Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir aufrichtig leid, daß Ihre Ausführungen, Herr Kolle Hoogen, der Bedeutung und auch dem Ernst der Angelegenheit keineswegs in vollem Maße gerecht geworden sind.
Man kann diese Probleme nicht so abtun, wie das hier Ihrerseits geschehen ist.
Erstens ist von einem Eingriff in schwebende Verfahren im Ernst nicht zu sprechen.
— auf die Bestimmung des Pressegesetzes komme ich gleich —; denn uns interessiert hier nicht, ob sich der eine oder andere Geistliche strafbar gemacht hat unter Erfüllung des objektiven und des subjektiven Tatbestandes und aller Voraussetzungen, die zu einer Strafbarkeit gehören. Uns interessiert hier schon die Tatsache allein, daß solche Verfahren schweben; denn die Tatsache, daß diese Verfahren anhängig sind bei der Polizei, hei der
Staatsanwaltschaft, bei Gerichten, bei Finanzbehörden, bei Gesundheitsämtern, schon das ist ein Schade für den Staat und für die Kirche.
Die Frage: Was hat zu geschehen, damit es zu solchen mißliebigen Vorkommnissen nicht kommt, was hat zu geschehen, damit das Personenstandsgesetz auch ausnahmslos von den Geistlichen aller Konfessionen beachtet wird?, geht nur die Bundesregierung an, ist eine Frage, die sie mit den Kirchen zu verhandeln hat, aber nicht das Amtsgericht in Ebersberg oder das Landgericht in Passau oder die anderen Behörden, bei denen die individuellen Strafverfahren anhängig sind.
Und, Herr Kollege Hoogen, der presserechtlichen Vorschrift, daß die Anklageschrift nicht veröffentlicht werden darf, bevor sie verlesen ist, steht doch nicht entgegen, daß die Behörden heute sogar eine Pflicht haben, die Öffentlichkeit über das Anhängigsein von Verfahren zu unterrichten. Ich verstehe einfach nicht, wie Sie mit solchen Scheinargumenten hier auf diese sehr ernsthaften Dinge eingehen können.
Zweitens. Sie haben gesagt, es befremde unser Verfahren Sie deshalb, weil in der Großen Anfrage, die von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eingebracht ist, nur der eine Fall zur Sprache gebracht werde, dann aber in der Begründung der Großen Anfrage auf acht Fälle eingegangen sei. Nun, auch das ist unverständlich; denn unsere Große Anfrage hat zwei Teile. Sie fragt einmal nach der damals gerade bekanntgewordenen kirchlichen Einsegnung, die der Regensburger Religionslehrer Edmund Sattler vorgenommen hatte, aber zum anderen fragt sie ganz allgemein:
Welche Schritte wird die Bundesregierung beim Heiligen Stuhl unternehmen, um sicherzustellen, daß weitere Verstöße gegen das ... Personenstandsgesetz ... unterbleiben?
Zur Begründung der zweiten Frage kann man selbstverständlich alles vorbringen, was inzwischen in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist. Selbst wenn wir gar keinen Fall genannt, sondern nur die Frage an die Bundesregierung gestellt hätten, was sie zu tun gedenke, um Verstöße gegen das Personenstandsgesetz künftig zu verhindern, hätte die Bundesregierung von sich aus zu diesen Fällen Stellung nehmen müssen,
denn sie ist ja amtlich unterrichtet, daß es diese Fälle gibt, zumal in all den Fällen, die von mir erörtert worden sind, soweit ich unterrichtet bin, keiner der Geistlichen bestritten hat, diese Einsegnungen vorgenommen zu haben. Es ist also gar kein Verfahren anhängig, in dem diese Frage als solche streitig wäre. Hierzu ist nochmals zu sagen: sogar ohne die Große Anfrage hätte die Bundesregierung von sich aus öffentlich Stellung nehmen und hätte von sich aus an den Heiligen Stuhl herantreten sollen, um zu verhindern, daß es in Zukunft zu solchen Mißhelligkeiten überhaupt kommt.
Drittens, Herr Kollege Hoogen, haben Sie gesagt, von einem gerichtlichen Verfahren hätten Sie nichts gehört, Sie hätten nicht einmal gehört, daß Anklage erhoben sei. Nun, dann müssen Sie sich bei der auf Ihrem Vertrauen beruhenden Bundesregierung
darüber beklagen, daß Sie von der Bundesregierung bisher nicht hinreichend unterrichtet worden sind; denn selbstverständlich ist schon in dem einen oder anderen Fall mehr geschehen als bloß polizeiliche Ermittlungen. Der Fall in Frankfurt, der sich bereits im Jahre 1952 ereignet hat, ist durch Anwendung der Amnestie erledigt; der Fall des Geistlichen Antholzer ist vom Amtsgericht Ebersberg durch einen rechtskräftig gewordenen Strafbescheid über 100 DM vom 14. Januar 1955 erledigt,
und daß beim Landgericht Passau die Anklage bereits eingereicht ist und die Entscheidung über das Hauptverfahren schwebt, konnten Sie aus meinen Ausführungen entnehmen, aus denen hervorging, daß es einen Schriftwechsel zwischen der Strafkammer des Landgerichts Passau und dem Auswärtigen Amt gibt.
