Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Bevor wir mit unserer Arbeit beginnen, darf ich Siebitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Der Deutsche Bundestag und die Bürgerinnen undBürger unseres Landes sind erschüttert über die schreck-lichen Folgen der schweren Naturkatastrophe, die am29. August 2005 über die Golfküste der VereinigtenStaaten von Amerika hereingebrochen ist. Das ganzeAusmaß der Verwüstung und die Zahl derer, die ihr Le-ben verloren haben, sind bis heute noch nicht absehbar.Der Wirbelsturm „Katrina“ und die nachfolgendeFlutkatastrophe haben nicht nur die Stadt New Orleansund weite Teile des Mündungsgebiets des Mississippi imWasser versinken lassen, sondern ganze Städte ausge-löscht und ein Gebiet mit einer Größe von zwei Drittelnder Fläche Deutschlands verwüstet. Schon jetzt stehtfest, dass die Vereinigten Staaten von Amerika von einerder schlimmsten Naturkatastrophen ihrer Geschichteheimgesucht wurden.Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gilt allen,TWgNBhggrKgdDbKKERedetdie bei dieser Katastrophe Familienangehörige, Freunde,Nachbarn und Kollegen verloren haben, sowie all denen,deren Heim von den Wasserfluten zerstört oder wegge-schwemmt wurde und die sich in einer verzweifeltenNotlage befinden.Wir Deutschen haben selbst die Hilfe der VereinigtenStaaten erfahren. Gerade in Berlin bleibt die Unterstüt-zung Amerikas während der Blockade der Stadt unver-gesslich. Diesmal wollen wir helfen und begrüßen daherdie großzügigen Zusagen und Unterstützungsleistungender Bundesregierung. Viele Organisationen und vieleBürgerinnen und Bürger unseres Landes beteiligen sichebenfalls und folgen den vielfältigen Spendenaufrufen.Sie wollen Not und Leid lindern helfen.Sie haben sich zu Ehren der Opfer der Flutkvon Ihren Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.
Sammelübersicht 232 zu Petitionen– Drucksache 15/5984 –b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 233 zu Petitionen– Drucksache 15/5985 –er Beschlussempfehlung des Petitionsausschussesuss)ersicht 234 zu Petitionenche 15/5986 –atastrophec) Beratung d
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17498 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
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Sammelübersicht 235 zu Petitionen– Drucksache 15/5987 –ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nachArt. 77 des Grundgesetzes zu demGesetz zur Änderung des Abfallverbringungsgesetzes so-wie zur Auflösung und Abwicklung der Anstalt Solidar-fonds Abfallrückführung– Drucksachen 15/5243, 15/5523, 15/5726, 15/5916, 15/5976 –Berichterstattung:Abgeordneter Michael Müller
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll – so-weit erforderlich – abgewichen werden. Sind Sie mit denVereinbarungen einverstanden? – Ich höre keinen Wi-derspruch. Dann ist so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis 1 d auf:1 a) Abgabe einer Regierungserklärung durch denBundeskanzlerDeutschland ist auf dem richtigen Weg – Ver-trauen in die Stärken unseres Landes
b) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENDeutschland auf Wachstumskurs halten, diesoziale Erneuerung unseres Landes fortsetzen,standhaft für den Frieden – Für Arbeit, Si-cherheit und Menschlichkeit– Drucksache 15/5979 –c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der FDPSieben Jahre Rot-Grün – Deutschland brauchtden Neuanfang– Drucksache 15/5978 –
d) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Michael Meister, Steffen Kampeter, IlseAigner, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSUEhrliche Abschlussbilanz als Grundlage einerneuen Politik für Wachstum, Arbeit und Si-cherheit– Drucksache 15/5956 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-rung drei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Wider-spruch. Dann ist so beschlossen.Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hatder Bundeskanzler, Gerhard Schröder.HnstdLuTsuukiMbwmdHiisWsdisvzvisUzpiRmcdamnaieuz
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Lassen Sie mich zu Beginn der Aussprache ei-ige Sätze zu der in der Tat fürchterlichen Naturkata-trophe, die die Vereinigten Staaten von Amerika ge-roffen hat, sagen: Wir haben die schrecklichen Bilder,enke ich, alle miteinander vor Augen. Das Sterben, daseid der Menschen, die Not haben uns alle beschäftigtnd tief betroffen gemacht. Wir stehen deshalb in diesenagen in wirklicher Solidarität zu unseren amerikani-chen Freunden, vor allen Dingen zu den Opfern,
nd das nicht nur aus Dankbarkeit für das, was wir vonnseren Freunden in Amerika nach dem Zweiten Welt-rieg bekommen haben, sondern weil für uns alle, denkech, diese Solidarität ein selbstverständliches Gebot vonitmenschlichkeit in solchen Situationen ist.
Deswegen haben wir unverzüglich unsere Hilfe ange-oten, und zwar Hilfe, die umfassend sein soll und seinird. Die Bundeswehr hat bisher 40 Tonnen Nahrungs-ittel als Notverpflegung dorthin gebracht. Wir habenafür gesorgt, dass Equipment, das helfen kann, desochwassers Herr zu werden, dorthin gebracht wordenst, und wir haben medizinische Hilfe zugesagt. Wir sindn der Lage, mit Notunterkünften zu helfen, sobald undofern wir entsprechende Anforderungen bekommen.ir sind mit den Hilfsorganisationen im Gespräch, wirind bereit, umfassend Hilfe zu leisten, und ich bin froharüber, dass in der amerikanischen Gesellschaft – auchn der amerikanischen Öffentlichkeit – unsere Leistungehr wohl anerkannt wird.Meine Damen und Herren, dass wir helfen, ist selbst-erständlich; aber es gilt auch, Konsequenzen aus demu ziehen, was wir nicht nur in den Vereinigten Staatenon Amerika, sondern weltweit beobachten können. Wasst die richtige Antwort auf die Häufung von Naturkata-trophen, die wir dort, aber eben nicht nur dort erleben?m Folgen dieser Naturkatastrophen einzudämmen,um Beispiel die Folge eines steigenden Öl- und Gas-reises, der die Weltwirtschaft in Gefahr stürzen kann,st es möglich, Teile der staatlichen Ölreserven und dereserven an Ölprodukten freizugeben. Es wäre aber un-öglich gewesen, das im nationalen Alleingang zu ma-hen; dafür sind sie nicht geschaffen. Ich denke, das fin-et hier im Hohen Hause insgesamt Zustimmung. Aberls die Vereinigten Staaten von Amerika deutlich ge-acht haben, dass und warum die Ölversorgung bei ih-en physisch gefährdet ist – weil nämlich Raffinerienusgefallen sind, weil nämlich Produktion ausgefallenst –, haben wir nicht gezögert, unsere Zustimmung zuinem international abgestimmten Verhalten zu geben,m auf diese Weise wenigstens Beruhigung in den Marktu bringen.
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Bundeskanzler Gerhard SchröderDas ist schwer genug; aber immerhin scheint etwas Be-ruhigung einzutreten.In diesem Zusammenhang sollte man sehr deutlichsagen, dass es weder mit Ethik noch mit Moral in derWirtschaft zu tun hat, wenn Mineralölkonzerne dieseSituation nutzen, um auf diesen Märkten eine völlig un-verantwortliche Preistreiberei zu praktizieren.
In diesem Zusammenhang wird es auch nötig sein,sich die Frage vorzulegen, ob denn die Bindung des Gas-preises an den Ölpreis unter den Bedingungen, unter de-nen wir jetzt leben, wirklich gerechtfertigt ist.
Die Politik hat relativ wenig Möglichkeiten, in diesesMarktgeschehen einzugreifen. Dass das Kartellamt in-dessen genau hinschauen muss, ob das, was sich auf die-sen Märkten einzustellen scheint, inhaltlich wirklich ge-rechtfertigt ist, finde ich, ist eine Aufforderung, diegerade in diesem Hohen Hause deutlich geäußert werdensollte.
Was kann man darüber hinaus tun? Wir als Bundesre-gierung haben von Anfang an im Zusammenhang mitden G-8-Staaten auf einen Tatbestand hingewiesen, derin dieser Situation besonders interessant und besondersgefährlich ist, nämlich die Tatsache, dass der hohe Öl-preis nur bedingt mit Produktion und Produktionsausfäl-len und auch nur sehr bedingt mit Anforderungen an denMarkt, was die Nachfrage angeht, zu tun hat.In diesem extrem hohen Ölpreis sind 20 bis 30 Dollarpro Barrel an reiner Spekulation enthalten. Wir als deut-sche Bundesregierung haben im Zusammenwirken mitden G-8-Staaten versucht, wenigstens mehr Transparenzin das Marktgeschehen zu bringen, wenn schon mit na-tionalen Möglichkeiten allein die Preissetzung nicht in-frage gestellt werden kann. In Gleneagles ist das nichtzuletzt von Großbritannien und den Vereinigten Staatennoch abgelehnt worden. Wir werden an diesem Punktnicht locker lassen und weiter versuchen, über mehrTransparenz in Bezug auf das Marktgeschehen zu einerBeruhigung der Preissituation zu kommen, die dringendnotwendig ist, wenn wir nicht Probleme heraufbeschwö-ren wollen.
Entscheidend indessen ist etwas anderes, etwas, waswir mit nationalen Möglichkeiten sehr wohl in den Griffbekommen können: Wir müssen nach wie vor und nochentschiedener als in der Vergangenheit eine Politik be-treiben, die uns vom Öl und vom Ölverbrauch unabhän-giger macht. Eine Politik des Weg-vom-Öl ist dringendeNotwendigkeit.
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Viele haben es nicht glauben wollen, als wir gesagtaben: Das Setzen auf alternative, auf erneuerbare Ener-ien ist bitter notwendig, um vom Öl wegzukommen;as ist notwendig, um eine Energiepolitik zu kreieren,ie der Klimakatastrophe wirklich entgegenwirkt. Ichenne die Debatten und die Art und Weise, wie überiese Politik der rot-grünen Koalition hergezogen wor-en ist. Inzwischen wird deutlich, dass sie ohne vernünf-ige Alternative ist und dass sie deshalb weitergeführterden muss.
Um das sehr konkret zu machen: In Ihrer Zeit als Um-eltministerin, Frau Merkel, haben wir erleben können,ass der Anteil erneuerbarer Energien von 4,3 auf gerade,7 Prozent gesteigert werden konnte. Das ist die Bilanzhrer Zeit als Umweltministerin. In der Zeit unserer Re-ierung haben wir diese Zahl mehr als verdoppeln kön-en. Wir sind inzwischen bei 10 Prozent. Unser klaresiel ist, bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent zu kommen.as werden wir schaffen, weil wir das schaffen müssen.
Das, was Sie anstelle dessen anbieten – nämlich eineolle rückwärts zur Atomenergie –, ist völlig ungeeig-et, die Energieprobleme der Zukunft auch nur im An-atz zu lösen. Das ist ein völlig verkehrter Weg.
Das, was Sie da vorhaben, bedeutet, dass die großennergieversorger nicht das tun werden, was sie zugesagtaben, nämlich 20 Milliarden Euro in die Ertüchtigunger Netze und die Verbesserung der Qualität der laufen-en Kraftwerke zu investieren. Stattdessen werden sieurch die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraft-erken Gewinne machen. Das ist eine Strategie, die totalum Scheitern verurteilt ist, die wirtschaftspolitischchädlich ist, die umweltpolitisch schädlich ist und dieeshalb in Deutschland nicht Wirklichkeit werden darf.
Die Unterschiede sind sichtbar und sie werden auchesehen: auf der einen Seite eine verantwortliche, an denlimabedingungen orientierte Energiepolitik, auf der an-eren Seite ein Zurück in die Vergangenheit. Das sindie Unterschiede in der Umweltpolitik. Seien Sie sicher:
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Bundeskanzler Gerhard SchröderDie Menschen beobachten sehr genau, was wirklich hilf-reich ist und was nur in die Vergangenheit zurückführt.
In diesem Zusammenhang komme ich zu der Debatteum die so genannte Ökosteuer, eine interessante Diskus-sion. Anfangs konnte auf der rechten Seite des HohenHauses keiner schnell genug mit der Abschaffung derÖkosteuer sein. Inzwischen haben auch Sie gemerkt,dass die Einnahmen, die dadurch entstehen, in der Tat zu90 Prozent in die Rente fließen, also die Lohnnebenkos-ten senken oder zumindest stabilisieren. Damit wird daserreicht, was auch Sie eigentlich wollen.Sich jene Prozentpunkte, die nicht zur Stabilisierungder Rentenbeiträge verwendet werden, anzuschauen istindessen wirklich interessant. Da ziehen Ihre Leutedurch das Land und sagen, sie hätten entdeckt, dass mandie Ökosteuer um 3 Cent senken könnte.
– Ich will nicht persönlich werden, liebe Freunde. –
Das ist deshalb eine Milchmädchenrechnung, weil derAnteil der Ökosteuer am Benzinpreis etwas mehr als15 Cent beträgt. 10 Prozent fließen in den Haushalt. Dassind 1,5 Cent.Sie sagen gleichzeitig: Sie wollen die Mehrwert-steuer erhöhen – das haben Sie ja gesagt –, und zwar umzwei Punkte. Eine Mehrwertsteuererhöhung um zweiPunkte bedeutet bei dem gegenwärtigen Spritpreis eineVerteuerung um zwischen 2,2 und 2,5 Cent. Das heißt,die Autofahrer zahlen bei Ihrer Strategie drauf; sie wer-den nicht entlastet. Das ist ein riesiger Betrug, den Sie dastarten, meine Damen und Herren!
Aber keineswegs nur in diesem Punkt wird Unehr-lichkeit in einer Weise sichtbar, die kaum noch zu über-bieten ist.
Lassen Sie uns über die Sozialpolitik reden, damit Un-terschiede zwischen dem, was wir auf diesem Gebietmachen, und dem, was Sie wollen, deutlich werden.Mit der Agenda 2010 haben wir einen Kurs einge-schlagen, der in der Tat Deutschland auf einen gutenWeg gebracht hat. Ich komme zu den Ergebnissen; ichwerde sie Ihnen vorrechnen.Was war denn Inhalt der Agenda? Inhalt der Agendawar ein doppelter: Wir mussten und müssen die sozialenSicherungssysteme in Ordnung bringen und wir brau-chen die dadurch erzielten Ressourcen, um sie in wirk-liche Zukunftsfelder zu investieren – Felder, die im Inte-resse unseres Volkes und unseres Landes sind. Dazuwollen wir ein paar Bemerkungen machen und deutlichwI–ßwrmbznvSDwWadk4wgnhthFltG–wsUu2LFuddlsNe
it dem In-Ordnung-Bringen eines Gesundheitssystemsegonnen, das zu den besten in der Welt zählt. Das Prin-ip, das dieses System trägt und hält, heißt: Das medizi-isch Notwendige bekommt jede und jeder, unabhängigon seinem persönlichen Einkommen. Das ist gelebteolidarität.
afür mussten wir die Balance zwischen Eigenverant-ortung und solidarischer Finanzierung verändern.ir haben das getan. Wir haben die Verantwortung gernlleine übernommen. Sie, meine Damen und Herren voner Opposition, sind nun einmal, wie Sie sind.
Aber was ist denn jetzt? Aus Schulden der Kranken-assen sind Überschüsse geworden. Für mehr als0 Millionen Versicherte konnten die Beiträge gesenkterden. Das ist erfolgreiche Politik. Was haben Sie da-egen anzubieten? Damit wollen wir uns doch einmal ei-en Moment beschäftigen. Was Sie dagegen anzubietenaben, ist, die Finanzierung dieses hervorragenden Sys-ems der sozialen Sicherheit auf den Kopf zu stellen. Wiraben für eine neue Balance zwischen solidarischerinanzierung und Eigenverantwortung gesorgt. Sie wol-en dagegen einen Systembruch. Was Sie wollen, bedeu-et schlicht, dass der Generaldirektor genauso viel in dieesundheitskasse zahlt wie seine Putzfrau.
Das ist doch nun einmal so. – Das ist Ihre Politik. Wirerden nicht aufhören, das deutlich zu machen. Sie wis-en doch ganz genau, dass das so ist.
m das einigermaßen hinzubekommen, gehen Sie hernd wollen eine gewaltige Bürokratie aufbauen, die5 Milliarden Euro umverteilen muss. Ich sage Ihnen:assen Sie das sein! Bleiben Sie bei der solidarischeninanzierung! Was Sie tun, ist – erstens – in einer Weisengerecht, die kaum noch zu überbieten ist, und erfor-ert – zweitens – eine Umverteilungsbürokratie, dieem, was Sie ansonsten erzählen – Sie behaupten näm-ich, Sie seien für Bürokratieabbau –, wirklich hohn-pricht.
ein. Die Alternative, die auf der Finanzierungsseiteinzubinden ist, heißt eben nicht Kopfpauschale, son-
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Bundeskanzler Gerhard Schröderdern solidarische Versicherung, Bürgerversicherung, da-mit all diejenigen, die den Nutzen des Systems haben,entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit auch in das Sys-tem einzahlen. Das ist ein gerechtes Prinzip.
Da von Richtungen und Unterschieden die Rede ist,sollten wir auch über die Rentenversicherung sprechen.Ihr Professor aus Heidelberg hat
– Sie können jetzt nicht so tun, als gäbe es den gar nicht;er soll ja Finanzminister werden, habe ich gehört – ganzmerkwürdige Vorstellungen entwickelt, was die Renten-versicherung angeht. Dieser Mann will natürlich auchdieses System von den Füßen auf den Kopf stellen – dasist nämlich das Ergebnis – und behauptet: Die solida-risch finanzierte Rente gehört der Vergangenheit an. Ich,Kirchhof, will ein Modell nach dem Muster der Kraft-fahrzeugversicherung. – Wer ein solches Zeug redet, derhat keine Ahnung von der Lebenswirklichkeit, der ver-steht nicht, dass Menschen keine Sachen sind und dassman sie auch nicht so behandeln darf, als wären sie Sa-chen.
Wir haben die gesetzliche Rentenversicherung durchein Prinzip ergänzt, das man „Kapitaldeckung“ nenntund das im Grunde mehr Eigenverantwortung bedeutet.Wir haben mit der Riester-Rente eine zweite Säule un-ter das Dach der Rentenversicherung gestellt, damit dasDach ordentlich getragen wird. Aber eines ist klar – ichhabe gehört, dass viele von Ihnen ebenfalls dieser Auf-fassung sind –: Es ist falsch, das Prinzip aufzugeben,dass ein Teil der Sicherung im Alter von Menschendurch Menschen geschieht, und zu einer reinen Kapital-deckung überzugehen. Deswegen ist es so notwendig– vor allem im Interesse der älteren Menschen –, glas-klar festzustellen, dass so etwas jedenfalls in diesemHaus nicht zu machen ist. Genauso muss klargestelltwerden, dass die Reden, die jener Professor ständig hält,aufhören müssen. Sie verunsichern nämlich die Men-schen.
Das bestehende Rentenversicherungssystem vernünf-tig weiterzuentwickeln, das ist die Aufgabe, die wir ge-meinsam haben. Der nächste Schritt, der getan werdenmuss, nachdem die Stabilität der gesetzlichen Renten-versicherung, ergänzt durch Kapitaldeckung, geleistetworden ist, ist nicht die Debatte über die Verlängerungdes nominalen Alters des Eintritts in die gesetzlicheRentenversicherung, sondern eine Debatte über dieFrage, wie wir es zustande bringen, dass ältere Men-schen aus dem Produktionsprozess nicht einfach heraus-gedrängt werden und dass das tatsächliche Rentenein-trittsalter dem gesetzlichen angepasst wird.
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iese Strategie hilft den Menschen, länger im Produk-ionsprozess zu bleiben, wenn sie es wollen, und sie si-hert die Finanzierbarkeit dieses Systems.Die Unterschiede sind auch hier deutlich; ich habe sieenannt. Genauso werden die Unterschiede bei der Be-andlung des gesamten Bereichs der Arbeitswelt deut-ich. Da geht es in der Tat um das, was wir – wiederumemeinsam, ohne dass Sie darüber noch reden wollen –emacht haben, nämlich um die Reformen auf dem Ar-eitsmarkt. Diese Reformen beginnen zu wirken. Siechreiben auf Ihren Plakaten, dass wir sozialversiche-ungspflichtige Arbeitsplätze verlieren. Das ist ein gro-er Quatsch: Seit ihrem In-Kraft-Treten am. Januar 2005 beginnen diese Reformen zu wirken. Seitpril dieses Jahres entstehen täglich 1 500 sozialversi-herungspflichtige Arbeitsplätze. Das ist die Wirkung ei-er vernünftigen Reformpolitik.
Wir sind es, die dafür gesorgt haben, dass es für jungeeute, die unter 25 Jahre sind, einen Rechtsanspruchibt entweder auf einen Ausbildungsplatz oder auf einenrbeitsplatz oder auf eine Beschäftigung, die eine Per-pektive in Bezug auf Qualifizierung in sich trägt. Dasst eine vernünftige Reformpolitik. Das ist eine Politikm Interesse der jungen Leute.Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang offen redenber Statistiken, die Sie gern fälschen.
Natürlich fälschen Sie die Statistiken! Sie schreibenuf Ihre Plakate, es gebe 5 Millionen Arbeitslose. Sieaben völlig außen vor gelassen, dass Sie selber eineeform mitbeschlossen haben, durch die zwischen00 000 und 400 000 Menschen, die vorher in der So-ialhilfe waren, obwohl sie arbeitsfähig sind, neu in dietatistik gekommen sind. Das sind die gleichen Leute;ur die Statistik hat sich geändert. Das verraten Sie denenschen in Deutschland aber nicht, weil Sie von dieserrt der Verlogenheit etwas haben wollen.
Hinter dieser Zahl stehen 180 000 junge Leute unter5 Jahren, die bereits Sozialhilfekarrieren vor sich hat-en. Wir sind unserer Verantwortung nachgekommen undaben sie da herausgeholt, um ihnen endlich eine Per-pektive zu geben. Denn nichts ist schlimmer, als wennenschen in diesem Alter bereits Sozialhilfekarrieren
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Bundeskanzler Gerhard Schrödervor sich haben und keine Perspektive in Bezug auf Aus-bildung, Arbeit oder sonstige Tätigkeit.
Im Übrigen will ich mit Ihnen gerne über die Arbeits-welt reden. Wir haben eine vernünftige Balance zwi-schen der Flexibilität in den Unternehmen und demSchutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorwillkürlicher Entlassung gefunden. Ich wiederhole: Dasist eine vernünftige Balance. Diese Balance trägt wirt-schaftlich, gibt den Menschen aber auch hinreichendSicherheit. Sie wollen das zerschlagen: Sie wollen Men-schen, die einen Job haben und die gute Arbeit machen,in Unsicherheiten stürzen. Das ist nicht richtig. Es ist üb-rigens auch wirtschaftlich nicht vernünftig;
denn auch die Stabilität dieser Gesellschaft ist Grund-lage des wirtschaftlichen Erfolges, den wir haben.Lassen Sie uns über Steuerpolitik reden; darüber redeich gern, insbesondere jetzt. Als wir ins Amt kamen– das gehört zu der Bilanz, die Sie gefordert haben –,war der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent und der Ein-gangssteuersatz bei 25,9 Prozent. Das war das ErgebnisIhrer Politik. Jetzt ist der Spitzensteuersatz bei 42 Pro-zent und der Eingangssteuersatz bei 15 Prozent. Das hilftMenschen konkret.Übrigens, die Konsequenz dessen ist, dass die Netto-lohnentwicklung in der Zeit unserer Regierung deutlichgünstiger ist als zwischen 1992 und 1998.
Das ist Ergebnis unserer Politik, meine Damen undHerren. Wir werden diese Politik fortsetzen. Wir habenangekündigt – wir stehen dazu –, dass wir aufgrund derinternationalen Wettbewerbsfähigkeit, die sonst infragegestellt würde, den Körperschaftsteuersatz auf 19 Pro-zent herunterbringen werden. Gegenfinanziert werdensoll dies aus dem Aufkommen der Unternehmensbesteu-erung; da wird wirklich Subventionsabbau betrieben.Genauso werden wir es mit der Erbschaftsteuer ma-chen, hinsichtlich deren ich immer nur gehört habe, manwolle pro Jahr 10 Prozent an sich geschuldeter Erb-schaftsteuer nicht haben, um, wenn das Unternehmenzehn Jahre lang weitergeführt wird, ganz auf sie zu ver-zichten. Dazu haben wir viel gehört, zum Beispiel ausBayern. Wenn es aber Ernst wird, hat man es alles nichtso gemeint. Wir werden dies wieder auf die Tagesord-nung setzen, weil es eine vernünftige Steuerpolitik ist.
Dann wird erzählt, wir wollten den Menschen, die alsVerheiratete mehr als 500 000 Euro an versteuerbaremEinkommen – brutto oder netto – haben, 3 Prozent ab-nehmenuu–t–gasshshDdeDu2Hkaslg–dIFdcae
nd diese Mittel in Bildung, Betreuung sowie Forschungnd Entwicklung stecken.
Das ist der Generalsekretär der FDP, einer der schlaus-en Generalsekretäre, die Deutschland je gesehen hat.
Jene Menschen, die diese 3 Prozent zahlen sollenüber meinen Beruf kenne ich viele, die in dieser Kate-orie sind –, sagen: Okay, wenn ihr das an Bildung undn die Betreuung der Kinder bindet, sind wir bereit, un-er Scherflein dazu beizutragen. Dies werden wir durch-etzen, meine Damen und Herren. Ich habe damit über-aupt keine Probleme; damit dies einmal klar ist.
An einem jedenfalls sollte man festhalten: dass Be-teuerung in diesem Land entsprechend der Leistungsfä-igkeit der Menschen erfolgt.
azu muss ich wieder einmal auf jenen Herrn aus Hei-elberg zu sprechen kommen. Übrigens ist Heidelbergine wunderschöne Stadt; ich war gerade dort.
ieser Herr aus Heidelberg sagt, Leistungsfähigkeitnd Besteuerung gehörten nicht zusammen, er wolle5 Prozent für alle. Meine sehr verehrten Damen underren, dies ist in einer Weise sozial ungerecht, dieaum noch zu überbieten ist. Geben Sie diesen Quatschuf! Er führt zu nichts.
Ich darf nicht sagen, dass er zu nichts führe. Ich mussagen: Er führt zum Beispiel dazu, dass der Staat auf al-en Ebenen im ersten Jahr fast 43 Milliarden Euro weni-er in den Kassen hat.
Genau. Man muss doch einmal klar aussprechen, wasies bedeutet: weniger Investitionen in Bildung, wenigernvestitionen in Betreuung, weniger Investitionen inorschung und Entwicklung, weniger Investitionen inie innere Sicherheit. Meine Damen und Herren, ein sol-hes Steuerkonzept ist unsinnig. Niemand kann der-rtige Experimente verantworten.
Dann höre ich, dass gesagt wird, man könne das jainmal versuchen; so ernst sei es auch nicht zu nehmen,
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Bundeskanzler Gerhard Schröderwas Herr Kirchhof da erzählt. So sagte Frau Merkel,wenn auch nicht direkt zitiert, aber doch sinngemäß.
– Dass Sie an dieser Stelle lachen, habe ich mir gedacht.Ich lerne doch nicht auswendig, was Ihre Fraktionsvor-sitzende sagt, um es dann zitieren zu können. So weitwollen wir doch wohl nicht gehen.
Aber es ist völlig klar, was dies bedeutete. Wer be-zahlt denn das, was Herr Kirchhof da vorschlägt? Daraufwird zurückzukommen sein. Zunächst einmal, meineDamen und Herren, sagen Sie, man solle diesen Vor-schlag nicht so ernst nehmen, er werde frühestens in derzweiten Legislaturperiode zum Tragen kommen. Unab-hängig davon, dass es keine solche geben wird – es gibtja nicht einmal eine erste –,
sage ich Ihnen: Wer so über Steuerpolitik, über dieGrundlagen der Finanzierung unseres Staatswesens re-det, wer meint, er dürfe 82 Millionen Bürgerinnen undBürger unseres Landes zu Versuchskaninchen von HerrnKirchhof erklären, der handelt unverantwortlich. Sokann man das doch nicht machen.
Es ist richtig, hier und heute über die Finanzierungs-vorschläge zu reden, die gemacht wurden. Die Finanzie-rung dieser merkwürdigen Konzepte soll unter anderemüber die Abschaffung der Steuerfreiheit für Nachtarbei-ter, für Feiertagsarbeiter und für Schichtarbeiter – natür-lich auch für Arbeiterinnen – erfolgen. Dies ist im KernIhr Konzept.Die Menschen, die sich feiertags und nachts für unsalle krumm legen, sollen die Steuerpolitik von HerrnKirchhof bezahlen! Meine Damen und Herren, dies kanndoch wohl nicht Ihr Ernst sein. Das darf nicht sein unddas wird auch nicht sein; ich bin dessen sicher.
Wer in dieser Weise mit den Rechten derer umgeht,die nun wahrlich zu denjenigen gehören, die für sichselbst und ihre Familien, vor allen Dingen aber für dasGemeinwesen da sind, der zeigt nur eines: Er hat wirk-lich nicht verstanden, was unsere Gesellschaft im Inners-ten zusammenhält, nämlich das Maß an Gerechtigkeit,das Menschen möglich ist, und das Maß an Solidarität,auf das ein jeder Anspruch hat. Darum sollte es gehen.
Ich habe deutlich gemacht, dass die Agenda einendoppelten Sinn hat: Es geht darum, Ressourcen freizube-kommen, um in wirkliche Zukunftsfelder zu investieren.Wir haben damit begonnen, in Forschung und Ent-wicklung zu investieren. Wir sind es gewesen, die die-sWdkSstvstBisbGDEZzKs–sWs–sErfhdgndoktD
Genauso klar muss sein, dass wir die über die Neujus-ierung der Sozialsysteme frei werdenden Mittel in dieildung unserer Kinder investieren, vor allen Dingenn bessere Betreuung. Obwohl formal nicht zuständig,ind wir es gewesen, die damit begonnen haben. Wir ha-en 4 Milliarden Euro in die Hand genommen, um dieanztagsbetreuung in unseren Schulen zu verbessern.as beginnt zu wirken, meine Damen und Herren. Bisnde 2007 werden 10 000 davon profitieren.
Wir sind es gewesen, die im Zusammenhang mit derusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfeum Arbeitslosengeld II dafür gesorgt haben, dass dieommunen Mittel freibekommen. Ihnen geht es zurzeito gut wie selten zuvor.
Lesen Sie doch einmal die Zeitungen! Dass siechwarze Zahlen schreiben, können Sie doch in jedemirtschaftsteil lesen, wenn Sie überhaupt je den Wirt-chaftsteil zur Hand nehmen.
Das können Sie doch lesen, meine Damen und Herren.
Wir sind es gewesen, die gesagt haben: Von den er-parten 2,5 Milliarden Euro werdet ihr 1,5 Milliardenuro in die Betreuung der unter Dreijährigen investie-en. Das ist zukunftsgerichtete Politik; um deren Weiter-ührung ohne Abstriche geht es.
Wir sind es gewesen, die auf diesem Feld begonnenaben, den Familien zu helfen, zuerst mit der Erhöhunges Kindergeldes, dann mit den Betreuungseinrichtun-en, über die ich geredet habe.An dieser Stelle werden wir weitermachen. Derächste Schritt wird ein Elterngeld sein, das diejenigen,ie Kinder haben wollen, in den Stand setzt – ob Frauder Mann –, sich ein Jahr lang um diese Kinder zuümmern, ohne dass sie gravierendste Einbußen an Ma-eriellem und an Karrieremöglichkeiten erleiden müssen.as ist der Kern einer neuen Familienpolitik, ergänzt
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17504 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
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Bundeskanzler Gerhard Schröderdurch die Betreuungsangebote, die wir gemacht habenund weiter machen werden.
Sie können ja sagen, was Sie stattdessen wollen, und dieMenschen werden entscheiden können.
Das Gleiche gilt in Bezug auf die internationale Poli-tik. Wir werden morgen im Beisein des russischen Präsi-denten
– was „Ah!“? –
einen wirklich wegweisenden Schritt erleben, nämlichden, dass ein russisches Unternehmen auf der einen Seiteund zwei deutsche auf der anderen Seite vereinbarenwerden, die Unabhängigkeit der deutschen Energie-versorgung zu sichern – darum geht es nämlich im Klar-text –,
indem in der Ostsee eine Pipeline gebaut wird, die ihres-gleichen sucht und die zu dieser Sicherung beiträgt. Ichhalte das für einen der entscheidenden Schritte, was dieSicherung unserer Energieversorgung gerade in der jet-zigen Zeit angeht.Was wir im Verhältnis zwischen Deutschland undRussland, im Verhältnis zwischen Europa und Russlandeingeleitet haben und was gelegentlich von Außenpoliti-kern Ihrer Seite, wenn ich sie denn so bezeichnen soll,diskreditiert wird, sucht seinesgleichen. Das ist die rich-tige Konsequenz aus der historischen Verantwortung unddas ist die richtige Konsequenz, wenn es um die Siche-rung der für unsere Wirtschaft so bedeutsamen Energie-versorgung geht. Das ist im Mittelpunkt dessen, wasmorgen geleistet werden wird.
Das zeigt, dass wir Außenwirtschaftspolitik undAußenpolitik interessengerecht, an unseren Interessenorientiert betreiben. Das zeigt im Übrigen, dass wir aufdem richtigen Weg sind. Diese Regierung – es machtSinn, dass das so bleibt – hat Deutschland als eine mitt-lere Macht positioniert, die bündnisfähig und bündnisbe-reit ist, die hilft, wenn Freunde in Not sind, aber die Neinzu sagen in der Lage ist, wenn über einen Krieg ent-schieden wird, dessen Sinn wir nicht einsehen, die alsoNein zu sagen in der Lage ist und das auch tut, meineDamen und Herren.
Die wirtschaftlichen Erfolge sind sichtbar. ImArbeitsmarkt ist Bewegung,libwwDwuggrvrd–idgsZrRtKtsruelEsAddklr
Wir haben deutlich gemacht, was wir in der nahenukunft wo tun wollen. Wir werden an der Stabilisie-ung der Einnahmeseite – bei der Krankenkasse, bei derente – weiterarbeiten. Wir werden weiter daran arbei-en, dass endlich mehr Mittel in die Betreuung unsererinder gesteckt werden. Wir werden weiter daran arbei-en, dass endlich mehr in Forschung und Entwicklungowie in Bildung investiert wird. Wir sind da auf demichtigen Weg. Dieser Weg der Erneuerung nach innennd der außenpolitischen Positionierung des Landes alsine Friedensmacht, die die Konflikte dieser Welt mög-ichst friedlich lösen will, ist gut für Deutschland.
r ist richtig und – ich bin dessen sicher – er wird fortge-etzt werden.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
ngela Merkel, Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion,
as Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-eskanzler, wir haben Ihnen aufmerksam zugehört. Ichann nur sagen: Es ist Ihnen nicht einmal im Ansatz ge-ungen, ein Konzept für die Zukunft aufzuzeigen, das Ih-en Namen und Ihre Parteifarbe trägt.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17505
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Dr. Angela Merkel
Da, wo Sie es versucht haben, hat das Ganze einen Ha-ken: Da, wo es besonders schöne Wohltaten sind, wo esdarum geht, Geld auszugeben, würden sie nie Realitätwerden, weil es die reale Finanzlage des Bundes über-haupt nicht zulässt.
Da, wo Sie falsche Konzepte vertreten, wie zum Beispieldie Bürgerversicherung – gegen den Rat aller Fachleute –,
würden Sie Deutschland nicht nutzen, sondern schaden.
Da, wo Sie vielleicht ansatzweise einmal in die richtigeRichtung denken, würden Sie wieder an Ihrer eigenenPartei scheitern.
Das ist die Realität.
Damit es für die Bürgerinnen und Bürger, die uns zu-schauen, nicht in Vergessenheit gerät: Genau aus diesemGrunde ist in knapp zwei Wochen Wahl, Herr Bundes-kanzler, genau aus diesem Grunde.
Sie haben sieben Jahre lang entweder leere Verspre-chungen gemacht, die falsche Politik verfolgt oder Siekonnten sich nicht durchsetzen. Das ist der Dreiklangdes rot-grünen Scheiterns. Deshalb kann man nur sagen:Alles, was Sie versucht haben, in Ihren Pünktchen zuvertreten, ist Schall und Rauch. Eigentlich wäre ein Zu-kunftsprogramm zu dieser Jahreszeit, in dieser Wocheein Haushalt gewesen, den Sie hätten vorlegen müssen.
Das ist die Visitenkarte jedweder Regierung gegenüberdem Parlament. Das haben Sie nicht geschafft. Deshalbsind Sie Vergangenheit, Herr Bundeskanzler, deshalbsind Sie gescheitert.
Sie sind ein Mann, der seine Chance hatte und die ernicht nutzte, weil er gescheitert ist an seiner Partei, ansich selbst und an seiner Wahrnehmung der Realität.
Meine Damen und Herren, das, was die Menschendraußen im Lande interessiert, sind doch ganz andereFAmDlmsEsvd1hErtrwGlsgw7gdwdiNnsgW
ie Antwort heißt: Nein, es gibt nicht weniger Arbeits-ose. Es gibt fast 5 Millionen Arbeitslose. Darüber kom-en Sie auch nicht hinweg. Das ist einfach so; das wei-en Ihre Statistiken aus.
s gibt 1,3 Millionen Menschen in arbeitsmarktpoliti-chen Maßnahmen und es gibt, von der Bundesagenturor wenigen Tagen noch einmal verdeutlicht, im Jahres-urchschnitt des letzten Jahres mehr als 1 000, genau:100 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsver-ältnisse weniger.
s gibt keine vernünftige Statistik, die nicht einen Jah-esvergleich beinhaltet, sondern es gibt nur eine Statis-ik, die mit einem Jahresvergleich arbeitet, weil die Jah-eszeiten Eingang in die Beschäftigungslage finden; dasissen Sie.
aukeln Sie den Menschen nichts vor! Es sind auch imetzten Jahr über 1 000 sozialversicherungspflichtige Be-chäftigungsverhältnisse gewesen, die verloren gegan-en sind, meine Damen und Herren.
