Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Ich rufe die Zusatzpunkte 8 a und b auf:a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neurege-lung des Rechts der erneuerbaren Energien imStrombereich– Drucksache 15/2327 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über denHandel mit Berechtigungen zur Emission von
– Drucksache 15/2328 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so besIch eröffne die Aussprache und erteile deminister Jürgen Trittin das Wort.
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Wir machen mit den beiden Gesetzen den Weg freifür eine umfassende Modernisierung der Energieversor-gung in Deutschland. Das hilft dem Klima, stärkt dieWettbewerbsfähigkeit und sorgt massiv für Innovationenin Deutschland.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Dr. Peter Paziorek,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitder Umsetzung der europäischen Richtlinie zum Emis-sionshandel und der Novelle zum EEG stehen wichtigeWeichenstellungen in der Umwelt- und der Energiepoli-tik in Deutschland bevor, Weichenstellungen, die in ihrerBedeutung und in ihren Auswirkungen auf den Indus-triestandort Deutschland nicht unterschätzt werden dür-fen. Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, wir seienbei der Meldung der Regelungen betreffend den Emis-sionshandel gemäß der europäischen Richtlinie im Zeit-plan. Herr Minister, für die CDU/CSU-Fraktion bestreiteich dies ausdrücklich.
Denn spätestens Ende März dieses Jahres müssen diewesentlichen Regelungen betreffend die Zuteilung derEmissionsberechtigungen für die 2 600 Anlagen inDeutschland nach Brüssel gemeldet werden.Wir hatten erwartet, dass die Bundesregierung heuteein Konzept vorlegt, aufgrund dessen der Deutsche Bun-destag beurteilen kann, nach welchen Grundregeln dieEmissionsberechtigungen den Industrieanlagen zuge-teilt werden. Aber der Entwurf eines TEHG, das Sieheute in erster Lesung vorgelegt haben, ist nichts ande-res als der Entwurf eines reinen Verfahrens-, Zuständig-keits- und Organisationsgesetzes. Sie wollen lediglichaufgrund einer Kabinettsentscheidung die Regelungenbetreffend die Zuteilung der Emissionsberechtigungennach Brüssel melden, ohne dem Parlament vorher dieMöglichkeit zu geben, Einfluss zu nehmen. Das haltenwir mit der Stellung des Parlaments für nicht vereinbar.
Herr Minister, wenn ich mir das Verfahren zur Härte-fallregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, dasVerfahren zum EEG-Vorschaltgesetz und den Termin-plan für die Einführung des so genannten Dosenpfandsanschaue, dann habe ich den Eindruck, dass Sie immernfaAwtbwdFsündWdBrsBjsePsPdvptüiFdwdddehzwAdrAFsgd
Eines ist ebenfalls klar: Die Europäische Union gibten einzelnen Staaten in dieser Angelegenheit ganz ge-altige Entscheidungsmöglichkeiten. Jeder Staat kannie Schwerpunkte anders setzen. Aus dem Grunde mussas Parlament natürlich wissen, welche Schwerpunkteie Regierung wirklich setzt. Um auf Ihren Zwischenrufinzugehen, Herr Kelber: Ich habe solche Schwerpunkteeute nicht gehört, obwohl ich dem Minister sehr kon-entriert zugehört habe. Der Minister hat vorhin erklärt,arum das bei den Gesprächen mit der Wirtschaft imugenblick noch ein offener Streitpunkt ist. Dazu hater Staatssekretär im Ausschuss zwei Stunden lang sehruhig im Detail und umfassend berichtet, wie ich zugebe.ber die von mir im Ausschuss gestellte entscheidenderage, nämlich wie das Mengengerüst tatsächlich aus-ehen soll, konnte er nicht beantworten.
Herr Minister, auch eben haben Sie zu dem Mengen-erüst im Konkreten nichts gesagt. Sie haben erklärt,ass das alles gar nicht so dramatisch sei und dass
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Dr. Peter PaziorekGrundlage der Selbstverpflichtungserklärung der Wirt-schaft die KWK-Vereinbarung aus den Jahren 2000/01sei. Dabei geht es um eine Reduktion der CO2-Emissio-nen um 45 Millionen Tonnen. Aber es ist bekannt, dassstrittig ist, wie viel von diesen 45 Millionen Tonnen CO2einer Regelung über Emissionshandel oder dem sonsti-gen gesetzlichen Regelwerk zuzurechnen ist. Da beste-hen unterschiedliche Vorstellungen. Da gibt es eine Ba-sisvorstellung von 21 Millionen Tonnen CO2 sowiemittlere Vorstellungen – selbst die Regierung sagt, allesüber 45 Millionen Tonnen CO2 brauche nicht abgerech-net zu werden – und nach Ihren Vorstellungen sollen es36 Millionen bis 37 Millionen Tonnen CO2 sein. Warumsagen Sie das dem Parlament nicht? Warum sagen Sienicht, dass es noch ganz gewaltige Unterschiede zwi-schen den beiden Grundpositionen gibt? Diese Grund-satzpositionen sind ganz interessant. Da kann man dochnicht sagen: Wenn die sich in der Wirtschaft insgesamtnicht einigen, dann sollen sich die Stahl- und Zementin-dustrie oder die Zement- und Alu-Industrie an einenTisch setzen, vielleicht irgendwo am schönen Rhein, undsich darüber unterhalten, wer was übernimmt.Ich sage Ihnen ganz klar: Diese Regierung ist dafürgewählt, dass sie ihre Hausaufgaben macht. Wenn Sievon der Regierung ihre Hausaufgaben nicht machen,dann sollten Sie zurücktreten; dann haben Sie ihre Auf-gabe nicht erfüllt.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre es wirklich gut ge-wesen, Herr Minister, wenn uns heute alles zusammen ineinem Konzept vorgelegt worden wäre. Für uns alsCDU/CSU-Bundestagsfraktion bilden das TEHG – nurden Entwurf dazu haben Sie heute vorgelegt – und derNationale Allokationsplan eine untrennbare Einheit.Beide können nicht losgelöst voneinander behandeltwerden. Beide sind inhaltlich eng verzahnt. Deshalbmüssen auch beide gemeinsam im Parlament behandeltwerden. Wir lehnen Ihren Vorschlag ab, TEHG und Na-tionalen Allokationsplan getrennt zu behandeln.Deshalb fordern wir Sie auf, Herr Minister, jetztschnellstens, noch in der nächsten Sitzungswoche im Ja-nuar, Ihre Vorstellungen zum Nationalen Allokations-plan konkret vorzulegen, damit dieses Parlament beur-teilen kann, wie sich Ihre umweltpolitischenVorstellungen auf den Arbeitsmarkt, auf die Arbeits-plätze, auf den Wirtschaftsstandort Deutschland undauch auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-schaft auswirken können. Sie sind verpflichtet, dies soschnell wie möglich vorzulegen.
– Wenn offenbar von der Regierungsbank gerufen wird„Sehr richtig!“, dann sollte das – so meine Bitte – proto-kollarisch festgehalten werden; denn das werden wir beider Debatte sicherlich noch einmal gebrauchen können.sbDdscundVfKBgdldEbEDbzbuWustdanWfBnebSnWiddlza
iese Emissionsberechtigungen sind nämlich nichts an-eres als Lebensmittelmarken für die deutsche Wirt-chaft. Somit entscheidet sich hierdurch, welche Berei-he in Deutschland zukünftig noch einen produktivennd positiven Beitrag für den Arbeitsmarkt leisten kön-en. Deshalb müssen Sie in dieser Frage alle Fakten aufen Tisch legen; sonst können wir als Opposition dieserorlage nicht zustimmen. Es geht nicht an, von uns zuordern, einem Gesetz zuzustimmen, in dessen § 7 dieompetenz zur Erarbeitung weiterer Regelungen anundestag und Bundesrat sowie die Bundesregierungegeben wird. Sie müssen uns schon bei der Beratungieses Gesetzes sagen, welche Regeln Sie uns tatsäch-ich vorlegen wollen; sonst können Sie nicht erwarten,ass wir dem TEHG zustimmen.Noch einige kurze Ausführungen zum Erneuerbare-nergien-Gesetz: Die Bundestagsfraktion der CDU/CSUekennt sich zu dem Ziel, den Anteil der erneuerbarennergien in Deutschland zu erhöhen.
as haben wir im Wahlprogramm festgeschrieben. Wirekennen uns auch zu dem Ziel, die EU-Richtlinie um-usetzen und bis zum Jahre 2010 den Anteil der erneuer-aren Energien auf 12,5 Prozent zu erhöhen. So lautetnsere klare Aussage.
Genauso treffen wir aber auch die klare Aussage:enn Sie an dem Gesetzesentwurf zum EEG festhaltennd keinen Kompromiss anstreben, wird die Union die-em Gesetzesentwurf nicht zustimmen. Sie verschlech-ern die Situation für die Biomasse; Sie verschlechternie Situation für die Wasserkraft. Sie setzen zwar durch-us interessante und richtige Schwerpunkte beim so ge-annten Repowering, der Erneuerung bestehenderindkraftanlagen, und wir sind auch durchaus offenür Beratungen über Offshore-Windenergieanlagen, zumeispiel im Bereich von Nord- und Ostsee. Es geht abericht an, dass Sie das allgemeine Bekenntnis zur Wind-nergie so ausgestalten, dass weiterhin Mitnahmeeffekteeim Bau von Windenergieanlagen an windungünstigentandorten im Binnenland möglich sind. Das wollen wiricht.
ir wollen, dass die Schwerpunkte bei der Windenergiem Binnenland anders gesetzt werden.Im gleichen Atemzug weise ich auch darauf hin, dassie Unionsfraktion dem Vorschaltgesetz trotz großer Be-enken zum Verfahren in Sachen Photovoltaik bzw. So-ar – ich habe das vorhin geschildert – vor Weihnachtenugestimmt hat. Wir haben damit deutlich gemacht, dassuch wir die erneuerbaren Energien ernst nehmen und
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Dr. Peter Pazioreksie stärken wollen. Es kann aber nicht sein, dass Sie, umIhr Klientel zu streicheln, ganz bestimmte Sektoren imBereich der erneuerbaren Energien weiter stützen undzum Beispiel die Chancen, die die Biomasse bietet, ver-nachlässigen. Das ist nicht richtig. Gerade die Biomassebietet die Chance, die Konflikte, die im Binnenland teil-weise bei Windkraftanlagen entstehen, zu vermeidenoder zu lösen. Deshalb sagen wir: Wenn die Schwer-punkte nicht anders gesetzt werden als in Ihrer Vorlage,dann kann eine Zustimmung nicht erfolgen.Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch etwasGrundsätzliches sagen: Die Unionsfraktion bekennt sichzu dem Verdopplungsziel bis zum Jahr 2010. Sie aberschreiben in diesem Gesetzentwurf schon eine weitereZielvorstellung fest, nämlich bis zum Jahre 2020 denAnteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent zusteigern. Wir waren doch gemeinsam der Auffassung,dass die derzeitigen Umlagen – Sie sagen immer, es han-dele sich nicht um Subventionen; ich würde sie als indi-rekte Subventionen bezeichnen – daraufhin geprüft wer-den müssen, ob sie tatsächlich den erneuerbarenEnergien zur Marktreife verhelfen; denn irgendwannmüssen die erneuerbaren Energien im Vergleich zu denbisherigen Energieangeboten konkurrenzfähig sein.
Aus dem Grunde muss geprüft werden, ob die erneuer-baren Energien eines Tages tatsächlich ohne Umlagen,also ohne indirekte Subventionen, auskommen. Deshalbist es richtig, dass man die gesetzliche Förderung auf dasJahr 2010 begrenzt. Wenn Sie aber heute schon davonreden, dass Ihre Zielvorstellungen bis zum Jahr 2020 rei-chen, dann bedeutet das doch im Klartext, dass die Prü-fung im Jahre 2010 keinerlei Bedeutung hat.
Das wollen wir nicht.Wir sind bereit, das Verdopplungsziel bis zum Jahre2010 mitzutragen. Wir machen aber nicht mehr mit,wenn Sie heute schon gesetzgeberische Vorgaben für dieJahre 2020 ff. erlassen. Das wäre nämlich ein Verstoßgegen den Grundsatz, dass immer wieder überprüft wer-den muss, ob erneuerbare Energien konkurrenzfähigsind. Aus dem Grunde richten wir die dringende Auffor-derung an Sie, auch in diesem Punkt das Gesetz zu än-dern; sonst können wir nicht zustimmen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegen Ulrich Kelber, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Es ist gut, dass wir am Freitagmorgen, zur so ge-nannten Kernzeit, über Klimaschutz sprechen. Das wirddnmhwsssAfCvglaSeEdSnasEokBBgZgWvIbfSdtboIzdgs–vr
Bei der Förderung erneuerbarer Energien erkenntuch der Laie ziemlich schnell den Zusammenhang zwi-chen der Maßnahme selbst und dem Klimaschutz. Beimmissionshandel ist dieser Zusammenhang für viele Be-bachter nicht direkt erkennbar. Mikroallokation, Ma-roallokation, Erfüllungsfaktor, Zertifikate, Derivate,anking, Borrowing – das sind unglaublich viele neueegriffe, die eher verwirren als klar machen, worum eseht.Bei all diesen neuen Begriffen droht der eigentlicheweck des Emissionshandels manchmal in den Hinter-rund zu geraten. Deswegen noch einmal ganz deutlich:er wie viel Geld mit dem Handel von Zertifikatenerdienen kann, ist völlig zweitrangig. Entscheidend ist:st dieses Instrument geeignet, zu wirtschaftlich vertret-aren Kosten unsere Klimaschutzziele punktgenau zu er-üllen?
chaffen wir es, die Emission von Treibhausgasen zu re-uzieren?Der Erfolg hängt auch davon ab, ob wir die Funk-ionsweise und den Sinn des Emissionshandels einerreiten Bevölkerungsschicht deutlich machen können,b wir erklären können, dass der Emissionshandel einnstrument ist, um punktgenau ehrgeizige Klimaschutz-iele zu erreichen. Dazu werden die knapp 60 Prozentes Kohlendioxidausstoßes in Deutschland, für die dieroßen Kraftwerke und Industrieanlagen verantwortlichind, individuell auf die einzelnen gut 2 500 Anlagenganz genau sind es zurzeit 2 629 Anlagen – aufgeteilt.Bis zum Jahr 2012 muss jede Anlage ihre Emissionon Treibhausgasen um eine bestimmte Menge reduzie-en. Das ist der für den Klimaschutz wichtige Teil. Gut
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Ulrich Kelberist, dass jedes Unternehmen den kostengünstigsten Wegwählen kann: Es kann entweder die Emissionen wie vor-gegeben zum Beispiel durch technische Maßnahmenselbst reduzieren, es kann die Klimaschutzziele überer-füllen und nicht mehr benötigte Emissionsrechte an an-dere verkaufen oder es kann solche Rechte von anderenFirmen zukaufen.Ohne bürokratischen Aufwand werden wir so unsereKlimaschutzziele erreichen. Da die deutschen Firmen alsGesamtheit die Klimaschutzziele bis 2012 sogar über-erfüllen werden – davon gehe ich aus –, werden sieEmissionsrechte an Firmen in anderen europäischenLändern für viel Geld verkaufen können. Wir werdenalso die Klimaschutzziele erfüllen und gleichzeitig alsVolkswirtschaft Geld verdienen. Mehr kann man von ei-nem Gesetz nicht erwarten.Ich wiederhole noch einmal: Emissionshandel ist einInstrument für den Klimaschutz. Anstrengungen für denKlimaschutz sind wichtiger denn je. Es gibt sehr vielenegative Entwicklungen und bisher nur wenige positiveNachrichten. Wir haben gestern über die WeigerungRusslands gesprochen, das Kioto-Protokoll, durch dasder Klimaschutz erweitert werden soll, zu ratifizierenund damit in Kraft zu setzen. Das ist eine negative Nach-richt. Die Verweigerungshaltung der USA beim Klima-schutz insgesamt ist die größte Negativbotschaft, weildieses Land der Hauptklimakiller ist und auf Kosten an-derer Gesellschaften und vor allem künftiger Generatio-nen lebt. Negativ sind auch neue Erkenntnisse über dasAusmaß bisheriger Klimaveränderungen, die größer sindals angenommen. Negativ sind neue Erkenntnisse überdie Gefahr eines Zusammenbruchs des Golfstroms durcheine Veränderung des Salzgehalts im Nordatlantik. DieFolge wären drastische, schnelle Klimaveränderungen inEuropa.Negativ sind auch die neuen Erkenntnisse über einenschnellen, massiven Anstieg des Meeresspiegels durchEisrutsch. Die Gletscher in Grönland und in der Antark-tis sind instabiler als gedacht. Wenn sie einmal abrut-schen, können sie innerhalb weniger Jahre einen Anstiegdes Meeresspiegels um viele Meter bewirken.Es gibt aber auch Hoffnungszeichen. Der Emissions-handel der EU ist ein solches Hoffnungszeichen. Aberauch die Erfolge Deutschlands und Großbritanniensbei der Minderung der Emission von Treibhausgasensind positive Signale. Es ist doch nicht seltsam, dass ge-rade die beiden großen Länder der EU, die auf diesemGebiet die größten Erfolge aufweisen können, nämlichGroßbritannien und Deutschland, darauf drängen, dassman für die Zeit nach 2012 weitere ehrgeizige Zielesteckt. Wir haben bewiesen, dass solche Ziele erreichtwerden können. Wir haben bewiesen, dass Klimaschutznicht mit Wohlstandsverlust, sondern mit Wohlstandsge-winn – Stichwort „Emissionshandel“ – verbunden seinkann.
Die enormen Wachstumsraten beim Ausbau der er-neuerbaren Energien sind ebenfalls ein Pluspunkt fürdDagisuCHeszstrdnhmÜsdwdGdEdvfkAüdhsgdhzddmn
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Um mit den Schwellen- und Entwicklungsländernals Partner im Klimaschutz deutlich zusammenarbeitenzu können, braucht es ein klares und bestimmtes Be-kenntnis, nämlich dass auf lange Sicht jeder Mensch fürdie gleiche Menge an Emissionen von Treibhausgasenverantwortlich sein muss, egal wo er wohnt. Es kannnicht sein, dass der Norden mit 20 Prozent der Bevölke-rung auf Dauer für 80 Prozent der Emission von Treib-hausgasen verantwortlich ist. Jeder hat die gleichenRechte; das ist die einzige demokratische Möglichkeit.
