Protokoll:
11089

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 11

  • date_rangeSitzungsnummer: 89

  • date_rangeDatum: 6. September 1988

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 11:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:58 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/89 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 89. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Unglücks bei der Flugschau in Ramstein 6059 A Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundesminister a. D. Dr. Johann Baptist Gradl 6059 B Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Professor Dr. Friedrich Schäfer 6059 D Verzicht der Abg. Dr. Wörner, Sauter (Ichenhausen) und Lemmrich auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 6060 A Eintritt der Abg. Jäger (Wangen), Graf Huyn und Frau Dr. Wegner in den Deutschen Bundestag 6060 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Buschfort, Sauter (Epfendorf), Koltzsch, Dr. Stercken und des Vizepräsidenten Stücklen 6060 B Erweiterung der Tagesordnung 6060 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 6060D, 6106B Wieczorek (Duisburg) SPD 6072 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 6080 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 6085 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6088 C Esters SPD 6093 B Dr. Rose CDU/CSU 6096 C Frau Rust GRÜNE 6100A Dr. Solms FDP 6101 D Frau Will-Feld CDU/CSU 6104 A Walther SPD 6108B Nächste Sitzung 6110 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6111 *A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 89. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 6059 89. Sitzung Bonn, den 6. September 1988 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Mitzscherling 6. 9. Niegel* 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oostergetelo 9. 9. Pfuhl 6. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Frau Saibold 6. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Vosen 6. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Würtz 6. 9. Zierer * 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
Gesamtes Protokol
Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1108900000
Die Sitzung ist eröffnet.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Mit tiefer Trauer und Anteilnahme gedenken wir heute der Opfer des schweren Unglücks, das sich bei der Flugschau in Ramstein am 28. August 1988 ereignet und nach letzten Meldungen 52 Menschenleben gefordert hat. Mehrere hundert Menschen erlitten dabei zum Teil lebensgefährliche Verletzungen. Als besonders schmerzvoll empfinden wir, daß sich unter den Opfern und Verletzten viele Kinder und junge Menschen befinden.
Mit großer Erschütterung haben wir die Bilder und die Berichte von dem Geschehen aufgenommen und wissen uns aufgefordert, die Frage nach dem Sinn und den Risiken solcher Veranstaltungen neu zu überdenken.
In diesem Augenblick aber wollen wir der Opfer gedenken. Den Hinterbliebenen, den Angehörigen und allen, die den Toten nahestehen, gilt unsere tiefempfundene Anteilnahme. Zugleich wünsche ich den durch das Unglück Verletzten, von denen noch viele intensiver ärztlicher Behandlung bedürfen, rasche Besserung und baldige Genesung.
Darüber hinaus möchte ich all denen, die sich aufopferungsvoll an den Rettungsaktionen beteiligt haben, unseren Dank für ihren beispiellosen Einsatz aussprechen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zweier ehemaliger Kollegen gedenken, die während der Sommerferien verstorben sind.
Der Deutsche Bundestag trauert um sein ehemaliges Mitglied, den Bundesminister Dr. Johann Baptist Gradl, der während der Sommerpause am 2. Juli 1988 in Berlin gestorben ist.
Johann Baptist Gradl, der am 25. März 1904 in Berlin geboren wurde, studierte in seiner Heimatstadt und in Halle Staats- und Wirtschaftswissenschaften. Im Jahre 1930 wurde er in Halle promoviert. Gradl, der bis 1933 der Deutschen Zentrumspartei angehört hatte, gründete 1945 gemeinsam mit Jakob Kaiser und Ernst Lemmer die Christlich Demokratische Union für Berlin und für die damalige sowjetische Besatzungszone. 1947 wurde er von der sowjetischen Militäradministration mit Redeverbot belegt und als
Mitglied des Hauptvorstandes der CDU abgesetzt. In West-Berlin leitete Gradl dann das Ost-Büro der CDU und war von 1970 an Vorsitzender der Exil-CDU.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Gradl von 1957 bis 1980 an. Von 1969 bis 1972 war er Vorsitzender des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen bzw. des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen. Die Mitgliedschaft in diesem Ausschuß sowie im Auswärtigen Ausschuß hat er bis 1980 beibehalten.
Als Gründungsmitglied des Kuratoriums Unteilbares Deutschland hat Gradl stets das Gespräch über die Parteigrenzen hinaus gesucht. Dem Präsidium des Kuratoriums hat er bis zu seinem Tode vorgestanden.
Der Name Johann Baptist Gradl ist für immer verbunden mit dem mutigen Kampf der nichtkommunistischen Parteien in der damaligen sowjetischen Besatzungszone. Uns wird er immer in Erinnerung bleiben als Anwalt der Einheit Deutschlands, der er als Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte und als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen gedient hat. Johann Baptist Gradl hat sich mit seiner ganzen Persönlichkeit in den Dienst der Freiheit und der Selbstbestimmung der Deutschen gestellt. Sein politisches Wirken war geprägt von Mut, Standfestigkeit und Besonnenheit.
Der Deutsche Bundestag wird Johann Baptist Gradl ein ehrendes und dankbares Gedenken bewahren.
Am 31. August 1988 ist unser früheres Mitglied Professor Dr. Friedrich Schäfer im Alter von 73 Jahren in Tübingen verstorben.
Friedrich Schäfer wurde am 6. April 1915 in Sindelfingen geboren. In Tübingen und Berlin studierte er Rechtswissenschaft. Dem Deutschen Bundestag gehörte er von 1957 bis 1980 an, mit einer Unterbrechung in der Zeit der Großen Koalition zwischen 1967 und 1969. In dieser Zeit war er Staatssekretär im Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundes und der Länder. Zuvor hatte Friedrich Schäfer lange Jahre das Amt eines Parlamentarischen Geschäftsführers in der SPD-Fraktion versehen.
Von 1965 bis 1967 war er Vorsitzender des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, später, nach seiner Rückkehr in den Bundestag, Vorsitzender des Innenausschusses und außer-



