäftsjahr ist letztmalig eine Bilanz des Volkswagenwerkes veröffentlicht worden?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211103500
Herr Bundesminister der Finanzen!

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211103600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bilanzen des Volkswagenwerkes sind zum letztenmal im Mai 1952 — für die Jahre bis 1950 — veröffentlicht worden. Die weiteren Bilanzen konnten deshalb nicht veröffentlicht werden, weil der Volkswagensparerprozeß noch geschwebt hat und noch unentschieden gewesen ist und weil es nicht möglich gewesen wäre, das Risiko, idas in diesem Sparerprozeß lag, abzuschätzen. Infolgedessen hat sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gegen die Veröffentlichung ausgesprochen. Inzwischen ist der Volkswagensparerprozeß praktisch entschieden, so daß die Bilanzen der folgenden Jahre in der allernächsten Zeit veröffentlicht werden.

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0211103700
Ich danke!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211103800
Zur Frage 6 für den Abgeordneten Schmidt (Hamburg) der Abgeordnete Dr. Menzel!

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0211103900

Bis zu welchem Geschäftsjahr sind mit Prüfungsvermerk versehene Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn dem Deutschen Bundestag vorgelegt und veröffentlicht worden? Wann wurde dem Bundestag letztmalig ein Jahresabschluß vorgelegt?


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211104000
Herr Bundesminister für Verkehr!

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0211104100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um dem von Herrn Abgeordneten Schmidt bereits vor einem Jahr geäußerten berechtigten Wunsch des Bundestages nach Unterrichtung über die Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn Rechnung zu tragen, habe ich, wie seinerzeit angekündigt, dem Ausschuß für Verkehrswesen und anderen interessierten Ausschüssen des Bundestages die Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 1952 und 1953 zu Beginn dieses Jahres zugeleitet. Der Prüfungsbericht des Hauptprüfungsamtes für die Deutsche Bundesbahn liegt jetzt auch für den Jahresabschluß 1954 vor. Er enthält keine das Jahresergebnis beeinflussenden Bemerkungen. Ich werde daher auch diesen Abschluß den Ausschüssen des Hohen Hauses zur Verfügung stellen.
Im übrigen darf ich mich auf meine Antwort in der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. November 1954 beziehen. Ich bin leider genötigt mitzuteilen, daß trotz Verstreichens eines weiteren Jahres die Prüfungsberichte des Bundesrechnungshofes zu den Abschlüssen der Deutschen Bundesbahn auch heute noch nicht vorliegen. Ich bin nach wie vor mit Ihnen der Auffassung, daß dieser Zustand außerordentlich unbefriedigend ist. Ich habe aber keine Möglichkeit, über die ständigen Anmahnungen hinaus den Bundesrechnungshof zur Abgabe der von ihm vorzulegenden Prüfungsberichte zu veranlassen. Ich darf dabei darauf hinweisen, daß die Abschlüsse vom Hauptprüfungsamt für die Deutsche Bundesbahn sämtlich geprüft und im Ergebnis in Ordnung befunden worden sind. Die Jahresabschlüsse aus der Zeit vor der Währungsreform haben natürlich keine Bedeutung mehr. Für die Jahresabschlüsse 1945 und 1946 war zwischen der Verwaltung für Verkehr und der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets im Jahre 1949 vereinbart worden, daß sie nicht mehr vorgelegt werden sollten. Die Genehmigung der Abschlüsse seit der Währungsreform wird für die Zeit vor dem Inkrafttreten ,des Bundesbahngesetzes natürlich nach diesem Gesetz zu erfolgen haben. Bisher sind also offiziell diese ganzen Abschlüsse dem Bundestag noch nicht vorgelegt worden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211104200
Zu Frage 7 hat der Herr Abgeordnete Walter das Wort.

Albert Walter (DP):
Rede ID: ID0211104300

Aus welchen Gründen ist im Entwurf eines Kriegsfolgenschlußgesetzes keine Entschädigung der Seeleute für erlittene Verluste vorgesehen?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Seeleute entsprechend dem Vorgehen der Reichsregierung nach dem ersten Weltkrieg für ihre Verluste zu entschädigen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211104400
Herr Bundesminister der Finanzen!

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211104500
Herr Abgeordneter, aus der Anfrage ist leider nicht eindeutig zu erkennen, ob sie sich auf die Verluste bezieht, die deutsche Seeleute im Zuge kriegerischer Maßnahmen an ihrem persönlichen Hab und Gut erlitten haben, oder ob die Verluste angesprochen werden sollen, die deutsche Seeleute im Ausland durch Enteignungsmaßnahmen betroffen haben. Ich darf daher in meiner Antwort auf diese beiden Arten von Verlusten eingehen.
Der Umfang der Verluste, die deutsche Staatsangehörige im Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen im 1. Weltkrieg erlitten haben, war verhältnismäßig gering. Zu ihnen gehörten vor allem die Verluste deutscher Seeleute an ihrer persönlichen Habe. Ein Reichsgesetz von 1921 — aber Inflationszeit! — regelte die im Ausland erlittenen Kriegssachschäden, zu denen auch die Verluste der deutschen, Seeleute rechneten. Nach dem 2. Weltkrieg war die Sachlage eine völlig andere. Die Zahl derjenigen, die durch den Krieg insbesondere als Kriegssachgeschädigte, als Vertriebene oder als Auslandsdeutsche Verluste erlitten hatten, ging in die Millionen. Das Ausmaß der Schäden erreichte geradezu astronomische Ziffern. Das deutsche Staatswesen und die deutsche Wirtschaft waren zusammengebrochen. Eine junge Währung sollte geschützt werden. Bei dieser Sachlage war es völlig unmöglich, die etwa im Ausland erlittenen Kriegssachschäden, also z. B. auch die Verluste deutscher Seeleute, anders zu behandeln als die Masse der im Inland erlittenen Verluste. Die für beide Gruppen von Schäden maßgebende Regelung ist im Lastenausgleichsgesetz getroffen worden. Danach können bei der Gewährung von Ausgleichsleistungen neben anderen, hier nicht interessierenden Fällen berücksichtigt werden: 1. Schäden am Hausrat, 2. Schäden an Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens und an Gegenständen, die für die Berufsausübung erforderlich sind. Im letzteren Fall bleiben Schäden, die unter einem Betrag von 500 DM liegen, außer Betracht. Die Schäden der deutschen Seeleute an ihrer Habe fallen in aller Regel weder unter den Begriff des Hausratsschadens noch unter die vorstehend zu 2. genannten Fälle. Ausgleichsleistungen können für sie ebensowenig gewährt werden wie für viele gleichgelagerte Kriegssachschäden im Inland. Nach dem Entwurf des Kriegsfolgenschlußgesetzes bleibt die Regelung des Lastenausgleichsgesetzes unberührt. Jede andere Lösung würde zwangsläufig zu der Wiederaufrollung des gesamten Problems der Kriegssachschäden im Lastenausgleich führen.
Soweit es sich bei Verlusten deutscher Seeleute nicht um Kriegssachschäden, sondern um Reparationsschäden handelt, soll die Entschädigungsregelung nach § 5 des Entwurfs des Kriegsfolgenschlußgesetzes dem künftigen Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Der Entwurf sieht jedoch die Möglichkeit vor, Reparationsgeschädigten unter bestimmten Voraussetzungen Härtebeihilfen zu gewähren. Von dieser Möglichkeit könnte bei Vorliegen der Voraussetzungen selbstverständlich auch in bezug auf Verluste, die deutsche Seeleute durch Enteignungsmaßnahmen im Ausland erlitten haben, Gebrauch gemacht werden.

Albert Walter (DP):
Rede ID: ID0211104600
Eine Zusatzfrage: Ist die Regierung der Auffassung, daß die Instrumente und die Fachbücher eines Nautikers und eines Schiffsingenieurs weniger wertvoll sind als Tisch oder Stuhl des Hausrats, für dessen Verlust Entschädigung gewährt wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211104700
Herr Bundesminister!

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211104800
Ich habe in meiner Beantwortung schon darauf hingewiesen, daß die grundsätzliche Regelung dazu zwingt,


(Bundesfinanzminister Schaffer)

diese Schäden genauso zu behandeln, wie im Lastenausgleichsgesetz alle Inlandsschäden behandelt werden. Damit ist kein Urteil über die Wertschätzung, die man irgendeinem Stande entgegenbringt, ausgesprochen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211104900
Eine letzte Zusatzfrage!

Albert Walter (DP):
Rede ID: ID0211105000
Besteht noch Hoffnung, daß den Seeleuten durch neue Entschädigungsverordnungen das Odium als Staatsbürger minderen Rechts genommen wird?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211105100
Ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber nach § 5 des Kriegsfolgenschlußgesetzes die Frage künftig noch regeln kann. Ich möchte aber ausdrücklich erklären, daß durch diese Behandlung keine geringere Wertschätzung der Seeleute zum Ausdruck gebracht ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211105200
Frage 8! Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0211105300

Hält es die Bundesregierung für zulässig, daß ein Registrierbogen der amerikanischen Luftwaffe, der von deutschen Zivilangestellten auszufüllen ist, die folgenden Spalten enthält? „Führen Sie alle politischen Parteien oder Vereinigungen an, in denen Sie früher oder jetzt Mitglied waren oder sind. Führen Sie alle Strafen an, zu denen Sie jemals (seit Geburt) gerichtlich verurteilt wurden (auch wenn sie in der Zwischenzeit verjährt, verbüßt, amnestiert sind oder wenn Sie Berufung eingelegt haben), mit Angabe des Datums, des Ortes und der Art der Verurteilung. Unvollständige, falsche oder unwahre Angaben bewirken Ihre Entlassung."

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211105400
Der Herr Bundesminister der Finanzen!

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211105500
Herr Abgeordneter, ein Registrierbogen der amerikanischen Luftwaffe in der Fassung, wie Sie sie vorgetragen haben, ist dem Bundesfinanzministerium nicht bekannt. Das Bundesfinanzministerium hat sich auf Grund der Anfrage fernmündlich mit dem Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Heidelberg ins Benehmen gesetzt. Dieses Hauptquartier hat bestätigt, daß jedem Bewerber um eine Anstellung bei den Streitkräften ein Fragebogen vorgelegt wird, in dem u. a. Angaben über Vorstrafen und Zugehörigkeit zu Parteien oder Vereinigungen zu machen sind. Der Inhalt des Fragebogens deckt sich jedoch in der Fassung nicht mit dem Wortlaut des in der Anfrage mitgeteilten Registrierbogens. Insbesondere lautet die Frage nach den Vorstrafen lediglich: „Sind Sie jemals von einem Zivilgericht, Militärgericht und/oder Gericht der Hohen Kommission verurteilt worden?"
Soweit in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit festgestellt werden konnte, werden die verlangten Angaben über die persönlichen Verhältnisse jedes einzelnen Arbeitnehmers ausschließlich mit dem militärischen Sicherheitsbedürfnis der Streitkräfte begründet. Durch eine zusätzliche Anordnung vom Juni 1954 hat das amerikanische Hauptquartier Vorsorge getroffen, daß ein Arbeitnehmer, der über Vorstrafen berechtigterweise keine Angaben macht, weil diese unter das Straftilgungsgesetz vom 9. April 1920 fallen oder aus anderen Gründen nicht bekanntgegeben zu werden brauchen, aus diesem Grunde nicht entlassen oder sonst benachteiligt werden darf.
Das Bundesministerium der Finanzen wird Veranlassung nehmen, im Benehmen mit den zuständigen amerikanischen Stellen die Zulässigkeit der im einzelnen verlangten Angaben, insbesondere in der von Ihnen mitgeteilten Fassung des Luftwaffen-Fragebogens sowie hinsichtlich der Zugehörigkeit zu den einzelnen Organisationen politischer oder nichtpolitischer Art, und ihre Vereinbarkeit mit den allgemeinen deutschen Rechtsgrundsätzen zu prüfen. Ich darf mir vorbehalten, Ihnen das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211105600
Eine Zusatzfrage?

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0211105700
Ist der Herr Bundesminister der Finanzen bereit, zur Darlegung, daß der von mir zitierte Fragebogen mit einem tatsächlich existierenden Fragebogen identisch ist, den amerikanischen Dienststellen folgendes Aktenzeichen dieses Registrierbogens, den ich selbst gesehen habe, mitzuteilen:
War Com
— ich vermute, Abkürzung für „War Commission" —
Form
— also wohl „Formblatt" -
13 (Rev) (15. 12. 54) Air Force USAFE, Wiesbaden, Ger 55 — 3650.?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211105800
Herr Abgeordneter, ich bin leider nicht in der Lage, dieses komplizierte Aktenzeichen in mein Gedächtnis aufzunehmen.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0211105900
Es kommt ja darauf an, daß es in den Akten ist.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211106000
Ich muß Sie infolgedessen bitten — ich bin sehr gern bereit, jede Unterlage bei der in Aussicht gestellten Prüfung im Benehmen mit den amerikanischen Streitkräften zu verwenden —, mir — und ich wäre Ihnen dankbar dafür — eine Abschrift des Registrierbogens und insbesondere eine Aufzeichnung dieses Aktenzeichens zukommen zu lassen. Ich werde das dann den amerikanischen Streitkräften übermitteln.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211106100
Also der Herr Bundesfinanzminister antwortet auf die Zusatzfrage mit Ja.

(Heiterkeit.)

Die übrigen Modalitäten können wir uns in Anbetracht dessen sparen, meine Damen und Herren, daß für die Fragestunden immer eine Menge Stoff vorliegt und wir gar keine Aussicht haben, damit fertig zu werden, wenn wir so weitermachen. Wir müssen uns deshalb hier auf echte Fragen beschränken. Ich darf bitten, das übrige im direkten Verkehr mit den Bundesministerien, die die Sache bearbeiten, zu erledigen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211106200
Eine letzte Zusatzfrage!


Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0211106300
Entspricht es nicht dem berechtigten Interesse eines Abgeordneten, daß die Richtigkeit des Inhalts seiner Frage hier durch die Angabe eines Aktenzeichens dokumentarisch und protokollarisch festgehalten wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211106400
Herr Abgeordneter, Ihre Frage richtet sich nicht an den Herrn Bundesfinanzminister, sondern an den Präsidenten. Ich entscheide wie folgt: daß die Fragestunde dazu da ist, daß echte Fragen behandelt werden. Im übrigen haben wir selbstverständlich gar nichts dagegen, sondern es ist im Interesse des Hauses, daß dabei Tatbestände verifiziert werden. Aber das ist nicht der eigentliche Sinn der Fragestunde. Der eigentliche Sinn der Fragestunde ist, auf konkrete Fragen möglichst konkrete Antworten zu bekommen. Das übrige bitte ich doch dann im direkten Verkehr mit den Bundesministerien jeweils festzustellen. Ich sage das lediglich, damit auch die anderen Fragesteller hier noch zu Wort kommen. Diese fallen nämlich dabei immer hintenrunter.
Das Wort zur Frage 9 hat der Abgeordnete Arnholz.

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211106500

Worauf führt die Bundesregierung es zurück, daß die Betrügereien und Lebensmittelfälschungen durch Beimischung von ausländischer Butter minderen Wertes zu „Deutscher Markenbutter", die als solche trotz der Verfälschung und Wertminderung ohne Preisabschlag verkauft wurde, überwiegend durch die Kriminalpolizei aufgedeckt wurden und nicht durch die besonderen, für die Überwachung des Buttermarktes zuständigen Stellen?
Welche Schritte hat die Bundesregierung getan oder gedenkt sie zu unternehmen, um ein einwandfreies Funktionieren der Überwachungsstellen herbeizuführen und die Verbraucher in Zukunft vor ähnlichen Betrügereien und Fälschungen von Molkereierzeugnissen zu schützen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211106600
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0211106700
Die Herstellung und das In-Verkehr-Bringen von Butter ist durch die Butterverordnung vom 2. Juni 1951 geregelt. Die der Frage des Herrn Abgeordneten Arnholz zugrunde liegenden Vorfälle sind auf Grund des § 4 der Butterverordnung strafbar. Die Überwachung der Vorschriften der Butterverordnung wie auch der anderen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen gehört zur Zuständigkeit der obersten Landesbehörden. Neben der allgemeinen Lebensmittelüberwachung werden auf Grund der Butterverordnung laufend Butterprüfungen mindestens einmal im Monat durchgeführt. Hierzu senden die Molkereien nach telegraphischem Abruf ihre Proben ein.
Da ich diese Art der Überprüfung nicht als ausreichend angesehen habe, lassen die Lander seit Jahren auf meine Empfehlung hin von ihren Überwachungsstellen an den Märkten und in den Geschäften Butter aufkaufen und prüfen, um zuverlässige Ergebnisse zu erreichen. Darüber hinaus können bei über 2000 Markenbuttermolkereien und mehr als 500 Butterumformstellen in der Bundesrepublik an Ort und Stelle in den Betrieben naturgemäß nur Stichproben durchgeführt werden.
Seit Erlaß der Butterverordnung und ihrer Überwachung durch die Länder ist als eindeutiger Erfolg zu verzeichnen, daß die deutsche Markenbutter allgemein mit der Butter der klassischen Butterproduktionsländer in Europa qualitätsmäßig auf einer Stufe liegt und wegen ihrer Güte am europäischen Buttermarkt besonders anerkannt wird. Die deutsche Markenbutter wird im Inland vom Verbraucher sogar gegenüber den ausländischen Markenbuttererzeugnissen stark bevorzugt.
Betrugsfälle haben es immer an sich, daß sie erst nach einem gewissen Zeitablauf aufgedeckt werden, besonders wenn es wie in diesem Fall noch keine ausreichenden technischen Möglichkeiten gibt, Mischungen der oben erwähnten Art zu erkennen. Es wird von dem Ergebnis der noch schwebenden Untersuchungen abhängen, ob von der Bundesregierung auf dem Wege der Gesetzgebung oder von den Ländern durch stärkere Überwachung Sicherungsmaßnahmen getroffen werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211106800
Zusatzfrage!

