Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses
zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN
Verleihung einer kommunalen Ehrenbürgerschaft an Verfolgte des Nationalsozialismus
zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Verbesserung der Situation der Sinti und Roma
— Drucksachen 11/1395, 11/224, 11/2196 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Dr. Wisniewski Schröer
Lüder
Frau Dr. Vollmer
dazu
Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 11/2223 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Deres Frau Simonis
Frau Seiler-Albring Kleinert
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Professor Wisniewski.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, es geht zunächst um eine kurze Bemerkung als Berichterstatterin.
Es ist eine Klarstellung zu Punkt I.2. der von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vorgelegten Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/2196 vom 25. April 1988 notwendig. Dort wird auf die 50. Wiederkehr der sogenannten Reichskristallnacht verwiesen und dazu eine Empfehlung an die Kommunen ausgesprochen. Diese Empfehlung, zum Zeitpunkt der Abfassung der Entschließung, also im April 1988, formuliert, ist zwar heute, bedingt durch mehrere Verschiebungen der Beratung im Plenum, zeitlich überholt, in der politischen Zielsetzung aber genauso und weiterhin gültig. Deshalb wurde auf Änderungen am Wortlaut der Passage verzichtet. Die Verzögerung der Beratung ist im übrigen eine Folge des Falles Nachmann, bei dessen Bekanntwerden die damals vorgesehene Beratung dieses Tagesordnungspunktes auf Bitte der SPD-Fraktion abgesetzt wurde.
Herr Abgeordneter Schröer hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN, Verfolgten des NS-Regimes auf Antrag die Ehrenbürgerschaft ihrer Gemeinde zu verleihen, ist gut gemeint und in seiner Absicht ehrenwert. Aber er weist den falschen Weg, die Erinnerung an Verfolgte und Bedrängte, an „tausendjährige" Schrecken auch vor Ort wachzuhalten.Politisch Verantwortliche müssen die Konsequenzen ihres Handelns bedenken, zumal dann, wenn es um einzelne Menschen geht. Das soll sagen: Die bestgemeinte Absicht kann sich für die Betroffenen ins Gegenteil verkehren. Die Wirklichkeit unserer Gesellschaft ist Ihnen, Frau Vollmer, so gut bekannt wie mir. Würden Sie wirklich einem Zwangssterilisierten, einem sogenannten Asozialen, einem verfolgten Homosexuellen zuraten, unter Hinweis auf erlittenes Unrecht einen Antrag auf Ehrenbürgerschaft zu stellen? Würden Sie ihm zuraten, einen solchen Antrag zu stellen, wenn er in einer Kleinstadt lebt, wo jeder jeden kennt? Einen Antrag, der dann in Amtsstuben und Ratsgremien durchgehechelt und schließlich, nachsichtig belächelt, öffentlich diskutiert wird? Wer Süffisanz ertragen muß, fühlt sich erniedrigt. Erniedrigung verletzt häufig mehr als körperlicher Schmerz.
Wir wollen diese Erfahrungen niemandem zumuten. Deshalb werden wir Ihrem Antrag nicht folgen.
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9490 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Schröer
Meine Damen und Herren, ich denke, uns stünde auch gut an, Scheu davor zu haben, Menschen dazu zu nötigen, per Antragsvordruck mehr als das aus ihrer Erinnerung hervorzuholen, was sie selbst noch ertragen können.
— Dazu komme ich gleich; das ist ein anderer Punkt. Ich bin zunächst bei Ihrem Antrag.Ist jedem von uns bewußt, daß wir mit Formularen, die aus solchen Anträgen entstehen, Menschen, die Schreckliches erlebt haben, erneut weh tun, daß wir womöglich in intimste Bereiche ihres Lebens eindringen? Frauen und Männer, die von ihren Peinigern gezwungen worden sind, sich vor ihnen psychisch und physisch zu entblößen — und das im Wortsinn —, dürfen uns achtungsvolle Behutsamkeit abfordern.Ich habe jetzt die verfassungsrechtliche Problematik Ihres Antrages, die Sie ja kennen, bewußt außer acht gelassen. Mir kommt es darauf an, zu verdeutlichen, daß viele der Menschen, über die wir reden, auch heute noch häufig nur Achselzucken, schamlose Neugier, aber auch unverhohlene Diskriminierung erfahren.Sicher ist richtig: Unsere Gesellschaft hat das Barbarische abgestreift. Aber wir erleben noch immer— wenn auch in subtileren Formen — die Diskriminierung von sozialen Gruppen. Daß dies so ist, belastet uns, belastet uns zumal in den Augen der Opfer von damals. Ich sage: Ohne dieses Bekenntnis eigener Schuld wird es uns nicht möglich sein, ihnen aufrecht zu begegnen.Meine Damen und Herren, ich bin dankbar, daß sich alle Fraktionen in der uns vorliegenden Beschlußempfehlung dazu bekannt haben — jetzt zitiere ich — ,daß wir gesellschaftlicher Diskriminierung einzelner oder einzelner Gruppen — wo und in welcher Form auch immer sie erkennbar wird — mit Entschiedenheit entgegentreten.Nur, machen wir uns nichts vor. Ein solcher Beschluß des Bundestages verändert wenig in den Köpfen und Herzen der Menschen. Aber er setzt Maßstäbe für unser eigenes politisches Handeln.Dies gilt auch für die Anerkennung der ethnischen Minderheiten der Sinti und Roma, für ihre Anerkennung als deutsche Volksgruppen mit eigener Sprache und kultureller Identität. Ihre Geschichte ist unverzichtbarer Bestandteil unserer eigenen Geschichte.Das Ziel der NS-Schergen war es, diese Volksgruppen auszurotten. Es gehört zu den Peinlichkeiten der Nachkriegsgeschichte, daß es Jahrzehnte gedauert hat, bis ein Kanzler der Bundesrepublik Deutschland— es war Helmut Schmidt — öffentlich erklärte, daß die Verbrechen des NS-Regimes an Sinti und Roma aus der nazistischen Rassenideologie resultierten und als Völkermord anzusehen seien. Ich bekräftige: Sie waren Völkermord.Dies zuzugestehen, ist vielen schwergefallen, auch wegen einer unverständlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Vorurteilen Vorwände lieferte. Eine veränderte Rechtsprechung hatdie Diskriminierung von Sinti und Roma und ihre Ausgrenzung nicht behoben. Bis in die jüngsten Tage erleben wir Beispiele dafür, daß Sinti und Roma von Behörden, Richtern, Medien und Politikern wie „Fremde im eigenen Hause" behandelt werden.Wir schämen uns darüber.Meine Damen und Herren, um so unverständlicher ist uns, daß die Koalitionsfraktionen unseren Antrag abgelehnt haben, allen Sinti und Roma, denen nach 1945 der deutsche Paß entzogen wurde, die deutsche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen. Wir fordern, daß Sinti und Roma, die sich ohne Staatsbürgerschaft oder mit ungeklärter Staatsbürgerschaft in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, einen Fremdenpaß ausgestellt bekommen. Mehr noch: Wir brauchen eine europäische Regelung, wonach jedem Sinti und Roma, der in einem westeuropäischen Land ansässig ist, ein Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis auch in allen anderen westeuropäischen Ländern zuerteilt wird.
Wenn wir es mit der sogenannten Wiedergutmachung ernst meinen, dann ist dies eine Bringschuld. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit den übrigen europäischen Staaten hierüber Gespräche zu führen.Nebenbei bemerkt: Bevor die Bundesregierung diese Gespräche führt, sollte sie aus ihrem eigenen Sprachgebrauch den Begriff „Zigeuner" tilgen.
Ich empfinde es nur mehr als peinlich, daß noch in einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesfinanzminister vom 17. Februar 1989 an den Innenausschuß wiederholt die Bezeichnung „Zigeuner" für die Volksgruppen der Sinti und Roma verwandt wird. Alle Ehre beginnt damit, daß man jemanden bei seinem Namen nennt. „Zigeuner" ist nicht deren Name. Sie heißen „Sinti" und „Roma".Meine Damen und Herren, wir bleiben auch bei unserer Auffassung, daß in den Beirat für den Wiedergutmachungsdispositionsfonds ein Vertreter des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma zu berufen ist. Auch diesem Anliegen sind die Koalitionsfraktionen nicht gefolgt. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, daß wir der Beschlußempfehlung des Innenausschusses nur hinsichtlich des Punktes A zustimmen werden. Den Punkt B müssen wir ablehnen.Ich bitte deshalb, Frau Präsidentin, über die Punkte A und B getrennt abstimmen zu lassen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine bedrückende Erfahrung der letzten Monate ansprechen. Die Ausführung der vom Bundestag beschlossenen sogenannten Härterichtlinien für die vergessenen Opfer des NS-Regimes wächst sich zunehmend zu einem Skandal aus. Von den im Haushalt des Bundestags veranschlagten 300 Millionen DM sind in 1988 nur 5,9 Millionen DM tatsächlich abgeflossen. Es mehren sich die Beschwerden über ein von uns Sozialdemokraten nicht gewolltes bürokratisches Prüfverfahren und über das Problem der Anrechnung von Leistungen aus diesem Fonds auf Sozialhilfeleistungen. Auch die Anrechnung des Famileineinkom-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9491
Schröer
mens ist ein Ärgernis, das wir nicht länger hinzunehmen gewillt sind.Wir wollten eine unbürokratische Lösung. Damit haben wir uns nicht durchsetzen können. Was wir heute erneut fordern, ist mehr Sensibilität für Menschen, die wahrlich genug gelitten haben.
Wiedergutmachung darf sich nicht in der Ausgabe von Antragsformularen erschöpfen. Der Deutsche Bundestag ist gefordert, hierzu Fakten zu setzen, mit denen er sich auf die Seite der Bedrängten und Verfolgten stellt, um endlich einzulösen, was uns Gustav Heinemann — unvergessen — als Vermächtnis mit auf den Weg gegeben hat, nämlich daß sich die demokratische Qualität eines Staates daran erweist, wie er mit seinen Minderheiten umgeht.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Professor Wisniewski.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die dem Deutschen Bundestag heute vorliegende Beschlußempfehlung trifft Aussagen über die Bemühungen der Kommunen, die Schrecken des nationalsozialistischen Unrechts nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, und über Verfolgung und Wiedergutmachung gegenüber Sinti und Roma. Sie wurde von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP gemeinsam erarbeitet und im Ausschuß verabschiedet. Ich verstehe nicht, Herr Schröer, wieso diese Gemeinsamkeit eben aufgekündigt wurde. Im Gegenteil, ich fand, daß die Gemeinsamkeit ein bemerkenswerter Vorgang ist, der zeigt, wie breit letztlich doch der Konsens in grundlegenden Fragen in unserer Gesellschaft ist.Die Entschließung, die auf der Grundlage der Anträge von SPD und GRÜNEN erarbeitet wurde, bekräftigt einmal mehr die Absicht, das vergangene dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte nicht durch Schweigen zu verdrängen, sondern in angemessener Weise Erinnerung und Trauer wachzuhalten. Sie erkennt die Bemühungen, die viele Städte und Gemeinden in dieser Hinsicht unternommen haben, dankbar an.Die Dokumentation von Ulrike Puvogel „Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland" legt davon ein beeindruckendes Zeugnis ab. Es steht zu hoffen und es ist dringend zu wünschen, daß die Bürger unseres Volkes in dieser wichtigen Form der inneren Bewältigung nationalsozialistischen Unrechts auch über den 50. Jahrestag der sogenannten Reichskristallnacht hinaus, auf den hin, wie gesagt, die Entschließung ursprünglich mit konzipiert war, fortfahren werden. Deshalb haben wir den Text unverändert gelassen.Im Mittelpunkt der Entschließung steht die Erklärung, daß den Sinti und Roma und verwandten Gruppen schweres Unrecht zugefügt wurde, das als Völkermord anzusehen ist. Damit wird auf die Verfolgungen verwiesen, denen Sinti und Roma und verwandte Gruppen ebenso wie die jüdischen Mitbürgerinnenund Mitbürger wegen ihrer angeblichen rassischen Minderwertigkeit ausgesetzt waren.Die Fakten und Zahlen sind erschreckend. Sie seien, da wenig bekannt, kurz dokumentiert. Bereits 1933 verlangte das Rasse- und Siedlungsamt der SS in Berlin, wie es heißt, „Zigeuner und Zigeunermischlinge" zu sterilisieren. Die sogenannten Nürnberger Rassegesetze von 1935 stellten dann Sinti und Roma in der „gesetzlichen Verfolgung" mit den Juden gleich.Die Einweisungen von Sinti und Roma in die Konzentrationslager wurden seit 1936 durchgeführt. Als letzte Stufe wurde 1938 ein Erlaß zur Bekämpfung der — damals so genannten — „Zigeuner" in Kraft gesetzt.Seit Mai 1940 ließ Himmler deutsche Sinti und Roma in die Gettos und Konzentrationslager im östlichen Europa deportieren. Die genaue Zahl der Toten ist nicht bekannt. Es heißt aber, daß von den 35 000 bis 40 000 erfaßten deutschen und österreichischen Sinti und Roma über 25 000 ermordert wurden.Im Frühjahr 1942 begann die systematische Verschleppung aus den besetzten europäischen Ländern. Schätzungen zufolge fielen dieser Verfolgung insgesamt etwa eine halbe Million Menschen zum Opfer. Alwin Meyer stellt dazu fest — ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin — :Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Polen rund 20 000 Zigeuner, nach der Befreiung nur noch 6 000. 1927 wurden in der Slowakei 62 000 Zigeuner gezählt. In der gesamten Tschechoslowakei waren es 1952 nicht mehr als 16 200.Soweit diese wenig bekannten, erschütternden Zahlen. Sie machen verständlich, weshalb hier von Völkermord gesprochen werden muß.Der Deutsche Bundestag schließt sich mit seiner Erklärung und auf den mehrfach vorgetragenen Wunsch der Vertreter der Sinti und Roma hin ausdrücklich den vorangegangenen Verurteilungen dieses Völkermords durch die verschiedenen Bundesregierungen an. Zuletzt geschah das in den Antworten der Bundesregierung vom 21. Dezember 1982 — auf Drucksache 9/2360 nachzulesen — und vom 3. Mai 1985 — auf Drucksache 10/3292 nachzulesen — und schließlich in der Rede von Bundeskanzler Helmut Kohl am 7. November 1985, zu finden im Plenarprotokoll 10/171.Es sind eine ganze Reihe von Maßnahmen begonnen worden, um Sinti und Roma bei ihren Bemühungen um ihre eigene Geschichte und Kultur zu unterstützen, aber auch um diese Geschichte besser bekanntzumachen und verstehen zu lernen. Dazu gehört vor allem der Aufbau eines Kulturzentrums in Heidelberg. Ebenfalls in Heidelberg ist der Aufbau einer Geschäftsstelle erfolgt, so daß dort das kulturelle und — wenn man so will — politische Zentrum der Sinti und Roma besteht bzw. entsteht.Da wir in dieser Entschließung an kommunale Dinge erinnern, sei erwähnt: Besondere Verdienste um den Aufbau der Geschäftsstelle und um den Aufbau des geplanten Zentrums hat die Stiftung der Firma Freudenberg in Weinheim. Es sei dies mit
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9492 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Frau Dr. WisniewskiDankbarkeit vermerkt und anerkannt. Dies ist ein Stück Wiedergutmachung, das stellvertretend für alle Bürger der Bundesrepublik auf Grund von privater Initiative geleistet wurde.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht es als ihre Verpflichtung an, in ihren Bemühungen fortzufahren, die materielle Wiedergutmachung an Sinti und Roma zu verbessern und alles zu tun, um wissenschafts- und kulturpolitisch daran mitzuwirken, das kulturelle Erbe der Sinti und Roma zu erfassen und zu erhalten und damit ein Stück Leben dieser verfolgten Menschen zu bewahren. Dies ist Ausdurck unserer Trauer und unserer Bestürzung über das Unrecht, das an diesen Menschen begangen wurde.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Vollmer.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in dreieinhalb Minuten, oder, wie ich jetzt gehört habe, in fünf Minuten schwierig, die ganzen Irrwege der Debatte um einen Antrag nachzuzeichnen. Ich will es deswegen nur in Kürze versuchen.Was war das Motiv, warum wir den Antrag auf die Verleihung kommunaler Ehrenbürgerschaften an Verfolgte des Nationalsozialismus gestellt haben? Begründet war das damals in der Ohnmacht und auch in der Verzweiflung, die wir über das hatten, was auf Bundesebene beschlossen worden ist, nämlich genau jene Härteregelung, deren katastrophalen Ergebnisse wir gestern gesehen haben. Unsere damalige Kritik ist insofern schon ein bißchen prophetisch gewesen. Weil wir auf der Bundesebene nicht weiterkamen, haben wir gesagt: Dann muß man an den wirklichen Ort des alltäglichen Unrechts zurückgehen, nämlich in die Gemeinden, denn da hat die Diskriminierung ihren Anfang genommen, da war sie auch im Bewußtsein der Bevölkerung verwurzelt, und da muß man sie auch wieder aufsuchen, wenn man eine neue Gesellschaft aufbauen will, in der diesen Verfolgten ein anderer, ein wirklich ehrenvoller Platz zugewiesen wird.Die Einwände, die dagegen gekommen sind, Herr Schröer, waren weniger die, daß das nicht sensibel genug wäre, sondern sie waren zum einen, daß man gesagt hat, wir könnten uns doch nicht in die Angelegenheiten der Gemeinden einmischen, und zum anderen ist damals ein sehr böser Satz gefallen, der hieß: „Verfolgung ist kein Verdienst, die erduldet man."
— Er ist nicht von Ihnen gekommen, aber er spiegelt einen bestimmten Geist wider, der wirklich das Leben der Verfolgten geprägt hat. — Denn was hat ihnen in diesen Jahren gefehlt? Diejenigen, die überlebt haben, hatten immer die Hoffnung, sie würden in einer neuen Gesellschaft gebraucht, gerade sie würden mehr als alle anderen gebraucht, auch ihre Erfahrungen würden gebraucht. Sie haben sich aber nicht nur auf eigenartige Weise weiter als diskriminiert erfahren, sondern auch als unnütz, so daß sie ihre Erfahrungen als entwertet betrachten mußten.Als verdienstvoll wird in dem Antrag alles das geschildert — deswegen habe ich sehr bedauert, daß die SPD den ersten Teil mit unterstützt hat —, was die Gemeinden getan hätten, als wäre es denn so unendlich viel gewesen — ich zitiere —. . . wir ... werden weiter versuchen, in redlicher Weise zur Versöhnung und Wiedergutmachung beizutragen.„Redlich", „weiter" ? Ich erinnere nur an die Bilanz, die wir gestern gehört haben. Aus dem Härtefonds, der 50 Millionen DM ausweisen sollte, sind nicht, Herr Schröer, 5,9 Millionen DM, sondern, wie wir gestern im Ausschuß gesehen haben, über die früheren Regelungen hinaus nur ganze 1,6 Millionen DM ausgegeben worden.Es heißt weiter:Dabei wurde den aus vielfältigen Gründen Verfolgten, insbesondere auch solchen, die aus unterschiedlichen politischen Motiven Widerstand geleistet haben, Achtung gezollt.„Achtung" wurde ihnen „gezollt"? „Vielfältig"? ausgerechnet den politisch Verfolgten, die durch die Wiedergutmachungsregelung j a ausgeschlossen wurden? Allein die elende Praxis mit den Fragebögen beweist das Gegenteil. Nein, die vergessenen Opfer blieben vergessen. Viel Lob, wenig Selbstkritik für die Praxis der Gemeinden. Der Antrag folgt der Parole „Weiter so! ".Es heißt an anderer Stelle:Der Deutsche Bundestag geht davon aus, daß solche Bemühungen ... auch in Zukunft dazu beitragen müssen, ... der Jugend durch Benennung herausragender Persönlichkeiten Vorbilder zu geben.Schön wäre es ja gewesen, wenn wir wirklich Berichte der Verfolgten, die bereit gewesen wären, über ihre Erfahrungen zu reden, in den Schulen gehabt hätten. Unser Vorschlag sollte gerade ein Anlaß sein, denen, die bereit sind, dieses zu tun — wir haben korrigiert: auch in anderen Formen der Ehrung — , die Möglichkeit zu eröffnen, daß ihre Erfahrungen in den Schulen, in den Zeitungen, in den täglichen Debatten wichtig würden.Ich komme zum anderen Teil, zu den Sinti und Roma. In diesem Antrag gibt es eine Mischung aus Richtigem und Falschem. Richtig und notwendig war es, darüber zu diskutieren, daß es sich wirklich um Völkermord an den Sinti und Roma gehandelt hat. Schlecht ist, daß hier wieder der Ausdruck „und verwandte Gruppen" auftaucht. Der Zentralrat der Sinti und Roma hat darauf hingewiesen, daß „artverwandte Gruppen" ein Nazi- Sprachgebrauch war.Gut ist, daß die Unterstützung der kulturellen Arbeit, der Forschung, der Archive und das Ende der polizeilichen Sondererfassung hier thematisiert werden. Schlecht ist, daß nicht vom Bleibe-, Aufenthalts-, Wohn- und Arbeitsrecht der heimatlosen Roma gesprochen wird, daß keine Quoten für die Städte genannt werden, daß die Menschen- und Bürgerrechte für die Roma in Ost- und Südeuropa und auch für diejenigen in diesem Land nicht erwähnt werden. Wo ist die Anerkennung der Sinti und Roma als ethnische
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9493
Frau Dr. VollmerMinderheit, die seit 600 Jahren als Volksgruppe hier leben?Weil dieser Antrag eine ziemlich heillose Vermengung von Richtigem und Falschem ist, bitten wir um Einzelabstimmung über die einzelnen Absätze.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Lüder.
Fau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den beiden Anträgen, die hier eingebracht wurden, haben wir Ihnen eine Beschlußempfehlung vorgelegt, die meiner Meinung nach in der bisherigen Beratung ein bißchen zu kurz gekommen ist.
Wir haben die Anträge ernst genommen. Wir haben in die Beschlußempfehlung aufgenommen, was wir sagen mußten und sagen wollten. Als wir uns vor fast einem Jahr im Innenausschuß auf die heute hier vorliegende Beschlußempfehlung verständigten, wußten und ahnten wir nicht, wie bitter notwendig eine politische Manifestation des Deutschen Bundestages heute sein würde.
Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, festzuhalten, daß das schwere Unrecht, das den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung zugefügt wurde, nicht vergessen werden darf. Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, die Kommunen zu ermuntern — damit komme ich zu einem Teil aus dem Antrag der GRÜNEN — , in vielfältiger Form bemüht zu bleiben, die Schrecken des nationalsozialistischen Terrors nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Dazu gehörte auch, daß wir ein klares Wort zu der Verfolgung der Sinti und Roma und verwandter Gruppen durch die Nationalsozialisten formuliert haben.
Ich finde es gut, richtig und notwendig, daß wir dieses hier noch einmal bekräftigen. Der Völkermord an den Sinti und Roma kann nicht weggeleugnet werden. Es darf keine Diskriminierung von Minderheiten, einzelnen gesellschaftlichen Gruppen oder einzelnen Angehörigen solcher Gruppen geben. Dieses in der Resolution festzuschreiben, halte ich für richtig und notwendig.
Herr Kollege Schröer, Sie haben gesagt, daß Sie auf die Punkte 1 und 6 des SPD-Antrags noch einmal zurückkommen wollten, auf die Einbeziehung der Sinti und Roma in den Kölner Beirat und die Frage der Staatsangehörigkeit. Ich meine, daß muß Sie nicht hindern, heute dem Teil B der Beschlußempfehlung zuzustimmen, weil wir selbstverständlich nicht — das darf ich auch für die Kollegen von der CDU sagen — den Einwand erheben würden, daß das Thema erledigt sei und von Ihnen nicht wieder angesprochen werden dürfe. Wir bleiben in beiden Punkten gesprächsbereit, ohne damit die Zusage zu geben, Ihnen auch die Mehrheit für das Ergebnis zu bringen. Ich wollte nur sagen, wie wir uns verhalten würden, wenn Sie erneut einen solchen Antrag einbrächten. Ich finde, das gehört auch zu dem Umgang, den wir in dieser Angelegenheit bisher miteinander gepflogen haben.
Meine Damen und Herren, ich halte die Situation gerade nach den Berliner Wahlen für wichtig und ernst, und ich halte es auch für notwendig, daß wir etwas dazu sagen, was in dieser Resolution ausgedrückt ist.
Wir haben ausgeführt, daß die Erinnerung an das schwere Unrecht, das den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung zugefügt wurde, nicht verlorengehen darf. Wir haben dargelegt, daß wir uns um gerechte Wiedergutmachung bemühen. Ich nehme das auf, was an Fragezeichen dazu gekommen ist, ob wir das Ziel der Härteregelung im Wiedergutmachungsfonds wirklich erreicht haben, wenn wir weniger als 10 % der Ausgaben getätigt haben, die geplant waren. Ich nehme das auf, und wir werden darüber weiter beraten müssen.