Präsident Dr. Jenninger
dem von 1971 bis 1976 Vorsitzender der EnqueteKommission Verfassungsreform, deren Ergebnisse nicht zuletzt durch sein Wirken die verfassungspolitische Diskussion in der Bundesrepublik nachhaltig beeinflußt haben.
Friedrich Schäfer war ein leidenschaftlicher Parlamentarier, aber auch Wissenschaftler, wovon sein Werk über den Deutschen Bundestag und zahlreiche weitere Veröffentlichungen zum Thema Parlament Zeugnis geben. In Wort und Schrift setzte er sich dafür ein, daß der Bundestag seine staatsleitende Aufgabe wahrnimmt und sich seiner politischen Fuhrungsaufgabe bewußt bleibt.
Ich habe der Familie des Verstorbenen im Namen des Deutschen Bundestages meine Anteilnahme ausgesprochen. Der Deutsche Bundestag wird seinem ehemaligen Mitglied Friedrich Schäfer ein dankbares und ehrendes Gedenken bewahren.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich einige Mitteilungen machen. Am 30. Juni 1988 hat der Abgeordnete Dr. Wörner auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger hat der Abgeordnete Jäger (Wangen) am 1. Juli 1988 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.
Am 6. Juli 1988 hat der Abgeordnete Sauter (Ichenhausen) ebenfalls auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger hat der Abgeordnete Dr. Kreile am 11. Juli 1988 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.
Am 28. Juli 1988 hat der Abgeordnete Lemmrich auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Sein Nachfolger, der Abgeordnete Graf Huyn, hat am 2. August 1988 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.
Die Abgeordnete Frau Dr. Dobberthien hat am
29. August 1988 auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als ihre Nachfolgerin hat die Abgeordnete Frau Dr. Wegner am 31. August 1988 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.
Ich begrüße die uns schon aus früheren Wahlperioden bekannten Kollegen und die neue Kollegin herzlich.

(Beifall)

Schließlich darf ich noch auf folgende erfreuliche Ereignisse hinweisen. Am 25. Juni dieses Jahres hat der Abgeordnete Buschfort seinen 60. Geburtstag, am
30. Juni der Abgeordnete Sauter (Epfendorf) ebenfalls seinen 60. Geburtstag, am 16. Juli 1988 der Abgeordnete Koltzsch seinen 60. Geburtstag und am 24. Juli dieses Jahres der Abgeordnete Schwarz seinen 60. Geburtstag gefeiert. Herr Vizepräsident Stücklen hat am 20. August seinen 72. Geburtstag und Herr Abgeordneter Dr. Stercken hat am 2. September seinen 65. Geburtstag gefeiert. Ich darf den
verehrten Kollegen noch nachträglich die besten Wünsche des Hauses übermitteln.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, interfraktionell ist vereinbart worden, die erste Beratung des Nachtragshaushaltsgesetzes 1988 auf der Drucksache 11/2650 als Zusatzpunkt in verbundener Debatte auf die Tagesordnung zu setzen. Sind Sie damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 sowie den Zusatztagesordnungspunkt auf:
1. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989)

— Drucksache 11/2700 —
Überweisung: Haushaltsausschuß
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992
— Drucksache 11/2701 —
Überweisung: Haushaltsausschuß
ZP Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988

