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ID1112903200

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    Plenarprotokoll 11/129 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 129. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verleihung einer kommunalen Ehrenbürgerschaft an Verfolgte des Nationalsozialismus zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Verbesserung der Situation der Sinti und Roma (Drucksachen 11/1395, 11/224, 11/2196) Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU 9489 B, 9491 A Schröer (Mülheim) SPD 9489 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 9492 A Lüder FDP 9493 A Schröer (Mülheim) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 9494 A Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Hornhues, Dr. Pinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoppe, Frau Dr. HammBrücher, Dr. Feldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia und alle seine Bürger (Drucksache 11/3934) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Toetemeyer, Verheugen, Dr. Ehmke (Bonn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Unabhängigkeit für Namibia (Drucksache 11/3996) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Förderung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia (Drucksache 11/4039) Klein, Bundesminister BMZ 9494 D Toetemeyer SPD 9496 D Dr. Hornhues CDU/CSU 9499 C Frau Eid GRÜNE 9501 C Irmer FDP 9503 D Schäfer, Staatsminister AA 9505 D Verheugen SPD 9507 D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 9510 B Tagesordnungspunkt 18: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1989 (Drucksache 11/4027) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1988) Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1989 und zu den Vorausberechnungen der Bundesre- II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 gierung über die Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung (Drucksache 11/3735) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 9512 A Heyenn SPD 9513 A Müller (Wesseling) CDU/CSU 9514 C Frau Unruh GRÜNE 9515 C Heinrich FDP 9516 B Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde betr. die Haltung der Bundesregierung zu Behauptungen in der Presse über das amerikanische NSA-System (Nationale Sicherheits-Agentur) Frau Beer GRÜNE 9517 B, 9524 D Lamers CDU/CSU 9518 A Dr. de With SPD 9518 C Dr. Hirsch FDP 9519 C Schäfer, Staatsminister AA 9520 C Dr. Nöbel SPD 9521 D Dr. Olderog CDU/CSU 9522 D Heimann SPD 9523 C Schwarz CDU/CSU 9524 B Lüder FDP 9525 A Becker (Nienberge) SPD 9526 A Nächste Sitzung 9526 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9527* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9527* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 9489 129. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 24. 02. 89 * Dr. Apel SPD 24. 02. 89 Austermann CDU/CSU 24.02.89 Bahr SPD 24.02.89 Bohlsen CDU/CSU 24.02.89 Dr. Briefs GRÜNE 24. 02. 89 Clemens CDU/CSU 24. 02. 89 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 24. 02. 89 Frau Dempwolf CDU/CSU 24. 02. 89 Egert SPD 24. 02. 89 Erler SPD 24. 02. 89 Eylmann CDU/CSU 24. 02. 89 Francke (Hamburg) CDU/CSU 24. 02. 89 ** Frau Fuchs (Verl) SPD 24. 02. 89 Gallus FDP 24. 02. 