Die Frage, die die Menschen interessiert, ist: Gibt eseniger Bürokratie? Da ist die Bilanz ganz eindeutig:00 neue Gesetze und mehr als 1 000 neue Verordnun-en. Wer da behauptet, es gebe weniger Bürokratie, undarauf verweisen sollte, dass Herr Clement 44 Regel-erke abgeschafft hat, dem kann ich nur sagen: Gran-ios gescheitert. Alles ist komplizierter geworden. – Dasst die Bilanz von Rot-Grün.
Gibt es heute mehr Wachstum als vor sieben Jahren?ein. Gerade wurden die Wachstumsprognosen wiederach unten korrigiert: weniger als 1 Prozent. Überein-timmende Meinung aller Forschungsinstitute ist: Esibt kein Zusammengehen der Schere zwischen Ost undest. Die Antwort heißt: Nein.
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17506 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
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Dr. Angela MerkelSind unsere sozialen Sicherungssysteme sicherer ge-worden? Die Antwort heißt ganz eindeutig: Nein. DieRente wird auf Pump finanziert. Die Schwankungs-reserve ist aufgebraucht. Und die Pflegeversicherung be-findet sich in einem ganz bemitleidenswerten Zustand.Das sind die Realitäten.
Deshalb muss die Frage, ob es unserem Land heutebesser geht als vor sieben Jahren, mit einem ganz klarenNein beantwortet werden.
Wir müssen Sie einfach wieder an Ihre Worte erinnern,Herr Bundeskanzler – Sie haben damals richtigerweisedie Arbeitslosigkeit zum zentralen Maßstab Ihres Er-folgs gemacht –: Wenn es uns nicht gelingt, die Arbeits-losigkeit signifikant zu senken, dann sind wir es nichtwert, wieder gewählt zu werden. – Wo Sie Recht haben,haben Sie Recht; genau das wird passieren.
Wenn Sie durchs Land gehen und den Menschen sa-gen, sieben Jahre Rot-Grün seien gute Jahre für das Landgewesen,
dann ist das Hohn in den Augen derer, die heute Angstum ihren Arbeitsplatz haben, die keinen Arbeitsplatz ha-ben, die Pleite gehen, die sich mit Bürokratie herum-schlagen. Das ist blanker Hohn!
Damit kommen wir dann auch zum Kern Ihres eigent-lichen Scheiterns. Sie werden ein Land nur verändernkönnen, wenn Sie die Menschen im Land ernst nehmen.Sie nehmen die Menschen nicht ernst, sondern Sie spie-len mit den Menschen, und das ist der Fehler.
Sie haben immer wieder Versprechen gebrochen und da-mit Vertrauen zerstört. Deshalb werden wir anders vor-gehen. Deshalb werden wir anders regieren.
Deshalb werden wir deutlich machen: Wir schließenBündnisse mit den Menschen; wir nehmen sie ernst. Dasist die Voraussetzung, um ein Land nach vorn zu bringenund zu reformieren.
Genau deshalb brauchen wir eine Politik aus einemGuss,
eine Politik, die die Richtung für das Land grundlegendbeschreibt, die kein Zickzackkurs ist, die mit klarenMaRdDgHSwWKukbdRwNzAttbDsDarBttfBId
ie wären glaubwürdig gewesen, Herr Bundeskanzler,enn Sie jemals die Kraft gehabt hätten, Herrnowereit in Berlin von Rot-Rot abzubringen. Dieseraft hatten Sie nicht. Deshalb glauben wir Ihnen nichtnd die Menschen glauben Ihnen auch nicht.
Wir brauchen einen neuen Anfang. Wir brauchen einelare Entscheidung für Deutschland. Darum werben wirei den Menschen. Wir wollen mit ihnen ein Bündnis inrei Zukunftsfeldern eingehen:Erstens. Wir brauchen Vorfahrt für Arbeit.
ichtig ist: Sozial ist, was Arbeit schafft. Diesen Wegerden wir konsequent verfolgen.
atürlich wollen wir menschenwürdige Arbeit, gut be-ahlte Arbeit.
ber wenn wir teurer sind als andere – und wir werdeneurer sein; wir können den Wettbewerb um die billigs-en Arbeitsplätze nicht gewinnen –, dann müssen wiresser sein.
eshalb ist der Schlüssel zu allem: Innovation, For-chung, Kreativität und Ideenreichtum unseres Landes.arauf setzen wir; das ist unser Schwerpunkt.
Deshalb werden wir überall dort, wo sich Barrierenuftun – ob das bei einer komplizierten Chemikalien-ichtlinie in Brüssel, im Gentechnikgesetz oder bei dereschneidung der forschenden pharmazeutischen Indus-rie ist –, Bremsen lockern, um Forschung und Innova-ion in Deutschland möglich zu machen. Ich bin sehrroh, dass Heinrich von Pierer sich bereit erklärt hat, alserater zur Verfügung zu stehen, um einen Beitrag zurnnovation und zur Verknüpfung mit dem Mittelstand,er innovativer werden muss, zu leisten.
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Dr. Angela MerkelEr wird hier vernünftige und gute Arbeit leisten.
Zweitens. Wir werden natürlich die Exzellenzinitia-tive fortsetzen. Wir haben lange genug darüber verhan-delt und nur uns ist es zu verdanken, dass es wirklich umLeistung geht und nicht um politische Steuerung.
Es muss um Leistung gehen, wenn wir in der ForschungHöchstleistungen erzielen wollen. Wir sind stolz darauf,dass wir in den Verhandlungen erreicht haben, dass dieLeistungsstärksten und nicht die politisch am meistenGewollten an der Innovation teilnehmen können und dasGeld dafür bekommen.
Drittens. Wir werden Bürokratieabbau ganz vorneansetzen. In der jetzigen Situation des Haushaltes gibt esnur eine Möglichkeit: Wachstum schaffen vor allen Din-gen durch Maßnahmen, die nichts kosten. Deshalb istBürokratieabbau ein Schlüsselpunkt in unserem Pro-gramm.
– Das heißt, dass wir uns noch einmal vergegenwärtigenmüssen, dass kleine und mittlere Unternehmen heute4 bis 6 Prozent ihres Umsatzes für Bürokratiekosten aus-geben. Da ist es vielleicht einmal einen Gedanken wert,zu überlegen: Wie halbieren wir die Bürokratiekosten,um so den Mittelstand mit mehr Eigenkapital auszustat-ten und es ihm zu ermöglichen, Kredite aufzunehmenund damit in die Zukunft zu investieren und dann auchwieder mehr junge Leute auszubilden? Meine Damenund Herren, das ist doch kein Zustand, wie es zurzeit mitden Ausbildungsplätzen ist.
Wir werden auch das Steuerrecht vereinfachen.
Dies ist eine zentrale Frage bei der Gerechtigkeit in un-serer Gesellschaft. Die Menschen draußen empfinden esdoch auch so.
Die Menschen draußen wissen doch, dass das Problemunseres Steuerrechts heute darin besteht, dass wir zwarSteuersätze haben, die gut klingen, dass aber die, die ammeisten verdienen, auch die beste Kenntnis von denAusnahmen haben. Deshalb müssen Ausnahmen abge-schafft werden, damit Gerechtigkeit in das Steuergesetzeinzieht. Wir werden ein Programm auflegen, mit demwze–sGdgrDGspssgmsnddIEbhüDgvgLseDuUfh
Die stehen alle in unserem Regierungsprogramm undind sehr gut nachlesbar. – Dann wird ein Stück mehrerechtigkeit in die gesamte Steuerdebatte kommen.
Wir werden im Übrigen zum ersten Mal – ich halteas für eine ganz qualitative Entscheidung – jedem Bür-er unseres Landes einen Freibetrag von 8 000 Euro ein-äumen, egal ob es ein Kind ist oder ein Erwachsener.amit wird zum ersten Mal deutlich, dass uns in dieseresellschaft Kinder genauso viel wert sind wie Erwach-ene. Damit geben wir eine Antwort auf die Zukunfts-robleme unserer Zeit.
Die Art und Weise, wie Sie mit Paul Kirchhof um-pringen, wie Sie ihn titulieren,
pricht gegen alles, was Deutschland vertragen kann. Ichlaube, im Ausland fasst man sich an den Kopf, wennan hört, was Sozialdemokraten hier von sich geben.
Ich kann das eigentlich nur mit permanenten histori-chen Irrtümern erklären. Auch Kurt Schumacher – erin-ern wir uns – hat im Wahlkampf 1949 immer ganzeutlich von einem Professor aus Nürnberg gesprochen,er ein Werbeluftballon sei, der ein Agitator sei, der eindeologe sei. Meine Damen und Herren, es war Ludwigrhard, der Vater der sozialen Marktwirtschaft. Sie ha-en bis Anfang der 60er-Jahre gebraucht, um zu verste-en, was dieser Mann für Deutschland bedeutet hat.
Herr Bundeskanzler, Sie sollten sich ab und an malber die Beschlüsse des Bundesrates informieren lassen.ort ist gegen die Stimmen der sozialdemokratisch re-ierten Länder das Erbschaftsteuerrecht genau in deron Ihnen beschriebenen Weise beschlossen worden –egen die Stimmen der sozialdemokratisch regiertenänder. Gott sei Dank sind es so wenige, dass wir eineatte Mehrheit hatten. Dann haben wir die Sache hieringebracht und ihr ist eben nicht zugestimmt worden.as ist die Wahrheit. Deshalb: Kümmern Sie sich dochm die Fakten und erzählen Sie hier nicht solche Dinge!
Wir werden in der nächsten Legislaturperiode einenternehmensteuerreform machen, die zu einer rechts-ormneutralen Besteuerung aller Unternehmen führt. Daseißt, dass Körperschaften nicht besser gestellt werden
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Dr. Angela Merkelals Personengesellschaften – ein Urpunkt von Gerechtig-keit, dem wir uns nähern müssen.Ich habe heute kein Wort von Ihnen dazu gehört, wasSie auf diesem Gebiet vorhaben. Nur Klein-Klein, punk-tuell hier und dort! Das ist vollkommen inakzeptabel.
Selbstverständlich haben Sie natürlich auch nichts zuden Ausführungen Ihres Finanzministers im heutigen„Tagesspiegel“ gesagt.
Da wird das Chaos nun komplett. Was erwartet uns dennin Bezug auf die Mindestbesteuerung? Wie wird dieMehrwertsteuer verändert? Was hat er vor? Es ist ganzinteressant: Er bringt alle Beschlüsse von früher wiederein. Da wird wohl die Pendlerpauschale wieder auf dieTagesordnung kommen. Rot-Grün hatte vorgeschlagen,sie auf 15 Cent für alle Entfernungen zu senken.
Wir haben im Vermittlungsausschuss dafür gesorgt, dasssie von 36 respektive 40 Cent auf 30 Cent gesenkt wurdeund nicht auf 15 Cent, wie Sie es vorhatten. Ich finde,die Menschen draußen müssen wissen, was sie erwartenwürde.
Die Menschen draußen können froh sein, dass wir ih-nen vor der Wahl sagen, was wir nach der Wahl machen,damit sie endlich Sicherheit über das haben, worüber sieentscheiden. Das werden sie dann am 18. Septemberauch tun; davon bin ich völlig überzeugt.
Herr Bundeskanzler, natürlich haben wir Hartz IV ge-meinsam beschlossen, im Übrigen auch die Teile, derenSie sich jetzt rühmen: dass zum Beispiel für junge Men-schen ein Angebot gemacht werden soll. Die Wahrheitist nur: In den letzten Jahren ist die Jugendarbeitslosig-keit um 25 Prozent gestiegen. Wir sind längst nicht mehrSpitze in Europa, sondern liegen irgendwo im Mittelfeld.Da muss etwas getan werden,
und zwar nicht nur in Form von 1-Euro-Jobs. Da müssenvielmehr Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt entste-hen.
Dazu kann ich nur sagen: Wir müssen versuchen, hierdie richtigen Weichen zu stellen.Ich sage es Ihnen voraus – auch hier wird die Ge-schichte uns Recht geben, wenn wir es tun –: Wir müs-sen weitere Flexibilisierungen auf dem Arbeitsmarktdurchführen, damit für die Menschen die Barriere ge-senkt wird, in den ersten Arbeitsmarkt hineinzukommen.
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arüber nachdenken – das werden wir auch tun –, eineption einzuführen, und zwar entweder den klassischenündigungsschutz beizubehalten oder bei der Einstel-ung eine Abfindung zu vereinbaren,
amit gerade Mittelständler und kleine Betriebe nichtngst haben müssen, vor dem Arbeitsgericht viel Zeit zuerbringen, sondern damit sie Rechtssicherheit haben.ch bitte Sie: Angesichts von fast 5 Millionen Menschen,ie Arbeit suchen, ist das doch das Mindeste, was maninmal versuchen kann.
s ist doch nicht redlich, hier wieder den Untergang desbendlandes auszurufen.
Wir brauchen betriebliche Bündnisse für Arbeit, weiln vielen Fällen die kleinen Betriebe – das betrifft nichtie großen; bei den großen stehen die Kameras vor derür; da wird eine Regelung gefunden, wie sie der Be-riebsrat oder die Beschäftigten wollen –
robleme haben, nicht schnell genug reagieren zu kön-en. Es gibt zig Beispiele, bei denen wir später über ei-en Sozialplan oder ein Insolvenzverfahren geredet ha-en, das hätte abgewendet werden können, wenn dieewerkschaften zugestimmt hätten.
Ich verkenne nicht – ich habe gestern ausführlich mitem DGB gesprochen –, dass es inzwischen in einigenranchen sehr flexible Tarifverträge gibt. Aber ich stelleuch fest, dass es andere Branchen gibt, in denen dieselexibilität nicht da ist. Wir brauchen die rechtlicherundlage für betriebliche Bündnisse für Arbeit, um Ar-eitsplätze in Deutschland zu erhalten und ihre Abwan-erung zu verhindern. Das Ziel ist: Vorfahrt für Arbeit!
Wir werden die Lohnzusatzkosten senken. Eine Mög-ichkeit ist die Gesundheitsprämie. Es ist schon aben-euerlich – auch Sie haben sich mit den Ergebnissen derürup-Kommission befasst –, dass Sie immer wieder
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Dr. Angela Merkelwahrheitswidrig Dinge behaupten, die nicht richtig sind.Wir schlagen eine solidarische Gesundheitsprämie vor,
wobei zum Zeitpunkt der Umstellung kein einziger Bür-ger und keine einzige Bürgerin mehr zahlen, als sie vorder Umstellung gezahlt haben. Dies geschieht im Rah-men eines automatischen Sozialausgleichs. Das ist dieWahrheit.
Meine Damen und Herren, es kommt hinzu, dass wirdie Gesundheitskosten für die Kinder aus dem Steuer-system bezahlen werden. Das bedeutet, dass zum aller-ersten Mal auch diejenigen, die über 3 500 Euro verdie-nen, einen Beitrag dazu leisten werden, dass dieGesundheit der Kinder in Deutschland beitragsfrei gesi-chert werden kann.
Sie reden über Reichensteuern und sonstwas, was garnichts einbringt. Wir sehen Maßnahmen vor, durch diemehr Gerechtigkeit geschaffen wird. Da zeigt sich: Auchdiejenigen, die über 3 500 Euro verdienen, leisten ihrensolidarischen Beitrag. Es ist doch nicht einzusehen, dasswir alle, die wir hier sitzen und über 3 500 Euro verdie-nen, nicht mehr für die Gesundheit der Kinder zahlen.
Das wird sich ändern. Das ist ein Schritt zu mehr Solida-rität in unserer Gesellschaft. Den werden wir ganz offen-siv verfolgen.
Wir werden die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkteerhöhen, um zu dem Kern unserer Bemühungen, näm-lich die Lohnzusatzkosten zu verringern – die Lohn-zusatzkosten in Deutschland sind mit die höchsten inEuropa –, vorzustoßen und die Arbeitslosenversiche-rungsbeiträge um 2 Prozentpunkte senken zu können.Das ist dann ein Beitrag dazu, dass Arbeit nicht weiterabwandert. Schauen Sie sich die Lohnzusatzkosten imverarbeitenden Gewerbe in Dänemark und in West-deutschland an. Während es in Dänemark im Durch-schnitt 7 Euro sind, sind es in Deutschland mehr als12 Euro. Das heißt, jeder deutsche Mitarbeiter muss um5 Euro pro Stunde besser sein, um das auszugleichen. Dakann ich doch nur sagen: Das wird nicht gelingen. Des-halb ist der einzige Weg, wenn wir den Menschen nichtGehalt wegnehmen wollen – das wollen wir nicht –, dieLohnzusatzkosten zu senken und auf breite Schultern zuverteilen. Genau das machen wir.
Wir gehen im Übrigen nicht an den ermäßigtenMehrwertsteuersatz heran – das verbietet sich aus so-zialen Gründen –, sondern wir sagen: Hier muss einSchwerpunkt gesetzt werden. Er muss erhalten bleiben.Vielmehr gehen wir an den normalen Mehrwertsteuer-sdDbReStHdUwgkFdct–hcgsmnbEVmr–erdasDfSBwcu
Nun würde ich auch gern ein Wort – weil es eintandortfaktor ist – zu den Energiepreisen, Energiekos-en und zur Energiepolitik sagen. Ich darf das Hoheaus vielleicht noch einmal freundlich daran erinnern,ass das Stromeinspeisungsgesetz von einer von dernion und der FDP getragenen Regierung verabschiedetorden ist. Es ist weiterentwickelt worden und enthältute Elemente. Aber diese guten Elemente haben heuteeinerlei Deckelung nach oben. Deshalb stellen wir dierage, ob man an dieser Stelle vielleicht ein wenig überas Ziel hinausschießt. Darüber muss im Detail gespro-hen werden; denn wir müssen bei der Energiepolitik na-ürlich immer drei Dinge gleichzeitig im Auge habendas ist im Übrigen auch das Spannungsfeld der nach-altigen Politik –: Wirtschaftlichkeit, Versorgungssi-herheit und Umweltverträglichkeit. Alle drei sindleich viel wert. Nicht das eine gegen das andere aus-pielen, sondern eine in sich konsistente Energiepolitikachen, das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.
Ich habe das Kioto-Protokoll verhandelt. Im Nachhi-ein finden Sie es ja besser, als Sie es damals geschrie-en haben. Wir müssen es umsetzen, im Übrigen auch inuropa. Ich werde mich auch dafür einsetzen, dass dieereinigten Staaten von Amerika hier eine Kehrtwendeachen, dass sie einsehen, dass ihre Politik nicht dieichtige ist.
Ist Ihnen das nicht Recht? Das ist mir, ehrlich gesagt,gal. Wir werden es tun. Wir werden dafür werben. Da-an wird kein Weg vorbeigehen.
Wahr ist auch, dass Sie, Herr Bundeskanzler, 1998en Menschen versprochen haben, es gebe nicht mehrls 6 Pfennig – das sind ungefähr 3 Cent – Mineralöl-teuererhöhung. Mehr sei mit Ihnen nicht zu machen.as sei das Ende der Fahnenstange, haben Sie hinzuge-ügt. Dann haben Sie gesagt: Mein Wort gilt. – Guckenie sich die „Bild am Sonntag“ an: Mein Wort gilt.
Heute sind wir bei 15 Cent und die Bürgerinnen undürger können sich einen Eindruck davon verschaffen,ie das Wort des Bundeskanzlers gegolten hat: verspro-hen, gebrochen. Alles Schall und Rauch, meine Damennd Herren.
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Dr. Angela MerkelNur muss ich Ihnen sagen: Ich finde es schon dreist– deshalb habe ich mir die Datensammlung Ihres verehr-ten Finanzministers aus dem Jahre 2004 noch einmalkommen lassen, damit wir uns vergewissern können –:Die Einnahmen aus dem Ökosteuersatz von 1 Cent fürDiesel und Benzin machen 650 Millionen Euro aus. Dasheißt, 3 Cent ergeben 1,8 oder 1,9 Milliarden Euro. Dassind genau die 10 Prozent, die Sie benennen; 3 Cent aufBenzin und Diesel machen also genau den Beitrag aus,den Sie in den Haushalt hineinnehmen. Erkundigen Siesich bei Ihrem Finanzminister! Sie wissen es aber auchso, Herr Bundeskanzler. Nur um eines Gags willen, nurum uns zu diskreditieren,
nur um einen Preis herauszubekommen, mit dem Sie sa-gen können: „Die Mehrwertsteuererhöhung belastetmehr“, belügen Sie hier – ich sage das so hart, weil das,was Sie sagen, nicht stimmt –
die Menschen. Nun fällt das ja nicht mehr auf, weil Sieden Menschen in Ihrer Regierungserklärung 1998 ver-sprochen haben, dass das Geld nur in die Finanzierungder Renten fließt und nicht auch in den Haushalt. Späterwar es so, dass diese Einnahmen eben auch in den Haus-halt gegangen sind.
Wissen Sie: Diese gesamte Kette, von 6 Pfennig biszu 15 Cent, die hinterher zum Teil in den Haushalt ge-flossen sind, der heutige Versuch, mit Fakten, die nichtstimmen, ein falsches Bild zu erzeugen – das ist es, wasdie Leute in diesem Lande so unendlich satt haben. Des-halb sagen sie: So geht es nicht weiter.
Deshalb werden wir eine Energiepolitik betreiben, dienatürlich das Ziel verfolgt, Energie einzusparen, die na-türlich auf CO2-Minderung setzt, die aber auch daraufachtet, dass nicht aufgrund des Zertifikathandels un-sere Wachstumsmöglichkeiten eingeschränkt werden.Die Preise für die Zertifikate müssen sich am europäi-schen Vergleich orientieren. Wir werden eine Energiepo-litik betreiben, die erneuerbare Energien fördert, mit deraber vor allem eine Sanierung im Gebäudebereich vo-rangetrieben werden soll, weil auf diese Weise die Dingesehr viel effizienter vorangebracht werden können alsauf anderen Gebieten.
Ferner werden wir in der Tat – das ist volkswirtschaft-lich vernünftig – Laufzeiten unserer Kernkraftwerke –die im internationalen Vergleich die höchste Sicherheitaufweisen – über die Abschalttermine, die Sie aus reinideologischen Gründen festgelegt haben, hinaus ermög-ldr–erhcWtSaaegsSKCdssFzwhwkBAFWwe„ZmFDbmLs
ber Ihnen folgt eben Ihre Truppe nicht. Ich kenne Sie jaus sehr vielen derartigen Verhandlungen: Ich bitte Sie,s ist doch jämmerlich, dass Sie jetzt auch noch anfan-en, die Volkswirtschaft zu bemühen.Mir bereitet übrigens die größten Sorgen, dass wir un-eren Einfluss in der Welt auf die Entwicklung vonicherheitsstandards aufgeben, wenn wir selber keineernkraftwerke mehr betreiben.
hina wird Kernkraftwerke bauen. Dann werden wirankbar sein, wenn wir über den nötigen technologi-chen Sachverstand verfügen. Ich will einmal davon ab-ehen, dass ich nicht möchte, dass die Aufträge nur anrankreich und Amerika gehen. Ich halte es für eine derentralen Aufgaben der Zukunft, dafür zu sorgen, dassir bei Kernkraftwerken wirklich vernünftige Sicher-eitsstandards nicht nur in Deutschland, sondern welt-eit haben. Darauf muss Deutschland Einfluss nehmenönnen.
Wir streben ein Bündnis mit den Bürgerinnen undürgern erstens mit der Zielsetzung „Vorfahrt fürrbeit“ und zweitens mit der Zielsetzung „Zukunft füramilie“ an.
Meine Damen und Herren, der demographischeandel ist einer der zentralen Punkte. Natürlich müssenir alles daransetzen, dass sich Menschen für Kinderntscheiden. Ich habe mit Bedacht zuerst das ThemaVorfahrt für Arbeit“ gewählt, weil ich glaube, dass dieukunftszuversicht neben allem anderen, was wir tunüssen, bei der Entscheidung für Kinder die zentralerage ist.
ie Zuversicht in die Zukunft ist den Menschen in sie-en Jahren Rot-Grün ein ganzes Stück abhanden gekom-en. Das muss sich wieder ändern. Es muss wiedericht am Ende des Tunnels scheinen, damit die Men-chen verstehen, was Sache ist.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17511
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Dr. Angela MerkelIch habe bereits auf den Freibetrag in Höhe von8 000 Euro hingewiesen. Das heißt, dass eine Familiemit zwei Kindern bei einem Einkommen bis 38 200 Euro– wenn man alle Freibeträge zusammenzählt – in Zu-kunft keine Steuern mehr zahlen muss. Das ist ein riesi-ger solidarischer, sozialer Fortschritt.
Jetzt komme ich zum Thema Subventionsabbau.Subventionsabbau ist kein Selbstzweck. Koch undSteinbrück haben parteiübergreifend herausragende Vor-schläge gemacht. Da können Sie also wirklich nicht sa-gen, wir hätten uns verweigert. Aber wir haben immergesagt: Die Eigenheimzulage können wir nicht für ir-gendwelche technischen Großgeräte oder für Universi-tätsbauten ausgeben, sondern wir müssen darauf achten,dass diese Leistung, die heute im Wesentlichen Familienzugute kommt, auch in Zukunft Familien zugute kommt.Das ist gerechte Politik.Deshalb werden wir von diesen Einnahmen den Kin-derbonus in der Rentenversicherung bezahlen. MeineDamen und Herren, ich finde, einem Punkt gebührt be-sondere Beachtung: Zum ersten Mal schaffen wir es, imUmlageverfahren das durchzusetzen, wovon Familien-politiker seit den 50er-Jahren geträumt haben: dass dasErziehen eigener Kinder, die später einmal Rentenbei-tragszahler sein werden, bei der Rentenbeitragsleistungdirekt berücksichtigt wird.
Deshalb werden wir den Eltern jedes ab dem1. Januar 2007 neu geborenen Kindes 50 Euro ihresRentenbeitrags erlassen. Das heißt, Eltern zahlen weni-ger, weil sie Kinder erziehen. Das ist ein gerechtes Um-lageverfahren, in das drei Generationen einbezogen wer-den.
Natürlich werden wir auch die Vereinbarkeit vonBeruf und Familie weiterentwickeln. Auch das Pro-gramm der Bundesregierung zur Ganztagsbetreuung,über das mit den Ländern ja lange genug gestrittenwurde, wird von einer von mir geführten Bundesregie-rung weiterverfolgt. Aber, meine Damen und Herren,den Schlüssel für bessere Kinderbetreuung hat nicht derBund. Vielmehr hängt sie von der Leistungsfähigkeit derKommunen ab, die auf so sicheren Füßen stehen müs-sen, dass ihnen das notwendige Geld zur Verfügungsteht, um die Kinderbetreuung vor Ort realisieren zukönnen.
Deshalb waren wir es, die dafür gesorgt haben, dassdie Kommunen in diesem Jahr 2,3 Milliarden Euro mehrbekommen.
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Meine Damen und Herren, es geht um Vorfahrt fürrbeit, eine bessere Zukunft für Familien
nd ein Europa der Bürgerinnen und Bürger mit einemtarken Deutschland, ein Europa, das auch ein starkerartner in der Welt ist. Europa ist in keiner ganz einfa-hen Situation. Wir haben uns hier glücklicherweise ge-einsam für die Verabschiedung des Verfassungsvertra-es eingesetzt. Ich bedaure – wie auch andere –, dass dererfassungsvertrag in Frankreich und in den Niederlan-en keine Mehrheit gefunden hat.Die Staats- und Regierungschefs haben sich jetzt eineenkpause verordnet. Eine Denkpause ist gut, wennan weiß, worüber man nachdenkt.
a sie nun aber schon ein paar Wochen anhält, werde ichich dafür einsetzen, dass man sich in dieser Denkpauseuch damit befasst, was die Bürgerinnen und Bürger amerzeitigen Europa stört. Das ist nicht die Europäischenion. Das ist nicht das Friedenswerk. Das ist nicht deruftrag, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli-ik zu betreiben. Das ist nicht die gemeinsame Verbre-hensbekämpfung. All das finden die Menschen ver-ünftig. Was sie aber stört, sind der starke Hang zurürokratisierung und der Umstand, dass man sich vonrüssel aus in Dinge einmischt, die eigentlich besser vorrt geregelt werden könnten.
Deshalb muss „Vorfahrt für Arbeit“ gelten, das Ziel,er dynamischste Kontinent der Welt zu werden. Auchei jeder Verabschiedung einer Richtlinie in Brüsseluss erst einmal abgecheckt werden und gefragt wer-en: Dient das diesem Ziel? Wenn ich die vielen Richtli-ien, die da in der Pipeline sind, sehe – selbst wenn Herrerheugen sie auf 264 oder 254 reduziert hat –, dannuss ich feststellen: Das sind immer noch zu viele, umiesem zentralen Ziel, das sich Europa richtigerweiseesetzt hat, Rechnung zu tragen. Deshalb muss die Aus-ichtung ganz eindeutig heißen: Europa wird nur einekzeptanz finden, wenn die Menschen in Europa gut le-en, wenn sie Arbeit haben, wenn sie Wohlstand haben,enn sie Zuwachs haben. Das wird natürlich ganz we-entlich von der Lage in Deutschland abhängen. Daseißt, ein Europa der Bürgerinnen und Bürger muss einirtschaftlich starkes, ein unbürokratisches Europa sein.or allen Dingen werden wir die Richtlinien, die wir vonuropa bekommen, nur noch eins zu eins umsetzen.
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17512 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
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Dr. Angela MerkelAls erstes wird das Antidiskriminierungsgesetz dran-kommen. Dort haben Sie wieder draufgesattelt. Das sinddie Leute leid,
weil sie spüren, dass sie in Europa nicht mehr wettbe-werbsfähig sind; das ist die Wahrheit.
Wir wissen in der Tat auch, dass die Menschen nachder letzten, von uns allen gewollten ErweiterungsrundeAngst haben, dass die Europäische Union ihre Grenzennicht klar definiert.
Ich weiß, dass es ein sensibles Thema ist, aber ich werdemich nicht davon abbringen lassen, den Menschen zu sa-gen – in dem gewohnt ruhigen Tonfall, den ich von An-kara bis Berlin, vom Marktplatz meiner Wahlkampf-kundgebung bis in den Deutschen Bundestag immer anden Tag lege –, dass ich eine Vollmitgliedschaft der Tür-kei in der Europäischen Union für falsch halte, dass wireine privilegierte Partnerschaft anbieten.
Wir werden bei den ergebnisoffenen Verhandlungen, diewahrscheinlich beginnen werden – so die Türkei dieVorbedingungen erfüllt –, auf genau diesen Punkt weiterhinweisen
und ich sage Ihnen: Dies ist die verantwortungsvollstePosition, die man sich denken kann. Denn die eigentli-che Gefahr – diese schieben Sie weg, weil Sie ja keineVerantwortung für die Zukunft verspüren –
besteht darin, jetzt so zu tun, als ob zehn bis 15 Jahreeine lange Zeit wären, und dann, wenn es in der Europäi-schen Union um die Akzeptanz geht – mit Ländern wieFrankreich, die in der Verfassung verankert haben, dasses Volksabstimmungen geben muss –, vielleicht in eineLage zu kommen, dass wir die Türkei wirklich vor denKopf stoßen müssen. Das möchte ich nicht.
Dazu sind die Sicherheitsinteressen zu wichtig, dazu istdie geostrategische Bedeutung zu groß. Deshalb mussman in der Politik – ob es Innenpolitik oder Außenpoli-tik ist – die Kraft haben, am Anfang der Verhandlungendie Wahrheit und die Klarheit aufzubringen, damit dasEndergebnis nicht von vornherein falsch ist.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist die letztensieben Jahre unter Wert regiert worden. Deutschlandkann mehr, und wenn ich sage „Deutschland kannmehr“, dann sage ich: Die Menschen können mehr. WirhdeWusjFidsFwjuEhtlwfbstgdlJdmsetvGtEphw
ondern in der Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit füreden Einzelnen lebbar sind.
ür mich ist eben nicht das Maß an Freiheit erreicht, wiech es mir wünsche, wenn junge Leute keinen Ausbil-ungsplatz finden, wenn ältere Menschen arbeitslosind.
ür mich ist eben nicht die Gerechtigkeit erfüllt, wennir heute in einem unbekannten Ausmaß auf Kosten derungen Generation leben, indem wir 40 Milliarden Eurond mehr Schulden machen.
s geisterte ein Entwurf von Herrn Eichel im Kabinetterum. Es heißt, dass wir nach dem Verkauf des gesam-en Tafelsilbers des Bundes 25, 30 Milliarden Euro völ-ig ungedeckte Leistungen haben. Kein Mensch weiß,ie das gehen soll. Schon heute zahlen wir in jedem Jahrast 40 Milliarden Euro Zinsen; 40 Milliarden Euro ge-en wir mehr aus, als wir einnehmen. Das ist eine Ver-ündigung an den Interessen der zukünftigen Genera-ionen; das ist die Wahrheit.
Ich möchte, dass Solidarität in dieser Gesellschaftelebt werden kann, Solidarität, die davon ausgeht, dassiejenigen, die mehr leisten können, ihren Beitrag dazueisten, dass die Schwächeren Unterstützung bekommen.
eder muss seinen Beitrag erbringen, aber nicht alle wer-en den gleichen Beitrag erbringen können. Deshalbuss den Schwächeren geholfen werden, aber bittechön nicht auf Pump. Wachstum auf Pump, so wie wirs bis jetzt hatten, ist doch nicht die Antwort. Eine Poli-ik, die dazu führt, dass die Leistungsträger das Landerlassen, ist auch nicht die Antwort. Die Antwort heißterechtigkeit im Steuersystem, Motivierung der Leis-ungsträger und nicht Abschreckung.
in Land der Ideen, in dem nicht die Bürokratie Trium-he feiert, sondern die Menschen im Vordergrund ste-en – das wird eine solidarische Gesellschaft. Dafürerden wir uns einsetzen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17513
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Dr. Angela Merkel
Dazu bedarf es eines Mentalitätswechsels. Wir dür-fen nicht immer als Erstes fragen, was alles nicht geht,sondern wir müssen als Erstes fragen, was gehen könnte,was bei anderen geht oder wo wir vielleicht als Erste aufdie Idee kommen, dass es so gehen könnte. Das war überviele Jahrzehnte Deutschlands Stärke, sonst wäre die so-ziale Marktwirtschaft nie so zur Entfaltung gekommen.Was uns damals geglückt ist, wird uns auch in Zeiten derGlobalisierung glücken, wenn wir richtig regiert werden.Das werden CDU/CSU und FDP machen. Ich freue michdarauf.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Franz Müntefering,
Vorsitzender der Fraktion der SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Diese Tage bringen Klarheit in die politischeLage in Deutschland,
was die Spitzenposition und die politischen Konzepteangeht: 48 zu 28 Prozent Zustimmung für den Kanzleram Sonntag,
58 zu 16 Prozent bei den Unentschlossenen. Das ist eineklare Botschaft. Die Menschen haben Recht: Deutsch-land hat einen guten Bundeskanzler und das soll auch sobleiben.
Gerhard Schröder hat den Mut gehabt, Deutschland inder Erneuerung voranzubringen. Er hat die Kraft,Deutschland dabei sozial zusammenzuhalten. Er hatauch die nötige Standfestigkeit für eine selbstbewussteinternationale Politik. Wozu dann einen Wechsel unddann auch noch ausgerechnet zu Ihnen, Frau Merkel?
Der Hochmut, der eben bei Ihnen wieder durchbrach,als Sie so taten, als ob die Entscheidung schon gefälltsei, macht eines deutlich: Ihnen fehlt der Respekt vorden Menschen, die zu entscheiden haben.DddsuVdiMFAEpJdPs–LhdfmDut
ie Menschen können bis zum 18. September entschei-en, bis zum 18. September steht ihnen alles offen.Alle, die heute meinen, sie könnten schon abwinken,ie Sache sei schon entschieden, haben nicht den Re-pekt, den man in der Demokratie vor den Wählerinnennd Wählern zu haben hat.
Frau Merkel, Sie haben sich am Sonntag als die großeorkämpferin für einen Rechtsanspruch auf einen Kin-ergartenplatz gefeiert. Das Protokoll des Bundestagesst objektiv. Es weist aus, dass Sie sich als zuständigeinisterin der Stimme enthalten haben.
ür etwas kämpfen stellt man sich ganz anders vor.
Von ähnlicher Qualität sind Ihre Aussagen zurbeitsplätzen und zum Wachstum in unserem Land.s gibt täglich mehr, nicht weniger sozialversicherungs-flichtige Arbeitsplätze, und zwar 1 500.
Wir liegen beim Wachstum im ersten Quartal diesesahres in der Europäischen Union eben nicht hinter, son-ern vor Schweden, Finnland und Großbritannien.
rofessor Walter, Chefökonom der Deutschen Bank,agte vorgestern dazu Folgendes:Ehrlich gesagt: Ich möchte jetzt weder Italienernoch Spanier sein ... . Ich bin optimistisch, dass dieInvestitionen im kommenden Jahr deutlich anzie-hen ... . Die Situation ist besser als für die vorigeGeneration. Wir sollten uns einfach wieder stärkerauf unsere Tugenden besinnen.Alles Aussagen von Montag zur Situation bei uns imand.
Sie haben mit den Plakaten und dem, was Sie auchier wieder vorgetragen haben, nichts anderes vor, alsas Land zu diskreditieren und schlechtzureden. Das istür jemanden in Ihrer Position weiß Gott nicht anständig.
Sie haben die Zahlen von 1998 verschwiegen. Da-als haben Sie die Arbeitslosenstatistik manipuliert.amals um diese Zeit waren 820 000 in ABM, SAMnd anderen Maßnahmen. Diese Zahl stieg dann im Sep-ember und Oktober auf bis zu 1 Million, zum Teil mit
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Franz MünteferingKurzfristmaßnahmen von bis zu sechs Wochen. Heutesind 280 000 in vergleichbaren Maßnahmen.Die hohe Arbeitslosigkeit in diesem Land ist amschmerzlichsten. Aber hinsichtlich der Bekämpfung derArbeitslosigkeit – eine Aufgabe, die von uns zu erfüllenist – müssen wir uns, wenn man beides nebeneinanderlegt – die Zahlen, die 1998 vorlagen, bzw. das, was Sie1998 in der Statistik manipuliert haben, und das, was Siejetzt mit uns beschlossen haben, nämlich 300 000 oder400 000 aus der Sackgasse der Sozialhilfe herauszuho-len –, nicht verstecken; dann ist Ihr Hochmut völlig fehlam Platze.