(Nachtragshaushaltsgesetz 1988) — Drucksache 11/2650 —

Überweisung: Haushaltsausschuß
Meine Damen und Herren, interfraktionell ist vereinbart worden, daß die Aussprache heute und morgen bis ca. 18 Uhr dauern soll. Am Donnerstag soll sie um 18.30 Uhr sowie am Freitag gegen 12 Uhr beendet werden. Eine Mittagspause ist jeweils von 13 bis 14 Uhr vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist es so beschlossen.
Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bundesminister der Finanzen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1108900100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidungen zum Entwurf des Bundeshaushalts 1989 und der mittelfristigen Finanzplanung stehen unter dem Vorzeichen erheblicher neuer Anforderungen an den Staat, grundlegend verbesserter wirtschaftlicher Daten und Erwartungen sowie einer Neubestimmung von Ausgaben und Einnahmen im Verhältnis von Bund, Ländern und Europäischer Gemeinschaft. Der vorgelegte Etat setzt auch unter veränderten Bedingungen den Kurs sparsamer, verantwortungsbewuß-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
ter Verwendung der öffentlichen Mittel fort und trägt nach unserer Überzeugung dazu bei, das Wachstum unserer Volkswirtschaft weiter nachhaltig zu fördern.
Wesentlich ist, daß die in diesem Jahr durch Sonderfaktoren vorübergehend erhöhte Neuverschuldung wieder deutlich zurückgeführt werden soll. Sie soll nach knapp 40 Milliarden DM 1988 auf weniger als 32 Milliarden DM im Jahre 1989 absinken. Die Bundesregierung will am Ziel dauerhafter stabiler Grundlagen für die öffentliche Finanzwirtschaft festhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Ausgaben im Bundeshaushalt 1989 sollen um 4,6 % auf rund 288 Milliarden DM zunehmen. Der Anstieg ist damit deutlich höher als in den letzten sechs Jahren, als er durchschnittlich nur 2 % betrug. Diese einmalig erhöhte Wachstumsrate ist auf die vereinbarten zusätzlichen Leistungen des Bundes an strukturschwache Länder in Höhe von 2,45 Milliarden DM jährlich sowie auf Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit von 3,3 Milliarden DM zurückzuführen. Ohne diese Sonderfaktoren, die ich begründen werde, wäre der Ausgabenanstieg bei 2,5 % geblieben. 1990 soll der Zuwachs wieder auf etwa 2%, in den folgenden Jahren auf 2,5 To zurückgeführt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben es erneut erlebt: Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen ist in den Ablauf wirtschaftlicher Trends und ihrer manchmal kurzfristigen Schwankungen eingebunden. So sind gewisse Abweichungen von angestrebten Zielgrößen und quantitativen Orientierungen in einer Zeit des raschen Wandels der Daten und Prognosen unvermeidbar.

(Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: So kann man es auch nennen!)

— Im Augenblick geht der Trend erfreulicherweise wieder nach oben. Dazu spreche ich auch noch.
Stetigkeit und Verläßlichkeit in der Finanzpolitik heißen deshalb — bei aller Flexibilität und Reaktionsfähigkeit — vor allem, langfristig an klar gesetzten Zielen und Grundsätzen festzuhalten und auch unter veränderten Bedingungen die für richtig erkannten Konzeptionen Zug um Zug zu verwirklichen.
Für das laufende Haushaltsjahr 1988 hatten wir im Herbst letzten Jahres für die Nettokreditaufnahme einen Rahmen von 29,5 Milliarden DM vorgesehen. Die schon damals zu erwartenden, von uns in die Diskussion eingeführten, aber in der Größenordnung zunächst noch nicht abschätzbaren Einnahmeverluste durch erhöhte Finanzbeiträge an die Europäische Gemeinschaft sollten — wie ja bereits von der Koalition Anfang 1987 vereinbart und angekündigt — durch eine maßvolle Anhebung bei den Verbrauchsteuern ausgeglichen werden.
Um den Jahreswechsel ergab sich jedoch eine erheblich veränderte Lage. Nach den weltweiten Erschütterungen an den Devisen- und Aktienmärkten wurden die Wachstumserwartungen für das Jahr 1988 beträchtlich zurückgenommen. Vor allem von der sozialdemokratischen Opposition wurde die Gefahr einer Rezession in düstersten Farben beschworen.
Der in den letzten Wochen 1987 überraschend starke Kurseinbruch des US-Dollars erreichte Ende Dezember seinen Tiefpunkt. So entfiel die eingeplante Ablieferung des Bundesbankgewinns von rund 6 Milliarden DM auf Grund des plötzlich eingetretenen Abschreibungsbedarfs der Bundesbank nahezu völlig.
Wir haben — ich will daran erinnern, meine Damen und Herren — in jenen Wochen der erheblichen Unruhe und des übergroßen Pessimismus den verbreiteten Forderungen nach hektischen Aktionen widersprochen. Wir sind froh, daß wir ihnen widersprochen haben und ihnen nicht gefolgt sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat und auch den führenden internationalen Organisationen rechneten wir ebenfalls mit einem verhalteneren Wachstum. Deshalb schätzten wir im Januar im Jahreswirtschaftsbericht eine Zunahme des realen Bruttosozialprodukts von nur 1,5 % bis höchstens 2 %. Ich will daran erinnern, daß uns diese vorsichtige Prognose damals heftige Kritik von der sozialdemokratischen Opposition und vielen Kommentatoren und den Vorwurf eingetragen hat, wir huldigten hier einem Zweckoptimismus.
Auf Grund der vorhergesagten Wachstumsstokkung entschlossen wir uns, ein höheres Haushaltsdefizit vorübergehend hinzunehmen und die vorgesehene Anhebung der Verbrauchsteuern auf 1989 zu verschieben.
Wir haben bereits am Jahresanfang eindeutig gesagt, daß die sich abzeichnende Neuverschuldung von etwa 40 Milliarden DM nur kurzfristig und nur einmalig vertretbar sei. Das Kabinett erklärte in seinem Beschluß vom 7. Januar, bereits im Haushaltsjahr 1989 müsse wieder eine Größenordnung von etwa 30 Milliarden DM angestrebt werden. Dabei haben wir massiven Forderungen nach zusätzlichen milliardenschweren und kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen ebenso widerstanden wie den vielfältigen Appellen — etwa von Wirtschaftsverbänden —, die Steuern noch schneller und umfassender zu senken.
So konnten wir eine noch wesentlich höhere Ausweitung der Nettokreditaufnahme abwehren, erhebliche Zusatzbelastungen vom Bundeshaushalt abwenden, und — wie ich glaube — auch das Vertrauen in die Berechenbarkeit der Finanzpolitik stärken.