Viertens. Sie sagen dann, der Kernpunkt seien die Onkelehen. Auch das ist nicht richtig. Unter den acht Fällen, die bekanntgeworden sind, sind zwei — und das ist ein Viertel —, bei denen es sich nicht um „Onkelehen" handelt. Denn der eine Fall betrifft einen minderjährigen Mann, der die kirchliche Einsegnung herbeigeführt hat, obgleich Eltern und Jugendamt die Bewilligung dieser Eheschließung abgelehnt hatten,
der andere Fall betrifft ein Paar, welches behauptet hat, es müsse am Tage nach der Trauung in die Vereinigten Staaten von Amerika abfegen, -auch nicht irgendwie der Fall einer „Onkelehe", ein Fall, der durch Ermittlungen der Gesundheitsbehörde bekanntgeworden ist. In der von der Gesundheitsbehörde veranlaßten Strafanzeige der zuständigen Dienststelle heißt es:
Besonders markant ist weiterhin sein — des Geistlichen —
Eingeständnis, daß das sittliche Vorleben von Fräulein L. L. ihm damals noch nicht bekannt war.
Das sind keine Fälle von „Onkelehen", nicht wahr; das sind aber Fälle, die zu den abscheulichsten Weiterungen führen und wirklich nicht im Interesse auch der Kirche liegen.
Ich glaube also, zu Ihrer etwas deplacierten Antwort — ich bin nicht dazu da, die Frau Kollegin Ilk zu verteidigen —, Ihrer Antwort: „Das ist antikatholisch, was ihr da vorbringt", — ist zu sagen: so ist es nicht! Auch die Kirche hat kein Interesse daran, daß derlei Dinge hinterher vor der Öffentlichkeit erörtert werden müssen. Es ist also keine Frage der „Onkelehen". Im übrigen ist das Problem, die „Onkelehen" zu beseitigen — wenn wir es für ein Problem halten; es ist eins! —, nicht bloß Sache der Bundesregierung, sondern Ihrer Fraktion, die seit zwei Jahren allein die Mehrheit in diesem Hause hat.
Der Kernpunkt ist, daß das Personenstandsgesetz seit 80 Jahren den zeitlichen Vorrang der standesamtlichen Eheschließung vorschreibt und daß kein Grund besteht, davon abzugehen. Berührt wird deshalb das Verhältnis von Staat und Kirche, weil beide, Staat und Kirche, ein Interesse daran haben sollten, hier die staatlichen Gesetze auch von der Geistlichkeit achten zu lassen.
Ich bedaure, sagen zu müssen, daß das, was wir über die Note des päpstlichen Staatssekretariats nach der Richtung hin gehört haben, unbefriedigend ist. Denn dort ist lediglich die Rede — soweit wir es durch den Herrn Bundesinnenminister zu hören bekommen haben — von der Verletzung der Anzeigepflicht auf Grund des Konkordats und davon, daß die Geistlichen der Diözese Passau auf diese Anzeigepflicht hingewiesen worden sind. Das reicht doch nicht!
Die Geistlichen müssen darauf hingewiesen werden, daß das Personenstandsgesetz zu achten ist.
Das erwarten wir, und wir erwarten auch von der
Bundesregierung, daß sie diesen Standpunkt — —
— Ja, Herr Kollege Hoogen hatte das anfangs berührt. Das werfe ich auch Herrn Kollegen Hoogen nicht vor. Aber ich sage, die Antwortnote des päpstlichen Staatssekretariats, wie sie uns vorgetragen worden ist, befriedigt uns nicht. Sie haben von dem Problem nachher etwas abgelenkt, indem Sie gesagt haben, das sei die Frage der „Onkelehen". Es ist nicht die Frage der Onkelehen; weder sind alle acht Fälle Fälle von Onkelehen, noch ist das der Kernpunkt. Der Kernpunkt ist das Verhältnis von Staat und Kirche und damit auch — das liegt Ihnen, Herr Kollege Krone, doch bestimmt ebenso am Herzen wie allen anderen — der Friede zwischen Staat und Kirche, der nur gewahrt werden kann, wenn auch kirchlicherseits die Unverbrüchlichkeit des staatlichen Rechts anerkannt und geachtet wird.