Politisch bleibt aber wichtig: Spätestens seit den Berliner Wahlen wissen wir, daß am rechten Rand unseres Parteienspektrums die Ewiggestrigen mit der Parole auftreten, Vergangenheit müsse vergessen werden. Dazu sagen wir heute in dieser Resolution — deswegen ist sie so aktuell und notwendig — laut und deutlich: nein. Vergeßlichkeit ist fehl am Platze. Zum Vergessen darf es nicht kommen, da heute und in Zukunft Lehren aus den Unrechtstaten der Vergangenheit gezogen werden müssen.
Zum Vergessen kann es auch nicht kommen, solange die Opfer unter uns leben und sich die Täter ohne Scheu zur eigenen NS-Vergangenheit bekennen wie der Vorsitzende einer Partei, die nun auch noch in die Bundesversammlung einziehen wird.
Meine Damen und Herren, wenn Herr Schönhuber einerseits glaubt, stolz darüber sein zu können, freiwillig zur SS gegangen zu sein, und andererseits den Schlußstrich unter die Erinnerung an die NS-Verbrechen fordert, dann ist das für mich rechtsradikaler Extremismus.
Ich erinnere an das Wort, das, in meinen Augen noch heute gültig, 1952 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss gesagt wurde. Er sagte, „daß die Völker, die Opfer gebracht haben, nie vergessen werden und nie vergessen können, was ihnen angetan wurde". Er fügte aber hinzu — dieses Wort muß uns nach wie vor leiten — :
Die Deutschen dürfen nie vergessen, was von Menschen ihrer Volkszugehörigkeit in diesen schamreichen Jahren geschah.
Wir dürfen nicht vergessen, und wir sagen mit unserer Resolution heute auch: Wir wollen nicht vergessen. Die Erinnerung muß uns weiter mahnen.
Danke.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache
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9494 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Präsidentin Dr. Süssmuth11/2196. Die Fraktion der SPD und die Fraktion der GRÜNEN verlangen hierzu getrennte Abstimmung. Wir werden drei Abstimmungsvorgänge im Buchstaben A haben und kommen erst dann zur Abstimmung über den Buchstaben B.Wer stimmt für Buchstabe A Abschnitt I Nr. 1 bis 3 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/2196? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Der Buchstabe A Abschnitt I Nr. 1 bis 3 ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD angenommen.Ich komme zum zweiten Abstimmungsvorgang, und zwar über Abschnitt II Nr. 1 und 2. Wer stimmt zu? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Buchstabe A Abschnitt II Nr. 1 und 2 ist bei Enthaltung der Fraktion der GRÜNEN angenommen.Dritte Abstimmung, und zwar über Buchstabe A Abschnitt II Nr. 3 bis 5. Wer stimmt zu? — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Die Beschlußempfehlung Buchstabe A Abschnitt II Nr. 3 bis 5 ist einstimmig angenommen.Bevor wir zur nächsten Abstimmung kommen, hat das Wort der Abgeordnete Schröer zu einer Erklärung zur Abstimmung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion ist für ihre parlamentarische Fairneß bekannt. Angesichts der Besetzung des Plenums modifiziere ich meine soeben gemachte Äußerung, wir würden den Buchstaben B ablehnen, dahingehend, daß wir uns bei dieser Abstimmung enthalten werden.
Nun sind ja von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, so viele gekommen, daß die Mehrheitsverhältnisse nicht mehr so eindeutig sind wie vorhin, aber dennoch modifiziere ich, wie gesagt, meine Meinung dahin gehend, daß wir nicht ablehnen, sondern uns der Stimme enthalten werden, aber mit der ausdrücklichen Maßgabe, daß wir die Punkte 1 und 6 unseres eigenen Antrages erneut in eine Debatte des Deutschen Bundestages einbringen werden.
Wer stimmt dem Buchstaben B der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/2196 zu? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Buchstabe B der Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der GRÜNEN und bei Enthaltung der SPD angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung und Zusatztagesordnungspunkt 6 auf:
17. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Hornhues, Dr. Pinger, Frau Geiger, Feilcke, Hedrich, Höffkes, Dr. Kronenberg, Dr. Kunz , Frau Männle, Frau Fischer, Dr. Pohlmeier, Schreiber, Schwarz, Dr. Stercken,
Graf Huyn, Vogel und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoppe, Frau Dr. HammBrücher, Dr. Feldmann, Irmer, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Hirsch, Ronneburger, Dr. Hoyer, Nolting, Beckmann, Frau SeilerAlbring, Bredehorn, Lüder, Dr. Hitschler, Frau Folz-Steinacker, Dr. Solms, Timm, Frau Walz, Zywietz, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP
Die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia und alle seine Bürger
— Drucksache 11/3934 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Toetemeyer, Verheugen, Dr. Ehmke , Bahr, Bindig, Brück, Duve, Gansel, Dr. Glotz, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Koschnick, Luuk, Dr. Niehuis, Dr. Osswald, Renger, Schanz, Dr. Scheer, Schluckebier, Dr. Soell, Stobbe, Dr. Timm, Voigt (Frankfurt), Wieczorek-Zeul, Wischnewski, Würtz, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Unabhängigkeit für Namibia
— Drucksache 11/3996 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
ZP6 Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN
Förderung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia
— Drucksache 11/4039 —
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte 90 Minuten vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Bundesminister Klein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! In 35 Tagen soll der Unabhängigkeitsprozeß Namibias beginnen. Konkret: Ab 1. April 1989 sollen 4 650 UNO-Soldaten, vermutlich 500 Polizisten und 1 000 internationale Wahlbeobachter auf Grund des in der vergangenen Woche vom Weltsicherheitsrat einstimmig gebilligten Vor-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9495
Bundesminister Kleinschlags von UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar in Namibia stationiert werden. Südafrika und SWAPO beachten bereits den ausgehandelten Waffenstillstand. Der Abzug der kubanischen Truppen aus Angola hat — wenn auch zunächst nur mit einem symbolischen Kontingent — begonnen. Die UNITA hat eine angeblich vorbereitete Offensive ausgesetzt.Die weltpolitischen Rahmenbedingungen begünstigen eine friedliche, demokratische und auf wirtschaftlichen wie sozialen Erfolg zielende Lösung. Der Wille der Völkergemeinschaft richtet sich entschieden gegen Gewalt und Krieg, gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Dies sollten die Menschen in Namibia, über deren Schicksal in den letzten Jahrzehnten stets von Mächten und Kräften außerhalb des Landes verhandelt wurde, als ein Zeichen der Ermutigung erkennen.Namens der Bundesregierung danke ich den Fraktionen des Hohen Hauses für die Namibia-Anträge, die wir heute behandeln. Sie alle heben, wiewohl mit unterschiedlichen Akzenten, die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia und seine Menschen hervor. Der Antrag der Koalitionsfraktionen deckt sich in allen, der Antrag der SPD-Fraktion in den meisten, der Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN zumindest in einigen Punkten mit der Auffassung der Bundesregierung.Für die Finanzierung der Übergangshilfegruppe — United Nations Transition Assistance Group, UNTAG — stellt die Bundesregierung zunächst 60 Millionen DM als Pflichtanteil bereit.
Darüber hinaus wird sie etwa 50 Wahlbeobachter entsenden sowie rund 170 Fahrzeuge für UNTAG und an die 60 Kfz-Mechaniker stellen.Die Bundesregierung wird selbstverständlich gemeinsam mit ihren internationalen Partnern alle Anstrengungen unternehmen, um die wirtschaftlichen Grundlagen Namibias zu erhalten und auszubauen, und sie wird bei der Regierung der Republik Südafrika darauf drängen, daß diese den Verpflichtungen gerecht wird, die ihr aus über 70jähriger Besetzung des Landes erwachsen sind.Es entspricht dem von der Bundesrepublik Deutschland seit jeher beachteten Grundsatz der Nichteinmischung, daß die Bundesregierung im Gespräch mit allen wichtigen politischen Kräften Namibias die Übergangszeit bis zur Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung Anfang November nutzen wird, um unbeschadet parteipolitischer Profilierungsnotwendigkeiten der einzelnen namibischen Gruppierungen ein Klima der Vertrauensbildung, der Zusammenarbeit und der Aussöhnung zu befördern, um die Verwirklichung rechtsstaatlich demokratischer Verhältnisse und die Gewährleistung der Menschenrechte einzufordern, wie sie in dem sogenannten Prinzipienkatalog für eine Friedenslösung im südwestlichen Afrika festgeschrieben sind, und um schließlich die strukturellen Voraussetzungen für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit zu erörtern.Unsere besondere Hinwendung zu dem Land, das dreieinhalb mal so groß wie die BundesrepublikDeutschland ist, aber nur knapp 1,2 Millionen Einwohner hat, entspringt historischer und moralischer Verantwortung. Als Bismarck 1884 die Erwerbungen des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz unter den Schutz des Deutschen Reiches stellte, war die von dem deutschen Missionar Carl Hugo Hahn gegründete Ausbildungsstätte für Herero-Lehrer in Otjimbingwe bereits 20 Jahre alt.Schon 1814 hat der deutsche Missionar Johann Heinrich Schmelen im westlichen Nama-Land eine später von der Rheinischen Mission weitergeführte Station gegründet.
Als erster Deutscher hat vermutlich der Nürnberger Kartograph und Schöpfer des berühmten ersten Globus Martin Behaim 1486 als Begleiter des portugiesischen Seefahrers Diego Cao an der Skelettküste Fuß auf namibischen Boden gesetzt.
Mit der Inbesitznahme Südwestafrikas, das jetzt als Namibia endlich seiner Unabhängigkeit entgegensieht, war Deutschland in den Kreis der Kolonialmächte eingetreten, als letzter europäischer Staat, ein innen- wie außenpolitisch umstrittenes Statussymbol für das überhitzte Selbstbewußtsein des Kaiserreichs. Wirtschaftlicher Gewinn und strategische Vorteile, die vorgeblichen Gründe für das koloniale Engagement, standen indes in keinem Verhältnis zu dem enormen finanziellen und militärischen Aufwand. Nach gut drei Jahrzehnten war alles vorbei. In Deutsch-Südwest kapitulierten am 9. Juli 1915 die 2 000 Berufssoldaten und 7 000 Reservisten der deutschen Schutztruppe vor 40 000 bestens ausgerüsteten und ausgebildeten Soldaten der mit England verbündeten Südafrikanischen Union.
So unsinnig ehedem die hemmungslose Glorifizierung dieser Epoche war, so undifferenziert ist heute ihre hemmungslose Diffamierung. Deutsche Farmer, Handwerker, Techniker, Gelehrte und Missionare haben eindrucksvolle Pionierleistungen vollbracht. Zugleich aber gab es rücksichtslose Ausbeutung und mörderische Kolonialkriege.Doch nicht nur das beispielhafte Schul- und Berufsausbildungssystem, die Straßen, die Eisenbahn, das eigene Bergrecht und das traulich-idyllische LudwigRichter-Erscheinungsbild der Städte haben dem Land in den 31 Kolonialjahren deutsche Züge gegeben. Die Menschen haben — unbeeindruckt von Südafrikas Militärregierung, Mandatsverwaltung, Annexionsversuchen, Apartheid und dem nun schon über ein Jahrzehnt währenden kriegsähnlichen Übergangszustand — eine innere Bindung an die Deutschen.Das galt für den ermordeten Herero-Führer Clemens Capuo wie es für den Ngandjera-Ovambo Sam Nujoma, den Kwanjama-Ovambo Peter Kalangula, den Buren Dirk Mudge oder den Damara Justus Garoeb gilt. Und es gilt für ungezählte Kavango, Nama,
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9496 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Bundesminister KleinFarbige, Caprivier, Buschmänner, Rehoboth-Baster und Tswana. Wir werden sie nicht enttäuschen.
Die Bundesrepublik Deutschland wird nach Kräften an einer schiedlich-friedlichen Entwicklung des Landes mitwirken. Dabei ist unser aller moralischer und materieller Einsatz gefordert.
Am Schluß des weltweiten Entkolonisierungsprozesses darf nicht noch einmal der Schreckensablauf stehen, der die ersten Jahrzehnte der Unabhängigkeit so vieler Staaten auf dem schwarzen Kontinent gekennzeichnet hat.
Die amerikanisch-sowjetischen Bemühungen um einen Abbau des für die Dritte Welt so folgenschweren Ost-West-Konflikts und die Abkehr der UdSSR von einer Politik des Revolutionsexports haben auch dem konfrontativen Afro-Kommunismus den Boden entzogen.
Ein unabhängiges Namibia hat alle Chancen, zum Modell eines rasch aufblühenden Entwicklungslandes zu werden.Und es liegt auch im wohlverstandenen Interesse der Republik Südafrika, den Erfolg dieses Modells zu befördern,
so wie es im Interesse Namibias liegt, die lebenswichtigen Verbindungslinien mit dem wirtschaftsstarken südlichen Nachbarn nicht zu kappen. Und gelingt den Namibiern der friedliche Ausgleich zwischen Rassen und Bevölkerungsgruppen, wird das seinen positiven Eindruck auf die letzten Apartheidsanhänger nicht verfehlen.
Der Bundeskanzler hat den Bundesaußenminister und den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit beauftragt, die notwendigen Vorbereitungen für umfassende deutsche Hilfe beim Aufbau eines unabhängigen Namibia zu treffen.Die Bundesregierung wird schon in allernächster Zeit eine Gruppe von Fachleuten aus renommierten Forschungsinstituten nach Namibia entsenden, um eine solide Bestandsaufnahme aller Entwicklungsmöglichkeiten, vom Fischereiwesen über den Bergbaubereich, die Landwirtschaft, die gewerbliche Wirtschaft, den Tourismus bis zu den Notwendigkeiten für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, zu machen. Denn das Land verfügt über bedeutende Potentiale hochbegabter, fleißiger Menschen und wertvoller Bodenschätze.
Es hat eine hervorragende Infrastruktur. Und seine einmaligen, bewahrenswerten Naturschönheiten, seine vielfältige Fauna und Flora gehören zum Schönsten, was der afrikanische Kontinent zu bieten hat.Den rund 25 000 Namibia-Deutschen, viele von ihnen Nachfahren der vor 100 Jahren eingewanderten Siedler oder Schutztruppler, fällt bei der Entwicklungszusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Brückenfunktion zu. Sie haben auch in schweren Zeiten die kulturelle Verbindung zum Land ihrer Vorfahren aufrechterhalten. Und sie waren unter den ersten Weißen in Namibia, die vor mehr als einem Jahrzehnt schon für den Ausgleich zwischen Rassen und Stämmen eintraten. Die Fürsorge für sie gehörte zu den entscheidenden Beweggründen dafür, daß sich die Bundesrepublik Deutschland in der sogenannten Fünfergruppe für den in der UNO-Resolution 435 formulierten Lösungsvorschlag so stark engagiert hat.Was immer auf dem langen Weg bis zu ihrer Verwirklichung über diese Resolution gesagt werden konnte, eines hat sie mit Sicherheit bewirkt: In der hochexplosiven Lage zu Ende der 70er Jahre hat sie wesentlich dazu beigetragen, einen Krieg um Namibia zu verhindern.Jetzt — unter günstigen internationalen Vorzeichen — gilt es, den Frieden zu gewinnen. Dabei werden die Menschen in Namibia die Bundesrepublik Deutschland an ihrer Seite finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Toetemeyer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Präsenz im Plenum darf ich sagen: Liebe Namibia-Freunde!
Ich möchte gleich zu Anfang unserer Aussprache deutlich machen, daß mir daran liegt, daß aus den unterschiedlichen Anträgen aller Fraktionen am Ende ein, so hoffe ich, einmütiger Antrag hier im Plenum wird.
Zehn Jahre, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist die Implementierung der UNO-Resolution 435 eingefordert worden. Als wir vor etwa Jahresfrist das letzte Mal über dieses Thema diskutiert haben, hat keiner unter uns ahnen können, daß es auf einmal so schnell gehen würde.Ich möchte, um einer Legendenbildung vorzubeugen, hier noch einmal deutlich machen, daß es überhaupt keinen Zweifel darüber gibt, daß ohne die Einigung zwischen Reagan und Gorbatschow im Mai letzten Jahres in Moskau es zu diesem Zustand nicht gekommen wäre.
Beide Großmächte wollten die Belastungen loswerden, mit unterschiedlichen Motiven, die USA aus innenpolitischen Gründen, die Sowjetunion wegen der Aufgabe ihrer finanziellen Belastungen in Angola. Deswegen halte ich es für so wichtig, daß wir die
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9497
ToetemeyerGroßmächte in dieser Frage im Obligo behalten; denn es wird noch eine schwierige Zeit kommen.Wenn daher im Annex zum Protokoll von Brazzaville vom 13. Dezember letzten Jahres die USA und die UdSSR als Mitglieder der dort festgelegten sogenannten Joint Commission genannt werden, so bewerte ich das nicht negativ, sondern positiv. Damit bleiben sie im Obligo. Und das halte ich für wichtig.Wer heute, meine Damen und Herren, als Deutscher über Namibia spricht — und das hat auch Herr Bundesminister Klein gerade getan — , der kann die Vergangenheit nicht ausklammern. Nur würde ich sie anders bewerten als der Kollege Klein.
Daher der Hinweis in unserer Begründung. Herr Kollege Klein, Herr Minister, es geht nicht um hemmungslose Diffamierung — der würde ich widersstehen —, es geht aber auch nicht um eine falsche Glorifizierung. Das will ich sehr deutlich sagen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, aus diesem Grunde, weil dieses Thema nicht neu in der deutschen Parlamentsgeschichte ist, aus zwei Debatten unserer Kollegen im Deutschen Reichstag Anfang unseres Jahrhunderts zitieren. Ich zitiere hier ganz bewußt — Sie werden nachher merken, warum — aus der 126. Sitzung des Reichstags vom 19. März 1908, Protokoll Seite 4116. Hier hat der Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg von der Reichspartei folgendes ausgeführt — ich zitiere — :Nun fragt es sich: wird der Eingeborne im Stande sein, sich auf diese höhere Kulturstufe aus eigener Kraft hinaufzuarbeiten, oder wird das nicht möglich sein? Ich glaube, das wird im verneinenden Sinne zu beantworten sein. Eine lange Geschichte hat gezeigt, daß die schwarze Rasse — möge sie auch in vielen Beziehungen begabt sein — in ihrer Begabung und eigenen Entwicklungsfähigkeit weit hinter der weißen Rasse zurücksteht.
— „Rasse".Man braucht ja kaum darauf hinzuweisen, wenn man bedenkt, daß im Laufe vieler tausend Jahre die Neger eigentlich ganz auf demselben Standpunkte geblieben sind und erst allmählich zu höherer Kultur erweckt worden sind, als die europäischen Nationen kolonisierend zu ihnen kamen.In der nächsten Legislaturperiode ist in der 50. Sitzung des Reichstags über das gleiche Thema erneut diskutiert worden. Ich zitiere aus der Sitzung vom 29. April 1912, Protokollseite 1520, meinen Kollegen von damals, den Abgeordneten Henke:... nun haben wir ... Äußerungen gehört, die verraten, daß es auch im Reichstag Abgeordnete gibt, die den Neger nicht für einen Menschen halten.Das Protokoll vermerkt hier:
Der Herr Vizepräsident Paasche war es, der von den Negern als von Arbeitstieren sprach.
Ob das christlich ist, weiß ich nicht; ich meine, das Christentum muß sehr merkwürdig sein bei einem Mann, der solche Urteile über die Eingeborenen abgibt.Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dieses Denken ist in Namibia nicht ausgestorben. Die Resolution 435 wird von der Mehrheit der Weißen und leider auch unserer deutschen Landsleute nicht akzeptiert.
Ich zitiere aus der kürzlichen Befragung einer namibianischen Wochenzeitung. Da sagt ein Farmer aus der Gegend von Otjimbingue:Das Beste wäre es, das Flugzeug mit der SWAPO-Führung schon beim Anflug auf Windhoek vom Himmel zu holen.Ein anderer Farmer aus der Gegend von Karibib sagt— ich zitiere — :Wenn 435 tatsächlich eingesetzt wird, dann knallt es, dann passiert was. Wenn es tatsächlich zu einer SWAPO-Regierung kommen sollte, dann gehen wir in den Busch und führen Krieg.
Als erstes müssen wir dann die weißen SWAPO-Mitglieder liquidieren.Meine Damen und Herren, ich meine, daß das ganze Haus einem solchen Denken entschieden entgegentreten muß. Denn sonst wird es zu einer friedlichen Lösung in Namibia nicht kommen.
— Ich verallgemeinere nicht, Herr Kollege, ich zitiere.
— Ich nehme an, Sie nehmen die Kollegen im Reichstag genauso ernst wie ich.Die Gerüchteküche in Namibia — das werden die, die vor kurzem da waren, bestätigen — brodelt über. Ich will nur einige aus vielen Beispielen hier anführen.Erstes Beispiel. 40 000 Hereros kommen jetzt aus Botswana zurück. Das ist der Versuch des „divide et impera" : Hereros gegen Ovambos auszuspielen.
Zweitens. 80 000 Ovambos kehren zurück, die ihre Waffen mit einschmuggeln.
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9498 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
ToetemeyerDrittens. Das Land wird zwischen Hereros und Ovambos aufgeteilt.Viertens. Am 1. April wird Nujoma in Windhuk Präsident.Fünftens. Am 1. April wird gewählt.Das sind lauter Gerüchte. Was zeigen diese Gerüchte, meine Damen und Herren? Das ist ein ganz ernster Punkt, der hier in der Debatte angesprochen werden muß.Nur ganz wenige Weiße und Schwarze kennen den Inhalt der Resolution 435.
Unwissenheit führt zu solchen Legenden und Gerüchten.
Das sind Folgen — meine Damen und Herren, das ist eindeutig — der staatlichen gelenkten Propaganda durch die Medien in Namibia, Folgen der Desinformation. Unsere Aufgabe, unsere entscheidende Aufgabe ist es daher, für Information zu sorgen. Nur bei einem friedlichen Wandel wird Namibia eine Chance haben.
Hier fällt den politischen Stiftungen, die ja schon tätig sind, hier fällt insbesondere den Kirchen in Namibia eine große Aufgabe zu. 90 To aller Schwarzen sind Mitglieder einer christlichen Kirche. Hier haben die Kirchen mit dafür zu sorgen, daß Information geschieht, um friedlichen Wandel zu erreichen.Aber, meine Damen und Herren, das alles ist zwecklos, wenn nicht die Rahmenbedingungen verbessert werden. Wir wissen, daß die Republik Südafrika ab 1. April dieses Jahres mit Beginn des neuen Haushalts ihren Zuschuß an den Haushalt in Namibia von ursprünglich 500 Millionen Rand im Haushaltsjahr 1986/87 über 308 Millionen Rand im Haushaltsjahr 1987/88 auf nunmehr 83 Millionen Rand kürzt. Das führt dazu — das müssen wir wissen — , daß ab 1. April in Namibia keine staatlichen Investitionen mehr stattfinden können. Das ist ein schlechter Start. Das bedeutet, daß in große Erziehungsinstitutionen, beispielsweise in die Akademie in Windhuk, keine Zuschüsse mehr gezahlt werden können. Das bedeutet einen schlechten Start. Wir werden im Ausschuß sehr darüber nachzudenken haben, wie wir das verhindern. Denn wenn das so bleibt, wird es keinen friedlichen Wandel in Namibia geben. Ich sage das hier und heute schon sehr deutlich.
Auch die Stärke der UNO-Überwachungstruppe ist in diesem Zusammenhang wichtig. Deswegen haben wir das in unseren Antrag bewußt aufgenommen. Wir wissen zwar inzwischen — unser Antrag ist in diesem Punkt vielleicht überholt — , daß der Sicherheitsrat am 16. Februar, vor etwa einer Woche, beschlossen hat, zunächst — im Text heißt es: initially — 4 650 Soldaten nach Namibia zu schicken und 2 350 in Reserve zu halten. Damit wäre die alte Zahl 7 000 wieder erreicht.Aber, meine Damen und Herren — der Minister hat es richtig ausgeführt — , Namibia ist so groß wie die Bundesrepublik plus Frankreich plus Schweiz zusammen mit nur 1,2 Millionen Einwohnern, wovon 80 % auf dem Lande leben.
— Seien Sie vorsichtig. Sie kennen sich nicht gut aus.