Können wir das schaffen? – Ja. Die dazu notwendigenTechnologien sind vorhanden bzw. in wenigen Jahrenentwickelbar. Wir schaffen das!Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegin Birgit Homburger, FDP-
Fraktion.
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Die FDP war die erste Fraktion, die dazu konkreteorschläge gemacht hat.
nermüdlich haben wir unsere Vorstellungen zum Emis-ionshandel und auch zur Förderung regenerativer Ener-ien hier im Deutschen Bundestag eingebracht. Da fragtich natürlich: Was hat eigentlich die Bundesregierungn all diesen Jahren getan, Herr Trittin?
ie haben vorhin Kriterien formuliert und gesagt, eineechtzeitige Einführung sei von großer Bedeutung. Dazuann ich nur feststellen: Noch im letzten Jahr, und zwarm Juni 2003, hat nicht nur Ihr Kollege Clement, son-ern auch Bundeskanzler Schröder beispielsweise in derFAZ“ erklärt, wir brauchten den Emissionshandel nicht.
Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Sie davonprechen, man müsse ein solches Instrument rechtzeitiginführen, weil es ein völlig neues Instrument sei undich die Beteiligten darauf einstellen müssten, dann ha-en Sie, Herr Trittin, an dieser Stelle mit Ihrer Verweige-ung in den letzten Jahren großen Schaden angerichtet.ie sind schuld daran, dass es hier im Augenblick Un-icherheit gibt.
Nun droht also das Kind in den Brunnen zu fallen.ie Spielregeln des europäischen Emissionshandelsurden weitgehend ohne die Bundesrepublik Deutsch-and festgelegt. Nun wird mit heißer Nadel und in allerile die Umsetzung vorbereitet. Es gibt durchaus Anlassur Sorge, dass ein Debakel droht und dass ein hocheffi-ientes Instrument in einem rot-grünen chaotischen undürokratischen Monster endet.
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Birgit HomburgerAllein die Tatsache, dass die Ökosteuer, die KWK-Rege-lungen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz und diverse Selbstverpflichtun-gen mit dem Emissionshandel verknüpft werden müs-sen, macht das ganze Drama deutscher Regelungswutdeutlich.
Die FDP hat seit langem für die Einführung des Emis-sionshandels plädiert. Denn wir halten es für ein überle-genes Instrument. Deshalb stellt sich die Frage, warumdie vorgelegten Regelungsentwürfe im Augenblickkaum Freude auslösen. Eine aktuelle Umfrage bei denUnternehmen hat jüngst ergeben, dass rund 75 Prozentder Unternehmen mit einer Verteuerung ihrer Produktedurch den Emissionshandel rechnen und nicht etwa miteiner Vergünstigung, um die es hier ja geht. Wir wollendoch die Verringerung der Emissionen kostengünstigerorganisieren. Die Unternehmen gehen nicht davon aus,dass das gelingt. Dazu kann ich nur sagen: Das größteProblem in diesem Zusammenhang sind rechtliche Un-sicherheiten, die dafür sorgen, dass die Unternehmenderzeit keine verlässliche Investitionsplanung vorneh-men können.
Herr Trittin, Sie haben jüngst geäußert, Sie wollten,dass der Kraftwerkspark erneuert werde, weil damit1Tonne CO2 deutlich günstiger vermieden werdenkönne als beispielsweise durch die Förderung der Wind-energie.
Das finde ich lobenswert. Allerdings sind die Bedingun-gen natürlich nicht klar. § 12 Ihres Entwurfes eines Ge-setzes zum Emissionshandel bietet die Möglichkeit, ge-gen die Zuteilung von Emissionsrechten Widerspruch zuerheben. Der Widerspruch hat aber keine aufschiebendeWirkung. In § 15 wird die Rechtsnatur der Emissions-handelsrechte verschwiegen: Es ist völlig unklar, ob essich dabei um Waren handelt, also um handelbare Eigen-tumsrechte, oder ob es sich etwa um Wertpapiere handeltund deswegen womöglich die Bundesanstalt für Finanz-dienstleistungsaufsicht auch noch darüber eine Aufsichtausübt. In diesen Punkten besteht völlige Unklarheit. So-lange diese nicht beseitigt ist, Herr Trittin, so lange kanndie Wirtschaft nicht entscheiden, weil sie keine verläss-liche Basis hat. Das ist das Ergebnis schlampiger Vorbe-reitung durch Sie.
Ohnehin gilt die mit immensem Aufwand ermittelteDatenbasis für den Emissionshandel als mangelhaft. EinSprecher des Bundesumweltministeriums wird mit derAussage zitiert, man habe noch keinen Überblick. Interngeht man in Ihrem Hause davon aus, dass die Datenschlicht unzutreffend sind. Wer ein Softwarepaket zurErmittlung der Daten mehrfach ändert – in kürzestemZeitraum –, der braucht sich nicht zu wundern, wenn Da-ten nicht stimmen, der braucht sich auch nicht zu wun-dern, dass es dann zwischen Ihnen, Herr Trittin, undHMUlDlMhdjwEtgzaosrgDksdkTtnnsuzEsigBVl
iese Differenzen haben Sie nicht geklärt. Das hängt al-es mit der mangelnden Datenbasis zusammen.
an hätte das alles vernünftig vorbereiten können; wiraben Sie in den letzten Jahren mehrfach dazu aufgefor-ert. Sie haben das alles ignoriert; deswegen haben Sieetzt die Verantwortung zu tragen.
Nicht zuletzt auch deshalb gibt es Schwierigkeiten,eil das wichtigste und entscheidendste Element desmissionshandels, der so genannte Nationale Alloka-ionsplan, vom Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzetrennt ist. Genau an dieser Stelle werden die Anfangs-uteilungen entschieden werden. Wir diskutieren hierlso über die – wenn Sie so wollen – berühmte „Damehne Unterleib“, Herr Minister. Wenn man es nicht bes-er wüsste, könnte man glauben, das sei eine Parodie aufot-grüne Umweltpolitik. Aber leider ist die Sache un-laublich ernst.
eswegen müssen wir in den Beratungen darauf hinwir-en, dass wir die Sache zu einem vernünftigen Ab-chluss bringen.Jetzt komme ich zu einem weiteren Punkt, nämlichem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Da sieht es leideraum besser aus. Dass heute die EEG-Novelle und dasreibhausgas-Emissionshandelsgesetz gemeinsam bera-en werden, ist ein Produkt parlamentarischer Ablaufpla-ung. Eigentlich müsste es viel mehr sein: Es müssteämlich gewollt sein. Ist es denn nicht so, dass der Emis-ionshandel ein wichtiges Element des Klimaschutzes istnd dieser wiederum – neben anderen Aspekten – einentrales Argument für die Förderung der erneuerbarennergien ist? Wenn das so ist, dann muss man offen-ichtlich die Förderung erneuerbarer Energien mit dernternationalen Klimapolitik verbinden.
Nichts liegt näher und nichts anderes wird dringenderebraucht. Von nichts anderem, Herr Trittin, ist dieseundesregierung weiter entfernt, als tatsächlich hier eineerknüpfung herzustellen. Sie haben auch das in denetzten Jahren vollkommen verschlafen.
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Birgit HomburgerSie haben nach wie vor keine langfristige Klimaschutz-strategie. Wenn Sie hier von einem Gesamtkonzept re-den, kann ich Ihnen nur sagen: Wir wollen die Verknüp-fung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes mit demKlimaschutz und wir sind der Meinung, dass an dieserStelle das EEG durch ein modernes Instrument ersetztwerden muss, nämlich durch ein marktwirtschaftlichesFördermodell.Wir müssen auch in der Speichertechnologie voran-kommen, um zu erreichen, dass die regenerativen Ener-gien auf Dauer grundlastfähig werden. Wenn sie grund-lastfähig werden, dann müssen wir die Netze nicht mehrausbauen, dann müssen wir die bisherige Regelenergienicht mehr vorhalten, dann haben wir eine große Ent-wicklungschance für die erneuerbaren Energien. Daswill die FDP, meine sehr verehrten Damen und Herren,und das kapiert diese Bundesregierung nicht.
Die FDP wird sich – wie immer – konstruktiv an denBeratungen beteiligen. Die FDP hat einen großen Anteildaran, dass das Instrument des Emissionshandels poli-tisch mehrheitsfähig wurde. Wir sind überzeugt, dass esein überlegenes Instrument ist, dass man klimapolitischeZiele zu den geringsten Kosten realisieren kann. Deshalbwird die FDP alles daransetzen, dass dieses Instrumentfunktionsfähig wird, dass wir es vernünftig nutzen kön-nen und dass es nicht durch grünen Dilettantismus kaputtgemacht wird.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Marco Bülow,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Aus meiner Sicht ist der Klimawechsel das größteProblem, mit dem wir es heute zu tun haben. Er istnoch ernster zu nehmen als die Terrorgefahr.Diese Worte von David King, dem obersten wissen-schaftlichen Berater von Tony Blair, waren neulich inder Zeitschrift „Science“ zu lesen. Ich glaube, dieserMann hat völlig Recht. In vielen Debatten muss man lei-der erkennen, dass viele immer noch nicht wissen, umwas es hier geht. Wir stehen mitten in einem Klimawan-del und er ist tatsächlich eines der größten Probleme,wenn nicht das größte Problem.Wir sprechen häufig – das merkt man an den Wortbei-trägen – über Formalia: wann was eingereicht wurdeusw. Es geht aber darum, die schlimmsten Auswirkun-gen des Klimawandels, in dem wir mittendrin stecken,einzudämmen. Ich halte nichts von Horrorszenarien.Deswegen bin ich dafür, darüber zu sprechen – das ha-ben wir getan –, mit welchen Maßnahmen man gegendDdKseUrmdSüEanszmwsIzEhsvnfF1EsdbtdubsdEddz
ch meine, wir sollten das auch in Deutschland langsamur Kenntnis nehmen.
rfolgreich ist es vor allen Dingen deshalb, weil es mit-ilft – das ist die konkrete Verknüpfung mit dem Klima-chutz –, 50 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland zuermeiden. Aber nicht nur das: Fast 50 Millionen Ton-en weiterer Luftschadstoffe, die immer unter den Tischallen, die aber auch sehr wichtig sind, werden durch dieörderung der erneuerbaren Energien vermieden.
Das EEG ist auch ein Beschäftigungsprogramm.35 000 Menschen sind im Bereich der erneuerbarennergien beschäftigt; das ist eine Beschäftigungswirk-amkeit, die kein anderer Energiebereich erreicht.Es ist ein Mittelstandsprogramm, weil die Menschen,ie im Bereich der erneuerbaren Energien in Arbeit ge-racht werden, und die Firmen, die in diesem Bereich tä-ig sind, hauptsächlich im Mittelstand angesiedelt sind;as fordern wir ja auch immer.Es ist ein Technologieprogramm, das eine innovativend moderne Technologie fördert, die Zukunft hat undei der Deutschland an der Spitze mitmacht.Deswegen ist es auch ein Exportprogramm. Wennich die Technologien weiter durchsetzen und auch an-ere Länder darauf bauen – das tun sie; sie kopieren dasEG zunehmend –, werden wir die Möglichkeit haben,iese Technologien zu exportieren.Es ist auch ein Sicherheitsprogramm. Wir wissen,ass viele fossile Ressourcen in Ländern und Regionenu finden sind, in denen die sicherheitspolitische Lage
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Birgit Homburgerschwierig ist und in denen die Konflikte und Kriege umÖl und andere Ressourcen zunehmen werden. Deshalbbringt die Förderung der erneuerbaren Energien auch dieSicherheit nach vorne.
Das EEG übererfüllt also die Anforderungen undschafft viele Möglichkeiten; das meinte ich mit „Chan-cen“. Man könnte sagen: Es ist eine unserer wichtigsten„Nachwuchshoffnungen“, die wir für die Zukunft brau-chen, die unentbehrlich wird und die uns Perspektivengibt.Jetzt geht es darum, den Nachwuchs in eine neue Le-bensphase zu begleiten. Wir novellieren das Erneuer-bare-Energien-Gesetz, um es an die neuen Verhältnisseanzupassen und um es noch effizienter und erfolgreicherzu machen. Dies ist die erste Lesung zur Novellierung.Seit Dezember liegt der Regierungsentwurf zur Novel-lierung vor, der eine gute Grundlage für unsere Beratun-gen bildet. Ich werde hier keine Detaildiskussion begin-nen. Aber wir müssen natürlich in den Ausschüssen undin den Fraktionen über die Details reden und mit denSachverständigen darüber diskutieren; das ist bereits invollem Gange. Dazu sind alle herzlich eingeladen. Am8. März findet zu diesem Thema eine öffentliche Anhö-rung in diesem Hause statt. Ich glaube, dann werden wirnoch einmal über die Details zu reden haben und auchvernünftige Ergebnisse bekommen.Ich möchte nur ganz kurz auf die Punkte eingehen,die für uns wichtig sind.Zu der kleinen und großen Wasserkraft. Auf der einenSeite müssen wir darüber diskutieren, dass wir weiterhindie kleine Wasserkraft betreiben und sie auch fördern,auf der anderen Seite gibt es im Novellierungsentwurfdie Öffnung – zumindest ein kleines Tor – zur großenWasserkraft. – Das ist der erste Diskussionspunkt.Der zweite Diskussionspunkt ist die Bioenergie, diesehr große Chancen bietet. Ich glaube, dass wir dieseChancen noch weiter verfolgen müssen, als wir es imGesetzentwurf getan haben.
Außerdem haben wir über die Windkraft und die Härte-fallregelung zu reden. Auch hier gibt es Diskussions-punkte, die wir noch näher ansprechen müssen. Über diePhotovoltaik müssen wir Gott sei Dank nicht mehr spre-chen. Denn mit unseren Beschlüssen vom Dezemberletzten Jahres haben wir hierfür eine gute Grundlage ge-schaffen. So stellt der Geschäftsführer des Bundesver-bandes Solarenergie, Gerhard Stryi-Hipp, fest, mit derVerabschiedung des Photovoltaik-Vorschaltgesetzes seiDeutschland einer der weltweit attraktivsten Märkte fürSolaranlagen. Genau diese Bedingung wollen wir füralle Sparten schaffen oder erhalten. Das ist im Bereichder erneuerbaren Energien unser Ziel. Hier sind wir aufdem richtigen Weg.
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Herr Paziorek, wirklich absoluter Blödsinn ist es,eim Thema Energiepolitik zu sagen: Wir diskutierenur bis zum Jahr 2010. – Nein, auch die Perspektive desahres 2020 ist fast zu niedrig gegriffen. Natürlich mussan sich Nahziele wie die Jahre 2010 oder 2020 setzen.ber man muss auch weiter in die Zukunft schauen.enn man sich überlegt, dass ein Kraftwerkspark, derebaut wird, 40 Jahre Bestand hat, also zwei Generatio-en lang vorhanden ist, dass die Auswirkungen des Kli-as nicht in zehn oder 20 Jahren zu reparieren sind undass Atomenergie zig Generationen strahlt, dann kannan beim Thema Energiepolitik nicht sagen, dass manur bis zum Jahr 2010 diskutiert. Vielmehr muss manuch darüber hinaus eine Perspektive schaffen.
Eine wichtige Neuerung im Entwurf zur Novellierungst die eingeforderte Transparenz, gerade im Umgangit den Kosten. Bereits im Dezember letzten Jahresabe ich zur Kostendiskussion Stellung genommen. Dientsprechenden Übertreibungen sind aber immer nochorhanden und die unfairen Kostenvergleiche hörenicht auf. Der neueste Clou zeigt sich bei der Begrün-ung für die Steigerung der Stromkosten für den Kun-en in diesem Jahr. Da werden die steigenden Kosten,ie die Stromanbieter den Kunden aufbürden, mit denegelungen im Bereich der erneuerbaren Energien be-ründet. Das ist wieder eine Milchmädchenrechnung,er man entgegentreten muss.Zur Erklärung möchte ich Folgendes sagen: Im letz-en Jahr haben die Stromversorger den Verbrauchern fürie erneuerbaren Energien Kosten in Rechnung gestellt,eren Höhe über den realen Ausgaben lag. Hierbeitützte man sich auf Prognosen. Das kann man so hin-ehmen, wenn diese Kosten in diesem Jahr verrechneterden und den Kunden gegebenenfalls Geld zurücker-tattet wird.
Stattdessen liegen für das Jahr 2004 Prognosen vor,ie wieder völlig überhöhte Kosten beinhalten. Die rea-istischen Kosten betragen 0,1 Cent pro Kilowattstunde.ie Versorger führen aber Erhöhungen von teilweise,8 Cent pro Kilowattstunde durch. Wer diesen Umstand
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Birgit Homburgermit dem Verweis auf die erneuerbaren Energien erklärt,der hat, wie ich finde, den Schuss nicht mehr gehört.
Hierbei handelt es sich also um eine achtmal so hoheRechnung. Übrigens, weitere Stufen der Ökosteuer ha-ben wir dieses Jahr auch nicht eingeführt. Also kanndiese Begründung für die Erhöhungen nicht richtig sein.Also, lieber Verbraucher, liegt diese deutliche Erhö-hung der Preise nicht an den erneuerbaren Energien. Ha-ken Sie bei Ihrem Stromanbieter genauer nach, wenn erdie Preise erhöht.Denken Sie daran, dass es richtig teuer wird, wennwir die Energiewende nicht konsequent fortsetzen unddem Klimawandel nicht entgegenwirken.
Wir sind dazu gewillt, aber wir brauchen die Unterstüt-zung aller.Danke und Glückauf!
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Peter Paziorek das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bülow, Sie ha-
ben gesagt, in der Energiepolitik müsse über das Jahr
2010 hinausgeschaut werden. Mir haben Sie vorgewor-
fen, dass meine Aussage, wir müssten im Jahre 2010
prüfen, welchen Beitrag die erneuerbaren Energien wei-
terhin leisten könnten, nicht den Grundanforderungen an
Energiepolitik entspricht.