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211106900
Ist der Herr Minister nicht der Auffassung, daß nach den Erfahrungen der letzten Zeit das jetzige System weithin versagt hat, weil der Hersteller sich selbst prüft und in den Überwachungsstellen Unparteiische und Verbraucher viel zu wenig Einfluß haben? Ist der Herr Minister ferner nicht der Auffassung, daß bei diesem System die Einhaltung der Qualitätsnormen bisher nicht voll gesichert gewesen ist, so daß eine wesentlich zuverlässigere und gründlichere Überwachung notwendig ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211107000
Herr Bundesminister!

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0211107100
Ich darf Ihnen, Herr Kollege Arnholz, antworten, daß ich Ihre Auffassung nicht teile. Wir hätten jede Art der Verbesserung und Verschärfung der Kontrolle durchgeführt, wenn wir eine Möglichkeit dazu gesehen hätten.
Zweitens sind Sie im Irrtum, wenn Sie meinen, daß diese Art der Prüfungen eine Art Selbstprülung sei. Ich habe Ihnen soeben gesagt, daß neben der allgemeinen Lebensmittelüberwachung auf Grund der Butterverordnung Butterprüfungen mindestens einmal im Monat durchgeführt werden. Dazu senden die Molkereien nach telegraphischem Abruf Proben ein. Das ist eine Mitwirkung an der Überprüfung. Diese hat mir nicht genügt. Ich habe sie dadurch ergänzt, daß von den Lebensmittelüberwachungsstellen der Länder in den Geschäften, in den Vorratskellern usw. Proben durchgeführt werden, und zwar ganz ohne die Mitbeteiligung der Hersteller.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211107200
Letzte Zusatzfrage!

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211107300
Ist der Herr Minister nicht der Auffassung, daß mindestens ein Teil der Prüfungen Selbstprüfungen sind — ich verweise dabei auf Art. 7 der Anlage 1 zu § 15 der Butterverord-


(Arnholz)

nung —, und ist es nicht gerade auf Grund dessen, was wir in der letzten Zeit erlebt haben, notwendig, daß das System geändert wird zum Schutze der Verbraucher vor solchem Betrug und vor solchen Fälschungen und gleichzeitig auch zum Schutze des Ansehens der Hersteller, Molkereien und des einschlägigen Handels? Denn es sind doch allein in Niedersachsen von 106 geprüften Molkereien und Großhandelsbetrieben 69 festgestellt worden, die sich Verstöße haben zuschulden kommen lassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211107400
Herr Bundesminister!

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0211107500
Herr Kollege Arnholz, ich darf Ihnen sagen — und Sie dürfen das als sicher annehmen —, daß jeder Weg beschritten wird, der eine Verschärfung und eine zuverlässige Gestaltung der Kontrolle ermöglichen wird; denn derartige Fälle sind der Regierung mindestens ebenso unangenehm, wenn nicht noch viel unangenehmer als denen, die direkt als Verbraucher davon betroffen werden; sie wird ja in zweifacher Hinsicht dadurch betroffen. Ich darf Ihnen sagen, daß wir die schwebenden Untersuchungen abwarten und während dieser Zeit schon in eine Überprüfung der Bestimmungen eintreten, um festzustellen, wo Möglichkeiten gegeben sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211107600
Frage 10! Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211107700

Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Lokalen Tiere (z. B. Affen, Goldhamster, Meerschweinchen oder Vögel) ausgestellt werden, und hält sie diese Art von Werbung, gegen die sich der bekannte Direktor des Frankfurter Zoologischen Gartens Dr. Grzimek, der Frankfurter Polizeipräsident Dr. Littmann u. a. teilweise scharf ausgesprochen haben, für tragbar mit Rücksicht darauf, daß dadurch die Tiere stellenweise in für sie schädlicher Umgebung, wie es vor einiger Zeit in der Bildzeitung dargestellt wurde, gehalten werden?
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß alsbald alle Voraussetzungen dafür geschaffen werden, diese Art von Tierquälerei zu verhindern, und welche Schritte werden gegebenenfalls unternommen werden?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211107800
Herr Bundesminister des Innern!

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0211107900
Ich darf Herrn Kollegen Arnholz folgendes antworten. Nach § 2 des Tierschutzgesetzes vom 24. November 1933 und 23. Mai 1938 ist es verboten, ein Tier zu Abrichtungen, Filmaufnahmen, Schaustellungen oder ähnlichen Veranstaltungen zu verwenden, soweit diese mit erheblichen Schmerzen oder Gesundheitsschädigungen für das Tier verbunden sind. Das Tierschutzgesetz bietet daher die Handhabe, die von Ihnen, Herr Kollege, geschilderten Mißstände, die in der Regel echte Gesetzesverstöße darstellen dürften, zu beseitigen. Das Gesetz gilt allerdings nach dem Grundgesetz nicht als Bundes-, sondern als Landesrecht weiter. Die Maßnahmen zu seiner Durchführung obliegen daher ausschließlich den zuständigen Landesbehörden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211108000
Zusatzfrage!

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211108100
Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß der Polizeipräsident von Frankfurt und auch andere Juristen der Auffassung sind, daß das Tierschutzgesetz in seiner gegenwärtigen Form nicht ausreicht, um in den Fällen, die ich hier im Auge habe, gegen diese Tierquälerei einzuschreiten? Ist der Herr Bundesminister bereit, die Landesregierungen hierauf und auch darauf hinzuweisen, daß sie in Fällen, in denen Tierquälerei dieser Art vorliegt, wenigstens dafür sorgen, daß eingeschritten wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211108200
Herr Bundesminister!

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0211108300
Herr Kollege, ich glaube, daß sich Ihre Zusatzfrage aus dem beantwortet, was ich gesagt habe. Wenn die einschlägigen Bestimmungen des Landesrechts weitergelten, so sind sie als Landesrecht selbstverständlich auch änderbar und auf die Bedürfnisse zuzuschneiden, für die sie nach Auffassung der Landesstellen derzeit offenbar nicht ausreichen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211108400
Letzte Zusatzfrage.

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211108500
Meine Frage, Herr Bundesminister, ging dahin, ob Sie bereit seien, sich auch Ihrerseits für eine vernünftige Durchführung oder aber Ergänzung des Gesetzes bei den Landesstellen einzusetzen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211108600
Herr Bundesminister!

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0211108700
Herr Kollege, wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie selber vorgetragen, daß Landesstellen — und der Polizeipräsident von Frankfurt am Main ist ein Organ innerhalb des Landes Hessen — der Meinung sind, daß das derzeitige Recht nicht ausreicht. Ich glaube, daß die entsprechende Initiative deshalb zunächst einmal bei dem Landtag von Hessen zu ergreifen wäre.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211108800
Frage 11. Herr Abgeordneter Arnholz!

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211108900

Treffen die Pressenachrichten zu, die besagen, daß kürzlich ein britisches Flugzeug im Anflug von See her den Strand von Wenningstedt auf Sylt beschossen hat und daß 12 Geschosse etwa 100 m neben einer Gruppe von Hamburger Oberschülern einschlugen?
Hat die Bundesregierung — falls die Nachrichten sich als zutreffend erwiesen haben — nachhaltige Bestrafung der unerhörten Fahrlässigkeit verlangt und gefordert, daß solche „Übungen" über deutschem Hoheitsgebiet unterbleiben?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211109000
Der Herr Bundesverteidigungsminister!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211109100
Herr Abgeordneter, da die Beantwortung Ihrer Anfrage in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 19. Oktober dieses Jahres in Berlin wegen des Zeitablaufs nicht möglich war, habe ich Ihnen am 27. Oktober dieses Jahres eine schriftliche Antwort


(Bundesverteidigungsminister Blank)

zugehen lassen. Darin brachte ich zum Ausdruck, daß sich das Bundesverteidigungsministerium auf Grund der Pressemeldungen über den Vorfall bei Wenningstedt von sich aus sofort mit der Landesregierung Schleswig-Holstein in Verbindung gesetzt habe. Die Landesregierung bestätigte, daß am 22. September 1955 gegen 15 Uhr 55 von einem Düsenjägerflugzeug in geringer Höhe mehrere Feuerstöße abgegeben wurden, die in der Nähe einer Gruppe von etwa 50 badenden Kindern einschlugen. Die Landesregierung Schleswig-Holstein hatte sofort bei den britischen Dienststellen schärfstens protestiert und eine Untersuchung des Vorfalls verlangt. In gleicher Weise hatte ich vom Verbindungsstab der britischen Streitkräfte in Bonn Aufklärung verlangt. Ich habe sehr nachhaltig darauf hingewiesen, daß hier Bestrafung erfolgen müsse.
Nunmehr hat mir der Verbindungsstab der britischen Streitkräfte in Bonn mitgeteilt, die Angelegenheit sei gründlich untersucht worden. Es habe sich ergeben, daß an dem Zwischenfall kein in Deutschland stationiertes britisches Flugzeug und kein Flugzeug von einem Flugplatz unter Kontrolle der Zweiten Taktischen Luftflotte beteiligt gewesen sei.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich habe mich nunmehr über das Auswärtige Amt an die dänische und niederländische Botschaft mit der Bitte gewandt, eine entsprechende Untersuchung bei ihren nationalen Luftstreitkräften vorzunehmen. Ich werde darüber hinaus alle Möglichkeiten ausschöpfen, die zur Klärung dieses Zwischenfalls geeignet erscheinen. Sobald die Frage geklärt ist, werde ich mit aller Energie darauf drängen, daß eine Bestrafung erfolgt und eine Wiederholung solcher Vorfälle unmöglich gemacht wird. Das gegenwärtige Untersuchungsergebnis erlaubt allerdings noch keine Aussage darüber, wer der Schuldige ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211109200
Zusatzfrage?

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211109300
Ist nicht durch Untersuchung deutscher Stellen festgestellt worden, welcher Art und Herkunft das Flugzeug war? In den Mitteilungen ist doch gesagt worden, daß es sich um ein britisches Flugzeug gehandelt habe; liegen ihnen nicht Untersuchungen deutscher amtlicher Stellen zugrunde?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211109400
Der Herr Bundesverteidigungsminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211109500
Es liegen Untersuchungen deutscher amtlicher Stellen zugrunde, die aber eben keine Aussage darüber zulassen, um welches Flugzeug es sich gehandelt hat. Herr Kollege, Sie müssen davon ausgehen, daß es sich um ein sehr schnell fliegendes Düsenflugzeug handelt, das dort plötzlich auftauchte, Feuerstöße abgab und verschwand, so daß es deutschen Behörden, die lediglich die Augenzeugenberichte entgegennehmen können, schlechterdings unmöglich ist, festzustellen, um was für ein Flugzeug es sich handelt. .
Ich stehe aber auf dem Standpunkt, daß es Aufgabe des Führers der britischen Zweiten Taktischen Luftflotte ist, der ja die Kommandogewalt über die Luftstreitkräfte in diesem seinem Abschnitt hat, zu ermitteln, welcher Art Flugzeuge in dem Bereich, der seiner Kommandogewalt untersteht, auftauchen können, ohne daß man hinterher feststellen kann, wer es gewesen ist. Ich werde darauf drängen, daß letzte Klarheit geschaffen wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211109600
Eine letzte Zusatzfrage!

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0211109700
Ist versucht worden, Geschosse sicherzustellen, aus denen dann ja festzustellen wäre, welcher Herkunft sie sind, und ist der Herr Minister bereit, den Standpunkt, den er soeben hier vertreten hat, mit allem Nachdruck auch gegenüber den englischen Dienststellen zu vertreten, daß nämlich der Kommandeur des betreffenden Abschnitts für das verantwortlich ist, was in diesem Abschnitt geschieht?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211109800
Herr Bundesverteidigungsminister!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211109900
Ich kann im Augenblick die Frage, ob Geschosse sichergestellt sind, nicht beantworten. Die weitere Zusatzfrage habe ich mit meinen vorhergehenden Ausführungen, glaube ich, bereits voll beantwortet.

(Sehr richtig! in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211110000
Frage 12. Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0211110100

Entspricht es den Tatsachen, daß der Herr Bundesfinanzminister in einer Stellungnahme zu den Grundgedanken des Herrn Bundesarbeitsministers über die Reform der sozialen Leistungen die Auffassung vertreten hat, in dieser Legislaturperiode solle lediglich ein soziales Grundgesetz ohne unmittelbare Rechtswirksamkeit ausgearbeitet werden, das — wie der Herr Bundesfinanzminister wörtlich ausgeführt haben soll — „seine politische Wirkung im Wahlkampf nicht verfehlen dürfte"?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211110200
Herr Bundesminister der Finanzen!

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211110300
Herr Abgeordneter, es entspricht den Tatsachen, daß in einem Schreiben meines Hauses vom 13. Mai 1955 diese Redewendung enthalten ist. Damit ich einer etwaigen Zusatzfrage gleich die Antwort vorausgebe, stelle ich folgendes fest: Ich bin heute noch der Überzeugung, daß es richtig ist, sich zuerst über die Grundsätze eines Gesetzgebungswerkes klarzuwerden, bevor man an den Ausbau der Einzelheiten des Gesetzgebungswerkes geht.
Zweitens. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, daß die Bundesregierung wie jede Regierung die Verpflichtung hat, ihren Wählern gegenüberzutreten und ihren Wählern gegenüber ihre Arbeit zu verteidigen. Ich hoffe, daß die Bundesregierung wie jede andere Regierung die beste Lösung dieser Aufgabe darin sieht, vor den Wähler mit positiven Leistungen hinzutreten.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Lachen bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211110400
Eine Zusatzfrage?

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0211110500
Wie lassen sich die wahltaktischen Erwägungen, die Sie in Ihren Ausführungen über ein soziales Grundgesetz angestellt haben, mit der Regierungserklärung vereinbaren,


(Dr. Schellenberg)

die für diese Legislaturperiode eine umfassende Sozialreform für die Alten, Arbeitsunfähigen, Witwen und Waisen zugesagt hat?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0211110600
Es läßt sich damit vereinbaren, daß ich den Standpunkt vertrete: Zunächst einmal muß ich das ganze Gesetzgebungswerk durchdenken und die Grundsätze dafür schaffen.

(Zurufe von der SPD.)

Gelingt es noch in dieser Session, auch alle Einzelheiten zu klären, werde ich der glücklichste aller Menschen sein.

(Abg. Mellies: Sechs Jahre haben Sie Zeit gehabt! — Abg. Hansen [Köln] : „Gebt mir noch sechs Jahre Zeit!" — Abg. Dr. Schellenberg: Herr Minister, Ihre Antwort genügt für heute!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211110700
Herr Kollege Schellenberg, das geht nicht. Bemerkungen werden in der Fragestunde nicht gemacht. Das kann ich nicht zulassen.

(Zurufe von der SPD: Das war ein Zwischenruf!)

— Zwischenrufe dürfen Sie machen, meine Damen und Herren; dafür sind wir im Parlament.
Jetzt hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg zu Frage 13.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0211110800

Wie sind die Erklärungen des Herrn Staatssekretärs des Bundesarbeitsministeriums bei der Haushaltsdebatte am 15. Juni 1955, daß in diesem Jahre die Beratungen des Beirats für die Sozialreform zu Ende geführt werden sollen, gleichzeitig die Gesetzentwürfe für die Sozialreform fertiggestellt werden und bereits nach den Ferien einzelne dieser Gesetzentwürfe unter Vorlage, eines Gesamtplanes dem Parlament zugehen sollen, mit der Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers zu vereinbaren, daß noch keine Übereinstimmung über die Grundsätze der Sozialreform besteht und daß es deshalb verfrüht ist, schon jetzt mit der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen zur Sozialreform zu beginnen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211110900
Der Herr Bundesminister für Arbeit!

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0211111000
Die interne Stellungnahme des Herrn Finanzministers, die er soeben vorgetragen hat, stammt aus der ersten Hälfte des Monats Mai 1955. Herr Staatssekretär Dr. Sauerborn hat Mitte Juni vor diesem Hohen Hause seine Ausführungen gemacht. In der dazwischenliegenden Zeit sind selbstverständlich zwischen den Bundesministerien die vorliegenden Fragen weiter erörtert worden, und es sind auch gewisse Annäherungen in den Auffassungen zustande gekommen. Es ist selbstverständlich unmöglich, daß, wenn das eine oder andere Ministerium zu irgendwelchen Fragen Stellung nimmt, diese Stellungnahme dann — ich weiß nicht, wie sie in die Öffentlichkeit und in die Hände des anfragenden Abgeordneten gekommen sind — hier zum Gegenstand einer Diskussion gemacht werden.

(Abg. Dr. Menzel: Bei der Haushaltsdebatte!)

— Nein, die Ausführungen, die der Herr Bundesfinanzminister zu der Stellungnahme des Arbeitsministeriums gemacht hat!

(Abg. Mellies: Das ist wenigstens ein echtes Dokument und kein gefälschtes, wie es von der CDU im Wahlkampf verwendet wurde!)

Das ist gar nicht hier im Hause verhandelt worden.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0211111100
Ich habe eine Zusatzfrage!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211111200
Eine Zusatzfrage!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0211111300
Um auf das Konkrete und das sozialpolitisch Wichtigste zu kommen: Welche Gesetzentwürfe über Rentenleistungen und zur Verstärkung der vorbeugenden Gesundheitspflege — um nur zwei wichtige Probleme der Sozialreform zu nennen — sind in Ihrem Ministerium vorbereitet, und wann werden diese Gesetzentwürfe dem Hohen Hause vorgelegt werden?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211111400
Der Herr Bundesarbeitsminister!

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0211111500
Ich möchte, wie vorhin mein Kollege Blank, die Frage aufwerfen, ob es sich hierbei nicht um eine ganz andere als die in Ziffer 13 enthaltene Frage handelt.

(Widerspruch bei der SPD.)

Ich will Ihnen aber gern sagen, Herr Professor, daß in meinem Hause vor allen Dingen an einem Gesetzentwurf über die Neuordnung der sozialen Leistungen in der Rentenversicherung gearbeitet wird, nebenher natürlich auch auf den verschiedensten anderen Gebieten. Den Stand dieser Dinge kennen Sie ja auch weitgehend aus dem, was der Beirat in meinem Ministerium über seine Grunderkenntnisse veröffentlicht hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211111600
Eine weitere Zusatzfrage?