Die Buschleute sind aus der Namib-Wüste,
und die sind gerade mißbraucht worden: als Fährtensucher gegen die Ovambos. Ich will Sie ein bißchen aufklären, Herr Kollege, damit wir hier mit gleichem Wissensstand diskutieren.Sie müssen wissen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, daß die Hälfte der so gefürchteten Koevoet — die Waffen-SS der Südafrikaner habe ich sie immer genannt — in die Polizeitruppe der 6 000, die im Lande verbleiben, integriert worden sind. Das sind Schwarze, die dazu erzogen worden sind, andere Schwarze umzubringen, grausam umzubringen, wie wir wissen. 6 000 Mann, davon die Hälfte Koevoet, plus 1 500 von der südafrikanischen Armee bleiben, und denen stehen nur 4 650 Blauhelme gegenüber. Man muß die Zahlen und die Größe des Landes in Relation bringen.Ich teile die Auffassung des Vertreters des Auswärtigen Amtes, Herrn Dr. Sulimma, die er vor wenigen Tagen in Namibia geäußert hat. Ich habe heute vom Minister zwar eine andere Zahl, was den Beitrag zur UNTAG angeht, gehört, aber ich gehe jetzt einmal von der optimistischeren Zahl aus, die Sie, Herr Dr. Sulimma, genannt haben, nämlich von 93 Millionen DM. Die Bundesregierung sollte das noch intern abstimmen.Sie haben die Zahl der Kfz genannt, und Sie haben die Zahl der Kfz-Mechaniker genannt, die den UNO-Apparat unterhalten sollen. Ich teile — das wird verständlich auf dem Hintergrund dessen, was ich soeben gesagt habe — auch ausdrücklich die Hinweise zur Neutralität der Medien, zu einer Änderung der Haltung der Medien. Ich hoffe sehr, daß wir da Erfolg haben werden.Schon jetzt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, müssen wir die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit schaffen. Deswegen haben wir unseren Antrag so formuliert. Ich hoffe, daß wir uns am Ende darüber verständigen.Die Nichtregierungsorganisationen sind in diesem Zusammenhang unentbehrlich. Ich freue mich, daß die uns nahestehende Stiftung inzwischen begonnen hat, die Übersetzung der UNO-Resolution 435 in die Eingeborenensprachen zu unterstützen, weil ich Information an diesem Punkt für unglaublich wichtig halte. Ich bitte die Bundesregierung, alle politischen Stiftungen, die etwas Ähnliches tun, hier nachhaltig zu unterstützen.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9499
ToetemeyerMeine Damen und Herren, in einem Punkte folge ich dem Minister. Ich folge ihm, wenn er, wie geschehen, sagt, dieser Ansatz eines friedlichen Miteinanders von Weißen und Schwarzen in einem afrikanischen Land darf nicht scheitern.
Die Republik Südafrika wartet nur darauf, daß er scheitert.
Deswegen, meine Damen und Herren, sollten wir militanten Tönen von allen Seiten widersprechen.
Wir sollten den Weißen widersprechen, wenn sie jetzt in einer großen Informationskampagne durch die südafrikanische Armee über die kommunistische Gefahr, die uns angeblich droht, aufklären wollen, und wir sollten allen Weißen widersprechen, die heute noch sagen: Der Kampf gegen die SWAPO ist nötig. Wir sollten all den Weißen widersprechen, die sagen: Wir müssen jetzt die Stämme in Namibia gegeneinander ausspielen. Wir sollten allen widersprechen, die heute sagen: Wir wollen das Land verlassen. Ihre Anwesenheit im Lande ist lebensnotwendig.Wir sollten auch der SWAPO widersprechen, wenn sie sagt — ich nenne nur zwei Beispiele — : Wir werden nach der Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung keine weitere Wahl durchführen. Dem sollten wir widerstehen; denn wer eine Verfassung erarbeitet, muß nach dieser Verfassung wählen lassen.
Wir müssen der SWAPO zweitens widersprechen, wenn — im Überschwang des bevorstehenden Sieges — gesagt wird: Jetzt wollen wir beispielsweise die DHPS, die deutsche private höhere Schule in Windhuk, auflösen. — Dies wäre schlecht. Dies würde nicht zum Frieden zwischen Weißen und Schwarzen beitragen.
— Liebe Uschi Eid, wir müssen militanten Tönen von Weißen und von Schwarzen widersprechen. Es gibt an der DHPS vieles zu ändern; darüber sind wir uns einig. Aber man darf nicht sagen: Es gibt keine Chance mehr für weiße deutsche Kinder in dieser Schule. Darum geht es mir.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte schließen, indem ich noch einmal das zitiere, was der Kirchenrat, der CCN, in Namibia zu dem, was sich jetzt abspielt, gesagt hat — ich schließe mich dem ausdrücklich an — : „Wir hoffen und beten" , so hat er formuliert, „daß alle Beteiligten es ehrlich und ernst meinen. " — Dies heißt im Blick auf die deutsche evangelisch-lutherische Kirche, daß ihr Auszug aus dem gemeinsamen Kirchenrat mit den Schwarzen nicht in die Landschaft paßt. Auch das sollte hier und heute deutlich gesagt werden.Von der weiteren friedlichen Entwicklung im südlichen Afrika hängt hinsichtlich der Entwicklung Namibias vieles ab. Wir sollten alle Anstrengungen unternehmen — auch in der Beratung im Auswärtigen Ausschuß, von der ich hoffe, daß sie bald stattfindet, damit es noch aktuell bleibt —,
um diesen Prozeß des friedlichen Wandels, den ich zu skizzieren versucht habe, zu unterstützen.Mich stimmt die Meldung von vorgestern optimistisch, wonach der Sprecher der südafrikanischen Armee in Namibia bekanntgegeben hat, daß die Ausgangssperre im Norden des Landes seit gestern aufgehoben ist; es handelte sich um eine Ausgangssperre von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Dies ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Als offizielle Begründung der Armee wird angegeben: „Die SWAPO hat ihre Tätigkeit im Norden Namibias eingestellt. " Ein hoffnungsvolles Zeichen, ein Zeichen auf einem Wege am Beginn eines friedlichen Prozesses. Wir sollten alles tun, um diesen Prozeß zu unterstützen.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hornhues.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beginn des Unabhängigkeitsprozesses für Namibia steht am 1. April 1989, also unmittelbar, bevor. Für meine Fraktion begrüße ich diese Entwicklung. Ich möchte namens meiner Fraktion allen danken, die zu den Protokollen von Brazzaville und dem Abkommen von New York beigetragen haben. Ich möchte — ich will dies nicht verhehlen — insbesondere dem amerikanischen Chefunterhändler Chester Crocker danken, der sich persönlich erheblichen Anteil daran erworben hat, daß diese Lösung am Ende nun doch so kommen konnte.Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind sicher, daß damit der Weg in die Unabhängigkeit Namibias gebahnt ist, und wir hoffen, daß auch für Angola bald eine Beendigung des Krieges möglich ist.Die Frage, ob andere Wege zur Unabhängigkeit Namibias denkbar gewesen wären, ob eine Unabhängigkeit, international anerkannt, eher erreichbar gewesen wäre, auf anderem Wege erreichbar gewesen wäre, dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte heute für uns Schnee von gestern sein. Jetzt geht es darum, alles zu tun, damit das ehemalige DeutschSüdwest, das heutige Namibia eine gute Zukunft hat. Die Bundesregierung, die Fraktionen dieses Hauses haben, wenn ich richtig zugehört habe, in der Vergangenheit und heute immer die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia und alle seine Bürger betont. Mit dem vorgelegten Antrag der Koalitionsfraktionen fordern wir die Bundesregierung auf, dieser besonderen Verantwortung nunmehr gerecht zu werden.Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werte die Tatsache, daß heute morgen — ein wenig ungewöhnlich — der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit als erster zum Antrag des Parlaments gesprochen hat, als einen Hinweis darauf, daß
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9500 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Dr. Hornhuesdie Bundesregierung tatsächlich entschlossen ist, dieser Verantwortung nunmehr gerecht zu werden.
Wir erwarten von Südafrika, wir erwarten von den Vereinten Nationen, daß sie sich in dem Prozeß zur Unabhängigkeit unparteilich verhalten, alle Anstrengungen unternehmen, um faire und freie Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung und später zur Nationalversammlung entsprechend den eingegangenen Verpflichtungen zu garantieren. Wir erwarten, daß unsere Regierung alles tut, um dies nach Kräften zu unterstützen. Wir erwarten insbesondere von Südafrika, daß es während des Übergangsprozesses seiner Verantwortung gegenüber allen Namibianern gerecht wird.Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf vielen Seiten — das ist eben schon angeklungen — gibt es mit dem beginnenden Unabhängigkeitsprozeß in Namibia Sorge und Angst. Diese Sorgen und Ängste sind sowohl bei den aus dem Ausland zurückkehrenden Namibianern gegeben wie bei denjenigen, die im Lande leben. Auf vielen Seiten ist tiefes Mißtrauen vorhanden. Es wirkt eben noch nach, daß bis gestern, bis eben, bis vor kurzem noch Gewalt und Gegengewalt die Auseinandersetzung bestimmten. Für manchen kommen da die Terroristen und Handlanger des Kommunismus ins Land zurück, für andere heißt das Feindbild weiter Rassist, Unterdrücker, Kollaborateur des Rassismus, für manch dritten ist die Dominanz einer ethnischen Gruppe das Bedrohliche, das er mit dem Stichtag und dem beginnenden Prozeß verbindet. Zudem steht ein Wahlkampf bevor, der Emotionen in gefährlichem Ausmaß schüren kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Situation ist es für einen friedlichen Übergang in die Unabhängigkeit von entscheidender Bedeutung, daß nicht nachgekartet, nicht auf- und nicht abgerechnet wird, sondern daß Prozesse der Aussöhnung, der Versöhnung, der Vertrauensbildung eingeleitet werden, je eher, je besser.
In diesem Zusammenhang kommt den Kirchen in Namibia ob ihrer hohen Autorität im Lande eine überragende Bedeutung zu. Vor allem da die Kirchen die Reintegration der aus dem Ausland zurückkehrenden Namibier übernommen haben, appellieren wir an die deutschen Kirchen, ihre Schwesterkirchen in Namibia bei diesen Aufgaben zu unterstützen. An die Bundesregierung richten wir die Aufforderung, in Vertiefung von Kontakten und Gesprächen mit den politischen Kräften Namibias zu einem solchen Prozeß der Vertrauensbildung beizutragen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang, daß in wenigen Tagen, Anfang kommenden Monats, die Beobachtungsmission der Bundesrepublik Deutschland in Namibia eintreffen wird.Insgesamt geht Namibia in eine durchaus kritische Phase von einem Jahr bis zur Unabhängigkeit, wenn denn alles klappt. Hier zu helfen, hier zu unterstützen, hier zu versöhnen, hier mitzuwirken, daß man zusammenfindet, nachdem man weit voneinander entferntwar, halte ich für eine der zentralen Aufgaben nicht nur der offiziellen deutschen Politik, sondern auch von uns allen, die wir uns hier im Plenum des Deutschen Bundestages immer wieder für dieses Land einzusetzen versucht haben.
Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie im Zusammenwirken mit ihren internationalen Partnern, vor allen Dingen auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, mithilft, daß die wirtschaftlichen Grundlagen Namibias erhalten werden, wenn möglich ausgebaut werden. Herr Kollege Toetemeyer hat Probleme in diesem Zusammenhang bereits angesprochen. Wir halten es mit Blick auf die Zukunft für besonders wichtig, daß sofort mit den wichtigsten politischen Kräften Namibias der Dialog über eine umfassende entwicklungspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit begonnen wird. Fragen des Schutzes der Ressourcen Namibias, der Fischgründe vor der Küste z. B.,
aber auch anderer Bereiche, die Frage eines möglichst umgehenden Beitrittes zum Lomé-Abkommen, dies alles wären Punkte, die unter Umständen im Konsens mit allen Parteien bereits heute in Angriff genommen werden könnten, wo die Bundesregierung Erhebliches leisten kann.In diesem Zusammenhang haben wir, wenn meine Informationen stimmen, mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung bereits in den nächsten Wochen den entsprechenden Dialog beginnen wird. Soweit mir bekannt ist, werden Delegationen der SWAPO, der DTA und anderer Parteien aus Namibia hier zu Gesprächen eintreffen. Wir begrüßen dies nachdrücklich und freuen uns, daß diese Anregung aus unseren Anträgen schon so schnell umgesetzt wird, bevor der Antrag überhaupt verabschiedet ist. Das ist immer sehr schön, wenn die Bundesregierung so schnell ist.
Bei diesen Gesprächen erwarten wir, daß die Bundesregierung insbesondere auch auf die Einhaltung der von ihr ausgehandelten Verfassungsprinzipien und der damit festgelegten Grundsätze rechtsstaatlich-demokratischer Verhältnisse für ein unabhängiges Namibia drängt.
Je mehr die eben angesprochenen Grundprinzipien, die damals, 1982, ausgehandelt worden sind und die in den Bericht des UN-Generalsekretärs aufgenommen worden sind, in der Verfassung und dem politischen Handeln Namibias realisiert werden, desto leichter wird es für uns sein, vor unseren Wählern eine vielleicht überdurchschnittlich hohe Hilfe für Namibia zu verantworten.Von besonderer Bedeutung für den Übergangsprozeß wird es sein, daß die im Lande lebenden Weißen das Land nicht verlassen. Ein größerer Exodus der
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9501
Dr. HornhuesWeißen würde angesichts der gegebenen Wirtschaftsstruktur einen Zusammenbruch der Wirtschaft Namibias bedeuten können. Von daher nehmen wir mit Befriedigung vor allen Dingen die Stimmen zur Kenntnis — man muß auch einmal, Herr Toetemeyer, andere Stimmen zur Kenntnis nehmen, nicht immer nur die, die einen ärgern —, vor allem aus dem Bereich der schwarzen Mehrheit, die in den letzten Monaten immer lauter und deutlicher den Appell und die Bitte an die bisher dominierende weiße Minderheit richten, im Lande zu bleiben, gemeinsam an der Zukunft des Landes mit allen anderen zu arbeiten.In diesem Sinne appellieren wir auch an die deutsche Minderheit im Lande, den Unabhängigskeitsprozeß nicht nur zu erdulden, zu ertragen, abzuwarten, sondern konstruktiv mitzutragen und mitzugestalten. Sie, die deutsche Minderheit in Namibia, hat dieses Land immer auch als ihre Heimat begriffen. Wir werden das, was in unseren Kräften steht, tun, daß dies so bleiben kann.Im Rahmen einer neu und weiter zu entwickelnden auswärtigen Kulturpolitik mit einem unabhängigen Namibia werden wir uns für die berechtigten Interessen der deutschsprachigen Minderheit in Namibia einsetzen. Der Kollege Toetemeyer hat bereits einige Punkte in diesem Zusammehang konkret angesprochen.Dies alles und auch dieses Eintreten für die Deutschen im Lande wird für uns um so leichter sein, je mehr sich die Deutschen in Namibia für die Entwicklung des Landes und für eine gemeinsame Zukunft mit allen im Lande engagieren.An dieser Stelle möchte ich vielen, auch vielen Deutschen, im Lande danken, die, oft scheel angesehen, ja von manchen beschimpft und verspottet, seit vielen Jahren sehr konkret für die Beseitigung der Apartheid gewirkt haben und die sich für Verstehen und Verständigung eingesetzt haben. Ich möchte sie auffordern, gerade in dieser historischen Phase ihres Landes mit aller Kraft in diesem Bemühen fortzufahren.
Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind daran interessiert, daß Namibia ein freiheitliches Land mit demokratischen Strukturen und einer vernünftigen Wirtschaftsordnung wird. Wir sind daran interessiert, daß sich Namibia zu einem Land entwickelt, in dem verschiedene Rassen gleichberechtigt und, wenn es geht, harmonisch in einem Zustand wachsenden Wohlstandes miteinander leben können. Wir sind in diesem Sinne daran interessiert, daß auf diese Weise Namibia gut in die Unabhängigkeit kommt und eine gute Zukunft nach der Unabhängigkeit hat.Wir verpflichten uns selber, zu tun, was in unseren Kräften steht, um an einer solchen Zukunft Namibias mitzuwirken, und wir erwarten dies auch von der Bundesregierung.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Abgeordente Frau Eid.
Frau Präsidentin! Kollegen und Kolleginnen! Elf Jahre nach der Verabschiedung der Resolution 435 scheint es nun endlich soweit zu sein: Namibia steht vor dem letzten Stück des Weges zu seiner Unabhängigkeit. Die Resolution 435 soll verwirklicht und die vor mehr als hundert Jahren mit dem deutschen Kolonialismus begonnene Fremdherrschaft soll beendet werden.Wir freuen uns gemeinsam mit den Menschen innerhalb und außerhalb Namibias, die nun darauf warten, ihre Geschicke selbst zu bestimmen und selbst zu gestalten. Wir freuen uns mit allen, die zu diesem bevorstehenden Erfolg beigetragen haben.Der vorletzte große Kolonialkonflikt in Afrika geht mit dem am 1. April beginnenden Prozeß wohl endgültig seinem Ende entgegen.Wir GRÜNEN teilen die Feststellung von Perez de Cuellar, daß dieser Tag ein historischer Tag der Vereinten Nationen ist.
Vor einem Jahr noch hatte niemand eine solche Entwicklung für möglich gehalten.Eingeleitet wurde der unaufhaltsame Rückzug der südafrikanischen Besatzer durch deren militärische Niederlage bei Cuito-Cuanavale in Angola. Denn mit dieser Niederlage war für alle Seiten der Mythos von der Überlegenheit oder gar der Unbesiegbarkeit der südafrikanischen Luftwaffe zerstört.Nicht weniger wichtig waren die Veränderungen auf Seiten der beiden Supermächte. Die Sowjetunion hatte ihre Bereitschaft zur friedlichen Regelung der großen Regionalkonflikte signalisiert. Die USA griffen dies auf, um ihre Linkage-Politik im südlichen Afrika doch noch verwirklichen zu können.Diese beiden Faktoren begünstigten die schwarze und weiße Opposition in Südafrika bis tief hinein in das burisch-konservative Lager. Südafrikas Kriegs-und Besatzungspolitik gegen Angola und Namibia forderte zu hohe menschliche und finanzielle Opfer. Trotzdem, alle bisherigen Erfahrungen mit Südafrikas Politik gegenüber den Nachbarn lehren: Südafrika bleibt weiterhin der unkalkulierbare Unsicherheitsfaktor in der weiteren Entwicklung des Unabhängigkeitsprozesses.Hier ist die Bundesregierung gefordert. Jahrelang hat sie, außer Lippenbekenntnisse abzugeben, nichts zur Verwirklichung der Resolution 435 unternommen. Jetzt möchte sie auf der Seite der Gewinner stehen. Noch vor weniger als vor einem Jahr hat sich der Koalitionspartner CSU massiv gegen die Einlösung der Resolution 435 gestellt. Ich bin nicht Ihrer Meinung, Herr Kollege Hornhues,
daß man jetzt nicht zurückschauen, sondern vergessen und nur nach vorne schauen soll. Nein, ich denke, man muß auch die Geschichte und die Entwicklung bis zum heutigen Tage berücksichtigen.
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9502 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Frau EidIn der ersten großen Afrika-Debatte des Bundestags nach der Verabschiedung der Resolution 435 am 18. Januar 1980 erklärte Dr. Jaeger für die CDU/CSU-Fraktion, es gehe in Namibia — ich zitiere — „nicht um die Vorherrschaft einer weißen Minderheit, sondern um die Frage: Demokratie oder Diktatur". Keiner der CDU/CSU-Redner ging in dieser Debatte auf das Selbstbestimmungsrecht des namibischen Volkes ein.Vergessen wollen wir auch nicht, daß der heutige Bundesminister Klein gemeinsam mit dem damaligen FDP-Abgeordneten Rumpf und dem CDU-Abgeordneten Hedrich und dem damaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Zeidler von der SPD an den Einsetzungsfeierlichkeiten der illegalen Interimsregierung teilgenommen hat. Daß Sie, Herr Minister Klein, heute morgen hier das Wort ergreifen — ich finde, da fehlt Ihnen ein bißchen Schamgefühl. Ich hätte erwartet, daß Sie heute zumindest ein kritisches Wort zu Ihren damaligen Tätigkeiten sagen.
Wir erinnern uns aber ebenso nur allzu deutlich, in welchen Hasensprüngen sich die damalige Bundesregierung z. B. kurz vor der Unabhängigkeit Zimbabwes „umorientiert" hat. Dieses opportunistische Schauspiel erleben wir jetzt wieder: jungfräulich und — schuldiges Augenklimpern auf allen Seiten, wenn in wenigen Tagen Sam Nujoma auch von Regierungsvertretern empfangen wird;
zugleich aber — wie auch vor der Unabhängigkeit Zimbabwes — eine besonders widerliche Hetzkampagne gegen die SWAPO.Da streuen CDU-Funktionäre wie etwa der Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Windhuk Parolen vom „absoluten Chaos und womöglich sogar Bürgerkrieg" nach der Unabhängigkeit. Namhafte CDU-und CSU-Politiker arbeiten mit der Bonner Filiale der Propagandaabteilung der völkerrechtswidrigen Interimsregierung zusammen. Da werden Greuelmärchen etwa über die mögliche Wirtschaftspolitik der SWAPO verbreitet, anstatt sich mit dem Positionspapier der SWAPO ernsthaft auseinanderzusetzen
— bevor Sie einen Zwischenruf machen, Herr Kollege Lowack — , das diese am 28. November vergangenen Jahres veröffentlicht hat.
Da werden Horrorgeschichten aufgetischt, die nur zur Kapitalflucht weißer Unternehmer führen sollen, anstatt den nüchternen Feststellungen etwa der Bundesstelle für Außenhandelsinformation zu folgen, die von „kurzfristigen Übergangs- und Anpassungsschwierigkeiten" spricht.Da wird von der bevorstehenden SWAPO-Diktatur geredet und bewußt unterschlagen, daß die SWAPOsich rechtsverbindlich auf die 1982 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen „Grundsätze für die Verfassunggebende Versammlung und für das Grundgesetz eines unabhängigen Namibia" gestellt hat, wo es u. a. heißt — ich zitiere, damit diejenigen, die nicht wissen, was die Resolution 435 bedeutet, endlich einmal informiert werden —:Eine Erklärung der Grundrechte hat folgendes einzuschließen: das Recht auf Leben, persönliche Freiheit und Freizügigkeit; Gewissensfreiheit; Meinungsfreiheit inklusive Rede- und Pressefreiheit; Versammlungsfreiheit, auch für politische Parteien und Gewerkschaften; das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren und Gleichheit vor dem Gesetz; Schutz gegen willkürliche Enteignung von Privateigentum oder Enteignung ohne gerechte Entschädigung; Schutz vor rassischer, ethnischer, religiöser oder geschlechtlicher Diskriminierung .. .Die Hetzkampagne ist unhaltbar. Die Glaubwürdigkeit der Liebeserklärungen der Bundesregierung an Namibia ist auch daran zu messen, wie sie mit solcher Propaganda umgeht.
Sie ist zweitens daran zu messen, ob die Bundesregierung nun all ihre Möglichkeiten nutzt, jeder Verzögerung oder anderen Störung des Unabhängigkeitsprozesses durch Südafrika entgegenzuwirken.Die bevorstehenden Monate bis zur schließlichen Unabhängigkeit des Landes sind voller Schwierigkeiten. Das haben die verschiedenen Redner schon gesagt. Auf einige konkrete Schwierigkeiten möchte ich kurz hinweisen.Erstens. Die vorgesehene Reduzierung der UNTAG: Wir sind strikt gegen diese Reduzierung und fordern gemeinsam mit dem Namibischen Kirchenrat die Beibehaltung der ursprünglichen Zahlen.
Zweitens. Es gibt heute bereits genügend Beispiele dafür, daß die südafrikanische Armee bzw. die sogenannten südwestafrikanischen Territorialstreitkräfte die Bevölkerung einzuschüchtern versuchen. Selbst Mordanschläge zur Einschüchterung der Wähler sind nach allen bisherigen Erfahrungen zu befürchten.
Drittens. Die südwestafrikanischen Territorialstreitkräfte mit ihren über 20 000 Mann müssen entwaffnet und aufgelöst werden.
Die Tatsache, daß es diese Marionettentruppen bei Verabschiedung der Resolution 435 noch nicht gab, kann nicht heißen, daß über deren Verbleib neu zu verhandeln wäre. Hierzu fordern wir eine eindeutige Stellungnahme der Bundesregierung.Viertens. Südafrika muß unverzüglich die noch fehlenden drei Kontrollposten entlang der angolanisch-
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Frau Eidnamibischen Grenze einrichten, damit das Treiben dort zur Unterstützung der UNITA beendet wird.Fünftens. 60 000 bis 100 000 rückkehrende Flüchtlinge werden in Namibia erwartet.