– Das hat er sehr wohl so gesagt.
Klar ist: Wir brauchen in Deutschland ein Energie-
konzept, das belastbar ist und Schwerpunkte setzt: für
den Anteil von konventionellen, fossilen Energieträgern,
von Gaskraftwerken, von – dieser Ansicht sind wir – der
Kernenergie und von erneuerbaren Energien. Das alles
muss in Deutschland geleistet werden.
Ihre Regierung hat den Versuch gemacht, ein solches
Energiekonzept zu formulieren. Der frühere Wirtschafts-
minister Müller musste an einem parlamentarischen
Abend vor kurzem aber erklären, dass er leider dabei ge-
scheitert ist, ein solches Energiekonzept in der rot-grü-
nen Bundesregierung durchzusetzen.
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ch kritisiere, dass Sie es nicht schaffen, ein belastbares
nergiekonzept für die Energiepolitik insgesamt zu for-
ulieren, dass Sie aber ausgerechnet für den Teilbereich
er erneuerbaren Energien Ziele festsetzen wollen, die
is weit über das Jahr 2010 hinausgehen und bis 2020
der 2025 reichen. Man muss sich die Frage stellen: Wa-
um legen Sie ein solches Konzept nur für einen Teilbe-
eich und nicht für alle Bereiche der Energiepolitik vor?
ie wären glaubwürdiger, wenn Sie den Anteil der er-
euerbaren Energien in einem Gesamtkonzept zur Ener-
iepolitik ausweisen würden, das über das Jahr 2010 hi-
ausgeht.
Wir haben den Eindruck, Sie machen nur Klientelpo-
itik. Für die Brennstoffe, bei denen es wirklich span-
end wird, nämlich bei der Braunkohle und der Stein-
ohle – hier spielt auch die Frage der heimischen Kohle
nd der Importkohle eine Rolle –, schaffen Sie es nicht,
in Energiekonzept vorzulegen. Sie beschränken sich
ur auf einen einzigen Teilbereich, nämlich auf den Be-
eich der erneuerbaren Energien. Sie drücken sich vor
en Schularbeiten, die Sie tatsächlich zu leisten haben.
Kollege Bülow, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.
Das hätten Sie wohl gerne. Ich bin aber nicht sochnell sprachlos.Herr Kollege Paziorek, ich habe nicht gesagt, dass wirinsichtlich des Jahres 2010 keine Prüfung mehr unter-ehmen sollten. Ich habe nur festgestellt, dass es Zwi-chenschritte geben muss, um zu überprüfen, ob man aufem richtigen Weg ist. Man kann doch nicht so tun, alsb im Jahr 2010 die Zeit endet, sondern man muss überiesen Zeitpunkt hinaus Perspektiven haben.Darüber hinaus habe ich, wie ich denke, deutlich ge-acht, dass gerade in der Energiepolitik kleine Schritteicht reichen, sondern dass man mutig nach vorne gehenuss.
ie sieht die Realität in Deutschland aus? Der Anteiler erneuerbaren Energien an der Stromversorgung be-rägt mittlerweile 8 Prozent. Wir wollen bis zumahr 2010 einen Anteil von 12,5 Prozent erreichen. Sieaben gesagt, dass Sie hinter diesem Ziel stehen. Diesesiel geht also in Ordnung. Aber in der Zeit danach musss doch auch weitergehen, schließlich geht der Vorrat anossilen Brennstoffen dann zu Ende. Deswegen habenir uns zum Beispiel das Ziel gesetzt, dass im Jahr 2020
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7674 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004
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Marco Bülowder Anteil der erneuerbaren Energien 20 Prozent betra-gen soll. Das ist im Vergleich zu 12,5 Prozent keinegroße Steigerung mehr; vielleicht müsste man sich nochehrgeizigere Ziele setzen.Ich gebe Ihnen in dem Punkt Recht, dass wir ein um-fassendes Energiekonzept brauchen.
– Es ist schön, dass Sie mit uns einer Meinung sind.Dann werden wir gemeinsam intensiv daran arbeitenkönnen. – Hier sind wir auf dem Weg. Wir haben nunerst das Konzept für den Bereich der erneuerbarenEnergien vorgelegt. Wir haben auch Konzepte zu denanderen Bereichen erarbeitet, die heute aber nicht zurDiskussion stehen. Darüber werden wir zusammen dis-kutieren.Ihnen gefällt aber nicht, dass in unserem Konzept ge-schrieben steht, dass wir den Atomausstieg verfolgen.Die weitere Nutzung der Atomkraft bringen Sie immerwieder zur Sprache. Das wollen wir nicht. Die Nutzungder Atomkraft fehlt in unserem Energiekonzept. Dafürist unser Energiekonzept nachhaltig und reicht über dasJahr 2010 hinaus. Es ist aber nicht nur in dem Punktnachhaltig, dass wir festschreiben, dass wir den nachfol-genden Generationen keine Atomstrahlung und keineEndlager zumuten wollen. Es geht vielmehr darüber hi-naus und ist ein nachhaltiges Energiekonzept, das auchden nächsten Generationen dient. Dieses Ziel werdenwir erreichen.
Ich erteile das Wort Kollegen Georg Girisch, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Bülow, lassen Sie mich vorweg eines klar-stellen: Wir von der CDU/CSU-Fraktion sind nicht ge-gen das Erneuerbare-Energien-Gesetz;
das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Wir haben mit demStromeinspeisungsgesetz aus den 90er-Jahren das Fun-dament für das heutige EEG gelegt.
Wir haben unseren Willen in den vergangenen Wo-chen und Monaten nicht nur verlautbaren lassen, wie dieBundesregierung das in den vergangenen Monaten öftergetan hat. Wir haben nicht blockiert. Trotz des von unse-rer Seite schon oft beklagten Hauruck-Verfahrens bei derNovellierung des EEG haben wir kurz vor Weihnachtendem so genannten Photovoltaik-Vorschaltgesetz zuge-sirshdgEslhtStTvEgWkg1sdgezwbntwszimAvfWa
Für die Anlagenbetreiber, die Strom aus erneuerbarennergien ins Netz einspeisen, ist es wünschenswert undogar lebensnotwendig, dass baldmöglichst klare Rege-ungen geschaffen werden, damit sie Planungssicherheitaben. Es ist wichtig, in dieser Diskussion allen Beteilig-en Gehör zu verschaffen. Deshalb möchte ich an diesertelle auch auf den Fachkongress, den die Unionsfrak-ion am 28. Januar 2004 abhält, hinweisen. An diesemag wollen wir Vertreter der Wirtschaftsunternehmenerstärkt zu Wort kommen lassen.Lassen Sie mich zu den einzelnen Regelungen imntwurf der Regierungskoalition Stellung nehmen:Zu den Vorhaben im Bereich der Biomasse muss ichanz klar sagen: So nicht! Nicht mit uns!
ürde der Entwurf unverändert angenommen werden,önnte dies das Aus für die Biomasse bedeuten. Wir sindegen eine Verkürzung des Vergütungszeitraums auf5 Jahre und wir sind gegen eine Erhöhung der Degres-ion auf 2 Prozent. Der Vergütungszeitraum muss statt-essen auf 20 Jahre festgesetzt und die Degression mussesenkt werden. Gerade die Biomasse als Grundlasten-rgie stellt eine, wenn nicht sogar die Chance für dasweite Standbein der Landwirtschaft dar. Hier dürfenir den deutschen Landwirten keine Möglichkeiten ver-auen, die sie zur Existenzsicherung nutzen können.
In diesem Zusammenhang möchte ich eines erwäh-en: Ich sehe die Nutzung der Windkraft nicht gerade alsypischen Nebenerwerb eines Landwirtes an,
enngleich in den vergangenen Wochen wiederholt ver-ucht wurde, dies zu suggerieren. Ich sage ganz klar Jaur Biomasse, aber nicht zu diesem Entwurf; denn durchhn werden die Zukunftschancen im Bereich der Bio-asse zerstört.
Zur Windkraft, der wohl am heftigsten umstrittenenrt der Energieerzeugung, muss ich sagen: Durch denorliegenden Entwurf könnte eine bislang bestehendealsche Lenkungsfunktion durchaus beseitigt werden.ir wollen keine Förderung der erneuerbaren Energienn jedem Ort und wir wollen sie auch nicht um jeden
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004 7675
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Marco BülowPreis. Es muss klar sein, dass Windkraftanlagen anäußerst windungünstigen Standorten keine Berechtigunghaben.
Wir wollen die erneuerbaren Energien voranbringen undnicht Technologien an dafür nicht geeigneten Standortenfördern.
Fazit – das sage ich auch ganz deutlich –: Wir sagenJa zur Windkraft, aber nur dort, wo sie hingehört. Es gibtnun einmal nicht zu leugnende Unterschiede zwischennördlichen und südlichen Bundesländern. Diese müsseneinfach respektiert werden und sich im Sinne des vonuns geforderten Energiemix regional auch widerspie-geln. Nicht jede Energieart ist für jede Region geeignet.
Diese einfache Weisheit hat sich beispielsweise bei derPhotovoltaik schon längst durchgesetzt.
Wir sagen auch Ja zur Wasserkraft. Die Wasserkraftist die älteste Quelle der erneuerbaren Energien. Sie hatsich bestens bewährt und bietet auch heutzutage nocheiniges an Potenzial. Bewährtes sollte man auch in derPolitik nicht verändern.
Nach unserem Willen sollte bei den Regelungen zurWasserkraft im EEG deshalb alles beim Alten bleiben.Der Entwurf von Rot-Grün beinhaltet einige ökologi-sche Kriterien, die innerhalb des EEG allerdings system-fremd und somit fehl am Platze sind. Wenn sie nicht ge-strichen werden, so müssen sie zumindest mit denRegelungen der so genannten Wasserrahmenrichtlinieund den jeweiligen Bundes- und Landesgesetzen in Ein-klang gebracht werden, wobei ich anmerken möchte,dass die Regelungen der Wasserrahmenrichtlinie bereitseine enorme Einschränkung und auch Belastung für dieWasserkraft darstellen. Speziell für diesen Bereichmöchte ich anfügen, dass es bei den Investitionskostenkeinen Spielraum mehr gibt. Die Technologie auf demGebiet der Wasserkraft ist seit Jahren ausgereift und bie-tet eben keine Einsparmöglichkeiten mehr, wie dies zumBeispiel bei der Photovoltaik der Fall ist.Die im EEG bisher nur vorläufig aufgenommene sogenannte Härtefallregelung soll nun einen dauerhaftenPlatz im EEG finden. Allerdings sollen jetzt wesentlichmehr Unternehmen von dieser Regelung profitieren kön-nen. Die deutsche Wirtschaft muss leben und konkurrie-ren können. Wir können hier nicht noch zusätzliche Hür-den aufbauen, sodass es zu zusätzlichen Belastungenkommt, sondern wir müssen zusehen, dass wir im Inlandgute Arbeitsbedingungen zur Verfügung stellen.Wir werden die Diskussion zur Novelle des Erneuer-bare-Energien-Gesetzes jetzt beginnen. Fest steht aberbereits heute, dass sich alle Parteien – darauf haben Gottsei Dank alle Redner hingewiesen – einig sind, dass wirbis zum Jahr 2010 eine Verdoppelung des Anteils vonedrDWdesegdtMfwezKaBkMzzlnd1secdanfzWB
Ich erteile das Wort Kollegin Michaele Hustedt, Frak-
ion Bündnis 90/Die Grünen.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!it dem Emissionshandelsgesetz wird ein Instrumentür die Effizienzsteigerung beim Einsatz neuer Kraft-erke auf den Weg gebracht und mit dem EEG steht unsin Instrument zur Förderung der erneuerbaren Energienur Verfügung. Damit stehen zwei zentrale Säulen eineslimaschutzprogramms für die nächsten Jahrzehnte.Ich weiß, wie hart das Umweltministerium daran ge-rbeitet hat. Deswegen möchte ich Jürgen Trittin, Raineraake und den Mitarbeitern ausdrücklich für das dan-en, was sie geleistet haben.
it dem Emissionshandelsgesetz und dem EEG stehenwei zentrale Eckpunkte eines rot-grünen Energiekon-eptes. Der Umweltminister hat zusammen mit dem Vor-egen des Allokationsplanes seinen Teil für ein rot-grü-es Energiekonzept beigetragen.Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation hater von Menschen gemachte Treibhauseffekt 2002 schon50 000 Tote gefordert. Daran wird deutlich: Klima-chutz ist kein grüner oder rot-grüner Luxus, sondernine dringend notwendige Vorsorge. Dies ist kein wei-hes, sondern ein hartes Thema. Dieses Thema geht je-en an.
Wir reden aktuell über Innovationen. Wir müssen dienstehenden Möglichkeiten zur Innovation als Chanceutzen, um Deutschland mit Technikvielfalt zum Schau-enster für den Export zu machen. Wir brauchen effi-ientere fossile Kraftwerke. Wir müssen Sonnen- undindenergie, Erdwärme, Biomasse, Meeresenergie,rennstoffzellen und BHKWs stärker als bisher nutzen.
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7676 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004
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Michaele HustedtWir brauchen eine Vielfalt der Technologien in Deutsch-land. Die nun vorliegenden Instrumente werden den Ein-satz dieser Technologien vorantreiben.
Das Fraunhofer-Institut hat die dezentralen Energie-erzeugungsanlagen mit den intelligenten Netzen und denvirtuellen Kraftwerken als die zentrale Leitinnovationbezeichnet. Diese können zu einem Motor für weltweiteInnovation mit Deutschland als Zentrum werden. Ichwürde mich freuen, wenn auch die Opposition diesenWeg mitgehen würde.Das EEG ist deswegen auch ein Innovationsinstru-ment. Wir sind mit der Vorlage aus dem BMU außeror-dentlich zufrieden. Aber ich möchte einige Punkte nen-nen, bei denen wir noch genauer hinschauen müssen.Erster Punkt. Wir wollen den weiteren Ausbau derWindkraft auch im Binnenland. Dabei müssen wir prü-fen, ob dies mit dem vorliegenden Gesetz gewährleistetwird. Zweiter Punkt. Wir wollen, dass auch die KleineWasserkraft in Deutschland ausgebaut werden kann.Auch hier müssen wir sehen, ob dies mit dem Gesetzmöglich ist.
Dritter Punkt. Wir wollen bei der Biomasse – das kannich Ihnen schon jetzt zusagen – deutlich nachbessern.
Wenn wir das machen, dann hoffe ich, dass wir auch dieCDU/CSU mit ins Boot holen können, sodass wir dasEEG gemeinsam auf den Weg bringen.Abschließend möchte ich sagen: Viele von Ihnen wa-ren neulich auf dem Parlamentarischen Abend von BP,Aral, Shell, VW und Daimler-Chrysler. Diese Firmen,die nun wahrlich keine Anhänger der Grünen sind, ha-ben mit großem Engagement erklärt: Deutschland mussbeim Klimaschutz Vorreiter sein, Deutschland mussschrittweise vom Öl wegkommen und auf Biokraftstoffeumsteigen. – Ich fand das unheimlich ermutigend undhabe das als eine Herausforderung an die Politik gese-hen, gemeinsam mit diesen Firmen diesen Weg zu ge-hen. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Stromkon-zerne eine ähnliche Bereitschaft zeigen, in die Zukunftzu schauen und die Herausforderungen des Klimaschut-zes anzunehmen, wie diese Firmen.Danke schön.
Ich erteile das Wort Kollegin Marie-Luise Dött, CDU/
CSU-Fraktion.
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iese Problematik wollen Sie hier in ganzen 75 Mi-uten, die zur Hälfte auch noch für die EEG-Lesungestimmt sind, über das Parkett bringen. Diese unbe-ründete Eile, die sich durch das gesamte Gesetz-ebungsverfahren zum Emissionshandel zieht, gehtand in Hand mit der mangelhaften Informationspolitikhres Hauses, Herr Trittin.
as Ergebnis haben wir heute auf dem Tisch und das istn der Folge nur konsequent. Der Gesetzentwurf, den Siens vorgelegt haben, ist sowohl inhaltlich als auch for-al absolut unzureichend. Man muss sich beim Lesenes TEHG schon auf die Suche nach den Inhalten ma-hen. Zunächst stellt sich doch die Frage, wo der An-endungsbereich liegt, der über bereits bestehendeesetze wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz hi-ausgeht.
icher, das Gesetz schreibt vor, dass die Freisetzung vonreibhausgasen jetzt einer Genehmigung bedarf. Aberst das tatsächlich etwas Neues? Die Freisetzung vonreibhausgasen, so erklärt uns das TEHG, ist eine Tätig-eit, die schon dem Bundes-Immissionsschutzgesetz un-erliegt – Betrieb von genehmigungsbedürftigen Anla-en. Wo also ist der eigenständige Regelungsgehalt der§ 4 und 5 und in welchem Verhältnis steht die Emis-ionsgenehmigung des TEHG zu der bestehenden Ge-ehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz?Auch dazu, nach welchen Regeln die Emissionszer-ifikate verteilt werden sollen, schweigt sich das TEHGus. Es trifft keine Aussage zur Kostenpflichtigkeit deruteilung. Es trifft keine abschließende Aussage zu Ban-ing und Borrowing. Auch die für die neuen Bundeslän-er vordringliche Frage, ob und wie Vorleistungen an-rkannt werden – Stichwort: Early Actions –, ist nichteklärt.
uch ob und wie die notwendigen Rückstellungen füren Atomausstieg und für wirtschaftlichen Aufschwungetätigt werden, bleibt im Bereich der Spekulation.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004 7677
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Marie-Luise Dött
Die Gesamtheit der essenziellen Fragen wurde im TEHGausgespart und dem Nationalen Allokationsplan vorbe-halten. Dass der parlamentarische Gesetzgeber an derAufstellung der Regeln der Allokation beteiligt werdenmuss, haben Sie inzwischen Gott sei Dank erkannt, HerrTrittin. An der Rechtmäßigkeit des von Ihnen vorge-schlagenen Weges bleibt jedoch nach wie vor ein erheb-licher Zweifel.