Das gilt übrigens auch für das, was Sie zum Benzin-preis gesagt haben. Es ist interessant, was in den letztenTagen dazu diskutiert wurde. Stichwort Ökosteuer: Die10 Prozent, die nicht für die Alterssicherung gebrauchtwerden, sondern in die Bundeskasse fließen, werden fürenergetische Gebäudesanierung, das 100 000-Dächer-Programm, Biodiesel und Erdgas eingesetzt.
Wenn Sie dies abschaffen wollen, dann müssen Sie sa-gen, was Sie sonst wollen. Das ist ein seltsamer Kontrastzu dem Programm zur Förderung der erneuerbaren Ener-gien.
Aber die Sache ist noch schöner. Wer darüber stöhnt,dass die Benzinpreise so hoch sind, aber gleichzeitig dieErhöhung der Mehrwertsteuer und die Kürzung derPendlerpauschale ankündigt, der hat die Interessenlageder Menschen nicht im Blick. Das ist unehrlich und gehtan der Realität dieses Landes und an dem, was in diesemLand für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zutun ist, vorbei.
Frau Merkel, Sie haben vor einigen Wochen Ihr Pro-gramm vorgestellt mit den Worten – ich zitiere –:Deutschland ging es noch nie so schlecht wie heute. Ichlese es immer noch lieber ab, weil man eigentlich garnicht glaubt, dass jemand so etwas gesagt haben könnte.Sie haben das dann am 10. August auch noch weiter ver-tieft:Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg lag dieses Landin Schutt und Asche. Und da hat es Menschen gege-ben, die haben gesagt, wir wollen dieses Land auf-bauen. Und heute im Jahr 2005 stehen wir wiedervor einer solchen Weichenstellung.
Ich bin alt genug, aber das gilt auch für die, die jüngersind: Wer 1945 und 1949, die 50er-, 60er- und 70er-Jahre der alten Bundesrepublik und die DDR erlebt hatuFfaBeDpDrEtmEnsbndstmHseHbwsmdKsnsuAfszütG
Frau Merkel, Sie können es nicht und Sie wissen dasuch. Sonst hätten Sie ja einem zweiten Duell mit demundeskanzler nicht ausweichen müssen. Das wäre nochinmal eine schöne Möglichkeit gewesen.
iese Unzulänglichkeit gilt in gleicher Weise für Ihrolitisches Konzept. Der politische Konservatismus ineutschland wird mit Ihnen substanzlos. Soziale Ge-echtigkeit kommt in Ihrem Programm nicht einmal vor.ine werteorientierte Gesellschaftspolitik fehlt. Das Sys-em der organisierten Solidarität des Staates wird zusam-engestrichen. Bildung kommt nur als Anspruch fürliten, aber nicht für alle vor. In Ihrem Programm gibt esur wenige Passagen zur Gleichstellung, zu dem An-pruch der heutigen Generation von Frauen auf Verein-arkeit von Familie und Beruf. Frau Merkel, es reichticht, als Frau für das Amt des Bundeskanzlers zu kandi-ieren. Vielmehr muss man auch etwas für die Gleich-tellung, für die Vereinbarkeit von Familie und Berufun.
Frau Merkel, Sie führen den politischen Konservatis-us, die CDU, in die Westerwelle-Ecke.
err Kirchhof ist dabei das Bindeglied. Dass Sie miteiner Nominierung für Ihr Schattenteam und mit der zurwartenden Berufung von Herrn Westerwelle odererrn Gerhardt als Außenminister in Ihrem Schattenka-inett Herrn Stoiber geschickt ausmanövriert haben, istahr. Das können Sie; das haben Sie schon öfter bewie-en. Dass Sie Herrn Kirchhof zum Visionär erklären,uss die Sozialen in der Wählerschaft der Union aller-ings abschrecken.
atholische Soziallehre und Kirchhofs Kopfsteuer, wieoll das zusammengehen?
Die Menschen sehen in diesen Tagen noch einmal ge-auer hin, vor allem diejenigen, die noch unentschiedenind oder sogar auf dem Weg weg von uns waren und dienter den Ansprüchen gestöhnt haben, die wir mit dergenda 2010 gestellt haben. Das war und ist nicht ein-ach. Das haben wir nie verschwiegen. Aber die Men-chen fragen sich mehr und mehr, welche Alternative sieu erwarten haben, welche Bedeutung eine Regierungs-bernahme durch CDU/CSU und FDP hat. Weshalb soll-en die Menschen in diesem Land am 18. September eineruppe, eine Kombination wählen, die die Mehrwert-
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Franz Münteferingsteuer erhöhen und den Spitzensteuersatz senken will,die die Pendlerpauschale kürzen will, die Nacht-, Feier-tags- und Sonntagszuschläge besteuern will, die Arbeit-nehmerrechte zusammenstreichen will, die zurück zurAtomkraft will und die erneuerbare Energien nicht ernstnimmt, die eine Kopfpauschale und eine Kopfsteuerwill,
die das Antidiskriminierungsgesetz ablehnt,
die die Zahldauer des Arbeitslosengeldes I nicht verlän-gern will, die das Arbeitslosengeld II im Osten Deutsch-lands nicht auf Westniveau anheben will, die aktive Ar-beitsmarktmöglichkeiten nicht will, wie beispielsweisedie erleichterte Einstellung von älteren Arbeitnehmern,die Mieterhöhungen erleichtern will, die das BAföG in-frage stellt und die Einführung von Studiengebühren for-cieren will? Das fragen sich die Menschen zunehmend,und zwar auch diejenigen, die eigentlich bei Ihnen zuHause sind.
Es gibt in der Tradition der Union durchaus eine so-ziale Komponente. Das werde ich als Vorsitzender derSPD bestimmt nicht bestreiten. Aber das, was nun in derpolitischen Landschaft dieses Landes geschieht, regis-trieren die Menschen sehr wohl. Frau Merkel, Sie treibenIhre Partei in die rechte Ecke, zur FDP. Sie machen dieÖkonomisierung des Denkens und des Handelns zumHauptgegenstand der Politik in diesem Lande. Sie wol-len die Absicherung der privaten Lebensrisiken bis zumGehtnichtmehr privatisieren. Da bleibt vom Sozialennichts übrig. Ich spreche insbesondere die Menschen an,die sich noch nicht zwischen unseren Parteien entschie-den haben. Schaut euch genau an, was die Union mitFrau Merkel tatsächlich will! Sie hat die Zustimmungund das Vertrauen der Menschen in diesem Land sicher-lich nicht verdient.
Ich möchte noch eine Anmerkung zum Antidiskrimi-nierungsgesetz machen, weil eben auf der rechten Seitekurz geklatscht wurde, als ich auf die Ablehnung diesesGesetzes durch die Union zu sprechen kam. Es stimmt,wir sind stolz darauf, dass wir in den sieben Jahren Rot-Grün dieses Land ein Stück liberaler, offener und men-schenfreundlicher gemacht haben.
Wir haben Gesetze zur Stärkung der Rechte von nichtehelichen Kindern und von Lebenspartnerschaften ge-macht. All das gab es vorher nicht. Das trifft nicht alle,aber manche und es ist wichtig. Wir wollen in einemLand leben, in dem niemand diskriminiert wird. Im Anti-diskriminierungsgesetz steht – auf Betriebsebene soll dieEmdGdwkD–hchDsTssmSAfgsiAwcrzemDgAnnfShudzVfw
ass körperlich und geistig schwerbehinderte Menschenaststätten und Lokalitäten betreten dürfen, auch wenneren Inhaber es eigentlich nicht möchten. Dazu sagenir: Das muss in diesem Land doch klargestellt werdenönnen. Wir verstecken uns nicht, wenn es um dieseinge geht.
Das gilt auch für die Arbeitnehmerrechte und für diearifautonomie. Auch wenn Sie es noch so schön um-chreiben: „Bündnis für Arbeit im Betrieb“ ist eine Ku-chelformel, mit der man die Sache verharmlosenöchte. Die Wahrheit ist: Wenn das umgesetzt wird, wasie wollen, ist die Möglichkeit der Arbeitgeber und derrbeitnehmer, gemeinsam Verträge abzuschließen, dieür eine ganze Branche oder für ein bestimmtes Gebietelten, nicht mehr gegeben.In etwa 20 Prozent der Betriebe weicht man von be-tehenden Tarifverträgen ab. Das geschieht aber immern Abstimmung zwischen den Gewerkschaften und denrbeitgebern, also zwischen den Tarifparteien. Was Sieollen, ist ganz klar – es wird von der FDP noch deutli-her als von Ihnen ausgesprochen –: Sie wollen die Ta-ifautonomie zerschlagen. Sie wollen, dass in jedem ein-elnen Betrieb – entgegen allem, was vereinbart ist –ntschieden werden kann. Das bedeutet im Grunde, dassan den Gewerkschaften das Rückgrat bricht.Bei allem, was wir mit den Gewerkschaften ineutschland auszutragen haben, halten wir ganz klar da-egen: Wir wollen, dass sich die Arbeitnehmerinnen undrbeitnehmer in Deutschland auch in Zukunft frei orga-isieren können, dass sie ihre Interessen bündeln kön-en, dass sie sie erstreiten und, wenn es nötig ist – hof-entlich ganz selten –, auch erstreiken können. Diesestück Demokratie darf in Deutschland nicht kaputtge-en. Dafür haben wir in den vergangenen Jahrzehntennd Jahrhunderten lange genug gekämpft.
In diesen Tagen kommt auch auf den Tisch, was sichie PDS vorstellt. Sie begreift nicht, dass dauerhafte so-iale Gerechtigkeit auf hohem Wohlstandsniveau außererteilungsgerechtigkeit auch Chancengerechtigkeit er-ordert. Generationengerechtigkeit und die Wettbe-erbsfähigkeit unserer Wirtschaft müssen ebenfalls
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Franz Münteferinggegeben sein, wenn man soziale Gerechtigkeit auf ho-hem Niveau will. Deshalb sagen wir all denen, die andieser Stelle nachdenken: Wer sozialdemokratische Poli-tik will, der muss SPD wählen. Wir sind das Original.Wir haben in unserer langen Geschichte immer dazu bei-getragen, dass Deutschland nicht in Kriege geführt wird.Wir haben den Nazis entgegengestanden, als es um dasErmächtigungsgesetz ging. Wir haben nie eine Mauergebaut und wir müssen unseren Namen nie ändern, we-der jetzt noch in Zukunft. Darauf sind wir alle miteinan-der stolz.
Unser Konzept zielt auf Arbeit, auf Sicherheit und aufMenschlichkeit. Deshalb sind wir in Sachen Bildung fürdie Kleinen und Angebote zur Betreuung von Kindernim Krippen- und im Grundschulalter initiativ. Die4 Milliarden Euro, die der Bund dafür zur Verfügung ge-stellt hat, sind angesprochen worden. Das Land Hessenhatte im letzten Jahr 70 Millionen Euro zur Verfügung;davon hat es 2,8 Millionen genutzt. Das sind 4 Prozent.Was bedeutet das? Es gibt Länder, die die Chancenzum Nutzen der Kinder, die wir ihnen geben, nicht wahr-nehmen. Das Ganze ging noch weiter – Herr Stoiberkann sich sicherlich noch gut erinnern –: In der Födera-lismuskommission haben die Länder gefordert, dass imGrundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht, dassder Bund den Kommunen nie mehr Geld für solcheMaßnahmen geben darf. Das ist die Wahrheit darüber,wie CDU und CSU mit Bildungsangeboten für die Klei-nen umgehen. Das muss auch Gegenstand dieses Wahl-kampfes sein.
Hier war die Rede von dem Ziel, dass wir ab demJahre 2010 jährlich 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktsfür Forschung und Entwicklung ausgeben, auch imSinne der entsprechenden Prozesse in Europa. Wir habenimmer damit gerechnet, dass die durch den Abbau derEigenheimzulage frei werdenden Mittel dort investiertwerden. Vorgestern, in der Sitzung des Vermittlungsaus-schusses, wurde eine entsprechende Entscheidung zumachten Mal nicht getroffen, sondern wieder einmal ver-schoben. Nun fehlen für die nächsten Jahre Milliarden.Dies kann und muss man Ihnen vorwerfen: Sie begreifennicht, dass man heute säen muss, wenn man morgen ern-ten will. Sie sind nicht in der Lage und nicht bereit, indie Zukunftsfähigkeit unseres Landes wirklich zu inves-tieren. Wir haben den Etat der zuständigen Ministerinum 37,5 Prozent erhöht. Das war nachzuholen, weil inder Zeit von Kohl, Merkel und Rüttgers – in den 90er-Jahren – diese Forschungsmittel dramatisch gesenktworden sind.
Wir werden in den nächsten Jahren dafür sorgen, dasses am Binnenmarkt sehr bald zusätzliche Impulse gibt.Wir wollen Erneuerungs- und Modernisierungsmaßnah-men an Wohnungen, Häusern und Grundstücken steuer-lich begünstigen. Diejenigen, die bis zu 3 000 Euro imJzncgdSkrGelbwAvwFcMwWSwgbnMrBtmludmAdmweda
Wir wollen, dass es Beschäftigungspakete für die er-eichterte Einstellung von Älteren gibt. Darum ging eseim SGB III, was vorgestern Abend ebenfalls geknickturde: ob man aktive Arbeitsmarktmaßnahmen wie Ich-Gs, die erleichterte Einstellung Älterer oder auch dieerlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes akzeptierenill oder nicht. Dies alles wurde von CDU/CSU undDP verhindert. Zum Weitersagen!So viel zu der Politik, die sich diese Koalition zu ma-hen vorgenommen hat. Dies kann und muss man denenschen sehr wohl vermitteln.
Wir stehen dafür, dass der Aufbau in Ostdeutschlandeitergeht und es keine Abstriche beim Solidarpakt gibt.eil es vor einigen Wochen Anmerkungen von Herrntoiber zum Frust in den neuen Ländern gegeben hat,ill ich eines dazu sagen: Herr Stoiber, wir sind beide altenug, dass wir die Situation nach dem Krieg erlebt ha-en. Bayern war damals und schon immer ein sehr schö-es Land. Die Alpen gab es übrigens schon, bevor Sieinisterpräsident wurden; sie sind nicht Ihr Verdienst.
Dieses Land war ein Agrarland. Wir haben in Nord-hein-Westfalen Kohle aus dem Berg geholt und sie nachayern geschickt, damit sie dort etwas zu stochern hat-en. Das war in Ordnung. Sie haben dann aus der ge-einsamen Kasse aller Länder Geld bekommen. 36 Jahreang, von 1950 bis 1986, hat Bayern Geld bekommennd immer hat Nordrhein-Westfalen – Hamburg und Ba-en-Württemberg auch, glaube ich – gezahlt. Sie habenit dem Geld Gutes gemacht; das ist völlig unbestritten.ber wer 36 Jahre lang von der Gemeinschaft aller lebte,er sollte die Backen nicht so dick aufblasen, wenn jetztanche Länder in Deutschland noch nicht so weit sind,ie Bayern heute ist. Darum geht es doch eigentlich ininer solchen Debatte.
Wir wollen gerechte Löhne, wir werden das Entsen-egesetz voranbringen und wir werden dort, wo es nichtusreicht, einen gesetzlichen Mindestlohn suchen. Wir
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Franz Münteferingwerden versuchen, dies mit den Gewerkschaften und denTarifparteien insgesamt einvernehmlich hinzubekom-men. Aber eines muss in Deutschland klar sein: DieSorge, die viele Menschen haben – der Deckel obendrauf und der freie Fall nach unten möglich –, müssenwir ihnen nehmen. Wer in Deutschland ordentlich seinerArbeit nachgeht, muss auch so viel verdienen, dass ersich und seine Familie davon ernähren kann. Dies mussdas Ziel aller Wirtschafts- und Tarifpolitik sein. Dafürstehen wir miteinander.
Ein Wort zur Energiepolitik, über die schon einigesgesagt worden ist: Diese Frage geht nicht nur unser Landan, sondern hier geht es um eine Entscheidung von histo-rischer Bedeutung für den ganzen Planeten. Heute gibtes auf der Erde nicht mehr 2,5 Milliarden wie im Jahre1950, sondern 6,3 Milliarden Menschen. Im Jahre 2040oder 2050 werden es 9 Milliarden Menschen sein, dieNahrung, Wohnung und Kleidung und damit Energiebrauchen. Die Frage, wie die wachsende Menschheitihre Energieprobleme löst, ist eine Frage von histori-scher Bedeutung.Wenn uns heute jemand fragt, ob wir noch Visionenhaben, dann sage ich: Wer beispielsweise will, dass dieMenschen nicht verhungern und dass sie etwas zu trin-ken haben, dass auf der Welt Frieden herrscht undKriege um Öl vermieden werden können, der muss jetztdafür sorgen, dass eine vernünftige Energiepolitik ge-macht wird. Wir als das Energieland müssen der Weltzeigen, was man mit Energieeffizienz, mit erneuerbarenEnergien, mit sauberen Kraftwerken machen kann. Dasist doch der Weg, den wir zeigen müssen.
Wir waren immer auch Internationalisten; davor laufeich nicht weg. Wer vernünftige Entwicklungszusam-menarbeit auf dieser Welt organisieren will, der mussan dieser Stelle entscheidend punkten, und zwar nichtnur, weil es dadurch bei uns Arbeitsplätze gibt. Im Be-reich der erneuerbaren Energien – und das ist gut – gibtes 180 000 bis 200 000 Arbeitsplätze.Es gibt Länder und ganze Kontinente, in denen dieSonne noch öfter als in Berlin scheint; sie können mitSonne richtig etwas machen. Ihnen müssen wir zeigen,wie das geht. Deshalb muss derjenige, der weg vom Ölund Kriege um Öl verhindern will, die es auch schon ge-geben hat – tiefer gehend wollen wir darüber hier garnicht spekulieren –, jetzt einen Weg gehen, der ganz ein-deutig folgendem Motto folgt, Frau Merkel: Nicht zu-rück zur Atomkraft, sondern mehr Tempo für erneuer-bare Energien und für saubere Kraftwerke. Das ist dieLinie, die wir jetzt nicht nur für uns, sondern weit überDeutschland hinaus wollen.
An dieser Stelle sind wir wirklich gut bei uns im Land.Wir müssen nicht mehr den Kolumbus losschicken, derdwzhcdLsMgwdzsDzsbzmlewawtgdswceskDmgdwcmWE
Meine Damen und Herren, ein letztes Wort
u der Politik für die älter werdenden Menschen. Un-ere Gesellschaft ist dabei, insgesamt älter zu werden.as ist gut; wir klopfen auf Holz und hoffen, mit dabeiu sein. Die meisten, die alt werden, werden recht ge-und alt. Von denjenigen, die 85 Jahre oder älter sind,rauchen nur 7 Prozent wirklich dauerhafte Unterstüt-ung. Aber diese Gesellschaft hat zu wenig Kinder. Wirüssen darüber nachdenken, wie wir diese unterschied-ichen Generationen auch in den nächsten Jahrzehnten ininer vernünftigen Entsprechung zueinander halten.
Deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen,ie in den Städten und Gemeinden an der Schaffung vonlten- und behindertengerechten Wohnungen gearbeitetird; damit fängt das Ganze an: Was können wir dafürun, dass es in dieser Gesellschaft soziale Netzwerkeibt? Daran wollen wir arbeiten, damit die älter werden-en Menschen nicht einsam sind, sondern in der Gesell-chaft insgesamt aufgenommen sind.Was können wir tun, um eine Pflegeversicherungeiterzuentwickeln, an der – so wie bei der Bürgerversi-herung auch – alle beteiligt sind und die im Kern fürine gehörige Förderung auch im ambulanten Bereichorgt und dafür sorgt, dass vor allen Dingen die Demenz-ranken bessere Unterstützung als bisher bekommen?ieses klare Ziel haben wir für die Pflegeversicherung.
Frau Merkel, Sie haben – damit will ich abschließen –
it Ihrer eigentümlichen Logik an einer Stelle – dabeiing es um die Kopfpauschale für die Kinder – beson-ers treffend formuliert: Die Kopfpauschale für die Er-achsenen soll, wie ich gelernt habe, 109 Euro ausma-hen, wobei es eine Mitversicherung in der Familie nichtehr gibt. Für die Kinder – so haben Sie in den letztenochen zwei-, dreimal gesagt – müssten das nicht dieltern zahlen, sondern die Spitzenverdiener. Ihre wirk-
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Franz Münteferinglich verwegene Argumentation lautet so: Der Spitzen-steuersatz liegt bei 42 Prozent. Frau Merkel will ihn auf36 Prozent senken.
– Sie will ihn auf 36 Prozent senken; später hat sie ge-sagt, sie senke ihn doch nicht auf 36 Prozent, sondernauf 39 Prozent. Die Differenz zwischen 36 und 39 Pro-zent, die durch die geringere Absenkung verbleibe, seider Anteil, den die Spitzenverdiener für die Kopfpau-schale der Kinder zahlten. Dazu kann ich nur sagen: WerFrau Merkel hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.So etwas sollten Sie nun wirklich nicht auf den Tisch le-gen.
– Ja, das ist so. – Dabei sind die 25 Prozent von HerrnKirchhof noch gar nicht berücksichtigt.Wir haben uns vorgenommen, in den kommendenvier Jahren eine Politik zu machen, möglichst in dieserKoalition, die das, was wir angefangen haben, weiter-führt und die dafür sorgt, dass die soziale Demokratie inDeutschland die entscheidende politische Dimensionbleibt. Weder die Exzentriker auf der rechten Seite, diedie Ökonomisierung der Gesellschaft und die Privatisie-rung der Absicherung der Lebensrisiken wollen, nochdie Phantasten auf der anderen Seite sind solche, die die-ses Land vernünftig regieren können.
Wir brauchen eine Politik der politischen Vernunft, einePolitik, die mit Leidenschaft, aber auch mit Augenmaßbei der Sache ist und die die Verantwortung für dasganze Land im Blick hat.Ich sage Ihnen gegen alle Diskussionen dieser Woche:Es gibt in dieser Gesellschaft eine breite Schneise füreine originär sozialdemokratische Politik. Die werdenwir machen.
Wir werden die Menschen auch bei uns haben, weil diein diesen Tagen lernen, dass Sie den falschen Weg ge-hen. Wir – das sage ich Ihnen voraus – werden gewin-nen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile Kollegen Guido Westerwelle, FDP-Frak-
tion, das Wort.
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örtlich gesagt hat.
a hat der Bundeskanzler gesagt – das haben wir auchesehen; bemerkenswert; stehende Ovationen für denundeskanzler: Die ersten drei Reihen der Grünen stan-en auf, der Rest blieb sitzen;
as ist das geschlossene Vertrauen für den Bundeskanz-er –:Hierfür ist die Bundesregierung auf die Geschlos-senheit der Koalitionsfraktionen angewiesen. Auchhier sind vermehrt abweichende, jedenfalls dieMehrheit gefährdende Stimmen laut geworden …Ebenso klar muss auch sein, dass dort, wo Ver-trauen nicht mehr vorhanden ist, öffentlich nicht sogetan werden darf, als gäbe es dieses Vertrauen.
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Dr. Guido Westerwelle
Herr Bundeskanzler, Sie haben hier heute gesprochen.
Sie haben in der Tat ein paar Pünktchen dazu genannt,warum Sie der Überzeugung sind, dass Sie vielleichtdoch nicht abgewählt werden sollten. Auch das ist Ihrgutes Recht. Aber eines wollen wir hier noch einmal klarsagen: Sie haben in der vorvergangenen Woche vomhöchsten deutschen Gericht nicht bestätigt bekommen,dass Sie an der Opposition oder am Bundesrat geschei-tert sind, sondern Sie haben bestätigt bekommen, dassSie am mangelnden Vertrauen der eigenen Leute hier imDeutschen Bundestag gescheitert sind. Das empfiehltSie nicht für einen neuen Regierungsauftrag.
Wir hingegen werden unseren Weg gehen. Wir– Union und FDP – werden gemeinsam eine neue Regie-rung ins Amt bringen und wir werden vor allen Dingendafür sorgen, dass es einen wirklichen Neuanfang derdeutschen Politik gibt. Und das sind die entscheidendenHerausforderungen, die wir haben:Wir müssen in Deutschland ein international wettbe-werbsfähiges Steuersystem bekommen. Wenn wir die-ses international wettbewerbsfähige Steuersystem nichtbekommen, das niedriger, einfacher und gerechter seinmuss, werden wir erleben, dass unsere Nachbarländerweiter beim Wirtschaftswachstum zulegen und wir nicht.Die anderen Länder in Europa haben im Durchschnittweniger Arbeitslosigkeit und mehr Wirtschaftswachs-tum als wir in Deutschland. Wenn von 25 Mitgliedstaa-ten der EU 24 beim Wirtschaftswachstum besser als wirDeutsche dastehen, dann hat das zuallererst etwas damitzu tun, dass dieses Land schlecht regiert wird. Das istdas, was wir ändern wollen.
Nun haben Sie sich heute redlich Mühe gegeben, überden „Professor aus Heidelberg“ zu reden. Ich rede jetzteinmal nicht über den Professor aus Heidelberg, sondernüber den Lehrer aus Kassel.
Der Lehrer aus Kassel hat, wie heute nachzulesen ist,dem „Tagesspiegel“ ein interessantes Interview gegeben.Das empfehle ich all denjenigen, die hier und vor allenDingen zu Hause zuschauen, der Aufmerksamkeit. Dasagt der Lehrer aus Kassel allen Ernstes:2007 wird es keine nennenswerten Privatisierungs-erlöse mehr geben, um dieses Defizit anteilig zu de-cken, weil wir die Erlöse bei der Aufstellung desEtats 2006 benötigen.Und dann:Der einzige Weg ist also, schon im nächsten Jahrspürbar beim Subventionsabbau weiterzukommen,DAudneIQüDstSlePclmSgmkSbhwzttiwnh
ch sage Ihnen: Sie sollten, wenn Professor Kirchhof alsuereinsteiger in die Politik kommt, nicht so hochnäsigber ihn herziehen. Ihr Lehrer aus Kassel ist gescheitert.er Professor aus Heidelberg wird es in jedem Fall bes-er machen als der Lehrer aus Kassel, meine sehr geehr-en Damen und Herren.
Deswegen haben wir mit unserem Solms-Tarif einteuerkonzept von 15, von 25 und von 35 Prozent vorge-egt. Das ist das, was wir in Koalitionsverhandlungeninbringen werden. Denn wir alle sind doch in einemunkt längst zu der Erkenntnis gekommen: Wir brau-hen niedrigere Steuersätze, die dann tatsächlich von al-en bezahlt werden, statt eines Wettbewerbs darum, wiean die hohen Steuersätze am besten vermeidet.
o haben Sie übrigens in Ihrer Agenda 2010 selber nochesprochen. Herr Bundeskanzler, Sie selber haben im-er vorgetragen, dass das notwendig ist. Jetzt, im Wahl-ampf, wollen Sie sich daran nicht mehr erinnern, weilie glauben, dass Sie so noch ein bisschen Munition ha-en, um im Wahlkampf ein paar Ihrer nostalgischen An-änger zu begeistern.Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist zuenig, um einen wirklichen Neuanfang in Deutschlandu wagen. Deswegen sind auch die Reden, die Sie hal-en, nur noch rückwärts gewandt, an die Eigenen gerich-et, aber nicht mehr an die Bürgerinnen und Bürger: Wasst passiert, was schaffen wir? Was ist in Deutschlandirklich möglich?
Wir haben vorgerechnet, dass wir das bezahlen kön-en – der Kollege Solms als unser Finanzexperte hat dasier mehrfach eingebracht –:
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Dr. Guido WesterwelleWir wollen, dass die Steuersätze gesenkt werden undsich eine Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger von17 bis 19 Milliarden Euro ergibt.
Wir haben konkret vorgerechnet, wie das gegenfinan-ziert wird: durch Subventionsabbau, durch das Vermei-den der steuerlichen Ausnahmetatbestände und durchBürokratieabbau, mit einem Volumen von 35 MilliardenEuro.Wir fangen bei den Kindern und bei den Familien an.Deswegen sagen wir: Künftig hat nicht nur jeder Er-wachsene, sondern auch jedes Kind einen fairen steuerli-chen Grundfreibetrag, und zwar von 7 700 Euro. Wennman dann auch noch für das eigene Alter vorsorgt, zahlteine vierköpfige Familie nach unserem Steuermodellerst ab 38 800 Euro Steuern. Etwas Sozialeres und Fami-lienfreundlicheres ist von den Regierungsparteien nichtein einziges Mal in diesem Bundestag vorgelegt worden,meine Damen und Herren.
Wir müssen diesen Weg gehen, weil die Ausreden,die Sie vortragen, in Wahrheit natürlich längst immerdieselben sind. Das Problem ist aber, dass die Lage un-verändert bleibt. Sie sagen, wir seien Exportweltmeister.
Das bringen Sie mittlerweile als wichtigsten Punkt an.Dabei verschweigen Sie allerdings: Wir sind Export-weltmeister, weil im Ausland mit Wertschöpfung herge-stellt wird, was in Deutschland zusammengebaut unddann in Länder exportiert wird, die wenigstens noch eineanständige Binnenkonjunktur haben – anders als wirDeutsche.
Das ist im ökonomischen Zusammenhang an dieserStelle das eigentliche Thema.Wir haben bei der letzten Regierung, die wir zusam-men gebildet haben, nämlich in Nordrhein-Westfalen,gezeigt, dass wir es mit dem Subventionsabbau ernstmeinen und dass wir die Mittel, die wir dadurch erwirt-schaften, in die Zukunft investieren.
Die jetzige Landesregierung in Nordrhein-Westfalen istnach den Wahlen am 22. Mai dieses Jahres gebildet wor-den. Der Anlass für Ihre Vertrauensfrage im DeutschenBundestag war ja, dass die letzte rot-grüne Regierungabgewählt worden ist. Wir haben vor der Wahl angekün-digt, die Subventionen zu kürzen, ausdrücklich auch beider Steinkohle, weil wir das Geld brauchen, um in For-schung, Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft zu in-vestieren. Deswegen haben diejenigen, die in Nordrhein-Westfalen leben, zum Schuljahresbeginn erlebt, dass dieSubventionen gekürzt worden sind – so ist es zwischenden Koalitionsparteien, Union und FDP, vereinbart – undgwhwdugvJRbwUdNSGFmasSLltpSVarvgpDtDORfDwebFR
och niemals hat eine Regierung pro Jahr so viel neuechulden gemacht wie Sie. Das ist gegenüber der jungeneneration unverantwortlich. Herr Müntefering undrau Schmidt von der Regierung sprechen von den Fa-ilien, aber Sie legen den jungen Leuten die Halskrausen und sagen ihnen: Seht zu, wie ihr mit den Schuldenpäter fertig werdet!Deswegen setzen wir auf Wachstum, wir setzen aufteuersenkung, wir setzen auf die die Rückführung derohnzusatzkosten, wir setzen auf die Reform der sozia-en Sicherungssysteme und wir setzen auf den Bürokra-ieabbau. Ohne Wachstum schaffen wir keine Arbeits-lätze und ohne Arbeitsplätze bekommen wir dietaatsfinanzen nicht in den Griff. Deswegen sagen wir:orfahrt für Arbeit! Sie mögen sich am Dosenpfand ab-rbeiten; wir sagen: Arbeit hat Vorfahrt und nicht Spe-enzchen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Jetzt vernehmen wir hier – das ist bemerkenswert –on den Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün dieroße Sorge, in Deutschland sei, wenn die derzeitige Op-osition gewählt werde, der innere Frieden in Gefahr.as hat uns der deutsche Bundeskanzler auf dem Partei-ag erzählt und das hat er in mehreren Interviews gesagt.iese Regierung ist allen Ernstes der Meinung, wenn diepposition nach einem demokratischen Wechsel an dieegierung komme, dann sei der soziale Frieden in Ge-ahr. Wir sagen Ihnen, was den sozialen Frieden ineutschland gefährdet: Massenarbeitslosigkeit, Pleite-elle im Mittelstand, ein Bildungssystem im Abstieg,ine unsichere Rente, eine schlechte und nicht mehr sta-ile Gesundheitsversorgung. Das riskiert den sozialenrieden in Deutschland, aber nicht ein demokratischeregierungswechsel zugunsten von Union und FDP!
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Dr. Guido WesterwelleWir werden natürlich auch ein klares Bekenntnis zuneuen Technologien und zur Forschung abgeben. In die-sem Bereich zeigt sich, dass es an einer wachstumsorien-tierten Wirtschaftspolitik gefehlt hat.
– Nun lasst ihn doch reden, das ist doch nett. Ich höreden Herrn Tauss gerne. Ich habe ihm schon einmal ge-sagt – Sie beweisen das heute wieder, Herr Tauss –:Einer ist in jedem Saal der Dümmste. Sie müssen sichaber nicht in jeder Sitzung freiwillig melden, Herr Kol-lege.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollteetwas darüber sagen, was wir bei den neuen Technolo-gien anders machen werden. Wenn Sie die gemeinsameErklärung der drei Parteivorsitzenden – Frau Merkel,Herr Kollege Stoiber und meiner Person – gelesen ha-ben, dann wissen Sie, dass wir in dieser gemeinsamenErklärung das, was ich Ihnen bisher vorgetragen habe,einschließlich eines niedrigeren, einfacheren und ge-rechteren Steuersystems, vereinbart haben, und zwarpräziser, als Sie glauben.
Wir haben darüber hinaus ein klares Bekenntnis zuneuen Technologien abgegeben, insbesondere auch zurForschung. Ja, wir sind der Überzeugung, dass das grüneGentechnikgesetz – das Gesetz, das Frau Künast Anfangdes Jahres durchgesetzt hat –, zu Recht von allen For-schern in Deutschland kritisiert wird. Der Präsident derDeutschen Forschungsgemeinschaft, Herr ProfessorWinnacker, sagt darüber: Damit wickeln wir eine dermodernsten und wichtigsten Technologien in Deutsch-land praktisch ab.Was ist es denn, um das es hier in Wahrheit geht?Als ich in der letzten Woche gesagt habe, wir wollenGen- und Biotechnologie fördern, gerade im Agrarbe-reich, damit auch die pharmazeutische Industrie besserentstehen kann, die die mondernsten Medikamente ent-wickelt, hörte ich von Herrn Kollegen Fischer den be-merkenswerten Satz – das alles in einer Fernsehsendung,mir gegenüber sitzend –, er wolle selbst entscheiden,was er isst.
Ich möchte hiermit in dem Hohen Hause ausdrücklichsagen: Herr Kollege Fischer, was Sie essen, auch wieviel Sie essen, ist ausdrücklich Ihrer eigenen Verantwor-tung übertragen. Es gibt aber eine Menge Menschen aufder Welt, die eben nicht so lapidar darüber hinweg ga-loppieren können, wenn es um die Chancen geht, denWelthunger in den Griff zu bekommen.
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m den Welthunger besser in den Griff zu bekommender beispielsweise modernste Medikamente zu entwi-keln, ist aus unserer Sicht wirklich verheerend.
Herr Kollege Westerwelle, gestatten Sie eine Zwi-
chenfrage des Kollegen Schily?
Ja, wo ist denn der Kollege Schily?
Er hat in den Reihen der deutschen Sozialdemokratie
latz genommen.
Entschuldigen Sie bitte vielmals! Ich hatte geschaut,
b er auf der Regierungsbank sitzt; da saß er nicht.
Das ist ja auch völlig richtig. Ich bin auch der Auffas-
ung, dass sich jeder an seine neue Rolle so langsam he-
anführen sollte.
Bitte sehr, Herr Kollege Schily.
Herr Kollege Westerwelle, Sie wollen ja auch eine
eue Rolle einnehmen. Wie ich den Agenturmeldungen
eute entnehme, haben Sie den Wunsch geäußert, Frau
ollegin Zypries abzulösen als Justizminister. Es ist sehr
hrenvoll, sich das zuzutrauen. In einer weiteren Agen-
urmeldung sagt Herr Kollege Beckstein: Von der inne-
en Sicherheit versteht Herr Westerwelle nichts. – Meine
rage ist: Halten Sie es für verantwortbar, einen Justiz-
inister in Deutschland zu haben, der nichts von der in-
eren Sicherheit versteht?
Ich will Ihnen darauf wie folgt antworten, Herr Kol-ege Schily, da wir ja in den letzten Jahren gelegentlichuch über das Thema Rechtsstaat und Bürgerrechte undber das richtige Verhältnis von Bürgerfreiheit und Bür-ersicherheit verhandeln durften: Anstrengender als mit
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Dr. Guido WesterwelleIhnen kann es auch mit dem Kollegen Beckstein für Li-berale nicht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war ei-gentlich bei einem ganz anderen Thema; das ist dasganze Thema der Forschung und der Gentechnologie.Ich möchte Ihnen, verehrte Anwesende, einmal etwasüber die Chancen der grünen Gentechnik vortragen: Esgibt beispielsweise eine so genannte transgene Reissorte,die Goldener Reis heißt. Das ist eine vitaminangerei-cherte Reissorte, die eine Mangelerscheinung gerade beiKindern in der Dritten Welt bekämpft. Diese Mangel-erscheinung führt zur Erblindung. 45 Millionen Men-schen sind weltweit davon betroffen. Jetzt möchte ichIhnen vorlesen – das ist besonders interessant für dieGrünen –, was Patrick Moore, der Mitbegründer vonGreenpeace und langjährige Direktor von GreenpeaceInternational, zu diesem Vorhaben, die Gentechnik ein-zusetzen, um Lebensmittel besser herzustellen und Welt-mangelernährung bekämpfen zu können, sagt.Er sagt wörtlich:In der Abwägung ist klar: Die realen Vorteile vongenetischer Modifikation überwiegen bei weitemdie hypothetischen Risiken, die von den Gegnernvorgebracht werden.Um nichts anderes geht es uns Liberalen. Sie hängenzwar Plakate mit der Überschrift „GentechnikfreieZone“ auf; aber wenn Sie selbst krank würden, würdenSie nach dem besten Medikament aus dem Ausland ver-langen. Wir wollen, dass die besten Medikamente inDeutschland hergestellt werden und nicht in fünf Jahrenimportiert werden müssen.