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0211111700
Herr Minister, ich bat um die Beantwortung der Frage, wann Sie diese Gesetzentwürfe vorlegen werden,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und . ich darf Sie daran erinnern, daß Sie noch im März im Hessischen Rundfunk erklärt haben, diese Gesetzentwürfe würden noch in diesem Jahre dem Hause vorgelegt werden. Ich frage Sie deshalb: Werden Sie diese Frist einhalten?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211111800
Der Herr Bundesarbeitsminister!

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0211111900
Diese Frage will ich Ihnen wie folgt beantworten: Auf Grund der Entwicklung und auf Grund all der Schwierigkeiten, die sich bei diesen Fragen noch ergeben haben, kann die Einhaltung eines Zeitpunktes für dieses Jahr nicht zugesagt werden.

(Aha- und Hört! Hört!-Rufe von der SPD.)

Welche Zwischenfälle und welche besonderen Erörterungen zu dieser Verzögerung geführt haben, wissen Sie doch, Herr Professor!

(Abg. Pelster: Er ist doch mit dabei! — Abg. Dr. Menzel: Wieder ein nicht eingehaltenes Versprechen!)



Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211112000
Frage 14! Das Wort hat der Abgeordnete Meyer (Wanne-Eickel).
Meyer (Wanne-Eickel) (SPD):
Sind im Bundesarbeitsministerium Vorbereitungen getroffen worden, analog dem RentenMehrbetrags-Gesetz auch die Unfallrenten dem Preisgefüge anzupassen und zu erhöhen?
Ist bekannt, daß die Betroffenen mit Recht die Unfallversicherungsgesetzgebung als Stiefkind der Sozialgesetzgebung bezeichnen?

(Abg. Pelster: Das kann man nicht sagen!)

Wird die Unfallversicherung in die geplante Sozialreform miteinbezogen, und werden dabei klare Bestimmungen geschaffen, durch die u. a. die Bestimmungen der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 in bezug auf die Unfallrenten unter 20 v. H. aufgehoben werden und § 559 RVO einheitlich angewandt wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211112100
Der Bundesminister für Arbeit!

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0211112200
Die Frage nach einer analogen Anwendung des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes auf die Unfallrenten beruht offensichtlich auf einer Verkennung der wesentlichen Unterschiede zwischen den Versicherungszweigen der Rentenversicherung und der Unfallversicherung. Die Rentenleistungen beruhen auf ganz unterschiedlichen Tatbeständen. Das Renten-Mehrbetrags-Gesetz brachte eine bessere Bewertung von vor Jahrzehnten entrichteten Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen. Die Höhe der Unfallrente bemißt sich nach dem letzten Jahresarbeitsverdienst des Versicherten vor dem Unfall, während die Höhe der Rente aus der Rentenversicherung von a 11 e n Arbeitsentgelten abhängig ist, die der Versicherte im Laufe seines gesamten Arbeitslebens erdient hat. Deshalb ist die Höhe der laufenden Renten aus der Unfallversicherung gegenüber dem Ansteigen der Nominallöhne in den letzten Jahrzehnten in geringerem Maße zurückgeblieben als die Höhe der laufenden Renten aus der Rentenversicherung. Gleichwohl sind die laufenden Renten aus der Unfallversicherung bereits im Jahre 1949 durch das Unfallversicherungs-Verbesserungsgesetz und das Unfallrenten-Zulagengesetz aus dem Jahre 1952 durch die Angleichung der der Rentenberechnung zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienste angehoben worden. Eine Überprüfung der Höhe der Unfallrenten kann bei systematischer Durchführung der Reformarbeit nach Lösung der vorliegenden Probleme der Altersversorgung selbstverständlich erfolgen.
Die zweite Frage ist eigentlich nur mit der Feststellung zu beantworten, daß es im deutschen Arbeitsleben kaum Menschen gibt, die gerade die Unfallversicherung als das Stiefkind der Sozialversicherung bezeichnen. Im Gegenteil, die Unfallversicherung wird als der beste Zweig unserer Sozialversicherung angesehen.

(Abg. Pelster: Sehr richtig!)

Alle diese Dinge schließen natürlich nicht aus — damit komme ich zu dem letzten Teil der Anfrage —, daß auch auf diesem Gebiet eine Reihe von Einzelheiten geprüft werden. Hierzu gehört z. B. die Bereinigung von Unterschieden, die auf der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 beruhen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211112300
Eine Zusatzfrage?
Meyer (Wanne-Eickel) (SPD): Eine Zusatzfrage! Darf ich die Antwort des Herrn Ministers so verstehen, daß er der Überzeugung ist, daß die beiden von ihm angezogenen Gesetze — das Gesetz vom 25. August 1949 und das letzte Unfallrenten-Zulagengesetz vom 29. April 1952 — ausreichen, um die auf der Grundlage früherer Jahresarbeitsverdienste festgesetzten Unfallrenten aufzubessern, und daß eine weitere Erhöhung der so lange zurückliegenden Unfallrenten nicht mehr notwendig ist?

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0211112400
Das habe ich absolut nicht gesagt, und das ist auch gar nicht meine Meinung, sondern ich bin für eine jeweilige Anpassung der Leistung an die gesetzlichen Vorschriften. Hier hat man aber die Frage zu prüfen, ob es im Augenblick vordringlicher ist, die der Rentenberechnung in der Unfallversicherung zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienste zu überprüfen und zu erhöhen, oder ob es nicht vordringlicher ist, zunächst einmal die so furchtbar weit zurückgebliebenen Renten der Altrentner aus der Invalidenversicherung auch nur einigermaßen den übrigen Rentenleistungen anzupassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211112500
Letzte Zusatzfrage!
Meyer (Wanne-Eickel) (SPD): Ist der Herr Minister nicht der Auffassung, daß das ein Ausweichen gegenüber meiner Frage bedeutet?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211112600
Herr Abgeordneter, das ist keine Frage. Die Frage ist beendet.
Ich rufe auf Frage 15.

(Abg. Dr. Lütkens: Zur Geschäftsordnung!)

— Das Wort zur Geschäftsordnung erteilt der Präsident nach freiem Ermessen. Ich erteile es jetzt nicht.
Zur Frage 15 hat das Wort der Abgeordnete Dr. Leiske.

Dr. Walter Leiske (CDU):
Rede ID: ID0211112700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Bundesregierung:
Ist die Bundesregierung bereit, ohne Verzug zur Minderung der Unfallgefahr und zur Verbesserung des Verkehrsflusses auf den Bundesautobahnen — namentlich auf bergigen und verkehrsreichen Abschnitten wie z. B. zwischen Ulm und Karlsruhe und zwischen Frankfurt und Bonn — Überholverbote für Lastzüge an besonderen Steigungen und Gefällen zu erlassen, wie das neuerdings von der Arbeitsgemeinschaft Güterfernverkehr im Bundes-
- gebiet eV, Frankfurt (Main), aus eigener Mitverantwortung vorgeschlagen wird?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, auf die beteiligten Landespolizeibehörden einzuwirken, um eine durchgreifende Überwachung solcher künftigen Überholverbote sicherzustellen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211112800
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.


Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0211112900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Antwort auf eine der Fragen in der letzten Fragestunde, die ich schriftlich beantwortet habe, wies ich darauf hin, daß es durch § 10 der Straßenverkehrsordnung ausdrücklich verboten ist, daß Lastkraftwagen und Lastzüge einander überholen, wenn die Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges nicht wesentlich höher ist als die des zu überholenden Fahrzeuges. Der Verkehr wird sonst durch den Überholungsvorgang unangemessen behindert. Diese Vorschrift hat bei Steigungen eine besondere Bedeutung, weil- hier — insbesondere durch die häufig zu beobachtenden Überladungen — die Geschwindigkeit der Fahrzeuge besonders herabgedrückt ist und weil hier ein aus mangelhafter Verkehrsdisziplin herrührender Verstoß gegen § 10 der Straßenverkehrsordnung sich auf den Verkehrsfluß ganz besonders nachteilig auswirkt. Das Problem kann nach meiner Ansicht nicht allein durch ein generelles Überholverbot geregelt werden, wie vielfach vorgeschlagen wird. Grundsätzlich können ja die zuständigen Landesverkehrsbehörden jedenorts ein Überholverbot aussprechen, das nur für Lastkraftwagen gilt. Die Bundesregierung hält es aber zusätzlich für erforderlich, eine Motorleistung von mindestens 6 PS für jede Tonne des zulässigen Gesamtgewichts vorzuschreiben und ferner die Achslasten, das Gesamtgewicht und die Abmessungen der Fahrzeuge erheblich zu verringern, um dadurch zu erreichen, daß Lastzüge auch bei Steigungen eine größere Geschwindigkeit entwickeln und die etwa notwendigen Überholvorgänge zeitlich abkürzen können.
Es ist bedauerlich, daß nicht nur die örtlichen, sondern auch die allgemeinen — nämlich durch § 10 der Straßenverkehrsordnung festgelegten — Überholverbote vielfach übertreten werden, weil es an der Verkehrsdisziplin und an der notwendigen polizeilichen Überwachung mangelt. Ebenso wie der Herr Bundesminister des Innern bin ich unentwegt bemüht, bei den Ländern eine intensive polizeiliche Kontrolle des Straßenverkehrs zu erwirken. Die Länder verweisen aber immer wieder darauf, daß ihnen ihre Finanzkraft die entsprechende Ausweitung des Überwachungsapparates nicht gestatte. Eine Bundesverkehrspolizei einzurichten, ist — auch, wenn man ihre Wirkung ausschließlich auf die Autobahnen und die Hauptdurchgangsstraßen beschränken würde — bekanntlich nach den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht zulässig.

Dr. Walter Leiske (CDU):
Rede ID: ID0211113000
Ich danke dem Herrn Minister.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211113100
Meine Damen und Herren! Ich muß zu meinem Bedauern die Fragestunde abbrechen. Die nicht beantworteten Fragen 16 bis 28 werden schriftlich beantwortet werden. Ich darf anheimgeben, sie unter Umständen neu zu stellen.
Damit kommen wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung. Punkt 2 ist abgesetzt. Ich rufe auf Punkt 3:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Verstöße gegen das Personenstandsgesetz (Drucksache 1712).
Zur Begründung der Großen Anfrage hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt das Wort.
Dr. Arndt (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anfang dieses Jahres haben die Fraktionen der Freien Demokratischen Partei und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in den Kleinen Anfragen 151 und 156 die Bundesregierung auf den Fall des katholischen Pfarrers Neun aus Tann in Niederbayern hingewiesen und die Bundesregierung gefragt, was sie zu tun gedenke, um zu sichern, daß die Vorschriften des Personenstandsgesetzes über die obligatorische Zivilehe beachtet werden. Die Bundesregierung hat diese Kleinen Anfragen am 24. Februar 1955 mit der Drucksache 1227 beantwortet. Sie hat am Schluß ihrer Stellungnahme insbesondere erklärt:
Die Bundesregierung
— so schreibt Herr Bundesminister des Innern Dr. Schröder —
wird durch die Deutsche Botschaft am Vatikan beim Heiligen Stuhl entsprechende Vorstellungen erheben.
Im übrigen liegen keine Anzeichen dafür vor, daß die anderen Ordinariate der Katholischen Kirche die sogenannten „Onkel-Ehen" abweichend von ihrer bisherigen Haltung als Fälle „sittlichen Notstandes" behandeln wollten.
Weitere Fälle gleicher Art sind nicht bekanntgeworden. Für die Bundesregierung bestand bei dieser Sachlage kein Anlaß, von sich aus zu diesem Einzelfall in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.
Die Annahme der Bundesregierung, daß es sich bloß um einen Einzelfall handle, erwies sich inzwischen als irrig. Die Tat des Pfarrers Neun aus Tann, der kirchlicherseits bisher nicht gemaßregelt, sondern befördert wurde,

(Abg. Dr. Menzel: Hört! Hört!)

ist leider keineswegs nur ein Einzelfall. Außer dem Pfarrer Neun, der mit Billigung des Generalvikars Dr. Riemer vom Bischöflichen Ordinariat Passau eine Trauung in Altötting vor der standesamtlichen Eheschließung durchführte, haben in entsprechender Weise Einsegnungen vorgenommen der katholische Pfarrer Alois Antholzer am 22. April 1954 in Kirchseeon, der Pfarrer Alois Huber mit, wie er behauptet, Billigung des Generalvikars Fuchs vom Erzbischöflichen Ordinariat München-Freising im Sommer 1954 in Oberpframmern, der Pfarrer Franz Wagenhäuser am 2. Februar 1952 in Frankfurt am Main, der katholische Studienrat Dr. Eduard Sattler aus Regensburg am 22. Mai 1954 in Falkenstein, der Geistliche Rat Josef Heigl am 30. August 1953 sowie am 9. Juni 1954 und am 13. September 1955 in Falkenstein, also in drei Fällen in drei verschiedenen Jahren.
Sechs verschiedene Geistliche in Bayern und in Hessen haben in acht verschiedenen Fällen gegen das Personenstandsgesetz verstoßen. Bedauerlicherweise läßt sich die Besorgnis nicht mehr von der Hand weisen, daß sich noch mehr derartige Vorkommnisse ereignet haben. Auch handelt es sich nicht allein um sogenannte „Onkel-Ehen".In einem Falle ist die Einsegnung vorgenommen worden, weil die Beteiligten behaupteten, am nächsten Tage nach den Vereinigten Staaten von Amerika fliegen zu müssen. In einem anderen Falle ist ein Minderjähriger gegen den Willen der Eltern und wahrscheinlich entgegen der Entscheidung der. staatlichen Behörden getraut worden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)



(Dr. Arndt)

Alle diese Fälle sind in auffallender Weise durch gleichartige Merkmale gekennzeichnet. Erstens sind die Einsegnungen zumeist in der Heimlichkeit an Orten und in Kirchen vorgenommen worden, wo keine Zuständigkeit für die Eheschließung bestand.

(Abg. Dr. Menzel: Das schlechte Gewissen!)

Zweitens ist jedesmal eine Mitteilung an das Standesamt unterblieben. Drittens haben Staat und Öffentlichkeit deshalb jeweils erst nach längerer Zeit und nur durch Zufall von diesen Vorkommnissen etwas erfahren.
Die Bundesregierung hat auf die von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion inzwischen eingebrachte Kleine Anfrage 183 nach dem Inhalt und dem Ergebnis der beim Heiligen Stuhl erhobenen Vorstellungen am 11. Juli 1955 mit der Drucksache 1607 geantwortet.
Die Bundesregierung
— schreibt Herr Bundesaußenminister Dr. von Brentano —
hat durch die Botschaft beim Heiligen Stuhl das Päpstliche Staatssekretariat von ihrer Auffassung unterrichtet, daß Artikel 26 des Reichskonkordats im Falle Tann keine Anwendung finde und daß in derartigen Fällen eine Berufung auf die Bestimmungen des Reichskonkordats nicht angängig sei. Der sich an diese Vorstellungen anschließende Gedankenaustausch mit dem Päpstlichen Staatssekretariat ist noch nicht abgeschlossen.
Seither sind vier Monate verstrichen, ohne daß ein Ergebnis bekanntgeworden wäre, obgleich die Sachlage und die Rechtslage denkbar einfach sind; denn, meine Damen und Herren, es, handelt sich doch schlicht um die Frage, ob in Deutschland die deutschen Gesetze für alle gelten oder ob der Klerus exempt ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Diese beunruhigende Verzögerung soll darauf zurückzuführen sein, daß die Kurie nicht nur zum Einzelfall des Pfarrers Neun aus Tann, sondern auch zu dem umfassenderen Problem der obligatorischen Zivilehe in Deutschland Stellung genommen und sich zum deutschen Personenstandsrecht kritisch geäußert habe. Nach einer aus München datierten Meldung der Deutschen Presse-Agentur vom 26. Oktober soll das strafgerichtliche Verfahren gegen Pfarrer Neun deshalb stocken, weil das Auswärtige Amt das Verlangen der Strafkammer des Landgerichts Passau, die Note des Päpstlichen Staatssekretariats bekanntzugeben, mit der Begründung abgelehnt habe, daß es nicht statthaft sei, amtliche Schriftstücke vorzulegen, wenn ihre Veröffentlichung dem Wohl des Bundes schaden würde.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