89 Dr. Geißler CDU/CSU 24. 02. 89 Genscher FDP 24. 02. 89 Dr. Glotz SPD 24. 02. 89 Dr. Götz CDU/CSU 24. 02. 89 Dr. Haack SPD 24. 02. 89 Frau Hasselfeldt CDU/CSU 24. 02. 89 Dr. Hauchler SPD 24. 02. 89 Dr. Hauff SPD 24. 02. 89 Frau Hämmerle SPD 24. 02. 89 Heimann SPD 24. 02. 89 Horn SPD 24. 02. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 24. 02. 89 Ibrügger SPD 24. 02. 89 Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 24. 02. 89 Jaunich SPD 24. 02. 89 Jung (Düsseldorf) SPD 24. 02. 89 Kalisch CDU/CSU 24. 02. 89 Kastning SPD 24. 02. 89 Frau Kelly GRÜNE 24. 02. 89 Kirschner SPD 24. 02. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 24. 02. 89 Link (Diepholz) CDU/CSU 24. 02. 89 Louven CDU/CSU 24. 02. 89 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 24. 02. 89 Meyer SPD 24. 02. 89 Dr. Mitzscherling SPD 24. 02. 89 Dr. Müller CDU/CSU 24. 02. 89 * Dr. Probst CDU/CSU 24. 02. 89 Reschke SPD 24. 02. 89 Reuschenbach SPD 24. 02. 89 Ronneburger FDP 24. 02. 89 ** Dr. Rose CDU/CSU 24. 02. 89 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Roth (Gießen) CDU/CSU 24. 02. 89 Frau Rust GRÜNE 24. 02. 89 Rühe CDU/CSU 24. 02. 89 Schmidt (München) SPD 24. 02. 89 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 24. 02. 89 Dr. Schmude SPD 24. 02. 89 Schreiber CDU/CSU 24. 02. 89 Steiner SPD 24. 02. 89 Stiegler SPD 24. 02. 89 Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 24. 02. 89 Dr. Vondran CDU/CSU 24. 02. 89 Vosen SPD 24. 02. 89 Frau Wieczorek-Zeul SPD 24. 02. 89 Frau Will-Feld CDU/CSU 24. 02. 89 Wischnewski SPD 24. 02. 89 Wissmann CDU/CSU 24. 02. 89 Wittich SPD 24. 02. 89 Würzbach CDU/CSU 24. 02. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/1674 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksachen 11/1760, 11/1761 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/2032 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2724 Nr. 11-20 Drucksache 11/2899 Nr. 3.10, 3.12-3.19 Drucksache 11/3021 Nr. 2.6-2.9 Drucksache 11/3117 Nr. 2.3, 2.6-2.10 Drucksache 11/3200 Nr. 2.10, 2.12-2.30 Drucksache 11/3311 Nr. 2.10-2.18 Drucksache 11/3558 Nr. 3.13-3.35 Drucksache 11/3636 Nr. 2.11-2.14 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/3311 Nr. 2.19 Drucksache 11/3831 Nr. 26 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2198 Nr. 2.12
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 1. April 1989 ist der Tag, an dem die Anwendung der Resolution 435 und des hierauf gestützten westlichen Lösungsplans für Namibia beginnt. Damit ist die Unabhängigkeit Namibias endlich in greifbare Nähe gerückt.
    Der Weg dahin war nicht einfach, Frau Kollegin Eid. Gewalt und regionaler Unfrieden, Rückschläge und oftmals enttäuschte Hoffnungen auf schnelle Lösungen waren die Etappen eines zehnjährigen Weges, der von der Erarbeitung der Resolution 435 1978 bis zu der am 16. Februar 1989 beschlossenen Ermächtigungsresolution des Sicherheitsrates geführt hat.
    Die Bundesregierung hat diesen historischen Prozeß von Anfang an aktiv und konstruktiv begleitet. Herr Kollege Irmer, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie insbesondere auf die Rolle von Bundesaußenminister Genscher hingewiesen haben.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Aha! Man höre genau auf die Betonung!)