— Deswegen habe ich gesagt: 60 000 bis 100 000; bitte hören Sie genau zu. —
Das bringt unvorstellbare Probleme bei der Unterbringung und Versorgung dieser Menschen, die nun berechtigterweise an der Wahl ihrer eigenen Regierung teilnehmen wollen. Hier ist jede humanitäre Unterstützung von seiten der Bundesregierung zu geben.Sechstens. Südafrika hat jetzt schon angekündigt, daß es schikanöse Kontrollen bei der Einreise der Flüchtlinge durchführen will. Hier muß ein Riegel vorgeschoben werden. Weder die geforderten Geburtsnachweise sind zu akzeptieren noch die angekündigten AIDS-Tests.Ein klares Wort erwarten wir heute auch von der Bundesregierung zur Frage der Auslandsschulden der südafrikanischen Besatzungsmacht Namibias. Seit 1980 wurden 750 Millionen Rand bei Kreditinstituten außerhalb Namibias aufgenommen, um die südafrikanische Verwaltung in Namibia zu finanzieren. Hierfür hat die südafrikanische Regierung eine bedingungslose Garantie übernommen. Es kann nicht hingenommen werden, daß ein unabhängiges Namibia für diese Schulden seiner ehemaligen Besatzer aufkommen soll.Wenn schon die Bundesregierung nicht bereit ist, ihre Zusammenarbeit mit Südafrika zu beenden, dann muß sie zumindest unmißverständlich klarmachen, daß Südafrika selber für diese Schulden aufzukommen hat. Der Apartheidstaat ist mit 23 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet. 3 Milliarden davon sind im kommenden Jahr fällig, weitere 12 Milliarden ein Jahr später. Einer Umschuldung darf die Bundesregierung in keinem Fall zustimmen.Abschließend noch kurz zu den vorliegenden Anträgen: Der Antrag der Koalitionsparteien beschönigt den deutschen Anteil an dem Schicksal des namibischen Volkes und ist unzureichend. Es reicht nicht aus, festzustellen, daß sich die südafrikanische Regierung vor der Unabhängigkeit nicht aus der finanziellen Verpflichtung entlassen darf. Hier hätte vor allem ein klares Wort zur Schuldenfrage gesagt werden müssen.Unglaubwürdig ist z. B. die Betonung — ich zitiere aus dem Antrag — , „auch im Fall Namibia" für eine konsequente Menschenrechtspolitik einzutreten. Wo hat denn die von dieser Koalition getragene Regierung das bisher in Namibia getan? Sie haben geschwiegen. Dem Bundeskanzler war Namibia für seine Außenpolitik so belanglos, daß er in seiner Regierungserklärung zu Beginn dieser Legislaturperiode mit keinem Wort darauf eingegangen ist.Auch für den Antrag der SPD gilt: Beschönigung der deutschen Geschichte
und Einmischung in die souveränen Angelegenheiten eines zukünftigen unabhängigen Namibia.
Über unseren eigenen vorliegenden Antrag hinaus fordern wir zusätzlich und ganz konkret den Finanzminister auf, unverzüglich den freiwilligen Beitrag der Bundesrepublik zur Finanzierung der UNTAG auf 20 Millionen DM zu erhöhen und den Pflichtanteil in Höhe von 8,26 % umgehend anzuweisen.
Die Bundesregierung, die entgegen den Bestimmungen des Dekrets Nr. 1 jahrelang die Ausbeutung namibischer Ressourcen geduldet hat, muß einem unabhängigen Namibia Kompensationszahlungen für diesen Raubbau leisten bzw. diese bei den beteiligten Firmen und Banken erwirken.Vielen Dank.
Frau Abgeordnete Eid, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brück?
Nein.
Das wäre nicht angerechnet worden.
Das Wort hat der Abgeordnete Irmer.
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Brück, es ist natürlich sehr schwer: Wenn die Uschi Eid nicht so nett wäre, dann müßte man ja böse sein.
Aber Frau Eid, das kann man doch alles nicht ernst nehmen, was Sie da gesagt haben. Es ist wirklich Geschichtsklitterei schlimmster Sorte.
Sie tun damit auch der Sache überhaupt keine Gefallen.Damit bin ich gleich beim Punkt — Frau Eid, Sie haben es gesagt — : Endlich kommt etwas Erfreuliches an Nachrichten aus dem südlichen Afrika, und wir sollten uns alle darüber freuen.Jetzt reden wir einmal von dem Anteil, den die Bundesregierung an dieser Entwicklung gehabt hat! Die Bundesregierung und allen voran Bundesaußenmini-
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Irmerster Hans-Dietrich Genscher hat doch an der Resolution 435 über die ganzen Jahre beharrlich festgehalten.
Ich räume Ihnen ein, daß es auch in diesem Hause eine ganze Menge Widerstand gegen diese Resolution gegeben hat,
zum Teil von Menschen, denen die ganze Richtung nicht gepaßt hat, zum Teil von anderen, die einen Absprung gesucht haben, um davon wegzukommen, weil ihnen diese Resolution inhaltlich suspekt gewesen ist. Die historische Wahrheit dieser Vergangenheitsbewältigung gebietet es, glaube ich, daß man dies auch einmal ganz klar sagt. Ich möchte jedenfalls feststellen, daß sich kaum ein Politiker in der Welt so beharrlich und so mutig immer wieder für die Verwirklichung der Resolution 435 eingesetzt hat, wie unser Bundesaußenminister. Das muß doch der Ehrlichkeit halber hier einmal gesagt werden dürfen.
Zweitens meine ich, wir sollten auch der UNO dankbar sein. Wir haben erlebt, daß über die UNO immer hergezogen wurde — „machtlos", „einflußlos" — , daß man sie verlacht hat. Es zeigt sich in der letzten Zeit doch zunehmend, daß die UNO Erfolg hat. Auch hier muß man sagen: Die Bundesregierung und insbesondere wiederum der Bundesaußenminister haben immer auf die Karte der UNO gesetzt, die UNO immer unterstützt
und gegen Versuche in Schutz genommen, die Rolle der UNO herunterzuspielen oder zu verkleinern.Meine Damen und Herren, kommen wir von der Vergangenheit hin zu dem, was jetzt zu geschehen hat! Wir sollten zwischen zwei Phasen unterscheiden. Die erste ist die Überleitungsphase vom 1. April an, dem Beginn der Durchsetzung, der Verwirklichung der Resolution 435, bis zum Tage, an dem Namibia unabhängig wird, und die zweite ist die Zeit danach.In der Überleitungsphase kommt es darauf an, daß sich alle unmittelbar Beteiligten strikt an die Abmachungen in den New Yorker Vereinbarungen halten. Dies gilt insbesondere für Südafrika. Es muß jeder Versuch einer militärischen oder sonstigen Intervention unterbleiben. Ich möchte Südafrika schon heute davor warnen, mit Destabilisierungsversuchen das Spiel weiterzutreiben, das es über die Jahre hinweg mit anderen Nachbarn getrieben hat.
Die Mahnung geht aber auch an Kuba und an Angola. Die kubanischen Truppen müssen fristgerecht abgezogen werden. In Angola müßten sich die Parteien darum bemühen, friedliche Lösungen zu finden,
damit sich die in Aussicht genommene Namibia-Lösung auch positiv auf die innere Entwicklung Angolas auswirken kann.
Zur deutschen Beteiligung an den Überleitungsmaßnahmen möchte ich hier nichts mehr sagen; das ist schon gesagt worden. Für meine Fraktion möchte ich die Maßnahmen, die die Bundesregierung angekündigt hat, ausdrücklich begrüßen. Wir halten sie für gut. Wir sollten beobachten, ob sie auf Dauer ausreichend sind. Ich habe keinen Zweifel daran, daß die Bundesregierung hier zulegen würde, wenn sich die Notwendigkeit dazu herausstellen sollte.Ich möchte aber über die Zeit nach dem Tage der Unabhängigkeit noch ein paar Worte sagen. Es ist richtig, wenn Minister Klein gesagt hat, daß wir uns Namibia durchaus als ein Modell für konstruktive Entwicklungszusammenarbeit ausersehen sollten.
— Liebe Frau Eid, ich könnte mir kaum vorstellen, daß die Namibier es nicht wollen, wenn wir kommen und sagen: Wir bieten euch Zusammenarbeit an, um die ja einigermaßen ordentliche Infrastruktur dieses Landes zu erhalten, um sie auszubauen, um sie zu verbessern. Darauf kommt es doch an. Es hat doch keinen Sinn, hier zu sagen: Weil sie vielleicht andere politische Vorstellungen, weil sie vielleicht eine andere Ideologie haben, deshalb weisen sie unsere Entwicklungshilfe zurück. Frau Eid, das ist doch gerade das Problem. Ich muß jetzt wirklich einmal fast böse mit Ihnen werden.
Das ist doch das Problem. Sie sind doch immer diejenigen, die hier die Ideologie hereinbringen. Wir sagen doch: Wir machen Entwicklungszusammenarbeit
mit allen Ländern auf der Welt, die es nötig haben, ungeachtet ihres politischen Systems. Da muß ich die Einschränkung machen, daß natürlich brutale und systematische Menschenrechtsverletzungen Ausnahmen rechtfertigen. Deshalb sage ich jetzt auch an die Adresse des Ministers Klein: Es wird höchste Zeit, daß wir die Entwicklungszusammenarbeit mit Angola ganz massiv aufnehmen.
— Zu Nicaragua habe ich letzte Woche geäußert, daß es die Bedingungen jetzt erfüllen soll. Das ist aber jetzt nicht das Thema.
Herr Abgeordneter Irmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Eid?
Wird das auf die Zeit angerechnet?
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Nein.
Ich bedanke mich. Außerdem muß ich es eigentlich gestatten, nachdem ich sie so angemacht habe.
Herr Kollege, sehen Sie einen Unterschied zwischen den folgenden beiden Formulierungen: „Wir machen aus Namibia einen Modellfall bundesdeutscher Entwicklungshilfe" und: „Wenn die Namibier es wollen, dann bieten wir ihnen an, sie zu unterstützen, damit sich ihr unabhängiges Land zum Besten hin entwickelt" ? Sehen Sie darin einen Unterschied?
Liebe Frau Eid, ich sehe selbstverständlich den Unterschied.
Ich sage sogar, daß die zweite Formulierung wesentlich besser ist. Ich bitte aber um Verständnis: Es verfügt ja nicht jeder über Ihre Sprachgewalt, ich zumindest nicht.
Ist die Frage damit befriedigend beantwortet?
— Die habe ich ja gelesen.
Wir sind für das Modell für Entwicklungszusammenarbeit. Die Voraussetzungen sind günstig. Ich bin auch der Meinung, daß wir schon jetzt im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft Namibia ganz klar ankündigen sollten, daß es nach der Unabhängigkeit als Partner des Lomé-Abkommens hochwillkommen sein wird.
Die wichtigste Voraussetzung dafür, daß auch eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung Namibias auf Dauer erwartet werden kann, ist aber, daß der innere Friede im Land geschaffen und gesichert werden kann und daß die Wunden der Vergangenheit geheilt werden können. Hier trägt insbesondere die SWAPO, die stärkste politische Kraft in Namibia, ein hohes Maß an Verantwortung.
Ich möchte hier eigentlich das Beispiel eines anderen Landes empfehlen, das erst vor kurzer Zeit die Unabhängigkeit erlangt hat: Simbabwe. Zwar sind nicht alle Hoffnungen in Erfüllung gegangen, die man an das unabhängige Simbabwe geknüpft hatte — zum Teil auch wegen der Destabilisierungsversuche seitens Südafrika —,
trotzdem war die Basis der Politik des unabhängigen Simbabwe von Anfang an die Aussöhnung, reconciliation. Mugabe hat allen Bevölkerungsgruppen im Lande, auch früheren Gegnern, auch Minderheiten, die Hand zur Versöhnung hingestreckt und hat versucht, allen im Land eine Hoffnung und eine Zukunft zu geben. Daran sollte sich Sam Nujoma ein Beispiel nehmen.
Wenn auf diese Weise das unabhängige Namibia zu einem Modell werden kann, dann meine ich: Es könnte auch ein Modell für das Funktionieren einer gemischtrassigen Gesellschaft werden, in der die Menschen- und auch Minderheitenrechte gewahrt werden.
Das wiederum hätte dann nämlich ganz entscheidende Auswirkungen auch auf die Situation innerhalb der Republik Südafrika. Dies könnte nämlich dort von der weißen Mehrheit, von den Vernünftigen innerhalb der weißen Mehrheit zum Anlaß genommen werden, zu sagen: Bitte, so geht es auch. Es könnte diejenigen, die immer sagen, ob ein Mensch gut oder schlecht ist, ob er Rechte haben darf oder nicht, hänge von der Hautfarbe ab, dazu bringen, anzuerkennen: Ja, die Schwarzen können es auch, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. — Und es ist möglich, daß Menschen verschiedener Hautfarbe friedlich miteinander leben.
Machen wir uns doch nichts vor: Wir freuen uns über die neuen Entwicklungen in und um Namibia, aber das südliche Afrika wird erst dann zur Ruhe kommen, wenn das Apartheidregime endgültig und restlos beseitigt ist.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Das Wort hat Staatsminister Schäfer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 1. April 1989 ist der Tag, an dem die Anwendung der Resolution 435 und des hierauf gestützten westlichen Lösungsplans für Namibia beginnt. Damit ist die Unabhängigkeit Namibias endlich in greifbare Nähe gerückt.Der Weg dahin war nicht einfach, Frau Kollegin Eid. Gewalt und regionaler Unfrieden, Rückschläge und oftmals enttäuschte Hoffnungen auf schnelle Lösungen waren die Etappen eines zehnjährigen Weges, der von der Erarbeitung der Resolution 435 1978 bis zu der am 16. Februar 1989 beschlossenen Ermächtigungsresolution des Sicherheitsrates geführt hat.Die Bundesregierung hat diesen historischen Prozeß von Anfang an aktiv und konstruktiv begleitet. Herr Kollege Irmer, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie insbesondere auf die Rolle von Bundesaußenminister Genscher hingewiesen haben.
Er war zusammen mit den Außenministern der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas sowohl einer der Väter dieser Resolution als auch einer der Initiatoren des diese Resolution ergänzenden westlichen Lösungsplans.Wir haben, ungeachtet aller Schwierigkeiten — wenn ich in die Besucherloge sehe, dann weiß ich, wovon ich bei dem Begriff „Schwierigkeiten" rede —, die uns hier gemacht worden sind, an diesem Plan entschlossen festgehalten und unbeirrt auf seine Ver-
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Staatsminister Schäferwirklichung hingearbeitet. Die Entwicklung bestätigt, daß eine erfolgreiche Politik eine klare Konzeption und einen langen Atem verlangt. Die Resolution 435 und der Lösungsplan entsprechen in allen Teilen einem verpflichtenden Grundprinzip demokratischer Politik: der Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes des namibischen Volkes.Dieses Ziel hat die Bundesregierung zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren. Die Resolution 435 wurde überdies stets von der überwältigenden Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen unterstützt und getragen. Die Interimsregierungen, die uns gelegentlich angedient wurden, konnten nie eine Alternative zur Unabhängigkeit Namibias sein.
Wir können jetzt sagen: Wenn die Unabhängigkeit Namibias jetzt mit dem Beginn der Implementierungsphase der Resolution 435 in Sichtweite gerückt ist, so ist dies nicht zuletzt auch ein Erfolg kontinuierlicher deutscher Außen- und Afrikapolitik.Unsere Genugtuung über die jetzt bevorstehende Namibia-Lösung darf uns allerdings nicht den Blick für die fortdauernden Probleme in der Region verstellen. Der Abzug der südafrikanischen und kubanischen Soldaten aus Angola bringt diesem Land noch nicht den inneren Frieden.
Das Vertragswerk von New York sieht vor, daß es in Angola keine fremden Militärinterventionen mehr geben soll. Nach wie vor stehen sich Angolaner aber in einem blutigen Bürgerkrieg gegenüber. Angola erhält jetzt jedoch die Chance, seine inneren Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Wir hoffen, daß der Bürgerkrieg in Angola, der bereits so viele Menschenleben gefordert und ein ganzes Volk ins Unglück gestürzt hat, schnell beendet wird.
Wir unterstützen alle Bemühungen, insbesondere der afrikanischen Regionalstaaten, zur Herbeiführung des Friedens in Angola. Dieses Ziel, Frau Kollegin Eid, wäre leichter zu erreichen, wenn jede militärische Unterstützung von außen beendet würde.
Dies gilt sowohl für Waffenlieferungen und militärische Unterstützung an die MPLA-Regierung als auch für die UNITA.Das namibische Volk soll Anfang 1989 in freien, fairen und international überwachten Wahlen — meine Damen und Herren, es klang ja heute morgen an: das heißt es erst noch sicherzustellen; Herr Kollege Toetemeyer, auch wir sehen hier manche Klippe, die noch zu überwinden ist — eine verfassunggebende Versammlung wählen, die über die zukünftige staatliche und gesellschaftliche Ordnung entscheiden soll. Wir vertrauen darauf, daß diese Staatsordnung entsprechend den Verfassungsprinzipien gestaltet wird, die von der Kontaktgruppe erarbeitet und von den Vereinten Nationen, der SWAPO und Südafrika anerkannt worden sind. Das unabhängige Namibia wird eine demokratisch legitimierte Regierung erhalten. Es braucht eine Verfassung, die von Pluralismus, Recht und Demokratie getragen wird.
Südafrika wird gemäß dem Lösungsplan während der Übergangszeit bis zur Unabhängigkeit für eine geordnete Verwaltung Namibias verantwortlich sein. Dazu gehört auch die Sicherstellung der finanziellen Grundlagen
für eine funktionierende öffentliche Verwaltung.
Meine Damen und Herren, dieser Verantwortung kann und darf sich Südafrika weder unter Hinweis auf eigene Haushaltsprobleme noch unter Hinweis auf internationale Schulden noch unter irgendeinem anderen Vorwand entziehen.
Die Bundesregierung hat sich immer zu einer besonderen Verantwortung für Namibia bekannt. Unsere Beteiligung an der westlichen Kontaktgruppe, die Periode deutscher Kolonialherrschaft in Namibia und nicht zuletzt die beträchtliche deutsche und deutschstämmige Minderheit sind die Gründe für diese Haltung.Die Bundesregierung wird — darauf hat der Kollege Klein hingewiesen — durch ihre finanziellen und personellen Beiträge sowie durch Sachleistungen die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen nach besten Kräften unterstützen. So werden wir unseren Pflichtbeitrag für die Kosten der — wie es so schön heißt — United Nations Transition Assistance Group, UNTAG, in voller Höhe unverzüglich bereitstellen.
— Die Mittel stehen schon bereit.Zusätzlich stehen uns noch Mittel für freiwillige Leistungen zur Verfügung. Davon werden Kraftfahrzeuge geliefert. Sie werden noch im März, also vor Beginn der Implementierung von Resolution 435, in Namibia eintreffen. Weiter bemühen wir uns, zur Wartung des Wagenparks von UNTAG Kfz-Mechaniker zur Dienstleistung bei den Vereinten Nationen zu entsenden. Auch das ist auf dem Wege. Darüber hinaus haben wir dem UN-Sekretariat angeboten, uns an der Wahlbeobachtergruppe der Vereinten Nationen zu beteiligen.Die Rückführung der namibischen Flüchtlinge in ihre Heimat ist ein weiteres besonderes Problem. Die Bundesregierung prüft deshalb, ob weitere Mittel für einen freiwilligen Beitrag zu dem Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen bereitgestellt werden können.
Ab Anfang März 1989, also schon in wenigen Tagen, werden wir eine diplomatische Beobachtermis-
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Staatsminister Schäfersion in Windhuk errichten, um den Unabhängigkeitsprozeß vor Ort zu verfolgen.
Diese Entscheidung soll auch der Vertrauensbildung in der schwierigen Zeit des Übergangs zur Unabhängigkeit dienen.Die mit der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 16. Februar 1989 endgültig beschlossene Verwirklichung des Friedensplans für Namibia bedeutet einen tiefen Einschnitt in der Geschichte dieses Landes. Erforderlich ist die Schaffung von Vertrauen über ethnische und politische Grenzen hinweg, damit in Namibia ein Staat entstehen kann, in dem Menschen verschiedener Rassen und unterschiedlicher Stammeszugehörigkeit friedlich zusammenleben können.Die Bundesregierung hat stets den Dialog mit allen politischen Kräften Namibias gefördert und selbst den Dialog mit ihnen gesucht und geführt. Wir werden diese Politik fortsetzen. Wir wollen ebenso mit der SWAPO wie mit den anderen Parteien in Namibia sprechen. Wir messen den Gewerkschaften, den Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppen wie z. B. der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester eine bedeutende Integrationskraft zu.
Sie ist unerläßlich, um Ausgleich und Versöhnung in Namibia zu erreichen.Vorhin ist auf die Übergangsphase in Rhodesien/ Simbabwe hingewiesen worden. Da waren ja einige Kollegen und ich als Beobachter dabei. Dort haben uns am Abend vor der Wahl einige gesagt: Wenn Mugabe gewinnt, werden wir das Land verlassen. Ich glaube, man sollte aus der Entwicklung in Afrika lernen. Solche Befürchtungen sind sicher auch in diesem Falle übertrieben. Man soll bleiben, und man soll daran mitwirken, daß ein Zusammenwirken aller Kräfte in Namibia zustande kommt,
statt schon vorher sozusagen die Flinte ins Korn zu werfen, wenn die Partei, die einem nicht liegt, gewählt wird.
Das wäre der falsche Weg.Man kann schon jetzt sagen: Wer auch immer die Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung für sich entscheiden kann, er trägt eine große Verantwortung für die Entwicklung der namibischen Gesellschaft zu Pluralismus und Demokratie und damit für die Zukunft des Landes. Die Verfassungsprinzipien, die 1982 einvernehmlich von allen Beteiligten vereinbart worden sind — sie wurden vorhin verlesen —, bilden ein solides Fundament für eine demokratische Verfassungsentwicklung Namibias. Es ist nun an den Parteien Namibias, diesen Rahmen in einer Weise auszufüllen, daß die Voraussetzungen für eine friedliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft Namibias geschaffen werden.Noch ein Wort zur Rolle der Deutschen und der Deutschstämmigen in Namibia: Wir wollen, daß sie in diesem Lande bleiben.
Wir hoffen, daß sie ein dynamisches Element einer neuen namibischen Nation werden. Es wird dabei das Anliegen der Bundesregierung sein, ihnen zu helfen, ihre kulturelle Identität zu bewahren.
Herr Kollege Lowack, ich weiß, daß das Ihnen persönlich ein besonders großes Anliegen ist.Die Bundesregierung hat die Absicht, mit einem unabhängigen Namibia intensiv und eng zusammenzuarbeiten. Hierauf bereitet sich die Bundesregierung derzeit vor. Sie bereitet ein Programm vor, das nach Inhalt und finanziellem Einsatz der Größenordnung unseres politischen Engagements für das unabhängige Namibia gerecht wird. Sie soll sich auf die Bereiche der politischen Zusammenarbeit, der Entwicklungshilfe und der wirtschaftlichen Kooperation sowie auf eine möglichst umfassend angelegte kulturelle Zusammenarbeit erstrecken.Wir rechnen auf eine breite Zustimmung und Unterstützung zu diesen Plänen im Deutschen Bundestag. Wir alle wollen, daß Namibia ein geachtetes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft wird und ein Beispiel gibt für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Rassen. Eine solche Entwicklung Namibias wird zugleich ein wichtiges Signal für die innere Entwicklung Südafrikas setzen.Die Bundesregierung wird alles in ihren Kräften Stehende tun, dazu beizutragen, dieses Ziel zu erreichen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Verheugen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Raum haben wir ganz besonderen Anlaß, sehr sorgfältig mit der deutschen Geschichte umzugehen, Frau Kollegin Eid; darum muß ich mich noch einen kurzen Augenblick mit Ihrem Vorwurf der Verharmlosung der deutschen Kolonialgeschichte in Namibia auseinandersetzen.
In dem Antrag Ihrer Fraktion, Frau Eid, steht zum Punkt der deutschen Kolonialgeschichte in Südwestafrika folgender Satz:Diese Verantwortung ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, daß das Deutsche Reich es war, das mit der Kolonisierung des damaligen Südwestafrika vor über 100 Jahren den Grundstein für die bis heute bestehende Fremdherrschaft legte, und daß immer noch viele deutschsprachige Menschen dort leben.
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9508 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
VerheugenDas ist alles, was in Ihrem Antrag zu diesem Thema steht.
Im Antrag der SPD heißt es:Von 1884 bis 1918 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im damaligen Deutsch-SüdwestAfrika. In dieser Zeit hat es im Kolonialkrieg von 1904 bis 1907 mehr als ein Viertel der Menschen des Herero-Stammes ausgerottet, Zehntausende von Namas umgebracht und die Überlebenden total unterworfen.— Frau Eid, in welchem Antrag wird die deutsche Kolonialgeschichte in Südwestafrika verharmlost, in Ihrem oder in unserem?
Aber wir brauchen uns darüber nicht zu streiten. Ich weiß ja, daß wir beide uns einig sind, daß am Anfang der neueren Geschichte dieses unglücklichen Landes ein Völkermord gestanden hat und daß für diesen Völkermord eine Politik verantwortlich war, die immer noch mit einem ganz gefährlichen Mythos umgeben ist, dem Mythos der deutschen Kolonialgeschichte, die heute noch immer so dargestellt wird, als sei sie besser gewesen als die der anderen Kolonialmächte. Ich glaube, wir sollten das vergessen: Sie ist nicht nur nicht besser gewesen, sondern sie hat sich durch besondere Grausamkeit, durch besondere Menschenverachtung ausgezeichnet.Das muß hier festgestellt werden, weil anders kaum zu verstehen ist, warum wir auch heute noch eine wirklich ganz besondere, auch moralische Verantwortung für dieses Land, Namibia, und seine Menschen empfinden müssen und warum das nicht einfach in Mark und Pfennig ausgedrückt werden kann.Meine Damen und Herren, man wagt es kaum zu glauben, aber man muß es wohl, wenn hier alle Fraktionen und die Bundesregierung so übereinstimmend den Prozeß, der in Gang gekommen ist, loben und sich zu ihm bekennen. Trotzdem frage ich mich: Haben wir in den letzten Jahren denn geträumt? Ist das alles gar nicht wahr gewesen, was es hier an Diskussionen gegeben hat?Hier sitzen eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, deren Äußerungen in dem Werk des von Südafrika finanzierten fleißigen Public-Relations-Büros „Namibia Information Office" dokumentiert sind; zu Dutzenden sind Sie dort zitiert, wie Sie alle die Resolution 435 für überholt und falsch erklären und die Bundesregierung kritisieren, daß sie daran festhält. Ich frage mich: Woher kommt der plötzliche Meinungswandel?Tatsache ist jedenfalls, daß die in den 70er Jahren konzipierte Namibia-Politik der Bundesregierung, die damals zur Resolution 435 und zur Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in der Kontaktgruppe geführt hat, in den letzten Jahren von der Opposition dieses Hauses gegen Widerstand aus den Regierungsfraktionen verteidigt werden mußte; so ist es gewesen.
