Rede von
Dr.
Herta
Ilk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß nach so langer Zeit endlich eine Antwort vom Heiligen Stuhl auf die Anfrage der Bundesregierung erfolgt ist. Aber die Antwort kann uns, wenn sie auch in etwa das Verhalten der Geistlichen nicht gutheißt, in der Sache selbst keineswegs befriedigen.
Ich bin der Ansicht, daß z. B. nur eine Meldung der vorgenommenen Trauung noch keineswegs den Mangel heilt, daß eben die Trauung durch den Geistlichen vor der zivilen Trauung vorgenommen wurde. Was hier ausgeführt wurde und was auch in den Erklärungen mitschwang, die von der Bundesregierung abgegeben wurden, ist doch die große Sorge, daß von einer Seite, die kraft ihres Amtes berufen wäre, die Staatsautorität zu stützen, tatsächlich ein Angriff auf die Staatsautorität erfolgt.
Wenn sich die Geistlichkeit bei der Umgehung der Weisungen des Personenstandsgesetzes heute auf das Konkordat stützt, dessen Rechtsgültigkeit für uns nicht ohne Bedenken ist, dann müssen wir uns auch sagen, daß, selbst wenn es herangezogen wird, sein Art. 26 niemals eine Rechtfertigung dafür gibt, zu sagen: In den vorliegenden Fällen ist die kirchliche Trauung vor der standesamtlichen aus einem sittlichen Notstand vorgenommen. Niemals kann ein sittlicher Notstand, auch im Sinne des Konkordats, dann gegeben sein, wenn er nur auf der Weigerung beruht, auf rein materielle Dinge zu verzichten und eventuelle wirtschaftliche Nachteile auf sich zu nehmen, und wenn er leicht beseitigt werden kann.
Es ist nicht Rechtens, auch nicht gegenüber den betreffenden Frauen, gegenüber der Familie, die angeblich entsteht, dadurch, daß eine Trauung vorgenommen wird; nur zu leicht kann der Geistliche in der Frau den Glauben erwecken, sie sei vor dem Recht eine Ehefrau, die Ehe sei rechtlich gültig. Keineswegs — das wollen wir doch einmal von dieser Stelle aus mit aller Deutlichkeit sagen — erwachsen für die Familie die zivilrechtlichen Folgen einer Ehe. Die Frau hat nicht das Recht, den Namen des Mannes zu führen, sie ist nicht „verheiratet", sie hat keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Mann, sie kann sogar nicht einmal etwas dagegen tun, wenn der Mann sie wieder verläßt und zivilrechtlich eine andere Ehe schließt;
ihre Kinder sind uneheliche Kinder.
Man muß sich also fragen: Wird nicht vielleicht, wenn diese Dinge Schule machen, überhaupt erst ein echter sittlicher Notstand erzeugt?
Werden sich nicht die Fälle häufen, in denen die Kinder der Männer und Frauen, die sich zu solcher Gemeinschaft zusammenfinden, als uneheliche Kinder hinterher sagen: Du, Staat, schütze uns! Wir sind hier in einen Notstand hineingeraten, für den wir nichts können. Nun anerkenne die Verbindung unserer Eltern als Ehe.
Wir wollen nicht so weit gehen, die Vermutung anzustellen, daß über die bisher bekannten Fälle hinaus noch viele weitere Fälle vorgekommen sind. Aber wir wollen einmal ganz ernst auf die Folgen aufmerksam machen, die durch eine solche Maßnahme eintreten und die den sittlichen Bestand der Ehe, die zu schützen wir nach Art. 6 des Grundgesetzes berufen sind, unterhöhlen. Vielleicht geht
I man sogar darauf aus, durch Häufung solcher nur kirchlicher Eheschließungen eventuell auch das kanonische Eherecht in Parallelität zu unserem deutschen Recht auf solche Ehen anwendbar zu machen. Wir müssen es aber ablehnen, daß nach dieser Richtung in unserem deutschen Rechtsgefüge ein zweites Recht gelten soll.
Sofern ein materieller Notstand die Beteiligten hinderte, eine Ehe zu schließen, wäre, glaube ich, die Kirche, wenn sie helfen wollte, in der Lage gewesen, auf anderem, ihr gemäßerem Wege zu helfen als auf dem, eine Trauung vorzunehmen. Sie hätte die beiden veranlassen können, legal zu heiraten; aus dem Fonds ihrer karitativen Mittel wäre sie sicher in der Lage gewesen, diesen beiden Menschen über eine wirtschaftliche Notlage hinwegzuhelfen.
Wir möchten auch die betreffenden Geistlichen, die gegen dieses Gesetz verstoßen haben, das in Deutschland seit 80 Jahren besteht, auf das Wort des Paulus hinweisen, der sagt: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen!". Sein Wort dürfte auch in diesem Falle Geltung haben, und ich glaube, daß man da doch empfehlen sollte, sich diese biblischen Forderungen als Leitmotiv vor Augen zu halten.