Ich möchte noch etwas zum Thema der inneren Libe-ralität sagen; dies ist wichtig. Um auf den Punkt zu kom-men: Herr Kollege Müntefering, hören Sie doch auf, denEindruck zu erwecken, als ob dann, wenn Schwarz-Gelban die Regierung komme, plötzlich das Frauenbild unddas Familienbild der 50er-Jahre wieder auf der Tages-ordnung seien. Ich möchte darauf aufmerksam machen,dass diejenige, die die nächste Kanzlerin wird, eine Frauist. Das sollte man einmal kurz zur Kenntnis nehmen.Jetzt möchte ich ganz persönlich etwas zum ThemaAntidiskriminierungsgesetz und dazu sagen, wie Siedamit durch die Lande ziehen. Ihr Antidiskriminierungs-gesetz, welches Sie sich als wirklich wichtiges Ziel aufdie Fahnen geschrieben haben, hilft denjenigen, die ge-schützt werden sollen, nicht. Wenn Sie das so überbüro-kratisch umsetzen, wie Sie es vorhaben – dies müsstenSie gar nicht, weil die Europäische Union viel wenigerwill –, wird das lediglich dazu führen, dass die Minder-heiten, die wir alle gemeinsam gegen Diskriminierungschützen wollen, gar nicht mehr zu einem Vorstellungs-gespräch eingeladen werden, weil die Arbeitgeber fürch-ten: Anschließend gibt es eine Klagewelle, weil eineDiskriminierungsabsicht unterstellt wird.SbeddblwmjtiUntthWdHndz–n1MbkLETl
o etwas ist nur gut gemeint.Wir sagen Ihnen: Gerade beim Thema der inneren Li-eralität schadet es nicht, wenn man auch den Verstandinschaltet. Wir als Liberale sind ein Garant dafür,
ass das Klima der Toleranz, die innere Liberalität undie Zukunft einer aufgeklärten Gesellschaft erhaltenleiben. Dafür stehen meine Partei und ich ganz persön-ich.Deswegen sage ich: Wir werden in Deutschland einenirtschaftlichen Aufschwung bekommen. Wir schaffenehr Chancen für Bildung und Wissenschaft und für dieunge Generation. Wir schaffen sicherere Sicherungssys-eme bei der Rente und der Gesundheit. Wir erhalten diennere Liberalität dieses Landes. Dafür stehen wir,nion und FDP, gemeinsam. Deswegen werden wir dieächste Regierung sein – und Sie die nächste Opposi-ion.
Nächster Redner ist der Bundesminister des Auswär-
igen, Joschka Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn maneute Morgen Frau Merkel und ganz besonders Herrnesterwelle sorgfältig zugehört hat, hat man erfahren,ass die Opposition schon gewonnen hat.
ier sitzt der bayerische Ministerpräsident, der immeroch tief traumatisiert ist. Sie dürfen nicht vergessen,ass er noch heute versucht, eine Flasche Champagneru öffnen.
Ich habe überhaupt keine Sorgen, sondern will Ihnenur sagen: Das werden die Wählerinnen und Wähler am8. September entscheiden.
anche sind schon vorher Wahlsieger gewesen und ha-en um Mitternacht immer noch in die Kamera gewun-en, obwohl sie da schon verloren hatten.Schauen wir uns die gegenwärtige internationaleage an: Wir haben es mit explodierenden Benzin- undnergiepreisen zu tun. Amerika erleidet eine furchtbareragödie. Wir bekommen mit, dass sich ganz offensicht-ich global eine Veränderung vollzieht, die tief ein-
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Bundesminister Joseph Fischerschneidet – auch in die Zukunft der Arbeitsplätze und indie Positionierung des Wirtschaftsstandortes Deutsch-land. Nur, der Vorredner hatte dazu nichts zu sagen.Frau Merkel, wer ist denn in Ihrem Kompetenzteamdafür zuständig?
– Frau Hasselfeldt! – Das kommt ja nicht von ungefähr.Sie wollen nicht Vorfahrt für diesen Punkt – das wissenSie ganz genau –, sondern für Sie ist da der Rückwärts-gang angesagt.
Die Kanzlerkandidatin spricht davon – das war dasErste, was Sie erklärt haben, Frau Merkel –, dass die Zu-kunft ihre Zukunft ist. Dann wollen wir diese Zukunfteinmal betrachten. Ich meine, entscheidend für die Zu-kunft der Arbeitsplätze wird die Energiefrage sein. Wirsind da sehr gut positioniert. Ich war jüngst an der Tech-nischen Hochschule in Aachen. Dort werden Motorenfür den weltweiten Einsatz entwickelt, unter anderemder Hybridmotor. Wenn ich dann aber mitbekomme,dass Volkswagen in diesen Tagen ein neues Modell vor-stellen will – einen Dinosaurier aus dem oberen Preisse-gment mit 25 Litern Verbrauch –, während der Hybrid-motor, der an dem Institut in Aachen entwickelt wurde,von Toyota umgesetzt wird, ist das für mich eine Ent-wicklung, die wir so nicht zulassen dürfen. Wenn sichhier andere auf den Weg machen, wird uns das Arbeits-plätze kosten.
Da kann Herr Westerwelle Steuersenkungen rauf undrunter durchdeklinieren. Das sind die entscheidendenZukunftsfragen.Schauen wir uns doch einmal die Realität an: Ich warjüngst in Ostwestfalen, in einer Kommune, die einenBürgermeister von der Christlich Demokratischen Unionhat. Dort wurde ein Zentrum für erneuerbare Energieneingeweiht. Der verantwortliche Unternehmer sagte mir,in Nordrhein-Westfalen gebe es faktisch eine Totalblo-ckade bei den erneuerbaren Energien. Da kann ich nursagen: Wir haben mit dem Erneuerbare-Energien-Ge-setz, mit Jürgen Trittin, zur Weltspitze, zu Japan, aufge-schlossen. Wenn diese Zukunftstechnologie aber jetzt,wie in Nordrhein-Westfalen, aus ideologischen Gründennicht umgesetzt wird – angesichts explodierender Ener-giekosten wird sie sich schneller rentieren, als selbst wires angenommen haben; wir waren weiß Gott Optimisten –,dann wird die Vergangenheit die Zukunft definieren. Dasist das Letzte, was unser Land brauchen kann.
Sie wollen Kanzlerin werden, Frau Merkel. Dafür istentscheidend, dass Sie die strategischen Linien definie-ren. Nach der großen Tragödie in den USA ist noch nichtabsehbar, was die Konsequenzen sind. Aber dieses Landhat immer mit sehr viel Pragmatismus und Entschlossen-hspDvAUigsDrmmWdRttmntbmigh„M–bncWTEafdWkgpSlged
Wir müssen alles tun – das werden und wollen wirun –, um eine Verbrauchsreduzierung zu erreichen. Au-os mit Hybridmotor – also mit einem Elektromotor undit einem konventionellen Ottomotor – dürfen dochicht nur von Toyota exportiert werden. Toyota expor-iert in die USA so viele Autos mit Hybridmotor – ver-rauchsarm, schadstoffarm! –, wie Audi dorthin Autosit konventionellen Antrieben liefert. Dieser Drittmarktst für die Arbeitsplätze entscheidend. Ich kann nur sa-en: Da müssen wir Acht geben.Darüber hinaus müssen wir jetzt in die Biotreibstoffeinein. Ich dachte, ich höre nicht richtig, als ich in derTagesschau“ vor dem formidablen Duell, das Frauerkel ja, wie ich überall gelesen habe, gewonnen hatman merkt es nur nicht –, vom Präsidenten des Ver-ands der Automobilindustrie, Professor Gottschalk, ei-em in der Wolle gefärbten Grünen, erfahre: Wir brau-hen mehr Biotreibstoffe. – Recht hat er. Wir werden dieeichen dafür stellen. Die grüne Zapfsäule muss an jedeankstelle.
s kann doch nicht sein, dass die in Brasilien weiter sindls wir. Weg vom Öl ist die entscheidende Zukunftsfrageür den Automobilstandort Deutschland.Das sind die Fragen, die Arbeitsplätze bringen wer-en. Wir haben 30 000 Arbeitsplätze allein bei derindenergie geschaffen. Die stellen Sie infrage. Jetztommen Sie und sagen, Sie wollen eine Kappung. Ver-leichen Sie einmal die Situation dort, wo es eine Kap-ung gibt – in Italien und Großbritannien –, mit unseremystem, dann werden Sie sehen, was Investitionen mobi-isiert.Sie wissen genau: Die Windenergieförderung ist de-ressiv, sie wird abgebaut werden. Das heißt, die Wind-nergie muss sich rentieren. Ich glaube, dass angesichtser Entwicklung der Energiepreise die Förderung
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Bundesminister Joseph Fischerschneller abgebaut werden kann, als alle angenommenhaben.Nur, man muss den Menschen auch sagen: Zwar ge-hen in die Energiepreise auch spekulative Bestandteileein, aber noch viel wichtiger ist das Folgende – ich alsAußenminister bekomme das mit –: Seit ungefähr zwei,drei Jahren trifft man chinesische oder indische Delega-tionen bzw. Unternehmen auch dort an, wo sie vorhernicht gewesen sind. Das hat nicht nur Auswirkungen aufdie Energiepreise. Schauen Sie sich etwa die Entwick-lung des Kupferpreises an. Chile hat Jahrzehnte unter ei-nem sich abwärts entwickelnden Kupferpreis gelitten;nun haben wir eine völlige Umkehrung erlebt. DieseEntwicklung schließt die Jutepreise, überhaupt alle Roh-stoffpreise ein. Reden Sie mit Vertretern des Mittelstan-des, dann werden Sie merken, dass der Druck der Roh-stoffpreise für unsere Wirtschaft eine enorme Bedeutunghat!Das zeigt, dass Globalisierung eben nicht nur bedeu-tet: Wir produzieren und exportieren und bekommen so-mit das Geld, das wir für Rohstoffe aufgewendet haben,zurück; wir reisen in exotische Länder. Vielmehr bedeu-tet Globalisierung, dass sich große Nationen auf denWeg gemacht haben. Das wird zu einem dauerhaften An-stieg der Rohstoff- und Energiepreise führen. Was hatFrau Merkel heute zu dieser entscheidenden Zukunfts-frage zu sagen gehabt?
Wir haben die besten Ingenieure, die besten Facharbei-ter, hervorragende Universitäten und das nötige Kapital.Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Weichen so stellen, dass esin Richtung rückwärts geht, dann werden wir auch rück-wärts fahren und werden Arbeitsplätze in großer Zahlverlieren. Genau das darf es nicht geben und deswegenmüssen wir die ökologische und soziale Erneuerung vor-antreiben.
Zur Gentechnik, zu Guido Westerwelle und der Gen-technik.
Er meint, es sei für mich ein Problem, was und wie vielich esse. – Ja, das ist mein Problem. Aber wenn ich Ih-nen zuhöre, ist ebenfalls mein Problem, was Sie reden.Das ist nicht immer klug, Herr Westerwelle; das mussich Ihnen ganz ehrlich sagen.
Ich rede jetzt von gentechnisch manipulierten Bestand-teilen von Nahrung. Lassen Sie da doch den Markt ent-scheiden! Sie sind doch der Apostel der freien Markt-wirtschaft. Sie reden doch immer davon, dass derKonsument mehr Freiheit braucht.
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Sehen Sie, Herr Westerwelle: Selbst die Kanzlerinlatscht; selbst die CDU/CSU ist überzeugt und hat Bei-all geklatscht.
Ja, selbst die Kanzlerin klatscht.
Das sind Helden der Ironie; ihr seht es.
Ich stelle fest: Bei euch darf man Ironie nicht einset-en. Ich lasse es.Ich komme jetzt wieder zurück zur Gentechnik undur Freisetzung bzw. unserer gesetzlichen Regelung.enn Saatgutfirmen so überzeugt davon sind, dass esotwendig ist, gentechnisch manipuliertes Saatgut frei-usetzen, und wenn Sie so überzeugt davon sind, dass esicher ist: Wieso wollen Sie dann die Staatshaftung ein-ühren? Ich bin der Meinung, dass diese Firmen sich aufem Versicherungsmarkt die Deckung besorgen sollten.ann könnten wir auch feststellen, für wie sicher sie dasanze wirklich halten.
Frau Merkel, ich darf Sie ja jetzt nicht mehr Kanzlerinennen, sonst flippen die wieder aus.
Ich darf Sie so nennen; also gut. Ich bin gespannt da-auf, ob Sie auch noch am Abend des 18. September soenannt werden. Ich glaube es nicht.
Meine Damen und Herren, Sie haben eine Politik derhrlichkeit versprochen. Die Politik der Ehrlichkeitüsste so aussehen, dass Sie und Herr Kirchhof sagenüssten, was Sie wirklich wollen. Da kann ich Ihnen nuragen: Ich finde, Ihr Hinweis auf Reagan lässt tiefer bli-ken, als es auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint.
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Bundesminister Joseph Fischer
Wenn man es ernst nehmen soll, dass Sie ProfessorKirchhof als den neuen Ludwig Erhard der CDU be-zeichnen, Frau Merkel, dann müssen Sie auch die Kon-sequenzen vor den Wahlen offen aussprechen. Da willich Ihnen sagen: Das wird eine Grundsatzentscheidung.Ich weiß nicht, wie weit Ihre Partei den Leipziger Partei-tag tatsächlich ernst genommen hat.Dann kam Ihre Kirchhof-Entscheidung und nun IhrReagan-Zitat, das scheinbar bedeutet: Mir selbst fälltnichts ein, also muss ich eine Anleihe machen.
– Nein, es geht nicht um dieses Zitat. Es geht um einegesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung. Dazuwill ich Ihnen etwas vom bayerischen FinanzministerKurt Faltlhauser vorlesen. Er hat am 29. April 2004 hierim Deutschen Bundestag gesagt:Es gibt hier aber eine Differenz zu dem, was der im-mer wieder zitierte Professor Kirchhof vorgelegthat. Dieser hat eine Flat Tax von 25 Prozent vorge-schlagen.Jetzt kommt es:Ich erkläre für mich ausdrücklich, dass ich in dersozialen Marktwirtschaft der BundesrepublikDeutschland eine Flat Tax für nicht vertretbar halte.
Und weiter:Für mich ist die Progression der Einkommensteuerein Kernpunkt unseres Sozialstaatsprinzips.
Ich muss Ihnen sagen: Das ist die gesellschaftspolitischeGrundsatzentscheidung. Das müssen die Menschendraußen wissen.Der Bundeskanzler hat völlig Recht, wenn er sagt,dass wir den Sozialstaat erneuern müssen und dass diesozialen Sicherungssysteme auf unsere immer älter wer-dende Gesellschaft und auf die neue Wettbewerbssitua-tion ausgerichtet werden müssen. Ich möchte in keinerGesellschaft leben, in der wir den Individualismus sozu-sagen zum obersten Prinzip erklären und in der sich diestarken von den schwachen Schultern verabschieden.Für mich war der Kern der Sozialstaatsorientierung derUnion seit Adenauer immer das Festhalten an diesemPrinzip. Angesichts dessen, was Sie wollen, sage ich Ih-nen – ich habe Ihnen sehr sorgfältig zugehört –: Sie sinddas Gegenteil von neuer Ehrlichkeit.
Wenn Sie wirklich den Mut hätten, zu sagen, was Siewollen und was Sie für notwendig halten, dann würdenSie sagen, dass Sie den Sozialstaat für überholt, für zutlAssD1IüIgeBdrntdtfLts––fnde––mk
Nun zur Gesundheitsreform. Da bin ich ideologischberhaupt nicht festgelegt.
ch hatte gedacht, dass ein Prinzip auch für die Unionilt – für die FDP allerdings nicht; denn die FDP möchteine Vollprivatisierung; das heißt, am Ende bleibt eineasisversicherung, die privaten Versicherungen müssenann jeden akzeptieren; das wäre eine Armenversiche-ung und würde, wenn man das zu Ende denkt, die Über-ahme der Sozialhilfe in das Gesundheitssystem bedeu-en,
as ist völlig klar – und dass dieses auch in Zukunft gel-en sollte: das Prinzip der Belastung nach der Leistungs-ähigkeit, dass sich also Beiträge und Besteuerung an dereistungsfähigkeit orientieren und dass stärkere Schul-ern stärker herangezogen werden. Ich möchte, dass die-es Kernprinzip des Sozialstaats auch in Zukunft gilt.
Nein, das macht ihr nicht.
Ich will euch etwas sagen: Ich bin aus Überzeugungreiwillig gesetzlich versichert und zahle gegenwärtig ei-en Krankenkassenbeitrag von etwa 500 Euro. Nachem merkelschen Modell würde ich um knapp 400 Eurontlastet.
Natürlich.
Aber selbstverständlich! – Da kann ich nur sagen,eine Damen und Herren: Das wird die Wirtschaft an-urbeln! Da wird der Fischer investieren, dass es kracht!
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Bundesminister Joseph FischerNein, es ist überhaupt nicht einzusehen, warum meinFahrer, der genauso alt ist wie ich, belastet wird und ichentlastet werde. Das macht überhaupt keinen Sinn.Nun zur Kinderversicherung. Der Spitzensteuersatzsoll weiter gesenkt werden, aus Gründen, die ich nichtkenne. Das wird unsere Wettbewerbsfähigkeit überhauptnicht verbessern. Sie wollten ihn auf 36 Prozent senkenund haben das alles sauber berechnet, allerdings in derLuft und nicht in der Realität. Jetzt kommt die Begrün-dung, dass die Reichen für die Kinderversicherung he-rangezogen werden sollen. Das kann dann aber nicht nurfür die gesetzliche Versicherung gelten; denn damit wer-den Sie in Karlsruhe scheitern. Selbstverständlich wer-den Sie dann alle Kinder entsprechend zu finanzieren ha-ben; das ist doch völlig klar. Dafür fehlen Ihnen16 Milliarden Euro, Frau Merkel. Da kann ich Ihnen nursagen: Angesichts dieser fehlenden 16 Milliarden Eurowerden Sie wieder auf die Mehrwertsteuererhöhung zu-rückkommen.Ich frage mich, welchen Sinn das macht. Wenn wirder Meinung sind, wir sollten eine steuerliche Zuführungvornehmen, dann bin ich jederzeit bereit, darüber zu dis-kutieren. So, wie wir es bei der Rentenversicherung ge-tan haben, könnten wir auch hier unvoreingenommenüber die Frage einer steuerlichen Zuführung diskutieren.
Warum Sie aber das Prinzip, dass sich die Höhe der Bei-träge nach der Leistungsfähigkeit richtet, aufgeben wol-len, verstehe ich nicht. Das Tollste ist der Sozialaus-gleich! Da kann ich Ihnen nur sagen: Fahren Sie doch indie Schweiz und schauen Sie sich doch einmal die Reali-tät an! Und da kommen die Meister der Entbürokratisie-rung und sind dabei, einen Dinosaurier der Bürokratisie-rung zu schaffen:
30 Millionen Versicherungspflichtige, die heute in dergesetzlichen Krankenversicherung sind – das müssen dieVersicherten wissen –, werden dann Anträge schreiben,sie werden Sozialleistungsbezieher werden.Liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen undHerren von der Union, ich kann nur sagen, das hat alleskeinen Sinn! Das wird eines der besten Gesundheitssys-teme, eines der solidarischsten Gesundheitssysteme ge-fährden und letztendlich ruinieren.
Wir dagegen halten an ihm fest. Bei einer immer älterwerdenden Gesellschaft brauchen wir eine gewisse Ab-kopplung der Finanzierung des Gesundheitssystems vonden Arbeitskosten; das haben wir mit unserer Reformschon gemacht. Da bin ich sehr dafür. Da ist ein Wachs-tumsmarkt, da hätte ich mir gewünscht, dass die FDPund auch Sie Ihren Widerstand gegen die Aufhebung desMehrfachbesitzverbotes bei Apotheken aufgeben.
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Frau Merkel, Ihre Amtszeit wird sich durch Wunderuszeichnen. Wenn ich mir anschaue: Mehrwertsteuerer-öhung um 2 Prozentpunkte, das wird die Konjunkturichtig brummen lassen! Daraus wollen Sie die Senkunger Beiträge zur Arbeitslosenversicherung finanzieren.ie Ministerpräsidenten der CDU/CSU hauen sich jetztchon wie die Kesselflicker, wie viel sie zum Stopfen deraushaltslöcher bekommen. Zweiter Punkt also: Sanie-ung der Länderhaushalte. Dritter Punkt: steuerfinan-ierte Kinderversicherung; 16 Milliarden Euro. Jetztind Sie schon im Bereich des Wunders angekommen.as werden Sie aus den 2 Prozentpunkten niemals her-usbekommen! Schließlich der vierte Punkt: Senkunger Ökosteuer.Da kann ich nur sagen: Solche Versprechungen haticht einmal der Papst bei seinem Besuch hier ineutschland gemacht; das hat er sich nicht zugetraut.
a stellt man doch fest: Das ist doch hinten und vornedeologiegetrieben!
as wissen Sie auch. Das ist doch völlig klar: Der kirch-ofsche Einheitssteuersatz oder Ihre Absenkung despitzensteuersatzes auf 39 Prozent – was ökonomischeinen Sinn macht –, das wird letztendlich zulasten derleinen Leute finanziert. 40 Milliarden Defizit im erstenahr, das haben wir in Amerika erlebt, das haben wir inngland erlebt: Erst heißt es: „Runter mit den Steuern!“,nd dann heißt es: „Defizite müssen weg!“ Und dieommen weg: vor allen Dingen in den Sozialetats, beiildung und Ausbildung, bei den kleinen Leuten. Daann ich Ihnen nur sagen: Das, was Sie wollen, ist eineesellschaft des kalten Herzens. Das ist das Gegenteilon dem, was wir wollen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17527
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Bundesminister Joseph FischerVorfahrt für Kinder! Ich würde mir wirklich wün-schen, Sie würden wirklich Politik für junge Frauen inunserem Land machen. Renate Schmidt und wir habendas gemacht.
Mit dem Ganztagsschulprogramm haben wir4 Milliarden Euro in die Hände genommen. Hoffentlich– Herr Ministerpräsident – geben Sie das alles an dieKommunen weiter und nutzen es nicht zur Sanierung derLänderhaushalte.
Der entscheidende Punkt bei der Entlastung bei der So-zialhilfe ist, dass investiert wird, vor allen Dingen in dieBetreuung der unter 3-Jährigen. Aber ich sage hier auchganz offen – bei allem, was es auch an vernünftigen Vor-stellungen von Elterngeld und Ähnlichem gibt; –: Wirmüssen doch nur über den Rhein schauen! Frankreich istdoch nicht wesentlich reicher als wir. Aber dort ist seitvielen Jahren ein Anspruch auf Kinderbetreuung ab demersten Lebensjahr selbstverständlich. Wir wollen nie-manden diskriminieren. Wenn sich jemand entscheidet,zu Hause zu bleiben, dann ist das eine Entscheidung, dievoll zu akzeptieren und zu unterstützen ist. Aber es mussaufhören, dass letztendlich den jungen Eltern und denjungen Frauen – dazu haben Sie nichts gesagt – die Ver-einbarkeit von Familie und Beruf ins Kreuz gehängtwird. Wie viele Alleinerziehende sind in die Sozialhilfegedrückt worden, nur weil die Betreuung nicht funktio-niert hat? Das darf es in unserem Land nicht geben.
Deswegen sage ich den jungen Eltern: Am 18. Septem-ber steht eine Entscheidung an über eine der, wie ichdenke, wichtigsten Zukunftsreformen: nämlich den ge-setzlichen Anspruch auf Kinderbetreuung ab dem erstenLebensjahr. Ohne diesen wird es nicht wirklich funktio-nieren. Deswegen bin ich unbedingt dafür, dass wir dasmachen.
Ich kann nur sagen: Neben dieser sozialpolitischenEntscheidung mache ich mir am meisten über dieAußen- und Sicherheitspolitik Sorgen.
– Ja, ja. – Schauen wir uns die Entwicklung an. Ich habevorhin gesagt: Wir wissen nicht, wie dieses große, füruns so bedeutende Land USA reagieren wird. Wird essich nach innen orientieren? Was wird das dann für Frie-den und Stabilität in unserer Nachbarregion bedeuten?So wie während des Kalten Krieges für den Westen Ber-lin Zentrum von Freiheit und Sicherheit war, so ist jetztdie Stabilität des Mittelmeerraums die entscheidendeFrage für unsere Sicherheit, nämlich ob wir ein Mehr derKooperation oder der Konfrontation bekommen.–megeftskvfrgdmKKtusrsanUdsWKtdPeFgWgRsdmTwM
Das hat überhaupt nichts mit Heuchelei zu tun. Viel-ehr werde ich Sie gleich an Ihre früheren Positionenrinnern, Verehrtester.Diese Region steht heute vor großen Herausforderun-en. Ich bin froh, dass die mutige Entscheidung der isra-lischen Regierung, sich aus Gaza zurückzuziehen, dazuühren kann und hoffentlich dazu führen wird, dass wei-ere politische Verhandlungsschritte folgen, sodass die-er lange tragische Konflikt zwischen zwei Nachbarvöl-ern beigelegt wird und es zu einem dauerhaften Endeon Terror und Gewalt kommt und Israel und Palästinariedlich Seite an Seite leben.
Aber der entscheidende Punkt ist für mich ein ande-er. Wir haben in dieser Region eine Kumulation vonroßen Gefahren. Ich darf Sie nur daran erinnern, dassie Entwicklung im Irak alles andere als gut verläuft. Ichache mir da große Sorgen, obwohl wir nicht für denrieg waren. Aber die negativen Konsequenzen werdenriegsbefürworter und Kriegsgegner gleichermaßen zuragen haben. Keiner denke, die Terrorgefahr wäre fürns keine Gefahr.Große Teile der Bevölkerung in der arabischen Weltind unter 18 Jahren. Dort herrscht eine Modernisie-ungsblockade. Wir haben Entwicklungen auf der arabi-chen Halbinsel und auch im Irak. Das iranische Nukle-rprogramm, das keinerlei Sinn macht, darf ebenfallsicht vergessen werden. Wir wissen nicht, wie sich dieSA in den kommenden Monaten orientieren werden. Inieser Situation wird es entscheidend sein, dass wir un-ere Sicherheitsinteressen und nicht innenpolitischeahlinteressen an die erste Stelle stellen. Von einer, dieanzlerin werden will, erwarte ich das.
Wenn das eine Minderheitenposition ist, dann bedeu-et Führung, wenn man diese Position für richtig hält,araus eine Mehrheitsposition zu machen. An diesemunkt lautet die entscheidende Frage: Gelingt es, dassin großes muslimisches Land den Weg von Demokratie,rauen- und Menschenrechten, Rechtsstaat, unabhängi-en Medien, einer modernen offenen Gesellschaft undirtschaft erfolgreich geht?Seit 43 Jahren machen wir der Türkei Versprechun-en, von Adenauer und Strauß, bis 1997 Glos unter deregierung Kohl/Waigel in einer Presseerklärung das-elbe Versprechen gemacht hat. Jetzt soll der Türkei inieser Situation, in der wir kein Risiko eingehen – esag zehn, 15, 20 Jahre dauern, das weiß ich nicht –, dieür vor der Nase zugeschlagen werden,
eil Herr Stoiber kulturelle Einwände hat oder weil Frauerkel meint, das sei weniger wichtig. Dann kann ich
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17528 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
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Bundesminister Joseph FischerIhnen nur sagen: Herr Glos, Ihre – wie heißt das? – privi-legierte Partnerschaft, so sagte mir der Herr Schäuble,wollen Sie gemeinsam mit den Türken entwickeln. Dasgibt es gar nicht respektive ist schon längst Realität.
Mit Ihrer Türkeipolitik – das sage ich Ihnen mit mei-ner ganzen Erfahrung aus sieben Jahren –, Frau Merkel,versündigen Sie sich an den Sicherheitsinteressen Euro-pas und Deutschlands.
– Jawohl, jedes Wort genau so. – Meine Damen und Her-ren, Sie lagen bei der Irakpolitik falsch. Ich werde denArtikel in der „Washington Post“ nie vergessen: Bundes-kanzler Schröder spricht nicht für alle Deutschen. DieserArtikel ist sehr nachlesenswert. Sie wollen Kanzlerinwerden. Aber Sie haben nicht den kühlen Kopf und dieFähigkeit zur Analyse, die man in solchen Situationenbraucht.
Im Falle des Irakkriegs haben Sie eine falsche Positionbezogen. Was Sie jetzt in der Türkeipolitik machen,halte ich für noch gefährlicher.
Heute haben Sie sich über die Mehrheit gefreut. Ent-scheidend wird es darauf ankommen, dass Sie am18. September die Mehrheit nicht bekommen. Wir wer-den klar machen: Ökologische und soziale Erneuerungist die Alternative zu einer Politik der kalten Herzen undder Systemveränderung von rechts.Ich danke Ihnen.
Auch wegen der überschaubar begrenzten Möglich-
keiten, in dieser Legislaturperiode im Deutschen Bun-
destag noch das Wort zu ergreifen, geht das Präsidium
mit den Redezeiten sehr großzügig um.
Es wäre dennoch schön, wenn die Redner in der Nähe
der gemeldeten Redezeiten bleiben könnten.
Nun erteile ich dem Ministerpräsidenten des Freistaa-
tes Bayern, Edmund Stoiber, das Wort.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
eder Tag ohne Rot-Grün ist ein guter Tag für Deutsch-and.
Herr Bundeskanzler, Sie haben sieben Jahre – siebenange Jahre – eine bessere Zukunft versprochen. Ichabe viele Erklärungen, Reden und Regierungserklärun-en von Ihnen gelesen und auch selber mitgehört.
ie Menschen warten bis heute darauf, dass es ihnenesser geht. Fast 5 Millionen Menschen sind arbeitslos.as ist – bei aller Problematik in vielen anderen Berei-hen – das zentrale Problem unseres Landes. Wenn wiras nicht lösen, dann werden wir auch die anderen Pro-leme, die heute angesprochen werden und angespro-hen worden sind, nicht lösen können.
An dieser Aufgabe ist Ihre Regierung objektiv ge-cheitert. Das ist auch der Grund, warum Sie Neuwahlenusgeschrieben haben. Das ist auch der Grund, dass wiretzt hier stehen und zum Abschied dieser Regierung dis-utieren können, was gut für Deutschland ist.Zigtausende junge Menschen finden keinen Einstiegn das Berufsleben. Millionen Rentner haben das Ver-rauen in die Rentenkasse verloren. Was sagen Sie diesenenschen?
Nur zu sagen, das seien sieben gute Jahre gewesenso argumentieren Sie nämlich –, ist für mich zynisch,ealitätsfern und gegenüber diesen Menschen blankerohn.
Darüber können Sie nicht hinwegtäuschen: Es gibtast 5 Millionen registrierte Arbeitslose, 7 Millionenenschen, die in diesem Lande arbeiten wollen, abereine Arbeit finden.
0 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer iniesem Lande haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Esibt kein Land auf dieser Welt – weder in Europa nochußerhalb Europas –, in dem die Menschen so viel Angst
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17529
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Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber
haben, den Arbeitsplatz zu verlieren oder keine Arbeitzu bekommen. Das ist eines der entscheidenden The-men.Ich wiederhole: Wenn wir die Mentalität nicht verän-dern – sie ändert sich nur dann, wenn die Menschen Ar-beitsplätze bekommen –, dann müssen Sie die Politik än-dern. Das Ergebnis Ihrer Politik der letzten sieben Jahreist jetzt zu besichtigen. Auch noch so schöne Worte kön-nen nicht darüber hinwegtäuschen, weil die Bilanz vor-liegt.
Deswegen gibt es auch diese Wechselstimmung.Deswegen – wegen Ihrer Politik – haben Sie elf Wahlenhintereinander verloren. Deshalb werden wir, die CDU/CSU, mit Angela Merkel an der Spitze den Wechsel inDeutschland herbeiführen. Lassen Sie endlich die Artund Weise, in der Sie der Spitzenkandidatin oder werauch immer Spitzenkandidat war immer wieder unter-stellen, sie wären persönlich nicht in der Lage, diesesschwierige Amt zu führen! Glauben Sie, dass Sie bei derBilanz, die Sie vorzuweisen haben, die Berechtigung ha-ben, der Oppositionsführerin überhaupt einen solchenVorwurf zu machen?
Auch heute sprechen Sie von einer deutlichen Trend-wende auf dem Arbeitsmarkt. Ich glaube, das habe ichin den letzten sieben Jahren 15-mal gehört. Das ist diealte Schröder-Masche. 1998 haben Sie – das ist hierschon gesagt worden – eine „signifikante Senkung derArbeitslosigkeit“ versprochen. Ich erinnere mich nochgut daran, wie Sie zusammen mit Peter Hartz – ihn wol-len Sie heute möglicherweise gar nicht mehr so genaukennen – am 15. August 2002 im Französischen Domeine Halbierung der Arbeitslosigkeit zelebriert haben.Die Menschen haben zum Teil daran geglaubt. Aberheute sind es nicht wie damals 4 Millionen, sondern 4,7bzw. 4,8 Millionen Arbeitslose. Wie oft haben wir inzwi-schen gehört – genauso wie heute –: Die Talsohle istdurchschritten! Licht am Ende des Tunnels! Es gehtbergauf! Der Aufschwung kommt! – Ich sage: Das alleswar eine Täuschung. Die Menschen sind diese Täu-schungen satt und wollen deswegen einen Wechsel. Wirwollen alles dafür tun, dass es diesen Wechsel gibt.
Bleiben wir doch einmal bei den Fakten. Nach denletzten statistischen Daten sind binnen Jahresfrist, vonJuni 2004 bis Juni 2005, 410 000 sozialversicherungs-pflichtige Arbeitsplätze in Deutschland verloren gegan-gen. Das ist Ihre Bilanz. Ihre Masche, ständig zu sagen:„Morgen wird es besser“, ohne die Politik substanziellzu verändern, glauben Ihnen die Leute nicht mehr. Wirwollen deutlich machen: Sie verändern Ihre Politiknicht, damit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, son-dern klagen nur und schlagen falsche Rezepte vor, dieSie erst gar nicht umsetzen, weil Sie dafür keine Mehr-hwAtmggISJHaSisgd22SDfldfhdwnnnPhasSeH
chauen wir uns das einmal genauer an! Sie haben dazun Ihrer heutigen Regierungserklärung fast gar nichts ge-agt. 2002 wurden 32 Milliarden Euro neue Schuldenemacht. 2003 waren es 38 Milliarden Euro neue Schul-en.
004 waren es 39 Milliarden Euro neue Schulden.
005 werden es voraussichtlich 40 Milliarden Euro neuechulden sein.
azu kann ich nur sagen: Versprochen, gebrochen! Jahrür Jahr steigen die Schulden. Jahr für Jahr für 40 Mil-iarden Euro Zinsen! Jahr für Jahr – viermal hintereinan-er – Bruch des europäischen Stabilitätspaktes! Jahrür Jahr Bruch der Verfassung im Hinblick auf die Haus-altsdisziplin! Was, glauben Sie denn, können Sie demeutschen Volk noch zumuten? Es darf nicht mehr soeitergehen, wenn wir eine Zukunft haben wollen.
Die rot-grüne Bundesregierung hat mit ihrer verhäng-isvollen Schuldenpolitik die Zukunft der jüngeren Ge-eration immer wieder belastet. Wie oft haben die Grü-en das Wort von der Nachhaltigkeit verwendet! Dasrinzip der Nachhaltigkeit ist von Ihnen verbal hochge-alten worden. Im Umweltschutz ist das in der Tat einußerordentlich wichtiges Kriterium, aber nicht nur dort,ondern in der gesamten Politik. Wenn Sie aber das, wasie sagen und in Ihren Programmen festgelegt haben,rnst genommen hätten, dann hätten Sie niemals deraushaltspolitik der letzten Jahre zustimmen dürfen, die
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im Prinzip die finanzielle Situation unseres Landes zu-tiefst zerrüttet.Zur Tilgung von Schulden müssen im Bundeshaushaltjährlich 40 Milliarden Euro bereitgestellt werden. DieBundesschuld ist damit der zweitgrößte Posten im Bun-deshaushalt. Das ist eine unmögliche Situation; denn da-durch sind zahlreiche Investitionen nicht möglich. IhreBilanz ruft einfach zu Ihrer Abwahl auf.
Am Ende Ihrer Amtszeit hinterlassen Sie riesigeSchuldenberge
und die größte Zinslast der Geschichte, und das, obwohlSie in sieben Jahren über 52 Milliarden Euro Privatisie-rungserlöse – die UMTS-Milliarden sind da gar nichteingerechnet – erzielt und zusätzlich in den Haushalt ge-buttert haben. Wenn Sie diese Privatisierungserlöse fürInvestitionen verwendet hätten, dann hätten Sie zu-kunftsorientiert gehandelt. Die Privatisierungserlöse– sie sind sozusagen das, was die Deutschen in den 50er-und 60er-Jahren erarbeitet haben – haben Sie immerwieder in Haushaltslöcher gesteckt, ohne Konsequenzendaraus zu ziehen, dass Sie auf die Dauer nicht mehr aus-geben können, als Sie einnehmen.
Tatsache ist: Der Bundeshaushalt 2005 ist völlig ausdem Ruder gelaufen. Sie sagen: Wir nehmen im JahrSteuern in Höhe von präterpropter 190 Milliarden Euroein und wir geben im Jahr präterpropter 250 MilliardenEuro aus. Damit bekommt man auf die Dauer ein struk-turelles Defizit von 50 Milliarden Euro bis 60 MilliardenEuro. Das verschweigen Sie. Sie ziehen daraus keineKonsequenzen und daher verschuldet sich der Staat im-mer mehr.Ich ziehe einen internationalen Vergleich: Wir habenes in der Zwischenzeit geschafft, uns in der Europaligaauf den drittletzten Platz vorzuarbeiten; nur noch Italienund Belgien haben eine höhere Staatsverschuldung alswir. Ich erinnere daran, dass die Stabilität in den 60er-,70er- und 80er-Jahren Deutschlands Markenzeichen ge-wesen ist. Ihr Versagen auf diesem Gebiet gehört auchzur Bilanz Ihrer Politik, die einfach geändert werdenmuss. Sie können sie nicht ändern; Frau Merkel wirddiese Politik ändern.