    Er war zusammen mit den Außenministern der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas sowohl einer der Väter dieser Resolution als auch einer der Initiatoren des diese Resolution ergänzenden westlichen Lösungsplans.
    Wir haben, ungeachtet aller Schwierigkeiten — wenn ich in die Besucherloge sehe, dann weiß ich, wovon ich bei dem Begriff „Schwierigkeiten" rede —, die uns hier gemacht worden sind, an diesem Plan entschlossen festgehalten und unbeirrt auf seine Ver-



    Staatsminister Schäfer
    wirklichung hingearbeitet. Die Entwicklung bestätigt, daß eine erfolgreiche Politik eine klare Konzeption und einen langen Atem verlangt. Die Resolution 435 und der Lösungsplan entsprechen in allen Teilen einem verpflichtenden Grundprinzip demokratischer Politik: der Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes des namibischen Volkes.
    Dieses Ziel hat die Bundesregierung zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren. Die Resolution 435 wurde überdies stets von der überwältigenden Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen unterstützt und getragen. Die Interimsregierungen, die uns gelegentlich angedient wurden, konnten nie eine Alternative zur Unabhängigkeit Namibias sein.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Hat das Herr Bundesminister Klein auch so gesehen?)

    Wir können jetzt sagen: Wenn die Unabhängigkeit Namibias jetzt mit dem Beginn der Implementierungsphase der Resolution 435 in Sichtweite gerückt ist, so ist dies nicht zuletzt auch ein Erfolg kontinuierlicher deutscher Außen- und Afrikapolitik.
    Unsere Genugtuung über die jetzt bevorstehende Namibia-Lösung darf uns allerdings nicht den Blick für die fortdauernden Probleme in der Region verstellen. Der Abzug der südafrikanischen und kubanischen Soldaten aus Angola bringt diesem Land noch nicht den inneren Frieden.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Solange die Unita durch die USA unterstützt wird!)

    Das Vertragswerk von New York sieht vor, daß es in Angola keine fremden Militärinterventionen mehr geben soll. Nach wie vor stehen sich Angolaner aber in einem blutigen Bürgerkrieg gegenüber. Angola erhält jetzt jedoch die Chance, seine inneren Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Wir hoffen, daß der Bürgerkrieg in Angola, der bereits so viele Menschenleben gefordert und ein ganzes Volk ins Unglück gestürzt hat, schnell beendet wird.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Dann wirken Sie auf die USA und Zaire ein!)

    Wir unterstützen alle Bemühungen, insbesondere der afrikanischen Regionalstaaten, zur Herbeiführung des Friedens in Angola. Dieses Ziel, Frau Kollegin Eid, wäre leichter zu erreichen, wenn jede militärische Unterstützung von außen beendet würde.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Dies gilt sowohl für Waffenlieferungen und militärische Unterstützung an die MPLA-Regierung als auch für die UNITA.
    Das namibische Volk soll Anfang 1989 in freien, fairen und international überwachten Wahlen — meine Damen und Herren, es klang ja heute morgen an: das heißt es erst noch sicherzustellen; Herr Kollege Toetemeyer, auch wir sehen hier manche Klippe, die noch zu überwinden ist — eine verfassunggebende Versammlung wählen, die über die zukünftige staatliche und gesellschaftliche Ordnung entscheiden soll. Wir vertrauen darauf, daß diese Staatsordnung entsprechend den Verfassungsprinzipien gestaltet wird, die von der Kontaktgruppe erarbeitet und von den Vereinten Nationen, der SWAPO und Südafrika anerkannt worden sind. Das unabhängige Namibia wird eine demokratisch legitimierte Regierung erhalten. Es braucht eine Verfassung, die von Pluralismus, Recht und Demokratie getragen wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Südafrika wird gemäß dem Lösungsplan während der Übergangszeit bis zur Unabhängigkeit für eine geordnete Verwaltung Namibias verantwortlich sein. Dazu gehört auch die Sicherstellung der finanziellen Grundlagen

    (Sehr gut! bei der SPD)

    für eine funktionierende öffentliche Verwaltung.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, dieser Verantwortung kann und darf sich Südafrika weder unter Hinweis auf eigene Haushaltsprobleme noch unter Hinweis auf internationale Schulden noch unter irgendeinem anderen Vorwand entziehen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die Bundesregierung hat sich immer zu einer besonderen Verantwortung für Namibia bekannt. Unsere Beteiligung an der westlichen Kontaktgruppe, die Periode deutscher Kolonialherrschaft in Namibia und nicht zuletzt die beträchtliche deutsche und deutschstämmige Minderheit sind die Gründe für diese Haltung.
    Die Bundesregierung wird — darauf hat der Kollege Klein hingewiesen — durch ihre finanziellen und personellen Beiträge sowie durch Sachleistungen die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen nach besten Kräften unterstützen. So werden wir unseren Pflichtbeitrag für die Kosten der — wie es so schön heißt — United Nations Transition Assistance Group, UNTAG, in voller Höhe unverzüglich bereitstellen.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Wann ist ,,unverzüglich"?)