Sie werden sich selber damit noch auseinandersetzen müssen, wie Sie damit umgehen wollen, wenn Sam Nujoma als Präsident von Namibia nach Bonn kommt — ich hoffe, daß er kommt — und wenn er sich dann natürlich daran erinnert, welche Diskussionen es hier bei früheren Besuchen gegeben hat — Herr Bötsch liest so interessiert die Zeitung; Sie wissen, daß ich Sie meine —, wer hier den künftigen Präsidenten dieses Landes als Mörder und Terroristen bezeichnet hat, wer noch im vergangenen Jahr hier auf den Straßen in Bonn Demonstrationen organisiert und Flugblätter gegen den Terroristen Nujoma und die SWAPO verteilt hat.
— Nein, nicht Sie persönlich. —
Nein, Sie sollten das nicht so ohne weiteres abtun; denn das wird Ihnen in der vor Ihnen liegenden Zeit noch Schwierigkeiten machen.
Wir können es Ihnen nicht durchgehen lassen, daß Sie hier heute so tun, als sei die Politik der Koalitionsfraktionen in irgendeiner — auch nur der geringsten — Weise dafür ursächlich, daß das Volk von Namibia nun die Chance zur Unabhängigkeit bekommt.
Es ist gegen Ihren Willen geschehen; Sie haben etwas anderes gewollt.
Und wenn Sie es nicht glauben wollen: Dem Deutschen Bundestag
— das gilt auch für Sie, Kollege Irmer —
haben in den letzten Jahren Dutzende von Anträgen vorgelegen, in denen der Bundestag dazu aufgefordert worden ist, sich zur Resolution 435 zu bekennen.
Nicht eine einzige dieser Resolutionen hat eine Mehrheit in diesem Bundestag gefunden,
auch nicht die Stimmen Ihrer Fraktion, Herr Irmer.
Herr Abgeordneter Verheugen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Irmer?
Aber gerne!
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Herr Kollege Verheugen, können Sie mir einmal, nachdem Sie das soeben so pauschal gesagt haben, so ein, zwei, drei, vier Zitate nennen, in denen aus den Reihen der FDP etwas gegen die Resolution 435 gesagt worden wäre? Es wäre doch ganz nett, wenn man solche Behauptungen belegen könnte, wenn man sie schon aufstellt.
Ja selbstverständlich! Die Äußerungen Ihres früheren Kollegen und heutigen Staatssekretärs in Rheinland-Pfalz, Rumpf, in dieser Hinsicht
sind in vielen Publikationen des Namibia Information Office dokumentiert.
— Ja. Die ergibt sich — —
— Herr Kollege Irmer, das ergibt sich daraus, daß sich auch Ihre Fraktion nicht in der Lage gesehen hat, im Bundestag Anträgen zuzustimmen, in denen es um die Unterstützung der Resolution 435 gegangen ist. Ich meine, wir kennen ja die Regeln des Geschäfts. Ich weiß auch, daß Ihr Grund dafür gewesen ist, daß Sie hier nicht mit wechselnden Mehrheiten operieren wollen. Aber Sie sollten nicht so tun, als seien Sie die großen Kämpfer gewesen,
während in Wahrheit innenpolitische, taktische Rücksichtnahmen Sie davon abgehalten haben, sich hier im Bundestag zu dem zu bekennen, was Sie für richtig halten.
Meine Damen und Herren, es ist in dieser Frage nach wie vor Wachsamkeit geboten. Die Republik Südafrika ist ja, was das Verhältnis zu ihren Nachbarn angeht, nicht gerade als besonders vertragstreu bekannt. In der vergangenen Woche hat es in Harare eine Zusammenkunft der Präsidenten der Frontstaaten mit den Führern der Befreiungsbewegungen in Anwesenheit von sozialdemokratischen Parteien aus Europa gegeben. Bei dieser Gelegenheit haben die Präsidenten von Zimbabwe, Sambia, Botswana und Mosambik ihre Erfahrungen mitgeteilt und sich mit der SWAPO intensiv unterhalten. Bei den schwarzen Führern in der Region überwiegt Skepsis.Und ich denke, dazu haben sie allen Anlaß. Denn das Verhalten der südafrikanischen Regierung ist ja jetzt schon mehr als zweifelhaft. Ich finde es sehr merkwürdig, daß die südafrikanische Regierung an der Finanzierung eines unabhängigen Namibia— auch in der Übergangsperiode — nicht mehr mitwirken will, nachdem sie dieses Land jahrzehntelang ausgebeutet hat,
bis an die Grenzen des Raubbaus und darüber hinaus. Es wird sich ja erst noch zeigen müssen, was für wirtschaftliche Möglichkeiten und Überlebenschancen das unabhängige Namibia überhaupt noch hat, was die Südafrikaner überhaupt übriggelassen haben werden.Es ist richtig, daß darauf hingewiesen wurde, daß in diesem Zusammenhang auch die Bundesrepublik nicht sehr gut dasteht. Ich habe es, Herr Kollege Schäfer, immer für einen Mangel der von mir an sich für richtig gehaltenen Namibia- und Südafrikapolitik Ihrer Seite gehalten, daß Sie nicht bereit gewesen sind, das Dekret Nr. 1 des Namibia-Rates der Vereinten Nationen und diesen Namibia-Rat der Vereinten Nationen selbst in seiner völkerrechtlichen Verantwortung für Namibia zu akzeptieren. Wir würden heute besser dastehen, wenn wir es getan hätten.
Und unsere Chancen, mit denjenigen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, die in Namibia die Politik künftig bestimmen werden, wären sicher etwas besser.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einiges über entwicklungspolitische Zusammenarbeit gesprochen. Das war sicher notwendig. Aber wir wollen nicht übersehen, daß es natürlich auch politische Einwirkungsmöglichkeiten jenseits der Entwicklungshilfe gibt. Wir haben ja in unterschiedlichem Ausmaß Kontakte nach Namibia. Ich habe schon beobachtet, daß der Reiseverkehr der jüngsten Zeit wieder ziemlich hektisch gewesen ist. Das ist auch nicht schlimm, wenn wir uns dabei darüber einig sind, daß wir, jeder auf seine Weise und jeder mit den Gesprächspartnern, die er hat, gute Dienste in Namibia leisten wollen.Wir sind dazu bereit, mit der SWAPO, mit der uns eine sehr lange Zusammenarbeit verbindet, mit der wir regelmäßige vertrauensvolle Kontakte haben, sehr ernsthaft auch in der Zukunft zu reden und, wenn sie unseren Rat annehmen will, ihr den Rat auch zu geben, den wir jetzt für richtig halten, nämlich den, mit allen Kräften in Namibia dafür zu sorgen, daß eine demokratische und pluralistische Gesellschaft entsteht, daß Namibia nicht den Weg einer Einparteiendiktatur geht, sondern daß es wirklich ein Modell einer demokratischen, nichtrassistischen Zusammenarbeit wird.
Wir sind bereit, das zu tun, obwohl ich durchaus weiß, daß eine gewisse Zumutung für die SWAPO darin liegt, wenn sie sich von uns Ratschläge anhören soll, nachdem sie allzulange auf Unterstützung durch die offizielle Politik dieses Landes hat warten müssen.Was die andere Seite angeht: Der Kollege Schäfer hat mit Recht auf die positive Rolle hingewiesen, die die Interessengemeinschaft der deutschsprachigen Südwester spielen kann. Ich teile Ihre Meinung. Ich glaube, da können sie eine Menge tun. Und hier sehe ich einige andere, die haben noch andere Kontakte in
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9510 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
VerheugenNamibia. Auch die können sicher eine Menge dafür tun, daß es eben nicht zu dem kommt, was der eine oder andere vielleicht eben doch wünscht,
daß die Weißen das Land verlassen oder daß die Flinte doch wieder aus dem Schrank genommen wird, so daß man jedenfalls nach ein paar Jahren sagen kann: Namibia ist den Weg der ganzen Region gegangen. Namibia hat mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie Angola und Mosambik.Wir müssen ja diese Namibia-Frage ganz sicherlich im Kontext der gesamten Politik im südlichen Afrika sehen. Für die Republik Südafrika ist das, was jetzt geschieht, wirklich eine Flammenschrift an der Wand. Vor ein paar Jahren noch war Südafrika von kolonialen Territorien umgeben. Inzwischen ist die Apartheid auf das Kernland Südafrika selbst zurückgedrängt. Die Luft zum Überleben für die Apartheid wird dünner; daran kann es keinen Zweifel geben. Es kann ein weiteres positives Modell entstehen, so daß sich die Weißen in Südafrika fragen werden: Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn die Schwarzen in diesem Land gleiche politische, soziale und ökonomische Rechte hätten?Wir müssen uns vor einer falschen Einschätzung der Lage in Südafrika heute hüten. Südafrika verdient in meinen Augen für die Zustimmung zur Namibia-Lösung keinen internationalen Kredit und kein Honorar. Sie haben das nicht getan, weil sie zu einer besseren Einsicht gekommen wären, sondern sie haben es gemacht, weil die politischen und ökonomischen Kosten des Krieges in Angola und Namibia für Südafrika selber nicht mehr vertretbar gewesen sind. Es wäre ganz fatal, wenn wir der südafrikanischen Propaganda auf den Leim gingen, die sagt: Na, seht doch, wir sind in Südafrika doch schon ganz vernünftig geworden. Angola, Namibia haben wir gemacht. Die Sharpeville Six haben wird begnadigt, und im Delmas-Prozeß hat es auch keine Todesurteile gegeben. — Dem muß man entgegenhalten, daß gerade dieser letzte Prozeß jede bisher legale Opposition in Südafrika gegen das Apartheidssystem für kriminell erklärt hat.Es ist richtig, was Herr Schäfer und auch Herr Irmer gesagt haben: Das Problem in der Region ist größer als das der Unabhängigkeit Namibias. Eine friedliche Zukunft für Namibia, eine friedliche Zukunft für die ganze Region südliches Afrika kann es nur geben, wenn es einen substantiellen, grundlegenden Wandel in Südafrika selber gibt. Südafrika ist die Quelle der Gewalt, des Unfriedens und der Unfreiheit in diesem Teil der Welt. Da muß die Politik geändert werden. Dann kann auch Namibia die Chance zu einer glücklichen Zukunft haben.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, eine Klarstellung sollten wir vorweg treffen: Am deutschen Wesen soll die Welt mit Sicherheitnicht genesen, auch in Namibia nicht. Es ist nur umgekehrt so, daß es eine Flucht aus weltpolitischer Verantwortung für einen Staat, dessen Lebensstandard vom Export abhängt, ebensowenig geben darf.
Heute haben wir uns unserer besonderen Verantwortung in Namibia zu stellen. Wir sind — und wir preisen uns deswegen selig — keine Kolonialmacht. Aber wir waren einmal eine und haben Spuren hinterlassen. Unsere Geschichte beginnt weder mit 1949 noch mit 1919, noch übrigens mit 1870, was heute nicht nur die Reden von Herrn Bundesminister Klein, von Herrn Toetemeyer und von Ihnen, Frau Eid, gezeigt haben, im Guten wie im Bösen. Ich fand es beeindruckend, wie deutlich geworden ist, daß Geschichte nichts Versteinertes ist, sondern in die heutige Politik fortwirkt.Unsere besondere Verantwortung für Namibia brauchen wir aber nicht so lange zurückzuverfolgen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich insbesondere im Rahmen der westlichen Kontaktgruppe besonders für das Zustandekommen und die Implementierung der UN-Resolution 435 eingesetzt. Sie trägt nun auch Mitverantwortung für das Gelingen der Aktion.
Natürlich tragen wir auch geschichtliche Verantwortung aus unserer kolonialen Zeit. Wir tragen schließlich Verantwortung für eine beachtliche deutschstämmige Minderheit, der wir helfen wollen, ein konstruktives Element beim Aufbau eines unabhängigen Namibia zu werden.
Niemand Politik- und Geschichtsbewußter wird eine besondere, eine Schwerpunktverantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia glattweg verneinen wollen, wird uns vorschlagen, hier nicht mehr engagiert zu sein als irgendwo anders.Wenn wir nun aber schon besondere Verantwortung tragen, dann treffen wir auf einen einmaligen Glücksfall. Entwicklungspolitik hat einen langen Weg von Versuch und Irrtum hinter sich. Wie oft hätten wir gerne noch einmal angefangen, um Irrwege zu vermeiden, die begrenzten Finanzmittel besser einzusetzen und vernachlässigte Fragen des soziokulturellen Umfeldes einzubeziehen. Hier ist die Chance. Hier können wir — vorausgesetzt, die künftigen Partner wollen dies, Frau Eid — zeigen, daß wir aus Erfahrungen gelernt haben. Dann können wir erfolgversprechende Modelle realisieren. Wir würden damit nicht nur Namibia-helfen, sondern auch Mißtrauen im benachbarten Südafrika abbauen.
Herr Kollege Toetemeyer, natürlich gibt es in Südafrika Leute, die meinen: Herrlich, wenn der Fall mißlingt; dann ist die Wagenburg um so wirksamer! — Aber wir dürfen nicht vergessen, daß es in Südafrika auch viele gibt, die mit Hoffnung auf dieses Modell schauen. Das möchte ich hinzugefügt haben.Vielleicht darf ich eine kleine Bemerkung dazumachen. Herr Kollege Toetemeyer — man darf das über
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Graf von Waldburg-ZeilParteigrenzen hinweg sagen —, mir hat Ihr Vortrag ganz ausgezeichnet gefallen. Man merkt, daß Sie von dieser Region nicht nur viel wissen, sondern auch ein bißchen mit dem Herzen daran hängen. Deshalb haben Sie es vermieden, innenpolitischen Streit in diese wichtige außenpolitische Frage zu tragen.
Hier könnte das Beispiel gelingen, daß viele Gruppen harmonisch miteinander leben und zum Wohle aller zusammenwirken. Wir könnten den friedlichen Wiederaufbauprozeß in Angola fördern. Wir könnten Impulse für das gesamte südliche Afrika setzen helfen.Ein weiterer Glücksfall kommt hinzu. Ohne die Amerikaner und ohne die Sowjetunion — das möchte ich ganz ausdrücklich sagen — hätte die UNO-Resolution 435 weiter vergeblich auf ihre Verwirklichung gewartet. Herr Verheugen, ich glaube, man sollte hier eines dazusagen: Wenn es diese außenpolitische Sternstunde nicht gegeben hätte, hätte es sein können, daß es noch sehr lange gedauert hätte. Was bei uns immer wieder diskutiert worden ist, war die Frage: Was machen wir während dieser Zeit? Können wir da gar nichts tun? Oder können wir nicht z. B. mit freien Trägern anfangen, diesem Lande zu helfen?
Beide Weltmächte wollen Frieden in dieser Region. In solcher Atmosphäre kann Entwicklungszusammenarbeit auch Früchte tragen.Nun ist gewiß kein Grund zur Euphorie gegeben. In Namibia stehen sich viele Gruppen mit Mißtrauen gegenüber. Dieses Mißtrauen abbauen zu helfen ist die zunächst wichtigste Aufgabe, an der auch wir uns beteiligen sollten, und zwar von allen Seiten her. Wir wollen weiterhin Kontakte und Gespräche zwischen allen politischen Kräften Namibias fördern. Wir wollen auf die Garantie der Menschenrechte sowie auf die Einhaltung der in den Verfassungsprinzipien von 1982 festgelegten Grundsätze rechtsstaatlich-demokratischer Verhältnisse drängen. Wir wollen das Überparteilichkeitspaket der Vereinten Nationen für die Parteien und Organe der UNO auch für uns selbst ernst nehmen. Ich meine, wir sollten, da sich die Situation geändert hat, vielleicht auch den Kirchen empfehlen, jetzt neutral zu sein.Mißtrauen herrscht in Namibia aber nicht nur zwischen Gruppen und Parteien. Es geht auch Angst um, zwar feierlich von vielen in die Unabhängigkeit begleitet zu werden, aber dann wirtschaftlich hängengelassen zu werden. Wir müssen deshalb auch Mitverantwortung dafür übernehmen, die wirtschaftlichen Grundlagen Namibias zu erhalten und auszubauen, und wir müssen uns unverzüglich darauf vorbereiten, sofort nach Implementierung der Resolution 435 in den Dialog mit der frei gewählten Regierung Namibias einzutreten und, wenn diese es will, in diesem Lande einen Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit zu setzen und es vom Erfolg her zu einem besonderen Modellfall deutscher Entwicklungshilfe zu machen. Aber es geht nicht darum, diesem Land etwas aufzuoktroyieren.Ich freue mich, daß neben dem Antrag der Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP auch die SPD und die GRÜNEN in eigenen Anträgen auf unsere besondere Verantwortung hingewiesen haben. Die Anträge differieren hinsichtlich der Begründung dieser Verantwortung, ergeben aber insgesamt gesehen eine sehr positive Schnittmenge in der politischen Willensbekundung, Namibia nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zu unterstützen.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Anträge auf den Drucksachen 11/3934 und 11/3996 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Weiter ist interfraktionell vereinbart worden, daß über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN — „Förderung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia" — , anders als in der Tagesordnung vorgesehen, sofort abgestimmt werden soll.Ich nehme diesen Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vier Ja-Stimmen für den Antrag der GRÜNEN und ohne Enthaltungen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1989— Drucksache 11/4027 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für WirtschaftHaushaltsausschuß mitberatend und gem. § 96 GOb) Beratung der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes
Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1989 und zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung— Drucksache 11/3735 —
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Vizepräsident StücklenÜberweisurigsvorschlag des Altestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für WirtschaftHaushaltsausschußMeine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist eine Aussprache von 30 Minuten vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe Zustimmung. Es ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus gegebenem Anlaß möchte ich am Beginn meiner Rede folgende Klarstellung vornehmen: Meldungen in der heutigen Presse, daß angeblich alle Polen Rente bei uns bekommen, sind nicht zutreffend. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung aus dem Jahre 1975 regelt, daß Rentenberechtigte ihre Ansprüche dort geltend machen können, wo sie ihren Wohnsitz haben. Durch das drastische Anwachsen der Zahl von Aussiedlern wie von Asylbewerbern entsteht eine neue Lage. Deshalb bereiten wir eine Anpassung des Fremdrentengesetzes vor und streben eine einvernehmliche Anpassung des deutsch-polnischen Abkommens an.Meine Damen und Herren, es muß sichergestellt werden, daß Aussiedler aus Polen hier nicht bessergestellt werden als andere Rentenbezieher.
Soweit zu dieser Frage.
Nun zum Rentenanpassungsgesetz. Wir halten auch mit der Rentenerhöhung 1989, was wir immer zugesagt haben: Keine Lohnerhöhung geht an den Rentnern vorbei. Renten und verfügbare Arbeitnehmereinkommen entwickeln sich im Gleichklang. Zum 1. Juni 1989 sollen die Renten nach dem Vorschlag im Entwurf des Rentenanpassungsgesetzes 1989 effektiv um 2,34 % ansteigen. Sie folgen damit der Lohnentwicklung des Vorjahres. Da war die Bruttolohnentwicklung nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nach dem jetzigen Stand 3 %. Aber auch die Arbeitnehmer leben nicht vom ihrem Bruttolohn, sondern von dem, was übrigbleibt, wenn Beiträge und Steuern gezahlt sind.Die Rentner zahlen einen Krankenversicherungsbeitrag. Deshalb steht in diesem Gesetz der effektive Anpassungssatz 2,34. Dank der Gesundheitsreform wird er allerdings höher sein. Wir werden ihn noch einmal nach oben korrigieren müssen, er wird für die Rentner besser sein, weil sich die Beiträge in der Krankenversicherung anders entwickelt haben, als von uns geschätzt. Mit anderen Worten: Die Erfolge der Gesundheitsreform zeigen sich schneller, als wir selber geschätzt haben.
Wir hatten angenommen, daß die Beiträge in der Krankenversicherung steigen würden, wie das bisher Jahr für Jahr der Fall war, und zwar auf 13,4 %. Bei der Erstellung des Entwurfs des Anpassungsgesetzes haben wir das bereits auf 13 % korrigiert. Jüngste Ergebnisse zeigen: Auch 13 % sind noch zu hoch, der durchschnittliche Krankenversicherungsbeitrag beträgt 12,9 %.Ich sage noch einmal, die Rentner profitieren bereits von den Ergebnissen der Gesundheitsreform. Die Beiträge zur Krankenversicherung steigen nicht wie in den ganzen Jahren, sie sind niedriger, als wir selbst geschätzt haben.
Für die Rentner bleibt entscheidend: Das Nettorentenniveau, das anzeigt, wie hoch die Rente im Verhältnis zum Nettoeinkommen eines vergleichbaren Arbeitnehmers ist, wird auf hohem Niveau stabilisiert. Dieses Nettorentenniveau liegt bei einem Rentner mit einem Druchschnittsverdienst und 45 Vesicherungsjahren bei gut 72 %. Auch die Kaufkraft der Rente wird sich im Jahre 1989 weiter verbessern und um rund 7 % — Kaufkraft! — über dem Stand des Jahres 1985 liegen. Das ist ein eindrucksvoller Beweis für solide Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik.Die Rücklagen in der Rentenversicherung entwikkeln sich ebenfalls positiv. Nach dem vorläufigen Rechnungsergebnis betrug die Schwankungsreserve der Rentenversicherung, also das Sicherheitspolster, am Ende des vergangenen Jahres 23,2 Milliarden DM; es lag damit 500 Millionen DM höher, als im vorliegenden Rentenanpassungsbericht angenommen wurde.Die Ergebnisse sind besser, als wir selbst geschätzt haben; sowohl die Entwicklung bei den Rücklagen ist besser wie auch die Beitragsentwicklung in der Krankenversicherung, an die die Rentner angekoppelt sind. Das Polster entspricht dem Stand von 1,9 Monatsausgaben, dieses Polster ist aber kein sanftes Ruhekissen.Der Rentenanpassungsbericht zeigt auch, daß eine Rentenreform notwendig ist, wenn auch in den 90er Jahren noch Rentensicherheit gewährleistet sein soll. Wir können diese notwendige Rentenreform aber jetzt ohne Einsturzgefahr des Systems durchführen.Ich will die Gelegenheit auch dazu nutzen, allen zu danken, die sich daran beteiligt haben, daß wir diese Reform in großer Einigkeit vollziehen.
— Noch sind wir nicht am Ziel. — Ich möchte allen danken, die an der Einigung beteiligt waren. Alle Zeichen stehen gut, daß wir es schaffen. Ich finde, das sind wir gemeinsam den Rentnern schuldig.Im übrigen halte ich das auch für einen Beitrag zur politischen Kultur. Daß wir uns in einer Sache heftig streiten können und auch weiterhin streiten werden, gehört zur Demokratie; es gehört zur Demokratie, daß Alternativen gebildet werden. Daß wir aber ebenso fähig sind, in einer anderen Sache Konsens zu bilden, könnte den Bürgern vorführen, daß unsere politische Gegnerschaft nicht Feindschaft ist, sondern daß wir unsere Politik von der Sache her machen.
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Bundesminister Dr. BlümIn der Gesundheitsreform, Herr Abgeordneter, hatte ich nie die Hoffnung, daß Konsens möglich ist. Dazu sind die Interessengegensätze viel zu verwickelt. Sie sehen ja, da ist der Widerstand der Lobbyisten auch ungeheuer.
Ich bleibe dabei: Ich bedanke mich bei allen, die diese Anstrengung unternommen haben, und ich verbinde damit die Hoffnung, daß diese Anstrengung nicht nachläßt, daß wir im Interesse unserer älteren Mitbürger über Parteischatten springen und eine gemeinsame Rentenreform zustande bringen.Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heyenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst wie der Herr Bundesarbeitsminister einige Worte zum Fremdrentengesetz sagen. Wir haben Anfang der 70er Jahre im Zusammenhang mit der neuen Deutschland- und Ostpolitik diejenigen, die Deutsche sind und zu uns kommen, so gestellt, als hätten sie ihre Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt. Das nannten wir Integrationsprinzip. An diesem Integrationsprinzip wollen wir festhalten. Ich gebe Ihnen zu, Herr Bundesarbeitsminister, daß es gewisse Unzulänglichkeiten und Übertreibungen gibt,
und da sind wir gern bereit, diese Dinge in aller Ruhe zusammen zu bereinigen.