In der Tat hat das Auswärtige Amt am 13. Juli 1955 folgendes Schreiben an das Landgericht Passau gerichtet:
Das Auswärtige Amt bedauert, gemäß § 96 der Strafprozeßordnung dem dortigen Ersuchen um Überlassung einer Antwortnote des Päpstlichen Staatssekretariats nicht entsprechen zu können.
Nun, es wird von besonderem Interesse sein, vom Auswärtigen Amt zu erfahren, inwiefern die Bekanntgabe einer Note des Päpstlichen Staatssekretariats dem Wohl der Bundesrepublik Deutschland abträglich sein könnte.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, durch eine Große Anfrage von der Bundesregierung Aufklärung über sämtliche bisher entdeckten Verstöße gegen das Personenstandsgesetz zu begehren und grundsätzlich von der Bundesregierung zu hören, welche Schritte sie beim Heiligen Stuhl unternahm und erforderlichenfalls noch unternehmen wird, um sicherzustellen, daß weitere Verstöße gegen das seit 1875 in Deutschland geltende Personenstandsrecht unterbleiben.
Diese Fragen sind unabhängig von dem Streit, ob das Reichskonkordat von 1933 je wirksam wurde und noch gilt; denn jenes Reichskonkordat könnte hier aus mehrfachen Gründen nicht in Betracht kommen. Erstens hätten die Geistlichen, falls sie sich auf das Reichskonkordat hätten berufen wollen, gerade nach dem Konkordat die Pflicht gehabt, unverzüglich im Anschluß an die kirchliche Einsegnung das Standesamt zu benachrichtigen. Das aber ist, soweit ich weiß, in keinem Fall geschehen, woraus hervorgeht, daß die Geistlichen selber nicht der Meinung sein konnten, im Schutz eines Konkordats zu handeln.
Zweitens hat die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 24. Februar 1955 mit erfreulicher Klarheit anerkannt, daß auf Grund des Schlußprotokolls zu Art. 26 des Reichskonkordats ein schwerer sittlicher Notstand nicht daraus hergeleitet werden kann, daß im Falle einer standesamtlichen Eheschließung die Ehefrau einen Rentenanspruch verlieren würde.
Drittens hätte auch das Reichskonkordat am Prinzip der obligatorischen Zivilehe sowie an der Fortgeltung der Strafvorschrift in § 67 des Personenstandsgesetzes nichts geändert. Im Gegenteil, nicht einmal in dem mit Hitler am 20. Juli 1933 verabredeten Reichskonkordat hat der Vatikan sich ausbedungen, daß vom Prinzip der obligatorischen Zivilehe in Deutschland abgegangen oder gar die Strafvorschrift in § 67 des Personenstandsgesetzes aufgehoben werden solle. Der Streit um das Reichskonkordat spielt deshalb in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es hieße vielmehr eine klare Frage nur verwirren, würde man ohne Grund und ohne Not die mit religiösen Überzeugungen beschwerte und auch staatspolitisch delikate Erörterung des Reichskonkordats hier einbeziehen.
Die Grundlage unserer Anfrage und ebenfalls der von der Bundesregierung erbetenen Antwort kann somit einzig und allein das in Deutschland seit nunmehr 80 Jahren in seinen Grundzügen geltende und auf dem Prinzip der obligatorischen Zivilehe beruhende Personenstandsrecht sein. Dieses deutsche Personenstandsrecht, das eine kirchliche Einsegnung vor der standesamtlichen Eheschließung nicht zuläßt, ist Jahrzehnte hindurch — also auch ohne Konkordat — von den Kirchen einschließlich der katholischen Kirche geachtet worden, weil es eine friedenstiftende Aufgabe erfüllt, die auch vom Standpunkt der katholischen Kirche aus, wenn ich das sagen darf, wie er insbesondere in der Enzyklika Immortale Dei des Papstes Leo XIII. vom 1. November 1885 zum Ausdruck kommt, als Recht und Pflicht des Staates anerkannt wird. Das Prinzip der obligatorischen Zivilehe und seine gesetzliche sowie für den Notfall strafgesetzliche Sicherung steht in unlösbarem Zusammenhang damit, daß Deutschland seit dem vor 400 Jahren geschlossenen Augsburger Religionsfrieden ein konfessionsgespaltenes Land ist, wo heutzutage Ungläubige und Gläubige sowie Men-


(Dr. Arndt)

sehen verschiedener Konfessionen — Evangelische, Katholiken, Humanisten, Mosaische — als Staatsbürger zusammenleben müssen und wollen.
Um dieses Grundsätzliche geht es, das zu bewahren unser gemeinsames Anliegen sein sollte, nicht aber um Einzelfälle der einen oder anderen Verfehlung. Bedenkt man, daß aus einer Vergangenheit von acht Jahrzehnten nicht mehr als nur ein einziger Verstoß bekanntgeworden ist, wir uns jetzt aber einer plötzlichen und seltsam gleichartigen Häufung von Verletzungen des Personenstandsgesetzes gegenübersehen, so muß unsere Sorge um das Grundsätzliche verständlich sein und gewürdigt werden.
Unsere Sorge ist um so berechtigter, als diese Ereignisse in unverkennbarer Weise mit anderen Zeichen zusammentreffen. Alsbald nach der Bundestagswahl vom 6. September 1953 sind in der Öffentlichkeit Stimmen laut geworden, die sich gegen den zeitlichen Vorrang und gegen die Unerläßlichkeit der standesamtlichen Eheschließung aussprachen. Ja, ein Hochschullehrer hat sogar die Vereinbarkeit des Personenstandsgesetzes, soweit es die obligatorische Zivilehe vorschreibt, mit der in Art. 4 des Grundgesetzes als Grundrecht verbürgten Freiheit der Religionsausübung bestritten. Es ist dankbar anzuerkennen, daß die Bundesregierung diesen Äußerungen sofort öffentlich sowie insbesondere bei der Einbringung einer Novelle zum Personenstandsgesetz und bei deren Beratung eindeutig und mit Nachdruck entgegengetreten ist. Jene Stimmen sind gleichwohl nicht verstummt. Daß der Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, wenn auch nicht als federführender Ausschuß und wenn auch mit einer knappen Mehrheit nur seiner CDU/CSU-Mitglieder, beschlossen hat, jede Sanktion hinsichtlich einer Verletzung des Prinzips der obligatorischen Zivilehe solle durch ersatzlose Streichung des § 67 des Personenstandsgesetzes künftig wegfallen, hat diesen Stimmen einen neuen Anhalt gegeben, zumal die verehrte Kollegin Frau Dr. Helene Weber wiederholt im Rechtsausschuß angedeutet hat, sie behalte sich vor, das Problem der obligatorischen Zivilehe noch aufzurollen. Auch beobachten wir nicht ohne tiefe und berechtigte Besorgnis ähnliche Vorgänge in unserem sozialen Leben sowie die Angriffe, die in der benachbarten Bundesrepublik Österreich gegen das dort geltende Personenstandsrecht, insbesondere auch dort gegen die standesamtliche Eheschließung, gerichtet werden.
Alle diese Tatsachen, alle diese Anzeichen, alle diese Ungewißheiten zwingen dazu, alsbald und rechtzeitig Klarheit zu schaffen. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie sich zu dem in Deutschland geltenden und bewährten Recht des Personenstandswesens und seiner Unverbrüchlichkeit bekennt. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie um des Friedens zwischen Staat und Kirche willen unverzüglich und zweifelsfrei sicherstellt, daß die Beachtung des Personenstandsgesetzes mindestens künftig gewährleistet wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0211113200
Sie haben die Begründung der Großen Anfrage gehört. Das Wort zur Antwort der Regierung hat der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0211113300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege
Dr. Arndt ist in der Begründung der Großen Anfrage über das hinausgegangen, was in Ziffer 1 der Großen Anfrage Drucksache 1712 gesagt war. Ich will deswegen zunächst die Große Anfrage so beantworten, wie sie vorliegt, und werde im Laufe der Debatte auf einzelnes, was er ausgeführt hat, noch zurückkommen.
Die Antwort der Bundesregierung lautet wie folgt.
In der Großen Anfrage wird die Bundesregierung zunächst gefragt, ob am 22. Mai 1954 in Regensburg eine kirchliche Trauung stattgefunden habe, ohne daß die Ehe zuvor standesamtlich geschlossen wurde. Die uns von dem bayerischen Staatsministerium des Innern zur Verfügung gestellten Unterlagen bestätigen diesen Tatbestand. Es kann ergänzend gesagt werden, daß der seit dem 1. Januar 1955 pensionierte Studienrat 65 Jahre alt ist. Seine Pension soll monatlich rund 800 Mark betragen, während die 42jährige Witwe über eine Witwenrente von angeblich rund 450 DM monatlich verfügt.

(Zurufe von der SPD.)

Die Witwe hat 5 Kinder im Alter von 15 bis 25 Jahren. Eine Tochter ist verheiratet, eine andere Tochter berufstätig, drei Söhne befinden sich noch in der Berufsausbildung. Der katholische Geistliche, der die Trauung vorgenommen hat, wirkt als katholischer Religionslehrer am Neuen Gymnasium in Regensburg. Er gab als Begründung für sein Verhalten an, daß er mit dem pensionierten Studienrat an der gleichen Lehranstalt tätig sei.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Dadurch sei ihm bekanntgeworden, daß der Kollege mit der Witwe zusammenlebe. Er habe darin ein sittliches Ärgernis erblickt. Auch der Kollege habe unter diesen Verhältnissen gelitten und ihn um Rat gefragt, wie die Angelegenheit bereinigt werden könne, ohne daß die Witwe um den Genuß der Witwenpension komme.

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)

Dabei sei von ihm die Befürchtung geäußert worden, daß die Witwe nach einer standesamtlichen Eheschließung im Falle seines Todes keine Pension erhalten werde und dadurch hilfsbedürftig werden könne. Nach den Angaben des pensionierten Studienrats sei das bischöfliche Ordinariat in Regensburg lediglich wegen der Erteilung der Befreiung vom kirchlichen Aufgebot angefragt worden. Es liegen bisher keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das bischöfliche Ordinariat in Regensburg über die Trauung vor der standesamtlichen Eheschließung unterrichtet war. Die örtlich zuständigen Standesbeamten wurden von der vollzogenen kirchlichen Trauung nicht benachrichtigt. Sie erhielten erst auf Grund der kriminalpolizeilichen Ermittlungen von dem Vorfall Kenntnis. Dieser Vorfall kam der Staatsanwaltschaft durch ein Schreiben der Oberfinanzdirektion München wegen der Ausstellung einer Lebensbescheinigung für die Witwe zur Kenntnis. Das zuständige Landratsamt erfuhr von der Angelegenheit erst durch die Presse.
Angeblich soll die Pfarrkirche in Falkenstein von dem örtlichen Pfarrer für die Trauung zur Verfügung gestellt worden sein, obwohl ihm bekannt war, daß eine standesamtliche Eheschließung nicht beabsichtigt sei. Er soll auch gewußt haben, daß eine Genehmigung des bischöflichen Ordinariats nicht erteilt war. Der örtliche Pfarrer soll


(Bundesminister Dr. Schröder)

dies bestätigt und seinerseits auch die Vornahme von drei weiteren Trauungen in den Jahren 1953, 1954 und 1955 zugegeben haben. Das bischöfliche Ordinariat ist nach seiner Aussage in keinem dieser Fälle über die fehlende standesamtliche Eheschließung unterrichtet gewesen. In allen diesen Fällen ist Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet worden, die ihrerseits Ermittlungsverfahren eingeleitet hat.
In dem zweiten Teil der Großen Anfrage wird nach den Schritten gefragt, die die Bundesregierung beim Heiligen Stuhl unternehmen will. Hierzu muß zunächst folgendes festgestellt werden. Soweit dies bisher ermittelt werden konnte, fehlt es im Falle Falkenstein an der gemäß Art. 26 des Reichskonkordats erforderlichen vorherigen Bestätigung des Vorhandenseins eines schweren sittlichen Notstandes durch die zuständige bischöfliche Behörde. Der Geistliche, der die Trauung vorgenommen hat, kann sich also nicht auf diese Konkordatsbestimmung berufen und hat dies, soweit bekannt, bisher auch nicht getan. Der Fall Falkenstein ist deshalb ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 67 des Personenstandsgesetzes und der in ihm enthaltenen Strafvorschrift zu beurteilen.
Soeben ist übrigens die Antwort des Heiligen Stuhls im Falle Tann eingegangen, die auch auf den vorliegenden Fall nicht ohne Rückwirkung sein dürfte. In ergänzender Beantwortung der Kleinen Anfragen 151, 156 und 183, Drucksachen 1179, 1206 und 1477 kann heute mitgeteilt werden, daß die im Falle Tann beim Heiligen Stuhl erhobenen Vorstellungen dazu geführt haben, daß die katholische Geistlichkeit des Bistums Passau auf die Anzeigepflicht gegenüber dem Standesamt in Fällen einer vorzeitigen kirchlichen Trauung be-
') sonders hingewiesen worden ist. Der Päpstliche Nuntius hat die Bundesregierung von einem Schreiben in Kenntnis gesetzt, das er am 31. Oktober 1955 im Auftrag des Heiligen Stuhls an den Bischof von Passau gerichtet hat. In diesem Schreiben wird festgestellt, daß im Falle Tann eine Verletzung der in Art. 26 des Reichskonkordats vorgeschriebenen Anzeigepflicht stattgefunden habe. Der Bischof wird ersucht, dem Klerus seines Bistums die Beobachtung der Vorschrift des Art. 26 letzter Satz des Reichskonkordats in Erinnerung zu rufen. Die Antwort des Heiligen Stuhls im Falle Tann behandelt die Frage der Auslegung des Begriffs „schwerer sittlicher Notstand" in Art. 26 Satz 1 des Reichskonkordats nicht. Die Auffassung des Heiligen Stuhls kann jedoch aus den bisherigen Verhandlungen entnommen werden.
Nach Ansicht der Bundesregierung war im Falle Tann rechtlich kein Anlaß gegeben, das Vorliegen eines schweren sittlichen Notstandes im Sinne des Art. 26 des Reichskonkordats anzunehmen. Das Schlußprotokoll zum Reichskonkordat kennt nach Auffassung der Bundesregierung nur einen einzigen Fall des schweren sittlichen Notstandes, in dem unter Beachtung bestimmter Formvorschriften die kirchliche Eheschließung vor der standesamtlichen Eheschließung zugelassen ist. Dieser Fall ist dann gegeben, wenn die rechtzeitige Beibringung der zur Eheschließung erforderlichen Urkunden auf unüberwindliche oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu beseitigende Schwierigkeiten stößt. Ein solcher Tatbestand war im Falle Tann nicht gegeben. Der Wortlaut des Reichskonkordats läßt nach Ansicht der Bundesregierung nicht die Auslegung zu, daß das Schlußprotokoll zu Art. 26 des Reichskonkordats nur als ein Beispiel für einen Fall des schweren sittlichen Notstandes aufzufassen sei und daß es im übrigen im Ermessen der zuständigen bischöflichen Behörde stehe, auch in anderen Fällen das Bestehen eines schweren sittlichen Notstandes zu bestätigen. Aus der Entstehungsgeschichte des Reichskonkordats ergibt sich zwar, daß der Art. 26 nach besonders eingehenden Verhandlungen eine redaktionelle Änderung erfahren hat; es liegen aber nach unserer Meinung keine Anzeichen dafür vor, daß das Schlußprotokoll nur ein Beispiel für den Fall eines schweren sittlichen Notstands bringen wollte.
Es erscheint in diesem Zusammenhang wesentlich, auf den Sinn der Bestimmung des Art. 26 des Reichskonkordats hinzuweisen. Sowohl der lebensgefährlich Erkrankte als auch der Verlobte, der die erforderlichen Urkunden nicht beibringen kann, haben die Absicht, die Ehe vor dem Standesbeamten zu schließen. Sie sind nur durch die Verhältnisse daran gehindert, die nötigen Formalitäten rechtzeitig zu erfüllen.
Dieser Zweck der Regelung des Art. 26 des Reichskonkordats ist bei der Bestätigung eines schweren sittlichen Notstandes durch das bischöfliche Ordinariat im Falle Tann übersehen worden. Die Verlobten wollten im Falle Tann trotz der Möglichkeit rechtzeitiger Beibringung der -Urkunden die Ehe vor dem Standesbeamten überhaupt nicht schließen. Sie wollten vielmem bürgerliche Eheschließung umgehen, um nicht die Witwenrente oder die Witwenpension der Frau zu verlieren.
Die hier dargelegte deutsche Auslegung des Reichskonkordats ist dem Heiligen Stuhl gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht worden. Nach dem bisher gewonnenen Eindruck sieht jedoch der Heilige Stuhl das Schlußprotokoll zu Art. 10 des Reichskonkordats lediglich als ein Beispiel für die Fälle an, in denen die zuständige bischöfliche Behörde das Vorliegen eines schweren sittlichen Notstandes anerkennen kann.
Die Auffassung der Bundesregierung über Bedeutung und Auswirkung des Art. 26 des Reichskonkordats hat sich der Heilige Stuhl bisher nicht zu eigen gemacht. Es ist also noch nicht gelungen, die unterschiedliche Auffassung der beiden Vertragspartner in dieser Frage zu beseitigen. Art. 33 Abs. 2 des Reichskonkordats sieht für solche Fälle vor, daß die beiden Vertragspartner im gemeinsamen Einvernehmen eine freundschaftliche Lösung herbeiführen.
Soweit der Text der Antwort. Ich darf mir erlauben, im Laufe der Debatte ergänzende Ausführungen zu machen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0211113400
Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob in die Besprechung eingetreten werden soll.

(Zustimmung.)

Die Besprechung wird gewünscht; ausreichende Unterstützung ist vorhanden. Ich frage, wer das Wort wünscht. — Herr Abgeordneter Metzger!

Ludwig Metzger (SPD):
Rede ID: ID0211113500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können mit Genugtuung verzeichnen, daß die Bundesregierung bei ihrer Auffassung beharrt, die sie bereits in ihrer Antwort in der Drucksache 1227 dargelegt hat. Sie beharrt nämlich dar-


(Metzger)

auf, daß der Begriff des schweren sittlichen Notstands in dem Reichskonkordat eng auszulegen ist. In bezug auf diesen Punkt hat sie auch gegenüber dem Päpstlichen Stuhl nicht nachgegeben, sondern sie wird, wenn ich recht verstehe, darauf dringen, daß ihre Auslegung des Begriffs anerkannt wird. Aber wir sind uns ja darüber einig, daß wir das Konkordat in den hier vorliegenden Fällen überhaupt ausschalten können. Ich kann auch von einer Behandlung der Frage absehen, ob das Konkordat Rechtsgültigkeit hat oder nicht. Meine eindeutige Auffassung ist die, daß es nicht rechtsgültig ist.
Aber ich glaube, etwas anderes müßte die Bundesregierung tun, und davon ist bis jetzt nicht die Rede gewesen. Herr Kollege Arndt hat auf den Kernpunkt der Sache hingewiesen: Es geht nämlich darum, daß in der Bundesrepublik die Gesetze der Bundesrepublik für a 11 e gelten und daß es keine Kreise gibt, die von diesen Gesetzen ausgenommen sind. Auch der katholische Klerus kann nicht von diesen Gesetzen ausgenommen sein, auch er ist nicht exempt. Das ist die Frage, die in den Verhandlungen bisher nicht behandelt worden ist, soweit ich das aus dem, was der Herr Bundesinnenminister vorgetragen hat, ersehen kann. Der päpstliche Stuhl hat zwar die Pfarrer der Diözese Passau darauf hingewiesen, daß eine Anzeigepflicht gegenüber dem Standesamt vorliegt, wenn unter der Behauptung, daß ein sittlicher Notstand vorliege, eine kirchliche Trauung ohne vorausgegangene obligatorische Ziviltrauung vorgenommen worden ist. Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Es ergibt sich nämlich, daß sich die Pfarrer, die die Trauungen vorgenommen haben, bewußt waren und sind, daß sie sich nicht einmal auf das zweifelhafte Konkordat, auf seinen Artikel 26 berufen können; sie wußten auch, daß sie eindeutig gegen deutsche Gesetzesbestimmungen verstoßen haben.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Darauf kommt es doch an.
Ich glaube, wir haben alle Veranlassung, darauf zu drängen, daß die Bundesregierung dafür sorgt, daß deutsches Recht in der Bundesrepublik angewandt wird, daß es nicht verletzt wird und daß man nicht dazu schweigt.