In Ihrer Regierungserklärung haben Sie über diesesThema überhaupt nicht gesprochen.Sie haben hier angekündigt, was Sie alles machenwollen, zum Beispiel Elterngeld einführen. Das ist eineinteressante Angelegenheit. Darüber kann man diskutie-ren, gar keine Frage. Sie haben eine ganze Reihe von an-deren Vorschlägen gemacht, die Sie umsetzen wollen,wenn die SPD wieder die Regierung stellt. Dazu sage ichImVdGvInehmwVsUhilKsnk1m–wWa5dKuh1ddtddBstd
leichzeitig weist Ihr Haushalt ein strukturelles Defiziton 50 Milliarden Euro bis 60 Milliarden Euro auf undhr Bundesfinanzminister sagt: Im Jahr 2007 habe ichichts mehr zu versilbern; stellt euch darauf ein, dass ichin strukturelles Defizit von 25 Milliarden Euro über-aupt nicht mehr ausgleichen kann. Es ist für mich un-öglich, auf der einen Seite so viele Schulden zu verant-orten und auf der anderen Seite den Leuten weiterhinersprechungen in Milliardenhöhe zu machen. – Eineolche Politik darf nicht fortgeführt werden.
Ihre gebetsmühlenartig vorgebrachte Polemik, dienion habe den Subventionsabbau und damit die Haus-altssanierung blockiert,
st eine pure Legende. Durch die Initiative der Bundes-änder haben wir im Rahmen des Koch/Steinbrück-onzepts im Jahr bundesweit 5 Milliarden Euro einge-part. So viel Verantwortung hat eine Opposition nochie bewiesen. Ich erinnere an das, was Sie, Herr Bundes-anzler, mit Herrn Lafontaine damals, 1996, 1997 und998, im Bundesrat alles angestellt haben, um Refor-en, die vielleicht zu spät eingeleitet worden sindmöglicherweise sind wir deshalb damals abgewähltorden –, zu verhindern.Heute stellen Sie sich hin und sagen zum Beispiel:ir haben den Eingangssteuersatz von 25,9 Prozentuf 15 Prozent und den Spitzensteuersatz von3 Prozent auf 42 Prozent gesenkt. Sie verschweigen,ass die Regierung Kohl bereits 1996 das Petersbergeronzept mit einem Eingangssteuersatz von 12 Prozentnd einem Spitzensteuersatz von 39 Prozent vorgelegtat. Wäre dieses Konzept bereits in den Jahren 1996,997 und 1998 umgesetzt worden, stünden wir heute an-ers da, als wir es tun. Man muss feststellen: Sie habenas verhindert.
Sie haben immer wieder angesprochen – dies hat un-er anderem auch Ihr Parteivorsitzender gesagt –, dassie Vertrauensfrage habe gestellt werden müssen, umurch eine Neuwahl des Bundestages das Verhältnis vonundesrat und Bundestag anders zu justieren. Dies er-chließt sich mir nicht, weil auch die Ministerpräsiden-en durch Wahlen in ihr Amt gekommen sind. Sie wer-en natürlich auch weiterhin nach ihren Vorstellungen
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entscheiden. Darauf haben die Bundestagswahlen keinensubstanziellen Einfluss.Aber eines ist in diesem Zusammenhang deutlich zumachen: Wir haben in dieser Legislaturperiode 80-malden Vermittlungsausschuss angerufen; es ist aber nureine Handvoll Gesetze gescheitert. In dieser Woche– Herr Müntefering, Sie haben es angesprochen – habenwir in der Tat das rot-grüne Antidiskriminierungsgesetzgestoppt. Es ist richtig gewesen, dass wir das gestoppthaben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dieses Gesetz hätte den Mittelstand und die Wirtschaftmit Bürokratie überzogen und wäre ein weiterer rot-grü-ner Jobkiller geworden. Dies zu verhindern ist keineBlokkade.
Ihrem Zuwanderungsgesetz nicht zuzustimmen undes zu verändern, ist eine absolute Notwendigkeit gewe-sen. Wir haben jetzt ein besseres Gesetz erreicht, das Sieniemals erreicht hätten. Ihr Gesetz hätte zu einer außer-ordentlich schwierigen Situation in Deutschland geführt.Wenn Sie schon über Blockade sprechen, dann müss-ten Sie auch deutlich machen, dass wir niemals wie SieEnde der 80er-, Anfang der 90er-Jahre
die Dinge so blockiert haben, wie Sie es uns immer wie-der unterstellen.
Dies zeigen die Zahlen. Wenn man aus insgesamt80 Vermittlungsverfahren mit einer Handvoll Ablehnun-gen herauskommt, wird die konstruktive Haltung desVermittlungsausschusses und der Länder mehr als deut-lich.
Dort, wo die Union regiert – auch dies will ich nocheinmal ins Gedächtnis rufen –, geht es den Menschenbesser.
Dort gibt es weniger Arbeitslose, mehr Wachstum, mehrInvestitionen und eine bessere Bildungspolitik. Dort gibtes auch eine neue Stabilitätskultur. Schauen Sie sich an,welche Stabilitätskultur sich in Sachsen entwickelt hat,welche sich in Niedersachsen und in Hessen entwickelt.NMnmtDSgcmfnrdgruMpJgrwukünuigrlISrnr
ach dem Regierungswechsel ist es eine der wichtigstenaßnahmen des neuen Ministerpräsidenten Rüttgers, ei-en ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Er sagt: Wirüssen von den Schulden herunter und können die Poli-ik der Milliardenschulden nicht mehr fortsetzen.
ort, wo die Union regiert, haben wir also eine besseretabilitätskultur, und dort, wo CDU-Politiker ins Amtekommen sind, wird sich diese Stabilitätskultur entwi-keln, weil es notwendig ist, meine sehr verehrten Da-en und Herren. Dies können wir auch im Bund schaf-en.
Wenn Sie kritisieren, dass wir in unser Programm hi-eingeschrieben haben, dass wir die Maastricht-Krite-ien in dieser Legislaturperiode erfüllen wollen, dann istiese Kritik für eine Regierung, die Maastricht viermalebrochen hat, unredlich und absolut nicht zu akzeptie-en.
Wir werden auf Ihren Haushalten aufbauen müssennd werden uns bemühen, so schnell wie möglich dieaastricht-Kriterien zu erfüllen. Aufgrund Ihrer Finanz-olitik wird dies mit Sicherheit leider noch nicht imahre 2006 möglich sein. Mir wäre es recht, wenn esinge. Aber wir werden erst einmal mit den Europäerneden und ihnen deutlich machen müssen, welches Erbeir hier übernommen haben
nd dass wir nicht von heute auf morgen alles so machenönnen, wie wir es könnten, wenn wir die ganze Zeitber regiert hätten.
Wir müssen in Deutschland umkehren, weil es nichtur um das Heute, sondern auch um das Morgen geht,m die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Wir müssenn Deutschland umkehren, weil wir auf Dauer mit weni-er Schulden und weniger Zinsen wieder mehr Spiel-aum für mehr Investitionen in Bildung und Hochschu-en, für Kinderbetreuung, für Innovationen sowie fürnfrastrukturmaßnahmen im Bereich von Straße undchiene bekommen. Wir müssen in Deutschland umkeh-en, weil immer mehr Lasten auf den Schultern derächsten Generation eine unverantwortliche und unmo-alische Politik darstellen.
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Wenn Sie hier zu Recht die allgemeine demographi-sche Situation beklagen, dann ist Schuldenmachen nochunmoralischer, als es im Prinzip schon ist, weil starkeGenerationen mit ihren Problemen nicht fertig werdenund die Begleichung dieser Schulden immer kleiner wer-denden nachfolgenden Generationen übertragen.
Das ist absolut unmöglich. Deshalb ist es auch aus Grün-den der Generationengerechtigkeit nötig, dass die Schul-denpolitik abgebaut wird.
Meine Damen, meine Herren, die soziale Bilanz vonsieben Jahren Rot-Grün ist bitter für die Menschen in un-serem Land: Es gibt über 1,6 Millionen weniger sozial-versicherungspflichtige Arbeitsplätze als 1998. Das istIhre Bilanz.
Das ist sozial ungerecht. 1 Million Menschen mehr als1998 lebt in Armut; das sagt Ihr Armenbericht selberaus. Das ist sozial ungerecht.
Seit 1998 wurden fast 200 Milliarden Euro neue Schul-den auf die Schultern unserer Kinder gepackt. Das ist so-zial ungerecht. Nicht Lippenbekenntnisse, sondern ein-zig und allein messbare Erfolge für die Menschenmachen unser Land sozial.
Deutschland braucht eben mehr Wachstum, mehr Ar-beitsplätze und mehr Zukunft.Meine Damen, meine Herren, ich betone es: CDUund CSU sind Garanten der sozialen Marktwirtschaftin Deutschland.
Das, was Sie hier immer wieder in Form von bösen Un-terstellungen angesprochen haben, muss ich strikt zu-rückweisen. Sie kamen gerade von denen, die am An-fang mit der sozialen Marktwirtschaft auf Kriegsfußgestanden haben. Aber ich sage Ihnen auch: Schauen Sieeinmal, in welcher Situation wir uns befinden.
Wir haben eine großartige soziale Marktwirtschaft. Siemuss sich allerdings im Wettbewerb gegenüber anderenWirtschaftsordnungen, in der Globalisierung durchset-zen. Das ist nicht ganz einfach.mitDDrwGastOdwfPwrCnzreEIL
In unserem Programm – ich möchte darauf noch ein-al hinweisen – steht ganz bewusst am Anfang, dass wirn der Globalisierung die soziale Marktwirtschaft erhal-en, sichern und ausbauen werden.
as ist und bleibt unser Maßstab.
eswegen sollte man sich diese Passage unseres Regie-ungsprogramms, mit dessen Umsetzung wir beginnenollen, sehr genau vergegenwärtigen.
Deutschland hat alle Chancen, zu den Gewinnern derlobalisierung zu gehören. Wir haben die besten Fach-rbeiter, wir bringen exzellente Leistungen in Wissen-chaft und Forschung. Wir haben große und kleine Un-ernehmen, die weltweit Marktführer sind.
hne SPD und Grüne schaffen wir es,
ass aus diesem riesigen Potenzial Deutschlands endlichieder Arbeitsplätze für die Menschen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schaf-en Arbeit mit Innovationen, neuen Ideen und neuenrodukten. Standortwettbewerb ist heute Innovations-ettbewerb. Das haben Sie nie begriffen. Diese Bundes-egierung hat sehr viel über Risiken diskutiert,
aber viele Chancen vertan: in der Pharmazie, in derhemie, in der Biotechnologie, in der Kernenergietech-ik und in vielen anderen Bereichen.
Auf einem politischen Feld allerdings – das muss ichugeben – war diese Bundesregierung äußerst „erfolg-eich“. Hier haben Sie Ihre erklärten Ziele tatsächlichrreicht. So hat Deutschland heute mit die höchstennergiepreise in Europa.
n allen anderen Ländern in Europa wirkt die gleicheage auf dem Weltenergiemarkt. Sie, Herr Bundeskanz-
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ler, haben heute gesagt, mit nationalen Maßnahmen seidie Preissetzung nicht möglich. Das ist nicht richtig; dasist falsch. Sie haben ohne Rücksicht auf Arbeitsplätzeund Wirtschaft die Energie in Deutschland im nationalenAlleingang massiv verteuert und damit unsere Wettbe-werbsfähigkeit drastisch verschlechtert.
Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Energie teurer zu machen, das war und ist ein zentra-les rot-grünes Projekt.
Entlarvend ist doch ein berühmter Parteitagsbeschlussder Grünen aus Magdeburg. Damals wurde es noch alsHirngespinst angesehen, für 1 Liter Benzin 5 DM zuzahlen, aber dahin kommen Sie allmählich. Stehen Siedoch zu Ihrer Politik seit 1998: Ja, wir von der rot-grü-nen Tankstelle wollen die Energie noch viel teurer ma-chen als in den anderen Ländern. – Das ist Ihre Absichtgewesen und diese Absicht haben Sie verwirklicht.
Der Benzinpreis lag in Deutschland beim Antritt derRegierung Schröder, 1998, noch im europäischen Mittel-feld. Heute hat Deutschland mit die höchsten Benzin-preise in Europa.
Sie sind nach oben gegangen. Wir haben da viele Länderhinter uns gelassen.Noch gravierender hat sich die Situation beim Dieselverschlechtert.
Heute hat Deutschland mit die höchsten Dieselpreise inEuropa. Das war 1998 völlig anders.Der Strom für die Betriebe ist nach einem Vergleichder Europäischen Kommission nur noch in Italien und inIrland teurer als in Deutschland. Heute hat Deutschlandmit die höchsten Strompreise in Europa, was bedeutet,dass die stromintensiven Betriebe von der Zementindus-trie bis zur Aluminiumindustrie
Arbeitsplätze in das Ausland verlagern. Das ist die Folgeeiner falschen Politik. Diese Politik muss geändert wer-den.
Das ist eine verheerende Preisentwicklung, die Rot-Grün bewusst herbeigeführt hat undfHbDwlbatsDksew3Eamsl–eSsbmwWgs
ür die Sie, Herr Bundeskanzler, Sie, Herr Fischer, underr Trittin die Verantwortung tragen. Das kostet Wett-ewerbsfähigkeit.
as vernichtet zigtausend Arbeitsplätze im Transportge-erbe, in energieintensiven Branchen, bei den Tankstel-en im Grenzland und in anderen Bereichen. Wir müssenefürchten, dass diese hohen Benzinpreise jetzt langsamuch unsere Paradedisziplin im Export, nämlich die Au-omobilindustrie, ganz entscheidend beeinträchtigen undchwächen.
eswegen müssen Sie politisch alles tun, was Sie tunönnen, um hier jedenfalls die Steuern langfristig zuenken, wenn Sie bei den Energiepreisen überhaupt nochine Chance haben wollen, im europäischen Umfeldettbewerbsfähig zu sein.
Sie haben immer wieder versucht, auch heute, dieCent, die in den Haushalt und in die erneuerbarennergien fließen,
uf 1,5 Cent zurückzuführen. Lassen Sie mich noch ein-al Folgendes sagen: 1,9 Milliarden Euro aus der Öko-teuer, die wir insgesamt für falsch halten und die wirangfristig abbauen müssen
gar keine Frage! –, fließen in den Haushalt und in dierneuerbaren Energien. Die Frage ist aber: Darf der Staatteuermehreinnahmen, die jetzt aus der Ölpreisexplo-ion entstehen, einstecken oder muss er sie zurückge-en? Dazu sage ich Ihnen ganz offen: Wir müssen dasachen wie die Franzosen, die beschlossen haben, dasieder zurückzugeben.
ir prüfen das. Ich hoffe, dass wir das, wenn wir die Re-ierung stellen können, sehr schnell zurückgeben können.
Ich kenne natürlich den Einwand der Mehrwert-teuer.
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Sie müssen einfach begreifen, dass Sie hier vor einer Al-ternative stehen: Wollen Sie die Lohnzusatzkosten, dieüber 42 Prozent betragen, senken oder wollen Sie sienicht senken?
Sie haben immer darüber geredet, dass Sie die Lohnzu-satzkosten senken wollen, haben aber nie etwas dafürgetan. Wir wollen die Lohnzusatzkosten zum 1. Januardes nächsten Jahres auf einen Schlag um 2 Prozent-punkte senken. Die Mehrwertsteuererhöhung wird dafürgebraucht. Dieser Betrag fließt letzten Endes 30 Millio-nen Menschen sozusagen über eine Lohnsteigerung di-rekt wieder zu.
Herr Bundesaußenminister, lassen Sie mich noch eineAnmerkung zu einer Frage machen, in der wir – das wis-sen Sie – eine ganz unterschiedliche Auffassung haben.Die Frage lautet: Ist Europa in der Lage, in fünf oder inzehn Jahren die Türkei als Vollmitglied aufzunehmen?Ich halte Ihre Argumentation – Sicherheitsgründe – fürfalsch. Die Türkei ist in der NATO. Wir sind in derNATO mit diesem mit uns seit Jahrzehnten oder Jahr-hunderten befreundeten Volk eng verbunden; gar keineFrage.
Sie führen immer an, die Union habe dem Ganzen frühereinmal zugestimmt. Das war in der Zeit der Europäi-schen Wirtschaftsgemeinschaft.
Das war in der Zeit der Europäischen Gemeinschaft.
Heute haben wir aber das Projekt der europäischen poli-tischen Union mit der Absicht, dieser politischen Unionauch immer mehr außenpolitische und innenpolitischeKompetenzen zu übertragen. Das ist nun der Kern unse-rer Bemühungen.Wenn Sie diese europäische politische Union habenwollen, brauchen Sie auch eine gewisse Gemeinsamkeit,eine Wertebasis, einen gemeinsamen Kanon.
Ich sage Ihnen voraus, dass die Europäische Union mit25 oder 27 – wenn Bulgarien oder Rumänien dabei seinsollten – nicht in der Lage ist,ensmgralDwddazkpSSwerus
in Land aufzunehmen, das 80 bis 90 Millionen Einwoh-er hat und das einen ganz anderen kulturellen und wirt-chaftlichen Hintergrund hat, meine sehr verehrten Da-en und Herren.
Herr Ministerpräsident, ich darf auch Sie bitten, gele-
entlich einmal einen Blick auf die Redezeit zu werfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Deswegen sage ich Ihnen: Achten Sie bitte auch da-auf, was die Bevölkerung in Deutschland, aber auch innderen Teilen Europas will. Sie werden Schiffbruch er-eiden.
eswegen ist es dringend notwendig, dass die Regierungechselt. Natürlich halten wir uns an die Abmachungen,ie Sie getroffen haben. Aber wir werden alles tun, dassie Verhandlungen nicht nur ergebnisoffen, sondernuch zieloffen geführt werden –
ieloffen mit dem Ziel einer privilegierten Partnerschaft.
Meine Damen, meine Herren, heute hat die SPD – daönnen Sie schreien, so viel Sie wollen – sehr vieles imolitischen Angebot: Sie haben Rot-Grün,
ie haben die Ampel, Sie haben die große Koalition undie haben ein Linksbündnis. Alles, was ich hier anführe,ird in Ihrer Partei, der SPD, vertreten. Die einen wollenine große Koalition. Die anderen wollen natürlich eineot-grüne Koalition. Die Nächsten sind bereit, mit Gysind Lafontaine zusammenzuarbeiten. Andere denkenogar an eine Ampel, so irreal das auch ist.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer amSonntag in acht Tagen CDU, CSU und FDP wählt, derweiß natürlich: Es gibt nur eine Alternative zu Rot-Grünund all dem Durcheinander, nämlich Schwarz-Gelb.
Deshalb hoffe ich, dass wir am Sonntag in acht Tagenbei Ihnen lange Gesichter sehen und bei uns fröhliche.In dem Sinne: Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun die Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend, Renate Schmidt.
Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! LiebeKolleginnen! Sehr verehrter lieber Herr Stoiber, wir ken-nen uns jetzt schon so lange. Ich kann erkennen, dass ausall Ihren Sätzen, aus jedem Ihrer Worte der Frust gespro-chen hat, heute hier nicht als Kanzlerkandidat stehen zudürfen,
dass Sie sich heute gewünscht hätten, dass das ganzedeutsche Volk erkennt, dass hier der kenntnisreichere,der detailversessenere, der zahlenbewusstere, der rich-tige Kanzlerkandidat für die Bundesrepublik Deutsch-land steht.
Wie sehr hätten Sie sich heute gewünscht, dass IhreFraktion hier im Deutschen Bundestag Ihnen auch ste-hend Beifall geklatscht hätte. Nichts davon ist eingetre-ten.
Deshalb sage ich Ihnen, was Ihre persönliche Zukunftangeht: Sie werden nicht nach Berlin gehen,
weil Sie sich mit Ihren unerträglichen Äußerungen ge-genüber den Ostdeutschen selbst ausmanövriert habenund weil Sie es nicht ertragen,ndlwmükWISlkERbglEzDhbKMugDkdaWeeddisg
Aber so wichtig das alles ist: Unsere gesellschaftlichentwicklung darf nicht auf ökonomische Fragen redu-iert werden.
ies entspricht nicht den Wünschen der Menschen. Sieaben nicht nur Sehnsucht nach Werten, sondern sie le-en diese Werte in ihren Familien. Ihre Familien, ihreinder, ihre Eltern sind den Menschen das Wichtigste.it der Familie verbinden sie Geborgenheit, Zuversichtnd Hoffnungen. Ihr gilt unsere Sorge.Ich stehe hier für eine Familienpolitik, die nicht nurut gemeint ist, sondern wirkt.
iese Bundesregierung hat es geschafft, dass die Familieein Randthema der Politik mehr ist, sondern endlich inie Mitte der Gesellschaft gerückt worden ist, wo sieuch hingehört.
ir stehen für eine moderne, an der Vielfalt der Lebens-ntwürfe ausgerichtete Familienpolitik und auch für einebensolche Frauenpolitik.Eine solche Politik trägt dazu bei, dass sich vorhan-ene Kinderwünsche erfüllen. Sie verschafft Kindernie gleichen Chancen; denn die größte Ungerechtigkeitn unserem Land ist, dass die Herkunft eines Kindes soehr über seine Bildungschancen entscheidet wie nir-endwo anders in Europa.
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Bundesministerin Renate SchmidtDa, sehr verehrter Herr Ministerpräsident von Bayern,bekleckert sich gerade Bayern nicht eben mit Ruhm;denn dort hat ein Arbeiterkind eine sechsmal schlechtereChance, einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen,als das Kind eines Akademikers.
Eine solche Politik, wie wir sie machen, reduziert Frauennicht aufs Muttersein und schreibt Müttern und Väternnicht vor, ob und in welchem Umfang sie erwerbstätigsein können.Um eine effektive, nachhaltige Politik für Kinder, Fa-milien und Frauen zu betreiben, brauchen wir eine Kom-bination aus einer guten Infrastruktur, Zeit und effizien-ten Geldleistungen. Bei den materiellen Leistungenliegen wir im europäischen Vergleich allerdings mit ander Spitze.Wir haben uns deshalb an die Arbeit gemacht und dieheutigen Bedürfnisse junger Menschen aufgegriffen, in-dem wir 4 Milliarden Euro in Ganztagsschulen inves-tieren, obwohl dies Aufgabe der Länder wäre. Die Fami-lien in Deutschland haben aber das Gerede überZuständigkeiten satt. Sie wollen, dass sich die Bildungihrer Kinder und die Möglichkeit, Beruf und Familie zuvereinbaren, endlich verbessern.
Durch das Gesetz zum Ausbau der Tagesbetreuungbis 2010 werden wir 230 000 neue Plätze für die unterDreijährigen schaffen und dort Qualitätsstandards für diefrühe Förderung verankern. Frau von der Leyen will die-ses Gesetz nicht fortführen, was immer das heißen mag.
Der Ausbau der Betreuung wird in Ihrem Wahlpro-gramm allein den Ländern überlassen. Der Bund sollsich auf eine Zuschauerrolle beschränken. Da warten wirdann allerdings bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Von1994 bis zum Jahr 2002, also innerhalb von acht Jahren– das ist der letzte statistisch erfasste Zeitraum –, wurdedie Zahl der Plätze für die unter Dreijährigen um geradeeinmal 1,5 Prozent erhöht, einschließlich der Tagesmut-terstellen.
Bei einem solchen Schneckentempo bräuchten wir120 Jahre, bis wir französische, 160 Jahre, bis wir ost-deutsche, und 304 Jahre, bis wir dänische Verhältnisseerreicht hätten.
Ich möchte nicht, dass erst meine Ururenkelinnen Berufund Familie ohne Stress in Deutschland vereinbarenkönnen.
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ch war dabei. Es war eben nicht eine Initiative von Frauerkel, nicht ihre Leistung, auf die sie stolz sein könnte.ie musste von SPD, FDP, Grünen und einigen Parla-entarierinnen der Union mühsam gegen die Union undegen Ihre Unentschiedenheit, Frau Merkel, durchge-etzt werden.
s ist deshalb gut, dass der Ausbau der Betreuungs-, Bil-ungs- und Erziehungseinrichtungen für die Kleinstenu einer Pflichtaufgabe der Kommunen geworden ist.Unsere Regierung hat noch viel vor. Bis 2010 wollenir den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatzindestens für die ab Zweijährigen realisiert haben undchrittweise, ein Jahr ums andere, wollen wir die Ge-ührenfreiheit der Kindertagesstätten erreichen.
abei müssen, wollen und werden wir den Kommunenelfen, genauso wie wir es mit den 2,5 Milliarden Euroerbindlicher Entlastungen der Kommunen beim Zu-ammenlegen von Arbeitslosen- und Sozialhilfe getanaben. Es wäre nur wunderbar, wenn die Länder – insbe-ondere auch der Freistaat Bayern – ihre Zusage aus demermittlungsausschuss einhalten würden, diese Einspa-ungen an die Kommunen weiterzugeben. Das ist leiderottes nicht überall der Fall.
Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Da-en, wir sorgen für mehr Zeit für Familien, indem wirie Wirtschaft und die Gewerkschaften in die Famili-npolitik einbinden; denn Arbeitsbedingungen, die beiller notwendigen Mobilität und Flexibilität keine Rück-icht auf familiäre Pflichten nehmen, die jungen Men-chen nur noch befristete Arbeitsverhältnisse bieten, ver-ennen, dass Familien ohne ein Mindestmaß antabilität und Sicherheit nicht gedeihen können.
Sie, Frau Merkel, haben gesagt, Sie wollten auf dieirtschaft in dieser Frage zugehen. Ich kann Ihnen nuragen: Längst geschehen! Sie kündigen an, wir machens schon.
Wir haben mit Repräsentanten der Spitzenverbändeer deutschen Wirtschaft und den Gewerkschaften unterer Schirmherrschaft der Bertelsmann-Stiftung und mei-es Ministeriums eine Allianz für die Familie gegrün-
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Bundesministerin Renate Schmidtdet. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich beimeinen Mistreiterinnen und Mitstreitern: insbesonderebei Liz Mohn, Ludwig Georg Braun, Michael Endres,Dieter Hundt, Hubertus Schmoldt, Michael Sommer undbei den vielen anderen. Wir haben zusammen schon vielerreicht und werden noch viel erreichen.
Wir haben deutlich gemacht, dass sich Investitionenin Frauen- und Familienfreundlichkeit auch betriebswirt-schaftlich in den Unternehmen rechnen. Wir haben unsmit den Lokalen Bündnissen für Familie einen Unterbaugeschaffen. 198 solche Bündnisse gibt es schon; über24 Millionen Menschen werden von ihnen erreicht. Über1 200 Unternehmen und mehr als die Hälfte aller Indus-trie- und Handelskammern arbeiten dort nicht nur mitschönen Worten, sondern mit ganz konkreten Taten mit.
Weitere 200 Bündnisse sind in Vorbereitung. Wir werdenunser Ziel, 1 000 solcher Lokalen Bündnisse für Familiebis zum Jahr 2010, erreichen.Nein, Frau Merkel, Sie müssen sich nicht mehr bemü-hen, auf die Wirtschaft zuzugehen. Es ist längst durchmeine Aktivitäten das Nötige eingeleitet.
Wir haben uns noch mehr vorgenommen. Die Allianzfür die Familie wird sich um das Verstärken betriebsna-her Betreuung und familienfreundliche Arbeitsbedin-gungen in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgengenauso kümmern wie um die erleichterte Rückkehrnach der Elternzeit in den Beruf. Das ist besonders imInteresse der überwiegenden Zahl der Mütter; denn86 Prozent der Mütter wollen ganz oder teilweise er-werbstätig sein. Gerade einmal 14 Prozent möchten überlängere Zeit ausschließlich Hausfrau und Mutter sein.Ich sage hier ausdrücklich: Beide Lebensmodelle habendieselbe Berechtigung und verdienen jeden Respekt.Aber, frage ich,wofür stehen Sie eigentlich mit IhremWahlprogramm? Was hat das eigentlich vorzuweisen?
Es ist, um es in aller Deutlichkeit zu sagen, eine famili-enpolitische Nullnummer. Die gekonnte Präsentation Ih-rer zuständigen Kompetenzfrau mit einer eigenen großenFamilie ersetzt eben kein konkretes familienpolitischesProgramm. Das müssen Sie sich einmal ins Stammbuchschreiben lassen.
Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf einige unver-bindliche Sätze, keine Aktivitäten, keine Instrumente aufder Bundesebene.Ihr heimlicher oder besser unheimlicher Familien-minister wird da schon deutlicher. Er sagt – ich zitiere –:PSgMvKjha„vhHnFdvUISeGd
ein sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damenon der Union, ich darf Ihnen etwas versichern: Aufinder, Küche, Kirchhof haben die gut ausgebildetenungen Frauen genauso wenig Lust wie die Männer. Des-alb ist das, was Sie hier machen, verkehrt.
So ist auch Ihr frauenpolitischer Programmteil einebsolute Nullnummer. Frauenpolitik auf die ThemenVerbot der Zwangsheirat“ und „Bestrafen von Freiernon Zwangsprostituierten“ – zwei von mir geteilte Vor-aben – zu reduzieren ist wohl nicht so ganz auf deröhe der Zeit. Eine Kanzlerkandidatin bedeutet ebenoch keinen frauenpolitischen Sommer.
rau zu sein ersetzt nun einmal keine Frauenpolitik.
Dass das beileibe nicht nur meine Meinung ist, son-ern eine, die von vielen geteilt wird, zeigt die Positionon renommierten und engagierten Unionsfrauen wiersula Männle, Irmgard Karwatzki oder Rita Süssmuth.ch zitiere Letztere:Gerade darum ist die vollständige Abwesenheit derFrauen im CDU/CSU-Programm unverständlich.Schlimmer noch: Es wird einer rückwärts gewand-ten Politik das Wort geredet.ie hat absolut Recht.
Die rot-grüne Bundesregierung hat, angefangen beiinem wirksamen Gewaltschutz über ein modernesleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst undie Reform des Betriebsverfassungsgesetzes mit dem
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Bundesministerin Renate SchmidtAuftrag, in den Betrieben für Gleichstellung zu sorgen,bis zur Erweiterung des Berufswahlspektrums, viel er-reicht. Wir haben für die nächste Legislaturperiode nochviel vor: insbesondere die Karrierechancen von Frauenzu steigern, im Rahmen der Antidiskriminierungsrichtli-nien der EU eine nationale Stelle einzurichten, die sichauch um Gleichstellungsfragen kümmert, und für ar-beitslose Frauen Weiterbildung und Vermittlung sicher-zustellen; um nur einiges Wenige zu nennen.
Eines haben wir aber garantiert nicht vor: in der Fa-milienpolitik die drei Jahrzehnte währende falsche Wei-chenstellung fortzusetzen, wie Sie es beabsichtigen, in-dem Sie wieder einmal auf ineffiziente, noch dazuungerechte und darüber hinaus unfinanzierbare Geldleis-tungen setzen.
Ihr einziger familienpolitischer Programmpunkt ist einRentenbonus – ich habe diesen Ruf noch nie wie Don-nerhall gehört; keiner schreit danach – von 50 Euro, derteuer und nicht finanzierbar ist, weil er bis zu4 Milliarden Euro kosten wird. Die Fachwelt lehnt diesefamilienpolitische Schnapsidee unisono ab.
Sie setzen zudem auf eine Steuerreform, die gut ver-dienenden Familien einiges, durchschnittlich verdienen-den wenig und gering verdienenden nichts bringt. Al-leinerziehende werden überwiegend draufzahlen, weilder von uns geschaffene Entlastungsbetrag für Alleiner-ziehende zu den 418 Ausnahmetatbeständen des HerrnKirchhof gehören wird.Im Übrigen kann ich bei dieser Steuerreform keinengroßen Fortschritt erkennen. Geplant ist, richtig gerech-net, ein steuerfreies Jahreseinkommen von 38 200 Euro.Die heutige Steuerfreiheit beträgt 37 500 Euro ein-schließlich des Kindergeldes. Auch Herr Kirchhof rech-net das Kindergeld ein. Wo da eine deutliche Verbesse-rung sein soll, muss man mir erst einmal erklären.
Natürlich brauchen Familien auch effiziente finan-zielle Leistungen. Die Betonung liegt hier aber auf „effi-zient“. Deshalb haben wir nicht nur das Kindergelderhöht, sondern ab diesem Jahr erstmals auch ein Instru-ment zur Bekämpfung von Kinder- und Familienarmuteingeführt. Geringverdiener können einen Kinderzu-schlag von bis zu 140 Euro erhalten. 150 000 Kinder undihre Familien werden damit in diesem Jahr vom Arbeits-losengeld II unabhängig.
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Deshalb werden wir, wenn der Ausbau der Betreuungür die unter Dreijährigen fortgeschritten ist, ein Eltern-eld mit Lohnersatzfunktion einführen. Das wird glei-hermaßen unterstützt von Gewerkschaften und Arbeit-ebern, von Familienorganisationen, wie der EAF undem Verband der Alleinerziehenden, sowie von namhaf-en Einzelpersonen, von Hubertus Schmoldt über Ritaüssmuth, Frank Bsirske, Gesine Schwan bis zu Kamillaühring vom Bundesvorstand der Frauenunion, über de-en – ich zitiere – volle Unterstützung ich mich freuenarf.
Also werden wir ab dem Jahr 2008 das Elterngeldinführen, wie es im Übrigen der 7. Familienberichtbenso vorschlägt wie der Kinder- und Jugendbericht.as Prinzip: Nach skandinavischem Vorbild sollen El-ern künftig ein Jahr lang zwei Drittel ihres letzten Ein-ommens als Elterngeld, gedeckelt bei der Beitragsbe-essungsgrenze der Arbeitslosenversicherung, erhalten.er vorher nichts oder wenig verdient hat, bekommt ei-en Sockelbetrag von 750 Euro. Damit bleiben jungerauen als Mütter ökonomisch selbstständig, statt wieisher nach der Geburt eines Kindes vom Partner oderom Staat abhängig zu sein.
Ich sage es Ihnen gleich, keine Sorge. – Die dreijährigelternzeit bleibt. Niemand wird schlechter dastehen, diellermeisten viel besser. Ziel ist es, die Entscheidungür ein Kind zu erleichtern und Einkommenseinbrücheach dessen Geburt zu vermeiden.Aber es geht mir auch um die Väter. Zwei Drittel desinkommens bieten den meist besserverdienenden Män-ern zum ersten Mal die reale Chance, ihre zunehmen-en Wünsche nach aktiver Vaterschaft zu verwirkli-hen. Ein Monat Elterngeld wird für die Väter reserviert,amit die Männer diese Chance nicht verpassen. Auchas ist ein Element der Gleichstellungspolitik.
Das bedeutet: mehr Väter und mehr Kinder sowieehr zufriedene Mütter und Familien mit guten Rah-enbedingungen.
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Bundesministerin Renate Schmidt
Das Elterngeld ist mit 1,3 Milliarden Euro Mehrkostengegenüber dem Erziehungsgeld dreimal besser finanzier-bar als zum Beispiel Ihr Rentenbonus, der bereits imJahre 2009 mehr kosten wird als dieses Elterngeld.
Das Elterngeld ist sehr viel eher finanzierbar als zumBeispiel Ihre Gesundheitsreform, bei der Sie mit1,4 Milliarden Euro die Krankenkassenbeiträge für Kin-der von gut verdienenden Privatversicherten finanzierenwollen. Ich frage mich, warum immer wir auf jeden Eurogenau erzählen müssen, was wir tun, während Sie ver-schweigen, wie Sie Ihre Geschenke an gut Verdienendein dieser Gesellschaft finanzieren wollen.
Familienpolitik ist mehr als die Diskussion über Steu-erfreibeträge, Kindergeld und Betreuungseinrichtungen;denn es geht um das Wichtigste überhaupt, um unsereKinder, um ihre bestmögliche Erziehung und Bildung inden Familien und außerhalb der Familien.Für die Erziehung eines Kindes braucht man ein gan-zes Dorf, sagt ein wunderschönes afrikanisches Sprich-wort. Ein Dorf in dem Sinne haben wir heute nicht mehr.Deshalb müssen wir für ein modernes neues sorgen.Deshalb habe ich mit Kirchen und Wohlfahrtsorganisati-onen die Initiative „Verantwortung und Erziehung“gegründet. Deshalb werden wir, unterstützt vom DIHK,in der nächsten Legislaturperiode Eltern-Kinder-Zen-tren initiieren, auch um die Erziehungskompetenz vonEltern zu stärken.
Bei uns ist Familienpolitik Chefsache.
Wir haben erkannt, dass Familien- und Frauenpolitik diewichtigsten gesellschaftspolitischen Themen des nächs-ten Jahrzehnts sind und dass unsere Zukunft davon ge-nauso abhängt wie von wirksamen Arbeitsmarkt- undSozialreformen. In Ihrem Wahlprogramm ist Familien-und Frauenpolitik eine versteckte Marginalie. Ich binüberzeugt davon, dass Sie die feste Absicht haben, dieFamilienpolitik als Anhängsel im Ressort Gesundheitund Soziales anzugliedern,
weil kein Minister, keine Ministerin mit diesem bisschenWahlprogramm eine Legislaturperiode lang ausgelastetwäre.
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Damit würde Familienpolitik wieder in der Versen-ung verschwinden. Das darf nicht geschehen. Alleineshalb wollen wir weiter regieren. Wir wollen dafürorgen, dass Kinder als das begriffen werden, was sieind: Glück, Lebensfreude, Lebenslust und die Zuver-icht, dass etwas von uns bleibt. Weil uns das so wichtigst und weil Sie hier nichts zu bieten haben, werden wirach dem 18. September weitermachen mit einer moder-en Politik für Kinder, Frauen und Männer in unseremand.
Ich erteile der Kollegin Petra Pau das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esst die Stunde der Bilanz. Der Herr Bundeskanzler hateine gezogen, die CDU/CSU die ihrige und ich werdensere ziehen, also aus Sicht der linken Opposition, derDS im Bundestag. Die CDU/CSU fordert mit ihremntrag sogar eine „ehrliche Abschlussbilanz“; daranöchte ich gern anknüpfen. Denn, genau betrachtet, bi-anzieren wir heute nicht sieben Jahre Rot-Grün; wir zie-en vielmehr einen Strich unter 15 dunkle Jahre Regie-ungspolitik.