(Zuruf des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

— Sie reden ständig vor sich hin. Aber es trägt zur Klärung der Probleme, die wir behandeln, wirklich nicht bei.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich erinnere noch einmal an diese sorgenvollen und kritischen Debatten, an diese pessimistischen Vorhersagen; denn seit dem Jahresanfang hat sich der zunächst verhangene wirtschaftliche Horizont aufgehellt. Die Wachstumsdynamik verstärkt sich ganz erheblich. Das zeigen auch die gestrigen Zahlen über die Auftragseingänge des Monats Juli, die wir morgen in den Zeitungen lesen werden.



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Zu einer über Erwarten guten Exportentwicklung kommen vor allem die erhebliche Steigerung der Binnennachfrage und als wichtigster Trend seit einigen Monaten ein sehr starker Anstieg der privaten Investitionen.
Meine Damen und Herren, heute früh hat das Statistische Bundesamt Zahlen über die Wirtschaftsentwicklung im ersten Halbjahr 1988 veröffentlicht.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Das haben Sie gut hingekriegt!)

Ich möchte sie hier vortragen: Danach ist das Bruttosozialprodukt real um 3,9 % angestiegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der private Verbrauch wuchs um 3,2 %, der Staatsverbrauch — ich sage das als Finanzminister mit Genugtuung — nur um 1,9 %.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!) Die Bruttoinvestitionen nahmen um 11 % zu,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

die Bauinvestitionen um 10,4 %. Ich unterstreiche das im Hinblick auf die großen Sorgen der Firmen der Bauwirtschaft und ihrer Mitarbeiter, die endlich wieder bessere Erfahrungen machen, was wir nur begrüßen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist ein eindrucksvolles Zwischenergebnis, über das wir uns alle freuen können. Für das ganze Jahr 1988 können wir jetzt mit einem realen Wachstum von mindestens 3 % rechnen. Sicher wird sich der Trend in dieser Zahl ein Stück abschwächen, aber die Auftragseingänge sprechen dafür, daß die positive Entwicklung anhält.
Zu dieser positiven Wende hat unsere Finanz- und Wirtschaftspolitik einen maßgeblichen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Dregger [CDU/CSU] : Das kann man wohl sagen!)

Vor allem durch ein sehr hohes Maß an Preisstabilität und die Steuersenkungen — in diesem Jahr wird die Einkommen- und Lohnsteuer erneut um fast 14 Milliarden DM gesenkt — stiegen die real verfügbaren Einkommen der Bürger 1986 und 1987 nach den Feststellungen der Bundesbank jeweils um gut 4 % an. 1988 werden es voraussichtlich erneut 3,5 % sein.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Traumhaft, ein Traumergebnis!)

Meine Damen und Herren, man muß in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sehr weit zurückgehen, um eine vergleichsweise eindrucksvolle Entwicklung über jetzt drei Jahre hinweg zu verzeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Zahlen widerlegen ja auch überzeugend die ständig — zuletzt in Münster — gebetsmühlenartig wiederholte Propagandaparole der SPD, unsere Politik sei gegen die Interessen der breiten Schichten der Bevölkerung gerichtet. Immer mehr Menschen wissen, was Preisstabilität für sie an sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt tatsächlich bedeutet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben an der Erneuerung und Vertiefung der scheinbar im Herbst gefährdeten internationalen Zusammenarbeit der Industrieländer in der Wirtschafts-, Währungs- und Handelspolitik aktiv und erfolgreich mitgewirkt. Es gibt bei allen unbestreitbaren Unterschieden im einzelnen eine wachsende Übereinstimmung zwischen ihnen in den vorrangigen Zielen. Dies wird in der Finanz- und vor allem Steuerpolitik der Industrieländer ebenso sichtbar wie in dem gemeinsamen Bemühen, zu extreme Ausschläge bei den Wechselkursen zu vermeiden, wie auch in den Verhandlungen über eine schrittweise Öffnung der Märkte.
Wir gehen — das können wir heute schon sagen — mit dieser gestärkten Dynamik in das Jahr 1989. Die gute Konstitution unserer Volkswirtschaft begründet die Erwartung, daß der Aufschwung dann auch im siebten Jahr anhalten wird.
Meine Damen und Herren, nach sechs Jahren ständiger Expansion wird es für die Opposition immer schwieriger, wirtschaftliche Erfolge glücklichen Zufällen zuzuschreiben. Zunächst — wir haben das zwei Jahre von Ihnen gehört, Herr Vogel, drei Jahre —

(Dr. Vogel [SPD]: Vier Jahre!)

sollten es nur die günstigen Exportbedingungen gewesen sein.

(Walther [SPD]: Die waren es ja auch!)