Nach Ihrem Willen soll der Nationale Allokationsplanzunächst vom Bundesumweltministerium als Plan be-schlossen, der EU-Kommission vorgelegt und im Bun-desanzeiger veröffentlicht werden.
Erst danach soll dann dieser Plan als Grundlage für einGesetz über den Nationalen Allokationsplan dienen.Bleibt denn dann noch Platz für eine wirkliche inhalt-liche Beratung der Allokationsregeln im Parlament odersoll das Parlament Ihren Plan nur noch abnicken unddurchwinken? Ich denke, bei dieser Konstellation be-steht die Gefahr, dass die Entscheidung der Parlamenta-rier durch das vorgelegte Planungsverfahren in großemUmfang präjudiziert wird.
Das Einzige, was in Ihrem Entwurf zum TEHG wirk-lich erkennbar ist, ist ein erheblicher Zuwachs an Büro-kratie.
Auf die teilnehmenden Unternehmen kommt ein bunterStrauß an zusätzlichem administrativen Aufwand hinzu:Genehmigungen, Anträge, Sachverständigengutachten,Nachweise, Bilanzierungen und Prüfberichte, um nur ei-niges zu nennen. Die Kosten hierfür wie auch für denAufbau neuer behördlicher Strukturen wollen Sie voll-ständig auf die Unternehmer abwälzen.
– Das ist ein sehr schöner Zwischenruf, Herr Kelber.Noch im vergangenen Jahr hat sich die Bundesregie-rung mit der Aussage geschmückt, Kompetenz in Sa-chen Bürokratieabbau zu verkörpern. BundesministerClement hat damals seinen Masterplan Bürokratieabbauvorgestellt. Nach meinem Verständnis sollte dieser füralle Ressorts Gültigkeit haben. Nach einigen MonatenwUvzäsTsvuAs3grrgUSelFvWnkgübv
Unter formalen Gesichtspunkten stellt sich Ihr TEHGhnlich schwach dar wie unter inhaltlichen. So findenich beispielsweise Zirkelschlüsse. Die Freisetzung vonreibhausgasen wird – wenn man die §§ 2 bis 4 im Zu-ammenhang liest – schlussendlich mit der Freisetzungon Treibhausgasen definiert.Auch Doppelregelungen finden sich wieder. So bleibtnklar, nach welcher Norm der Anlagenbetreiber dienzahl Zertifikate zurückzugeben hat, die seinen Emis-ionen entspricht: nach § 6 TEHG oder nach § 2 der4. Bundes-Immissionsschutzverordnung? Die Rück-abe ist an beiden Stellen geregelt.Dass sich Ihr Ministerium selber auch noch nichtichtig schlüssig ist, wie es diesen Gesetzentwurf erklä-en soll, wird in der Gesetzesbegründung deutlich. Oderibt es eine andere Erklärung für den folgenden verbalennsinn? Ich zitiere aus der Begründung zu § 4:Im Hinblick auf eine Verzahnung von Emissions-handelsrecht und Immissionsschutzrecht werdendie diese Genehmigungspflicht umsetzenden Re-gelungen für die derzeit in den Anwendungsbereichdes Gesetzes fallenden Tätigkeiten Anlagen,ausschließlich der Betrieb von nach dem Bundes-immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigeAnlage, ausschließlich im Rahmen des Bundesim-missionsschutzrechts getroffen.Der Nachbesserungsbedarf ist überdeutlich. Legenie uns einen Gesetzentwurf vor, Herr Trittin, der zuminen tatsächlich etwas regelt und der zum anderen be-astbar ist! Dann können wir in die Beratungen eintreten.
Ich erteile dem Kollegen Dr. Hermann Scheer, SPD-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevorielleicht ein weiterer Redner der Union an dem gutenillen seiner Fraktion zweifeln lässt, möchte ich auf ei-ige Punkte in dieser Debatte aus meiner Sicht eingehen.Wir sollten bei dem Erneuerbare-Energien-Gesetzeine Angst vor der eigenen Courage haben. In den ver-angenen beiden Jahren waren Steigerungsraten vonber 1 Prozent im Jahr zu verzeichnen. Derzeit sindereits 8,5 Prozent erreicht worden; bis 2010 werden esoraussichtlich 14 bis 15 Prozent sein, sofern kein
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7678 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004
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Marie-Luise DöttKurswechsel in der Politik erfolgt. Einen solchen Kurs-wechsel beabsichtigen wir jedoch nicht, im Gegenteil.
Das bedeutet: Zwischen 2000 und 2010 würde die Stei-gerungsrate insgesamt mehr als 10 Prozent betragen.Wer meint, Herr Kollege Paziorek, dass die im Gesetz-entwurf für den Zeitraum 2010 und 2020 vorgesehenen7,5 Prozent ein überdimensioniertes Ziel auf dem Etap-penweg hin zur großen, historisch notwendigen Ener-giewende seien, dem ist entgegenzuhalten, dass es– wenn wir die Relation im Blick behalten – realistischerist, dass bei Fortführung unseres Kurses, den wir hof-fentlich gemeinsam verfolgen werden, bis zumJahr 2020 25 bis 30 Prozent erreicht sein könnten. Daswäre für alle Beteiligten positiv.
Das EEG geht wie sein Vorgänger, das Stromeinspei-sungsgesetz, auf eine Initiative des Parlaments zurück.Wir haben es jetzt erstmals mit einem Regierungsent-wurf zu tun. Es kann sicherlich nicht überraschen, wennvonseiten des Parlaments Verbesserungsvorschlägekommen. Es wird auch nicht überraschen, wenn einigees möglicherweise verwässern wollen; aber die heutigeDebatte hat nicht den Anschein erweckt.Auch ich befürworte selbstverständlich einige Ver-besserungsvorschläge, die unter anderem den BereichKleinwasserkraft betreffen. Es ist nicht einsehbar, wa-rum – das wäre die Folge der Verabschiedung des jetzi-gen Gesetzentwurfs – die Kleinwasserkraft praktischzum Stillstand kommen soll.
Es ist auch nicht einsehbar – das mag der Union, ge-messen an den heutigen Reden, vielleicht etwas wenigergefallen –, warum der Ausbau der Windenergienut-zung im Binnenland gebremst werden soll. Die Fixie-rung auf Offshore in der öffentlichen Debatte ist proble-matisch. Offshore-Windenergieanlagen können teurerwerden als Windenergie im Binnenland. Niemand kanndas gegenwärtig argumentativ widerlegen. Wir haben er-hebliche Möglichkeiten, die Windenergie im Binnenlandweiter auszubauen. Das ist auch notwendig und wahr-scheinlich kosteneffektiver.Wir dürfen hinsichtlich der Kosteneffektivität nichtnur die Kosten der Anlagen betrachten. Dazu gehörennoch sehr viele andere Faktoren. Wenn man auch nochan das Repowering denkt, dann weiß man: Windenergieim Binnenland hat in der Perspektive ein enormes Poten-zial; wir sollten das nicht kleinreden. Wir sollten in die-ser Beziehung auch nicht mit dem Naturschutz argumen-tieren.
Nach dem neuen Naturschutzgesetz sind erneuerbareEnergien aktiver Bestandteil des Naturschutzes, undzUswEwDmewhhRskoesBAnrdcgbbtWstwwübdwwheuphldDalgwP
Damit komme ich zum Thema Transparenz. Wirrauchen bei den tatsächlichen Mehrkosten für erneuer-are Energien – sie werden von der Gesellschaft akzep-iert – Transparenz. Deswegen entspricht es meinerunschvorstellung, dass in jeder Stromrechnung die tat-ächlich ermittelten, nicht die denunziatorisch behaupte-en Mehrkosten der erneuerbaren Energien offenkundigerden und für jeden einsichtig sind. Auf diesem Wegeürde sich eine sehr viel maßstabsgerechtere Debatteber die Mehrkosten, die deutlich niedriger sind als oftehauptet wird, ergeben. Ich glaube, diese Kosten wer-en von der Allgemeinheit akzeptiert, weil sie sehr vieleiter denkt als viele Interessenvertreter der Energie-irtschaft, die nur ihre eigenen Strukturen und deren Er-altung im Auge haben.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Ich halte es fürine parlamentarische Selbstverständlichkeit – es gehtm das Prinzip –, dass das, was wir im Gesetzgebungs-rozess behandeln sollen – das gilt auch für das Treib-ausgas-Emissionshandelsgesetz –, dem Parlament vor-iegen muss, bevor der EU-Kommissar seine Prüfungenazu vornimmt.enn de facto ist damit – das habe ich schon bei vielennderen Gesetzen erlebt – eine Vorentscheidung gefal-en. Es wird sehr schwer sein, im Nachhinein Änderun-en vorzunehmen. Es besteht die Gefahr, dass dann,enn wir später Korrekturen anbringen, nochmaligerüfungen notwendig sind.
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Herr Kollege Scheer, Sie müssen zum Ende kommen.
Das Parlament hat aber immer das Recht, Korrekturen
vorzunehmen. Wir sollten aus prinzipiellen Gründen den
Parlamentsvorbehalt, wie immer man zu den einzelnen
Regelungen steht, von niemandem infrage stellen lassen.
Danke schön.
Ich erteile das Wort Kollegen Dr. Joachim Pfeiffer,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Es ist wirklich schizophren. Einerseits reden Sievon der Regierung und von Rot-Grün gebetsmühlenartigvon Innovationsoffensiven und davon, dass der Auf-schwung vor der Tür stehe, starten Sie Wachstumsoffen-siven und veranstalten Innovationsgipfel. Andererseitsunternehmen Sie wirklich alles, um die Rahmenbedin-gungen für Innovation und Wachstum zu verschlechtern,statt sie zu verbessern. Was erreichen Sie mit Ihrer Poli-tik? – Sie zerstören Wachstum!Erstes Beispiel: Telekommunikation. GesternMorgen ging es in diesem Hause um eine potenzielleWachstumsbranche, die Telekommunikation. Statt mehrWettbewerb, Wachstum und Innovation in der Telekom-munikation zu schaffen, legen Sie den Entwurf eines Ge-setzes vor, das Verbraucher und Unternehmer mit admi-nistrativen Mehrkosten und Abgaben belastet, das keineRechts- und Planungssicherheit für Investitionen undArbeitsplätze schafft und das neue Marktanbieter be-nachteiligt. Was ist das Ergebnis? Sie zerstören Wachs-tum!Zweites Beispiel: die Härtefallregelung des Erneu-erbare-Energien-Gesetzes. Mit dieser Regelung versu-chen Sie, Härten abzumildern. Aber was bedeutet dies inder Praxis zum Beispiel für ein mittelständisches Unter-nehmen, das in Deutschland im Bereich der Elektrolysetätig ist? Zukünftig wird es gegenüber seinen europäi-schen Wettbewerbern extrem benachteiligt sein. Wäh-rend der unmittelbare Konkurrent in den Niederlanden inSumme maximal 65 000 Euro an Energiesteuern zahlt,beläuft sich die durchschnittliche Belastung in Deutsch-land, die sich aus dem EEG ergibt, auf rund 500 000 Euro.Das heißt, die Belastung in Deutschland ist um das Acht-fache höher, und das bereits unter Berücksichtigung derneuen Härtefallklausel. Das ist kein Sonderfall. Im Ver-gleich zu anderen europäischen Ländern verhält es sichähnlich. Dieses Unternehmen ist in Deutschland nichtmehr wettbewerbsfähig. Was ist das Ergebnis? – Sie zer-stören Wachstum!kuAtsgiKMn5lPUdsDrR7ClSptzPnpnlSsWnedkgTPbridhspg
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7680 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004
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Wir sind der Meinung, dass das jährliche Vergü-tungsvolumen beim EEG auf eine Größenordnung von4 bis 4,5 Milliarden Euro zu begrenzen ist. Bei Erreichendes Verdoppelungsziels oder bei Überschreiten des vor-gegebenen maximalen Vergütungsvolumens soll die För-derung für neue Anlagen abbrechen.Wie bereits von den Vorrednern angesprochen, schla-gen wir darüber hinaus ein differenziertes Vorgehen inden einzelnen Sektoren vor. Im Onshorebereich gilt es,vor allem Wirtschaftlichkeit und Landschaftsschutz zuberücksichtigen. Im Offshorebereich, einem völligneuen Geschäftsfeld, wollen wir eine Ausschreibung. Eshandelt sich um ein industrielles Großprojekt, bei demdie installierte Leistung auszuschreiben ist.Wir wollen, dass der Klimaschutz marktkonform undeffizient erfolgt. Maßstab muss dabei die Kostenwirk-samkeit sein. Das heißt, bereits jetzt müssen die fle-xiblen Instrumente – Joint Implementation und CleanDevelopment Mechanism – einbezogen werden. Da-rüber hinaus ist die Bürokratie auf ein Minimum zu re-duzieren. Ebenso ist die Verzahnung mit anderen Instru-menten im Umweltrecht wie der Ökosteuer zuverbessern bzw. überhaupt erst vorzunehmen.Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Re-gierung und von Rot-Grün, von der zukünftigen Opposi-tion,
nutzen Sie die Anhörungen und Beratungen in den Aus-schüssen bis zur Beschlussfassung! Zerstören Sie nichtWachstum, sondern nehmen Sie in den anstehenden Be-ratungen im Interesse der Bürger und der Wirtschaft indiesem Land unsere Anregungen und Vorschläge auf!Nur so schaffen wir Wachstum.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Hermann Scheer das Wort.
Ich möchte nur auf eine Bemerkung des Kollegen
Pfeiffer Bezug nehmen.
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Kollege Pfeiffer, Sie haben das Wort.
Lieber Herr Scheer, ich habe überhaupt nichts zurück-unehmen.
ch habe Ihnen nicht vorgeworfen, dass Sie bezahlt wer-en; das haben Sie hier in die Diskussion eingeführt. Of-ensichtlich – getroffene Hunde bellen – müssen Sie sichechtfertigen. Ich habe nicht behauptet, dass Sie finanzi-ll abhängig sind.
ie sorgen ja in der Tat auch dafür, dass in der Lokal-resse, wo dies immer wieder angesprochen wird
ich habe es nicht angesprochen –, entsprechende Ge-endarstellungen abgedruckt werden. Ich habe mich anolchen Diskussionen weder dort noch hier beteiligt. Dasissen Sie.Aber Sie werden doch nicht bestreiten wollen, dassie als Präsident von Eurosolar und als Vorsitzender di-erser Beiräte von Organisationen, die intensiv und aufas Engste mit erneuerbaren Energien verknüpft sindnd sich zum Teil ausschließlich auf diesem Gebiet
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004 7681
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Dr. Hermann Scheerbetätigen, ein Interessenvertreter erneuerbarer Energiensind. Es wäre absurd, wenn Sie das bestreiten wollten.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzes-
entwürfe auf den Drucksachen 15/2327 und 15/2328 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor-
geschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a bis 18 c auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Förderung der Ausbildung
und Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen
– Drucksache 15/1783 –
– Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Förderung der Ausbil-
dung und Beschäftigung schwerbehinder-
ter Menschen
– Drucksache 15/2318 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Gesundheit und Soziale Siche-
rung
– Drucksache 15/2357 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Hubert Hüppe
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Gesundheit und So-
ziale Sicherung zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung nach § 160 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch
über die Beschäftigungssituation schwerbehin-
derter Menschen
– Drucksachen 15/1295, 15/1546 Nr. 1.3, 15/2357 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Hubert Hüppe
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Brunhilde Irber, Annette Faße, Renate
Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der
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as haben wir auch den vielen Initiativen von Wohl-ahrts- und Behindertenverbänden, Gewerkschaften undrbeitgebern zu verdanken, die sich hier wirklich überlle Maßen engagiert haben.Viele von uns haben auch an Aktivitäten teilgenom-en. Ich selbst habe Tagungen bei der Metro Group under VWAG besucht, wo ich beispielhafte Projekte deruten Zusammenarbeit von Wirtschaft und Arbeit vonewerkschaften, Belegschaftsvertretungen und Schwer-ehindertenvertretungen sehen konnte. Ich denke auchn die Besuche in Rehabilitationseinrichtungen underkstätten, wo durch das Engagement aller Beteiligtenenschen mit Schwerbehinderungen ein guter Weg inrbeit und Beschäftigung geebnet wird. Mit dieser Ar-eit für Menschen mit Behinderung werden unschätz-are Beiträge zur Integration geleistet und hervorra-ende Beispiele für den lebendigen Sozialstaat gegeben.llen, die bei diesen vielfältigen Aktivitäten mitgewirktaben, gebührt, wie ich denke, von dieser Stelle aus einroßes Dankeschön.
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Parl. Staatssekretär Franz ThönnesTeilhabe, Chancengleichheit, das Recht auf ein selbst-bestimmtes Leben – das sind Ziele, die sich diese Bun-desregierung für ihre Behindertenpolitik gesetzt hat.Dazu gehört auch, dass behinderten Menschen verbes-serte Chancen auf dem Arbeitsmarkt gegeben werdenmüssen. Sie fordern zu Recht: Wir wollen, dass nichtmehr über uns, sondern mit uns entschieden wird. Siewollen ihr Leben in freier Selbstbestimmung gestaltenund gleichberechtigt wie andere an der Gesellschaft teil-haben. Das können sie aber nur, wenn sie eine Arbeitfinden, mit der sie ihren Lebensunterhalt aus eigenerKraft bestreiten können. Denn wer arbeitet, ist unabhän-gig von staatlicher Hilfe; wer arbeitet, nutzt und entwi-ckelt seine Fähigkeiten, findet Anerkennung und damitauch seinen Platz in der Gesellschaft.Die uneingeschränkte Teilhabe behinderter Menschenan Arbeit und Ausbildung muss daher oberstes Ziel derBehindertenpolitik sein. Dieses Ziel können wir nur ge-meinsam mit den Behinderten und mit den Unternehmenerreichen.
Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der ArbeitslosigkeitSchwerbehinderter haben wir in der letzten Legislatur-periode einen sehr guten Grundstein für die Verwirk-lichung dieses Ziels gelegt. Es ist dank gemeinsamerAnstrengungen von Wirtschaft, von Gewerkschaften,von Verbänden, von Schwerbehindertenvertretungenund den Belegschaftsvertretungen in den Betrieben ge-lungen, die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Men-schen binnen dreier Jahre um 24 Prozent zu senken.