Erinnern Sie sich: 1998 war Bundeskanzler Schröderit dem bemerkenswerten Satz angetreten, er werdeicht alles anders, sondern vieles besser machen, besserls die CDU/CSU. Ich finde, der erste Halbsatz ist einge-öst; die Einlösung des zweiten allerdings ging ganzründlich daneben. Wir haben heute die höchsterbeitslosigkeit, die größte Armut und die brisantesteerschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik.ie soziale Schieflage wurde noch schiefer und dersten kippte tatsächlich. Deshalb finde ich es übrigensynisch, wenn der Bundeskanzler in seiner Rede zurertrauensfrage sagte: Die zurückliegenden Jahresind – ich bin stolz darauf – gute Jahre für unserLand ...as sehen Millionen Menschen in unserem Land aus ei-ener Erfahrung ganz anders und wir auch.
Ich finde es auch verlogen, wenn die CDU/CSUeint, mit ihr wäre es anders gekommen. Bereits unteranzler Kohl galt als Zauberformel: Die Löhne runternd die Arbeitszeit hoch; Steuern runter und die Lasten
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)Petra Pauvon oben nach unten und die Gewinne von unten nachoben umverteilen. Dem ist dann auch Rot-Grün gefolgt.Das Ergebnis: Nichts wurde besser, aber vieles nochschlimmer. Sie predigen weiter den Beschäftigen Ver-zicht und versprechen, das würde dann Arbeitsplätzeschaffen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kaufkraft sank,der Binnenmarkt bekam Schwindsucht und noch mehrUnternehmen gingen Pleite. Heute gibt es also nicht we-niger, sondern mehr Arbeitslose und vor allen Dingenmehr arme Arbeitslose. Das festzustellen hätte zu einerehrlichen Bilanz heute gehört.Sie haben Steuerreformen beschlossen, immer mitdemselben Ergebnis: Der Sozialstaat wurde geschwächtund viele Kommunen, selbst Großstädte wie München,sind de facto pleite. Sie fallen also als Investoren aus undsie sind kaum noch in der Lage, die soziale und kultu-relle Infrastruktur zu sichern. Allein die letzte Steuer-reform kostete meine Heimatstadt, das Land Berlin,1 Milliarde Euro Einnahmen jährlich; das ist dreimal soviel, wie die Berliner Steuerzahler für den unsäglichenBankenskandal aufwenden müssen, der maßgeblichdurch die CDU verursacht wurde.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat erst dieserTage vorgerechnet: Allein durch Hartz IV hat die Kin-derarmut noch einmal deutlich zugenommen, und das ineinem der reichsten Länder der Welt. Das ist kein statis-tischer Unfall, sondern das Resultat von falscher Politik.Eine ehrliche Bilanz von Rot-Grün müsste zu demSchluss kommen: Wer wirklich etwas besser machenwill, muss in der Tat vieles anders machen, natürlichauch anders als das, was CDU und CSU in ihrem Wahl-programm ankündigen; denn Ihr Angebot, Frau Merkel,ist nur alter Wein in neuen Schläuchen und stößt ganzbitter auf.
Deshalb bleibe ich dabei: Am Wahlabend geht esnicht um die Frage „Merkel oder Schröder?“. Die Alter-native heißt: weiter Sozialabbau oder endlich soziale Ge-rechtigkeit. Die Linkspartei will das Zweite.
Wir fordern deshalb einen gesetzlichen Mindestlohn;
denn wir meinen: Von Arbeit muss man leben können.Wir wollen eine bedarfsorientierte soziale Grundsiche-rung für alle; denn nur so kann Armut vermieden undWürde gestärkt werden. Wir wollen nicht, dass die Risi-ken des Lebens immer weiter privatisiert werden. Des-halb fordern wir eine solidarische Bürgerversiche-rung.Nun noch zu einem anderen Thema. Auf den SPD-Großflächenplakaten auf den Straßen lesen wir: „WerFrieden will, muss standhaft sein.“ Das stimmt. Deutsch-lgSBgDtsisKSiKPwSLdgzmsavS–AdSgrgnrsaRuD
Auch die deutschen Rüstungsexporte – auch solchen Krisenregionen – haben wieder zugenommen. Hierehen wir leider ebenfalls eine Kontinuität zwischen derohl-Ära und der Bilanz von Bundeskanzler Schröder.
eitdem ich im Bundestag bin und Rot-Grün regiert, warch 40 Mal gezwungen, über Auslandseinsätze undriegseinsätze der Bundeswehr abzustimmen. DieDS im Bundestag hat verlässlich mit Nein gestimmt,ährend die CDU/CSU immer Ja und Amen gesagt hat.ie können sich sicher sein: Auch die neue Fraktion derinkspartei wird dabei bleiben, dass Krieg kein Mitteler Politik sein darf, schon gar kein Alltagsmittel. Dage-en haben Millionen demonstriert – wie ich finde: völligu Recht.Nun komme ich zum Thema „Bürgerrechte und De-okratie“. Die Bürgerrechte sind unter Rot-Grünchwer unter Beschuss geraten. Das lag – jeder weiß das –n der privilegierten Partnerschaft zwischen Otto Schilyon der SPD und Herrn Beckstein von der CSU.
elbst dann, wenn es bei Rot-Grün gute Ansätze gabzum Beispiel beim Zuwanderungsgesetz oder beimntidiskriminierungsgesetz –, wurden sie bis zum Wi-erruf geknebelt.
o kam es, wenn es um Bürger- und Menschenrechteing, häufig zu einer ganz eigenartigen Allianz: Ausge-echnet die FDP und die PDS im Bundestag kämpftenemeinsam gegen den Rest des Hohen Hauses. Die Grü-en waren leider ein Totalausfall, wenn es um Bürger-echte ging.
Dabei nehme ich der SPD und den Grünen eines be-onders übel: Wir hatten gemeinsam die Chance, endlichuch auf Bundesebene mehr Demokratie durchzusetzen.und um die EU-Verfassung hätten SPD, Grüne, FDPnd PDS den gesellschaftlichen Druck, der für dieurchführung einer Volksabstimmung notwendig ge-
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Petra Pauwesen wäre, so verstärken können, dass die Bremsklötzein CDU und CSU hätten klein beigeben müssen. Aberauch diese historische Chance hat Rot-Grün leichtfertigverspielt. So bleibt die Bundesrepublik in Sachen direkteDemokratie auch weiterhin ein EU-Entwicklungsland.
Auch das gehört zur Bilanz der Regierungspolitik derletzten 15 Jahre und auch das muss sich nun endlich än-dern.Zum Schluss: Am Abend der Wahl in Nordrhein-Westfalen hat sich der Bundeskanzler die Neuwahl desBundestages gewünscht. Er hat sie bekommen. Sie istzwar rechtlich fragwürdig, aber politisch vernünftig. Al-lerdings ist das auch ein Treppenwitz: Derselbe Kanzler,der vehement gegen Volksabstimmungen gekämpft hat,
sagte plötzlich, er wolle eine Volksabstimmung über sei-nen politischen Kurs, über die Agenda 2010 und überHartz IV.
Ich finde trotzdem, dass wir dieses Angebot nicht aus-schlagen sollten. Wer die Gesundheitsreform undHartz IV gut findet, der hat die Qual der Wahl. Er mussnämlich zwischen CDU/CSU, FDP, SPD und Grünenwählen. Wer das alles aber grundsätzlich falsch findet,der hat nur eine gute Wahl: die Linkspartei.
Ganz zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen,ein persönliches Wort an den Bundestagspräsidenten,Herrn Thierse, und an die Spitzen von der CSU bis zuden Grünen: Sie haben eine vorzügliche PR-Arbeit zu-gunsten der PDS im Bundestag geleistet, natürlich durchIhre Politik, die wir abgelehnt haben, aber auch, liebeKolleginnen und Kollegen, durch Ihre Großmut und Ih-ren Humor: Ich erinnere nur an den ulkigen Streit überunsere Tische; ohne ihn wären Gesine Lötzsch und ichnie so oft und so breit in die Medien gekommen. Alsovielen Dank! Wir werden uns mit einer starken Links-fraktion dafür revanchieren.
Immerhin hat die gerade liebevoll gewürdigte Groß-mut auch in diesem Falle wieder zu einer großzügig be-messenen Redezeit geführt.
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önnen sich derzeit schwerlich über einen Mangel anufträgen beschweren. „Made in Germany“ ist gefragt.as Volumen der Bestellungen deutscher Industriegüterst von Juni bis Juli um 3,7 Prozent gestiegen. Das ist dieuftragssituation in der Industrie in Deutschland.Diese Nachricht wird ergänzt durch die heutige Mel-ung des Statistischen Bundesamtes: Die Produktion imroduzierenden Gewerbe ist auch im Juli weiter ange-tiegen, nämlich um 1,2 Prozent. Im Zweimonatsver-leich Juni/Juli lagen wir um 2 Prozent höher als impril/Mai. Innerhalb der Industrie hat der Produktions-nstieg insbesondere im Investitionsgüterbereich einetarke Rolle gespielt: plus 3 Prozent. Selbst die Herstel-er von Konsumgütern melden einen Anstieg umProzent.
Das „Handelsblatt“ – das ist die dritte Meldung deseutigen Tages; das alles sind Meldungen vom heutigenage – meldet, die Kommunen schreiben wiederchwarze Zahlen.
ie Kommunen werden nach Einschätzung des Deut-chen Instituts für Wirtschaftsforschung 2005 zum ers-en Mal seit vier Jahren wieder schwarze Zahlen schrei-en. Verantwortlich dafür seien die stark gestiegeneninnahmen aus der Gewerbesteuer. Für dieses Jahr rech-et das DIW mit einem Haushaltsplus der Städte undemeinden von 600 Millionen Euro, für das nächste mitinem Überschuss von 2 Milliarden Euro. Und da redenie von einer Katastrophe der Städte und Gemeinden ineutschland!
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Bundesminister Wolfgang ClementDie nächste Meldung von heute – gerade von ddp einge-gangen – lautet: Der Deutsche Aktienindex ist am Mitt-wochvormittag zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrenüber die Marke von 5 000 Punkten gestiegen; er lagheute Morgen bei 5 004.
– Herr Kollege, weil Sie mich ja für einen unverbesserli-chen Optimisten halten – das will ich selbst für mich garnicht in Anspruch nehmen, auch wenn ich zugebe, eskönnten in Deutschland durchaus mehr von meiner Sortesein –,
will ich hinweisen auf den Frühindikator des „Handels-blattes“. Der verantwortliche Ökonom Ulrich vanSuntum sagt, zum ersten Mal gebe es nun klare Signalefür eine Konjunkturwende.
Das ist das, was heute jeder Bürger, jede Bürgerin in denZeitungen lesen kann. Vor dem Hintergrund dessen, wasSie hier aufführen, sage ich: Sie brauchen die Krise, Siebrauchen das Krisengerede: für den Wahlkampf.
Damit ist langsam, aber sicher Schluss: Die Situationbessert sich und die Bürgerinnen und Bürger nehmen of-fensichtlich wahr, dass sie sich verändert.Niemand kennt die Situation besser als ich. Ich mussnicht belehrt werden über die Situation der Arbeitslosig-keit in Deutschland.
Aber ich denke schon, dass viele Menschen in Deutsch-land – Betroffene und nicht Betroffene; jedenfalls dieje-nigen, die unvoreingenommen sind – sehr klar vor Au-gen haben, dass es eine wirklich tief greifende Reformwar. Herr Kollege Stoiber, ich bin entsetzt, wenn Sie sa-gen, es habe keine Veränderung gegeben in den letztenJahren, in diesen Jahren der Regierungskoalition – damüsste ja eine Wahrnehmungsbremse bei Ihnen gewesensein! Das ist die tiefgreifendste Reform, die je am deut-schen Arbeitsmarkt vollzogen worden ist.
Ich sage Ihnen allen: Ich bin stolz darauf, dass wir fast1 Million Menschen aus der Sozialhilfe herausgeholtund jetzt mit in den Mittelpunkt der Arbeitsvermittlunggestellt haben. Darauf bin ich stolz und ich bin über-zeugt, dass wir damit helfen können, das Schicksal die-ser Menschen zum Besseren zu wenden.Da darunter fast 200 000 junge Leute unter 25 Jahrenwaren – übrigens in allen Städten und Gemeinden unse-rgvFbrWAsmmib–wSsDImdAucgScdMvadmHrrZJbmgmbRu
Übrigens möchte ich noch etwas zu den sozialversi-herungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sa-en. Jawohl, es ist so, wie der Bundeskanzler gesagt hat:eit April dieses Jahres steigt die Zahl der sozialversi-herungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Jawohl,as hat etwas mit der Saison zu tun. Aber von April aufai haben wir zum ersten Mal seit Jahren bei den sozial-ersicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissenuch saisonbereinigt einen Anstieg. Das spricht dafür,ass wir mit dem, was wir im Januar mit den Arbeits-arktreformen und dem eingeleitet haben, was dieartz-IV-Gesetze ausmachen, in der Tat die Wende er-eicht haben. Nach acht Monaten haben wir mehr er-eicht, als in vergleichbaren Volkswirtschaften um dieseeit mit solchen Anstrengungen erreicht werden konnte.
Wir stehen zu dem, was in den vergangenen siebenahren geschehen ist. Sie, das heißt Schwarz-Gelb, stre-en jetzt die Regierungsverantwortung an. Das ist fürich kein Grund zur Entschuldigung. Aber wer die Re-ierungsverantwortung anstrebt, der muss sich an demessen lassen, was er in den 16 Jahren seiner Regierungis zu dem Zeitpunkt erreicht und bewirkt hat, als er dieegierungsverantwortung abgab.
Es ist so – das sagen die Menschen, das sagt jeder vonns zu Recht –: Jeder muss sich an seinen Worten und an
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Bundesminister Wolfgang Clementseinen Taten, vor dem Hintergrund seiner Taten messenlassen. Als wir die Regierungsverantwortung übernah-men und Sie abgewählt wurden, war die Arbeitslosigkeitin Deutschland über nahezu zwei Jahrzehnte, über16 Jahre, aufgetürmt, verfestigt, der Arbeitsmarkt warerstarrt. Über 800 000 Menschen waren in AB-Maßnah-men. Heute sind nicht einmal die Hälfte davon in Zu-satzjobs oder 1-Euro-Jobs, wie immer Sie das nennenwollen, oder sonstigen öffentlichen Maßnahmen. Wäh-rend Ihrer Regierungszeit waren über 800 000 in diesenMaßnahmen.In den 90er-Jahren haben Sie die Lohnnebenkostenvon unter 35 Prozent auf über 42 Prozent erhöht. Daswaren diejenigen, die heute über die Notwendigkeit derSenkung der Lohnnebenkosten reden! Sie haben sie vonunter 35 auf fast 43 Prozent hochgetrieben.
Sie haben die sozialen Sicherungssysteme mit versi-cherungsfremden Leistungen förmlich überfrachtet.
Damit haben wir noch heute zu tun, während Sie Steuer-erhöhungen fordern, um das wieder ins Lot zu bringen.Genau das haben Sie während Ihrer Regierungszeit ge-tan.Bei den Zukunftsinvestitionen in Forschung und Ent-wicklung war Deutschland deutlich zurückgefallen.1998 – das ist der Merkposten, an dem Sie sich orientie-ren müssen und an dem sich Europa orientiert – sinddiese Ausgaben auf 2,24 Prozent des Bruttosozialpro-dukts zurückgefallen. Das waren Ihnen Forschung undEntwicklung wert. Wir liegen heute bei 2,6 Prozent. Wirwerden 3 Prozent erreichen. Wir wissen nämlich, wasnotwendig ist, um die Zukunft in Deutschland zu gewin-nen. Das sind Investitionen in Bildung, Wissenschaftund Forschung.
Zum Steuersystem: Weder in der Einkommensbe-steuerung noch in der Unternehmensbesteuerung warenwir, als Sie die Regierungsverantwortung abgeben muss-ten, international wettbewerbsfähig. Um das klar zu sa-gen: Die damaligen Einkommensteuersätze zwischen25,9 Prozent und 53 Prozent waren absolut leistungs-feindlich. Das waren diejenigen, die uns heute über dieGerechtigkeit im Steuersystem belehren wollen! Sie ha-ben uns ein Steuersystem mit Steuersätzen zwischen25,9 und 53 Prozent übergeben.
Wir haben das Steuersystem für die Leistungsfähigenwieder leistungsfähig gemacht und es für die Schwachengeöffnet.
Ich komme zu einem anderen Punkt, weil der eben-falls zu Ihren Spezialthemen gehört. Als Sie die Regie-r4WltohnusühshgIPsznnDdibgSABLwnasahHSdsibHhig
ie Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wissen,ass eine Mehrwertsteuererhöhung sozial problematischst. Daher hilft auch eine Senkung der Beiträge zur Ar-eitslosenversicherung nicht, jedenfalls nicht in der ge-enwärtigen Situation, in der Rentnerinnen und Rentner,tudentinnen und Studenten und diejenigen, die keinerbeit haben, belastet werden. Dass ihnen von dieserelastung nichts genommen wird, ist in der derzeitigenage der Ökonomie sozial nicht zu verantworten.
Jeder Ökonom, den Sie fragen – im Handel, im Hand-erk oder wo auch immer Sie sich umhören; es tut mirur Leid, dass der Handwerkspräsident dann, wenn esuf Wahlen zugeht, diese Einsicht etwas zu verdrängencheint – und der zu Objektivität fähig ist, wird Ihnenntworten, dass die vorgesehene Mehrwertsteuererhö-ung um zwei Prozentpunkte vom Handel und vomandwerk nicht weitergegeben werden könnte. Dieseteuererhöhung träfe genau die beiden Sektoren, die zuen gegenwärtig schwächsten der deutschen Volkswirt-chaft gehören, nämlich Handel und Handwerk. Deshalbst sie nicht geeignet, zur Schaffung von Arbeitsplätzeneizutragen. Sie wird Arbeitsplätze vernichten und denandel und das Handwerk in Bedrängnis bringen. Des-alb ist sie falsch.
Herr Kollege Stoiber, ich wäre Ihnen dankbar, wennch Sie in diesem Zusammenhang ansprechen dürfte. Ichehe davon aus, dass Sie zuhören.
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Bundesminister Wolfgang ClementDeshalb – Frau Merkel ist ja gerade nicht anwesend –will ich, was Begriffe wie „neue Ehrlichkeit“ und„Wahrhaftigkeit“ angeht, eines anmerken: Ich war vorzwei Tagen in einer Sendung, in der noch einmal Sie, derHerr Kollege Koch und vor allen Dingen auch FrauMerkel gezeigt wurden, als Sie erklärt haben – Sie 2002und Frau Merkel vor der nordrhein-westfälischen Land-tagswahl vor wenigen Monaten –, eine Mehrwertsteuer-erhöhung komme nicht in Betracht. Ich halte mir vorAugen, Herr Stoiber, mit welcher Beredsamkeit Sie 2002begründet haben, dass eine Mehrwertsteuererhöhungfalsch wäre. Wenn Sie heute mit der gleichen Beredsam-keit das genaue Gegenteil vertreten,
dann hat sich entweder die Ökonomie völlig verändertoder aber Sie müssen sich fragen, ob Begriffe wie neueEhrlichkeit, Wahrhaftigkeit und anderes gegenüber an-deren angebracht sind.
Ich sage das noch deutlicher an die Adresse von FrauMerkel gewandt: Das geht nicht an. Als diese Diskus-sion vor wenigen Monaten im nordrhein-westfälischenLandtagswahlkampf anstand, war keine Mehrwertsteue-rerhöhung vorgesehen und heute liegt eine anders lau-tende Erklärung von Ihnen vor, die Sie als ehrlich be-zeichnen. Das sollen Ihnen die Bürgerinnen und Bürgerabnehmen? Sie sollen Ihnen abnehmen, dass damit dasEnde der Fahnenstange erreicht ist?Weil unter dem Stichwort „neue Ehrlichkeit“ so man-ches verbreitet wird, würde ich – auch jetzt wieder anFrau Merkel gerichtet – gerne für meinen KollegenEichel feststellen: Es ist falsch, wenn sie den Eindruckzu erwecken versucht, dass Herr Kollege Eichel etwa da-für einträte, die Pendlerpauschale oder Sonn-, Feier-tags- und Nachtzuschläge abzubauen. In der gegenwär-tigen Phase, in der auch noch die Energiepreise förmlichexplodieren, die Mehrwertsteuer erhöhen und dann auchnoch die Pendlerpauschale streichen zu wollen, ist anWidersinn und unsozialem Verhalten nicht zu übertref-fen.
Herr Kollege Eichel hat auf die Frage nach den Sonn-und Feiertagszuschlägen sowie der Pendlerpauschale ge-sagt – ich zitiere aus der heutigen Ausgabe des „Tages-spiegel“ –:Allerdings da, wo es den unteren Einkommens-schichten wehtut, wie zum Beispiel bei den Sonn-,Feiertags- und Nachtzuschlägen und der Pendler-pauschale. Damit soll dann die Steuerentlastung fürReiche finanziert werden. Das ist nicht meine Poli-tik und geht im Übrigen völlig an dem vorbei, wasfinanzpolitisch nötig wäre.Er hat auch hier Recht.iucrdgDasddL4nbWWwdnnnUbkbFwBgwlsedLfsdhgghHmg
Weil ich gerade dabei bin, richtig zu stellen, möchtech dem Kollegen Meister antworten, der Hans Eichelnterstellt hat, er wolle die Nahrungsmittel des tägli-hen Bedarfs aus dem niedrigen Mehrwertsteuersatz he-ausnehmen. Das ist das genaue Gegenteil dessen, waser Kollege Eichel im gleichen Interview mit dem „Ta-esspiegel“ gesagt hat:Dazu gehört, ab 2006 die soziale und kulturelleKomponente des ermäßigten Mehrwertsteuersatzeswieder in den Vordergrund zu stellen …as hat Hans Eichel gesagt und nicht das Gegenteil. Beiller Hitzigkeit des Streites muss es zumindest möglichein, mit der Wahrheit so umzugehen, dass man andereabei nicht verletzt.
Herr Kollege Stoiber, Sie haben gesagt, man müsseie Lohnnebenkosten weiter senken. Wir haben dieohnnebenkosten bereits von knapp 43 Prozent auf0,9 Prozent gesenkt. Ich will Ihnen sagen, wie man sieoch weiter senken kann: durch Reformen. Ich sage ins-esondere an die Adresse der FDP, Herr Kollegeesterwelle, aber auch an die Adresse der CDU/CSU:enn Sie bereit gewesen wären, im Gesundheitssystemirklichen Wettbewerb zuzulassen, beispielsweise beien Apotheken, den Ärzten, den Kassenärztlichen Verei-igungen und den Krankenkassen, dann wären die Lohn-ebenkosten, Herr Kollege Stoiber, schon heute deutlichiedriger. Dann wären wir bereits jetzt nicht nur bei dennternehmen unter der 40-Prozent-Marke, sondern auchei den Bürgerinnen und Bürgern. Wir sollten nicht dis-utieren, wer für oder gegen eine Senkung der Lohnne-enkosten ist, sondern darüber, wer das Können und dieähigkeit hat, die Situation zu verbessern. Dabei ist das,as meine Partei – insbesondere im Gegensatz zu demild, das vom SPD-Wahlmanifest entworfen wird – vor-elegt hat, realistisch und machbar. Es sollte so schnellie möglich umgesetzt werden, damit wir in Deutsch-and weiterkommen.
Ich setze darauf, dass sich die Politik verändert. Sieagen, die Ministerpräsidenten seien bereit. Ich gehebenfalls davon aus – ich weiß ja, was diese Aufgabe be-eutet –, dass die Ministerpräsidenten im Interesse ihresandes handeln. Aber Sie werden nicht noch einmal da-ür sorgen können – das hat es noch nie in der Ge-chichte der Bundesrepublik Deutschland gegeben –,ass die Mehrheit im Bundesrat sagt: Auf die Eigen-eimzulage verzichten wir nicht, weil wir später eineroße Steuerreform machen wollen. Wenn Sie eineroße Steuerreform machen wollen, dann ist die Eigen-eimzulage, die Sie noch vor wenigen Monaten mitänden und Füßen verteidigt haben, auf einmal nichtsehr wert. Das ist wirklich keine ehrliche Politik. Ichehe davon aus, dass Sie das nicht fortsetzen können.
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Bundesminister Wolfgang Clement
Zu Ihrer geplanten Steuerreform: Wenn Frau Merkelwirklich das meint, was sie hier sagt, und eine Unterneh-mensteuerreform machen will, die eine steuerlicheGleichbehandlung von Kapital- und Personengesell-schaften zum Ziel hat, genauso wie es die Sachverständi-gen in ihrem von uns in Auftrag gegebenen Gutachtenempfehlen, dann gibt sie das letzte Argument für eineSenkung des Spitzensteuersatzes aus der Hand. DerGrund für eine Senkung des Spitzensteuersatzes auf42 Prozent war nie – jedenfalls nicht für mich – eineBesserstellung derjenigen, die besonders gut dotiertePosten in Deutschland bekleiden. Der einzige Grund fürdie Notwendigkeit einer Senkung des Spitzensteuersat-zes auf 42 Prozent war vielmehr die Entlastung des Mit-telstandes. Wir haben ihn gleichzeitig durch etwas be-günstigt, wovon er nur geträumt hat und was er vonIhnen nie bekommen hat, nämlich die Anrechnung derGewerbesteuer auf die Einkommensteuer.
Ihr Bild – das werden Sie sicherlich noch zumindestbis zum Ende meiner Tage entwerfen –, dass der Mittel-stand in Deutschland steuerrechtlich benachteiligt sei, istfalsch. Wenn Sie die reale Besteuerung der Kapitalge-sellschaften mit der der Personengesellschaften saubervergleichen, dann werden Sie sehr rasch zu dem Ergeb-nis kommen, dass dies nicht richtig ist. Wenn es zu einerZusammenlegung der beiden Steuersysteme kommt,dann werden wir sogar für die Mittelständler, die nundeutlich weniger zahlen – das ist die große Mehrheit –,eine Regelung machen, damit kein negativer Effekt ein-tritt und sie nicht zusätzlich belastet werden.Was die Pläne von Herrn Kirchhof für eine Steuerre-form angeht, ist das Notwendige ausgeführt. Man kannnicht sagen: Wir haben eine Vision; aber wir nehmen sienicht ernst. – Ich nehme das ernst: Sie haben eine Vision,die darin besteht, eine Flat Tax zu erreichen. Was Sievorhaben, hat drei Konsequenzen:Erstens – das wurde mehrfach beschrieben; Herr Kol-lege Stoiber, das haben alle Finanzministerien in derBundesrepublik Deutschland festgestellt –: im erstenJahr minus 42 Milliarden Euro in der Kasse, im zweitenJahr minus gut 30 Milliarden Euro in der Kasse, im vier-ten Jahr minus gut 20 Milliarden Euro in der Kasse undim fünften Jahr minus 11 Milliarden Euro in der Kasse.Sie müssen auf irgendeine Weise die Frage beantworten,wie Sie diese Einnahmeausfälle ausgleichen wollen.Zweitens. Es ist einfach unwahr, dass die Steuerge-rechtigkeit in Deutschland durch eine so genannte FlatTax gefördert wird.
Niemand in Deutschland, der einigermaßen Vernunft be-sitzt, kann bestreiten – darüber kann keine Gerechtig-keitsdiskussion hinwegtäuschen –, dass diejenigen, diehöhere Einkommen haben, heute im Durchschnitt mehrals 25 Prozent Einkommensteuer zahlen. Mit der FlatTnReSuKuISWdgsidbiushDSb–szmdbiEInNbAldrRslAd
Ich lese bei Ihnen immer, dass Sie es für einen großeneformerfolg halten, wenn Personen mit einem Jahres-inkommen bis 38 000 Euro keine Steuern mehr zahlen.chon jetzt ist es so, dass eine Familie mit zwei Kindernnd einem Jahreseinkommen bis knapp 38 000 Euro, dasindergeld eingerechnet, keine Steuern zahlt. Es gehtm diejenigen, deren Jahreseinkommen darüber liegt:hnen sollen sowohl die Pendlerpauschale als auch dieteuerfreiheit von Sonn- und Feiertagszuschlägen undeiterem gestrichen werden. Sie sollen im Verhältnis zuenjenigen, die in Deutschland gut verdienen, krass un-erecht behandelt werden. Das wird nicht durchführbarein. In jeder Diskussion, an der ich teilnehme, versuchech, das in aller Klarheit aufzuzeigen. Das Positive aner jetzt erreichten Situation ist, dass die Unterschiedeeider Positionen eindeutig sind.Die FDP beruft sich gern auf Ludwig Erhard. Auchch tue das gern. Allerdings gehe ich etwas weiter zurücknd berufe mich auf Walter Eucken, also auf den wissen-chaftlichen Lehrer von Ludwig Erhard. Walter Euckenat gesagt – fast präzise zitiert –:
ie Progression im Steuerrecht hat einen sozialen Sinn:ie soll die Verteilungswirkungen im Rahmen des Wett-ewerbs korrigieren. – Deshalb sind Ihre Vorschlägeauch derjenige, der etwas sanfter ist – schlecht. Sieind geeignet, in Deutschland eine Umverteilung herbei-uführen, wie wir sie noch nicht gehabt haben. Daheruss diese Entwicklung gestoppt werden. Das heißt, siearf erst gar nicht in Gang kommen.
Ökonomisch falsch und ungerecht sind auch dieetrieblichen Bündnisse. Was wollen Sie an Flexibilitätn den deutschen Betrieben eigentlich noch herstellen?s gibt kein Land, das mit uns vergleichbar ist: In keinerndustrienation ist die Flexibilität der Arbeitnehmerin-en und Arbeitnehmer höher als zurzeit bei uns.
och nicht einmal mehr 50 Prozent der deutschen Ar-eitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten mit festenrbeitszeiten. 50 Prozent von ihnen arbeiten mit Rege-ungen wie Arbeitszeitkonten und Ähnlichem. Das istie Realität bei uns.Ich möchte noch einmal einen unseren Vorväter zitie-en – wir alle berufen uns gern auf ihn, und zwar zuecht –, nämlich Karl Schiller. Er war nach meinem Ver-tändnis nun wirklich ein sozial-liberaler Wirtschaftspo-itiker. Karl Schiller ist der Begründer der Konzertiertenktion. Er wusste, worauf es ankommt, nämlich darauf,ass diejenigen, die in Deutschland Verantwortung für
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Bundesminister Wolfgang Clementdie Wirtschaftspolitik tragen, zusammenwirken, also ge-meinsam handeln, und darauf, dass die Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer und die Gewerkschaften von denEntscheidungen über die wirtschaftspolitische Entwick-lung nicht ausgegrenzt werden.
Ausgrenzen, das ist das, was Sie tun. In den Kernpunk-ten Ihrer Politik ist nichts von dem zu erkennen, wasLudwig Erhard und Karl Schiller begründet haben. Ichglaube, dass wir gut beraten sind, uns an ihnen zu orien-tieren.Das gilt auch für den Kündigungsschutz. Es gibt kei-nen Grund, den Kündigungsschutz weiter zu lockern.Gestern Abend habe ich mit einer sehr jungen Unterneh-mensgründerin, mit einer Modeschöpferin, die inzwi-schen international einen hervorragenden Ruf hat, ge-sprochen. Ich habe ihr gesagt: Da Sie Ihr Unternehmengerade gegründet haben, ist eine Änderung des Kündi-gungsschutzes nicht in Ihrem Interesse; Sie können eineArbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer bis zu vierJahre befristet beschäftigen.Alle großen Unternehmen kann ich nur auf das Bei-spiel von Sixt und BMW verweisen. Weil wir bei den äl-teren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine derschlechtesten Erwerbsquoten in Europa haben, habenwir unbegrenzt befristete Beschäftigungsverhältnissefür die über 50-Jährigen zugelassen. Sixt hat daraus zuRecht den Schluss gezogen, nur noch über 50-Jährigeeinzustellen. Wer die Flexibilität haben will, soll über50-Jährige beschäftigen; wir sind darauf angewiesen.
Die Erklärung, dass eine Lockerung des Kündigungs-schutzes zu mehr Arbeitsplätzen führe, lässt sich auchdurch wissenschaftliche Vergleiche nicht beweisen. ImÜbrigen brauchen wir eine solche Lockerung des Kündi-gungsschutzes nicht, weil wir über alle Instrumente ver-fügen, die geeignet sind, Flexibilität in den Unternehmenherzustellen.Was ich aber an Ihrem Vorschlag für noch gravieren-der halte, will ich Ihnen ebenfalls sagen: Die Union siehteine zweijährige Probezeit für alle neu begründeten Ar-beitsverhältnisse vor. Damit tragen Sie genauso wie mitder gesetzlichen Regelung der betrieblichen BündnisseKonflikte und Unsicherheiten in die Unternehmen.
Welcher Arbeitnehmer, welche Arbeitnehmerin wechseltdann noch den Arbeitsplatz? Darauf sind wir ja angewie-sen. Im Schnitt wechseln in Deutschland Jahr für Jahr5 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz. Wer riskiertdies noch, wenn er sich darauf einstellen muss, dass erdemnächst befristet bzw. mit einer Probezeit beschäftigtwerden kann? Das ist der falsche Weg.
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Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, istas Chaos in den sozialen Sicherungssystemen, das Sieit Ihren Vorschlägen der Öffentlichkeit präsentieren.
ie wollen allen Ernstes die Mehrwertsteuer um 2 Pro-entpunkte erhöhen, um die Beiträge zur Arbeitslosen-ersicherung zu senken. Dazu haben die Ministerpräsi-enten der CDU/CSU mehr oder weniger deutlich gesagt,ass sie von der Mehrwertsteuererhöhung einen mehrder weniger hohen Anteil haben wollen. Sie werden alsouf keinen Fall 15 Milliarden Euro auf Bundesebene ein-ehmen, die Sie aber brauchen, um die Arbeitslosenver-icherungsbeiträge um 2 Prozentpunkte zu senken.
Sie nicht, sondern die Union; Sie sind ja auch gar nichto wichtig, Herr Kollege Niebel.Im selben Atemzug sagt Frau Merkel in einem Inter-iew des „Stern“, sie wolle gleichzeitig 6 bis 8 Milliar-en Euro aus der Arbeitslosenversicherung nehmen, umie im Gesundheitssystem schätzungsweise fehlenden0 Milliarden Euro zu ersetzen. Was Sie hier vorlegen,st ein unbeschreibliches Tohuwabohu.
Ich habe versucht, dem Kollegen Müller diese Wider-prüchlichkeiten, die Sie in den sozialen Sicherungssys-emen anrichten wollen, zu erklären. Ich sage insbeson-ere den Menschen in Ostdeutschland und den anderentrukturell besonders belasteten Gebieten in Deutschlandn aller Deutlichkeit: Wer 6 bis 8 Milliarden Euro aus derrbeitslosenversicherung oder aus der sozialen Grund-icherung herausnehmen will, der beendet jede aktiverbeitsmarktpolitik. Dann gibt es nichts mehr an Bil-ung, an Weiterbildung, an Ich-AGs und an sonstigeningliederungsmaßnahmen, dann ist damit Schluss. Diesuss jeder wissen, der sich damit auseinander setzt.
Was die von Ihnen propagierte Kopfpauschale an-eht – Herr Kollege Fischer hat es völlig richtig darge-
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Bundesminister Wolfgang Clementstellt –, kann man nur den Kopf schütteln. Sie verfolgenmich ja buchstäblich, indem Sie sagen, Clement habebeim Bürokratieabbau nichts bewirkt. Ich ertrage das al-les; in meinem Alter ist das nicht mehr so dramatisch.
– Was Ihre und meine Zukunft angeht, so treffen wir unsja noch einmal. Dann werde ich die Rede zu Ihrem Ab-schied halten.Wir brauchen nur in die Schweiz zu schauen. Jederdritte Schweizer Bürger, jede dritte Schweizer Bürgerinmuss inzwischen mit dem Bescheid seines bzw. ihresUnternehmens zur Sozialbehörde gehen und nachwei-sen, dass er bzw. sie mit seinem bzw. ihrem Einkommennicht oberhalb der Grenze angesiedelt ist – die Sie bei7 Prozent vorsehen –, ab der der Staat mit irgendeinersteuerlichen Vergünstigung helfen soll. Unsere Expertenkönnen Ihnen vorrechnen, dass dann, wenn sich Ihr Mo-dell durchsetzte, in Zukunft jeder dritte deutsche Bürgermit seinem Einkommensnachweis zur Sozialbehörde ge-hen müsste, um errechnen zu lassen, ob er Ansprüche hatoder nicht. Wenn man aus den 7 Prozent herauswächst,weil man vielleicht einen besseren Arbeitsvertrag hat,oder in die 7 Prozent hineinwächst, dann läuft man jedesMal zur Behörde. Das ist der Bürokratieabbau, den Siewollen. Zu dem, was Sie dort vorhaben, sage ich Ihnenehrlich: Daran will ich wirklich nicht beteiligt sein. Dasist ein bürokratisches Monstrum.
Deshalb lassen Sie mich noch ganz schnell Folgendeszu den Arbeitsmarktreformen sagen, die mir auf derSeele brennen: Wir werden das gesamte Problem nichtmit Pauschalsprüchen, mit ein bisschen Absenkung vonLohnnebenkosten lösen. Vielmehr geht es darum, derJugendarbeitslosigkeit zu Leibe zu rücken und uns umjeden einzelnen jungen Menschen unter 25 Jahren zukümmern. Es geht darum, Ausbildungsplätze in ausrei-chender Zahl zur Verfügung zu stellen und unseren Aus-bildungspakt möglichst zu einem Fachkräftepakt zu ent-wickeln.
Es geht darum, sich um die älteren Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer zu kümmern. Morgen werden wir50 Beschäftigungspakte auszeichnen und mit jeweils biszu 5 Millionen Euro ausstatten, Beschäftigungspakte,mit denen sich die Regionen entschieden haben, mit be-sonderer Tatkraft gegen die Langzeitarbeitslosigkeit derÄlteren vorzugehen.Es geht darum, die neue Selbstständigkeit zu fördern,nicht darum, die Ich-AGs abzuschaffen. Zum ersten Malhaben wir einen Weg gefunden, um Arbeitslosen einenWeg aus der Arbeitslosigkeit zu weisen. Das ist für nichtwenige von ihnen ein gangbarer Weg, wie die Erfahrungzeigt. Das müssen wir mit Risikokapital, mit Mikrokapi-tal und Kreditfabriken unterstützen. Diesen Prozess dür-fen wir nicht beenden, so wie Sie es wollen.bkgBkkrAhR–tg–ArddhivkdhpwgsdfsgWb
Das müssen wir mit einzelnen Schritten unterstützen,eispielsweise indem wir gegen die Saisonarbeitslosig-eit vorgehen. Ich bin sehr froh darüber, dass es gelun-en ist, mit dem Baugewerbe und der GewerkschaftAU eine Verständigung zu finden, die uns die Möglich-eit gibt, ab dem nächsten Jahr die Saisonarbeitslosig-eit am Bau zu beenden. Wir müssen aus dem Ritual he-auskommen, dass wir die im Winter jeweils hoherbeitslosigkeit hinnehmen. Wir können dazu Wege ge-en, die wir gehen müssen.Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, meineedezeit ist abgelaufen.