— Aber 1986 und 1987, Herr Walther, verminderte bereits der sinkende Außenbeitrag den Zuwachs des realen Bruttosozialprodukts rechnerisch jährlich um über einen Prozentpunkt. Und jetzt sucht die Opposition — bisher vergeblich — nach Gründen, warum die von ihr angekündigte Stagnation oder Rezession in diesem Jahr ausblieb.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Dabei sind die Zusammenhänge nicht schwer zu erkennen:
Wir haben seit 1982 den Zuwachs der öffentlichen Ausgaben, die Staatsquote und den Anteil der öffentlichen Kreditaufnahme am Bruttosozialprodukt zurückgeführt. Das war eine entscheidende Voraussetzung für mehr Preisstabilität und steigende private Investitionen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir verwirklichten gegen heftige Widerstände
— das muß man sagen — die Steuerreform und sorgen damit für eine nachhaltige Verringerung der Steuerlast. Bis 1990 wird der Anteil der Steuern an der gesamtwirtschaftlichen Leistung mit 22,7 % den niedrigsten Wert seit 1960 erreichen. Das gilt unter Einbeziehung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen maßgeblichen, nein: maßvollen Anhebung von Verbrauchsteuern.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

— Ich verspreche mich gern noch einmal, wenn ich Ihnen damit eine so große Freude bereite. — Es bedeutet im Ergebnis eine wesentlich stärkere Anerken-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
nung beruflicher Leistung und auch unternehmerischer Erfolge.
Wir haben über die Grundfragen und Einzelprobleme der Steuerreform bis zur Sommerpause hier immer wieder debattiert. Ich möchte in diesem Zusammenhang drei Punkte besonders betonen.
Durch die Steuerreform wird die ganz überwiegende Mehrzahl der Bürger — auch unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Anhebung einiger indirekter Steuern — dauerhaft entlastet und nicht zusätzlich belastet, wie es die Opposition unverdrossen in völliger Verdrehung der Tatsachen behauptet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: He, he!)

So vermindert sich für einen verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von 42 700 DM die sich im Zeitraum 1986 bis 1990 ergebende Bruttoentlastung von rund 2 000 DM durch die vorgeschlagenen Veränderungen bei den Verbrauchsteuern im Durchschnitt um rund 300 DM. Das sind die Relationen, die im Deutschen Bundestag einmal vorgetragen werden müssen.

(Dr. Vogel [SPD]: Höchste Zeit!)

Durch die gleichmäßigere Erfassung der steuerpflichtigen Einkommen und den Abbau von Steuerprivilegien und Steuersubventionen wird unser Steuersystem

(Dr. Vogel [SPD]: Sukzessive!)

insgesamt gerechter und volkswirtschaftlich wirksamer gestaltet.

(Dr. Vogel [SPD]: Wunderbar! Hobbyflieger!)

Der immer wieder beschworene Subventionsabbau erfolgt jetzt um 6 Milliarden DM. Unter Einbeziehung von bisherigen Ausnahmetatbeständen und Sonderregelungen sind es 13 Milliarden DM jährlich, die durch unsere gesetzgeberische Entscheidung abgebaut wurden.

(Walther [SPD]: Die Nachtzuschläge!)

In immer mehr westlichen Industrieländern werden übrigens dieselben Grundgedanken bei der Reform der Steuersysteme verwirklicht. In den letzten Monaten, seit wir zum letzten Mal über internationale Trends der Steuerpolitik geredet haben, haben auch Italien und Belgien vergleichbare Konzepte eingebracht, übrigens bei sozialistischer Regierungsbeteiligung in beiden Ländern, mit einer Absenkung des Spitzensteuersatzes und einer generellen Verringerung des Tarifverlaufs.
Wir stehen im internationalen Wettbewerb der Steuersysteme um unternehmerische Investitionen und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.

(Roth [SPD]: Sie machen doch nichts!)

Es geht um die spürbare Reduzierung der Steuersätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, um die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und die Verringerung steuerlicher Vergünstigungen. Es wäre verhängnisvoll, diesen internationalen Trend weiterhin zu ignorieren.
Sozialdemokraten — das zeigen die Beratungen in Münster — leisten sich immer noch diesen Luxus.

(Bohl [CDU/CSU]: Ja!)

Aus ihrem erst kürzlich zurückgezogenen Alternativkonzept zur Steuerreform der Bundesregierung geht hervor, daß ein wirklicher Abbau der Progression im Einkommensteuertarif von ihnen nicht gewollt wird, daß Steuererleichterungen für Betriebe, die wir seit 1983 verwirklicht haben, sogar in wichtigen Punkten zurückgenommen werden sollen.
Zu solchen steuerpolitischen Vorstellungen schrieb die Wochenzeitung „Die Zeit" am 29. April 1988
— ich zitiere mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten — :
In nahezu allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft und in den wichtigen Konkurrenzländern der Bundesrepublik und auf den Weltmärkten sind die Regierungen dabei, die Steuerlast für ihre Unternehmen zu senken. Das Kontrastprogramm der SPD-Kommission paßt dazu wie die Faust aufs Auge .. .

(Dr. Dregger [CDU/CSU] : Jawohl!) Gegen den Strom

— so schreibt die von Helmut Schmidt herausgegebene Wochenzeitung —
sollte eine Opposition schon schwimmen, aber nicht gegen den Rest der Welt.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Mit wie wenig die Herrschaften zufriedenzustellen sind! Bescheiden! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sie müssen für die SPD erklären, wer Helmut Schmidt ist! — Heiterkeit)

— Ja, für einige ist das nötig.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Der Herr Vogel kennt Helmut Schmidt nicht mehr! — Dr. Vogel [SPD]: Waigel in Hochform!)