— Ich glaube, Sie irren sich in uns! Wir haben in der FDP wirklich eine sehr innerliche und feste religiöse Überzeugung und den Glauben, daß das, was Christus und seine Jünger uns in der Bibel als Weisung hinterlassen haben, auch für alle anderen Zeiten, auch für die heutige Zeit Geltung hat, Herr Kollege Bausch!
Wir wollen nicht nur das Wort stehen lassen; wir wollen, daß man nicht nur davon spricht, sondern auch danach handelt!
In der Tat bleibt, vom Zivilrecht her gesehen, auch nach Vornahme einer kirchlichen Trauung ein Konkubinat bestehen, und womöglich nimmt man auf diese Weise eine doppelte Täuschung vor, sowohl gegenüber dem Staat, der gegebenenfalls dann die Renten weiterzahlen muß, als auch gegenüber denjenigen, die die Ehe geschlossen haben und vielleicht glauben, damit eine echte Ehe eingegangen zu sein.
Wir waren, als das Personenstandsgesetz diskutiert wurde, weitgehend der Ansicht, daß es einer Strafbestimmung im Personenstandsgesetz nicht mehr bedürfe. Wir waren der Meinung, in den vergangenen 80 Jahren habe sich das Prinzip gefestigt, daß die zivile Trauung vor der kirchlichen Trauung zu erfolgen habe, in allen Kreisen, auch der Geistlichen, insbesondere der katholischen Geistlichen — ich glaube, auf evangelischer Seite ist ein solcher Fall überhaupt nie passiert —, und zwar so gefestigt, daß es einer Strafbestimmung nicht mehr bedürfe. Die vorliegenden Fälle haben uns eines anderen belehrt. Wir sind heute der Auffassung, daß wir auf eine Strafbestimmung nicht mehr verzichten können.
Wir werden uns auch nicht damit einverstanden erklären, daß es sich hier nur um eine Ordnungsstrafe handeln könne. Erstens paßt dieser Tatbestand in das System der Ordnungswidrigkeiten schlecht hinein. Außerdem ist dann nicht die Möglichkeit gegeben, für Rückfall eine schärfere Strafe vorzusehen. Eine solche Bestimmung muß unter allen Umständen im künftigen Gesetz enthalten sein.
Man sollte einmal überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, auch an eine Bestrafung der beiden beteiligten Leute zu denken, des Mannes und der Frau, die den Geistlichen in diesen Gewissenskonflikt — das wollen wir ruhig zugeben — bringen, indem sie ihm eine Notlage schildern und ihn dazu bestimmen, ihnen durch eine kirchliche Trauung in ihrem Dilemma zu helfen. Ich glaube, daß zur gegebenen Zeit noch mehr darüber zu sagen sein wird.
Darüber hinaus haben wir auch auf unserer Seite eine gewisse Verpflichtung, die Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die manche Menschen in eine so große soziale Not bringen, daß sie vielleicht aus ihrer verzweifelten Lage heraus ein solches Verlangen an den katholischen Geistlichen stellen, um in etwa wenigstens vom Religiösen her ihr Gewissen zu erleichtern. Ich möchte daher ganz dringlich darauf hinweisen, wie notwendig es ist, daß wir durch unsere soziale Gesetzgebung endlich dem Problem der Onkelehen zu Leibe rücken. Ich verweise hierzu noch einmal auf die Anträge, die ich in letzter Zeit in bezug auf die Kriegerwitwen gestellt habe. Wir müssen eine Lösung finden, damit diese Frauen wenigstens dann wieder eine Rente erhalten, wenn die zweite Ehe aufgelöst ist, und damit die Kinder, die Waisen sind, die Vollwaisenrente erhalten, wenn die Frau sich wieder verheiratet und ihre Rente aus diesem Grunde wegfällt. Dann würde sehr vielen Frauen der Schritt zu einer echten Eheschließung schon leichter fallen. Auch der Vorschlag, in den neuen Entwurf eines Gesetzes über die Kriegsopferversorgung eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die derzeitige Abfindungssumme für Kriegerwitwen verdoppelt wird, wenn sie eine Ehe schließen, würde den Weg zu einer echten Ehe erleichtern.
Im übrigen sollten wir doch erwarten, daß der Heilige Stuhl selber ein Interesse daran hat, die staatlichen Gesetze und die Staatsautorität in jedem Falle auch von seinen Geistlichen anerkannt und beschützt zu sehen. Wir hoffen sehr, daß die Verhandlungen, die in dieser Richtung von unserer Bundesregierung geführt werden, zu dem Ergebnis führen, daß die Geistlichen — wie bisher — angewiesen sind, kirchliche Trauungen nicht vor der standesamtlichen Trauung vorzunehmen, und daß die Fälle, die jetzt vorgekommen sind, wirklich nur Einzelfälle sind und Einzelfälle bleiben.