(Beifall bei der SPD.)

Mir scheint, bei keiner der Vorstellungen zur Auslegung des Art. 26 des Reichskonkordats, deren Begründung von uns gebilligt wird, ist der Kernpunkt behandelt worden: daß nämlich geltende deutsche Gesetze mißachtet worden sind und daß man dagegen nicht angegangen ist. Denn es kommt darauf an, daß der päpstliche Stuhl deutlich erklärt, er billige nicht, daß katholische Pfarrer in der Bundesrepublik gegen das Personenstandsgesetz verstoßen, gegen dessen Gültigkeit niemand Einwendungen erheben kann.
Wir müssen darauf dringen, daß darüber Klarheit geschaffen wird. Mir scheint außerordentlich beachtlich zu sein, worauf bereits hingewiesen worden ist, daß seit vielen Jahrzehnten in einem einzigen Fall gegen die Bestimmung des Personenstandsgesetzes über die obligatorische Zivilehe verstoßen worden ist, während jetzt, in der allerletzten Zeit, bereits acht solche Verstöße vorliegen; acht Fälle, die uns bekanntgeworden sind! Wir sind uns doch darüber im klaren, daß diese Verstöße zufällig bekanntgeworden sind. Denn wir sehen bei den uns bekanntgewordenen Fällen ja schon, wie
sehr man sich bemüht hat, sie zu verheimlichen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Alle Begleitumstände zeigen uns mit Deutlichkeit, wie sehr man die Trauungen verheimlicht hat. Man hat die Trauung an irgendeiner Stelle vollzogen, wo man hoffen konnte, daß nichts bekanntwerde. Man hat das Standesamt nicht benachrichtigt. Man hat zwar teilweise mit der vorgesetzten Dienststelle Verbindung aufgenommen, aber offenbar die Dinge nicht klargestellt. Ob die vorgesetzte Dienststelle in manchen Fällen doch Bescheid wußte, will ich dahingestellt sein lassen. Jedenfalls hat man alles getan, diese Dinge nicht in die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Man hat also das Gesetz verletzen wollen, ohne gefaßt werden zu können.

(Abg. Dr. Menzel: Schöne Gottesstreiter!)

Diese Verstöße sind, wie ich schon sagte, zufällig bekanntgeworden. Es ist für mich kein Zweifel, daß sehr viel mehr Fälle vorliegen.

(Abg. Dr. Seffrin: Das ist eine Behauptung, die Sie nicht beweisen können!)

Man kann also die Behauptung aufstellen, daß in diesem Verfahren System liegt.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich glaube, das ist das Entscheidende. Dazu können wir einfach aus rechtsstaatlichen Gründen, aus Gründen der Achtung vor unserem eigenen Staat, von allem anderen ganz abgesehen, unter gar keinen Umständen schweigen. Ich muß offen gestehen: ich bin eigentlich etwas erstaunt über die Langmut und — entschuldigen Sie, wenn ich es deutlich sage — über die Gleichgültigkeit der Bundesregierung und des Bundesinnenministeriums.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Schon bei dem ersten Fall haben wir gefragt, warum denn der Bundesinnenminister nicht Veranlassung genommen hat, in aller Öffentlichkeit Stellung zu nehmen, und zwar eindeutig Stellung zu nehmen im Sinne des deutschen Rechts. Damals hat uns der Herr Bundesinnenminister erklärt, das sei ein einzelner Fall, es sei anzunehmen, daß das nun einmal geschehen sei, ohne daß eine besondere Absicht dahinterstecke. Es habe keine Veranlassung bestanden, von Staats wegen etwas zu tun, die Staatsautorität zu wahren. Inzwischen haben wir wer weiß wie viele Fälle, und wir fragen uns: Warum findet jetzt die Bundesregierung keine Veranlassung, in aller Öffentlichkeit, ohne daß hier im Bundestag die Dinge aufgegriffen werden, klar und deutlich Stellung zu nehmen und die Staatsautorität zu wahren?
Wenn wir sehen, wie die Verhandlungen mit dem päpstlichen Stuhl geführt worden sind, so müssen wir sagen: die Verhandlungen gingen nach einer bestimmten Richtung. Sie bezogen sich auf die Auslegung des Konkordats, um das es auch nach der Erklärung des Herrn Bundesinnenministers in diesem Fall gar nicht geht. Die Verhandlungen zielten aber nicht darauf ab, vom päpstlichen Stuhl eindeutig zu verlangen, daß die katholischen Pfarrer in der Bundesrepublik angewiesen werden, die deutschen Gesetze zu achten, zu respektieren, so wie das jeder Staatsbürger tut.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Seffrin: Die Achtung der Gesetze ist selbstverständlich! — Zuruf von der Mitte: Man darf auch nichts unterstellen!)



(Metzger)

Wir können es, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht dulden, daß sich innerhalb der staatlichen Macht eine zweite Macht auftut, die ihre eigenen Gesetze handhabt

(erneuter Beifall bei der SPD — Zurufe von der Mitte)

oder die die bestehenden Gesetze bricht, die gegen sie handelt und damit einen eigenen Bereich begründen zu können glaubt.
Wir müssen deshalb darauf bestehen, daß die Regierung in den hier aufgetretenen Fragen eine klare und eindeutige Haltung gegenüber dem päpstlichen Stuhl einnimmt. Wir müssen auch darauf bestehen, zu erfahren, was denn seitens des päpstlichen Stuhls nun eigentlich gesagt worden ist, wie der Wortlaut der Schreiben ist, welches die Begründung gewesen ist. Was uns hier vorgetragen worden ist, ist j a offenbar nicht alles, was geschrieben worden ist. Jedenfalls haben wir das Schreiben nicht im Wortlaut gehört, sondern nur eine Inhaltswiedergabe vernommen. Wir müssen darauf bestehen, daß der Bundestag erfährt, was hier vorgeht.
Es ist an sich, worauf schon hingewiesen wurde, eigenartig, daß das Schreiben der päpstlichen Kanzlei dem Gericht mit der ganz merkwürdigen Begründung nicht bekanntgemacht wird, daß seine Bekanntgabe staatsgefährdend sein könne.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich muß mich fragen: Ja, worin soll die Staatsgefährdung liegen? In der Tatsache, daß man das Schreiben mitteilt, oder in der Tatsache, daß in diesem Schreiben Dinge stehen, die an sich staatsgefährdend wirken müßten?

(Sehr gut! bei der SPD. — Oh-Rufe in der Mitte.)

Ich glaube, man kann sich nicht auf diese Weise auf Bestimmungen der Strafprozeßordnung berufen, die ganz anders gemeint sind, und kann nicht auf diese Weise verhindern, daß gewisse Dinge und gewisse Hintergründe aufgeklärt werden.

(Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

Ich will, um der Bundesregierung jede Möglichkeit des Ausweichens zu nehmen, im Namen meiner Fraktion folgenden Antrag stellen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten über den Stand und den Verlauf ihrer Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zu berichten, d. h. also, alles das beizubringen, was in diesem Zusammenhang beizubringen ist, einschließlich des geführten Schriftwechsels.
Ich glaube, der Bundestag, vertreten durch seinen Auswärtigen Ausschuß, hat ein Recht darauf, zu erfahren, was hier vorgegangen ist, was die Bundesregierung tut und was sie in Zukunft zu tun gedenkt. Wir dürfen als Vertretung des Volkes erwarten, daß die Bundesregierung die ihr obliegende Pflicht, die Rechte des Staates zu wahren, erfüllt. Man darf da nicht mit halben Maßnahmen kommen und versuchen, Fälle, die außerordentlich gravierend sind, als harmlos darzustellen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211113600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.

Dr. Herta Ilk (FDP):
Rede ID: ID0211113700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß nach so langer Zeit endlich eine Antwort vom Heiligen Stuhl auf die Anfrage der Bundesregierung erfolgt ist. Aber die Antwort kann uns, wenn sie auch in etwa das Verhalten der Geistlichen nicht gutheißt, in der Sache selbst keineswegs befriedigen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich bin der Ansicht, daß z. B. nur eine Meldung der vorgenommenen Trauung noch keineswegs den Mangel heilt, daß eben die Trauung durch den Geistlichen vor der zivilen Trauung vorgenommen wurde. Was hier ausgeführt wurde und was auch in den Erklärungen mitschwang, die von der Bundesregierung abgegeben wurden, ist doch die große Sorge, daß von einer Seite, die kraft ihres Amtes berufen wäre, die Staatsautorität zu stützen, tatsächlich ein Angriff auf die Staatsautorität erfolgt.
Wenn sich die Geistlichkeit bei der Umgehung der Weisungen des Personenstandsgesetzes heute auf das Konkordat stützt, dessen Rechtsgültigkeit für uns nicht ohne Bedenken ist, dann müssen wir uns auch sagen, daß, selbst wenn es herangezogen wird, sein Art. 26 niemals eine Rechtfertigung dafür gibt, zu sagen: In den vorliegenden Fällen ist die kirchliche Trauung vor der standesamtlichen aus einem sittlichen Notstand vorgenommen. Niemals kann ein sittlicher Notstand, auch im Sinne des Konkordats, dann gegeben sein, wenn er nur auf der Weigerung beruht, auf rein materielle Dinge zu verzichten und eventuelle wirtschaftliche Nachteile auf sich zu nehmen, und wenn er leicht beseitigt werden kann.
Es ist nicht Rechtens, auch nicht gegenüber den betreffenden Frauen, gegenüber der Familie, die angeblich entsteht, dadurch, daß eine Trauung vorgenommen wird; nur zu leicht kann der Geistliche in der Frau den Glauben erwecken, sie sei vor dem Recht eine Ehefrau, die Ehe sei rechtlich gültig. Keineswegs — das wollen wir doch einmal von dieser Stelle aus mit aller Deutlichkeit sagen — erwachsen für die Familie die zivilrechtlichen Folgen einer Ehe. Die Frau hat nicht das Recht, den Namen des Mannes zu führen, sie ist nicht „verheiratet", sie hat keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Mann, sie kann sogar nicht einmal etwas dagegen tun, wenn der Mann sie wieder verläßt und zivilrechtlich eine andere Ehe schließt;

(Sehr richtig! bei der SPD) ihre Kinder sind uneheliche Kinder.

Man muß sich also fragen: Wird nicht vielleicht, wenn diese Dinge Schule machen, überhaupt erst ein echter sittlicher Notstand erzeugt?

(Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

Werden sich nicht die Fälle häufen, in denen die Kinder der Männer und Frauen, die sich zu solcher Gemeinschaft zusammenfinden, als uneheliche Kinder hinterher sagen: Du, Staat, schütze uns! Wir sind hier in einen Notstand hineingeraten, für den wir nichts können. Nun anerkenne die Verbindung unserer Eltern als Ehe.
Wir wollen nicht so weit gehen, die Vermutung anzustellen, daß über die bisher bekannten Fälle hinaus noch viele weitere Fälle vorgekommen sind. Aber wir wollen einmal ganz ernst auf die Folgen aufmerksam machen, die durch eine solche Maßnahme eintreten und die den sittlichen Bestand der Ehe, die zu schützen wir nach Art. 6 des Grundgesetzes berufen sind, unterhöhlen. Vielleicht geht


(Frau Dr. II k)

I man sogar darauf aus, durch Häufung solcher nur kirchlicher Eheschließungen eventuell auch das kanonische Eherecht in Parallelität zu unserem deutschen Recht auf solche Ehen anwendbar zu machen. Wir müssen es aber ablehnen, daß nach dieser Richtung in unserem deutschen Rechtsgefüge ein zweites Recht gelten soll.
Sofern ein materieller Notstand die Beteiligten hinderte, eine Ehe zu schließen, wäre, glaube ich, die Kirche, wenn sie helfen wollte, in der Lage gewesen, auf anderem, ihr gemäßerem Wege zu helfen als auf dem, eine Trauung vorzunehmen. Sie hätte die beiden veranlassen können, legal zu heiraten; aus dem Fonds ihrer karitativen Mittel wäre sie sicher in der Lage gewesen, diesen beiden Menschen über eine wirtschaftliche Notlage hinwegzuhelfen.

(Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

Wir möchten auch die betreffenden Geistlichen, die gegen dieses Gesetz verstoßen haben, das in Deutschland seit 80 Jahren besteht, auf das Wort des Paulus hinweisen, der sagt: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen!". Sein Wort dürfte auch in diesem Falle Geltung haben, und ich glaube, daß man da doch empfehlen sollte, sich diese biblischen Forderungen als Leitmotiv vor Augen zu halten.

(Abg. Bausch: Was die FDP fromm wird!)

— Ich glaube, Sie irren sich in uns! Wir haben in der FDP wirklich eine sehr innerliche und feste religiöse Überzeugung und den Glauben, daß das, was Christus und seine Jünger uns in der Bibel als Weisung hinterlassen haben, auch für alle anderen Zeiten, auch für die heutige Zeit Geltung hat, Herr Kollege Bausch!

(Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

Wir wollen nicht nur das Wort stehen lassen; wir wollen, daß man nicht nur davon spricht, sondern auch danach handelt!

(Erneuter, lebhafter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

In der Tat bleibt, vom Zivilrecht her gesehen, auch nach Vornahme einer kirchlichen Trauung ein Konkubinat bestehen, und womöglich nimmt man auf diese Weise eine doppelte Täuschung vor, sowohl gegenüber dem Staat, der gegebenenfalls dann die Renten weiterzahlen muß, als auch gegenüber denjenigen, die die Ehe geschlossen haben und vielleicht glauben, damit eine echte Ehe eingegangen zu sein.
Wir waren, als das Personenstandsgesetz diskutiert wurde, weitgehend der Ansicht, daß es einer Strafbestimmung im Personenstandsgesetz nicht mehr bedürfe. Wir waren der Meinung, in den vergangenen 80 Jahren habe sich das Prinzip gefestigt, daß die zivile Trauung vor der kirchlichen Trauung zu erfolgen habe, in allen Kreisen, auch der Geistlichen, insbesondere der katholischen Geistlichen — ich glaube, auf evangelischer Seite ist ein solcher Fall überhaupt nie passiert —, und zwar so gefestigt, daß es einer Strafbestimmung nicht mehr bedürfe. Die vorliegenden Fälle haben uns eines anderen belehrt. Wir sind heute der Auffassung, daß wir auf eine Strafbestimmung nicht mehr verzichten können.
Wir werden uns auch nicht damit einverstanden erklären, daß es sich hier nur um eine Ordnungsstrafe handeln könne. Erstens paßt dieser Tatbestand in das System der Ordnungswidrigkeiten schlecht hinein. Außerdem ist dann nicht die Möglichkeit gegeben, für Rückfall eine schärfere Strafe vorzusehen. Eine solche Bestimmung muß unter allen Umständen im künftigen Gesetz enthalten sein.
Man sollte einmal überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, auch an eine Bestrafung der beiden beteiligten Leute zu denken, des Mannes und der Frau, die den Geistlichen in diesen Gewissenskonflikt — das wollen wir ruhig zugeben — bringen, indem sie ihm eine Notlage schildern und ihn dazu bestimmen, ihnen durch eine kirchliche Trauung in ihrem Dilemma zu helfen. Ich glaube, daß zur gegebenen Zeit noch mehr darüber zu sagen sein wird.
Darüber hinaus haben wir auch auf unserer Seite eine gewisse Verpflichtung, die Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die manche Menschen in eine so große soziale Not bringen, daß sie vielleicht aus ihrer verzweifelten Lage heraus ein solches Verlangen an den katholischen Geistlichen stellen, um in etwa wenigstens vom Religiösen her ihr Gewissen zu erleichtern. Ich möchte daher ganz dringlich darauf hinweisen, wie notwendig es ist, daß wir durch unsere soziale Gesetzgebung endlich dem Problem der Onkelehen zu Leibe rücken. Ich verweise hierzu noch einmal auf die Anträge, die ich in letzter Zeit in bezug auf die Kriegerwitwen gestellt habe. Wir müssen eine Lösung finden, damit diese Frauen wenigstens dann wieder eine Rente erhalten, wenn die zweite Ehe aufgelöst ist, und damit die Kinder, die Waisen sind, die Vollwaisenrente erhalten, wenn die Frau sich wieder verheiratet und ihre Rente aus diesem Grunde wegfällt. Dann würde sehr vielen Frauen der Schritt zu einer echten Eheschließung schon leichter fallen. Auch der Vorschlag, in den neuen Entwurf eines Gesetzes über die Kriegsopferversorgung eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die derzeitige Abfindungssumme für Kriegerwitwen verdoppelt wird, wenn sie eine Ehe schließen, würde den Weg zu einer echten Ehe erleichtern.
Im übrigen sollten wir doch erwarten, daß der Heilige Stuhl selber ein Interesse daran hat, die staatlichen Gesetze und die Staatsautorität in jedem Falle auch von seinen Geistlichen anerkannt und beschützt zu sehen. Wir hoffen sehr, daß die Verhandlungen, die in dieser Richtung von unserer Bundesregierung geführt werden, zu dem Ergebnis führen, daß die Geistlichen — wie bisher — angewiesen sind, kirchliche Trauungen nicht vor der standesamtlichen Trauung vorzunehmen, und daß die Fälle, die jetzt vorgekommen sind, wirklich nur Einzelfälle sind und Einzelfälle bleiben.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem GB/ BHE.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211113800
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.

Matthias Hoogen (CDU):
Rede ID: ID0211113900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr erfreut, in zwei Punkten Herrn Kollegen Dr. Arndt und Herrn Kollegen Metzger zustimmen zu können, in dem Punkte nämlich, daß in der heutigen Aussprache die Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit des Reichskonkordats nicht zur Debatte steht, und in dem mir noch wichtiger erscheinenden Punkte, daß staatliche Gesetze, solange und in der Form, in der sie gelten, zu beachten sind.

(Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Sehr wahr!)



(Hoogen)

Zu diesen staatlichen Gesetzen gehört aber auch die in Art. 4 des Grundgesetzes für unverletzlich erklärte Freiheit der Religionsausübung, von der Herr Kollege Arndt sprach, und die Unverletzlichkeit der Gewissensentscheidung. Sie ist, wie Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes es vorschreibt, für den Gesetzgeber, für die Verwaltung und die Gerichte bindend. Ich glaube aber, wir sollten diese Frage hier nicht weiter vertiefen. Ich lege nur im Hinblick auf das, was ich nunmehr zu sagen habe, Wert darauf, diese Worte an die Spitze meiner Ausführungen zu stellen.
In fast allen anderen Punkten, meine Herren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, gehe ich weitgehend nicht mit Ihnen einig. Ich muß sagen, ich muß mein Befremden darüber ausdrücken, — —

(Unruhe und Zurufe von der SPD.)

— Das ist nur zum Verfahrensmäßigen; es besteht also insoweit noch kein Grund, mir zu widersprechen. — In der Anfrage ist von dem einen Fall die Rede. In der Begründung hier war von den sechs Personen, die Herr Arndt uns genannt hat, in acht Fällen die Rede, und Herr Metzger sprach im Laufe seiner Ausführungen schon von „wer weiß wie vielen Fällen".

(Erneute Zurufe von der SPD.)

— Ja, meine Damen und Herren, kennen Sie denn „wer weiß wie viele" Fälle?

(Zuruf von der SPD: Ja!)

— Ja? Dann wundert es mich, daß Sie sie nicht genannt haben.

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)

Jedenfalls ist auf der anderen Seite festzustellen,

(Abg. Dr. Menzel: Sie sind doch zu feige, sich dazu zu bekennen!)

daß sich in drei oder vier von rund 11 100 katholischen Pfarrbezirken in der Bundesrepublik diese Fälle ereignet haben. Wir sollten hier nicht dramatisieren. Meine Damen und Herren, wir greifen doch durch diese Debatte in schwebende Verfahren ein

(Widerspruch bei der SPD)

— jawohl! —, eine Methode, Herr Kollege Dr. Menzel, gegen die sich zusammen mit uns die sozialdemokratische Fraktion sonst immer mit Recht gewehrt hat, weil sie eine Anhängerin der Dreiteilung der Gewalten ist.

(Zurufe von der SPD.)

Ich hätte nichts dagegen einzuwenden — Herr Kollege Schröter, wenn Sie mich vielleicht anhören wollen —, wenn wir nach Abschluß der gerichtlichen Verfahren, d. h. nach rechtskräftigem Abschluß, uns die Akten der Gerichte kommen lassen und dann hier gemeinsam überlegen, was wir als Parlament sowohl in seiner gesetzgebenden wie auch in seiner kontrollierenden Funktion aus diesem Anlaß zu tun gedenken.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Metzger: Sie können aber jetzt schon auf die Beachtung eines bestehenden Gesetzes dringen!)

Aber, meine Damen und Herren, jetzt darf ich mir auch eine kleine Kritik an der Erklärung der Bundesregierung erlauben. Auch in der Erklärung der Bundesregierung habe ich nur etwas von polizeilichen Ermittlungsverfahren gehört. Herr Kollege Greve, Sie lachen darüber. Aber ich glaube, Sie sind mit mir der Meinung, daß wir beide von derartigen Verfahren nicht allzuviel halten.

(Abg. Dr. Greve: Diesmal habe ich über etwas anderes gelacht, Herr Kollege!)

— Ach so, das konnte ich Ihrem Lachen nicht ansehen. Da Sie in diesem Zusammenhang lachten, Herr Kollege Greve, habe ich geglaubt, es seien die von uns beiden sicherlich nicht sehr geschätzten Verfahren der Polizei. Von einem gerichtlichen Verfahren, Herr Kollege Arndt, habe ich in Ihren ganzen Ausführungen zur Begründung nichts gehört, und auch in der Erklärung der Bundesregierung nicht.
Meine Damen und Herren! Ich will feststellen: mir liegt nichts daran, die Fälle, die Sie hier aufgeführt haben, wenn sie so sind, wie Sie sie aufgeführt haben, zu bagatellisieren. Deswegen sage ich noch einmal: ich habe nicht von ungefähr und nicht umsonst an die Spitze meiner Ausführungen gestellt, daß auch wir der Meinung sind, — — et cetera; ich brauche es nicht zu wiederholen. Aber ich glaube, wir sollten doch so verfahren. Denn wenn wir es uns angelegen sein lassen sollten, uns mit Verfahren zu befassen, die noch bei den Gerichten schweben, sogar schon zu einem Urteil gediehen sind, dann, glaube ich, sollten wir uns mit dem Urteil eines Schwurgerichts aus den letzten Wochen befassen, das mehr wert wäre, in seinen möglichen Folgen hier besprochen zu werden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich gaube, da sind Sie mit mir einer Meinung.

(Abg. Dr. Greve: Auch!)

— Auch!
Meine Damen und Herren! Der erste Teil der Anfrage ist von der Bundesregierung dahingehend beantwortet worden, daß sich dieser eine Fall ereignet hat. Ich muß, offen sagen, ich hätte es lieber gesehen, wenn wir, solange das Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist — und dasselbe gilt auch von den anderen Verfahren —, die Erörterung darüber hier zurückgestellt hätten. Denn die Staatsanwaltschaft ist durch das Pressegesetz gebunden. Es ist ihr verboten, vor Erhebung der Anklage überhaupt der Presse das Verfahren bekanntzugeben; das steht im Pressegesetz. Nun sollten wir aber nicht auf dem Umweg über das Plenum des Bundestages etwas in die Öffentlichkeit bringen, was die Staatsanwaltschaft auf anderem Wege der Öffentlichkeit nicht bekanntgeben dürfte. Ich habe nichts davon gehört, daß die Anklage erhoben worden ist, auch nicht in der Erklärung der Bundesregierung.

(Abg. Rehs: Wir reden doch nicht über das Verfahren, sondern über die Tatsachen!)

— Aber ich rede über das Verfahren, Herr Rehs! Sie nicht — das kann ich mir denken —, weil nämlich das Verfahren nicht in Ordnung ist! Deshalb reden Sie nicht darüber; aber ich rede darüber.
Meine Damen und Herren, damit wäre die erste Frage beantwortet.
Zu der zweiten Frage haben wir vom Herrn Bundesinnenminister gehört, daß das Päpstliche Staatssekretariat den Päpstlichen Nuntius angewiesen hat, das fragliche Schreiben an den zuständigen Diözesanbischof zu richten. Das ist geschehen. Herr Kollege Metzger und Frau Dr. Ilk haben die-


(Hoogen)

ses Schreiben als unbefriedigend bezeichnet. Meine Damen und Herren, es kommt schon einmal vor, daß man auf eine Note eine Antwort bekommt, die einen nicht befriedigt. Das ist aber nach meiner Ansicht kein Grund, nun hier so zu verfahren oder solche Ausführungen zu machen, wie Frau Dr. Ilk es getan hat. Frau Dr. Ilk, wenn ich nicht so oft Gelegenheit gehabt hätte, mit Ihnen über ernste politische Fragen zu sprechen, und wenn Ihre Ausführungen zum Schluß nicht doch einen sehr versöhnlichen Charakter gehabt hätten, als Sie das soziale Problem ansprachen, das ich in der Tat für die Hauptsache halte — deshalb darf ich gleich darauf kommen —, dann. hätte ich fast gesagt, daß der letzte Rest des deutschen Liberalismus der Antikatholizismus ist.

(Beifall in der Mitte. — Lachen bei der FDP und SPD. — Abg. Dr. Menzel: Das war ein böses Zeichen! — Abg. Dr. Greve: Sie sitzen in der Bundesregierung mit den Vertretern dieses Liberalismus! — Weitere Zurufe rechts und links.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211114000
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir über diese Dinge in völliger Leidenschaftslosigkeit sprechen sollten.

(Zuruf: Das geht in die Geschichte ein!)


Matthias Hoogen (CDU):
Rede ID: ID0211114100
Meine Damen und Herren! Ich sagte schon, daß Frau Dr. Ilk den Kernpunkt des Problems angesprochen hat. Der Kernpunkt, das, was hinter allen diesen Fragen steht — der wirkliche Kernpunkt, Herr Kollege Metzger, und nicht das, was Sie als Kernpunkt bezeichnet haben —, sind doch die sogenannten Onkel-Ehen, wie man sie verniedlichend nennt; denn erstens sind es keine Ehen, und zweitens sind auch meistens nicht nur Onkel, sondern manchmal auch Tanten daran beteiligt.

(Heiterkeit.)

Aber in Wirklichkeit sind es doch Rentenkonkubinate,

(Sehr richtig! in der Mitte)

und hinter diesen Rentenkonkubinaten steht — ich will mich jetzt vorsichtig ausdrücken — die durchaus verbesserungsfähige und nach der Ansicht vieler auch verbesserungsbedürftige Rentengesetzgebung. Wenn immer wieder gesagt wird

(Zuruf des Abg. Schröter [Wilmersdorf])

— Herr Schröter, vielleicht lassen Sie mich diesen Satz noch aussprechen —, in 80 Jahren habe sich nur ein Fall ereignet und jetzt hätten sich bei sechs Personen acht Fälle, wie Herr Arndt sagte, ereignet, dann kann ich dazu nur bemerken, daß in diesen 80 Jahren wahrscheinlich auch die Auswirkungen der Rentengesetzgebung nicht zu diesen Übelständen führten.

(Abg. Metzger: Das war ja nicht die einzige Begründung!)

Meine Damen und Herren, es hat keinen Sinn, nur zu verlangen, daß wir diese Rentengesetzgebung verbessern, sondern es hat nur Sinn, zu sagen, ob wir hier das wollen. Da aber bin ich in der angenehmen Lage, für meine Fraktion erklären zu können, daß w i r mit dem Antrag vom 26. Oktober 1955 auf Drucksache 1811, wie ich meine, den Anfang gemacht, jedenfalls die Richtung aufgezeigt haben, in der wir fortschreiten sollten, weil wir davon überzeugt sind — und da stimme ich Frau Dr. Ilk durchaus zu —, daß dann kein Grund zu Klagen mehr bestehen wird, daß die Gründe für diese Klagen dann beseitigt sein werden.
Unter Ziffer 5 dieses Antrags haben wir gefordert — wir sind uns völlig bewußt, daß das nur eine Regelung eines Teilgebietes ist; aber ich sagte ja: mit diesem Antrag will ich heute nur die Richtung aufzeigen, in der ich mir die Verbesserung denke —, den § 44 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes dahingehend zu ändern, daß im Falle einer Wiederverheiratung die Witwe an Stelle des Anspruchs auf Rente eine Abfindung in Höhe des Sechsunddreißigfachen der monatlichen Grundrente einer erwerbsunfähigen Witwe erhält.
Wir meinen, in dieser Richtung sollten wir auch in den anderen Fällen bei den Versicherungsarten der Reichsversicherungsordnung, bei der Invalidenversicherung und auch in den sonstigen Fällen fortschreiten. Gerade dieses Problem ist das Kernproblem, und deswegen habe ich die Anfrage der SPD auf der einen Seite durchaus begrüßt, habe auf der anderen Seite aber auch sehr bedauert, daß diese Anfrage nicht auch die Frage an die Bundesregierung enthält, was sie zur Beseitigung des Übelstandes, nämlich der Ursache dieser Fälle, zu tun gedenkt.

(Zurufe von der SPD.)

Aber, wie gesagt, das können wir nachholen, und wir werden es auch nachholen. Ich bin der Meinung, wir haben gezeigt, daß wir uns auf dem guten Wege befinden.

(Abg. Metzger: Das hätten Sie längst tun können, Herr Kollege!)

Aus diesen Gründen bin ich auch der Ansicht, daß wir Ihrem Antrag, Herr Kollege Metzger, den Sie namens Ihrer Fraktion gestellt haben, durchaus zustimmen sollten, wonach im Auswärtigen Ausschuß weitere Aufklärungen in dem Sinne gegeben werden sollten, wie Sie sie mit Ihrem Antrag verlangt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211114200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0211114300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir aufrichtig leid, daß Ihre Ausführungen, Herr Kolle Hoogen, der Bedeutung und auch dem Ernst der Angelegenheit keineswegs in vollem Maße gerecht geworden sind.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Man kann diese Probleme nicht so abtun, wie das hier Ihrerseits geschehen ist.
Erstens ist von einem Eingriff in schwebende Verfahren im Ernst nicht zu sprechen.

(Abg. Hoogen: Und die Bestimmung des Pressegesetzes?)

— auf die Bestimmung des Pressegesetzes komme ich gleich —; denn uns interessiert hier nicht, ob sich der eine oder andere Geistliche strafbar gemacht hat unter Erfüllung des objektiven und des subjektiven Tatbestandes und aller Voraussetzungen, die zu einer Strafbarkeit gehören. Uns interessiert hier schon die Tatsache allein, daß solche Verfahren schweben; denn die Tatsache, daß diese Verfahren anhängig sind bei der Polizei, hei der


(Dr. Arndt)

Staatsanwaltschaft, bei Gerichten, bei Finanzbehörden, bei Gesundheitsämtern, schon das ist ein Schade für den Staat und für die Kirche.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des GB/ BHE.)

Die Frage: Was hat zu geschehen, damit es zu solchen mißliebigen Vorkommnissen nicht kommt, was hat zu geschehen, damit das Personenstandsgesetz auch ausnahmslos von den Geistlichen aller Konfessionen beachtet wird?, geht nur die Bundesregierung an, ist eine Frage, die sie mit den Kirchen zu verhandeln hat, aber nicht das Amtsgericht in Ebersberg oder das Landgericht in Passau oder die anderen Behörden, bei denen die individuellen Strafverfahren anhängig sind.
Und, Herr Kollege Hoogen, der presserechtlichen Vorschrift, daß die Anklageschrift nicht veröffentlicht werden darf, bevor sie verlesen ist, steht doch nicht entgegen, daß die Behörden heute sogar eine Pflicht haben, die Öffentlichkeit über das Anhängigsein von Verfahren zu unterrichten. Ich verstehe einfach nicht, wie Sie mit solchen Scheinargumenten hier auf diese sehr ernsthaften Dinge eingehen können.
Zweitens. Sie haben gesagt, es befremde unser Verfahren Sie deshalb, weil in der Großen Anfrage, die von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eingebracht ist, nur der eine Fall zur Sprache gebracht werde, dann aber in der Begründung der Großen Anfrage auf acht Fälle eingegangen sei. Nun, auch das ist unverständlich; denn unsere Große Anfrage hat zwei Teile. Sie fragt einmal nach der damals gerade bekanntgewordenen kirchlichen Einsegnung, die der Regensburger Religionslehrer Edmund Sattler vorgenommen hatte, aber zum anderen fragt sie ganz allgemein:
Welche Schritte wird die Bundesregierung beim Heiligen Stuhl unternehmen, um sicherzustellen, daß weitere Verstöße gegen das ... Personenstandsgesetz ... unterbleiben?
Zur Begründung der zweiten Frage kann man selbstverständlich alles vorbringen, was inzwischen in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist. Selbst wenn wir gar keinen Fall genannt, sondern nur die Frage an die Bundesregierung gestellt hätten, was sie zu tun gedenke, um Verstöße gegen das Personenstandsgesetz künftig zu verhindern, hätte die Bundesregierung von sich aus zu diesen Fällen Stellung nehmen müssen,

(Sehr wahr! bei der SPD)

denn sie ist ja amtlich unterrichtet, daß es diese Fälle gibt, zumal in all den Fällen, die von mir erörtert worden sind, soweit ich unterrichtet bin, keiner der Geistlichen bestritten hat, diese Einsegnungen vorgenommen zu haben. Es ist also gar kein Verfahren anhängig, in dem diese Frage als solche streitig wäre. Hierzu ist nochmals zu sagen: sogar ohne die Große Anfrage hätte die Bundesregierung von sich aus öffentlich Stellung nehmen und hätte von sich aus an den Heiligen Stuhl herantreten sollen, um zu verhindern, daß es in Zukunft zu solchen Mißhelligkeiten überhaupt kommt.
Drittens, Herr Kollege Hoogen, haben Sie gesagt, von einem gerichtlichen Verfahren hätten Sie nichts gehört, Sie hätten nicht einmal gehört, daß Anklage erhoben sei. Nun, dann müssen Sie sich bei der auf Ihrem Vertrauen beruhenden Bundesregierung
darüber beklagen, daß Sie von der Bundesregierung bisher nicht hinreichend unterrichtet worden sind; denn selbstverständlich ist schon in dem einen oder anderen Fall mehr geschehen als bloß polizeiliche Ermittlungen. Der Fall in Frankfurt, der sich bereits im Jahre 1952 ereignet hat, ist durch Anwendung der Amnestie erledigt; der Fall des Geistlichen Antholzer ist vom Amtsgericht Ebersberg durch einen rechtskräftig gewordenen Strafbescheid über 100 DM vom 14. Januar 1955 erledigt,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und daß beim Landgericht Passau die Anklage bereits eingereicht ist und die Entscheidung über das Hauptverfahren schwebt, konnten Sie aus meinen Ausführungen entnehmen, aus denen hervorging, daß es einen Schriftwechsel zwischen der Strafkammer des Landgerichts Passau und dem Auswärtigen Amt gibt.
Viertens. Sie sagen dann, der Kernpunkt seien die Onkelehen. Auch das ist nicht richtig. Unter den acht Fällen, die bekanntgeworden sind, sind zwei — und das ist ein Viertel —, bei denen es sich nicht um „Onkelehen" handelt. Denn der eine Fall betrifft einen minderjährigen Mann, der die kirchliche Einsegnung herbeigeführt hat, obgleich Eltern und Jugendamt die Bewilligung dieser Eheschließung abgelehnt hatten,

(Hört! Hört! bei der SPD)

der andere Fall betrifft ein Paar, welches behauptet hat, es müsse am Tage nach der Trauung in die Vereinigten Staaten von Amerika abfegen, -auch nicht irgendwie der Fall einer „Onkelehe", ein Fall, der durch Ermittlungen der Gesundheitsbehörde bekanntgeworden ist. In der von der Gesundheitsbehörde veranlaßten Strafanzeige der zuständigen Dienststelle heißt es:
Besonders markant ist weiterhin sein — des Geistlichen —
Eingeständnis, daß das sittliche Vorleben von Fräulein L. L. ihm damals noch nicht bekannt war.
Das sind keine Fälle von „Onkelehen", nicht wahr; das sind aber Fälle, die zu den abscheulichsten Weiterungen führen und wirklich nicht im Interesse auch der Kirche liegen.
Ich glaube also, zu Ihrer etwas deplacierten Antwort — ich bin nicht dazu da, die Frau Kollegin Ilk zu verteidigen —, Ihrer Antwort: „Das ist antikatholisch, was ihr da vorbringt", — ist zu sagen: so ist es nicht! Auch die Kirche hat kein Interesse daran, daß derlei Dinge hinterher vor der Öffentlichkeit erörtert werden müssen. Es ist also keine Frage der „Onkelehen". Im übrigen ist das Problem, die „Onkelehen" zu beseitigen — wenn wir es für ein Problem halten; es ist eins! —, nicht bloß Sache der Bundesregierung, sondern Ihrer Fraktion, die seit zwei Jahren allein die Mehrheit in diesem Hause hat.