Aber ich warne vor Hektik, und ich warne davor, hier zusammen mit der „Bild-Zeitung" zu operieren, die Stimmungsmache gegen die Aussiedler betreibt, und diese Stimmungsmache verurteile ich mit allem Nachdruck.
Lassen Sie mich zum Rentenanpassungsgesetz einige Worte sagen. Die Renten werden zum 1. Juli 1989 um 3 % brutto erhöht, netto um 2,34 %. Das liegt an der Belastung der Rentner aus der Gesundheitsreform, Herr Bundesarbeitsminister. Sie können diese Gesundheitsreform nicht schönrechnen, auch wenn Sie sich vielleicht um einen Prozentpunkt hinter dem Komma verrechnet haben. Diese erneute einseitige Belastung der Rentner, so hoffen wir, wird der letzte punktuelle Eingriff in das Rentenniveau sein, den diese Koalition zu verantworten hat.Zu dem Rentenanpassungsbericht ist aus unserer Sicht die gleiche Kritik wie in den vergangenen Jahren vorzubringen. Es ist seit 1983 leider schon Tradition geworden, daß die finanzielle Vorausberechnung ungeheure Milliardenlöcher aufweist, ohne daß etwas Nachhaltiges unternommen wird. Auch das wird, so hoffen wir, 1992 aufhören.Auch wenn die Rentenkassen einstweilen, d. h. für die nächsten zwei bis drei Jahre, zahlungsfähig sind, wird sich die Situation wegen der Auswirkungen des Geburtenrückganges und der anhaltend ungünstigen Arbeitsmarktsituation langfristig dramatisch entwikkeln, wenn dieser Deutsche Bundestag untätig bleibt. In der 15-Jahres-Rechnung des Rentenanpassungsberichts fehlen je nach der Rechnungsart bis zum Jahre 2002 zwischen 345 und 470 Milliarden DM in den Rentenkassen. Im letzten Rentenanpassungsbericht der Regierung Helmut Schmidt aus dem Jahre 1982 steht: Bei der günstigsten Variante haben wir einen Überschuß von 106 Milliarden DM. Bei Ihnen haben wir heute bei der günstigsten Variante ein Minus von 345 Milliarden DM. Heute kommen im übrigen auf rund 100 Beitragszahler etwa 59 Renten, im Jahre 2000 werden auf 100 Beitragszahler 75 Renten kommen, und im Jahre 2010 werden auf 100 Beitragszahler 90 Renten kommen.Aber es gibt nicht allein in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten Probleme, auch die anderen Alterssicherungssysteme sind betroffen. Zwar gibt es kaum Statistiken über diese Systeme und erst recht keine regierungsamtlichen Prognosen; aber ich frage: Warum hat sich die Bundesregierung bisher gescheut, einen jährlichen Bericht über die Ausgaben z. B. für Beamtenpensionen vorzulegen?
Warum hat sich die Bundesregierung bisher gescheut, Jahr um Jahr für 15 Jahre vorauszuberechnen, wie sich das entwickeln wird?Prognos sagt: Im Jahre 2015 werden mehr als 55 der Sozialleistungen aller öffentlichen Körperschaften Beamtenpensionen sein, die zu zahlen sind. Im Jahre 2030 sollen es 70 % sein.Noch eine andere Zahl: Wenn wir die Beamtenversorgung wie die Rentenversicherung finanzieren würden — das wollen wir nicht; wir wollen, daß das ein eigenständiges System bleibt, Herr Kollege Hirsch — und wenn wir einen Staatszuschuß von 17,24 % einsetzen würden, dann müßte sich heute ein Beitrag — Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zusammen — auf 32 % und nicht auf 18,7 % belaufen wie in der Rentenversicherung. Dieser Beitrag würde sich bis zum Jahre 2000 auf über 39 % und bis zum Jahre 2010 auf fast 45 % steigern.Deswegen sagen wir Sozialdemokraten: Die künftigen zusätzlichen Beitragsbelastungen der Arbeitnehmer, die in der Rentenversicherung versichert sind, müssen in der Beamtenbesoldung ihren Niederschlag finden. Deswegen sagen wir: Bei linearen Besoldungsanpassungen für aktive Beamte müssen künftig auch die wachsenden demographischen Belastungen der Alterssicherungssysteme berücksichtigt werden. Ich glaube, dies ist eine Aussage, für die der Konsens der Sozialpolitiker in Sachen Rentenreform eine breite Grundlage bildet. Dies ist auch von den Fraktionen und den Parteivorständen der beteiligten Parteien so beschlossen worden.Reparaturgesetze, meine Damen und Herren, können diese Probleme nicht lösen. Wir brauchen eine Reform. Das, was ich gesagt habe, bedeutet aber nicht, daß die Rentenversicherung nicht mehr refor-
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Heyennmierbar ist und daß es sich um ein überholtes System handelt. Die Schlußfolgerung, die wir teilweise aus dem konservativen Lager hören, daß nämlich ein völlig neues Einheitsrentensystem auf Existenzminimumniveau eingeführt werden müßte, ist falsch.So, wie Sie es in der Vergangenheit gemacht haben, meine Damen und Herren von der Koalition, kann es nicht weitergehen. Es ist Ihnen zwar gelungen, und zwar erst im Jahre 1985 nach vier Anläufen und vier Konsolidierungsgesetzen, die Rentenversicherung kurzfristig zu konsolidieren und Löcher zu stopfen.
Aber dies hat mittel- und langfristig keine Wirkung.Es wäre den betroffenen Rentnern und Rentnerinnen vieles erspart geblieben, wenn Sie einsichtig gewesen wären und unserem Reformentwurf aus dem Jahre 1984 zugestimmt hätten. Viele dieser Grundsätze, die wir damals dem Deutschen Bundestag vorgelegt haben, sind heute Grundlage des möglichen Rentenkompromisses.Uns ist diese Zusammenarbeit in Sachen Alterssicherungssysteme nicht leicht gemacht worden, und sie war für uns nicht leicht. Aber sollten wir die Lösung dieser Probleme Ihnen allein überlassen? Die schlimmen Resultate, Herr Bundesarbeitsminister, Ihres Gesundheitsreformgesetzes — ich bleibe dabei, das können Sie nicht mehr schönreden — und unser Verantwortungsbewußtsein haben dies nicht zugelassen. Denn konnten wir es aus parteitaktischen Überlegungen zulassen, Millionen von Rentnerinnen und Rentnern mit Ihnen alleinzulassen, und konnten wir es zulassen, daß die Rente nach Mindesteinkommen nicht verlängert wird und daß die Altersgrenzen trotz Massenarbeitslosigkeit schon ab 1995 heraufgesetzt werden? Sollten wir tatenlos zusehen, wie Frauen benachteiligt werden? Wir haben uns entschlossen, das zu verhindern. Ich sage: Wir haben es in langen Verhandlungen, die sehr fair waren, gemeinsam geschafft, dies zu verhindern.
Wir werden in den kommenden Wochen über Einzelheiten debattieren. Aber ich möchte hier mit allem Ernst und mit allem Nachdruck betonen, daß der Rentenkonsens noch nicht perfekt ist. Er wird erst dann Wirklichkeit, wenn die gleichgewichtigen Maßnahmen für die Beamtenversorgung vereinbart sind, und zwar in Gestalt klarer und eindeutig interpretierbarer Eckwerte, die bis zum Herbst in einem konkreten Gesetzentwurf umgesetzt werden.Wenn wir auf diese klaren Eckwerte verzichten, dann bedeutet das, daß Grundsätze, die das deutsche Parlament hier aufstellt, aktuellen Einflußnahmen unterworfen und daher veränderbar sind. Das wollen wir eindeutig verhindern. Wir wollen, daß das, was zum Rentenreformgesetz vereinbart worden ist, in andere Alterssicherungssysteme übertragen wird, so auch in die Beamtenversorgung.Für die SPD-Fraktion würden die Geschäftsgrundlagen für den Kompromiß in dem Moment wegfallen, in dem erkennbar wird, daß die Koalitionsparteien oder eine Partei der Koalition nicht bereit sind, auchdie aktiven Beamten und Pensionäre in dem Umfang zur Sicherung ihrer Altersversorgung heranzuziehen, wie wir dies auch den Rentnern und Versicherten der Rentenversicherung zumuten müssen.
Das schließt übrigens auch ein, daß die Reform der Beamtenversorgung in der Lastenverteilung zwischen der aktiven und der älteren Generation ebenso ausgewogen sein muß, wie wir dies in der Rentenreform vorhaben.Vielen Dank fürs Zuhören.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Heyenn, ich freue mich, daß wir in der Frage des Fremdrentengesetzes gar nicht so weit auseinander sind. Ich gebe hier ein eindeutiges Bekenntnis zum Fremdrentengesetz auch für die Zukunft ab. Aber niemand in unserem Lande versteht es, wenn Renten an Spätaussiedler gezahlt werden, die höher sind, als diejenigen erhalten, die hier bei uns ein Leben lang gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Es geht darum, daß wir einige Verzerrungen aus der Welt schaffen.
Meine Damen und Herren, nach dem derzeitigen Stand sind die Bruttoarbeitsentgelte im Jahre 1988 um 3 % gestiegen. Auch die Renten sollen jetzt um diesen Prozentsatz zum 1. Juli 1989 angepaßt werden. Dieselbe Erhöhung gilt auch für die Altershilfe für Landwirte.Damit werden die Rentner weiterhin am wirtschaftlichen Aufschwung in der Bundesrepublik beteiligt. Ich möchte auch hier mit Nachdruck feststellen, daß dies ebenso für die Geldleistungen gilt, die im Rentenrecht für Kindererziehungszeiten gezahlt werden. Wir helfen damit vielen Frauen, die in schwerer Zeit ihre Kinder ohne Kindergeld großgezogen haben. Für diese Frauen bedeuten die jetzigen Zuschläge eine spürbare Aufbesserung der Rente. Ich freue mich auch, daß dieser Reformschritt, der von uns vor einigen Jahren eingeführt wurde, jetzt im Rahmen der Rentenreform weiter ausgebaut wird.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen nicht außer acht lassen, daß die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner die 3 auf 2,4 % herunterdrückt. Ich darf deutlich feststellen, daß hier noch eine leichte Verbesserung eingetreten ist, weil die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge nicht so stark war, wie es ursprünglich im Entwurf stand. Ohne das Gesundheitsreformgesetz wären die Beiträge weitaus höher angestiegen. Dann hätten die Rentner noch mehr zahlen müssen. Ich halte das für einen eindeutige Erfolg.
Die verfügbaren Renten werden also um 2,4 % höher liegen als im vergangenen Jahr. Zum Vergleich:
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Müller
Auch die Nettoverdienste der Arbeitnehmer stiegen laut Informationen aus dem Ministerium im Jahre 1988 um 2,3 %.Ich möchte ergänzen, daß die anpassungsfähigen Geldleistungen der Unfallversicherung ebenfalls um 2,4 % erhöht werden.Durch diese 31. Rentenanpassung werden die Nettorenten auf hohem Niveau stabilisiert. Unser Ziel muß jetzt und in der Zukunft sein, denen, die ein Leben lang fleißig gearbeitet und Beiträge gezahlt haben, im Ruhestand ein Leben in Würde und sozialer Sicherheit zu ermöglichen.Nach der bevorstehenden Rentenreform werden die Renten keine Bruttoanpassung mehr erfahren, sondern eine Nettoanpassung. Die Entwicklung hat gezeigt, daß sich Rentenhöhe und Arbeitnehmereinkommen auseinanderentwickelt haben und die Rentner bislang einen höheren Zuwachs bekamen als die Arbeitnehmer.
Das war lange Jahre auch nötig und richtig. Das Bruttoprinzip war erforderlich, um ein angemessenes Rentenniveau zu erreichen. Auf Grund der veränderten Bedingungen darf sich diese Schere aber nicht weiter öffnen. Keinesfalls heißt das aber, daß es den Rentnern in Zukunft schlechter gehen wird. Mit über 70 des vergleichbaren Nettolohns für langjährig Versicherte ist jetzt ein beachtliches Rentenniveau erreicht.Das Ziel der Rentenanpassung war in der Vergangenheit, dem Rentner langfristig das verdiente hohe Rentenniveau zu garantieren. Dank Norbert Blüms intensiver und ausdauernder Bemühung wird diese Garantie auch weiterhin Bestand haben.
Ich möchte daher die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, dem Bundesarbeitsminister für seinen unermüdlichen Einsatz zu danken, die Renten langfristig sicher zu machen.
Wir bauen auch wieder eine beachtliche Schwankungsreserve auf, die inzwischen bei über 22 Milliarden DM liegt. Jetzt sind wieder 1,9 Monatsrenten als Reserve in der Kasse.Ich freue mich auch, daß es zum Konsens zwischen CDU/CSU, FDP und SPD gekommen ist. Er bildet eine gute Grundlage für die weiteren Beratungen. Die Renten müssen so weit als möglich aus dem Parteienstreit herausgehalten werden. 14 Millionen Rentner vertrauen auf die Sicherheit der Rentenversicherung. Die veränderten demographischen Bedingungen machen ein gemeinsames Handeln notwendig.Wir sollten den erreichten Kompromiß von niemandem in Frage stellen lassen. Ich sage das vor allem an die Adresse von Johannes Rau und seinem Arbeitsminister Hermann Heinemann, die den Kompromiß heftig kritisiert haben. Ich weise diese Kritik zurück, da sie jeder sachlichen Grundlage entbehrt und wohl nur mit Blick auf die im nächsten Jahr stattfindendenLandtagswahlen in Nordrhein-Westfalen geübt worden ist.
Ich glaube, wir müssen uns auch einig darin sein, daß wir die Beamten aus diesen Regelungen nicht ausklammern können. Die zunehmenden Lasten der demographischen Veränderungen müssen alle gemeinsam tragen.
— Frau Unruh, dazu gehören selbstverständlich auch die Abgeordneten.Ich möchte noch einmal betonen: Eine sichere und stabile Rente zu gewährleisten, sollten wir alle den Rentnern schuldig sein.Vielen Dank.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Unruh.
Herr Präsident! Volksvertreterinnen und Volksvertreter! Die einzige Opposition, die übergeblieben ist,
sind DIE GRÜNEN. Die Grauen Panther — das ist jetzt eine Kampfansage — werden das Rententhema zum Wahlkampfthema Nummer eins machen, ob Sie das jetzt wollen oder nicht. Das ist Beschlußlage der Grauen Panther. Wir danken den GRÜNEN, daß sie die einzige Opposition in dieser Frage geblieben sind.Was Sie, Herr Minister, so brav als Geburtstagspaket verkaufen, ist die neue Rentenbetrügerei, die anläuft. Sie von den Regierungsparteien und Sie von der SPD wollen das Rentenniveau, das 1984 bei 73,4 lag, bis 1992 auf 70 % oder darunter angleichen. Das heißt auf deutsch — das versteht der Rentner, das versteht die Rentnerin draußen — : Seit 1984 fehlen dann ca. 20 Milliarden DM in den Rententüten. Wenn Sie das mit Ihrem Volksvertretergewissen verantworten können, dann, liebe SPD, macht diesen Rentendeal. Ich kann die SPD überhaupt nicht mehr verstehen.Gott sei Dank wird Johannes Rau in NordrheinWestfalen, zu dem ich auch ein gespaltenes Verhältnis habe, endlich einmal aufmüpfig; sehr wahrscheinlich, weil der der EKD angehört. Auch die Kirchen wollen natürlich nicht das, was Sie wollen.SPD, was heißt denn Rente nach Mindesteinkommen? Das heißt doch,
— hören Sie auf! — daß Sie anstatt 500 DM nach 35 Jahren, die angerechnet werden müssen — hören Sie mal gut zu — , dann 600 DM in der Tasche haben.Da kann doch wohl der Arbeitsminister nicht durch die Lande ziehen und sich auf die Brust klopfen, was er für ein Kerl ist. Nein, wissen Sie, was der Deutsche Beamtenbund sagt? Jetzt hören Sie doch einmal zu, das ist doch Ihre Klientel! Wir GRÜNEN haben ihn
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Frau Unruhbesucht. Er sagt, die Abdynamisierung in diesen kleinen Rentenkassen hätte nie im Leben stattfinden dürfen, wenn der Bundeszuschuß mit 32 % immer voll eingezahlt worden wäre.Auf einmal entdecken Sie ein Fremdrentengesetz. Es ist ja himmlisch, was Sie auf einmal entdecken. Sie wissen doch, daß seit 1957 aus diesen Rentenkassen über 500 Milliarden DM für Fremdzwecke, auf Panther-Deutsch: geklaut worden sind. Und Sie machen hier Herr und Frau Biedermann, nehmen anderen etwas aus den Kassen und lassen dieselben Menschen draußen dafür bluten. Das verstehen der Rentner und die Rentnerin Gott sei Dank nicht mehr.
— Das glauben Sie mal! Sehen Sie sich einmal die Briefe auf Ihrem Schreibtisch an, da gehen Ihnen aber die Augen über! Die SPD versteht niemand mehr.Wenn der Ehrenberg jetzt sagt: Liebe Rentnerinnen und Rentner, seid doch friedlich, euch passiert doch nichts, so kann ich nur sagen: Während der Zeit Ehrenberg, verehrte Sozialdemokraten, wurden denselben Rentnern 25 % aus ihren Rententüten abdynamisiert. Ja, was meinen Sie, was sich 14 Millionen Rentner draußen noch gefallen lassen?Was geben Sie denn als Abgeordnete von Ihren Scherflein ab? Sie bezahlen doch gar nichts. Ich bezahle ja auch nichts für das, was ich dann an Rente bereits nach sechs Jahren bekommen könnte. Meinen Sie, darauf wäre ich als Volksvertreterin stolz? Ich wäre glücklich gewesen, wenn Sie bei sich angefangen hätten. Ich wäre glücklich gewesen, wenn dann aus der Solidarität der Abgeordneten die Solidarität der Beamten geworden wäre. Die Beamtenmindestpension beträgt nach sechs Jahren nämlich 1 640 DM. Meinen Sie, die Rentner und Rentnerinnen würden Ihnen das noch abnehmen? Die Grauen Panther, die GRÜNEN sorgen dafür, daß dies nicht passiert.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heinrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liest man einmal die Protokolle der Reden nach, die anläßlich der Einbringung des Rentenanpassungsgesetzes 1988, also fast vor einem Jahr, gehalten wurden, so wird deutlich, daß damals die Frage „Konsens oder nicht?" im Mittelpunkt gestanden hat. Heute sind wir, so glaube ich, ein sehr gutes Stück weitergekommen. Befürchtungen, Bedenken, die damals vorhanden waren, haben sich im Rahmen von sachbezogenen Verhandlungen verflüchtigt. Dies ist gut so. Denn das Vertrauen in die Rentenversicherung, in dieses über 100jährige Unternehmen, ist nur dann zu erhalten, wenn sie den geänderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepaßt wird und dafür eine breite Akzeptanz vorhanden ist. Die Anpassung der Rentenversicherung an die künftigen Aufgaben und Belastungen ist kein Face-lifting, sondern eine notwendige Sanierung eines in einzelnen Teilen etwas altersschwach gewordenen, aber im großen und ganzen erhaltenswerten Systems.
Wenn das Rentenreformgesetz zum 1. Januar 1992 in Kraft treten wird, dann wird es keine Rentendebatten in dieser traditionellen oder, anders gesagt, ritualisierten Form mehr geben, denn Rentenanpassungen werden dann per Rechtsverordnung festgelegt. Ich bezweifle allerdings, ob dies das Ende der Diskussion um Renten und um Alterssicherung sein wird. Dies ist ein viel zu wichtiges, den einzelnen Bürgern und unser gesamtes Gemeinwesen berührendes Thema, als daß man es allein der jeweiligen Bundesregierung überlassen kann. Es wird deshalb aus der politischen Diskussion und Auseinandersetzung nicht verschwinden.
Effektiv werden die Renten — hierzu zählt auch die Altershilfe für Landwirte — zum 1. Juli 1989 um 2,4 % ansteigen. Eine solche Erhöhung trägt — so steht es in der Ausführung des Sozialbeirats — dem Grundsatz gleichgewichtiger Entwicklung von Renten und verfügbarem Einkommen Rechnung. Der Sozialbeirat weist in seinem Gutachten auch darauf hin, daß im Durchschnitt des gesamten Kalenderjahres 1989 die Zunahme des Rentenzahlbetrags 2,7 % beträgt und damit über der von manchen prognostizierten Inflationsrate liegt. Über den Wert derartiger Prognosen, das wissen wir allerdings, kann man in diesem Hause ein Lied singen.
Der Rentenanpassungsbericht macht aber auch deutlich, daß Handlungsbedarf für eine umfassende Reform besteht und daß ein paar Schönheitspflästerchen nicht genügen, damit die Rente in neuem Glanz erstrahlen kann.
Wenn wir die Sorgen der Bürger ernst nehmen, dann müssen wir auf eine ausgewogene Lastenverteilung hinwirken. Wir müssen dem Bürger aber auch klarmachen, daß auch nach der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung auf die beiden anderen Beine der Altersversorgung, nämlich die betriebliche und private Vorsorge, nicht verzichtet werden kann.
Wir müssen uns weiterhin immer bewußt sein, daß eine florierende Wirtschaft die beste Voraussetzung für den Erhalt unserer sozialen Sicherung ist; das gilt gerade auch beim Zusammenwachsen der Völker und Volkswirtschaften. Im künftigen europäischen Binnenmarkt müssen wir darauf achten, daß nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen Staaten der alte Grundsatz beherzigt wird: Nur was zuvor erwirtschaftet worden ist, kann auch verteilt werden.
Jetzt und künftig muß die Devise lauten: Ein stabiles Rentensystem hat Vorfahrt vor Rentensteigerung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr, Herr Kollege Heyenn.
Herr Kollege Heinrich, teilen Sie meine Auffassung, daß als Folge des Rentenreformgesetzes, wenn wir es gemeinsam in den Bundestag einbringen, auch die Versorgung der Abgeordneten des
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9517
HeyennDeutschen Bundestages, der Minister und der Parlamentarischen Staatssekretäre angepaßt werden muß, und können Sie sich mit mir gemeinsam daran erinnern, daß wir zu der Frage der Betriebsrenten in den Konsensgesprächen mit dem Bundesarbeitsministers und den Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP keinerlei Aussage getroffen haben, weil das eine Sache ist, die im Bereich der Tarifhoheit der Tarifpartner liegt?
Herr Kollege Heyenn, zu der Frage der Betriebsrente: Das ist richtig. Da stimme ich Ihnen zu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden auch da eine Übertragung bekommen und bekommen müssen. Ich kann mir das anders überhaupt nicht vorstellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn keine weiteren Fragen mehr sind, ist meine Rede beendet.
Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlagen auf den Drucksachen 11/3735 und 11/4027 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe Zustimmung. Es ist so beschlossen.
Ich rufe rufe den Zusatztagesordnungspunkt 7 auf:
Aktuelle Stunde
Die Haltung der Bundesregierung zu Behauptungen in der Presse über das amerikanische NSA-System
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß unserer Geschäftsordnung diese Aktuelle Stunde verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Beer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Freundinnen und Freunde! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" vom 20. Februar dieses Jahres über den amerikanischen Abhörmulti, NSA , gewährt einen erschrekkenden Einblick in die Unfähigkeit der Bundesrepublik, ihren Bürgerinnen und Bürgern Schutz vor der Verletzung ihrer Grundrechte zu gewährleisten. Es fehlt — auch dies ist sehr deutlich geworden — am Willen der Bundesregierung, die Gewährleistung der Grundrechte auch nur zu versuchen. Beihilfe zur Bespitzelung statt Wahrnehmung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ist hier das Prinzip der Bundesregierung. Etwas anderes hätten wir von dieser Regierung eigentlich auch nicht erwartet.
Einen vollständigen Überblick über die Dichte der geheimdienstlichen Zugriffe läßt sich aus dem „Spiegel" -Artikel allerdings, trotz all seiner Ausführlichkeiten, noch lange nicht gewinnen. Weder die Vielzahl ungenannter Aufklärungsstationen noch die Verknüpfung mit einer ganzen Reihe anderer Geheimdienste in den USA selber und in der Bundesrepublik gehen aus dem Artikel hervor. Beispielsweise im Standort Augsburg ist eine Aufklärungsanlage der Bundeswehr selber in die größte europäische Aufklärungsanlage der USA integriert. In der dortigen PrinzKarl-Kaserne residieren in trauter Eintracht der MAD, der BND und das US-amerikanische Foreign Operation Battalion.Aus dieser Zusammenarbeit hiesiger und amerikanischer Geheimdienste nun aber schließen zu wollen, die Bundesregierung würde die Ergebnisse der Lauschangriffe des großen transatlantischen Bruders mitgeteilt bekommen, wäre völlig verfehlt; denn nur wenn die US-Regierung dies für opportun — vor allen Dingen für politisch opportun — hält, werden der Bundesregierung die Ergebnisse der aus den Grundrechtsverletzungen elektronisch gewonnenen Spitzelergebnisse mitgeteilt. Insofern ist die Bundesregierung tatsächlich sokratischer Weisheit sehr nahe: sie weiß, daß sie nichts weiß.Der beste Kenner der NSA, James Bradford, hat bereits 1985 in einem Buch sehr deutlich gemacht, daß der Auftrag der NSA nicht allein in der Ausspähung feindlicher oder neutraler Staaten besteht.