Knapper und treffender kann eine Bewertung des Beitrags der SPD zur aktuellen Steuerdiskussion kaum formuliert werden. Dieses Bild der Orientierungslosigkeit, Herr Kollege Vogel, ist in den letzten Tagen auf dem Münsteraner Parteitag nachhaltig bestätigt worden.
Ihr langjähriger finanzpolitischer Sprecher, Herr Dieter Spöri

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bohl [CDU/CSU]: Ach so!)

— ich meine jetzt wirklich Spöri —

(Dr. Vogel [SPD]: Der Repräsentant Schleswig-Holsteins, Björn Engholm!)

— es ist doch nichts dagegen einzuwenden, daß ich das sage, Herr Vogel; er war doch Ihr langjähriger finanz- und steuerpolitischer Sprecher —,

(Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

forderte in einem Interview im „Handelsblatt" einen Sonderparteitag zur Steuerpolitik und erklärte — ich zitiere — :



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Die Widersprüche unserer Vorstellungen müssen endlich diskutiert werden.
Es fragt sich, was Sie die ganzen Jahre gemacht haben.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) Er sagte weiter:

Die Steuerdiskussion ist zu lange übertüncht worden.
Ich habe heute morgen im Protokoll des Parteitages
— es ist lesenswert —(Dr. Vogel [SPD]: Sehr richtig!)

festgestellt, daß er das am 31. August im Plenum noch härter formuliert hat. Auch das möchte ich mit der Genehmigung des Präsidenten sagen.

(Dr. Vogel [SPD]: Die brauchen Sie gar nicht!)

— Doch.

(Dr. Vogel [SPD]: Aber die brauchen Sie gar nicht!)

Sie haben es gehört, aber wir noch nicht. Deswegen will ich es hier mal vortragen. — Meine Damen und Herren, Herr Spöri sagte — ich zitiere — :
Zur Steuerpolitik möchte ich eines sagen: Die wirtschaftliche Aussage dieses Parteitages leidet fundamental an ungeklärten steuerpolitischen Gegensätzen, die wir seit Jahren verkleistern, von Parteitag zu Parteitag in Form eines Verschiebebahnhofs verschieben.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/CSU]: Das sind die Hobbypolitiker!)

Ich muß sagen: Der Realitätssinn und die Offenheit der Beschreibung der Situation der SPD haben bei Herrn Spöri sichtbar zugenommen, seitdem er seinen Standort von Bonn nach Stuttgart verändert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie können doch noch alle diese erstaunlichen Reden hier vor der Steuerreform erinnern. Da klang es ganz anders.
Im Mittelpunkt seiner Vorstellungen stehe — so sagte Spar" — die Senkung des Energieverbrauchs mittels einer Energiesteuer für Privathaushalte. Er hat auch gesagt, die Lohn- und Einkommensteuer solle weiter gesenkt werden. Das haben dann andere entschieden kritisiert. Zur neuerlichen Veränderung des von der Koalition herabgesetzten Spitzensteuersatzes wollte sich Spöri im Interview mit dem „Handelsblatt" nicht näher äußern. Er wolle sich nicht festlegen. Auch das ist eine interessante Tatsache, wenn wir all das hier erinnern, was uns an furchtbaren Dingen gesagt wurde.
Demgegenüber kritisierte der Kollege Apel

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist das denn?)

die von Spöri und auch von vielen anderen SPD-Politikern geforderte Erhöhung von Verbrauchsteuern mit Argumenten, die wir von ihm auch aus dem Deutschen Bundestag kennen, allerdings vergebens, so
muß man nach dem Ablauf in Münster sagen. Herr Apel sagte:
Wir dürfen auch nicht indirekt Schützenhilfe für Stoltenbergs Verbrauchsteuererhöhungen leisten.
Bei Herrn Roth klang das dann wieder ganz anders. Herr Roth sagte:
Die SPD wirft Herrn Stoltenberg nicht vor, daß er die Mineralölsteuer erhöht.
Ganz überraschend — nach manchen Reden vor der Sommerpause.
Wir werfen ihm vor, daß er sie für den falschen Zweck erhöht, nämlich zum Stopfen von Haushaltslöchern.
Jetzt müssen Sie sich mal verständigen, was eigentlich Sache ist, meine Damen und Herren der SPD.

(Roth [SPD]: Das ist Sache!)