(Beifall bei der SPD.)

Der Kernpunkt ist, daß das Personenstandsgesetz seit 80 Jahren den zeitlichen Vorrang der standesamtlichen Eheschließung vorschreibt und daß kein Grund besteht, davon abzugehen. Berührt wird deshalb das Verhältnis von Staat und Kirche, weil beide, Staat und Kirche, ein Interesse daran haben sollten, hier die staatlichen Gesetze auch von der Geistlichkeit achten zu lassen.


(Dr. Arndt)

Ich bedaure, sagen zu müssen, daß das, was wir über die Note des päpstlichen Staatssekretariats nach der Richtung hin gehört haben, unbefriedigend ist. Denn dort ist lediglich die Rede — soweit wir es durch den Herrn Bundesinnenminister zu hören bekommen haben — von der Verletzung der Anzeigepflicht auf Grund des Konkordats und davon, daß die Geistlichen der Diözese Passau auf diese Anzeigepflicht hingewiesen worden sind. Das reicht doch nicht!

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die Geistlichen müssen darauf hingewiesen werden, daß das Personenstandsgesetz zu achten ist.

(Beifall bei der SPD.)

Das erwarten wir, und wir erwarten auch von der
Bundesregierung, daß sie diesen Standpunkt — —

(Abg. Dr. Krone: Herr Arndt, das ist doch von uns gesagt worden, Punkt 1 und 2!)

— Ja, Herr Kollege Hoogen hatte das anfangs berührt. Das werfe ich auch Herrn Kollegen Hoogen nicht vor. Aber ich sage, die Antwortnote des päpstlichen Staatssekretariats, wie sie uns vorgetragen worden ist, befriedigt uns nicht. Sie haben von dem Problem nachher etwas abgelenkt, indem Sie gesagt haben, das sei die Frage der „Onkelehen". Es ist nicht die Frage der Onkelehen; weder sind alle acht Fälle Fälle von Onkelehen, noch ist das der Kernpunkt. Der Kernpunkt ist das Verhältnis von Staat und Kirche und damit auch — das liegt Ihnen, Herr Kollege Krone, doch bestimmt ebenso am Herzen wie allen anderen — der Friede zwischen Staat und Kirche, der nur gewahrt werden kann, wenn auch kirchlicherseits die Unverbrüchlichkeit des staatlichen Rechts anerkannt und geachtet wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211114400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0211114500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der letzte Rest des deutschen Liberalismus sei der Antikatholizismus, hat Herr Kollege Hoogen gesagt. Wenn er es auch nur in bedingter Form gesagt hat, so halte ich dieses Wort doch für sehr bedauerlich und wundere mich eigentlich, daß gerade Herr Kollege Hoogen so etwas ausspricht. Was soll das heißen? Soll darin eine Genugtuung darüber ausgedrückt werden, daß angeblich der Liberalismus im Zurückgehen sei? Ich hoffe doch nicht. Ich hoffe, daß der Liberalismus in diesem Hause lebt, und zwar nicht nur in unserer Fraktion. Außerdem darf ich für mich und meine katholischen Fraktionskollegen genau so wie für die anderen, genau so wie etwa für die Frau Kollegin Dr. Ilk, in Anspruch nehmen, daß wir in keiner Weise und bei keiner Gelegenheit uns von antikatholischen Gefühlen leiten lassen. Die Strafbestimmung im Personenstandsgesetz wendet sich gegen sämtliche Geistlichen, und wenn bis jetzt nur katholische Geistliche dagegen verstoßen haben, so ist das ja nicht der Fehler der Strafbestimmung und derer, die sie für notwendig halten.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Nun wird weiterhin gesagt, es gebe außer den heute aufgezählten Fällen keine anderen, und man dürfe den Verdacht nicht aussprechen, daß es noch mehr Fälle gebe. Ich muß sagen, daß ich diesen Verdacht durchaus für begründet halte. Denn ich habe in meinem Kreis einen Fall, der auch nur durch reinen Zufall ans Tageslicht kam. Ich habe ihn bis jetzt nicht publiziert, schon um mich auch nicht dem Verdacht auszusetzen, daß ich nur aus Gehässigkeit etwas gegen diesen Pfarrer unternehmen will, und auch deswegen, weil hier gar keine politischen oder sozialen Gründe mitspielen. Vielmehr hat hier der katholische Pfarrer der Stadt Heubach im Januar 1954 eine Ehe nur deswegen kirchlich getraut, weil die Papiere der Brautleute, von denen der eine Teil tschechischer Staatsangehöriger war, nicht bis zum Tage der bereits gerüsteten Hochzeitsfeierlichkeiten beschafft werden konnten. Also von einem Notstand kann hier wirklich keine Rede sein, es sei denn, er bestünde darin, daß der Ochse bereits am Spieße steckte.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD.)

Aber dieser Fall zeigt doch, mit welcher Leichtfertigkeit man sich über Gesetzesbestimmungen hinwegsetzt. Es steckt hier kein System und keine Tendenz darin, aber doch, wie ich sagte, eine Leichtfertigkeit, indem man dieses Gesetz einfach nicht ernst nimmt. Deshalb müssen wir mit allem Nachdruck dafür sorgen, daß es wieder ernst genommen wird.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/ BHE.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211114600
Dias Wort hat der Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0211114700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bitte, erschrecken Sie nicht, Dieses Buch sieht sehr dick aus. Ich brauche aus dem Buch nur eine einzige kleine Bestimmung.

(Abg. Schoettle: Wir haben keine Angst vor Büchern, Herr Minister!)

— Vor Büchern nicht, fein!
Ich wollte eigentlich damit beginnen, daß ich zunächst ein Wort an die Adresse des Herrn Kollegen Hoogen richtete. Herr Kollege Hoogen hat, ich glaube, er sagte: eine kleine Kritik an der Regierungserklärung unter eins geübt. Ich möchte ihm darauf erwidern. Ich würde gar nicht auf den Punkt eingehen, wenn Herr Kollege Hoogen nicht Vorsitzender des Rechtsausschusses wäre. Die Bundesregierung hat jeden Respekt vor den Verfahrensvorschriften. Aber, Herr Kollege Hoogen, dieser Respekt vor den Verfahrensvorschriften entbindet sie nicht davon, auf der Basis amtlicher Unterlagen das zu wissen, was alle Welt sowieso weiß und was in den Zeitungen in aller Breite steht.

(Beifall bei der SPD und bei der FPD.)

Mit der rechtlichen Seite dieses Problems hat sich Herr Kollege Dr. Arndt, der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses, auseinandergesetzt. Ich möchte auf weitere rechtliche Betrachtungen zu diesem einzigen Punkt, wohlgemerkt, verzichten.
Aber nun, meine Damen und Herren, muß ich mich den Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion zuwenden. Die Bundesregierung ist hier eigentlich am intensivsten von dem Kollegen Metzger, wenn ich es richtig aufgefaßt habe, der Langmut und Gleichgültigkeit geziehen worden. Ja, er hat nicht nur gesagt: die Bundesregierung, sondern er hat das insbesondere dem Innenminister zur Last gelegt.

(Abg. Metzger: Weil er zuständig ist!)

Nun, Langmut wäre vielleicht noch nicht schlimm;
die brauchen wir alle sehr. Aber Gleichgültigkeit


(Bundesminister Dr. Schröder)

in der Wahrnehmung amtlicher Verpflichtungen, — dagegen muß ich mich natürlich, wie Sie verstehen werden, intensivst zur Wehr setzen. Deswegen möchte ich sagen: die Bundesregierung hat von Anfang an nichts versäumt, um den staatlichen Gesetzen Geltung zu verschaffen. Sie ist im frühestmöglichen Zeitpunkt in die Erörterungen mit dem Heiligen Stuhl eingetreten. Aber ich darf nun wieder auf den Kollegen Arndt zurückgehen. Er selbst hat zitiert, daß in allen diesen Fällen Strafverfahren eingeleitet worden seien. Im übrigen ist das eine Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen. Die Justiz ist Sache der Länder, und die Bundesregierung wird sich hüten, in die Rechte oder gar in die Justiz der Länder einzugreifen. Das, was in ihrem Sektor geschehen konnte, hat sie getan, wird sie weiter tun. Alles andere ist Sache der Durchführung der anhängigen Strafverfahren. Wir haben sicherlich keine Einwendungen dagegen, wenn diese beschleunigt auf der Basis der Rechtsgrundlage, wie ich sie vorgetragen habe, abgeschlossen werden.
Ich möchte aber eine weitere Erklärung für die Bundesregierung abgeben und betone, daß dies eine formulierte Erklärung ist:
Zur Frage der innerstaatlichen Sicherung der Bestimmungen des Personenstandsgesetzes hat die Bundesregierung eindeutig Stellung genommen. Sie hat in Übereinstimmung mit dem Bundesrat bei der Strafvorschrift für Geistliche — es handelt sich um den hier häufig zitierten § 67 des Personenstandsgesetzes — betont, daß nach ihrer Ansicht die Vornahme einer kirchlichen Trauung vor der standesamtlichen Eheschließung als Straftatbestand erhalten bleiben müsse. Allerdings solle der Strafdrohung die Härte des Kulturkampfs genommen und statt einer Geldstrafe bis zu 10 000 DM oder einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren nur eine Geldstrafe bis zu 500 DM angedroht werden. Die Bundesregierung hält an dieser Auffassung fest. Dies gilt ganz besonders dann, wenn, wie in den Fällen Tann und Falkenstein, eine kirchliche Trauung vorgenommen wird, obwohl der Geistliche weiß, daß überhaupt keine standesamtliche Eheschließung beabsichtigt ist.
Es liegt der Antrag der Fraktion der SPD vor, durch den die Bundesregierung aufgefordert wird, dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten über den Stand und den Verlauf ihrer Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zu berichten. Die Bundesregierung ist dazu unter Wahrung der diesbezüglichen internationalen Gepflogenheiten bereit.
Meine Damen und Herren, ich wollte aus der Strafprozeßordnung zitieren. Das ist der Punkt, den ich bereits eingangs erwähnte. Das geht auf etwas zurück, was Sie, Herr Kollege Dr. Arndt, angesprochen haben: das Verhalten der Bundesregierung in dem Strafverfahren. Die Bundesregierung hat dort die Vorlegung eines Schriftwechsels unter Berufung auf den § 96 der Strafprozeßordnung verweigert. Ich darf Ihnen den § 96 einmal vorlesen:
Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde.
Ich komme auf diesen Punkt nur aus einem ganz prinzipiellen Grunde zurück. Es genügt, wenn die Bundesregierung diese Erklärung abgibt; sie braucht diese Erklärung nicht zu motivieren. Müßte sie das, würde der § 96 inhaltslos werden.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Arndt: Es liegt doch kein solcher Grund vor!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211114800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Besteht die Fraktion der SPD auf einer Beschlußfassung über den Antrag, nachdem die Regierung erklärt hat, sie sei bereit, — —

(Zurufe von der SPD.)

— Gut, dann werden wir abstimmen. Die Damen und Herren des Hauses kennen den Antrag*). Ich verlese ihn gleichwohl noch einmal:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten über den Stand und den Verlauf ihrer Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zu berichten.
Wer für die Annahme dieses Antrags ist, der möge ein Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Ich stelle im übrigen einstimmige Annahme fest. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Punkt 4 — Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen — ist abgesetzt.
Ich rufe Punkt 5 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Bestimmungen über den Seidenbau (Drucksache 1616);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (26. Ausschuß) (Drucksache 1797).

(Erste Beratung: 101. Sitzung.)

Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Jochmus. Verzichtet das Haus auf Entgegennahme eines mündlichen Berichts?

(Zustimmung.)

Ein Schriftlicher Bericht liegt Ihnen vor**). Ich gehe davon aus, daß das Haus damit einverstanden ist, daß keine mündliche Ergänzung des Ausschußberichts gegeben wird. — Es erhebt sich kein Widerspruch.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf § 1. — Keine Wortmeldung. § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer mit diesen Bestimmungen einverstanden ist, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten ein in die
dritte Beratung
und kommen zur Schlußabstimmung. Wer mit der Annahme des Gesetzes als eines Ganzen einverstanden ist, der möge sich erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
*) Umdruck 492. **) Siehe Anlage 2.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (Drucksache 1398);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (28. Ausschuß) (Drucksachen 1732, zu 1732).

(Erste Beratung: 95. Sitzung.)

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schütz. Auch hier liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor. Ich frage das Haus, ob es sich mit der Entgegennahme des Schriftlichen Berichts begnügen will.

(Zustimmung.)

— Kein Widerspruch.
Dann treten wir in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1. — Keine Wortmeldung. Art. 1 a,
— Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift.
— Wer mit diesen Bestimmungen einverstanden ist, der möge ein Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wer mit der Annahme des Gesetzes als eines Ganzen einverstanden ist, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Punkt 6 der Tagesordnung ist erledigt.
Der Herr Arbeitsminister hat gebeten, Punkt 7 der Tagesordnung erst nach der Pause aufzurufen. Er ist jetzt durch eine dringliche Abhaltung verhindert, unseren Beratungen anzuwohnen.

(Abg. Rasner: Herr Präsident, das ist entfallen!)

— Bitte, kommen Sie nach vorn.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0211114900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Hinderungsgrund ist entfallen. Meine Fraktion möchte, daß gleich beraten wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211115000
Ausgezeichnet! Ich sehe aber den Herrn Arbeitsminister nicht!

(Abg. Rasner: Er ist einverstanden!)

— Er ist aber nicht da.

(Heiterkeit.)

Wenn das Haus keinen Wert darauf legt, das Gesetz in Anwesenheit des zuständigen Ministers zu beraten, ist das Sache des Hauses.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Xnderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (Drucksache 1742);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (28. Ausschuß) (Drucksache 1821). (Erste Beratung: 105. Sitzung.)
Siehe Anlage 3.
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Döhring. Ich bitte sie, ihren Bericht zu erstatten.
Frau Döhring (SPD), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 7. Juli 1955 hatte der Bundestag das Dritte Gesetz zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes beschlossen, dem auch der Bundesrat in seiner Sitzung vom 22. Juli zugestimmt hat. Die Bundesregierung hat jedoch dieses Gesetz nicht sogleich verkündet, weil sie der Auffassung war, daß der Gesetzestext Anlaß zu Zweifeln gebe und auch keine Deckung für die Bundeszuschüsse zu den Witwenrenten gegeben sei, soweit es den erweiterten Kreis von Witwen unter 45 Jahren mit Kindern betrifft.
Daraufhin hat die sozialdemokratische Fraktion am 27. September den Antrag eingebracht, der Bundestag möge beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, das Gesetz unverzüglich dem Herrn Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorzulegen und im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Dieser Antrag kam aber nicht mehr zur Beratung im Plenum, weil inzwischen am 3. Oktober das Gesetz verkündet worden war.
Am 14. September hat die sozialdemokratische Fraktion im Bundestag auf Drucksache 1668 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes eingebracht, durch das die Gewährung der Witwenrenten im Sinne des Dritten Änderungsgesetzes zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz auch auf die Knappschaftswitwen ausgedehnt werden sollte.
Mit Drucksache 1742 haben dann die Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP bezüglich der Knappschaftswitwenrente einen gleichen Gesetzentwurf eingereicht, darüber hinaus aber beantragt, das am 3. Oktober verkündete Dritte Gesetz zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes in der Weise zu ändern, daß Witwen unter 45 Jahren lediglich mit waisenrentenberechtigten Kindern die Witwenrente erhalten sollen.
Der Ausschuß für Sozialpolitik hat sich mit den vorliegenden Gesetzentwürfen beschäftigt, wobei übereinstimmend die Ausdehnung auf Knappschaftswitwenrenten beschlossen wurde. Bezüglich des Antrags der genannten Regierungsparteien, die Witwenrenten für Witwen, soweit sie unter 45 Jahre sind, nur jenen mit waisenrentenberechtigten Kindern zu gewähren, gab es Meinungsverschiedenheiten. Diese Meinungsunterschiede hatten ihre Ursache in der damit verbundenen Einengung des Personenkreises des vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen und kürzlich verkündeten Gesetzes. Es ging nämlich darum, ob jede Witwe mit Kindern ohne Ausnahme, also auch wenn es sich um ein uneheliches Kind handelt, die Witwenrente erhalten soll oder nur, soweit es sich um waisenrentenberechtigte, also um eheliche Kinder handelt.
Der im Laufe der Beratungen von sozialdemokratischer Seite gestellte Antrag, die Vorlage der genannten Regierungsparteien wenigstens dahingehend zu verbessern, daß Witwen einbezogen werden, die im Sinne des § 2 des Kindergeldgesetzes Kinder erziehen, wurde von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Der Ausschuß entschied mit Mehrheit, das Dritte Änderungsgesetz zum Sozialversicherungs-Anpas-


(Frau Döhring)

sungsgesetz in der Weise zu ändern, daß klargestellt ist, daß Witwen, soweit sie noch nicht 45 Jahre alt sind, nur dann Witwenrente erhalten, wenn sie mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind haben.
Einstimmig hat der Sozialpolitische Ausschuß noch den § 1 des Änderungsgesetzes dahingehend verbessert, daß Witwen unter 45 Jahren die Witwenrente auch dann erhalten, wenn sie b e i m Inkrafttreten dieses Gesetzes mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erziehen, nicht nur, wie es in der Vorlage geheißen hat, solange sie ein solches erziehen. Mit diesem Beschluß, meine Herren und Damen, wurde sichergestellt, daß Witwen, deren Kind infolge Erreichung des 18. Lebensjahres keine Waisenrente mehr bekommt, die Witwenrente weiter gewährt erhalten, auch wenn sie das 45. Lebensjahr noch nicht erreicht haben.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme des Gesetzentwurfs in der Ihnen mit Drucksache 1821 vorgelegten geänderten Fassung. Ich habe nur noch darauf hinzuweisen, daß in der Drucksache 1821 ein Druckfehler enthalten ist. In den §§ 1 und 2 in der letzten Zeile muß es jeweils anstatt „waisenberechtigtes Kind" heißen: „waisenrentenberechtigtes Kind".

