Rede von
Karl
Lamers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der den Anlaß für unsere heutige Debatte bietende Artikel des „Spiegel" ist nicht nur geeignet, sondern nach meiner Überzeugung auch dazu bestimmt, die hierzulande seit einiger Zeit entflammte und manchmal merkwürdige Blüten treibende Debatte über angebliche Souveränitätsdefizite anzufachen. Wie man aus der Beantragung dieser Aktuellen Stunde sieht und den Ausführungen von Frau Kollegin Beer entnehmen konnte, ist diese Absicht, natürlich auch bei Ihnen, erfolgreich gewesen. Diese Debatte hat, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine eindeutige Spitze gegen die Vereinigten Staaten.
Diese Vorbemerkung soll nicht bedeuten, daß ich illegale Lauschaktionen fremder Geheimdienste auf deutschem Territorium gegenüber deutschen Bürgern nicht als schwerwiegenden Vorgang betrachtete. Natürlich wäre ein solcher Gedanke für unser Souveränitätsverständnis und für unser Rechtsverständnis ein schwer, nein, ein nicht erträglicher Gedanke. Aber bei näherem Hinsehen sind die Tatsachenbehauptungen des „Spiegel" mehr als dünn, und der Neuigkeitswert seiner Ausführungen ist dürftig.
Ich gehe davon aus, daß die Bundesregierung erklären wird, daß erstens die Rechtsverhältnisse klar sind und daß zweitens keine Erkenntnisse über Aktionen vorliegen, die deutsches Recht und Vereinbarungen mit den Alliierten verletzen. Ich füge jedoch hinzu: Es dürfen solche Erkenntnisse auch gar nicht vorliegen können. Deswegen ist zu prüfen, ob angesichts der außerordentlich erweiterten, wohl zutreffend beschriebenen technischen Möglichkeiten, die wenn ich es richtig sehe, vor zwei Jahrzehnten getroffenen Regelungen und Vereinbarungen veraltet sind und angepaßt werden müssen. Dazu wird Kollege Olderog Näheres sagen.
Als Angehöriger einer Partei und Fraktion, die sich in besonderer Weise der Bedeutung der deutschamerikanischen Beziehungen bewußt ist, und als jemand, der persönlich den törichten und gefährlichen antiamerikanischen Aufwallungen mit Entschiedenheit entgegentritt, fühle ich mich besonders legitimiert, unsere amerikanischen Freunde um Verständnis für diese ja eigentlich auch selbstverständliche Überlegung zu bitten. Es muß so weit wie möglich jeder Verdacht ausgeräumt werden.
Damit aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sollten wir es, so meine ich, was dieses Thema angeht, auch bewenden lassen.
Es gibt doch andere Gremien im Deutschen Bundestag, in denen über diese Fragen angemessener geredet werden kann als im Plenum.
Es gibt weiß Gott wichtigere Fragen, auch wichtigere außenpolitische Fragen, als diese. Die wichtigste ist, wie wir eine politische Ordnung in Europa errichten, die bei aller Vorsicht und bei allem sicher auch notwendig bleibenden Mißtrauen, gleichzeitig aber bei allem Mut zu mehr Vertrauen, dazu führt, daß solche Einrichtungen, jedenfalls solche von anderen auf deutschem Boden, überflüssig werden.
Das ist gewiß ein langer und steiniger Weg, aber es gibt Chancen, dieses Ziel zu erreichen. Das letzte, was wir dabei brauchen können, ist Mißtrauen zwischen den Verbündeten, vor allem zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland.
Daher werden wir allen Versuchen, solches Mißtrauen zu schüren, mit Entschiedenheit entgegentreten.