Wir müssen allerdings ehrlich sagen: Die konjunk-turelle Entwicklung und die Lage auf dem Arbeitsmarkthaben dieses gute Ergebnis zwischenzeitlich wieder er-heblich geschmälert. Umso mehr war es für uns An-sporn, diese Entwicklung mit einer neuen Gesetzesinitia-tive wieder umzukehren. Es ist noch immer so, dass einDrittel der beschäftigungspflichtigen Unternehmen inDeutschland keinen einzigen Schwerbehinderten be-schäftigt. Das kann so nicht weitergehen.
Mit dem neuen Gesetz zur Förderung der Ausbildungund Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wollenwir Arbeitgeber motivieren, mehr Menschen mit Behin-derungen einzustellen. Ich war über die weitgehend inguter Übereinstimmung stattfindenden Beratungen imAusschuss sehr erfreut. Ich hoffe auch, dass die CDU/CSU-Fraktion ihre Position noch einmal überdenkt, sichdem breiten Votum von SPD, Bündnis 90/Die Grünenund FDP anschließt und zu einer gemeinsamen gutenBeschlussfassung beiträgt, statt Nein zu sagen, wie es imAusschuss geschehen ist. Manche Punkte sind aufge-nommen worden; andere, auf denen Sie noch beharren,sind nicht einmal von der Ländermehrheit im Bundesratunterstützt worden. Es wäre wirklich ein gutes Signal,wcslswMWPbgddBüebedNnwdslsmglfsVsdVHmbdmdhlgsrsAAu
Ein wichtiger Schwerpunkt des Gesetzes ist die Rege-ung, dass, wo in Unternehmen mit mindestens 100 Be-chäftigten Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellterden, 5 Prozent dieser Ausbildungsplätze für jungeenschen mit Behinderung angeboten werden sollen.ir glauben, dass es ganz wichtig ist, gerade diesemersonenkreis zusätzliche Chancen zu geben. Ein Aus-ildungsplatz ist entscheidend für die Entwicklung jun-er Menschen, behinderter wie nicht behinderter. Sieürfen nicht das Gefühl haben, nicht gebraucht zu wer-en. Deshalb muss die Ausbildungsbereitschaft in denetrieben erhöht werden.Möglichst viele Jugendliche sollen, wenn sie sich inberbetrieblicher Ausbildung befinden, zum Beispiel ininem Berufsbildungswerk, in Zukunft Teile ihrer Aus-ildung in den Betrieben absolvieren. Im Jahr 2000 gabs circa 1,1 Millionen Plätze, auf denen schwerbehin-erte Jugendliche hätten ausgebildet werden können.ur rund 5 300 wurden tatsächlich ausgebildet; das istur ein Bruchteil. Auch diese Situation darf sich so nichteiterentwickeln. Wenn junge Menschen in Deutschlandie Schule beenden, dann darf ihnen die Tür zum Ein-tieg in das Beschäftigungsleben, in das Wirtschafts-eben nicht vor der Nase zugeschlagen werden!
Weiterhin haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Be-chäftigung behinderter Menschen in kleinen undittleren Betrieben zu verbessern. Häufig finden wirerade in diesen Betrieben bei den Arbeitgebern erheb-iche Informationslücken. Oft ist das auch der Grund fürehlende Beschäftigungsbereitschaft. Vielen Betriebenind die Förderinstrumente nicht hinreichend bekannt.iele wissen nicht, welcher Träger für die Leistung zu-tändig ist. Hier sollen in Zukunft die Integrationsfach-ienste als Hauptansprechpartner für die Arbeitgeber zurerfügung stehen und stärker in einer Verzahnung mitandwerkskammern und Industrie- und Handelskam-ern daran mitwirken, dass der Informationsfluss ver-essert wird und die Menschen eher Beschäftigung fin-en können.Wir wissen, dass die Entwicklung der Beschäftigungs-öglichkeiten für Menschen mit Behinderung auch voner allgemeinen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ab-ängt. Aber die Einstellung hängt auch von der Einstel-ung ab, und zwar von der Einstellung im Kopf. Auch daibt es viel zu tun, um, wie wir es mit unserem Gleich-tellungsgesetz vorgesehen haben, Barrierefreiheit zu er-eichen, und zwar im Denken und im Handeln, im Zu-ammenarbeiten und Zusammenleben mit Behinderten.uch hier muss sich in den Betrieben einiges ändern.Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz undrbeitsmedizin aus dem Jahre 1998 zeigt: Körperlichend seelische Belastungen in der Arbeitswelt führen in
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Parl. Staatssekretär Franz ThönnesDeutschland zu direkten und indirekten Krankenkostenvon mehr als 50 Milliarden Euro. Dabei könnte einGroßteil der Arbeitsunfähigkeit durch betrieblichen Ar-beitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung ver-mieden werden.Deshalb ist die betriebliche Prävention ein weitererSchwerpunkt unseres neuen Gesetzes. „Rehabilitationstatt Entlassung“, das muss das Motto sein. Hierzu wol-len wir ein umfassendes Eingliederungsmanagement inden Betrieben vorsehen. Denn viele Abgänge in die Ar-beitslosigkeit erfolgen noch immer aus Krankheitsgrün-den. Auch werden die Integrationsämter vor einer Kün-digung noch zu wenig eingeschaltet. Hier müssenrechtzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden. DieIntegrationsvereinbarung kann hierbei eine wichtigeRolle spielen; auch sie muss gestärkt werden. Wir wol-len die Situation auch durch zusätzliche Prämien für dieUnternehmen verbessern. Sie sollen Mittel aus dem Aus-gleichsfonds erhalten können. Darüber hinaus sollenModellprojekte geschaffen werden.Wir wollen aber auch die Rechte der Schwerbehin-dertenvertretung verbessern. Diese Vertretung mussvon den Arbeitgebern als ein ernst zu nehmendes Mit-wirkungsinstrument in den Betrieben begriffen werden.Deswegen werden wir die Voraussetzungen für die Ein-beziehung der Stellvertreterinnen und Stellvertreter ver-bessern.Wir werden auch dafür sorgen, dass die Bußgelder andie Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes an-geglichen werden. Eine Erhöhung der möglichen Geld-buße von 2 500 auf 10 000 Euro wird mit dazu beitra-gen, dass die Arbeitgeber, die ihren Informations- undAnhörungspflichten gegenüber der Schwerbehinderten-vertretung nicht im Sinne des Gesetzes nachkommen, ihrVerhalten überdenken werden und die Zusammenarbeitso suchen, wie sie in der Mehrzahl der Betriebe inDeutschland heute schon stattfindet.
Verantwortung und Pflichten gehören zusammen. Wirerleichtern Verantwortung durch ein Stück Entbürokrati-sierung in einigen Bereichen der Vorschriften, durch ver-besserte Förderungen und auch dadurch, dass wir dieBeschäftigungspflichtquote bei 5 Prozent gesetzlichfestschreiben. Auch dies wird Teilhabe und Mitwirkungverbessern.Werte Kolleginnen und Kollegen, natürlich kommt esdarauf an, die gesamten Bedingungen für Arbeit, Wohl-stand und Fortschritt zu verbessern. Das ist der Prozessder Agenda 2010. Aber gerade die Integration von Men-schen mit Behinderung in Arbeit sollte den lebendigenund den aktivierenden Sozialstaat erfahrbar machen.Lassen Sie uns daher heute mit einer breiten Mehrheit indiesem Haus den Startschuss für eine weitere Verbesse-rung der Ausbildungs- und Beschäftigungschancen vonMenschen mit Behinderung in Deutschland geben.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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In dieser Pressemitteilung wurde als ein Schwerpunktenannt, „die Gesundheitsleistung für chronisch Krankend für Behinderte zu verbessern“. Ich möchte an diesertelle gar nicht näher ausführen, was die Regelungen desesundheitssystemmodernisierungsgesetzes seit dem. Januar dieses Jahres gerade für die Behinderten undür die chronisch Kranken bedeuten.
as gesetzte Ziel ist jedenfalls konterkariert worden.
Wir beraten heute über den Gesetzentwurf der Bun-esregierung zur Förderung der Ausbildung und Be-chäftigung schwerbehinderter Menschen. Ich sage ganzeutlich: Dieses Thema eignet sich nicht für gegensei-ige Unterstellungen. Dafür stehen viel zu viele Einzel-chicksale auf dem Spiel. Ziel für uns alle muss es dochein, dass die Rahmenbedingungen für Menschen mitehinderung in Beschäftigung und Ausbildung merklichesser werden.
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Daniel Bahr
Wir stimmen dem Gesetzentwurf und den Änderungs-anträgen zu, weil wir der Meinung sind, dass das Gesetzeine Verbesserung für die Betroffenen mit sich bringt.
Es ist zwar mehr nötig; aber auch kleine Verbesserungensind Verbesserungen.Mit dem In-Kraft-Treten des SGB IX vom 1. Juli2001 ist es gelungen, einen wegweisenden Richtungs-wechsel in der Behindertenpolitik zu vollziehen. Erst-mals ist die Förderung der Eigenkompetenz und Selbst-verantwortung der behinderten Menschen klares Zielund Aufgabe des neuen Rechts. Es geht nicht mehr umFürsorge, sondern um Hilfe zur Selbsthilfe. Wir unter-stützen dies nachdrücklich.
Wir hätten uns allerdings bei der Erstellung diesesGesetzentwurfs weniger Fehler gewünscht. Dann wärenauch nicht so viele Änderungsanträge vonnöten gewe-sen. Die Anhörung hat uns in der Auffassung bestätigt,dass der Gesetzentwurf noch einen erheblichen Nach-besserungsbedarf hatte. Deswegen waren, wie gesagt,viele Änderungsanträge nötig. Daher ist es gut, dass wirsie berücksichtigt haben.Ausdrücklich begrüßen wir die Festschreibung derBeschäftigungspflichtquote auf 5 Prozent bis Juni2007. Das schafft Planungssicherheit in den Betrieben.Ich glaube, da sind wir uns alle in diesem Hause einig.Ich darf an dieser Stelle aus einer Stellungnahme desSozialverbandes VdK zitieren:Durch eine ... Anhebung würde, wie alle bisherigenErfahrungen beweisen, die Beschäftigungssituationbehinderter Menschen nicht verbessert.
Stattdessen würden die ... positiven Rahmenbedin-gungen des SGB IX empfindlich gestört, da die Ar-beitgeber dies als kollektive, ungerechte Strafeempfinden.Der VdK, die Koalitionsparteien und auch andereVerbände schließen sich damit der langjährigen Positionder FDP an.
Wir begrüßen dies nachdrücklich und wollen auch inanderen Bereichen Initiativen starten. Die betrieblichePraxis zeigt nämlich, dass vor Ort durch eine enge Zu-sammenarbeit der Unternehmensleitung, der Schwerbe-hindertenvertretung, des Betriebsrates und der Sozial-verbände größere Verbesserungen erzielt werden könnenals durch regulierende Gesetzentwürfe, durch Vorgabenvon oben.
Beispielsweise konnte durch eine kontinuierlicheSchulung von Führungskräften und Arbeitnehmervertre-tern innerhalb von vier Jahren bei der Real SB Waren-hfndudigwhdhnBgssslrdbsmdzelsnLlDLsgnpwsdbsriAkMSbrMz
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Aber es muss doch unser gemeinsames Ziel sein, uns zu-nächst Gedanken darüber zu machen, wie im alltägli-chen Leben, beim Gang zur Arbeit und beim Einkaufen,Barrierefreiheit gewährleistet wird, bevor wir uns alsSchwerpunkt um Naturerlebnisse Gedanken machen.
Natürlich muss es auch darum gehen, den Tourismus inDeutschland barrierefrei zu gestalten. Aber unser erstesInteresse muss sein, uns für Barrierefreiheit im Alltag zuengagieren. Wir können uns überall ein Bild davon ma-chen, dass dies leider noch nicht erreicht ist.Im Sinne der Menschen mit Behinderungen dürfenwir nicht nachlassen, für die Verbesserung ihrer Lebens-situation zu kämpfen. Ich hoffe, dass wir in diesemPunkt gemeinsam nach praxistauglichen und vernünfti-gen Regelungen suchen können. Ich freue mich auf dieweitere Debatte.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Markus Kurth, Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitder vorgelegten Änderung des Sozialgesetzbuches IXgehen wir drei wichtige Bereiche an: Zum Ersten lösenwir eine ganze Reihe von konkreten Problemen, die sichfür Menschen mit Behinderungen ergeben haben. ZumZweiten gehen wir mit harten Anreizen deutlich auf dieArbeitgeber und Unternehmen zu. Damit meine ich ins-besondere die Ausgleichsabgabe bzw. die Beschäfti-gungspflichtquote. Zum Dritten erweitern wir die so ge-nannten weichen Maßnahmen. Staatssekretär Thönneshat bereits die Präventionspläne und die betrieblichenEingliederungspläne angesprochen.Lassen Sie mich zunächst etwas Wichtiges zu demvielleicht drängendsten konkreten Problem sagen, dasMenschen mit Behinderungen, aber auch die Träger vonWerkstätten für Menschen mit Behinderungen in derVErBMssRWnddvfddEbfudlBdcWdlBdkrswfimnbnkmJacisgNdis
Wir nehmen die Bundesagentur für Arbeit auch nichtm Bereich der aktiven Arbeitsmarktförderung für Men-chen mit Behinderung aus der Verantwortung. Mit
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Markus Kurthdiesem Gesetzentwurf verlegen wir aber insgesamt dieStrukturveranwortung für die Eingliederung in den ers-ten Arbeitsmarkt stärker auf Integrationsämter und Inte-grationsfachdienste, die durch die Rechtsverordnungmit höheren Mitteln aus der Ausgleichsabgabe bedachtwerden. Es geht darum, jetzt einen einheitlichen undkompetenten Ansprechpartner für Arbeitgeber zu schaf-fen, damit die Beratung dazu, wie der Arbeitsplatz um-gestaltet werden kann, welche Förderinstrumente, Prä-mien und Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sowiedie Beratung über geeignete Bewerberinnen und Bewer-ber aus einer Hand kommen. So viel zu den konkretenProblemen.Wir schaffen aber auch eine ganze Reihe von hartenAnreizen. Der wichtigste ist sicherlich, dass die Be-schäftigungspflichtquote erst einmal auf 5 Prozent derBeschäftigten festgeschrieben und nicht auf 6 Prozenterhöht wird, wie das ursprünglich vorgesehen war. Ichglaube, hiermit senden wir schon ein deutliches Signalan die Wirtschaft, das lautet: Wir kommen ihnen einengroßen Schritt entgegen. Sie sparen dadurch 340 Millio-nen Euro pro Jahr. – Es sind 340 Millionen Euro, die da-durch nicht als Mehrbelastung auf die Arbeitgeberinnenund Arbeitgeber zukommen.
Ergänzend leiten wir bei der Gestaltung der Be-schäftigungspflichtquote und der Ausgleichsabgabeweitere Schritte ein. Wir bieten ein ganzes Set von Maß-nahmen an. So werden zum Beispiel Beschäftigte, dieaus der Behindertenwerkstatt in den ersten Arbeitsmarktkommen, doppelt auf die Beschäftigungspflichtquote an-gerechnet, ebenso wie entsprechende Personen, die nachder Ausbildung in ein reguläres Beschäftigungsverhält-nis übernommen werden. Wenn eine Zeitarbeitsfirmaeine schwerbehinderte Person beschäftigt, die im Rah-men einer Arbeitnehmerüberlassung für einen Betriebarbeitet, wird jetzt auch diese Person auf die Beschäfti-gungspflichtquote angerechnet.
Die Unterstellungen, die Herr Bahr hier geäußert hat, in-dem er gesagt hat, wir kämen der Wirtschaft nicht genugentgegen, hier würden Schwierigkeiten gemacht, sindalso einfach nicht richtig.
Wir bieten eine ganze Reihe von Maßnahmen an. Dasmuss man gegenüber der Wirtschaft auch vertreten.Vor diesem Hintergrund ist es nicht akzeptabel, wennArbeitgeber versuchen, Arbeitsplätze aus der Beschäfti-gungspflichtquote herauszurechnen, indem sie sagen:Für diesen Arbeitsplatz sind Schwerbehinderte gar nichtgeeignet. – Sollte sich dies durchsetzen, würde dies un-serem Politikansatz, den wir hier bisher gemeinsam–brkzbAgpbsFisnEddCarüSdbdeTuöWbshkgMnwMsHstd
Wir versuchen doch gerade, Arbeitgeber zu motivie-en, sich zu überlegen, wie sie Arbeitsplätze gestaltenönnen, um schwerbehinderte Menschen beschäftigenu können. Daher kann es nicht sein, dass wir jetzt Ar-eitgebern die Möglichkeit eröffnen, zu schauen, wie sierbeitsplätze so definieren können, dass sie zum Inte-rationsamt gehen und sagen können: Diesen Arbeits-latz kann ich gar nicht mit einem Schwerbehindertenesetzen.Man kann sich dies am Beispiel der Lufthansa an-chauen. Die Lufthansa beschäftigt sogar im Bereich deslugpersonals Menschen mit Behinderungen. Man kannn der Statistik nachlesen, dass von den dort 71 000 Be-chäftigten gerade einmal 4 000 zum fliegenden Perso-al, also zu den Piloten, zu dem Crewpersonal, gehören.s gibt also eine Vielzahl von Möglichkeiten innerhalbes Konzerns der Lufthansa, wie Menschen mit Behin-erungen beschäftigt werden können, zum Beispiel imatering und in der Abfertigung.Außerdem wird von einem sehr verengten Begriffusgegangen, wer eigentlich ein Mensch mit Behinde-ung ist. Jemand, der eine schwere Krebserkrankungberstanden hat, verfügt in aller Regel über einenchwerbehindertenausweis. Niemand aber sagt doch,ass eine ehemals krebskranke Person nicht auch Flug-egleiter werden kann. Wir müssen hier also sehr genauifferenzieren und versuchen, uns einer Argumentationntgegenzustellen, die nur dazu führen würde, Tür undor zu öffnen, um die Ausgleichsabgabe zu unterhöhlennd sie letzten Endes vollkommen zu demontieren.