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211115100
Ich danke Frau Döhring für ihren Bericht.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf: Art. I. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Art. II —, Einleitung und Überschrift. — Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Frau Abgeordnete Korspeter.

Lisa Korspeter (SPD):
Rede ID: ID0211115200
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist aus vielen Debatten hier im Hause bekannt, daß sich meine Fraktion aus Gründen der sozialpolitischen Gerechtigkeit immer wieder für die unbedingte Witwenrente aller Witwen — auch in der Invalidenversicherung — eingesetzt und die Streichung des Stichtages vom 31. Mai 1949 beantragt hat, der die Einschränkung mit sich brachte, daß die unbedingte Witwenrente nur dann gegeben wird, wenn der Versicherte vor dem 1. Juni 1949 verstorben war.
Unsere Anträge in dieser Hinsicht fanden leider nie die Zustimmung der Mehrheit des Hauses, da Sie sich, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, wegen der finanziellen Auswirkungen niemals zu einer völligen Gleichstellung entschließen konnten. Auch Ihr letzter Antrag wollte die ungerechte Einschränkung durch diesen Stichtag nur mit der Maßgabe aufheben, daß die Witwe des Versicherten, sobald sie das 45. Lebensjahr vollendet hat, in den Genuß der Witwenrente kommen sollte.
Ein während der Beratung im Plenum von uns eingebrachter Antrag, ohne Rücksicht auf das
Lebensalter den Frauen die Witwenrente zu geben, die vorschul-, schulpflichtige oder in Berufsausbildung befindliche Kinder haben, wurde von der Mehrheit des Hauses in namentlicher Abstimmung angenommen. Das war für uns und auch für Sie, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, außerordentlich überraschend, allerdings mit dem Unterschied, daß wir uns im Interesse der Frauen über unseren Erfolg gefreut haben, während Sie weniger glücklich darüber zu sein schienen.
Lassen Sie mich noch einmal sagen, daß wir bei Stellung des Antrages von dem Gesichtspunkt ausgingen, daß Witwen, die eine Erziehungsaufgabe zu erfüllen haben, soweit wie möglich materiell sichergestellt sein müssen. Wir sollten uns alle darüber klar sein, daß eine wichtige Aufgabe nicht erfüllt ist, wenn etwa beim Tode des Vaters die Frau nun auch noch gezwungen wird zu arbeiten und das Existenzminimum durch Erwerbsarbeit sichern muß. Keine Gesellchaft kann ein solches Aufgabengebiet brachliegen lassen, ohne Schaden daran zu nehmen, weil die Kinder sowohl seelisch als auch körperlich verkümmern müssen.
Aber schon sehr bald nach Annahme des Gesetzes hörte man hier im Hause Gerüchte über Erwägungen, den in namentlicher Abstimmung angenommenen Antrag der SPD einzuschränken. Ja, man hörte auch das Gerücht, daß die Bundesregierung das Gesetz überhaupt nicht verkünden wolle, und zwar — so hieß es — weniger wegen der finanziellen Auswirkungen als von der Vorstellung aus, etwaige uneheliche Kinder der Frau, die in keiner Beziehung zum verstorbenen Versicherten standen, dabei nicht berücksichtigt zu sehen. Nun, wir alle, die wir uns mit dieser Sache beschäftigt haben, wissen, daß es sich nicht ausschließlich um uneheliche Kinder handelte. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal die Stellungnahme des Herrn niedersächsischen Sozialministers bekanntgeben, die er als Berichterstatter im Bundesrat zu diesem Gesetz abgab. Er führte aus:
Es ist nicht einzusehen, weshalb Kinder, die von seiten der Ehefrau in die Ehe eingebracht und in der Familie erzogen worden sind, nicht auch die Besserstellung in bezug auf den Witwenrentenanspruch erwirken sollen wie die leiblichen Kinder des verstorbenen Ehemannes. Man denke sich einen praktischen Fall: Ein Mann heiratet vor dem 1. Juni 1949 eine Frau mit einem Kind, das nicht versorgt ist, und übernimmt während der ganzen Ehe die Fürsorge für dieses Kind. Wenn dieser Mann nun vor dem 1. Juni 1949 verstorben ist, so würde nach dem bisherigen Recht und nach dem Vorschlag des Finanzausschusses die Frau keinen Anspruch auf Witwenrente haben. Wir glauben, daß dies nicht nur allein die Witwe träfe, sondern in erheblichem Umfange auch das Kind, weil unter Umständen die Ehefrau ihren Lebensunterhalt durch Arbeit sicherstellen müßte und das Kind mangelhafter versorgt wäre.
Trotz des Versuchs der Bundesregierung, den Bundesrat zu bewegen, in dieser Sache den Vermittlungsausschuß anzurufen, nahm der Bundesrat das Gesetz am 22. Juli 1955 an, und zwar mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß das Gesetz praktikabel sei und daß keine Schwierigkeiten zu erwarten seien.


(Frau Korspeter)

Jeder von uns erinnert sich aber der Unruhe, die dann in der Bevölkerung entstand, weil das Gesetz von der Bundesregierung nicht verkündet wurde, obwohl dieser Verkündung parlamentarisch nichts mehr im Wege stand. 300 000 Arbeiterwitwen, von denen ein großer Teil Kriegerwitwen sind, sollten von diesem Gesetz erfaßt werden, und sie sollten als Witwen ihrer verstorbenen oder gefallenen Männer auch in den Genuß der Witwenrente kommen. Diese Witwen und wir alle warteten aber vergeblich auf die Verkündung des Gesetzes. Jeder von uns und jede von den Witwen draußen fragte nach dem Wenn und Aber der Bundesregierung. Es blieb selbstverständlich nicht aus, daß mit Recht von einer Brüskierung des Parlamentes durch die Bundesregierung gesprochen wurde. Erst am 3. Oktober erschien das Gesetz endlich im Bundesgesetzblatt. Sie finden uns hoffentlich nicht unbescheiden, wenn wir annehmen, daß unser Antrag vom 27. September, der eine sofortige Verkündung dieses Gesetzes forderte, sicher einen gewissen Einfluß darauf gehabt hat.
Aber fast gleichzeitig erschien ein Änderungsantrag der Regierungskoalition zu diesem gerade erst verkündeten Gesetz,

(Zuruf von der Mitte: War notwendig!)

der nun doch die Einschränkung brachte, die Witwenrente ohne Rücksicht auf das Lebensalter der Witwe nur zu geben, solange die Witwe mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen habe. Wir bedauern diese Einschränkung sehr, weil sie — ich möchte es noch einmal mit den Worten von Herrn Minister Rudolph sagen — nicht allein die Witwe trifft, sondern in erheblichem Umfange auch das Kind.
Trotzdem, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, stimmen wir diesem Gesetz zu. Wir haben es durch unseren damaligen Antrag — der nun zwar von Ihnen wieder eingeschränkt wird — doch erreicht, daß ungefähr hunderttausend Witwen mehr mit einbezogen werden, als Sie ursprünglich gewollt haben. Außerdem haben Sie bei den Beratungen im Ausschuß unserem Wunsche stattgegeben, den Witwen die Witwenrente auch dann nicht zu entziehen, wenn die Kinder aus dem Alter, in dem sie waisenrentenberechtigt waren, herausgewachsen sind. Hinzu kommt ferner, daß wir in diesem Gesetz auch noch die Ausweitung auf die Knappschaftsversicherung vorgenommen haben, die wir allerdings schon in einem früheren Gesetzentwurf gefordert hatten.
Zum Schluß noch drei Bemerkungen. Wir halten es im Hinblick auf die Selbstachtung des Parlamentes für außerordentlich schlecht, daß Gesetze, die von uns, in diesem Falle sogar in namentlicher Abstimmung, verabschiedet worden sind, von der Regierung erst Monate später — und hier handelt es sich um drei Monate — verkündet werden. Wir halten es weiter nicht für gut, daß man zu einem eben erst verkündeten Gesetz sofort wieder Änderungsgesetze einbringt, so daß wir heute über den Entwurf eines Gesetzes über die Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes beraten müssen.

(Abg. Frau Finselberger: Das ist die „Reform" der Sozialgesetzgebung!)

Wie können wir mit solchen Methoden den Staatsbürger von einer guten Gesetzesarbeit in Bonn überzeugen?
Weiterhin möchten wir der Hoffnung Ausdruck geben, daß diese Regelung nur als ein Schritt auf dem Wege zu einer völligen Gleichstellung aller Witwen anzusehen ist.
Abschließend darf ich Ihnen noch eines sagen, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, und nehmen Sie mir das bitte nicht übel: Ich finde, daß man auch einmal ein guter Verlierer sein muß, aber ganz besoders dann, wenn es sich um Verbesserungen zum Wohle der Allgemeinheit handelt!

(Beifall bei der SPD und beim GB/ BHE.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211115300
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.

Peter Horn (CDU):
Rede ID: ID0211115400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß man vor .der Abstimmung in der dritten Lesung nochmals in eine Generaldebatte eintreten kann. Aber die verehrte Kollegin Korspeter hat vorn Herrn Präsidenten das Wort zur Abgabe einer Erklärung erhalten. Ich stelle wohl unter Zustimmung des Hauses — mit Ausnahme der Opposition — fest, daß hier von einer Erklärung im eigentlichen Sinne keine Rede sein kann,

(Zurufe von der SPD)

sondern daß die Kollegin mit ihren Ausführungen in der Tat die Generaldebatte wiederaufnahm.

(Abg. Schoettle: Was soll denn das heißen!)

Wir hatten nicht die Absicht, uns an einer solchen Aussprache zu beteiligen. Ich widerstehe auch der Versuchung, auf diese Ausführungen in. entsprechender Weise zu antworten. Aber sagen muß ich, meine Damen und Herren, daß wir uns bei den jeweiligen Diskussionen über dieses Thema im Grundsatz stets für das Endziel ausgesprochen haben, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten den Stichtag des Jahres 1949 zu beseitigen. Nur besteht ein Unterschied darin, daß man im Einvernehmen mit der Bundesregierung bei den jeweiligen Schritten, die man zum endgültigen Ziel tut, abstecken muß, wie weit dieser Schritt sein kann unter Berücksichtigung der Grenzen, die durch die finanziellen Möglichkeiten gesetzt sind. Daher muß, glaube ich, anerkannt werden, daß wir auch mit diesem Beschluß eine weitere Verbesserung für die Witwen erreicht haben. Der Zweck der Ausführungen der Frau Kollegin Korspeter konnte doch kein anderer sein, als die Bundesregierung und die Regierungsmehrheit in dieser Frage vor der Öffentlichkeit wieder einmal ins Unrecht zu setzen; und weil wir das nicht zulassen können, müssen wir hier diese Erklärung abgeben.
Ich füge noch einmal hinzu: Die Korrektur, die wir hier vorgenommen haben, war notwendig, weil diejenigen Witwen, die hier in den Genuß der Rente gebracht werden sollen, nun doch eine unmittelbare Beziehung zum Gesetz haben müssen. Das heißt, daß der verstorbene Versicherte eben nur seine eigenen Kinder in die Rentenbezüge einbezogen wissen konnte und nicht diejenigen Kinder, die von der Witwe später noch geboren worden sind, die also zum damaligen Versicherungsverhältnis in keinerlei Beziehung gestanden haben.
Im übrigen betone ich noch einmal, daß diese Gesetzesvorlage einen finanziellen Aufwand von insgesamt 183 Millionen DM erforderlich macht; davon gehen in der Invalidenversicherung zu


(Horn)

Lasten des Bundes 127 Millionen und zu Lasten der Versicherungsträger 47 Millionen DM. In der knappschaftlichen Rentenversicherung beträgt die Mehrbelastung 9 Millionen DM, und zwar 7 Millionen zu Lasten des Bundes und 2 Millionen DM zu Lasten der Versicherungsträger.
Ich kann abschließend nur wiederholen, was unser damaliger Sprecher, Herr Kollege Schüttler , zu dieser Frage mit Bezug auf das Endziel ausgeführt hat: Wir werden dahin arbeiten und glauben zuversichtlich, daß die endgültige Regelung dieses Problems im Zusammenhang mit der Neuordnung der sozialen Rentenversicherung im Verlauf des nächsten Jahres getroffen werden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211115500
Meine Damen und Herren, ich habe meinerseits eine Erklärung abzugeben. Es war mir gesagt worden, daß zur dritten Lesung lediglich eine Erklärung abgegeben werden solle, nicht von Frau Korspeter, sondern von einem anderen Mitglied ihrer Fraktion. Deswegen habe ich, ohne die allgemeine Aussprache zu eröffnen, Frau Korspeter das Wort zu einer Erklärung gegeben.
Ich eröffne nun die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0211115600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung, weil Herr Kollege Horn eine — und zwar die wichtigste — Frage, die meine Kollegin Frau Korspeter hier aufgeworfen hat, nicht beantwortet hat. Das Gesetz ist am 7. Juli von diesem Hause verabschiedet worden, am 22. Juli hat der Bundesrat ihm zugestimmt; die Bundesregierung aber hat es erst am 6. Oktober, nicht zuletzt auf Grund einer lebhaften Empörung der Öffentlichkeit, verkündet. Das sind die Tatsachen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0211115700
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Über Anträge ist nicht abzustimmen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes als eines Ganzen ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, wir haben noch abzustimmen über Ziffer 2 des Ausschußantrages Drucksache 1821. Der Ausschuß beantragt, den von ,der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes — Drucksache 1668 — durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt zu erklären. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen für langfristig Arbeitslose (Drucksache 1798);
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Sonderzulagen für Arbeitslose (Drucksache 1799).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen in beiden Fällen vor, auf eine Aussprache erster Lesung zu verzichten und den Gesetzentwurf Drucksache 1798 an den
Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch; dann ist zu Punkt 8 a der Tagesordnung so beschlossen.
Zu 8 b schlägt der Ältestenrat Ihnen die Überweisung des Antrages Drucksache 1799 an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge und den Haushaltsausschuß als mitberatende Ausschüsse vor. — Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 8 der Tagesordnung ist erledigt. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das deutsch-isländische Protokoll vom 19. Dezember 1950 über den Schutz von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten (Drucksache 1785).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, auf eine Aussprache zu verzichten und die Vorlage an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht zu überweisen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. Punkt 9 der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Vorläufige Europäische Abkommen vom 11. Dezember 1953 über Soziale Sicherheit unter Ausschluß der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen
und über das Vorläufige Europäische Abkommen vom 11. Dezember 1953 über die Systeme der Sozialen Sicherheit für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen (Drucksache 1786).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und den Ausschuß für -Kommunalpolitik — zur Mitberatung — zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Es ist so beschlossen. Punkt 10 der Tagesordnung ist damit erledigt.
Ich rufe Punkt 11 auf :
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 10. März 1955 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) (Drucksache 1794).
Für diese Ziffer gilt das gleiche wie für die vorigen. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ziffer 11 ist erledigt.
Ziffer 12:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Brüsseler Protokoll vom 30. Juli 1936 über die Immunitäten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Drucksache 1795).
Auch hier soll auf Beratung verzichtet und die Vorlage alsbald an den Ausschuß für auswärtige


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Angelegenheiten überwiesen werden. Wird kein weiterer Antrag bezüglich der Zuweisung an Ausschüsse gestellt? — Das ist nicht der Fall. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ziffer 12 ist erledigt.
Ziffer 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das deutsch-österreichische Protokoll vom 25. März 1955 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden (Drucksache 1796).
Hierfür gilt das gleiche wie für die vorigen Vorlagen. Es wird vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ziffer 13 ist erledigt.
Ich rufe auf Ziffer 14:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung (Drucksache 1829).
Hier wird vorgeschlagen, die Vorlage ohne vorgängige Beratung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Wer einverstanden ist, der möge ein Handzeichen geben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ziffer 14 der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 15:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über
die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen (Drucksache 1830).
Hier soll unter Verzicht auf eine Aussprache der Entwurf an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen werden. Wer einverstanden ist, der gebe ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Punkt 15 ist erledigt.
Ich rufe auf als letzten Punkt der Tagesordnung Punkt 16:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Verkauf des ehemals reichseigenen Gesandtenwohnhauses in Athen, Akademiestraße 17 (jetzt FranklinRoosevelt-Straße 23) (Drucksache 1792).
Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, der gebe ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Tagesordnung erledigt.
Ich gebe bekannt, daß die nächste Fragestunde am Mittwoch, dem 14. Dezember, stattfinden wird. Sperrfrist für noch eingehende Fragen ist Freitag, der 9. Dezember, 12 Uhr.
Ich berufe die nächste, die 112. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Freitag, den 11. November, vormittags 9 Uhr, und schließe die 111. Sitzung des Deutschen Bundestages.