Es gehe auch um die Aufdeckung der kleinen Geheimnisse zwischen den Bündnispartnern. Wirtschaftsspionage und die Ausforschung persönlicher Schwächen wichtiger Persönlichkeiten werden routinemäßig betrieben. Nicht umsonst liegt der europäische Hauptstützpunkt des amerikanischen Spionagekartells am Bankenplatz Frankfurt.Vor diesem Hintergrund muß sich die Bundesregierung fragen, aus welcher Quelle die periodisch auftretenden Enthüllungen über von ihr gedeckte oder geduldete Exporte friedensgefährdender Güter stammen. Ich erinnere nur an die Aufdeckung der Auslandsaktivitäten der MBB-Raketenbauer in Argentinien, Ägypten und im Irak oder an die Debatte um das libysche Rabita.Wird etwa der Verbund aus Wirtschaftsspionage, militärischer Aufklärung und politischer Überwachung hier gegen die Bundesrepublik und sogar gegen die kollaborierende Bundesregierung instrumentalisiert? Instrumentalisiert in ökonomischer Hinsicht gegen die Exportnation Nummer eins und einen wichtigen Konkurrenten der USA? Instrumentalisiert in militärischer Hinsicht gegen die nukleare Eigenbrötelei — „Blödelei" wäre auch nicht schlecht — der Bundesregierung und gegen die Bemühungen des Bundesaußenministers Genscher um eine weltweite Abschaffung chemischer Waffen?Ich hoffe, daß Sie in dieser Debatte hierzu zumindest dem Parlament Antworten geben.
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9518 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lamers.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der den Anlaß für unsere heutige Debatte bietende Artikel des „Spiegel" ist nicht nur geeignet, sondern nach meiner Überzeugung auch dazu bestimmt, die hierzulande seit einiger Zeit entflammte und manchmal merkwürdige Blüten treibende Debatte über angebliche Souveränitätsdefizite anzufachen. Wie man aus der Beantragung dieser Aktuellen Stunde sieht und den Ausführungen von Frau Kollegin Beer entnehmen konnte, ist diese Absicht, natürlich auch bei Ihnen, erfolgreich gewesen. Diese Debatte hat, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine eindeutige Spitze gegen die Vereinigten Staaten.
Diese Vorbemerkung soll nicht bedeuten, daß ich illegale Lauschaktionen fremder Geheimdienste auf deutschem Territorium gegenüber deutschen Bürgern nicht als schwerwiegenden Vorgang betrachtete. Natürlich wäre ein solcher Gedanke für unser Souveränitätsverständnis und für unser Rechtsverständnis ein schwer, nein, ein nicht erträglicher Gedanke. Aber bei näherem Hinsehen sind die Tatsachenbehauptungen des „Spiegel" mehr als dünn, und der Neuigkeitswert seiner Ausführungen ist dürftig.
Ich gehe davon aus, daß die Bundesregierung erklären wird, daß erstens die Rechtsverhältnisse klar sind und daß zweitens keine Erkenntnisse über Aktionen vorliegen, die deutsches Recht und Vereinbarungen mit den Alliierten verletzen. Ich füge jedoch hinzu: Es dürfen solche Erkenntnisse auch gar nicht vorliegen können. Deswegen ist zu prüfen, ob angesichts der außerordentlich erweiterten, wohl zutreffend beschriebenen technischen Möglichkeiten, die wenn ich es richtig sehe, vor zwei Jahrzehnten getroffenen Regelungen und Vereinbarungen veraltet sind und angepaßt werden müssen. Dazu wird Kollege Olderog Näheres sagen.
Als Angehöriger einer Partei und Fraktion, die sich in besonderer Weise der Bedeutung der deutschamerikanischen Beziehungen bewußt ist, und als jemand, der persönlich den törichten und gefährlichen antiamerikanischen Aufwallungen mit Entschiedenheit entgegentritt, fühle ich mich besonders legitimiert, unsere amerikanischen Freunde um Verständnis für diese ja eigentlich auch selbstverständliche Überlegung zu bitten. Es muß so weit wie möglich jeder Verdacht ausgeräumt werden.
Damit aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sollten wir es, so meine ich, was dieses Thema angeht, auch bewenden lassen.
Es gibt doch andere Gremien im Deutschen Bundestag, in denen über diese Fragen angemessener geredet werden kann als im Plenum.
Es gibt weiß Gott wichtigere Fragen, auch wichtigere außenpolitische Fragen, als diese. Die wichtigste ist, wie wir eine politische Ordnung in Europa errichten, die bei aller Vorsicht und bei allem sicher auch notwendig bleibenden Mißtrauen, gleichzeitig aber bei allem Mut zu mehr Vertrauen, dazu führt, daß solche Einrichtungen, jedenfalls solche von anderen auf deutschem Boden, überflüssig werden.
Das ist gewiß ein langer und steiniger Weg, aber es gibt Chancen, dieses Ziel zu erreichen. Das letzte, was wir dabei brauchen können, ist Mißtrauen zwischen den Verbündeten, vor allem zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland.
Daher werden wir allen Versuchen, solches Mißtrauen zu schüren, mit Entschiedenheit entgegentreten.
Das Wort hat der Abgeordnete de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach Art. 10 des Grundgesetzes ist das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Beschränkungen — so heißt es dort — dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Entsprechend restriktiv und mit Sicherheitskautelen ausgestaltet sind unsere Bestimmungen in der Strafprozeßordnung und im G-10-Gesetz für Deutsche in diesem Lande.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Einer Notstandsverfassung, die den Fragenkreis der alliierten Sicherheitsvorbehalte endgültig und restlos ablöst".In der dritten Lesung hat der damalige Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen — er hieß Gerhard Jahn — ausgeführt:Schon nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages erlöschen die alliierten Vorbehalte in dem Augenblick, in dem es eine eigene deutsche Gesetzgebung gibt. Darüber kann kein Zweifel bestehen.Er hatte damit einem insistierend fragenden Oppositionellen geantwortet, der den Namen Hans-Dietrich Genscher trug.
Dieser hatte so gefragt — hören Sie gut zu — :Wir wünschen, daß hier klargestellt wird, daß essich bei den anderen Diensten nur um solche handelt, die im Gesetz selbst genannt sind, nicht etwa
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9519
Dr. de Withum ausländische Dienste oder im Gesetz nicht genannte dunkle Dienste. Das erscheint uns als besonders wichtig, weil wir klarstellen möchten, daß in Zukunft auf deutschem Boden nur Dienste tätig sein können, die hier in dem Gesetz genannt sind.Verstöße gegen die damals initiierten und noch heute gültigen Gesetze sind mit Strafe bedroht. Das alles wissen wir. Der Standardkommentar zum Grundgesetz von Maunz-Dürig-Herzog sagt hierzu ganz lapidar:Durch ihn wurden ... die alliierten Vorbehaltsrechte auch insoweit abgelöst.So gut, möchte man sagen, hat der Gesetzgeber einen wichtigen Teil des Rechts auf ungestörte Privatheit abgesichert.Nur — es wurde schon gesagt —, der „Spiegel" meint in seiner neuesten Titelstory, die Wirklichkeit sähe anders aus: Er unterstellt, daß die Amerikaner in der Bundesrepublik unerlaubt abhören, obwohl er nicht klar und eindeutig behauptet, daß die Amerikaner tatsächlich gezielt unerlaubt Rechte usurpieren. Man muß die entsprechenden Passagen wirklich genau lesen.Zweimal allerdings sind Minister schon gestürzt, unter deren Ägide es zu Lauschangriffen kam. Und gegen einen Parlamentarischen Staatssekretär außer Diensten läuft ein entsprechendes Ermittlungsverfahren. Stets aber gab der „Spiegel" hierzu Anstöße oder die Anstöße.Wenn wir auch nicht wissen, was sich hinter dem „Spiegel"-Artikel verbirgt, so haben wir doch, meine ich, nach allem, was geschehen ist — insoweit stimme ich Ihnen zu — , die Pflicht, bei der Bundesregierung auf Klarstellung zu drängen. Der Bürger hat ein Recht darauf. Das hat nichts mit Amerikafeindlichkeit zu tun. Auch die USA müssen ein Interesse daran haben, daß es hier wirklich zu Klarstellungen kommt.Wir Sozialdemokraten müssen um so mehr fragen, als wir hier auf eine Rede von Wilhelm Liebknecht im Deutschen Reichstag vor sage und schreibe fast genau 109 Jahren zurückgreifen können. Dort hat er ausgeführt — man beachte — :In einer dem Deutschen Reich bisher sehr freundlich gesinnten amerikansichen Zeitung, der „Illinois-Staatszeitung" , befindet sich ein Artikel über eine Unterredung, welche der amerikanische Postmaster General Mr. Key unter Hinzuziehung des Chefs für das auswärtige Postwesen Mr. Blackfan mit einem englischen Zeitungsberichterstatter über die Frage der Verletzung des Briefgeheimnisses in Deutschland gehabt hat. In dieser Unterredung sprachen sich die Herren Blackfan und Key, also die beiden obersten Beamten der Vereinigten Staaten, die Kollegen des Herrn Generalpostmeisters für Deutschland, dahin aus, daß bis jetzt allerdings keine Beweise dafür vorlägen, daß amerikanische Briefe in Deutschland direkt erbrochen werden, wohl aber seien Klagen sehr häufig, daß Postsendungen aus Amerika in Deutschland zurückgehalten würden.
Wir fragen deshalb die Bundesregierung: Ist das noch richtig, was 1968 der heutige Oppositionelle und damalige Vertreter des Auswärtigen Amtes Gerhard Jahn für die Bundesregierung dem damaligen Oppositionellen und heutigen Bundesminister des Auswärtigen Hans-Dietrich Genscher
antwortete, nämlich daß die Fernmeldekontrollrechte der Alliierten bei uns wirklich abgelöst sind? Was wird zwischen unseren Diensten und den anderen Diensten ausgetauscht? Wenn sich inzwischen Abhörlücken ergeben haben sollten, was tut die Bundesregierung — so fragen wir — , um diese zu schließen?Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon ein merkwürdiger Einfall, über einen Artikel in einem zwar sehr namhaften und von mir sehr geschätzten Magazin eine Debatte im Bundestag zu führen, bevor alle dafür zuständigen Gremien, z. B. die Parlamentarische Kontrollkommission — bei der G-10-Kommission weiß ich es nicht — , die Gelegenheit hatten, sich überhaupt erst einmal darüber zu vergewissern, ob sich seit 1952 oder seit 1968 an bekannten Sachverhalten etwas geändert hat.Die Vorstellung, daß eine unbekannte, geheimnisvolle Macht die Möglichkeit hat, sich überall hineinzuschleichen und politische Macht in unkontrollierter Weise auszuüben, regt natürlich die Phantasie der Menschen in ungeahnter Weise an.Nun ist es zweifellos richtig — darüber sollte man nicht hinwegreden — , daß die moderne Technik Möglichkeiten eröffnet, über die sich manche Menschen keine Klarheit verschaffen. Es geht natürlich, daß man über 200 oder mehr Kilometer
— „tausend" sagt Herr Penner, er weiß es wahrscheinlich besser — Funkgespräche, Telefongespräche, die über Funk abgewickelt werden — ob über Satelliten oder über öbL, wie es heißt — , oder den Funkverkehr einer Taxizentrale in einer viele hundert Kilometer weit entfernten Stadt abhören kann. Natürlich kann man Satellitenaufnahmen mit einem so hohen Auflösungsvermögen gewerblich kaufen, daß man wirklich staunt, was an Einzelheiten auf solchen Aufnahmen zu erkennen ist. Das ist die Wirklichkeit.Solche Abhöranlagen haben die meisten namhaften Staaten dieser Erde, nicht nur die Amerikaner; es gibt auch viele Europäer, die so etwas haben; die Sowjetunion gehört ebenfalls dazu.
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9520 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Dr. Hirsch— Ich sage Ihnen das ja gleich. Sie müssen nur zuhören, und dann hören Sie alles, was Sie wissen wollen.
— Wenn Sie etwas wissen wollen. —
Ich kenne keinen Nachrichtendienst dieser Erde, der verfügbare Informationen, wenn er sie bekommt und wenn sie einigermaßen interessant sind, nicht aufnimmt. Das ist die Wirklichkeit, die wir alle kennen.Das ist aber gar nicht die entscheidende Frage. Die entscheidende Frage ist: Haben denn irgendwelche anderen Staaten im Rahmen des Truppenstatuts in der Bundesrepublik irgendwelche Vorzugsrechte, oder mißbrauchen sie diese? Dazu muß man sagen — das ist hier ganz eindeutig ausgeführt und auch eindeutig erklärt worden — : Wir haben eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit auch hinsichtlich der Sicherheit von Truppen, die im Rahmen des Truppenstatuts in der Bundesrepublik sind. Diese Verpflichtung nehmen wir ernst; da gibt es gar kein Zucken. Wenn im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit der Eindruck entsteht, daß das Überwachen eines Telefongesprächs notwendig ist, dann geschieht das ausschließlich gemäß den Regeln des G-10-Gesetzes;
andere rechtliche Möglichkeiten sind nicht vorhanden.
Die Entscheidung liegt beim Minister, und die Entscheidung liegt bei den dafür eingesetzten Gremien. Das ist die Rechtslage.Ich habe keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, daß über diese Rechtslage hinaus Möglichkeiten in der Bundesrepublik mißbräuchlich wahrgenommen werden oder daß unsere Nachrichtendienste in einer systematischen Weise zusammenarbeiten und Nachrichten aufnehmen, die in illegaler Weise gewonnen worden sind. Es gibt zur Zeit für uns, für mich nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, etwas Derartiges anzunehmen. Wir haben aber darum gebeten, in der Parlamentarischen Kontrollkommission — das wird in der nächsten Sitzung geschehen — darüber in allen Einzelheiten zu berichten. Es ist völlig klar — davon können die deutsche Öffentlichkeit und auch dieses Haus ausgehen — , daß wir natürlich handeln werden, wenn der Eindruck entstehen sollte, daß diese rechtlichen Grenzen nicht gewahrt werden.Nun hat der Kollege Lamers — damit möchte ich schließen — noch die Souveränitätsfrage angesprochen. Ich finde, es wäre überhaupt kein Beinbruch, wenn wir nach so vielen Jahren hergehen und uns fragen, ob das NATO-Truppenstatut überarbeitet werden sollte. Ich hätte keine Bedenken, wenn man die Frage prüft, ob wir bei Einrichtungen, die auf dem Boden der Bundesrepublik installiert sind, auch die Möglichkeit haben sollten zu prüfen, ob sie im Rahmen der geltenden Gesetze tätig werden. Ich fände esganz gut, wenn wir hinsichtlich der Gerichtshoheit, wenn es sich um Straftaten von Angehörigen eines Entsendestaates handelt — Straftaten zum Nachteil eines Angehörigen des Aufenthaltsstaates, etwa grobe Verstöße gegen Luftverkehrsgesetze —, über das jetzige Truppenstatut hinaus die Möglichkeit hätten, an einem solchen gerichtlichen Verfahren mitzuwirken, wie das im innerdeutschen Recht in der Form eines Nebenklägers ganz selbstverständlich ist. Warum eigentlich nicht?Wenn Sie diese Frage aufwerfen: Das kann man ohne alle Aufgeregtheit mit Gelassenheit tun, genauso wie wir diese Angaben im „Spiegel"-Artikel in der Parlamentarischen Kontrollkommission überprüfen werden und auch handeln werden, wenn es sich als notwendig erweisen sollte. Ich habe keine Anhaltspunkte dafür.Vielen Dank.
Ich erteile dem Herrn Staatsminister im Auswärtigen Amt das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen: Die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika sind seit nunmehr vier Jahrzehnten aufs engste miteinander verbunden. Enge freundschaftliche bilaterale Beziehungen zwischen beiden Ländern und Regierungen sowie die gemeinsame Zugehörigkeit zum Nordatlantischen Bündnis sind eine feste Klammer. Unsere Zusammenarbeit beruht auf gemeinsamen demokratischen Grundvorstellungen und Interessen, auch — aber nicht nur — im sicherheitspolitischen Bereich. Der amerikanische Schutz und die Anwesenheit amerikanischer Truppen in der Bundesrepublik Deutschland sind für unsere Sicherheit nach wie vor existentiell und unverzichtbar.Wie dem Parlament und allen Fraktionen bekannt ist, besitzt die Bundesrepublik Deutschland auf Grund der Pariser und Bonner Verträge seit 1955 die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten. Mit den drei Westalliierten und anderen Entsendestaaten von Stationierungstruppen sind Verträge geschlossen, die den Aufenthalt dieser Stationierungstruppen ermöglichen und ihre Rechtsstellung regeln. Diese Verträge bilden eine wichtige Grundlage gerade in unserer Zusammenarbeit mit den USA. In ihnen ist die Respektierung deutschen Rechts ausdrücklich sichergestellt, d. h. im vorliegenden Fall die Respektierung des von Art. 10 des Grundgesetzes und des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Gesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes, G-10-Gesetz — vom 13. August 1968. Die Vorschrift, die diese Rechtspflicht zur Beachtung des deutschen geltenden Rechts vorschreibt, ist Art. II des NATO-Truppenstatuts. In ihm heißt es:Eine Truppe und ihr ziviles Gefolge, ihr Mitglieder sowie deren Angehörige haben die Pflicht, das Recht des Aufnahmestaates zu achten und sich jeder mit dem Geiste dieses Abkommens
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9521
Staatsminister Schäfernicht zu vereinbarenden Tätigkeit, insbesondere jeder politischen Tätigkeit im Aufnahmestaat zu enthalten.Für das Verhältnis der Stationierungstruppen zu den deutschen Behörden schreibt Art. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut u. a. vor — ich zitiere —:1. In Übereinstimmung mit den im Rahmen des Nordatlantik-Vertrages bestehenden Verpflichtungen der Parteien zu gegenseitiger Unterstützung arbeiten die deutschen Behörden und die Behörden der Truppen eng zusammen, um die Durchführung des NATO-Truppenstatuts und dieses Abkommens sicherzustellen.2. Die in Abs. 1 vorgesehene Zusammenarbeit erstreckt sich insbesonderea) auf die Förderung und Wahrung der Sicherheit sowie den Schutz des Vermögens ... der Bundesrepublik, der Entsendestaaten und der Truppen, namentlich auf die Sammlung, den Austausch und den Schutz aller Nachrichten, die für diese Zwecke von Bedeutung sind .. .4. Die deutschen Behörden und die Behörden des Entsendestaates treffen alle zur Durchführung des NATO-Truppenstatuts und dieses Abkommens erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen und schließen zu diesem Zweck, soweit erforderlich, Verwaltungsabkommen oder andere Vereinbarungen ab.Zu den Einzelheiten dieser Zusammenarbeit hat der Sprecher der Bundesregierung am 2. August 1973 im Hinblick auf eine ähnliche Situation als Ermittlungsergebnis eines Staatssekretärsausschusses u. a. folgende Erklärung abgegeben — ich zitiere —:Auf Grund des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 und entsprechender Vereinbarungen mit den Drei Mächten können diese beim Bundesamt für Verfassungsschutz oder beim Bundesnachrichtendienst entsprechende Maßnahmen anregen, nicht verlangen. Die Entscheidung über eine Anordnung treffen ausschließlich entweder der Bundesminister des Innern in den Fällen des Paragraphen 2 oder der Bundesminister der Verteidigung in den Fällen des Pragraphen 3 des Gesetzes zu Artikel 10 GG. Das auf Grund einer solchen Beschränkungsmaßnahme anfallende Material wird den ermächtigten Beauftragten der Drei Mächte übergeben, soweit dieses Material für Sicherheitsbelange der Drei Mächte von Bedeutung ist.Von der obengenannten Möglichkeit, eine Überwachungsmaßnahme anzuregen, ist von den Drei Mächten wiederholt Gebrauch gemacht worden. In einem Teil der Fälle ist der Anregung entsprochen worden. Alle Fälle dieser Art haben die Zustimmung der im Gesetz zu Artikel 10 GG vorgesehenen Dreier-Kommission gefunden. Die Kornmission, die aus Vertretern der drei im Bundestag vertretenen Parteien besteht,— damals war die Situation anders —hat in keinem Falle eine Verletzung der Grundrechte festgestellt.Die Deutsche Bundespost hat die Maßnahmen nach diesem Gesetz durch entsprechende Schaltungen technisch zu ermöglichen. Es kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Deutsche Bundespost bei Überwachungsmaßnahmen im Post- und Fernmeldeverkehr ohne Vorliegen einer entsprechenden Anordnung mitwirkt.Von illegalen Eingriffen in das öffentliche Fernmeldenetz der Bundesrepublik, wie sie zur Zeit in der Presse dargestellt werden, ist dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen nichts bekannt.Das war die Erklärung von 1973.Über Einzelheiten betreffend die vorgenannten Überwachungsmaßnahmen ist wiederholt in der Parlamentarischen Kontrollkommission gesprochen worden. Unter dem 29. Oktober 1987 ist den Mitgliedern dieser Kommission ein ausführlicher Bericht übermittelt worden, der in seiner Schlußbemerkung erneut zusammenfaßt, daß nach Kenntnis der Bundesregierung die Nachrichtendienste der drei westlichen Verbündeten die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und das innerstaatliche Recht beachten. Im übrigen weist dieser Bericht darauf hin, daß der Bundesregierung kein Fall eigenmächtiger Abhörpraktiken durch die in Rede stehenden drei Länder bekannt sei.Am 20. Februar dieses Jahres erklärte ein Regierungssprecher auf Anfrage zudem, die Bundesregierung habe nach wie vor keine Hinweise, daß die USA oder die anderen Alliierten diese Rechtslage nicht beachten. Staatssekretär Ost hat dies zwei Tage später gegenüber „AFP" bekräftigt.Unter diesen Umständen sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit, mit den Verbündeten über eine Veränderung der völkerrechtlichen Grundlagen — Truppenstatut, Zusatzabkommen — in eine Erörterung einzutreten.Im übrigen bitte ich Sie um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung zu Presseberichten über angebliche nachrichtendienstliche Vorgänge nicht öffentlich Stellung nimmt. Bei der nächsten Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission am 15. März besteht die Gelegenheit, die gesamte Materie eingehend zu erörtern.Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nöbel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht, daß das hier ein Geisterspiel wird. Ich will aber auch nichts herunterspielen. Wir
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9522 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Dr. Nöbelhaben es erstens mit einem konkreten Problem und zweitens mit der grundsätzlichen Frage zu tun: Sind wir politisch in der Lage, die Technik so weit zu beherrschen, daß wir unser Land gegen alles das, was hier Thema ist, abschirmen können, und zwar so, wie wir es wollen?Aktuell an dieser Aktuellen Stunde ist der „Spiegel" -Bericht von Anfang dieser Woche. Ich würde sagen: Dieses Thema ist immer aktuell. Das ist der Punkt. Ich nehme das Thema an sich ernst. Ich denke, es ist müßig, meine Damen und Herren, darauf hinzuweisen, daß dieser Bericht bereits 1982 in den USA vorgelegen hat, daß er 1986 übersetzt worden ist, daß er abgeschrieben worden ist usw. Ich will das alles nicht werten. Aber ich glaube, wir sollten uns gemeinsam mit diesen Dingen befassen.Es stellt sich die Frage: Wie weit ist die Politik in der Lage, die Technik im Griff zu behalten? Ich nehme das so. Das ist für mich der Sinn der Geschichte hier, wenn es überhaupt einen Sinn macht.
— Herr Schwarz, wir haben gestern die Frauendebatte gehabt. Ich könnte jetzt fragen: Wann machen wir die Kinderdebatte? Wann findet also die Revolution der Mütter und der Väter statt? Denn es wird zukünftig so sein, daß man sich nicht mehr unterhalten kann, ohne daß man abgehört wird, ohne daß mitgeschnitten werden kann. Es gibt praktische Fälle. Es kann passieren, daß man in der UdSSR — ich könnte auch ein anderes Beispiel nennen — auf dem Weg nach Minsk aus dem Frankenwald abgehört wird, wenn sich zwei Leute im Auto unterhalten. Jüngster Fall: wenn man zwischen Tunis und Norwegen telefoniert. Oder denken Sie an das, was im „Spiegel" darüber steht, was Hermann Göring alles fertiggebracht hat, einen Mitschnitt von London nach Prag. Liebe Freunde, machen wir uns doch nicht gegenseitig etwas vor. Hier geht es eigentlich um das Problem: Politik und Technik. Es geht um die Frage der Beherrschung dieser Technik.Jetzt haben wir einen konkreten Punkt. Die Leute sind etwas verunsichert. Ich will das nicht herunterspielen. Der „Spiegel" hat des öfteren ja auch recht gehabt, nicht zu knapp — um das sehr höflich auszudrücken — , und auch manches bewirkt. Wenn wahr ist, was da zu lesen ist, dann fragt man sich: Ist es wirklich so, daß man jetzt nicht mehr ungestört miteinander telefonieren kann?Was kann man machen? Ich bin nicht Mitglied des G-10-Gremiums. Aber ich denke, man müßte Überlegungen in dieser Richtung anstellen. Ich meine, das ist auch geschehen.