Das führt mich zu einem weiteren Aspekt, der in derffentlichen Debatte viel zu wenig Beachtung findet.ir sollten Menschen mit Behinderungen – natürlich ha-en sie Handicaps – nicht als Behinderer der Gesell-chaft, der Arbeitgeber oder unserer Sozialsysteme se-en. Das ist aus meiner Sicht ein außerordentlichurzfristiger Wachstumsbegriff.Wir sollten auch die Chancen und das Potenzial anesellschaftlichen und technologischen Innovationen fürenschen mit Behinderungen sehen. Man braucht sichur einmal die Möglichkeiten anzuschauen, die mittler-eile allein im Bereich der Telekommunikation und deredienkompetenz existieren, zum Beispiel die techni-chen Hilfen für Sehbehinderte und für Menschen mitörstörungen. Es gibt eine große Produktpalette, dieich immer weiter entwickelt.
Auf diesen Märkten sollten wir ebenfalls eine Innova-ionsoffensive starten. Es wird viel von Innovation gere-et. Aber das Innovationspotenzial im Bereich der
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Markus KurthFörderung der Beschäftigung von Menschen mit Behin-derungen liegt brach. Wir haben die Möglichkeit, zu ge-sellschaftlichen Innovationen zu kommen und dort end-lich einen qualitativen Wachstumsbegriff anzulegen.Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz Möglichkeitenschaffen, weiter in diese Richtung zu denken und denBegriff der Innovation in Zukunft gesellschaftlich wietechnologisch auch im Bereich der Menschen mit Behin-derungen zu entfalten.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hubert Hüppe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor we-nigen Wochen endete das Europäische Jahr der Men-schen mit Behinderungen. Ein Jahr lang haben Tau-sende von Menschen in zahlreichen Veranstaltungen aufkreative Weise auf ihre Situation aufmerksam gemacht.Unter dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ haben siesich für Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestim-mung eingesetzt. Ihr Engagement und eine erfolgreicheÖffentlichkeitsarbeit haben sicher einiges an positiverBewusstseinsänderung angestoßen.Dennoch, meine Damen und Herren, bleibt der trau-rige Beigeschmack, dass auf der politischen Habenseitenicht viel zu verbuchen ist. Herr Thönnes, eines muss ichjetzt, weil Sie ja voll des Lobes für die Bundesregierung,also für sich selbst, waren, schon festhalten: Wenn mandie Situation in Deutschland betrachtet, muss man realis-tischerweise sagen, dass es vielen betroffenen Menschenmit Behinderungen heute schlechter geht als noch vor ei-nem Jahr. Das ist nun mal so.
– Doch, das ist so, schon allein deshalb, weil mehr Be-hinderte arbeitslos sind. Darauf komme ich gleich nochzu sprechen.
Dabei sind wir uns im Ziel doch tatsächlich einig.Wir wollen eine Gesellschaft, in der auch Menschen mitBeeinträchtigung gleichberechtigt am Alltagsleben teil-nehmen können. Jede und jeder von uns will doch imLeben seine Frau bzw. seinen Mann stehen, den Le-bensunterhalt selbst verdienen, statt von Fürsorge abzu-hängen, will seine Begabungen, so gut es geht, auch imBeruf verwirklichen, Anerkennung für die eigene Leis-tung bekommen und am gesellschaftlichen Leben teil-nehmen.Beruf und Beschäftigung sind wichtige Elemente, denMenschen mit Behinderungen Teilhabe, Gleichstellungund Selbstbestimmung zu ermöglichen. Deshalb ist es sobedauerlich, dass die Bundesregierung positive und fürudwlvbebmdwgAsfgdSfestDbShgbedSLAuscddwdgbhdadabz
iese Bereitschaft haben wir übrigens schon häufigerewiesen. Ich erinnere nur an die Verabschiedung desGB IX und des Bundesgleichstellungsgesetzes. Hieraben wir Ihnen unsere Zustimmung gegeben. Im vorlie-enden Gesetzentwurf sind solche Verbesserungen fürehinderte Menschen aus unserer Sicht jedoch nicht zurkennen.Meine Damen und Herren, im Juni 2003 hat die Bun-esregierung ihren Bericht zur Beschäftigungssituationchwerbehinderter vorgelegt. Auch hier hatte sie vielob für sich übrig.
ngesichts des desolaten Zustands des Arbeitsmarktesnd der noch ungünstigeren Situation für Behinderte waro viel Lob jedoch unangemessen. Dennoch ist ein sol-her Bericht notwendig. Wir hätten uns gewünscht, dasser nächste Bericht nicht erst im Jahr 2007 erstellt wer-en soll, sondern dass dies, wie es auch jetzt der Fallar, regelmäßig alle zwei Jahre geschieht.In dem Bericht wird geschildert, wie sich die Zahler schwerbehinderten Arbeitslosen nach der Kampa-ne „50 000 Jobs für Schwerbehinderte“ zwischen Okto-er 1999 und 2002 verringert hat. Wenn man aber genauinschaut, stellt man fest, dass diese Zahlen nicht da-urch zu erklären sind, dass die Menschen tatsächlichuf dem ersten Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz gefun-en haben. Vielmehr beruht der Rückgang hauptsächlichuf Frühverrentung. Der größte Rückgang überhaupt istei den über 55-jährigen Schwerbehinderten zu ver-eichnen. Sie wollen uns hier ja wohl nicht erklären,
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Hubert Hüppedass ausgerechnet bei den über 55-jährigen Behindertendie erfolgreichste Eingliederung gelungen ist.
Die Zahlen vom Dezember 2003 sind deswegen so er-schreckend, weil an ihnen deutlich wird, dass hier keinnachhaltiger Erfolg erzielt wurde. Im Dezember 2003waren 168 951 Schwerbehinderte arbeitslos gemeldet.Das sind fast 13 000 Personen mehr als ein Jahr zuvor.Das ist eine Zunahme von 8,1 Prozent. Von einer Ver-besserung der Situation kann also nicht die Rede sein.
Wir haben vor einem Jahr der Absenkung derPflichtquote zugestimmt und würden ihr auch heutewieder zustimmen. Grund für uns war nicht, dass wir ge-glaubt haben, dass dadurch mehr Arbeitsplätze für be-hinderte Menschen geschaffen würden – so schön dasauch wäre –, sondern dass den meisten Betrieben auf-grund der Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierungdas Wasser bis zum Hals steht. Das ist der eigentlicheGrund. Das muss ich so deutlich sagen.
Herr Thönnes, wenn Sie wirklich der Auffassung sind,dass durch die Absenkung der Pflichtquote Arbeitsplätzegeschaffen werden – das haben Sie behauptet –, dannfrage ich mich, wie die SPD auf die Idee kommenkonnte, dass eine Ausbildungsplatzabgabe zur Schaf-fung von mehr Arbeitsplätzen führen werde.
Das ist ein Widerspruch in sich, den ich nicht verstehe.Ich verkenne nicht die Probleme; das möchte ich andieser Stelle deutlich sagen. Wir alle wissen, dass die Si-tuation nicht einfach ist. Deswegen danke ich an dieserStelle den vielen Unternehmen, besonders den kleinenund mittleren Unternehmen, den Gewerkschaften undden Verbänden, die einen Beitrag dazu geleistet haben,dass die Situation nicht noch schlimmer geworden ist.
Wer Missstände beheben will, der muss bereit sein,sie auch zu erkennen. Dazu sind Sie nicht bereit. Dervorliegende Gesetzentwurf wird Ihrer Intention, die Sieeben dargestellt haben, nicht gerecht. Ich teile die Ziele,die Sie genannt haben; das gilt auch für meine Fraktion.Von diesen Zielen ist aber in Ihrem Gesetzentwurf nichtszu lesen. Er enthält hauptsächlich Soll- und Kannvor-schriften und Verfahrensänderungen, die sich aus derpraktischen Umsetzung des SGB IX ergeben. Ich be-haupte nicht, dass alle Regelungen falsch wären; wir ha-bbksmddlwdKswdimsrDaBwmAawRwWhwufSwhmgnJAhvssg
ieser Kündigungsschutz ist kein Einstellungshindernis,uch wenn er in manchen Fällen problematisch für einenetrieb ist. Er dient hauptsächlich den Menschen, dieährend des Erwerbslebens eine Behinderung bekom-en. Ziel ist also, dass diese Menschen einen sicherenrbeitsplatz haben. Deswegen bin ich nicht dafür, ihnufzuheben.
Es wurden hier schon die Punkte genannt, die unsichtig sind. Ich hätte Herrn Kurth während der ganzenede Beifall zollen können, weil er das vertreten hat,as in unseren Anträgen steht.
enn er unserem Antrag dann noch zugestimmt hätte,ätte ich noch mehr geklatscht. Das wird heute aberohl nicht mehr eintreten.Wir wollten die Leistungsdauer im Eingangsverfahrennd bei der Berufsbildung grundsätzlich ohne Ausnahmeestschreiben. Das hätte nicht zu höheren Kosten geführt.ie wissen, dass für das zweite Jahr der Berufsbildung,enn es nicht vom Arbeitsamt bezahlt wird, die Sozial-ilfeträger und somit letztlich die Kommunen aufkom-en. Diese Regelung hätte sogar zu niedrigeren Kosteneführt, da die Bürokratie hätte abgeschafft werden kön-en, die notwendig ist, um festzustellen, ob das zweiteahr der Berufsbildung noch gewährt werden kann.
ußerdem hätten wir damit vermieden, dass Klagen er-oben werden und es zu teuren und schwierigen Rechts-erfahren kommt. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dassie uns zugestimmt hätten. Dann hätten Sie uns viel er-part. Vor allem hätten Sie allen Betroffenen Sicherheitegeben, den Einrichtungen und den Behinderten selbst.
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Hubert HüppeMeine Damen und Herren, ich will noch etwas zu derRegelung des Anhörungsrechts der Schwerbehinder-tenvertretung sagen. Auch hier muss ich der FDP wi-dersprechen.
Sie sagt, sie sei gegen dieses Anhörungsrecht. Da dasAnhörungsrecht im SGB IX schon längst verankert ist,hätten Sie dann den Antrag stellen müssen, dieses Ge-setz zu ändern. Die Frage ist aber, wie es in der Praxisumgesetzt wird.Wir haben gesagt: Da das Anhörungsrecht gesetzlichschon zementiert ist, muss auch gefordert werden, dassbei seiner Verletzung eine in einem Betrieb getroffeneMaßnahme, die einen Behinderten besonders betrifft,ungültig ist. Sie haben dieses Problem wahrscheinlicherkannt, weil dies auch in Ihrem Referentenentwurfstand und weil Sie jetzt das Bußgeld, das bei Nichtbe-achtung zu zahlen ist, erhöhen wollen. Das schlichte Er-höhen des Bußgeldes würde aber längst nicht ausrei-chen, um das Ergebnis zu erzielen, das wir anstreben.Ich frage Sie: Wie soll eine Schwerbehindertenvertre-tung überhaupt mitwirken, wenn sie noch nicht einmaldie Chance hat, sich dort zu informieren, wo die Pro-bleme entstanden sind? Das könnte ja auch dem Betriebdienen. Vielleicht hat dieser zusammen mit dem Integra-tionsamt und den Integrationsfachdiensten neue Lösun-gen entwickelt, um den Arbeitsplatz zu erhalten. HerrKurth, es gibt heute in der Tat mehr technische Möglich-keiten, als so mancher denkt. Da man vom Integrations-amt Zuschüsse aus der Ausgleichsabgabe erhält, könnteman den entsprechenden Arbeitsplatz möglicherweisesogar derart optimieren, dass der Behinderte leistungsfä-higer ist als jemand, der diese Arbeit ohne Behinderungleisten würde.
Zum Abschluss: Ich hätte mir gewünscht, dass wirdem Antrag zustimmen könnten.
Wir konnten Sie leider nicht von Ihren eigenen Anlie-gen, die im Referentenentwurf noch enthalten waren,überzeugen. Trotzdem erkläre ich natürlich unsere wei-tere Bereitschaft, an echten und wirklich konkreten Ver-besserungen für die Behinderten mitzuarbeiten. Ich sageaber: Dies fängt nicht erst im Erwerbsleben an. MeinWunsch ist es, dass Menschen mit und ohne Behinde-rung gemeinsam leben und lernen. Das heißt, ich wün-sche mir integrative Einrichtungen nicht erst im Berufs-leben, sondern bereits viel früher, nämlich in denSchulen und Universitäten.
Ich bedauere zum Beispiel, dass all diese Bereiche imGleichstellungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen– es bestand die Möglichkeit, dort so etwas festzuschrei-ben – nicht enthalten sind. Ich hätte es mir anders ge-wdgsdlfm–dDl–ffgdgdmmhddblIfmatwr
Nein.
Diese gedehnten Schlusssätze! – Das Wort hat jetzt
ie Abgeordnete Silvia Schmidt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Herr Hüppe, Ihnen ist wahrschein-ich tatsächlich irgendetwas entgangen. Ihre Parteidiese Diskussion haben wir bereits regelmäßig ge-ührt – möchte die Befugnisse gemäß der Betriebsver-assung einschränken. Sie wollen grundsätzlich das Ge-enteil. Ich denke, dass die Praxis durchaus beweist,ass Schwerbehindertenvertretungen und Betriebsräteut zusammenarbeiten können und dass eine Erhöhunges Bußgeldes durchaus die bessere Alternative ist, umit den Unternehmen nicht nur ins Gespräch zu kom-en, sondern auch Druck auszuüben.
Herr Hüppe, der Staatssekretär Herr Thönnes hat vor-in deutlich gesagt, dass wir dieses Gesetz heute aucheshalb mit einbringen, weil wir erkannt haben undurchaus wissen, dass die Arbeitslosigkeit von schwer-ehinderten jungen Menschen zugenommen hat. Natür-ich müssen wir hier reagieren. Wie gesagt: Das scheinthnen entgangen zu sein.1998 haben wir, die wir alle hier sitzen, mit der Re-orm der Behindertenpolitik begonnen,
it einer Reformpolitik, die den behinderten Menschenls kompetenten Experten in eigener Sache und als Ak-eur der eigenen Entwicklung sieht und unterstützt. Wiraren mit unserer Politik für die Menschen mit Behinde-ungen in der letzten Legislaturperiode sehr erfolgreich.
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7690 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004
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Silvia Schmidt
Ich denke – das wissen auch Sie, Herr Hüppe –, dasssich die gesamte Situation für behinderte Menschengrundsätzlich verbessert hat.
Dies ist das größte gesetzgeberische Programm seit30 Jahren. Als Erstes ist hier das Gesetz zur Bekämp-fung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter zu nennen,aber auch mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch unddem Behindertengleichstellungsgesetz haben wir eineemanzipierte Behindertenpolitik eingeleitet. Unser Zielist es nämlich, Menschen mit Behinderungen mehrSelbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Ge-sellschaft zu garantieren.Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinde-rungen war und ist ein großer Erfolg. Es hat nämlich dieMenschen weiter sensibilisiert und die öffentliche Wahr-nehmung ist durchaus gewachsen. Viele Menschen er-lebten auf Tausenden Veranstaltungen – jeder von unshatte in seinem Wahlkreis mit Sicherheit zwei oder dreiVeranstaltungen – ein Miteinander und spürten, wieselbstverständlich und einfach dieses Miteinander ist.Wir durften es erleben. Für dieses gleichberechtigteMiteinander müssen noch weitere Schritte folgen. Die-ses Gesetz ist ein weiterer Abschnitt, ein Bindeglied undein Baustein.Ich erwähnte bereits die ausgesprochen schwierigeund angespannte konjunkturelle Situation auf dem Ar-beitsmarkt, die niemand leugnen will. Die Verpflich-tung unseres Koalitionsvertrages, die Bekämpfung derArbeitslosigkeit von Schwerbehinderten mit weiterent-wickelten Zielvorgaben umzusetzen, führt zu einem deut-lichen Handlungsbedarf. Im Bericht der Bundesregierung– ich nenne hier nur beispielhaft § 160 SGB IX – wurdenunsere Erfolge durchaus sichtbar. Wir haben aber aucherkannt: Unser Gesetz wird die Beschäftigungs- undAusbildungssituation schwerbehinderter Menschen jetztwieder deutlich verbessern müssen.
Ein weiterer wesentlicher Punkt. Die Anhörung am12. November 2003 hat klar gezeigt, dass dieses Gesetzgrundsätzlich begrüßt wird.
Der nachvollziehbaren Detailkritik sowie den Vorschlä-gen des Bundesrates haben wir mit unseren Änderungs-anträgen durchaus Rechnung getragen.
Eines muss ich noch erwähnen: Anhörungen sind dafürda, einen Gesetzentwurf zu beraten. Eine vernichtendeKritik der Verbände an unserem Gesetzentwurf, sehr ge-ehrter Kollege Hüppe, konnte ich wirklich nicht feststel-len. Ich habe mir das Protokoll der Sitzung extra nocheinmal durchgelesen.gzU6munDiisGhwtdBddäAdBugdtfddbbAsdmt–srnsrk
iese Idee wurde grundsätzlich abgelehnt. Eines möchtech beiden Oppositionsparteien klar sagen: Zusatzurlaubst kein Geschenk für Menschen mit Behinderungen. Zu-atzurlaub hat einen Grund und ist aus medizinischenründen meist leicht nachvollziehbar.