Wenn Spöri, Hauff, Lafontaine und sehr starke Kräfte in der SPD den privaten Energieverbrauch durch eine massive Besteuerung absenken wollen
— in den Antragsunterlagen, die Herr Hauff vor der Öffentlichkeit verkündete, stand eine Größenordnung von 80 Milliarden DM bei den Energiesteuern —, dann denken sie an ein Vielfaches an Steuerbelastungen für die Verbraucher und Betriebe im Vergleich zu unseren, vom Kollegen Apel immer wieder heftig kritisierten Vorlagen für die maßvolle Anhebung indirekter Steuern. Das gehört zur Bilanz von Münster. Und das muß hier im Deutschen Bundestag einmal gesagt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Apel, wir haben hier in den vergangenen sechs Jahren oft engagierte und auch harte Debatten miteinander geführt. Ich möchte Ihnen heute persönlich Respekt für Ihre Entscheidung bekunden, Ihre Fraktionsämter niederzulegen, auch Respekt für Ihren unermüdlichen Einsatz für Ihre Partei und für unsere parlamentarische Demokratie.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Erfolge der internationalen Kooperation in der Finanz- und Währungspolitik werden von manchen Kritikern ebenso gerne übersehen wie diejenigen unserer Steuerreformpolitik. Dem sogenannten Louvre-Akkord vom Februar 1987, der Vereinbarung der großen westlichen Industrieländer über die bessere Abstimmung der Finanz- und Währungspolitik auch mit dem Ziel größerer Stabilität bei den Wechselkursen und ausgeglichenerer Handelsbeziehungen, wurde vielfach der Mißerfolg prophezeit. Nachdem der Wertverfall des Dollars lange Zeit unaufhaltbar erschien, steht der Dollar heute übrigens einige Pfennig über dem Kurs vom Februar 1987, dem Zeitpunkt, als wir in Paris diese Vereinbarung trafen. Die Zentralbanken Europas und der USA haben in bestimmten kritischen Situationen
— wie Sie wissen — durch erhebliche Interventionen die Märkte beeindruckt. Sie werden dies, falls erforderlich, auch in Zukunft tun, wobei wir wissen, daß Interventionen alleine nicht helfen. Die fundamenta-



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len Entwicklungen der Politik und der Daten der großen Industrieländer erfordern mehr Konvergenz.
Stabilere Wechselkurserwartungen haben die Exportbedingungen in allen beteiligten Ländern wesentlich verbessert. Die Anpassung, insbesondere bei den Leistungsbilanzsalden, hat begonnen. Die Tatsache, daß dieser Prozeß zu ausgeglicheneren Daten zwischen den Industrieländern immer noch vergleichsweise langsam vorankommt, unterstreicht, wie notwendig die Erhaltung realistischer und stabiler Bedingungen für den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen ist. Eine stärkere Abweichung des Dollarkurses vom gegenwärtigen Niveau würde bei uns wie in unseren Partnerländern neue Probleme bei Zinsen, Preisen und im Außenhandel hervorrufen.
Enge Zusammenarbeit und zunehmende Stabilität des Dollarkurses haben vor allem das Europäische Währungssystem vor schwerwiegenden Turbulenzen bewahrt. Entgegen immer wieder anders lautenden Prophezeiungen haben die am 17. Januar 1987, also vor 20 Monaten, vereinbarten Leitkurse weiterhin Bestand. Ich sage das mit großer Befriedigung. Als wir damals nach einer Wechselkursveränderung von knapp 3 % im Europäischen Währungssystem aus Brüssel zurückkamen, haben uns viele Experten erklärt, das würde höchstens vier Monate halten. Es hält seit 20 Monaten! Das ist sehr wichtig; denn bei einem Anteil der westeuropäischen Länder von 50 % am deutschen Export bedeutet dies für eine sehr große Zahl unserer Betriebe und ihrer Mitarbeiter sichere Kalkulationsgrundlagen.
Diese auf der Grundlage längerfristig angelegter wirtschafts-, finanz- und währungspolitischer Entscheidungen erreichten Erfolge bestärken uns darin, am eingeschlagenen Kurs festzuhalten.
Neue Aufgaben ergeben sich vor allem in folgenden Bereichen:
Wir haben vor der Sommerpause im Zusammenhang mit der Gesetzesinitiative Niedersachsens vereinbart, durch Strukturhilfen des Bundes noch stärker zu gleichgewichtigeren Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern und Regionen beizutragen. Wir haben hierfür längerfristig jährlich 2,45 Milliarden DM vorgesehen. Wir werden den Gesetzentwurf in Kürze einbringen. Der Bund stärkt damit die Investitionsfähigkeit der anderen Gebietskörperschaften.
Meine Damen und Herren, im Vergleich zu 1982 hat die Bundesanstalt für Arbeit ihre Leistungen für aktive Arbeitsmarktpolitik im laufenden Jahr mehr als verdoppelt. Darüber hinaus wurden wesentliche Verbesserungen beim Arbeitslosengeld eingeführt. Auf Grund des sich abzeichnenden Defizits der Bundesanstalt für Arbeit sind zwei Maßnahmen vereinbart worden. Die an sich fällige Erhöhung der Beiträge unterbleibt, um die Lohnzusatzkosten nicht anzuheben. Das ist eine gut begründete, für die Haushaltspolitik aber nicht unproblematische Entscheidung,

(Zustimmung bei Abgeordneten der FDP)

denn wir müssen 1989 einen Zuschuß von 3,3 Milliarden in den Bundeshaushalt übernehmen. Zugleich
werden gesetzliche und freiwillige Leistungen der Bundesanstalt um 1,8 Milliarden DM zurückgeführt.
Durch die Beschlüsse des Europäischen Rates vom 11. bis 13. Februar dieses Jahres werden die finanziellen Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft erheblich gestärkt. Damit ist die Finanzierung der erweiterten vertraglichen Aufgaben der Gemeinschaft gesichert und vor allem die Möglichkeit geschaffen, durch eine spürbare Aufstockung der Strukturfonds zu einer gleichmäßigeren wirtschaftlichen Entwicklung in den schwächsten Mitgliedstaaten beizutragen.
Wir stärken damit nicht nur den Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Vor allem schaffen wir so wesentliche Voraussetzungen für die Verwirklichung des Binnenmarktes bis 1992, für einen großen reformerischen Schritt, der Europa entscheidend voranbringen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Binnenmarkt soll Europas Stellung in einer sich verändernden Weltwirtschaft stärken, und er wird so allen Bürgern Vorteile bringen.