    — Die Mittel stehen schon bereit.
    Zusätzlich stehen uns noch Mittel für freiwillige Leistungen zur Verfügung. Davon werden Kraftfahrzeuge geliefert. Sie werden noch im März, also vor Beginn der Implementierung von Resolution 435, in Namibia eintreffen. Weiter bemühen wir uns, zur Wartung des Wagenparks von UNTAG Kfz-Mechaniker zur Dienstleistung bei den Vereinten Nationen zu entsenden. Auch das ist auf dem Wege. Darüber hinaus haben wir dem UN-Sekretariat angeboten, uns an der Wahlbeobachtergruppe der Vereinten Nationen zu beteiligen.
    Die Rückführung der namibischen Flüchtlinge in ihre Heimat ist ein weiteres besonderes Problem. Die Bundesregierung prüft deshalb, ob weitere Mittel für einen freiwilligen Beitrag zu dem Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen bereitgestellt werden können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ab Anfang März 1989, also schon in wenigen Tagen, werden wir eine diplomatische Beobachtermis-



    Staatsminister Schäfer
    sion in Windhuk errichten, um den Unabhängigkeitsprozeß vor Ort zu verfolgen.

    (Toetemeyer [SPD]: Sehr gut!)

    Diese Entscheidung soll auch der Vertrauensbildung in der schwierigen Zeit des Übergangs zur Unabhängigkeit dienen.
    Die mit der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 16. Februar 1989 endgültig beschlossene Verwirklichung des Friedensplans für Namibia bedeutet einen tiefen Einschnitt in der Geschichte dieses Landes. Erforderlich ist die Schaffung von Vertrauen über ethnische und politische Grenzen hinweg, damit in Namibia ein Staat entstehen kann, in dem Menschen verschiedener Rassen und unterschiedlicher Stammeszugehörigkeit friedlich zusammenleben können.
    Die Bundesregierung hat stets den Dialog mit allen politischen Kräften Namibias gefördert und selbst den Dialog mit ihnen gesucht und geführt. Wir werden diese Politik fortsetzen. Wir wollen ebenso mit der SWAPO wie mit den anderen Parteien in Namibia sprechen. Wir messen den Gewerkschaften, den Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppen wie z. B. der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester eine bedeutende Integrationskraft zu.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Sie ist unerläßlich, um Ausgleich und Versöhnung in Namibia zu erreichen.
    Vorhin ist auf die Übergangsphase in Rhodesien/ Simbabwe hingewiesen worden. Da waren ja einige Kollegen und ich als Beobachter dabei. Dort haben uns am Abend vor der Wahl einige gesagt: Wenn Mugabe gewinnt, werden wir das Land verlassen. Ich glaube, man sollte aus der Entwicklung in Afrika lernen. Solche Befürchtungen sind sicher auch in diesem Falle übertrieben. Man soll bleiben, und man soll daran mitwirken, daß ein Zusammenwirken aller Kräfte in Namibia zustande kommt,

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    statt schon vorher sozusagen die Flinte ins Korn zu werfen, wenn die Partei, die einem nicht liegt, gewählt wird.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU — Toetemeyer [SPD]: Nicht ins Korn geworfen, sondern in den Schrank gestellt haben sie die Flinte; das ist das Schlimme!)