Unser Staatssekretär Franz Thönnes hat schon daraufingewiesen – das ist auch in der Anhörung deutlich ge-orden –, dass der Ausbau der betrieblichen Präven-ion im Sinne von Rehabilitation statt Entlassung beson-ers gelobt wurde. Dr. Hase, Sachverständiger derundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, hältie Anreizsysteme, um die Beschäftigungssituation undie Ausbildung gerade junger Menschen zu fördern, fürußerst sinnvoll. Herr Kuhn von der Bundesanstalt fürrbeitsschutz und Arbeitsmedizin begrüßte das Einglie-erungsmanagement. Ich könnte mit diesen positiveneispielen fortfahren. Erwähnen möchte ich noch, dassnser Gesetz prinzipiell positiv bewertet wurde.Die Aufgaben der Integrationsämter und der Inte-rationsfachdienste werden so zugeschnitten, dassiese passgenaue Vermittlungs- und Unterstützungsleis-ungen sowohl für schwerbehinderte Menschen als auchür die Arbeitgeber erbringen können. Die Informations-efizite der Unternehmen müssen weiter abgebaut wer-en. Es wurde bereits erwähnt, dass 38 Prozent der Ar-eitgeber zurzeit keinen einzigen Schwerbehinderteneschäftigen. Die neuen Instrumente werden nicht nurnreize schaffen, sondern sie müssen auch die Bereit-chaft und das Verständnis der Unternehmen für Behin-erte fördern, um ein intensives Kennenlernen zu er-öglichen.Liebe FDP, auch die Wirtschaft hat eine Verantwor-ung, die sie wahrnehmen muss.
Die muss sie weiter und auch verstärkt wahrnehmen,ehr geehrter Kollege Kolb.Jetzt wird im Gesetz die Dauer des Eingangsverfah-ens im § 40 rechtssicher festgeschrieben. Ich muss dasicht noch einmal erwähnen, sonst müsste ich das Ge-etz zitieren. Ich finde den Einwand dagegen nicht ge-ade sehr anständig.Unerträglich war die so genannte Lex-Lufthansa-Dis-ussion. Der Buchstabe b des § 73, der bedeutet, dass
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Silvia Schmidt
die gesundheitliche Eignung bei der Höhe der Aus-gleichsabgabe und der Beschäftigungspflichtquote zuberücksichtigen ist, wurde endgültig gestrichen.
Für mich bedeutete dieser Vorschlag eine gravierendeDiskriminierung sowie einen Verstoß gegen die Anti-diskriminierungsrichtlinien der EU. Wir arbeiten übri-gens an einem Antidiskriminierungsgesetz. Die Stel-lungnahme von Verdi macht dies sehr deutlich. Es heißtdort, das sich eine derartige Lex Lufthansa als ein Be-schäftigungsprogramm für Widerspruchsausschüsse undSozialgerichte erweisen würde.Weiter heißt es:Die Ausgleichsabgabe ist ein Instrument des Aus-gleiches zwischen Arbeitgebern, die ihre Pflicht er-füllen, und denjenigen, die sie nicht erfüllen.Letztlich leugnet eine solche Rechtsvorschrift die Viel-falt der Behinderungen, die zu einer Schwerbehinderungführen können.Integrationsprojekte werden im Steuerrecht – –
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Zeit. Sie sind
schon eine Minute darüber.
Dann muss ich gleich abbrechen. Das möchte ich aber
noch erwähnen.
Nein, Sie sollen zum Schluss kommen.
Dann komme ich jetzt zum Schluss. Die Integra-
tionsprojekte werden jetzt steuerrechtlich als gemein-
nützig angesehen. Gerade die Praxis hat gezeigt, dass
sich Integrationsprojekte positiv entwickelt haben und
dass die Integrationsämter den Integrationsprojekten und
Unternehmen Fördermittel zur Verfügung gestellt haben.
Hier fühlen sich unsere behinderten Mitmenschen durch-
aus sehr wohl.
Liebe Frau Kollegin, es geht jetzt wirklich nicht mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
stimmen Sie zu!
Vielen Dank.
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Das ist nicht der Fall.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Antje
lumenthal.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie Bundesregierung präsentiert uns mit ihrem Berichtber die Beschäftigungssituation schwerbehinderterenschen nach § 160 des SGB IX Zahlen, die uns leider das muss ich hier ganz deutlich sagen – nur die Illusionines Erfolges vermitteln. Frau Schmidt, daran ändernie mit Ihren Lobpreisungen hier überhaupt nichts. Icherde Ihnen gleich einige deutliche Zahlen nennen.
as betrifft auch Ihre Einschätzung der Anhörung mitem Lob oder dem Einverständnis der Verbände. Da hatnsere Fraktion einen deutlich anderen Eindruck gewon-en, als Sie uns hier vermitteln wollen.
Von Oktober 1999 bis Oktober 2002 sollte die Zahler arbeitslosen schwerbehinderten Menschen durchas Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
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Antje BlumenthalSchwerbehinderter um mindestens 25 Prozent gesenktwerden.Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit schwerbehin-derter Jugendlicher unter 25 Jahren – darauf lege ichmein Schwergewicht – gestaltet sich in dem fraglichenZeitraum im Bundesgebiet allerdings wie folgt: EndeSeptember 1999 waren 6 334 Schwerbehinderte unter25 Jahren als arbeitslos gemeldet. Das sind 4,7 Prozentaller Behinderten im erwerbsfähigen Alter bis 25 Jahre.Ende September 2001 waren sogar 7 117 Schwer-behinderte unter 25 Jahren als arbeitslos erfasst. Dassind schon 5,1 Prozent aller Behinderten im erwerbsfähi-gen Alter bis 25 Jahre.
– Hören Sie lieber zu, dann wird Ihnen vielleicht einigesklar! – Ich habe Ihnen diese statistischen Zahlen bewusstgenannt; denn vonseiten der Bundesregierung hören wirnicht so deutliche, sondern schöngefärbte Zahlen.
Die Zahlen belegen eindeutig: Die Arbeitslosigkeitbei den schwerbehinderten Jugendlichen ist insgesamtnicht zurückgegangen. Die Wahrheit ist sogar nochschlimmer. Ein Vergleich der Zahlen vom Sep-tember 2003 mit denen vom September 1999 fällt ver-heerend aus. Ende 2003 waren 8 287 Schwerbehinderteunter 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Das entspricht einerQuote von 1,6 Prozent. Damit waren aber Ende 20031 953 schwerbehinderte Jugendliche mehr arbeitslos alsvor dem In-Gang-Setzen der von der Bundesregierung1999 initiierten Kampagne „50 000 Jobs für Schwerbe-hinderte“. Das entspricht einer Steigerung der Jugend-arbeitslosigkeit behinderter Menschen von über 30 Pro-zent seit 1999.
Frau Schmidt ist leider nicht mehr im Saal. Es hätte ihrvielleicht einmal gut getan, sich diese Zahlen zu Gemütezu führen.In einer solchen Situation sprechen diese Bundes-regierung und die Regierungskoalition von einer Verbes-serung! Ich glaube, in solchen Fällen heißt es in Zeug-nissen gemeinhin:„War redlich bemüht, aber das Zielwurde verfehlt“.
– Ich belege das mit Zahlen. – Ich denke, dass Ihre Aus-sagen, meine Damen und Herren von der Regierungs-koalition, die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Men-schen um 24 Prozent gesenkt zu haben, am Toleranzlimitder Interpretation von Statistiken kratzt.Zum einen stelle ich mir die Frage, ob Sie bei der ab-soluten Zahl der Eintritte ins erwerbsfähige Alter die Ge-burtenrückgänge berücksichtigt haben. Zum anderensind im Zeitraum 1999 bis 2002 Abgänge aus der Sta-tzgzgmHhdbbBslgBhDgjbB1vldabvAebsHihbSdtlvpMwBsEPw
Die eben von mir angeführten Zahlen zur Arbeits-osigkeit von schwerbehinderten Jugendlichen zeigen,ass das Programm JUMP zur Bekämpfung von Jugend-rbeitslosigkeit offensichtlich an der Gruppe der schwer-ehinderten Jugendlichen vorbeigegangen ist. Nach wieor ist der Anteil der schwerbehinderten jugendlichenrbeitslosen deutlich zu hoch. Ob das „plus“ zukünftigtwas daran ändern wird, wage ich an dieser Stelle zuezweifeln.Gestatten Sie mir einen Blick auf die Förderungchwerbehinderter Menschen in meinem Wahlkreis inamburg. Dort werden nicht langwierige Programmens Leben gerufen, sondern es wird versucht, Schwerbe-inderte praxisnah in direktem Kontakt mit den Betrie-en in den regulären Arbeitsmarkt einzugliedern.o wird das neue Programm „Arbeit für schwerbehin-erte Menschen“ aus Mitteln des hamburgischen Sena-es, hier: aus Mitteln der Behörde für Soziales und Fami-ie, jährlich mit bis zu 2 Millionen Euro finanziert undom Arbeitsamt durchgeführt.Zum Schluss ein Resümee: Rund 37 Millionen Euro-äer, davon 8 Millionen Personen in Deutschland, sindenschen mit Behinderung. Diese Zahlen zeigen, wieichtig es ist, die Chancengleichheit für Menschen mitehinderung zu fördern. Der Aktionsplan der Europäi-chen Union im Anschluss an das soeben abgelaufeneuropäische Jahr der Menschen mit Behinderung zeigterspektiven für die Behindertenpolitik auf, die abereitestgehend in der nationalen Verantwortung liegen.
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Antje BlumenthalDeshalb mein Appell an die Bundesregierung: NehmenSie die nationale Verantwortung wahr! Rühmen Sie sichnicht Ihrer vermeintlichen Erfolge, sondern sorgen Siefür deutliche Verbesserungen!Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Renate
Gradistanac.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir alle kennen das: Man befindet sich in einemRestaurant und muss einen Stock tiefer gehen, um dieToilette aufzusuchen. Manchmal ist die Beleuchtungdort nicht so gut. Wenn wir Abgeordnete einen An-schlusszug erreichen wollen, dann rennen wir oft mit un-serem Gepäck treppab und danach wieder treppauf.Manchmal hören wir auch nicht, welches Bahngleis an-gesagt wird. Ich frage mich dann: Wie viel beschwerli-cher muss dies für Reisende mit einem Kinderwagenoder mit einem Gipsbein, für Schwangere, für ältereMenschen, für Gehörlose oder für Rollstuhlfahrer sein?Für mich als Tourismuspolitikerin steht fest: Barriere-freiheit ist Bürgerinnen- und Bürgerrecht.
Zu einer uneingeschränkten gesellschaftlichen Teilhabegehört die Möglichkeit des barrierefreien Reisens. Rei-sen ohne Barrieren muss zum Normalzustand werden.Da gibt es noch eine ganze Menge zu tun.
Menschen mit Behinderungen wollen wie alle Touris-tinnen und Touristen über den Ort – das Naturerlebnisgehört selbstverständlich dazu –, die Zeit und die Gestal-tung ihres Urlaubs selbst entscheiden. Hierzu braucht esverlässliche und – das ist der Punkt – ehrliche touristi-sche Angebote.Wie Hotels, Gemeinden oder Freizeiteinrichtungenihr touristisches Angebot barrierefrei gestalten können,zeigt – das will ich ausdrücklich lobend erwähnen – dieADAC-Planungshilfe „Barrierefreier Tourismus füralle“. Wilfried Steinmüller, Vorsitzender des Vereins„Ohne Barrieren“, nennt vier Faktoren, die gegeben seinmüssen: Ist die Unterkunft barrierefrei? Ist die Infra-struktur behindertengerecht? Sind die Freizeitangeboteohne große Schwierigkeiten zu erreichen? Lässt es sichin öffentliche Verkehrsmittel leicht einsteigen?Menschen mit Behinderungen geben jährlich1,5 Milliarden Euro für den Tagestourismus und1,6 Milliarden Euro für Übernachtungen aus.
Etwa die Hälfte von ihnen würde gern noch öfter verrei-sen, wenn es für sie mehr barrierefreie Angebote gäbe.HPIelE6sfVesdtBkggoPAgdSJbddgAfrzeDCs––ngswb
Rot-Grün fordert in seinem Antrag – diesen kennenie wahrscheinlich –, im Rahmen des internationalenugendaustauschs Treffen von behinderten und nichtehinderten Jugendlichen verstärkt zu fördern. Im Kin-er- und Jugendplan des Bundes sind eigens Mittel fürie Arbeit mit behinderten jungen Menschen eingestellt.Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderun-en ist zu Ende gegangen. Wir setzen unsere offensiverbeit zugunsten von Menschen mit Behinderungenort. Alle, auch der DEHOGA, sind dazu eingeladen, da-an mitzuarbeiten, dass „barrierefrei“ zu einem Marken-eichen des Deutschlandtourismus wird, also zu einemchten Standortvorteil.
ieser Appell richtet sich ganz besonders an die CDU/SU-Fraktion mit der Bitte, auf ihren tourismuspoliti-chen Sprecher Klaus Brähmig einzuwirken.
Es lohnt sich, jetzt gut zuzuhören. – Dieser antwortete das ist in der „Travel Tribune“ vom 8. Januar 2004achzulesen – auf die Frage nach der Bewertung der rot-rünen Tourismuspolitik mit der schockierenden Aus-age, sie beschäftige sich „zu sehr mit Schattenthemenie Behindertentourismus“.Wir wissen: „Niemand darf wegen seiner Behinderungenachteiligt werden.“ So heißt es in unserer Verfassung.Vielen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wilhelm Josef
Sebastian.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Lange Zeit wurden Menschen mit Behinderungenals passive Leistungsempfänger betrachtet. Heute wissenwir – das hat die Gesellschaft auch anerkannt –, dass be-hinderte Menschen ebenso als Leistungsträger zum ge-sellschaftlichen Erfolg beitragen und daher einen be-rechtigten Anspruch auf Chancengleichheit haben.Barrierefreier Tourismus ist ein wichtiger und zu-kunftsträchtiger Bestandteil des touristischen Gesamt-angebotes in Deutschland. Es ist unsere gemeinsame ge-sellschaftspolitische Aufgabe, ihn zu fördern. Er birgt eingroßes ökonomisches Potenzial zur Schaffung von Ar-beitsplätzen und Einkommen. Dabei darf aber nicht ver-kannt werden, dass es sich bei behinderten Menschennicht um eine einheitliche Zielgruppe handelt, die ein-fach zu bewerben ist und für die sehr leicht Angebote ge-schaffen werden können. Wenn man in der Statistik dieAufzählung der unterschiedlichen Behinderungen sieht,wird deutlich, wie schwierig es ist, die entsprechendenEinrichtungen zu schaffen. Die über 6 Millionen Schwer-behinderten sind allein für die statistische Erfassung inGruppen mit einer Vielzahl von Untergruppen entspre-chend ihrer Behinderung eingeteilt. Für jede einzelneUntergruppe müsste ein spezielles Angebot geschaffenwerden, um die Wünsche dieser Menschen zufrieden zustellen.Vor diesem Hintergrund wird es natürlich sehr schwie-rig sein, zu sagen: Das ist die Tourismuspolitik für behin-derte Menschen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es not-wendig, dass man sich mit dieser Thematik auseinandersetzt und konsequent an einer Weiterentwicklung im The-menkomplex „barrierefreier Tourismus“ arbeitet. Es soll-ten aber auf keinen Fall Versprechungen gemacht wer-den, die nicht eingehalten werden können. PR-Kampagnen sind sicherlich nicht der einzig richtige Weg.Vielmehr sind Veränderungen in der Infrastruktur not-wendig, um ein entsprechendes Angebot zu schaffen.Bausteine für barrierefreien Tourismus sind erstensSensibilisierung für das Thema Barrierefreiheit, zwei-tens Investitionen der kommunalen Gebietskörperschaf-ten und drittens Investitionen in überregionale Aufga-benstellungen. Unser eindeutiges Ziel sollte sein,Angebote zu schaffen, die behinderte und nicht behin-derte Menschen gemeinsam nutzen können.Erfahrungsgemäß nehmen Behinderte eher gewisse Un-zulänglichkeiten in Kauf, als ghettomäßig untergebrachtzu sein.Zahlreiche öffentliche und private Projekte und Initia-tiven dokumentieren, dass nicht nur Wirtschaft und Poli-tik, sondern auch die Menschen für das Thema Barriere-freiheit sensibilisiert sind. Die Vielzahl bereitsdurchgeführter Maßnahmen in vielen Ferienregionenzeigt deutlich die Entwicklung eines Bewusstseins fürdie Belange behinderter Menschen. Diese Ansätze gilt essinnvoll weiterzuentwickeln.dgzmigWhlmsBebgdvsasddtEmwmDvgv
„Ökonomische Impulse eines barrierefreien Touris-us für alle“ – diese Maxime ist nicht nur die Über-chrift der im letzten Dezember vorgestellten Studie desundesministeriums für Wirtschaft, die Sie eben schoninmal angesprochen haben, Frau Kollegin, sondern sieeschreibt auch die Triebkraft für positive Entwicklun-en im Bereich der touristischen Angebote für Behin-erte. Richtigerweise heißt es darin, dass die Erreichungollkommener Barrierefreiheit in erster Linie eine ge-ellschaftspolitische Aufgabe ist, die sich auch und vorllem uns mit politischer Verantwortung stellt. Wir müs-en uns sehr wohl der Gefahr bewusst sein, dass wir zuiesem Thema oft Sonntagsreden halten. Das sieht auchie Studie des Ministeriums so. Darin wird festgestellt:Da der Markt eine vollkommene Barrierefreiheitnicht alleine herstellt, kann dies nur durch gesetz-liche Vorgaben, staatliche Investitionen und Investi-tionsanreize erreicht werden.In Ihrem Antrag ist meines Erachtens von einer ak-iven Förderung zu wenig die Rede.
s gibt zu viele reine Appelle und Prüfaufträge. Gut ge-eint ist eben nicht immer gut gemacht.
Zu viel Hoffnung darauf, dass wir auf dem Gesetzes-ege alles erreichen können, sollten wir aber auch nichtachen:Es gilt die eindeutige Prämisse, dass eine Förde-rung des barrierefreien Tourismus nur über eineökonomische Argumentation erfolgen kann. Wenndas ökonomische Interesse bei den Anbietern ge-weckt ist, ist dies die beste Voraussetzung für denAusbau der bestehenden Angebote. GesetzlicheVorgaben werden von der Seite der Anbieter alsZwangsmittel wahrgenommen und führen grund-sätzlich eher dazu, dass mentale Barrieren errichtetund freiwillige Maßnahmen reduziert werden.iese Stellungnahme stammt nicht von mir, sondernom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Sie istleichwohl völlig richtig und wird von uns inhaltlicholl geteilt.