Beruhigen Sie sich! Sie werden mit mir noch genug zuun haben. Machen Sie sich da keine falschen Hoffnun-en!
Die Redezeit ist abgelaufen; deshalb sind mir weitereusführungen nicht möglich.Wir werden in Deutschland in die Bereiche investie-en müssen, die die Zukunft betreffen, um die Probleme,ie in der Vergangenheit nicht ausreichend gelöst wor-en sind, abzuarbeiten. Damit haben wir begonnen; wiraben in Schulen sowie in Wissenschaft und Forschungnvestiert, und zwar mehr als jede andere Regierung zu-or, teilweise sogar ohne dazu aufgrund der Zuständig-eiten in Deutschland verpflichtet zu sein.
Das, was wir getan haben, ist der Beginn des Weges,en wir fortsetzen müssen. Dabei helfen keine Steuerer-öhungen, sondern dabei hilft eine konsequente Reform-olitik, die wir begonnen haben. Diese Politik wollenir fortsetzen; dazu bitten wir um Vertrauen.Ich bin ganz sicher: Wenn die Bürgerinnen und Bür-er Bundeskanzler Gerhard Schröder das Vertrauenchenken, dann werden die Ministerpräsidenten der Län-er im Bundesrat nicht mehr an ihrer Blockadehaltungesthalten, sondern diese Blockadepolitik hinter sich las-en, die die Bundesrepublik Deutschland ein Stück auf-ehalten hat. Wir müssen wieder an Fahrt gewinnen. Dieählerinnen und Wähler können jetzt das Zeichen ge-en, dass dies möglich ist.Ich danke Ihnen sehr.
Ich schließe die Aussprache.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerWir kommen zur Abstimmung über den Antrag derFraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENauf Drucksache 15/5979 mit dem Titel „Deutschland aufWachstumskurs halten, die soziale Erneuerung unseresLandes fortsetzen, standhaft für den Frieden – Für mehrArbeit, Sicherheit und Menschlichkeit“.
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen vonSPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Gegenstim-men der CDU/CSU, der FDP und der beiden PDS-Abge-ordneten angenommen.Abstimmung über den Antrag der Fraktionen derCDU/CSU und der FDP auf Drucksache 15/5978 mitdem Titel „Sieben Jahre Rot-Grün – Deutschlandbraucht den Neuanfang“. Wer stimmt für diesen Antrag? –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag istmit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN bei Gegenstimmen von CDU/CSU und FDP sowieder beiden PDS-Abgeordneten abgelehnt.Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/5956 mit dem Titel „EhrlicheAbschlussbilanz als Grundlage einer neuen Politik fürWachstum, Arbeit und Sicherheit“. Wer stimmt für die-sen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN und der beiden PDS-Abge-ordneten bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDPabgelehnt.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 c sowiedie Zusatzpunkte 1 a bis 1 d auf. Es handelt sich umBeschlussempfehlungen des Petitionsausschusses, zudenen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 2 a:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 229 zu Petitionen– Drucksache 15/5981 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Sammelübersicht 229 ist mit den Stimmen desganzen Hauses angenommen.Tagesordnungspunkt 2 b:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 230 zu Petitionen– Drucksache 15/5982 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Sammelübersicht 230 ist ebenfalls mit denStimmen des ganzen Hauses angenommen.tmtgtvstgtSG
rung des Abfallverbringungsgesetzes sowie
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnerzur Auflösung und Abwicklung der AnstaltSolidarfonds Abfallrückführung– Drucksachen 15/5243, 15/5523, 15/5726,15/5916, 15/5976 –Berichterstattung:Abgeordneter Michael Müller
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? –Das ist nicht der Fall.Wir kommen dann zur Abstimmung. Der Vermitt-lungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Ge-schäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundes-tag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermitt-lungsausschusses auf Drucksache 15/5976? – Gegen-probe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung istmit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des 2. Untersuchungsausschusses nachArt. 44 des Grundgesetzes– Drucksache 15/5975 –Berichterstattung:Abgeordnete Michael Hartmann
Michaela NollJerzy MontagHellmut Königshausb) Beratung des Antrags der Abgeordneten HellmutKönigshaus, Dr. Max Stadler, Dr. Werner Hoyer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPVerbesserung der Praxis der Visavergabe undSchaffung gemeinsamer Visastellen der Schen-genstaaten– Drucksache 15/5977 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussRechtsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeVolker Neumann, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Dieser Untersuchungsausschuss hat so begonnen, wieviele Untersuchungsausschüsse beginnen: mit einerReihe von parlamentarischen Anfragen bis hin zu einerGroßen Anfrage, die alle beantwortet sind. Daneben ha-ben sich der Auswärtige Ausschuss und der Innenaus-schuss mit den Fragen der Visaerteilung befasst. Auchdort schien alles geklärt zu sein. Es gab einen neuen Er-lass. Dennoch haben Sie einen Untersuchungsausschussverlangt, der dann eingesetzt worden ist, um die Visa-praxis insbesondere in Kiew zu untersuchen.gepmgn1edUBmzatSmIOBgbdssüUfuHsMEhrkwrdwaPTslt
nteressant ist dabei, dass dieser Ausschuss im Jahr 1997rdnungsgelder gegen Dr. Gysi, gegen André Brie undisky verhängt hat. Im Jahr 2004 sind diese Ordnungs-elder als rechtmäßig bestätigt worden. Die Zeugen ha-en die Frage, ob sie etwas über das Auslandsvermögener SED wissen, verneint. Diese Verweigerung der Aus-age hat zu den Ordnungsgeldern geführt. Es wärechön, wenn die Herren der PDS heute ihre Kenntnisseber das Auslandsvermögen der SED mitteilten.In der letzten Wahlperiode gab es im Parteispenden-ntersuchungsausschuss wieder ein Ordnungsgeldver-ahren. Sie erinnern sich an den Ausschuss, in dem esm die schwarzen Kassen der CDU ging. Der ehemaligeerr Bundeskanzler verweigert ja bis heute eine Aus-age zu der Frage, woher die Millionen kamen, die seineacht festigten.
s wurde auch ein Ordnungsgeld verhängt gegen denessischen Ministerpräsidenten Koch wegen Verweige-ung des Eides auf die Richtigkeit und die Vollständig-eit seiner Aussage. In dieser Wahlperiode hat das Ver-altungsgericht festgestellt, dass das Ordnungsgeldechtmäßig verhängt worden ist. Herr Koch hat bezahlt;en Eid hat er nicht geleistet.Aus diesem Untersuchungsausschuss gab es zweieitere Neuerungen, die auch in diesem Untersuchungs-usschuss eine Rolle gespielt haben. Wir haben imarteispenden-Untersuchungsausschuss für mehrransparenz gesorgt, indem die Protokolle nach Ab-chluss des Untersuchungsausschusses für jeden zugäng-ich gemacht worden sind. Das haben wir bei zwei wei-eren Ausschüssen ebenso gemacht. Ich bin sehr dankbar
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Volker Neumann
dafür; denn dies führt dazu, dass nicht mehr aus der Er-innerung zitiert wird, sondern dass das Protokoll gilt.Die zweite Neuerung, die ich lange angeregt habe, hatdieser Ausschuss eingeführt, nämlich die Live-Übertra-gung von Zeugenvernehmungen unter bestimmten Vo-raussetzungen. Im Parteispenden-Untersuchungsaus-schuss war das zwar rechtlich möglich, aber die Zeugenwollten nicht – bis auf einen: Franz Müntefering. Aberda wollte die CDU nicht mehr. Also kam es nicht zurLive-Übertragung.Diese Diskussion hat aber zu einem Gesetz geführt,das die Möglichkeit geschaffen hat, Live-Übertragungenvorzunehmen. So haben die Zeugen Dr. Volmer, Bundes-minister Fischer, Herr Pleuger und BundesministerSchily die Möglichkeit gehabt, ihre Aussagen den Bür-gern öffentlich mitzuteilen. Die Medien haben positivdarüber berichtet. Auch bei den Bürgern ist das nachmeinem Eindruck positiv aufgenommen worden.Die Live-Übertragung hat zu mehr Transparenz ge-führt. Die Öffentlichkeit kann sich nun selbst ein Bildvon den Aussagen machen, und zwar im wahrsten Sinnedes Wortes, und ist nicht auf die parteilichen Stellung-nahmen der Obleute nach den Sitzungen angewiesen. ImÜbrigen kann sie die Aussagen mit den Presseberichtenin den Medien vergleichen und wird feststellen, dass dasnicht immer übereinstimmt.Eine Anmerkung dazu: Diese Erfahrung haben wirauch am Sonntag gemacht; denn die Umfrage erbrachtebei den Bürgern ganz andere Ergebnisse als bei den an-wesenden Medienvertretern. Man musste also feststel-len, dass die Authentizität des Bildes besser ist, als wennman mittelbar etwas erfährt. Vielleicht war es für man-che Berichterstatter ganz heilsam, sich diese Differenzanzusehen.Für mich und meine Kollegen haben diese Live-Über-tragungen übrigens auch zur Nachdenklichkeit geführt;denn in diesen Live-Übertragungen wurden auch wir be-achtet, die Art, wie wir gefragt haben. Manchmal wur-den Statements abgegeben und manchmal wurden Be-weiserhebung und Beweiswürdigung durcheinandergebracht.Untersuchungsausschüsse haben immer eine be-stimmte Zielrichtung. In der Vergangenheit war esmeist Konsens, einen bestimmten Fall aufzuklären.Manchmal war es auch einfach nur eine so genannteSkandal-Enquete, indem man einen Auftrag gab – wie indiesem Fall –, in dem die Vorurteile schon im Antragstanden, und diejenigen, die den Antrag gestellt haben –in diesem Fall die Opposition –, sich selbst den Auftragerteilt haben, möglichst viele Vorurteile zu bestätigen.Die Skandalisierung der Vorgänge an der Botschaft inKiew diente nicht dazu, die Mängel dort zu beseitigen– denn nach übereinstimmender Meinung waren dieseMängel schon beseitigt, als der Ausschuss eingesetztworden ist –, sondern es ging darum, das Ansehen desBundesaußenministers zu schädigen. Man hatte sich zu-nächst auf Dr. Volmer eingeschossen, dem man meinerAnsicht nach Unrecht getan hat.DAKihwtKsnFwfGuDFsumDwnüisNmIbsVdbsCd
enn in der Zeit, in der der nach ihm benannte Erlass imuswärtigen Amt gefertigt worden ist, war er wegenrankheit mehrere Monate gar nicht im Dienst. Er hathn nur später vorgestellt. Bundesaußenminister Fischerat – jeder hat es sehen können – die politische Verant-ortung für die missverständlichen Erlasse, die Fehlin-erpretationen und die späte Behebung der Mängel iniew übernommen.Ich hatte zunächst große Bedenken, dass die Vermi-chung von Politik und „sex and crime“ letztlich de-en Argumente liefern würde, die mit einer latentenremdenfeindlichkeit bestimmte Stammtische erobernollen. Die anfängliche pauschalierende Verunglimp-ung von Ukrainern, Kosovaren und Albanern ist dannott sei Dank gestoppt worden. Vielleicht ist das auchnser Verdienst.
er mögliche Schaden einer solchermaßen geschürtenremdenfeindlichkeit für unsere exportorientierte Wirt-chaft und unser Land liegt auf der Hand: Wir verspielennseren Ruf von Weltoffenheit und Toleranz, den wirühsam erworben haben.Sie hatten gesagt, das sei vielleicht meine letzte Rede.as kann sein; möglicherweise werde ich nicht mehr ge-ählt. Deshalb möchte ich mich ganz persönlich bei de-en bedanken, mit denen ich in den letzten 20 Jahrenber Parteigrenzen hinweg zusammengearbeitet habe:m Auswärtigen Ausschuss, im Menschenrechtsaus-chuss, im Parlamentarischen Kontrollgremium derachrichtendienste, in der Deutsch-Chinesischen Parla-entariergruppe und im Tibet-Gesprächskreis.
ch war ganz gern Abgeordneter und die Arbeit hat michefriedigt.Das gilt übrigens auch für den „Untersuchungsaus-chuss der langen Nächte“. Als ich meiner Frau nachernehmungen, die teilweise bis 2 oder 3 Uhr nachtsauerten, erzählte, dass wir am 12. Mai von 13.37 Uhris 6 Uhr morgens getagt hatten, meinte sie: Manchmalpinnt ihr. – Ich finde, da hatte sie Recht.
Das Wort hat der Kollege Eckart von Klaeden, CDU/
SU-Fraktion.
Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute überen Sachstandsbericht des Untersuchungsausschusses
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Eckart von Klaeden„Visa“. Rot-Grün wird damit Lügen gestraft; denn eswar durchaus möglich, diesen Sachstandsbericht vorzu-legen. Er hat über 800 Seiten. Er ist umfassend und gibtdie Ergebnisse der Arbeit wieder. Sie haben versucht,auf verfassungswidrige Weise die Beweisaufnahme ab-zubrechen, mit der Begründung, dieser Sachstandsbe-richt müsse gefertigt werden. Dass Sie mit Ihrem Anlie-gen falsch gelegen haben, hat sich nicht nur darangezeigt, dass der Abbruch der Beweisaufnahme vomVerfassungsgericht wegen der offensichtlichen Verfas-sungswidrigkeit, also aus rechtlichen Gründen, aufgeho-ben worden ist, sondern auch daran, dass nun ein um-fangreicher Sachstandsbericht vorliegt. Ich darf michschon hier im Namen meiner Fraktion ganz herzlich fürdie Arbeit des Sekretariats bedanken.
Was sind die Ergebnisse des Untersuchungsaus-schusses? Die der Visaerteilung zugrunde liegenden Er-lasse und insbesondere der Erlass vom 3. März 2000, derso genannte Fischer-Erlass, waren rechtswidrig. Sie wi-dersprachen dem Schengen-Abkommen und dem deut-schen Ausländerrecht. Diese Erlasse haben die Krimina-lität gefördert und sogar eine neue Form verursacht,nämlich die so genannte legendierte Schleusung. Dieselegendierte Schleusung hat zu einem Anstieg derSchwarzarbeit, einer Gefährdung der inneren Sicherheitund zu Zwangsprostitution geführt. Rot-Grün hat ver-sucht, die Beweisaufnahme so weit wie möglich zuverhindern. Herr Neumann hat ja eben selber davon ge-sprochen, wie die Beweisaufnahme durch Mehrheitsbe-schlüsse in die Nacht gedrängt worden ist. Auf dieseWeise hat man versucht, den Medien die Möglichkeit zunehmen, über den Untersuchungsausschuss zu berichten.Schließlich hat es den Versuch gegeben, die Beweisauf-nahme auf verfassungswidrige Weise abzubrechen, weilein Parteivorsitzender im Fernsehen angekündigt hatte,dass die SPD Neuwahlen anstrebe.Um das nachzuweisen, werde ich mich jetzt zur Fest-stellung der einzelnen Punkte allein auf Zitate konzen-trieren, die entweder von unabhängigen Gerichten, vonder Bundesregierung oder von Personen vonseiten derSPD und der Grünen stammen.Zunächst zur Frage der Rechtswidrigkeit derErlasse. Es gibt eine ganze Reihe von Landgerichten,die gegen Schleuser aufgrund der Erlasslage des Aus-wärtigen Amtes Strafmilderung haben aussprechen müs-sen. Es ist nicht allein das von Ihnen so gescholteneLandgericht Köln, sondern es sind das LandgerichtMünster, das Landgericht Offenburg, das LandgerichtDresden, das Landgericht Chemnitz, das LandgerichtBerlin, das Landgericht Köln, das OberlandesgerichtKöln, das Landgericht Memmingen und das LandgerichtBaden-Baden, um nur einige zu nennen,
die in mehreren Verfahren immer wieder für die Köpfevon Schleuserbanden Strafmilderung haben ausspre-chen müssen, weil die Erlasse des Auswärtigen AmtesdtsGugbBlzSRldShdfdl–IbhakDksivsfmK
elbst als die Europäische Kommission dies festgestelltat, ist es öffentlich weiter geleugnet worden.Ich will dazu auf ein Interview verweisen, das Bun-esaußenminister Fischer am 15. Mai im Deutschland-unk gegeben hat. Dort ist er nach der Feststellung durchie EU-Kommission, dass der so genannte Fischer-Er-ass vom 3. März mit dem EU-Recht nicht vereinbar istes hat fünf Tage vorher eine öffentliche Anhörung desnnenausschusses des Europäischen Parlamentes gege-en, in der Justizkommissar Frattini dies festgestelltatte –, gefragt worden. Daraufhin hat Herr Fischer ge-ntwortet:… Sie müssen schon präzise sein. Wenn ich richtiginformiert bin, bezog er sich auf die beiden Bezugs-erlasse, die im Volmer-Erlass drin waren, die ichselbst kritisiert habe vor dem Ausschuss. Insofernfrage ich da: Wo ist die Neuigkeit?Ich will Ihnen sagen, wo die Neuigkeit ist: Die Neuig-eit ist, dass Herr Fischer hier präzise gelogen hat.
enn Herrn Fischer ist zu diesem Zeitpunkt bereits be-annt gewesen, dass in der Sitzung des Innenausschus-es des Europäischen Parlamentes festgestellt wordenst, dass dieser Erlass mit dem Europäischen Recht nichtereinbar ist. Das, was die Europäische Union festge-tellt hat, liest sich wirklich wie eine schallende Ohr-eige für das Auswärtige Amt. Ich zitiere den EU-Kom-issar Frattini aus dem offiziellen Bericht der EU-ommission:Die von den Dienststellen der Kommission durch-geführte Prüfung führt zu der Schlussfolgerung,
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Eckart von Klaedendass der ‚Grundsatzrunderlass‘ vom 3. März 2000sowie diverse ‚thematische‘ Teilrunderlasse …, diean die Auslandsvertretungen insbesondere im Zeit-raum 1999-2002 gerichtet waren, im Gegensatz zurGKI stehen.Weiter heißt es dort:Die auf Grundlage dieser Erlasse durchzuführendenKontrollen entsprechen nicht den hohen Anforde-rungen, die die GKI den Auslandsvertretungen mitdem Ziel, insbesondere die illegale Immigration ef-fizient zu bekämpfen, auferlegen. Daraus resul-tierte, dass die Auslandsvertretungen in Anwen-dung der ihnen gegebenen Anweisungen derVerpflichtung der GKI, Dokumente zu verlangen,die den Zweck der Reise, die Transportmittel sowiedie Rückkehr, die Mittel zur Bestreitung des Le-bensunterhaltes und die Beherbergungsbedingun-gen belegen, in unterschiedlichem Ausmaß nichtnachgekommen sind.Es ist hinterher von der Beeinträchtigung des Prinzipsdie Rede, gemeinsam durch das Einhalten der GKI unddes Schengen-Abkommens dafür zu sorgen, dass illegaleImmigration verhindert wird, und davon, dass durch denVolmer-Erlass und durch die anderen Erlasse von Rot-Grün gegen dieses Prinzip verstoßen worden ist.Kommen wir zum zweiten Punkt, der neuen Krimina-litätsform. Unter anderem im Wostok-Bericht ist davondie Rede, dass es eine neue Form der Kriminalität, dielegendierte Schleusung, gegeben hat. Aus den Feststel-lungen des BKA ist eindeutig zu ersehen, dass dieseneue Form der Kriminalität verursacht worden ist durchden durch die Erlasse reduzierten Maßstab. Im Wostok-Bericht heißt es, dass diese neue Form der Kriminalität,die legendierte Schleusung, dazu führt, dass Menschenunter anderem in den Schengen-Raum geschleust wor-den sind, um sie hier unerlaubten und unterbezahlten Ar-beitsverhältnissen oder zwangsweise der Prostitution zu-zuführen.Als Rot-Grün immerhin so weit war, diesen Zusam-menhang, der vom BKA und anderen immer wieder her-gestellt worden ist, nicht zu leugnen, hat Frau Höhn, diefrühere Ministerin für Umwelt und Naturschutz in Nord-rhein-Westfalen, versucht, diese Verhältnisse zu recht-fertigen, und hat wörtlich gesagt:Frauen, insbesondere Prostituierte, befinden sichhäufig in einer viel schlimmeren Situation, wennsie illegal hier sind, als wenn sie ein gültiges Visumbesitzen.Ich will Alice Schwarzer auf dieses Zitat antwortenlassen. Sie hat gesagt:In welcher Welt leben Politikerinnen, die so argu-mentieren? Die Menschenhändler nehmen den hilf-losen, oft sprachlosen Frauen fast immer die Pässeab, foltern sie, halten sie gefangen. Die meistenwissen gar nicht, ob sie mit einem Visum nachDeutschland gekommen sind.Auf die Frage, ob die rot-grüne Visapolitik für Ost-europa die Zwangsprostitution befördert habe, sagteFUgdBmPfad3rtPdwhVdtRCFsDwoLt
Meine Damen und Herren, es hat auch andere Punkteegeben, die von Rot-Grün immer wieder bestritten wor-en sind, zum Beispiel die Zunahme der illegaleneschäftigung. Dazu schreibt der ehemalige Justiz-inister von Niedersachsen, SPD, Herr Professorfeiffer:Es ist unbestritten, dass der Visa-Erlass des Außen-ministeriums insbesondere in den Jahren 2001 und2002 zu einem starken Zustrom von Menschen ausder Ukraine geführt hat. Angesichts des großenEinkommensgefälles, das zwischen beiden Ländernbesteht, erscheint es sehr unwahrscheinlich, dassdie große Mehrheit der eingereisten UkrainerDeutschland als Touristen besucht hat.Das BKA und auch andere offizielle Stellen habenestgestellt, dass insgesamt 40 000 Ukrainer in Portugalls Schwarzarbeiter tätig waren. Wir wissen, dass voniesen 40 000, die dort offiziell überprüft worden sind,0 000 mit Visa der Deutschen Botschaft in Kiew einge-eist sind. Diese Gruppe, die mittlerweile die größte na-ionale Minderheit in Portugal darstellt, wird von denortugiesen als „die Deutschen“ bezeichnet – aber nichteswegen, weil sie deutsch sprechen, sondern deswegen,eil sie ihre Visa von der Deutschen Botschaft erhaltenaben.Innenminister Schily hat versucht, Portugal für denisamissbrauch verantwortlich zu machen, und hat vonem so genannten Pull-Faktor gesprochen, den die Poli-ik der Regierung in Portugal ausgeübt habe. Besteht beiot-Grün ein Widerspruch? Die Vorsitzende der Grünen,laudia Roth, setzt sich insbesondere für diesen Pull-aktor ein. Sie hat in der „Frankfurter Rundschau“ ge-agt:Solche Legalisierungsregelungen sind positive inte-grationspolitische Signale, die Schwarzarbeit undausbeuterische Arbeitsverhältnisse eindämmen.Was Spanien praktiziert, ist Ausdruck einer Reali-tätstüchtigkeit, die ich mir auch bei uns wünschenwürde.as ist entweder ein deutlicher Widerspruch zu dem,as Ihr Innenminister vor dem Ausschuss gesagt hat,der eine Realitätsblindheit, wie wir sie uns in unseremand nicht mehr leisten können.Es gibt weitere Nachweise, mit denen wir uns im Un-ersuchungsausschuss beschäftigt haben und die bele-
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Eckart von Klaedengen, dass die innere Sicherheit durch diese neue Formder Visapolitik und durch diese neue Form der Krimina-lität gefährdet worden ist. Ich habe den Wostok-Berichtzitiert, in dem von dieser neuen Form der Kriminalitätgesprochen wurde. Der Vizepräsident des BKA hat ge-sagt – Zitat –:Im BKA entstand eine Informationslage, wonachmithilfe erschlichener deutscher Visa geschleustePersonen – in der Mehrzahl Ukrainer – Deutschlandund deutsche konsularische Vertretungen sozusagenals Tor zum Schengen-Land genutzt hatten, um indiese Länder weiterzureisen, wo sie dann auchnicht selten polizeilich auffällig wurden.In mehreren Leitungsvorlagen an BundesministerSchily ist davon die Rede, dass in der letzten Zeit eineZunahme von Unregelmäßigkeiten in der Visumertei-lungspraxis des AA zu verzeichnen ist, die Gefahren fürdie innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlandbergen. Es ist die Rede davon, dass auch im Jahr 2004über deutsche Visastellen Terrorverdächtige in denSchengen-Raum eingereist sind.Der ehemalige Staatsminister Volmer hat noch im Un-tersuchungsausschuss versucht, das alles als eine Abkehrvon der menschenunwürdigen Abschottungspolitikder schwarz-gelben Koalition bis 1998 zu verteidigen.Herr Fischer hat dann versucht, eine andere Form derVerteidigung zu finden.
Er hat schlichtweg geleugnet, dass es eine Änderung derPolitik gegeben habe, und hat vor dem Untersuchungs-ausschuss gesagt:Ich finde das richtig; ich finde die ganze Zuwande-rungspolitik Kohl/Genscher/Kinkel, die damals ge-macht wurde, richtig.Ich frage mich, warum er die Erlasse geändert hat undwarum man, wie Gerichte, das BKA und andere festge-stellt haben, die Kontrollmechanismen so sehr reduzierthat, dass sie zu dieser neuen Form der Kriminalität, derlegendierten Schleusung, geführt haben.Rot-Grün ist vor sieben Jahren mit dem Anspruch an-getreten, eine Epoche zu begründen. Herausgekommenist eine Episode. Wir haben Herrn Fischer am 25. Aprilvor dem Untersuchungsausschuss erlebt. 3 Zentner Ge-schichte konnten wir nicht betrachten. Aber für zweiein-halb Zentner Selbstgefälligkeit hat es wohl gereicht.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich der Kol-
legin Jelena Hoffmann.
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ie können sich sicherlich vorstellen, dass ich als einensch, der aus der früheren Sowjetunion stammt, einentsprechende Beziehung zu diesen Dingen habe. Ichann nur eines sagen: Seinerzeit war das Wort „Reise-reiheit“ in den Ländern der Sowjetunion ein fast verbo-enes Wort. Auch um in das sozialistische Ausland reisenu dürfen, brauchte man die Bürgschaft von einem Par-eisekretär. Können Sie sich vorstellen, mit welcherreude, vielleicht auch mit welcher Euphorie die Reise-reiheit gerade in den postkommunistischen Ländernntgegengenommen worden ist, wie die Leute sich ge-reut haben, herauskommen zu dürfen, westliche Demo-ratien schnuppern zu können, zu gucken, wie es da aus-ieht? Sie waren eingesperrt.Ich sage nicht, dass es da nicht auch Übertretungenegeben hätte, dass die Situation nicht ausgenutzt wor-en wäre. Damit musste man sich auseinander setzen.
ber zu unterstellen, dass vor allem aus der UkraineSie wissen, dass ich die letzten drei Jahre mit derkraine sehr eng verbunden war – so viele Schwarz-rbeiter gekommen sind, dass sie sogar die deutscheirtschaft unterwandert haben, dass es in Hamburg aufer Reeperbahn Zustände gegeben hat, die zu was weißch wozu geführt haben, ist, glaube ich, dem Land ge-enüber nicht ehrlich; damit wird man dem Land nichterecht.Sie haben viele Zitate gebracht. Aber Sie haben einitat verheimlicht – Sie haben immer nur Zitate ge-racht, die in eine Richtung gingen –, nämlich dass eshne diese Reisefreiheit nicht zu der orangenen Revo-ution gekommen wäre. Ich verheimliche nicht, dassicht der eine oder andere in der westlichen Welt arbei-en wollte; denn die Situation ist gerade in der Ukraineicht rosig und die Leute haben zum Teil gehungert. Dasst in einer solchen Umbruchphase eben so.Aber ich glaube, dass das, was Sie dem Land mit die-em Untersuchungsausschuss angetan haben, nicht sochnell aus der Welt zu räumen ist. Ich war Anfang Märznlässlich des Parteitages von Juschtschenko in derkraine. Viele Leute haben mich angesprochen und ha-en gesagt: Frau Hoffmann, wir sind doch keine Verbre-her. Wir sind doch nicht die Nation der Verbrecher.
Ja.
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Frau Kollegin, ich muss Sie an Ihre Redezeit erin-
nern. Die drei Minuten sind um.
Ich möchte abschließend nur sagen: Herr von
Klaeden, man muss bestimmte Vorgänge klären. Aber
auf diese Art und Weise vor allem dem Land zu schaden,
das war, glaube ich, übertrieben.
Herr Kollege Klaeden, Sie haben das Wort.
Frau Hoffmann, Sie haben jetzt genau das getan, was
es zu vermeiden gilt und worum wir uns die ganze Zeit
bemüht haben. Sie haben nämlich Reisefreiheit und
Missbrauch der Reisefreiheit gleichgesetzt.
Sie haben Schleuserkriminalität mit den Ländern identi-
fiziert, die sich um Demokratie bemühen. Das genau ist
der Fehler, der nicht gemacht werden darf. Der Untersu-
chungsausschuss – deswegen habe ich ja nur deutsche
Behörden oder Politiker aus dem rot-grünen Lager
zitiert – hat sich ausschließlich mit dem Versagen deut-
scher Behörden beschäftigt. Wenn Herr Fischer im
Nachhinein behauptet, dass die Visapolitik der schwarz-
gelben Koalition unter Helmut Kohl und Bundesaußen-
minister Klaus Kinkel richtig gewesen ist, dann frage ich
doch: Warum haben Sie möglicherweise daran mitge-
wirkt, dass diese Visapolitik geändert worden ist?
Wir sind weiterhin dafür, dass es Reisefreiheit gibt,
Reisefreiheit für Menschen, die zu uns kommen sollen
und zu uns kommen wollen, nämlich Touristen, Wissen-
schaftler, Studenten usw. Aber wir möchten nicht, dass
die Reisefreiheit von Kriminellen und Schleuserorgani-
sationen missbraucht wird.
Dadurch, dass Sie beides in einen Topf werfen, dass Sie
die Gefahr bei der Bekämpfung der Schleuserkriminali-
tät darin sehen, dass der Ruf der Ukraine oder anderer
Länder Schaden erleiden könne, fördern Sie genau das,
was Sie vorgeben, verhindern zu wollen. Das ist un-
glaubwürdig und es ist auch scheinheilig.
Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/
Die Grünen.
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ie Erfahrung für den nächsten Untersuchungsausschussann nur lauten: Selbst ernannte Chefankläger und Vor-itzende Richter in einer Person – das kann nicht gut ge-en.
Wir haben es zum allerersten Mal mit Live-Fernseh-bertragungen von Zeugenvernehmungen zu tun ge-abt. Bei Übertragungen ins Wohnzimmer ist die Gefahrroß, dass Wirkung vor Inhalt geht. Die Vernehmungener Minister und Botschafter haben diese Befürchtungenicht bestätigt. Aber trotzdem raten wir zur Zurückhal-ung bei künftigen Untersuchungsausschüssen.
Von Anfang an war klar: Die CDU/CSU hat 2004ange Zeit nach einem Thema gesucht, das ihr vermeint-ich Munition für den Wahlkampf 2006 hätte liefernollen.
as Kriterium dafür bei Ihnen war klar: größtmöglicheskandalisierungspotenzial.
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Jerzy MontagLange Zeit war der Kollege Dr. Uhl, der es sich zurLebensaufgabe gemacht hat, uns Grüne und unsere derHumanität und Weltoffenheit verpflichtete Ausländer-politik aufs Korn zu nehmen,
mit seinem Visaskandalgerede eine Nervensäge in seinereigenen Fraktion. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, HerrKollege Dr. Uhl: „Ich wurde als lästig empfunden.“ Sohaben Sie das selber im „Münchner Merkur“ am31. März offenbart. Dann aber haben Ihre Strategen zwi-schen Visa und Maut zu wählen gehabt und sie habensich entschieden, dass der Angriff auf grüne Ausländer-politik, generell auf Ausländer, die nach Deutschlandwollen, und insbesondere auf den Bundesaußenministerlohnender ist als einer auf den Verkehrsminister. Deshalb– nicht um der Aufklärung willen – haben Sie die Einset-zung des Untersuchungsausschusses zur Visapolitik be-trieben.
Es gibt jährlich 2 Millionen Besucher mit Besucher-visa. Denen hat Herr Dr. Uhl am 3. März 2004 von die-sem Platz aus Folgendes gesagt – Zitat –:In Wahrheit kommt 1 Million– da haben Sie sich getäuscht –nach Deutschland. Die Mehrzahl von ihnen … sindbestenfalls Schwarzarbeiter und viele sind Krimi-nelle.Meine Damen und Herren, was ist dieser Satz anderesals das Schüren von Ängsten gegenüber ausländischenGästen und Besuchern und als ein pauschales Abstem-peln von Fremden zu Gesetzesbrechern? Wer die niede-ren Instinkte bedienen will, der weiß: „Crime and Sex“kommt immer gut. Deshalb hat es die Union nie unter-lassen, uns auf wirklich infame Weise mit der Förderungvon Zwangsprostitution in Verbindung zu bringen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Grindel?
Ja.
Herr Kollege Montag, wären Sie so fair, der Öffent-
lichkeit mitzuteilen, dass die Aussage, dass die Mehrheit
derjenigen, die in der Botschaft in Kiew einen Visuman-
trag gestellt haben, offensichtlich nicht die Absichten,
die sie im Antragsverfahren angegeben hat, verfolgt hat,
sondern dass die Mehrheit tatsächlich eine Arbeitsauf-
nahme angestrebt hat und darunter auch viele so ge-
nannte schwarze Schafe waren? Das war kein Zitat des
Kollegen Uhl, sondern, wie sich aus den Akten ergibt,
die Einschätzung unseres Botschafters Stüdemann, der
noch immer Botschafter in Kiew ist. Wären Sie bitte,
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enau das ist nicht hervorgebracht worden.
ir wissen, dass es vielfachen Visamissbrauch gege-en hat. Aber ob die Mehrheit der 295 000 Visaanträge,ie im Jahre 2001 in der Botschaft Kiew gestellt wurden
Herr Kollege Grindel, jetzt bin ich dran –, mitchwarzarbeit oder mehr zu tun hatte und ob viele An-ragsteller Kriminelle waren, haben wir nicht herausge-unden. Das war auch nicht herauszufinden. Ich wageie Prognose, dass die Mehrheit dieser Menschen ganzrave Besucher waren. Natürlich gibt es unter Millionenesuchern immer auch solche, die unlautere Absichtenaben. Das haben wir aber schon gewusst, bevor wir die-en Untersuchungsausschuss eingesetzt haben.
Meine Damen und Herren, aus diesem Gebräu vonremdenphobie und Ausländerabneigung resultiert derntersuchungsauftrag, in dessen Rahmen der Bundes-egierung rechtswidriges Handeln und Rechtsbruch vor-eworfen wurden.
a die Arbeit des Untersuchungsausschusses nun abge-chlossen ist, sage ich Ihnen: Nichts davon hat sich imerlauf der Untersuchung des Ausschusses als Wahrheiterausgestellt.
Von Anfang an stand der Runderlass vom 3. März000 im Mittelpunkt Ihrer Kritik. Diese Kritik lautete,er Erlass sei rechtswidrig. Sein Inhalt seien, so Kollegeehb am 2. Dezember hier im Bundestag, „grüne Multi-ultiträume … gegen Recht und Gesetz“ gewesen. Wa-um solch wütende Attacken dagegen? Weil dieser
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Jerzy MontagErlass die Ausübung des Ermessens regelte und ihm zu-folge nach Abfragen beim Zentralregister und denSchengener Informationssystemen und nach Prüfung al-ler Versagungsgründe – wenn dann nicht alle Zweifelrestlos beseitigt waren – gesagt wurde: im Zweifel fürdie Reisefreiheit.Meine Damen und Herren, wir haben uns die Unterla-gen des Auswärtigen Amtes genau angeschaut. Auch vordem 3. März 2000 hat das Auswärtige Amt einmal ge-schrieben – Zitat –: „Das Ermessen ist positiv zugunstender Antragsteller auszuüben.“ Das war der Leitfaden derVisapraxis aus dem Jahre 1993, von Schwarz-Gelb ver-fasst. Wir haben pikanterweise auch ein Schreiben desAuswärtigen Amtes an die Botschaft in Kiew gefunden,in dem es heißt – Zitat –: „Bei der Prüfung von Besuchs-visa soll der Grundsatz gelten: im Zweifel für den An-tragsteller.“ Meine Damen und Herren von der Opposi-tion, das war ein Schreiben des Auswärtigen Amtes vom2. Mai 1994, also unter Ihrer Regierung. Wir sind froh,dass wir den Untersuchungsauftrag auf den Zeitraum vor1998 ausgedehnt haben, weil wir nur auf diese Art undWeise die Unstimmigkeiten Ihrer Vorwürfe überhaupthaben zur Sprache bringen können.Der Volmer-Erlass war nach unserer Auffassungrechtlich einwandfrei. Dies sage ich in Kenntnis derAuseinandersetzung. Um die Frage, ob das stimmt odernicht, wurde in der Vergangenheit gefochten und wirdauch in Zukunft gefochten werden. Der Erlass versuchte,was politisch richtig gewesen ist: die Kontinuität derAuffassungen des Auswärtigen Amtes, dass in Zweifels-fällen reisefreundlich zu verfahren ist, zu verbinden miteiner Durchsetzung dieser Auffassung gegen ein Sicher-heitsdenken, das bei jedem Zweifel immer gegen denBesuch in Deutschland entscheiden will. Wozu eine sol-che Entscheidung im Einzelfall führt, haben wir anläss-lich des katholischen Weltjugendtags in Köln erlebt.Selbst Ihr CDU-Landesjugendminister hat in einer schö-nen Anleihe an den Volmer-Erlass gefordert, es müsse„im Zweifel für die Pilger“ entschieden werden.
Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein,dass junge Menschen, nur weil sie nicht in das Raster derFDP von reichen Geschäftsleuten oder in das Raster derCDU/CSU von gesetzten, im Fünfsternehotel residieren-den Pauschaltouristen passen, sondern mit Rucksack undwenig Geld in der Tasche nach Deutschland reisen wol-len, von verängstigten Visabeamten abgewiesen werden.In Deutschland war in dem vom Untersuchungsaus-schuss untersuchten Zeitraum weder ein mit dem Visa-aufkommen korrespondierender Zuwachs an Schwarz-arbeit noch an Opfern der Zwangsprostitution undKriminalität zu verzeichnen, auch nicht mit Blick auf dieHerkunftsländer.Natürlich bedeuten 2 Millionen Besuchsvisa pro Jahrauch, dass es darunter Menschen gibt, die mit unlauterenAbsichten kommen oder Opfer von Straftaten werden.Wer dies ausschließen will, meine Damen und Herren,der muss Visa abschaffen und die Grenzen zumachen.EvdrDJ120tniFwvvbzHdSVbtsdtHddaIOdudwWsldws
r steht damit aber auch im Widerspruch zur Chartaon Paris für eine neues Europa aus dem Jahre 1990, iner Ihr ehemaliger Bundeskanzler Kohl für die Bundes-epublik erklärt hat:Wir betonen … daß Freizügigkeit und freie Kon-takte zwischen unseren Bürgern … ausschlagge-bend sind für den Fortbestand und die Entwicklungfreier Gesellschaften und lebendiger Kulturen. Wirbegrüßen die Zunahme von Tourismus und Besu-chen zwischen unseren Ländern.as, meine Damen und Herren, war 1990. Im gleichenahr, 1990, stellte die Deutsche Botschaft in Warschau,5 Millionen Besuchsvisa aus. Vergleich Ukraine 2001:95 000. Die Ablehnungsquote in Warschau lag bei,8 Prozent, niedriger als je in der Ukraine. Das Auswär-ige Amt wechselte damals, 1990, mit dem Bundesin-enministerium Briefe, die dem Schreiben des Bundes-nnenministers Schily an den Bundesaußenministerischer aus dem Jahr 2000 zum Verwechseln ähnlicharen. Auch damals warnten die Sicherheitsbehördenor Schwarzarbeit, vor unberechtigten Asylanträgen undor Kriminalität. Was passierte? Am 16. Oktober 1990eschloss Schwarz-Gelb, die Visumpflicht für Polen ab-uschaffen, und im Frühjahr 1991 war es dann so weit.eute ist Polen Mitglied der Europäischen Union undie Probleme, die wir damals hatten, sind lange vorbei.Meine Damen und Herren, Visapolitik ist nicht nuricherheitspolitik,
isapolitik ist auch Außenpolitik¸ Wirtschaftspolitik, sieerührt den Kultur-, Wissenschafts- und Jugendaus-ausch, ja sie dient einfach auch der Reisefreiheit, undie sollte unsere Werte der Demokratie, der Offenheit,er Achtung der Menschenrechte ins Ausland transpor-ieren helfen. Was werfen wir Ihnen, meine Damen underren von der Opposition, nach Abschluss der Arbeites Visa-Untersuchungsausschusses deshalb vor? Nichtass Sie auf die Visaerschleichungen im großen Maßstabn der Botschaft in Kiew hingewiesen haben. Was wirhnen vorwerfen, ist, was Sie den Menschen aus demsten Europas pauschal unterstellen:
ass Sie sie pauschal verleumden und kriminalisierennd dass Sie damit auch unserem Land schweren Scha-en zugefügt haben.Meine Damen und Herren, mit dieser Debatte gehenir endgültig in die Schlussetappe des Wahlkampfs. Dieählerinnen und Wähler müssen jetzt entscheiden, obie ein weltoffenes, liberales, humanes Deutschland wol-en, das sich seinen Nachbarn öffnen kann und ihnen aufem Weg in die Demokratie hilft. Dazu sind Sie nichtillens und nicht in der Lage. Das ist es, was der Unter-uchungsausschuss politisch zutage gefördert hat.
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Jerzy Montag
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich bin beim letzten Satz. – Diese Klarheit kurz vor
der Bundestagswahl, die wir in Form des umfangreichen
Sachstandsberichts dem Bundestag und der Öffentlich-
keit übergeben, hat die viele Arbeit und jede Auseinan-
dersetzung mit Ihnen wahrlich gelohnt.
Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Hellmut Königshaus,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevorich es vergesse: Auch ich möchte natürlich für die FDP-Fraktion meinen Dank an das Sekretariat zum Ausdruckbringen.
Das Sekretariat hat es grandios geschafft, die Behaup-tung von Rot-Grün, man müsse vorzeitig die Beweisauf-nahme abbrechen, andernfalls könne es keinen Sach-standsbericht geben, zu widerlegen. Ein wirklich dickerPacken Papier ist zustande gekommen!
Der Kollege Montag will uns offenbar wieder einmalglauben machen, es sei eigentlich überhaupt nichts pas-siert: keine schwerwiegenden Fehler, keine schlimmenFolgen, ein paar Pannen eben; das kann ja einmal passie-ren. Ich glaube, wir sind wieder dort, wo wir angefangenhaben; Sie erinnern sich. Sie wollen wohl so verstandenwerden, dass dies alles nur eine politische Kampagnesei, wahrscheinlich vom Kollegen Dr. Uhl. Ich habe denEindruck, der Gedächtnisschwund, den wir bei den lei-tenden Mitarbeitern im Auswärtigen Amt festgestellt ha-ben, hat sich ein bisschen auf Sie ausgewirkt; denn derAusschuss hat schließlich Erkenntnisse zutage gefördert,die durch Fakten belegt sind. Es ist Ihnen, obwohl Siesich mit Tricks, Obstruktionen und Filibustern redlichdarum bemüht haben, nicht gelungen, das zu verhindern.Das Bundesverfassungsgericht, Kollege, hat diese Ver-suche mit einer für Sie schmerzhaften juristischen Ohr-feige beantwortet. Das war richtig.
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Herr Montag, Sie und auch die Staatsministerin sindns herzlich willkommen. Aber Sie beide haben – daseine ich politisch – natürlich nicht das Gewicht, daser zuständige Minister hat. Er und auch der Innenminis-er hätten hier sein müssen.
Es wäre für die Beteiligten wichtig gewesen, hier zuein; denn in der Sache selbst haben sich unsere und ver-utlich auch Ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.s gab nämlich im Auswärtigen Amt schlimme Erlasse.iese hatten fatale Folgen. Tausende, Zehntausendewir sagen nicht, alle – wurden eingeschleust. Viele da-on wurden von den Schleusern über die wahren Hinter-ründe getäuscht. Nicht selten – wir waren nicht in allenällen dabei – wurden sie, und zwar nicht nur Frauen,uf die übelste Weise missbraucht.
Der Außenminister selbst war gewarnt, aber er nahmas alles nicht zur Kenntnis. Er hat gesagt, er habe dasicht auf dem Radarschirm gehabt. Heute wissen wir:er Mann hatte gar keinen Radarschirm, weil ihn dashema einfach nicht interessiert hat. Er ließ die Dingeinfach treiben; das hat er doch selbst eingeräumt.
ehr als zwei Jahre hat er nichts getan, obwohl er per-anent informiert wurde und die Brandbriefe in seineministerium anbrandeten. Fischer hat zum Schluss we-igstens das eingeräumt, was Sie heute schon wieder be-treiten. Er hat ins Protokoll diktiert: „Schreiben Sie hierein: Fischer ist schuld.“ So ist es.Wenn er heute herumläuft und uns erzählt, er macheich über die zukünftige Außenpolitik Sorgen, dannuss ich Ihnen sagen: Ein Außenminister, der in seinemigenen Haus nicht für Ordnung sorgen kann und sichort nicht durchsetzen kann, ist selbst ein Grund zurorge über die Außenpolitik. Es genügt eben nicht, mitorgenvoller Stirn durch die Welt zu reisen. Man mussuch dafür sorgen, dass das eigene Haus in Ordnung ist.
Aus diesem Grund hat auch der Innenminister mas-iv versagt. Er konnte sich gegen Fischer nicht durchset-en und schrieb die uns allen bekannten Brandbriefe.
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Hellmut KönigshausSeine drastischen Briefe wurden aber von Fischer nichteinmal einer Antwort für würdig befunden. Das ist dasThema, mit dem wir uns befassen mussten. In seinemMinisterium gab es Kompetenzüberschreitungen undFehlbeurteilungen, aber die Meinung des Ministers inte-ressierte dort niemanden.
Das hat er uns doch selbst bestätigt.Der Einfluss des Innenministers reichte, obwohl ersonst in Sicherheitsfragen immer den starken Otto gibt,nicht einmal bis zur Arbeitsebene seines eigenen Hau-ses. Wenn er, wie vorhin, meint, unserem Bundesvorsit-zenden Guido Westerwelle vorwerfen zu müssen, er seimöglicherweise ein Sicherheitsrisiko, dann ist ihm ent-gegenzuhalten: Andersherum wird ein Schuh daraus. Erist das Sicherheitsrisiko, wenn er sein Haus so führt.
Bemerkenswert ist auch das Organisationsversagen,das wir festgestellt haben. Im Auswärtigen Amt wurdenMinisterbesprechungen abgehalten, von denen wederTeilnehmerlisten noch Protokolle oder wenigstens Er-gebnisvermerke existieren. Kein Wunder, dass dort jederdas gemacht hat, was ihm in den Kram passte. Wozu un-terhält dieses Land eine ordentliche Ministerialverwal-tung, wenn sie so geführt wird, als wäre sie irgendeinekleine Klitsche?
Wozu unterhält dieses Land mit großem Aufwand Nach-richtendienste, wenn die Berichte, wie wir festgestellthaben, von den zuständigen Stellen nicht gelesen, son-dern als nicht archivierungswürdig, wie es hieß, sofortweggeworfen werden?Die Liste dieses Versagens ließe sich unbegrenzt ver-längern. Alle diese Fehler werden wir nach der Wahlsystematisch ausmerzen. Übrigens haben wir die Diszi-plinlosigkeit, die wir im Verlaufe unserer Beratungenfestgestellt haben, auch heute wieder bei dieser Bundes-regierung erlebt, nämlich in der Frage, ob Sie Ihre Rede-zeit einhalten. Es ist unglaublich. Sie haben, was dieseFrage angeht, offenbar keinen Zeitrahmen.Ein weiterer Aspekt, den wir ansprechen müssen,weil er in die Zukunft reicht, betrifft die stärkere Ver-zahnung zwischen dem Innen- und dem Außenres-sort, die wir in Zukunft brauchen. Das versteht sich vonselbst. Wir brauchen aber auch eine engere Zusammen-arbeit mit den übrigen Schengen-Partnern; das ist völligklar. Diese Zusammenarbeit haben Sie komplett ver-nachlässigt. Sie haben im Übrigen auch die Partnerfalsch informiert. Das wissen wir jetzt und das hat auchKommissar Frattini gerade festgestellt.Wir schlagen deshalb vor, die Visastellen der Schen-genstaaten in Zukunft zusammenzulegen, damit dasVisa-Hopping – also die Vielfachantragstellung – auf-hZgaaAn–AWaWSSEidRgwatSdtc
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. Als Antwortuf alle von uns festgestellten Missstände wollen wirber – das wurde eben schon angesprochen – auch keinebschottung. Dass die Erteilung von Visa für die Teil-ehmer des Weltjugendtages behindert wurde, mussdas haben wir festgestellt – eine Art Trotzreaktion desuswärtigen Amtes gewesen sein. Das wollte keiner.
ir wollen keine Abschottung. Soweit ich weiß, will dasuch die Union nicht.
er war denn dafür verantwortlich, wenn es dortchwierigkeiten gab? Regieren wir schon oder regierenie noch?
Herr Kollege, Sie müssen jetzt aber wirklich zum
nde kommen.
Es war entweder Bosheit oder Unfähigkeit. Das will
ch nicht entscheiden. Was auch immer es war, es ist je-
enfalls auch ein Grund, Sie abzuwählen und eine neue
egierung zu bilden.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Olaf Scholz, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichlaube, dass die etwas langatmigen Reden, die wir teil-eise bisher hören konnten,
uch Ausdruck der Tatsache sind, dass die von einer Zei-ung getroffene Feststellung „Schlamperei, aber keinkandal“ richtig ist. Deshalb haben Sie, glaube ich, mitiesen Beiträgen, die etwas zum Gähnen waren, die rich-ige Form gefunden, weil sie letztendlich deutlich ma-hen, dass es für all die Aufregung, das Engagement und
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Olaf Scholzdie Hysterie, die Sie zu erzeugen versucht haben, keinenwirklichen Anlass gab. Das ist das eigentliche Ergebnisder Arbeit des Untersuchungsausschusses.
Das Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschus-ses ist so beeindruckend, dass Sie in Ihrer Zusammenfas-sung und Ihren politischen Stellungnahmen gar keinenBezug darauf nehmen. Da produzieren wir nun1 000 Seiten
mit sorgfältigen Analysen und allen möglichen Erkennt-nissen, die dann für das, was Sie den Bürgerinnen undBürgern in der öffentlichen Debatte über den Untersu-chungsausschuss mitteilen wollen, ohne Belang sind.Der Verdacht, dass die Ursache darin liegt, dass Sie Ihreübertriebenen Schlussfolgerungen aufgrund der Erkennt-nisse nicht rechtfertigen können, liegt jedenfalls sehrnahe. Ich schlage vor, dass die Bürgerinnen und Bürgerdas ebenfalls so bewerten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen von Klaeden?
Ja.
Bitte, Herr von Klaeden.
Herr Kollege Scholz, ich weiß ja nicht, ob Sie den
Sachstandsbericht gelesen haben. Aber sind Sie bereit,
zur Kenntnis zu nehmen, dass sich alle Zitate, die ich
verwendet habe, im Sachstandsbericht wiederfinden?
Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie zwarein paar politische Bewertungen zusammengefasst, undzwar Äußerungen von Politikern,
und aus Zeitungen zitiert haben,
dass Sie aber keinerlei Erkenntnisse des Untersuchungs-ausschusses vermittelt haben. Ich jedenfalls habe keineErkenntnis aus dem Untersuchungsausschussbericht inIhrer Rede gehört.
Ich wiederhole deshalb, dass Sie hier völlig frei ge-schöpft haben, dass Sie die Ergebnisse und ErkenntnissenckdVsbtblMhiifKsbuPUgVDShbndfndda
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sich zusammenzureißen und zuzugeben – das ergibt sichwirklich aus der Ausschussarbeit –: Die Kontinuität hatüberwogen und es hat weniger Veränderungen gegeben,als einige gedacht haben.
Nun gibt es natürlich auch etwas zu den verschiede-nen Erlassen zu sagen, die der Ansatz für unsere Arbeitgewesen sind. Wenn die Erlasse dazu gedacht gewesensein sollten, eine Praxisänderung durchzusetzen, dannwaren sie dazu – das haben wir herausgefunden – un-tauglich. Selbst wenn nicht sämtliche Absichten gut ge-wesen sein sollten: Sie haben jedenfalls keine Änderungbewirkt. Die eigentliche Erkenntnis ist: Es gab Kontinui-tät. Hinzu kommt die Tatsache, dass das große Ausmaßan Missbrauch, das hier geschildert worden ist, nichtfestgestellt werden konnte.Mittlerweile sind all die Missstände in der bürokra-tischen Abwicklung, von denen wir gehört haben, ange-sichts der Veränderungen abgestellt. Auch das ist einegute Botschaft, die der Untersuchungsausschuss denMenschen, die uns zuhören, mitteilen sollte. Ich glaube,es war richtig, dass wir diesen Untersuchungsausschusshatten. Er hat deutlich gemacht: Es hat keinen Skandalgegeben, lediglich Fehlentwicklungen. Diese Fehlent-wgsw„nntMsuBwlIsvCKddgdbSsrrdgmiWrtr
ch glaube, dass die Lektüre zu so sachlichen und seriö-en Schlussfolgerungen führt wie die, die ich hier habeortragen dürfen.Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undollegen! Auch ich möchte mich parteiübergreifend be-anken: bei sämtlichen Kollegen, die sich im Rahmenieses Untersuchungsausschusses unendlich viel Müheegeben haben, bei den Mitarbeitern der Kollegen, beien Mitarbeitern der Fraktionen und auch bei den Mitar-eitern der Ministerien; einige sitzen hinten in diesemaal. Man ist fast zu einer Schicksalsgemeinschaft zu-ammengewachsen.Heute liegt der Abschlussbericht vor. Es ist ein Be-icht des Parlaments für das Parlament. In diesem Be-icht wird das Fehlverhalten der Regierung,
as im Untersuchungsausschuss aufgedeckt wurde, dar-estellt. Der zuständige Minister ist nicht da. Lassen Sieich das in aller Ernsthaftigkeit ansprechen: Für michst das eine Missachtung des Parlaments.
enn der Außenminister seit Tagen auf einer Auslands-eise wäre, würde ich nichts sagen. Dieser Außenminis-er, der hier vor nur wenigen Stunden eine Wahlkampf-ede gehalten hat,
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Dr. Hans-Peter Uhlist abgehauen, um bei der Diskussion über den Ab-schlussbericht physisch nicht anwesend zu sein. Das isteine grobe Missachtung, übrigens nicht nur der Opposi-tion. Herr Scholz, es ist eine Frage der Selbstachtung– auch seitens der SPD und der Grünen, Herr Montag –,sich so etwas von seinem Minister gefallen zu lassen.
Ich möchte Fischers Verhalten als Vorsitzender des Un-tersuchungsausschusses hier in aller Form rügen.
Der Untersuchungsausschuss hat sich gelohnt, weil eraufgedeckt hat, dass durch die fehlerhafte Visavergabemassenhaft illegale Zuwanderung mit Wissen und Wol-len der rot-grünen Bundesregierung stattfand.Diese Grenzöffnungspolitik wurde als eine Politik derWeltoffenheit verbrämt. Sie hat – Sie wissen es – ihrenideologischen Ursprung letztlich in der Zielvorstellungvon einer multikulturellen Gesellschaft, in der Zuwande-rung pauschal als Bereicherung empfunden wird.
Die Grünen wussten, dass sie für diese Politik einergrenzenlosen Zuwanderung nicht in diesem Parlamentund schon gar nicht in der deutschen Bevölkerung eineMehrheit bekommen. Deshalb war es nur konsequentund in sich schlüssig, dass sie dort gehandelt haben, wosie Macht haben, nämlich durch den Außenminister, unddie Praxis hinsichtlich des Vollzugs der Visagesetze ge-ändert haben.
Der Außenminister wies seine Beamten an, die Gren-zen für Zuwanderer zu öffnen. Im Ausschuss brüstete ersich sogar damit, einen Beitrag zur orangefarbenenRevolution in der Ukraine geleistet zu haben.
Durch die Ausreichung von möglichst vielen Visa anukrainische Schwarzarbeiter hätten die Grünen dafür ge-sorgt, meinte er, dass die orangefarbene Revolution inKiew möglich wurde. In seiner Vision ging er sogarnoch einen Schritt weiter und sagte allen Ernstes, manmüsse dies wohl in Weißrussland wiederholen. Er gingallerdings noch nicht soweit, quasi einen dritten Schrittfür 145 Millionen Russen anzukündigen.
Dies wäre ja auch nicht möglich, weil er bald nicht mehrAußenminister sein wird.
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ie aber beklagten im Untersuchungsausschuss und be-lagen heute hier wieder, es gebe keine Statistik überusländische Schwarzarbeiter. Hier beginnt der eigentli-he Skandal: Einerseits verbieten Sie, Statistiken anferti-en zu lassen, und andererseits beklagen Sie, dass eseine Statistiken gibt. Das ist die blanke Heuchelei, Herrontag.
Die Bundesregierung hat zu verantworten, dass es ineutschland mehr als 5 Millionen Arbeitslose gibt.ugleich nimmt die Schwarzarbeit dramatisch zu. Dieegendierte Schleusung wurde unter Rot-Grün zurauptform der Schleuserkriminalität.
as kriminelle Treiben der organisierten Schleuserban-en wird durch die Visapolitik der Bundesregierung we-entlich verursacht und gefördert.
it Recht wollen die Menschen wissen, wie groß dernteil an ausländischen Schwarzarbeitern und Billiglöh-ern aus Osteuropa auf unseren Baustellen in Deutsch-and ist.
s ist ein Skandal, dass die Bundesregierung diese Zah-en wie ein Staatsgeheimnis allen vorenthält. Wir werdenach der Wahl dafür sorgen, dass diese Zahlen bekannterden.
Meine Damen und Herren, die Förderung derwangsprostitution ist für mich vielleicht die empö-endste Folge der rot-grünen Visapolitik.
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Dr. Hans-Peter UhlDer Kollege von Klaeden hat Alice Schwarzer zitiert;man kann dieses Zitat nicht oft genug vortragen. Sie hatden kausalen Zusammenhang zwischen der laxen Visa-vergabe, dem Menschenhandel und dem schändlichenUmgang mit diesen Frauen auf den Punkt gebracht.
Auch hier kamen Sie mit dem billigen und durchsich-tigen Argument, es gebe keine Statistiken über Zwangs-prostituierte. Meine Damen und Herren, es kann garkeine Statistiken über Zwangsprostituierte geben; denndurch Ihr Prostitutionsgesetz wurden ja gerade die Raz-zien abgeschafft. Daher liegen bundesweit gar keineKenntnisse vor, die man zusammenfassen könnte. Jetztzu argumentieren, weil es keine statistischen Erkennt-nisse gebe, gebe es auch den Tatbestand nicht, ist dochdümmlich.
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Mir fiel auf, Frau Präsidentin, dass Sie die anderen
Kollegen zwei, drei, vier Minuten länger reden ließen.
Nein, Herr Dr. Uhl,
das habe ich nicht gemacht. Sie haben jeweils nur eine
knappe Minute überzogen. Ich habe sie alle nach einer
halben Minute an ihre Redezeit erinnert.
Ich will mich gern kurz fassen und bald zum Ende
kommen, Frau Präsidentin.
Aber nehmen Sie, Herr Montag, vielleicht noch mit,
was die Landesvorsitzende der bayerischen Grünen,
Frau Theresa Schopper, gesagt hat. – Frau Künast, kön-
nen Sie bitte Herrn Montag die Möglichkeit geben, mir
zuzuhören?
Frau Theresa Schopper sagt:
Rund 500 000 Frauen und Mädchen unter 25 Jahren
sollen in Europa im Jahr 2002 von Zuhälterbanden
in die Prostitution gezwungen worden sein.
Die bayerische Landesvorsitzende der Grünen sagt wei-
ter:
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Herr Kollege Uhl, ich muss Sie jetzt wirklich mah-
en, zum Ende zu kommen.
Ja. – Wenn Frauen – –
Es geht nicht, dass jeder in der letzten Debatte so
ange redet, wie er möchte. Das geht nicht, Herr Kollege
hl.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Der Un-
ersuchungsausschuss hat es ans Licht gebracht: Am An-
ang stand der erklärte politische Wille, eine neue Visa-
olitik einzuleiten. Die Wende in der Visapolitik erfolgte
urch eine Weisung des Ministers. Dies alles als eine
chlamperei der kleinen Beamten und als Nachlässigkeit
arzustellen, ist unkorrekt. Im Gegenteil, die kleinen
isabeamten haben protestiert,
ie kleinen Polizeibeamten, die kleinen Grenzbeamten
aben gegen das protestiert, was – –
Herr Kollege Uhl, Sie reden jetzt auf Kosten Ihrer
ollegin.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bun-esregierung ist sicherlich nicht arm an Skandalen. Esätte für eine ganze Reihe von Untersuchungsausschüs-en gereicht.
och der Visaaffären-Ausschuss war der wohl ergebnis-oseste und sinnloseste Ausschuss in der Geschichte desundestages. Jawohl, er war ergebnislos und sinnlos.
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Dr. Gesine Lötzsch
Die konservative Opposition hat in den letzten dreiJahren komplett versagt. Sie wollte nicht Oppositionsein; sie war es auch nicht. Wir mussten stattdessen erle-ben, dass alle Reformen und alle Bundeswehreinsätzevon einer großen Koalition der Unvernunft getragenwurden. Es gab noch nie so wenig Opposition wie in denletzten drei Jahren im Deutschen Bundestag. Diese Ar-beit wurde Frau Pau und mir von der PDS komplettüberlassen.
Der Visa-Ausschuss hatte nur eine einzige Aufgabe:Er sollte von den skandalösen Hartz-IV-Gesetzen, derskandalösen Gesundheitsreform und den völkerrechts-widrigen Bundeswehreinsätzen ablenken. Doch das hater nicht geschafft. Die Menschen haben erkannt, dass dieGefahren nicht in erster Linie von ukrainischen Prostitu-ierten ausgehen. Nein, die Gefahren gehen von einer fal-schen Wirtschafts- und Sozialpolitik dieser Regierungund dieser konservativen Scheinopposition aus.Ich gehe auf nur drei Skandale ein, die es wert wären,in einem Untersuchungsausschuss behandelt zu werden:Erstens kann ich mir vorstellen, dass viele Bürgerwissen wollen, warum die Strompreise in Deutschlandschneller steigen als in anderen europäischen Ländern.
Es wäre eine lohnende Aufgabe für einen Untersu-chungsausschuss, herauszufinden, welche Rolle der ehe-malige Wirtschaftsminister Müller bei der Konstruktioneines Stromkartells gespielt hat, das heute den Verbrau-chern die Preise diktiert.
Zweitens wäre es für viele Patienten interessant, zuerfahren, warum sie die Hauptlast der Gesundheits-reform tragen müssen, während gleichzeitig die großenPharmaunternehmen die Preise für Medikamente nachoben schrauben und die Chefs der Kassenärztlichen Ver-einigungen exorbitante Gehälter einstreichen können.
Drittens wäre es sicherlich auch interessant für dieBürgerinnen und Bürger, zu erfahren, warum die Bun-desregierung einen völkerrechtswidrigen Krieg in Ju-goslawien geführt und einen ebensolchen im Irak unter-stützt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat diePosition der Linkspartei bekräftigt; meine Kollegin PetraPau ist heute Morgen schon darauf eingegangen. Ich zi-tiere aus dem Urteil:Eine Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Deliktist selbst ein völkerrechtswidriges Delikt.Es wäre für viele Menschen wichtig, zu erfahren, nachwelchen Drehbüchern diese Kriege vorbereitet wurden,um bei den nächsten Kriegsvorbereitungen gewappnetzu sein.sddtcddlLwfFHcBWwdmwnsgeWnghwKKde
enn dann wird es eine starke linke Opposition geben,ie sich nicht auf Nebenkriegsschauplätze verschiebenässt. Die Wählerinnen und Wähler können mit derinkspartei eine starke Opposition in den Bundestagählen, die die wirklichen Skandale aufklären wird. Ichreue mich darauf.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich komme zur Debatte über den Visa-Untersu-hungsausschuss zurück.
Dieser Ausschuss findet heute nach achtmonatigereratung sein Ende; „Gott sei Dank“ füge ich hinzu.
ir haben rund 1 600 Aktenordner mit 450 000 Blattälzen dürfen. Wir haben in 155 Stunden 55 Zeugen undrei Sachverständige gehört.Jetzt geht es darum, das Ergebnis zu debattieren. Ichöchte nicht der Versuchung erliegen, hier einen Ersatz-ahlkampf zu starten. Dafür eignet sich das Themaicht. Dafür eignet sich auch das nicht, was wir in die-em Ausschuss in großen Teilen gemeinschaftlich fest-estellt haben.Es macht viel mehr Sinn, finde ich, zu fragen: Wo isttwas schief gelaufen? Was konnte verbessert werden?o muss noch etwas verbessert werden? Wir waren unsatürlich in der Erkenntnis einig, dass manches nicht soelaufen ist, wie wir es uns gemeinschaftlich gewünschtätten. Das wurde allerdings auch eingeräumt und dasurde ausgeräumt. Im Übrigen bewegen wir uns – derollege Scholz hat es dargestellt – seit der Regierungohl mit dem Minister Kinkel und dem anderen Herrn,er sich vor einem Strafgericht verantworten durfte, ininer bemerkenswerten Kontinuität.
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17564 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
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Michael Hartmann
Ich finde es schade, dass es in diesem Ausschuss ei-gentlich nur darum ging – Herr Kollege Dr. Uhl, das hatauch Ihre Rede eben leider bewiesen –, ein Vorurteil be-stätigt zu finden.
Wir haben bei unserem fleißigen Aktenstudium sowiebei der fleißigen und ausführlichen Zeugenvernehmungauch große Schnittmengen festgestellt. Wir waren unsdarin einig, dass das Problem mit dem Fall des EisernenVorhangs entstanden ist. Wir sind uns auch darüber ei-nig, dass die Freiheitsrechte, die die Menschen errungenhaben, positiv sind. Wir sind uns hoffentlich auch darineinig, dass eine Kontinuität mindestens insoweit besteht,als es in dem Erlass vom Mai 1994 – nicht wir haben da-mals regiert – hieß: so viel Reisefreiheit wie möglich, soviel Kontrolle wie nötig. – Dieser Grundsatz wurde zukeiner Zeit aufgekündigt, auch nicht und gerade nichtdurch Rot-Grün.
Missstände, die es gab, resultierten aus dem hohenMigrationsdruck, den wir nach dem Fall des EisernenVorhangs erlebten. Das überforderte die Auslandsver-tretung in Kiew. Es gab außerdem – das räume ich gernein – eine Reihe von missbrauchsanfälligen Instrumen-ten.Wir haben darauf reagiert und werden weiter daraufreagieren. Zum Beispiel wurde das Reisebüroverfahrenbeendet. Zum Beispiel werden die Reiseschutzpässenicht mehr anerkannt.
Zum Beispiel wurde die Botschaft in Kiew personellverstärkt.
Zum Beispiel werden Reisezweck und Rückkehrbereit-schaft gründlich geprüft.
Zum Beispiel werden bereits seit 2002/2003 verstärktDokumentenberater und Verbindungsbeamte eingesetzt.
Zum Beispiel wird auf europäischer Ebene durch Bun-desinnenminister Schily die Einrichtung einer Einlader-datei forciert.
– Übrigens macht sie nur dort Sinn; darüber waren wiruns einmal einig, Herr Kollege. Zum Beispiel hat dasAuswärtige Amt ein Frühwarnsystem eingeführt. ZumBeispiel gibt es das Gemeinsame Analyse- und Strate-giezentrum Schleusungskriminalität beim BKA. ZumBeispiel arbeiten Auswärtiges Amt und Bundesinnenmi-nisterium in einer Taskforce enger denn je zusammen.Damit ist alles getan, was derzeit getan werden kann, umdtgfrdajWwcMcdiKVsDFh8unStnLwhm
Insofern: Der Ausschuss könnte mit seiner Arbeit zu-rieden sein, wäre da nicht von Anfang an der teils skur-il vorgetragene und immer maßlos überzogene Versucher Opposition gewesen, eine Hatz auf den Bundes-ußenminister zu starten. Dieses blinde Jagdfieber hatede Sachlichkeit verhindert. Das ist schade.
enn wir hier zu Recht den Dank an das Sekretariat so-ie an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausspre-hen, muss ich sagen: Das wird auch der Arbeit derenschen im Auswärtigen Dienst und bei unseren Si-herheitsorganen nicht gerecht;
enn sie brauchen angesichts des schwierigen Bereichs,n dem sie tätig sind, Unterstützung und nicht haltloseritik von außen.
ielleicht gehen Sie noch einmal in sich und bessernich. Im Übrigen freue ich mich, mit Ihnen im nächsteneutschen Bundestag weiter zu debattieren.
Das Wort hat die Kollegin Michaela Noll, CDU/CSU-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heuteabe ich als letzte Rednerin der Debatte das Wort.Frau Lötzsch, wenige Worte zu Ihnen. In unserem00 Seiten langen Bericht steht nicht ein Wort zum Iraknd nicht ein Wort zum Strom. Sie haben ihn anschei-end gar nicht gelesen.
Sehr geehrter Herr Kollege Montag, unterschätzenie bitte nicht die Bürgerinnen und Bürger; denn diereffen am 18. September die Entscheidung zwischen ei-er Visapolitik, die die Sicherheitsinteressen unseresandes in den Vordergrund stellt, oder Ihrer, die nach-eislich dem Visamissbrauch Tür und Tor geöffnet hat.
Unser Ergebnis steht fest: Die rot-grüne Visapolitikat den massenhaften Visamissbrauch erst möglich ge-acht. Wir wissen das und die Bürger wissen das auch.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005 17565
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Michaela Noll
Der Außenminister selber hat am 25. April eingeräumt,es habe Erlasse mit fatalen Folgen gegeben. Seine Wortewaren – deshalb zitiere ich ihn noch einmal zumMitschreiben –:Schreiben Sie hier rein: Fischer ist schuld.Millionen Menschen haben das am Fernseher gesehen,sie haben es im Radio gehört und sie konnten es nachle-sen.
Außenminister Fischer hat völlig Recht. Aber er stehtdamit nicht ganz alleine da. Es gibt nämlich weitere Ver-antwortliche. Unter anderem ist das der Innenminister.Er wusste alles. Er ist trotz Warnbriefen von ihm aus denJahren 2000, 2001 und 2004 untätig geblieben. Er hatimmer wieder darauf hingewiesen, dass schengenweitausgeschriebene Terrorverdächtige eingereist sind. DieseSchreiben sind an Deutlichkeit hinsichtlich der Kritiknicht zu überbieten. Ich zitiere:Es ist nicht hinnehmbar, dass ... eine von der EU alsmutmaßlicher Terrorist gelistete Person nachDeutschland mit einem gültigen Visum einreist. ...Visumserteilung unter Missachtung sicherheitspoli-tischer Bedenken ist angesichts der Ihnen bekann-ten Bedrohung durch den internationalen Terroris-mus unverantwortlich und nicht entschuldbar.Daraufhin habe ich den Bundesinnenminister im Aus-schuss gefragt, wo denn die Schwachstellen sind undwas er getan hat, um sie zu beheben. Er hat geantwortet– ich zitiere –:Ich habe natürlich darauf vertraut, dass das Aus-wärtige Amt das auch tut.Aber was ist denn passiert? – Ich sage: Es ist garnichts passiert.
Deshalb ist das Ergebnis, zu dem Sie gekommen sind,abwegig und befremdend. Denn Ihr Fazit lautet:Eine Gefährdung der Sicherheit der BundesrepublikDeutschland hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Das behaupten Sie, obwohl noch nicht einmal eindeu-tig geklärt ist, wer wann ausgereist ist und ob die vierTerroristen überhaupt wieder ausgereist sind. Denn inunserem überbürokratisierten Deutschland wird die Aus-reise der mit Visum gekommenen Ausländer bis heutenicht kontrolliert.Als ich den Bundesinnenminister dazu befragt habe,antwortete er:In einem Fall ist die betreffende Person, glaube ich,zurückgekehrt in ihr Heimatland, also wieder aus-gereist.DnNwpehDDIlfßwDtuKewHfkwavGMstSsmDfIe
as heißt, Visaerschleichungen an deutschen Botschaf-en tauchen dort gar nicht erst auf.
Noch ein Punkt. Bei Schwarzarbeit, Menschenhandelnd Zwangsprostitution handelt es sich um so genannteontrolldelikte. Das heißt, sie schlagen in der Statistikrst dann zu Buche, wenn sie von der Polizei entdeckterden.
ier gibt es oftmals leider nur Zufallstreffer. Die Betrof-enen selber, die Zwangsprostituierten, werden wohlaum Anzeige erstatten. Dazu als Beispiel nur kurz zweiichtige Fälle: Beim Wiesenrand-Verfahren der Staats-nwaltschaft Münster ging es um 16 500 Geschleuste,on denen 300 in die Statistik eingeflossen sind. Dasleiche gilt für das Verfahren der Staatsanwaltschaftemmingen, bei dem es um 3 000 Geschleuste ging undich kein einziger Fall in der Statistik findet.Ich sage Ihnen: Es ist schlichtweg dreist, zu behaup-en, es gebe keine Anhaltspunkte für einen Anstieg derchwarzarbeit und des Menschenhandels. Dieses Be-chönigen der Realität nimmt Ihnen wirklich niemandehr ab.
ie Öffentlichkeit hat ihr eigenes Bild von der Visaaf-äre. Mit dem Beschönigen ist in elf Tagen Schluss; dennhre Zeit ist definitiv abgelaufen.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-mpfehlung des 2. Untersuchungsausschusses auf
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17566 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. September 2005
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerDrucksache 15/5975, Tagesordnungspunkt 3 a. Der Aus-schuss empfiehlt, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-probe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung istmit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.Tagesordnungspunkt 3 b: Interfraktionell wird Über-weisung der Vorlage auf Drucksache 15/5977 an die inder Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-gen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.Dann ist die Überweisung so beschlossen.Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-ordnung und somit am Ende der voraussichtlich letztenSitzung der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundesta-ges. Hinter uns liegen drei arbeitsreiche Jahre. Wir ha-ben oft kontrovers debattiert, oft aber auch einen Kon-sens über Fraktionsgrenzen hinweg in wichtigen Fragengefunden. Ich möchte die in den zurückliegenden dreiJahren geleistete Arbeit zum Anlass nehmen, Ihnen allenfür Ihr Engagement und Ihren Einsatz zu danken. Meinbesonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, diedem 16. Deutschen Bundestag nicht mehr angehörenwerden. Viele von ihnen haben im Parlament an heraus-gehobener Stelle über viele Jahre hinweg gewirkt: FrauVizepräsidentin Dr. Vollmer als Mitglied des Präsidiums,Mitglieder des Ältestenrates, Ausschussvorsitzende, Re-gierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekre-täre. Ich will allen ausscheidenden Kolleginnen und Kol-legen Dank sagen und ihnen unsere besten Wünsche fürihren weiteren Lebensweg mit auf den Weg geben.
Mein Dank gilt aber auch den Schriftführerinnen undSchriftführern und nicht zuletzt den vielen Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern, die vor und hinter den Kulissen ih-ren Dienst tun. Ohne sie könnten wir unsere parlamenta-rische Arbeit nicht leisten.
Wir werden unsere parlamentarische Arbeit nach dervorgezogenen Neuwahl in der 16. Wahlperiode fortset-zen. Allen, die dabei sein werden, wünsche ich eineglückliche Hand zum Wohle unseres Volkes.
Die Sitzung ist geschlossen.