    Das wäre der falsche Weg.
    Man kann schon jetzt sagen: Wer auch immer die Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung für sich entscheiden kann, er trägt eine große Verantwortung für die Entwicklung der namibischen Gesellschaft zu Pluralismus und Demokratie und damit für die Zukunft des Landes. Die Verfassungsprinzipien, die 1982 einvernehmlich von allen Beteiligten vereinbart worden sind — sie wurden vorhin verlesen —, bilden ein solides Fundament für eine demokratische Verfassungsentwicklung Namibias. Es ist nun an den Parteien Namibias, diesen Rahmen in einer Weise auszufüllen, daß die Voraussetzungen für eine friedliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft Namibias geschaffen werden.
    Noch ein Wort zur Rolle der Deutschen und der Deutschstämmigen in Namibia: Wir wollen, daß sie in diesem Lande bleiben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir hoffen, daß sie ein dynamisches Element einer neuen namibischen Nation werden. Es wird dabei das Anliegen der Bundesregierung sein, ihnen zu helfen, ihre kulturelle Identität zu bewahren.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Lowack, ich weiß, daß das Ihnen persönlich ein besonders großes Anliegen ist.
    Die Bundesregierung hat die Absicht, mit einem unabhängigen Namibia intensiv und eng zusammenzuarbeiten. Hierauf bereitet sich die Bundesregierung derzeit vor. Sie bereitet ein Programm vor, das nach Inhalt und finanziellem Einsatz der Größenordnung unseres politischen Engagements für das unabhängige Namibia gerecht wird. Sie soll sich auf die Bereiche der politischen Zusammenarbeit, der Entwicklungshilfe und der wirtschaftlichen Kooperation sowie auf eine möglichst umfassend angelegte kulturelle Zusammenarbeit erstrecken.
    Wir rechnen auf eine breite Zustimmung und Unterstützung zu diesen Plänen im Deutschen Bundestag. Wir alle wollen, daß Namibia ein geachtetes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft wird und ein Beispiel gibt für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Rassen. Eine solche Entwicklung Namibias wird zugleich ein wichtiges Signal für die innere Entwicklung Südafrikas setzen.
    Die Bundesregierung wird alles in ihren Kräften Stehende tun, dazu beizutragen, dieses Ziel zu erreichen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei allen Fraktionen)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Verheugen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günter Verheugen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Raum haben wir ganz besonderen Anlaß, sehr sorgfältig mit der deutschen Geschichte umzugehen, Frau Kollegin Eid; darum muß ich mich noch einen kurzen Augenblick mit Ihrem Vorwurf der Verharmlosung der deutschen Kolonialgeschichte in Namibia auseinandersetzen.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Es fehlt einiges!)

    In dem Antrag Ihrer Fraktion, Frau Eid, steht zum Punkt der deutschen Kolonialgeschichte in Südwestafrika folgender Satz:
    Diese Verantwortung ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, daß das Deutsche Reich es war, das mit der Kolonisierung des damaligen Südwestafrika vor über 100 Jahren den Grundstein für die bis heute bestehende Fremdherrschaft legte, und daß immer noch viele deutschsprachige Menschen dort leben.



    Verheugen
    Das ist alles, was in Ihrem Antrag zu diesem Thema steht.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Sagen Sie etwas zu der Ausbeutung der Ressourcen!)

    Im Antrag der SPD heißt es:
    Von 1884 bis 1918 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im damaligen Deutsch-SüdwestAfrika. In dieser Zeit hat es im Kolonialkrieg von 1904 bis 1907 mehr als ein Viertel der Menschen des Herero-Stammes ausgerottet, Zehntausende von Namas umgebracht und die Überlebenden total unterworfen.
    — Frau Eid, in welchem Antrag wird die deutsche Kolonialgeschichte in Südwestafrika verharmlost, in Ihrem oder in unserem?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Frau Eid [GRÜNE]: Sie hört aber doch nicht 1904 auf!)