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Wilhelm Josef SebastianAuch die „Nationale Koordinierungsstelle Tourismusfür Alle“ sieht als Kernelement der Förderung des bar-rierefreien Tourismus die Bereitstellung notwendigerFinanzmittel. Hierzu darf ich sagen: Die kommunaleFinanzausstattung – wir wissen es alle – reicht augen-blicklich nicht aus, alle diese Wünsche zu erfüllen unddie notwendigen Investitionen zu tätigen.
Auch die Studie des Bundesministeriums für Wirtschaftsagt dazu eindeutig, dass in Anbetracht der angespann-ten Haushaltslagen von Städten und Gemeinden derSpielraum für eine barrierefreie Gestaltung gerade aufkommunaler Ebene begrenzt ist.Meine Damen und Herren von den Regierungsfrakti-onen, insofern können wir Ihnen unsere Unterstützungfür eine nachhaltige Förderung des barrierefreien Touris-mus jederzeit zusagen. Wir wünschen uns für die Zu-kunft jedoch einige konkrete und handfeste Schritte
sowie den Mut, auch einmal Geld in die Hand zu neh-men, um Wachstumsimpulse zu setzen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gesine Lötzsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Hinter uns liegt das Europäische Jahr der Men-schen mit Behinderungen. Richtig ist, dass durch vieleVeranstaltungen und Publikationen das Bewusstsein unddas Interesse der Öffentlichkeit für Probleme von Men-schen mit Behinderungen geschärft worden sind und si-cherlich auch bei dem einen oder anderen ein Verständ-nis erreicht worden ist, das er vorher nicht hatte.
Kommen wir nun zurück zu der zentralen Frage die-ser Debatte, nämlich der Ausbildung und Beschäftigungvon schwerbehinderten Menschen. Der Kollege von derFDP, der jetzt nicht mehr anwesend ist, aber dessen Redeich noch in Erinnerung habe
– ja, ich habe die Entschuldigung hier schon angenom-men; das ist auch okay –, hat dafür appelliert, mehr Ver-trauen in die Wirtschaft zu haben und die Regelungs-dichte zurückzufahren. Ich glaube aber, dass dieser Wegnicht erfolgversprechend ist. Schauen wir uns einmal dierealen Zahlen an: Leider wird immer mehr schwerbehin-derten Menschen gekündigt. Ich habe mir die Zahlenvon Berlin für die Jahre 2000 und 2001, also vor demRegierungseintritt der PDS, geben lassen: Im Jahre 2000ssgrs–e–dzh7gssl5ZfLdJdarBV–btnRAAmpsZgSzkzs
Das sind die Zahlen aus der Zeit vor dem Regierungs-intritt der PDS, Herr Kollege.
Das hoffen wir alle sehr. Wir arbeiten hart daran.Das Berliner Integrationsamt versucht ja ebenso wieie Ämter in anderen Bundesländern, die Arbeitgeberur Rücknahme der Anträge zu bewegen. Aber immer-in wurden in den genannten Jahren noch über0 Prozent der Anträge bewilligt. Ähnliche Entwicklun-en sind auch in anderen Bundesländern zu beobachten.Schaut man in die Arbeitslosenstatistik, stellt man er-taunt – das hat auch die Kollegin von der CDU/CSUchon gesagt – einen kräftigen Rückgang der Arbeits-osigkeit von schwerbehinderten Menschen über5 Jahren fest. In der Zeit von 1999 bis 2002 sank dieahl bei Männern um fast 59 Prozent und bei Frauen umast 39 Prozent. Doch dieser Rückgang ist nicht in ersterinie durch die Schaffung von Arbeitsplätzen entstan-en, sondern durch die zunehmende Verrentung dieserahrgänge. In der gleichen Zeit ist die Arbeitslosigkeit iner Gruppe der jüngeren schwerbehinderten Menschen,lso der unter 55-Jährigen, nur um knapp 6 Prozent zu-ückgegangen. Die „FAZ“ zitiert einen Beamten derundesanstalt für Arbeit, der diesen Trend zur schnellenerrentung von schwerbehinderten Menschen bestätigtich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Wir bitteneispielsweise Rentenversicherungsträger, Rentenan-räge zügig zu bearbeiten.“ Aus Sicht der PDS kann esicht das Ziel sein, schwerbehinderte Menschen in dasentensystem abzuschieben. Das ist zwar die einfachstert der Problemlösung – gemäß dem Motto: „Aus denugen, aus dem Sinn“, dient aber nicht den Menschenit Behinderungen und ihrer Integration in den Arbeits-rozess.
Wir können dem Gesetz aus zwei Gründen nicht zu-timmen:
um einen dient das Gesetz nicht ausreichend dem selbstesteckten Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeitchwerbehinderter, sondern hilft eher dabei, die Statistiku bereinigen. Zum anderen finden wir, dass die Sen-ung der Beschäftigungspflichtquote von 6 auf 5 Pro-ent das falsche Signal ist. Darum können wir nicht zu-timmen.Vielen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Beauftragte der Bundesregie-rung für die Belange behinderter Menschen, der HerrKollege Haack.Karl Hermann Haack, Beauftragter der Bundesre-gierung für die Belange behinderter Menschen:Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-ten Damen und Herren! Ich möchte auf Bemerkungenvon zwei Kollegen eingehen, nämlich auf die des Kolle-gen Bahr, der entschuldigt ist, weil er zum Parteitagmuss, und des Kollegen Hüppe.Sie sprachen zum einen von Belastungen durch dasGMG, das GKV-Modernisierungsgesetz, als sie daraufhinwiesen, dass die chronisch Kranken und die Behin-derten die Verlierer der Reform seien. Meine Antwortmöchte ich mit einem Dank an die Frau Ministerin ein-leiten, die leider nicht mehr hier sein kann, denn gesternwurde ein Konzept bezüglich der Definition dessen, wasunter chronisch Kranken zu verstehen ist, und bezüg-lich deren Belastungen durch die Regelungen des GKV-Modernisierungsgesetzes verabredet, das in der heutigenPresse positiv bewertet und von den Verbänden und Or-ganisationen akzeptiert wird. Zum anderen ist man zu ei-nem ebenso positiv bewerteten Ergebnis in der Frage derFahrtkosten gekommen.
Das heißt, die Ministerin hat Wort gehalten. Sie hatzwischen den Feiertagen gesagt,
dass sie die Chronikerregelung aussetzen, erneut über-prüfen und mit den Betroffenen und der gemeinsamenSelbstverwaltung versuchen werde, ein besseres Ergeb-nis zu erzielen.Da der Ministerin Zeitversäumnisse vorgeworfenwerden, will ich an das Datum erinnern: Die Chroniker-regelung ist kurz vor Weihnachten entstanden. Jetzt be-finden wir uns in der dritten Woche des neuen Jahres.Das heißt, innerhalb von fünf Wochen – wenn man dieFeiertage abzieht, bleiben im Grunde nur drei Arbeits-wochen übrig – hat die Ministerin gehandelt. Ich denke,das ist Ausweis ihrer Handlungsfähigkeit und ihresDurchsetzungsvermögens.
In einer verminten Landschaft von Interessen, wo Vertei-lungskämpfe stattfinden, ist das ein sehr gutes und be-grüßenswertes Ergebnis.Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der uns im-mer wieder begegnet: Bedeutet der Paradigmenwechselin der Lebenssituation von Menschen mit Behinderun-gen unnötige Kosten für die Wirtschaft? Bei dieserNovellierung ging es um eine Lex Lufthansa, die BittedrsgbidbDnuTftw–cusFcsdSDlssZmIsswdDsdrwdPssuDmsdrmlw
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004 7697
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Wir sollten dieses Instrumentarium, welches wir für einekleine Gruppe von jungen Menschen geschaffen haben,darauf überprüfen, ob es nicht generell auf den dualenAusbildungsmarkt übertragen werden kann. Ich werbezurzeit in meiner Fraktion, aber auch in der Bundesre-gierung dafür.Die Integrationsfachdienste werden stärker mit ihrenRehabilitationsträgern verzahnt, die zu deren Inanspruch-nahme mit den Integrationsämtern gemeinsame Empfeh-lungen zu erarbeiten haben.Die Schwerbehindertenvertretungen werden zumBeispiel durch die Festschreibung ihrer Funktion bei derbetrieblichen Prävention in ihrer Stellung gestärkt. Fürdie Umsetzung der Bestimmungen werden aber auchdurch eine Erweiterung des Bußgeldrahmens Anreizegeschaffen. Sie finden damit stärker Eingang in das Be-wusstsein und in die betriebliche Praxis.Die von vielen geforderte Änderung des § 95, überden auch Sie gesprochen haben, haben wir nach inten-siven Gesprächen aus dem ursprünglichen Entwurf ge-nommen, und zwar auf Bitten der Gewerkschaften. Da-rüber wurde also ein Konsens erzielt.
Auf Grundlage dieses Gesetzes sollten wir mit derBundesagentur für Arbeit zusammenarbeiten. Es ste-hen entsprechende Gespräche an. Die Koalitionsarbeits-gruppen werden im Februar ein intensives Gespräch mitder Bundesagentur für Arbeit mit der Zielsetzung füh-ren, dass sich die Bundesagentur für Arbeit sozusagennicht aus der Eingliederung von Menschen mit Behinde-rungen in den ersten Arbeitsmarkt verabschiedet.Hinter uns liegt das Europäische Jahr der Men-schen mit Behinderungen. Die Europäische Kommis-sion hat die Ergebnisse bilanziert und berücksichtigt siein einem Gesamtplan für die nächsten Jahre. UnsereAufgabe wird es sein, dies in nationales Recht umzuset-zen. Wir sollten uns gemeinsam darauf konzentrieren,eine Harmonisierung der Behindertenpolitik auf dereuropäischen Ebene zu erreichen.gsAmrMaageuMHmFetMSAbPBetgBkln
Herr Kollege, ich habe Ihre Redezeit mit Rücksicht
uf Ihre Funktion schon verlängert. Jetzt müssen Sie
ber zum Schluss kommen.
Karl Hermann Haack, Beauftragter der Bundesre-
ierung für die Belange behinderter Menschen:
Ich komme sofort zum Schluss. – Es muss demnächst
ine Zielvereinbarung zwischen der Bundesregierung
nd dem Deutschen Behindertenrat unter dem Stichwort
obilität geben.
Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Matthäus Strebl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Als letzter Redner zu diesem Debattenpunktöchte ich noch einmal die Position der CDU/CSU-raktion verdeutlichen.Liest man die Begründung des vorliegenden Gesetz-ntwurfs, so könnte man denken, dass die rot-grüne Poli-ik zur Förderung der Beschäftigung schwerbehinderterenschen eine wahre Erfolgsgeschichte ist.
o entsteht der Eindruck, dass es gelungen sei, dierbeitslosigkeit Schwerbehinderter von Oktober 1999is Oktober 2002 um 24 Prozent zu senken. Aber um dieflichtquote für die Beschäftigung Schwerbehinderter inetrieben auf Dauer von 6 auf 5 Prozent zu senken, hättes für diesen Zeitraum einer Reduzierung von mindes-ens 25 Prozent bedurft.Man kann Zahlen zwar drehen und wenden, verbie-en lassen sie sich zum Glück aber nicht. Nur durch dieetrachtung der entsprechenden Zahlen kann man er-ennen, wie überhaupt eine Verringerung der Arbeits-osigkeit Schwerbehinderter zustande gekommen ist:ämlich nicht durch die tatsächliche Schaffung von
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7698 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004
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Karl Hermann Haack, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter MenschenArbeitsplätzen für Behinderte, sondern durch Abgängeaus der Arbeitslosenstatistik.
Besonders die Frühverrentung hat hier eine Rolle ge-spielt und hat dafür gesorgt, dass etliche Schwerbehin-derte dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung ste-hen.Betrachtet man die Zahl von schwerbehinderten Ju-gendlichen, ist sogar das Gegenteil zu erkennen. Trotzgroß angelegter Initiativen wie zum Beispiel demJUMP-Programm – es wurde heute in der Debatte schonmehrfach genannt – stieg die Zahl arbeitsloser schwer-behinderter Jugendlicher im Vergleichszeitraum von Ok-tober 1999 bis Oktober 2002.Natürlich ist es bei der derzeitigen Wirtschaftslagebereits schwer, Arbeitsplätze für Nichtbehinderte zuschaffen. Man bedenke, dass in Deutschland im Jahr2003 400 000 Arbeitsplätze vernichtet worden sind.Oder merken Sie sich folgende Zahl: 40 000 Arbeits-plätze wandern pro Monat ins Ausland.Umso schwieriger ist es angesichts der wirtschaftli-chen Entwicklung, die wir derzeit in Deutschland haben,Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen bereitzu-stellen. Man kann nur etwas erreichen, wenn man denTatsachen ins Auge sieht und sie nicht verschleiert.Während die Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr um8 Prozent gestiegen ist, erreichte die Statistik arbeits-loser Schwerbehinderter mit einer Quote von 16 Prozenteinen traurigen Höhepunkt. Bezieht man in den Ver-gleichszeitraum von Oktober 1999 noch den September2003 ein, so ergibt sich eine Senkung der Arbeitslosig-keit um gerade einmal 11,7 Prozent.Auch jetzt lässt die Bundesregierung die Behindertenin vielen Bereichen im Regen stehen. Wichtige und not-wendige Verbesserungen, die im Referentenentwurfnoch vorgesehen waren, sind nun zurückgenommenworden. So fiel auch die Kritik der Vertreter der Sozial-und Behindertenverbände in einer Anhörung bezüglichdes Entwurfes eines Gesetzes zum Sozialgesetzbuch IXzur Förderung der Ausbildung und Beschäftigungschwerbehinderter Menschen vernichtend aus.
Besondere Hauptkritikpunkte waren hier die Rege-lung zur Finanzierung der Werkstätten für behinderteMenschen sowie die mangelhafte Festlegung von Kom-petenzen und Rechten der Schwerbehindertenvertretun-gen. Im Referentenentwurf war zum Beispiel für dieLeistungserbringung eine Frist von drei Monaten imEingangsverfahren und von zwei Jahren in der beruf-lichen Bildung vorgesehen. Dies sind unumgänglicheVoraussetzungen,
um Menschen, die wegen ihrer Behinderung in ihrer Ge-schwindigkeit eingeschränkt sind, eine reelle Chance zugeben. Doch stattdessen wurde die von mir genannte Re-gelung gestrichen.eSbMVrkWgmMrtewdzDBdwmEMrshmDesstiBDddMFedDe(C(DAuch bei der Vertretung von Schwerbehinderten gibts keine positiven Ansätze. Dabei könnten gerade diechwerbehindertenvertretungen eine elementare Rolleei der Wahrnehmung der Interessen schwerbehinderterenschen spielen. Ich frage mich schon, was solcheertretungen wert sind, wenn sie weder über ein Anhö-ungs- noch über ein Informationsrecht verfügen. Diesann und darf so nicht sein.
Für die CDU/CSU wiederhole ich die Feststellung:enn es um tatsächliche Verbesserungen, um die Inte-ration und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschenit Behinderungen geht, wenn es gilt, schwerbehinderteenschen so weit wie möglich aus den Werkstätten he-auszuholen und in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu in-grieren, dann werden wir das unterstützen.
Ich möchte Sie aber bitten, dem Gesetzentwurf, denir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, nicht inieser Form zuzustimmen. Denn eine Grundvorausset-ung für das genannte Ziel wäre eine andere Politik ineutschland: eine Politik für mehr Wachstum und mehreschäftigung. Nur wirtschaftliches Wachstum wirdazu führen, dass auch Menschen mit Behinderungenieder mehr Chancen auf dem allgemeinen Arbeits-arkt bekommen. Es muss ein vielfältiges System voninrichtungen erhalten und ausgebaut werden, damitenschen mit geringerem Leistungsvermögen eine Be-ufsarbeit ermöglicht wird.Gerade das vergangene Europäische Jahr der Men-chen mit Behinderungen sollte uns dafür sensibilisiertaben, auf die Belange und Interessen Behinderter opti-al einzugehen.
och vor allem Behinderte haben im letzten Jahr einigesinstecken müssen, was ich kurz erwähnen möchte. Amtärksten werden behinderte Menschen durch die Ein-chnitte der Bundesanstalt für Arbeit bei den Rehabilita-onsmaßnahmen belastet.Daher dürfen wir es nicht zulassen, dass nun weitereelastungen und Einschränkungen auf sie zukommen.enn wir, die CDU/CSU, wollen, dass das, was der Titeles Gesetzentwurfes verspricht, auch eingehalten wird:ie Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderterenschen zu fördern.Vielen Dank.
Danke schön. Ich schließe damit die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grüneningebrachten Gesetzentwurf zur Förderung der Ausbil-ung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen.er Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherungmpfiehlt unter Ziffer 1 seiner Beschlussempfehlung auf
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Januar 2004 7699
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerDrucksache 15/2357, in Kenntnis des Berichts der Bun-desregierung über die Beschäftigungssituation schwer-behinderter Menschen den Gesetzentwurf in der Aus-schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be-ratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grü-nen und FDP gegen die Stimmen von CDU/CSU undPDS angenommen worden.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist damit mit dem eben festgestellten Stimmenverhältnisangenommen worden.Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-schusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zu demvon der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfzur Förderung der Ausbildung und Beschäftigungschwerbehinderter Menschen auf Drucksache 15/2318.Unter Ziffer 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Ausschuss, in Kenntnis des eben genannten Berichtsder Bundesregierung den Gesetzentwurf für erledigt zuerklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-fehlung ist damit einstimmig angenommen worden.Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-schusses für Tourismus auf Drucksache 15/2292 zu demAntrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Reisen ohne Handicap – Fürein barrierefreies Reisen und Naturerleben in unseremLand“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck-sache 15/1306 anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-schlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen?– Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen desganzen Hauses bei Enthaltung der CDU/CSU angenom-men worden.Weitere Wortmeldungen liegen für die heutige Sit-zung nicht vor.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf Mittwoch, den 28. Januar 2004, 13 Uhr, ein.Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen sowieden Besuchern auf den Tribünen eine gute Heimfahrtund Letzteren erst noch einen schönen Aufenthalt inBerlin.Die Sitzung ist geschlossen.