Wir Sozialdemokraten wollen — das sage ich Ihnen — , daß die Leute ihre Ruhe haben. Das ist ihr Grundrecht, und darauf haben sie ein Anrecht. Die Leute wollen in Ruhe gelassen werden. Sie wollen ein Privatleben haben, wo sie nicht gestört werden.
— Ja, doch. Dann machen Sie bitte keinen Zwischenruf in dieser Richtung. Die Leute wollen ihre Ruhe haben und wollen nicht gestört werden.Jetzt geht es bei uns, Herr Dregger, um die Frage: Wie weit sind wir überhaupt in der Lage, Vorsorge zu treffen, daß das machbar ist? Es gibt diese Technik. Es gibt Geheimdienste. Das Problem kann man in einer Aktuellen Stunde nicht in den Griff kriegen. Wir haben gemeinsam — ich denke, das ist ein Problem aller Parteien — zunächst einmal den Bundesminister des Innern gebeten, in der nächsten Sitzung des Innenausschusses einen Bericht zu geben. Aus dem Ergebnis sollten wir, glaube ich, alle gemeinsam — gemeinsam, denn das interessiert uns alle — Schlußfolgerungen ziehen: Was können wir überhaupt bewirken? Was können wir tun?Eines wäre falsch, Herr Lamers — Sie wissen, Sie stehen bei mir in hohem Ansehen — : die Leute zu beschwichtigen, so zu tun, als täte sich da nichts oder als ginge es hier gegen die Amerikaner. Es geht aus meiner Sicht nicht gegen die Amerikaner. Es geht hier — deshalb führe ich das immer wieder auf diesen Punkt zurück — um eines: Wie kann Politik die Technik irgendwie bewältigen? Wir werden es nie ganz schaffen, weil die Technik immer vorne ist. Hier haben wir es mit einem sensiblen Bereich zu tun, und wir müssen gemeinsam versuchen, das Problem irgendwie in den Griff zu kriegen. Mehr kann ich in einer Aktuellen Stunde dazu nicht sagen.Ich sage für die sozialdemokratische Fraktion: Wir wollen versuchen, unseren Beitrag zu leisten. Das ist ernst gemeint.Danke.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Olderog.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Nöbel, das technisch Mögliche ist das eine; das, was tatsächlich geschieht, ist das andere. Nach allem, was ich als Mitglied der PKK weiß, kann man von diesem „Spiegel"-Artikel nur als einer antiamerikanischen Gruselgeschichte sprechen. Sie müssen das einmal genau lesen. Die Redakteure und Juristen des „Spiegel" sind ja mit beachtlicher Raffinesse vorgegangen. Bei rascher Lektüre entsteht der Eindruck — ein solcher Eindruck soll ja auch entstehen — , als ob US-Geheimdienste völlig hemmungslos Tag für Tag massenhaft das Telefongeheimnis brächen und als ob damit ein sensibler Bereich unserer Verfassung mit Füßen getreten werde.Wenn Sie das aber einmal genau lesen, dann zeigt sich, daß sich die Redakteure und Juristen in diesem Gebräu von Tatsachen, Halbwahrheiten und Phantasien wohlweislich hüten, den Amerikanern auch nur ein einziges Mal konkret vorzuwerfen, sie hätten das deutsche Recht gebrochen, denn dagegen könnte man ja auch mit rechtlichen Schritten vorgehen.Typisch ist z. B. die Formulierung:Ein hoher deutscher Nachrichtendienstler kannsich beispielsweise gut vorstellen, daß die NSA
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9523
Dr. Olderogabhört, was der Hamburger Senat mit dem bayrischen Innenministerium zu besprechen hat.An anderer Stelle heißt es:So kann sich der amerikanische Funkelektronikexperte David Watters durchaus vorstellen, daß es bei uns Leute gibt, die sich dafür interessieren,
was bei euch die Petra Kelly dem Gert Bastian mitzuteilen hatte.Meine Damen und Herren, was bei flüchtigem Lesen wie eine Tatsachenbehauptung aussieht und haften bleibt, ist tatsächlich nur die Aussage darüber, was sich irgendwelche unbekannten Personen angeblich vorstellen können. Mit solchen unfairen Tricks manipuliert der „Spiegel" seine Leser. Hier soll der US-Bündnispartner mit allen Tricks journalistischer Unfairneß diffamiert werden.
Ich sage das in aller Deutlichkeit.
Das Telefongeheimnis, das Fernmeldegeheimnis gehört nach dem Grundgesetz und nach den einfachen Gesetzen zu den zentral geschützten Rechtspositionen unserer Bürger. Eingriffe sind nur in besonders eng umschriebenen Ausnahmefällen möglich. Das ist dargelegt worden. Das gilt auch für unsere auf dem Boden der Bundesrepublik tätigen Bündnispartner.Die Bundesregierung hat in der Parlamentarischen Kontrollkommission dargelegt, daß auch heute — es hat früher ja einmal die Staatssekretärskommission gegeben — keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich unser Bündnispartner nicht an die maßgeblichen deutschen Vorschriften und an die mit ihm abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge hält.
Auch auf Grund weiterer und neuester Informationen, die mir als Mitglied der PKK zugegangen sind, habe ich Vertrauen in diese Erklärung der Bundesregierung. Ich denke, wir alle sollten deshalb die Verdächtigungen des „Spiegel" als haltlos zurückweisen.Wir dürfen davon ausgehen, daß die USA die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt achten, daß sie abgeschlossene völkerrechtliche Verträge einhalten und daß sie die uns als Bündnispartner geschuldete Loyalität uns auch tatsächlich entgegenbringen.Allerdings gilt — das sage ich auch; ich nehme dabei auf, was Kollegen hier gesagt haben — : Der rasante technische Fortschritt hat früher nicht vorstellbare Möglichkeiten geschaffen, Telefongespräche — insbesondere im Richtfunk — mitzuschneiden. Unter diesen Umständen müssen wir uns natürlich mit der Frage auseinandersetzen, ob bisher zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses getroffene Vorkehrungen, vielleicht auch Vorschriften ausreichen. Müssen wir unsere Schutzmaßnahmen, müssen die Verantwortlichen die getroffenen Schutzmaßnahmen und auch Kontrollen dieser technischen Entwicklung nicht anpassen?Die Parlamentarische Kontrollkommission bemüht sich gerade im Gespräch auf der Ebene des Bundestages und mit der Bundesregierung, ihre Arbeit erheblich zu intensivieren und effektiver zu gestalten. Die Privatsphäre unserer Bürger zu schützen und speziell das Telefongeheimnis zu wahren, ist eine unserer zentralen Aufgaben.
Unsere Bürger können sicher sein: Szenarien, wie sie der „Spiegel" ausmalt, werden bei uns auch im Ansatz niemals Wirklichkeit werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Heimann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema von heute ist nicht grundsätzlich neu. Es steht in einer Reihe von vergleichbaren Themen, die am Ende alle in eine einzige zentrale Fragestellung einmünden: Ist die Bundesrepublik Deutschland wirklich ein gleichberechtigter Partner im Bündnis, oder ist es vielleicht Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre, nachdem der Kalte Krieg in voller Wucht ausgebrochen war, etwas zu schnell gegangen? Damals wurden sozusagen über Nacht aus Besatzungstruppen Verbündete. Könnte es sein, daß der damalige Besatzungszustand nicht gründlich genug abgelöst wurde, sondern das alte Besatzungsrecht, nur mit einem neuen Etikett versehen, in vielerlei Relikten in das neue NATO-Vertragsrecht übernommen wurde?
Manche fragen sich an dieser Stelle: Wie souverän ist die Bundesrepublik Deutschland eigentlich? Einige, die so fragen, sind schnell als die neuen Rattenfänger von rechtsaußen zu erkennen. Ich frage deshalb auch so nicht, denn der Begriff der Souveränität, der am Anfang der Neuzeit stand, ist heute am Ende der Neuzeit sehr fragwürdig geworden.
Welcher Staat kann in einer Zeit globaler Interdependenzen noch für sich in Anspruch nehmen, wirklich souverän zu sein? Deshalb sollten wir auch die Frage ganz anders stellen: Ist die Bundesrepublik, gemessen an den anderen Bündnispartnern, wirklich gleichberechtigt, oder muß sie etwa durch die Stationierung verbündeter Truppen auf ihrem Gebiet Lasten tragen und Einschränkungen in der Geltung ihrer Rechtsordnung hinnehmen, die man anderen NATO-Staaten nicht zumuten würde? Dieses Thema — da bin ich sicher — wird auf der Tagesordnung bleiben, und der Deutsche Bundestag wird es auf Dauer nicht nur punktuell an Hand von Einzelfällen wie heute behandeln können. Ich möchte ankündigen, wir Sozialdemokraten werden uns auf eine solche generelle Debatte gründlich vorbereiten. Ich habe gehört — und ich bin dankbar dafür — , daß die Sprecher der Koalition eine entsprechende Bereitschaft zu erkennen gegeben haben.Was ich bis jetzt gesagt habe, gilt für die Bundesrepublik. In bezug auf Berlin stellt sich die Lage
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9524 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989
Heimannsowohl tatsächlich wie auch rechtlich ganz anders dar. Hier haben die drei Westmächte die oberste Gewalt nie aus den Händen gegeben, sondern sich alle „Rechte und Verantwortlichkeiten" , wie es im Deutschlandvertrag vom Mai 1955 heißt, „in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung" vorbehalten. In seinem innersten Kern ist also der Status von Berlin, auf dem auch das Viermächteabkommen ruht, nach wie vor Besatzungsrecht. Trotzdem wird niemand diesen Status leichtfertig in Frage stellen, solange es für die Stadt keine andere, bessere Rechts- und Lebensgrundlage gibt. Aber andererseits: Was in bezug auf die Bundesrepublik noch eine ungeklärte Frage sein mag — wir haben viel dazu gehört — , in bezug auf Berlin gibt es gar keine Zweifel: Dort bestreitet niemand, daß z. B. Telefongespräche von den Alliierten abgehört werden, ohne daß es eine G-10-Kommission oder irgendeine andere rechtsstaatliche Kontrolle gäbe. Dort ist, wie das Beispiel Gatower Schießplatz zeigt, nicht einmal der gesetzliche Richter, wie ihn unser Grundgesetz vorsieht, garantiert, falls es sich um Maßnahmen der alliierten Militärregierungen handelt.Was sollen die Berliner tun, die einerseits den Status, solange er unverzichtbar ist, nicht in Frage stellen wollen, andererseits aber wie die Bürger der Bundesrepublik in einem demokratischen Rechtsstaat leben wollen? Sollen sie etwa auf eine europäische Friedensordnung warten, die ihnen irgendwann vielleicht einen anderen, besseren Status bringt? Nein, ich nehme an, diesen Rat will auch hier im Deutschen Bundestag niemand den Berlinern geben. Der einzige Ausweg besteht darin, daß die drei Westmächte selbst erkennen und notfalls zu dieser Erkenntnis gedrängt werden — da könnte auch die Bundesregierung etwas nachhelfen —, daß es nicht nur einen rechtlichen, sondern auch einen politischen Status von Berlin gibt. Der politische Status verlangt, daß die Anwesenheit der Drei Mächte von der Berliner Bevölkerung wirklich und auch auf weitere Zeit akzeptiert wird. Das setzt aber voraus, daß die Drei Mächte, wenn sie als Schutz- und nicht als Besatzungsmächte betrachtet werden wollen, von ihren Rechten äußerst zurückhaltend Gebrauch machen und an jede ihrer Handlungen selbst die Elle der Demokratie und des Rechtsstaats anlegen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schwarz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freiheit des Abgeordneten und von Fraktionen schließt natürlich auch ein, Blödsinn zu machen. Ich rechne es zum Blödsinn, daß die GRÜNEN jede Woche zu irgendeinem Thema eine Aktuelle Stunde beantragen. Das ist meine Meinung.
Ich halte es für Blödsinn, daß die GRÜNEN diese Aktuelle Stunde beantragt haben, weil in einem Hamburger Nachrichtenmagazin irgendeine Story steht. Wenn da in Hamburg über irgend etwas geschrieben worden ist, unterhalten wir uns jede Woche, hier in einer Aktuellen Stunde darüber, damit sich die GRÜNEN sieben Minuten lang hier produzieren können.
Wir anderen Fraktionen gehen dann auch darauf ein und nutzen die Zeit ganz aus. Gott sei Dank tut die CDU dies bei dieser Debatte nicht.
Was will das Magazin aus Hamburg? Das Magazin aus Hamburg schreibt von der Besatzungsmacht USA. Was dieses Magazin aus Hamburg — ich habe nicht die Liebe zu dem Blatt, wie Sie, Herr Kollege Hirsch, sie hier eben geäußert haben —
über die Besatzungsmacht USA schreibt, trifft sich genau mit dem, was die GRÜNEN von den USA meinen. Nun haben wir eine Aktuelle Stunde und müssen darüber reden. Ich mache diesen Blödsinn, finde ich, nicht mit.
Was hier gesagt worden ist vom Kollegen Hirsch, von Ihnen, Herr Nöbel, was man heute technisch alles machen kann, das ist ein ganz anderes Thema
— das ist das Thema — , aber das sollte man nicht behandeln, weil da irgendein Magazin irgend etwas zusammengeschrieben hat, mehr Dichtung als Wahrheit, wie das als Verkaufsmasche üblich ist. Wir sollten das nicht zum Anlaß nehmen, hier darüber zu reden.
Ich hoffe, daß das, was hier gesagt worden ist — daß unsere Verantwortlichen in der PKK und in der G-10Kommission das Thema laufend behandeln — , unser Thema bleibt. Dann brauchen wir nicht immer auf die dummen Anfragen und Aktuellen Stunden der GRÜNEN einzugehen. Wenn wir unser Parlamentsverständnis als Mehrheit so sehen, leisten wir einen guten Beitrag zur Parlamentsreform.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beer.
Solange die heute so oft gelobte PKK und der G-10-Ausschuß unter Ausschluß der GRÜNEN tagen werden, solange dies weitergeht und verhindert wird, daß gewählte Abgeordnete eine Kontrolle ausüben, bin ich dafür, daß diese Ausschüsse und Gremien abgeschafft werden. Das nur im voraus.Wir werden uns nicht daran gewöhnen, daß diese Bundesregierung und ihre Organe Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schmälert, aushöhlt und einengt. Wir werden uns auch nicht daran gewöhnen, daß dieselbe Bundesregierung für die Bespitzelung von Bürgern und Bürgerinnen bis hin zu den Abgeordneten verantwortlich ist und war.
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Frau BeerDer Einsatz von Geheimdiensten und der Mißbrauch von Geheimdiensten sind nicht zu trennen. Der Mißbrauch solcher Dienste ist gerade ihr Existenzzweck. Die staatlichen Organe verweigern den Bürgern Einblicke in ihre Tätigkeiten. Geheimnistuerei, Irreführung, Lügen sind an der Tagesordnung. Umgekehrt verschaffen sich staatliche Stellen unter Bruch der Grundrechte alle Informationen über die Bürger, die sie möchten. Nicht der Staat, sondern die Bürger sind inzwischen über ihr Tun rechenschaftspflichtig.Die Schnüffeleien der bundesdeutschen und der US-amerikanischen Geheimdienste sind unerträglich. Die Bundesregierung sollte sofort die unerträglichen Praktiken der NSA und ihrer Schwesterorganisation unterbinden und die eigenen Dienste an der Bespitzelung der Bürger hindern. Wir erwarten dies nicht von der gegenwärtigen Regierung — sie ist dazu unfähig und unwillig — , aber vielleicht kann uns die Bundesregierung zumindest im Parlament einmal erzählen und erklären, was denn die französischen Dienste in Pinneberg und in Landau in der Pfalz und die Briten in Jever und im Harz so treiben. Dies möchten wir wissen. Oder hat Ihnen das auch niemand erzählt?Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lüder.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele von uns haben sich gewundert, wieso der Artikel so aktuell und bedeutend war, daß hier am Ende der Woche eine Aktuelle Stunde beantragt wurde. Das, was auf den Fotos im „Spiegel" zu sehen ist, ist ja durchaus beeindruckend, aber nirgendwo verheimlicht. Ich glaube, niemand von uns hatte bisher den Eindruck, daß diese Bauwerke lediglich zur Landschaftspflege oder aus Gründen der Architektur in die Gegend gestellt worden sind. Keiner von uns konnte auch glauben, daß auf dem Teufelsberg Gummibärchen produziert werden. Jeder von uns wußte, daß hier Geheimanlagen sind.Solange wir einvernehmlich noch glaubten, daß wir uns gegenüber der Gefahr aus dem Osten aufmerksam verhalten müßten — ich will es einmal ganz vorsichtig sagen; früher haben wir es ja alle geglaubt, jetzt glauben es nur noch die meisten —, haben wir auch begrüßt, daß bis zum Ural abgehört werden konnte und daß wir durch diese Anlagen, ob sie am Teufelsberg oder auf Teneriffa stehen, ein bestimmtes Maß an Sicherheit erhalten können. Das war doch die Ausgangslage, mit der wir uns befaßt haben.Nun wissen wir, warum die Aktuelle Stunde beantragt wurde, nämlich um endlich die Bundesregierung mit „Abgeordnetenbespitzelungen" , „Einschränkung von Grundrechten" und anderem zu diffamieren.Daß wir unseren Streit mit der Bundesregierung dann austragen, wenn es darum geht, deutsche Gesetze absolut rechtssicher und möglichst liberal zu gestalten, daraus machen wir gar keinen Hehl. Aber das machen wir in Fairneß, und das machen wir in Offenheit. Dazu brauchen wir nicht die Bilder über die amerikanischen Abhöranlagen in Europa.Aber während auf westlicher Seite diese Anlagen fotografiert werden dürfen und wir die Möglichkeit haben, diese Fotos auch zu veröffentlichen, ist man mit keinem einzigen Wort darauf eingegangen, daß es auch andere Seiten gibt, die die gleiche Technik in gleichem Maße gegen uns einsetzen, nur mit anderer Absicht, als sie bisher hier vorgetragen worden ist.
Als weiteres: Wir müssen doch auch einmal sehen, wo wir eigentlich als deutsches Parlament eingreifen können und wo wir eingreifen müssen.
Da greife ich auf, was Kollege Hirsch vorhin gesagt hat. Wir müssen die Fragen, die sich aus dem NATO-Truppenstatut ergeben, und zwar einfach aus der Tatsache heraus, daß sich in diesen 36 Jahren technisch und politisch in der Zusammenarbeit vieles verändert hat, freundlich und freundschaftlich mit unseren Verbündeten erörtern. Das muß auch möglich sein, ohne daß Mißtrauen entsteht, daß wir etwa nicht mehr auf die Verteidigungskraft oder auf die Verteidigungswilligkeit der Amerikaner setzen würden. Es muß im Bündnis möglich sein, nach 36 Jahren auch einmal zu überprüfen, ob wir hier nicht andere und neue und modernere Regelungen machen können. Aber dazu brauchen wir nicht die Fotos der Abhöranlagen, die in dieser Woche veröffentlicht worden sind. Dieses muß vom Grundsatz her von uns aus kommen.
Zweiter Punkt: Wir müssen darauf achten und sichergehen, daß keiner unserer Mitbürger zu Unrecht eine Einschränkung seiner Freiheitsrechte dadurch erfährt, daß solche technischen Möglichkeiten installiert sind, ob sie nun auf Malta oder im Schwarzwald stehen. Dies ist ein Punkt, auf den Herr Minister Schäfer eingegangen ist und zu dem er gesagt hat, daß es hier nicht zu Beeinträchtigungen gekommen ist. Herr Dr. Hirsch hat gesagt: Wir werden das auch in der PKK weiter verfolgen. Hier werden wir kritisch und aufmerksam hören, aber nicht in eine Totalverunglimpfung eintreten.Letztlich: Uns kommt es darauf an, daß wir nicht, weil wir sehen, der große Bruder im Westen oder der große Gegner im Osten können technisch mehr, als wir bisher offenbar vielfach glaubten, meinen, die kleinen und gründlich zu bearbeitenden Fragen, etwa das G-10-Gesetz bei der Postreform, außer acht lassen zu können. Wir müssen unser deutsches Recht deutschrechtlich sauberhalten.Herr Kollege Heimann, ich glaube nicht, daß Ihre Berlin-Passagen wirklich Bestand haben. Hier haben unsere deutschen Stellen, soweit ich bisher sehe, sehr viele Handreichungen gemacht und sehr viele Bitten und Wünsche geäußert.
Wenn wir deutschrechtlich nicht die Alliierten bitten, uns Illegales zu geben, dann, bin ich sicher, werden sie es auch nicht tun. So herum würde ich anfangen, d. h. erst einmal bei uns. Damit kommen wir, glaube ich, leichter über die Runden, als wenn wir Besat-
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Lüderzungsmächte, die heute Schutzmächte sind, über die Bundesregierung ansprechen wollen. Lassen Sie uns im eigenen Bereich anfangen. Da ist noch viel zu tun, und das ist wichtig genug.Danke schön.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Becker .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Kollegen haben hier schon die Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte beschrieben und auf eine eventuelle Fortschreibung von Bestimmungen und Gesetzen hingewiesen. Ich will für die Kollegen des G-10-Gremiums ganz kurz das deutsche Recht erläutern, und zwar an fünf Punkten, damit wir überhaupt wissen, um was es geht. Ich muß nämlich immer wieder feststellen: Es gibt auf diesem Sektor sehr viel Unkenntnis.
Als die Vorbehaltsrechte abgelöst wurden, gab es das deutsche Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968; das ist im übrigen ein denkwürdiges Datum. In Art. 1 ist festgelegt, was denn eigentlich der Gegenstand ist:
Zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages oder der im Land Berlin anwesenden Truppen einer der Drei Mächte sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Amt für Sicherheit der Bundeswehr und der Bundesnachrichtendienst berechtigt, dem Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegende Sendungen zu öffnen und einzusehen, sowie den Fernschreibverkehr mitzulesen, den Fernmeldeverkehr abzuhören und auf Tonträger aufzunehmen.
Das ist die gesetzliche Bestimmung.
Nun ist zu fragen: Welches sind die Tatbestände, die vorliegen müssen? Solche Beschränkungen dürfen angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß jemand plant, begeht oder begangen hat: Straftaten des Friedensoder des Hochverrats, Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit, Straftaten gegen die Landesverteidigung, Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik stationierten Truppen. Ich glaube, niemand von uns will bestreiten, daß das dann wohl auch berechtigt wäre.
Nun ist die Frage zu stellen: Wer kann diese Anträge stellen? Antragsberechtigt sind das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Verfassungsbehörden der Länder, das Amt für Sicherheit der Bundeswehr und der Bundesnachrichtendienst.
Wer ist zuständig, so etwas anzuordnen? Das sind nur die jeweiligen Bundesministerien.
Nun kann man sagen: Das sind alles administrative Maßnahmen. Deshalb hat der Gesetzgeber damals genau überlegt, wer kontrollieren soll, ob alles rechtmäßig ist. Nach § 9 des Gesetzes hat der Deutsche Bundestag ein Gremium gebildet, das aus fünf vom Deutschen Bundestag bestimmten Abgeordneten besteht, das über die Durchführung des Gesetzes in regelmäßigen Abständen unterrichtet wird. Dieses Gremium kann auch initiativ tätig werden. Das ist die parlamentarische Kontrolle. Wir haben hier beschlossen, wer das machen soll.
Dieses Gremium bestellt — das ist eigentlich eine doppelte Sicherheit — eine Kommission mit einem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muß, und zwei Beisitzern sowie den entsprechenden Vertretern. Beide Institutionen überwachen die Durchführung des Gesetzes zu Art. 10 nach bestem Wissen und Gewissen. Sie sind zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor unerlaubten Eingriffen in die Bestimmungen des Art. 10 des Grundgesetzes tätig.
In Art. 10 des Grundgesetzes steht — damit das noch einmal jedem bewußt wird —:
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Das ist eine umfassende Sicherheit, die den Bürgerinnen und Bürgern gegeben wird.
Nun noch ein Schlußsatz. Im vorliegenden Fall hat eine ordnungsgemäße Berichterstattung durch die Bundesregierung stattgefunden. Ich sage persönlich noch etwas hinzu: Es besteht kein Grund zu besonderer Aufregung.
Bevor ich die Aktuelle Stunde für beendet erkläre, möchte ich auf Grund eines Redebeitrages des Herrn Abgeordneten Schwarz feststellen, daß nach der Geschäftsordnung jede Fraktion das Recht hat, eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Der Ältestenrat hat übereinstimmend festgestellt, daß diese Aktuellen Stunden auf drei in der Woche zu beschränken sind. Das nur zur Richtigstellung.
Ich erkläre die Aktuelle Stunde für beendet.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 8. März 1989, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.