    Aber wir brauchen uns darüber nicht zu streiten. Ich weiß ja, daß wir beide uns einig sind, daß am Anfang der neueren Geschichte dieses unglücklichen Landes ein Völkermord gestanden hat und daß für diesen Völkermord eine Politik verantwortlich war, die immer noch mit einem ganz gefährlichen Mythos umgeben ist, dem Mythos der deutschen Kolonialgeschichte, die heute noch immer so dargestellt wird, als sei sie besser gewesen als die der anderen Kolonialmächte. Ich glaube, wir sollten das vergessen: Sie ist nicht nur nicht besser gewesen, sondern sie hat sich durch besondere Grausamkeit, durch besondere Menschenverachtung ausgezeichnet.
    Das muß hier festgestellt werden, weil anders kaum zu verstehen ist, warum wir auch heute noch eine wirklich ganz besondere, auch moralische Verantwortung für dieses Land, Namibia, und seine Menschen empfinden müssen und warum das nicht einfach in Mark und Pfennig ausgedrückt werden kann.
    Meine Damen und Herren, man wagt es kaum zu glauben, aber man muß es wohl, wenn hier alle Fraktionen und die Bundesregierung so übereinstimmend den Prozeß, der in Gang gekommen ist, loben und sich zu ihm bekennen. Trotzdem frage ich mich: Haben wir in den letzten Jahren denn geträumt? Ist das alles gar nicht wahr gewesen, was es hier an Diskussionen gegeben hat?
    Hier sitzen eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, deren Äußerungen in dem Werk des von Südafrika finanzierten fleißigen Public-Relations-Büros „Namibia Information Office" dokumentiert sind; zu Dutzenden sind Sie dort zitiert, wie Sie alle die Resolution 435 für überholt und falsch erklären und die Bundesregierung kritisieren, daß sie daran festhält. Ich frage mich: Woher kommt der plötzliche Meinungswandel?
    Tatsache ist jedenfalls, daß die in den 70er Jahren konzipierte Namibia-Politik der Bundesregierung, die damals zur Resolution 435 und zur Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in der Kontaktgruppe geführt hat, in den letzten Jahren von der Opposition dieses Hauses gegen Widerstand aus den Regierungsfraktionen verteidigt werden mußte; so ist es gewesen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Sie werden sich selber damit noch auseinandersetzen müssen, wie Sie damit umgehen wollen, wenn Sam Nujoma als Präsident von Namibia nach Bonn kommt — ich hoffe, daß er kommt — und wenn er sich dann natürlich daran erinnert, welche Diskussionen es hier bei früheren Besuchen gegeben hat — Herr Bötsch liest so interessiert die Zeitung; Sie wissen, daß ich Sie meine —, wer hier den künftigen Präsidenten dieses Landes als Mörder und Terroristen bezeichnet hat, wer noch im vergangenen Jahr hier auf den Straßen in Bonn Demonstrationen organisiert und Flugblätter gegen den Terroristen Nujoma und die SWAPO verteilt hat.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wer? Ich?) — Nein, nicht Sie persönlich. —

    Nein, Sie sollten das nicht so ohne weiteres abtun; denn das wird Ihnen in der vor Ihnen liegenden Zeit noch Schwierigkeiten machen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wir können es Ihnen nicht durchgehen lassen, daß Sie hier heute so tun, als sei die Politik der Koalitionsfraktionen in irgendeiner — auch nur der geringsten — Weise dafür ursächlich, daß das Volk von Namibia nun die Chance zur Unabhängigkeit bekommt.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Es ist gegen Ihren Willen geschehen; Sie haben etwas anderes gewollt.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Vielleicht haben Sie uns überzeugt!)

    Und wenn Sie es nicht glauben wollen: Dem Deutschen Bundestag

    (Irmer [FDP]: Herr Verheugen, wieso haben Sie denn gerade gesagt: „Koalitionsfraktionen"?)

    — das gilt auch für Sie, Kollege Irmer —

    (Zustimmung bei der SPD)

    haben in den letzten Jahren Dutzende von Anträgen vorgelegen, in denen der Bundestag dazu aufgefordert worden ist, sich zur Resolution 435 zu bekennen.

    (Koschnick [SPD]: Richtig!)

    Nicht eine einzige dieser Resolutionen hat eine Mehrheit in diesem Bundestag gefunden,

    (Frau Eid [GRÜNE]: So ist es!)

    auch nicht die Stimmen Ihrer Fraktion, Herr Irmer.

    (Beifall bei der SPD)