(Stratmann [GRÜNE]: So ein Märchen! — Frau Garbe [GRÜNE]: Ganz vorsichtig! Fragen Sie mal Herrn Töpfer!)

Wir sind fest davon überzeugt, daß ein großer gemeinsamer Markt allen Bürgern Vorteile bringt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wie wollen Sie denn die grenzüberschreitenden ökologischen Probleme lösen, wenn nicht durch mehr Gemeinsamkeit in Europa die erforderlichen Strukturen geschaffen werden, meine Damen und Herren? Auch das ist eine Voraussetzung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Stratmann [GRÜNE]: Sie schaffen doch dadurch ökologische Probleme! — Frau Garbe [GRÜNE]: Fragen Sie mal Herrn Töpfer, der sieht das ganz anders!)

Aber dieser Binnenmarkt bedeutet nicht Abschottung nach außen, wie jetzt von einigen Kommentatoren in den Vereinigten Staaten oder Japan zu Unrecht befürchtet wird. Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern im Frühjahr bei der Verabschiedung der wegweisenden EG-Richtlinie über die Liberalisierung des Kapitalverkehrs in der Gemeinschaft festgelegt, daß dadurch die Freizügigkeit der Kapitalbewegungen über die EG hinaus in keiner Weise behindert wird. Dasselbe freiheitliche, liberale Prinzip wird die Bundesregierung auch bei den anderen anstehenden Entscheidungen leiten.
Der Bund wird bereits in diesem Jahr auf über 4 Milliarden DM Einnahmen zugunsten der Europäischen Gemeinschaft verzichten. Bis 1992 wird sich dieser Betrag schrittweise auf über 9 Milliarden DM erhöhen.
Meine Damen und Herren, aus den drei genannten neuen Aufgabenschwerpunkten ergeben sich bis 1992 jährliche Ausgaben und Mindereinnahmen für uns von rund 11 bis 12 Milliarden DM. Die vorgese-



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heue Anhebung der Verbrauchsteuern wird nur einen Teil des zusätzlichen Finanzbedarfs decken. Weitere 2 bis 3 Milliarden DM jährlich müssen durch eine sehr sparsame Ausgabengestaltung aufgefangen werden.
Die positive Wirtschaftsentwicklung dieses Jahres führt auch zu höheren Steuereinnahmen. Das gilt erfreulicherweise vor allem für die Städte und Gemeinden. Sie verzeichneten im ersten Vierteljahr ein Plus von über 7 %. Für das zweite Quartal haben wir bisher die Zahlen über die Gewerbesteuereinnahmen. Sie stiegen im zweiten Quartal um 11.6 % an. Die dusteren Vorhersagen, vor allem des Deutschen Städtetages und seiner bekannten Präsidenten, der Oberbürgermeister Rommel und Schmalstieg, über die Wirkungen unserer Steuerpolitik sind durch diese erfreuliche Entwicklung des Jahres 1988 bereits völlig widerlegt worden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

— Natürlich, Herr Vogel; wir senken in diesem Jahr die Einkommen- und Lohnsteuer um fast 14 Milliarden DM. Das ist eingebettet in ein gesamtwirtschaftliches Konzept, das Wachstumsimpulse fördert und sich bei den Kommunen gut auswirkt. Ich bin sicher, daß sich dies 1990 so wiederholen kann.

(Dr. Struck [SPD]: Aber es gibt doch regionale Unterschiede!)

— Darauf komme ich gleich noch; auf diesen Punkt komme ich noch.

(Dr. Vogel [SPD]: Albrecht kommt noch! Rommel war schon dran!)

— Ich komme gleich noch auf die regionalen Unterschiede.
Für den Bund verläuft der positive Trend etwas verhaltener. Wir rechnen 1988 mit Mehreinnahmen von etwa 1,5 Milliarden DM, die zur Verringerung der im vorgelegten Nachtragshaushalt mit 39,2 Milliarden DM geschätzten Nettokreditaufnahme verwendet werden sollen.
Erfreulich ist, meine Damen und Herren, daß sich die sehr verhaltene Ausgabenentwicklung unseres Haushalts in diesem Jahr fortsetzt. Sie dürfte etwa bei dem Haushaltssoll mit einem Zuwachs von nur 2,4 % verlaufen und abschließen.
Bei aller Genugtuung über die verbesserten Einnahmen — die Neuverschuldung ist immer noch zu hoch. Wir wollen mittelfristig die Kreditaufnahme des Bundes wieder auf die 1985 und 1986 erreichte Größenordnung von 20 bis 24 Milliarden DM zurückführen, auf rund 1 % des Bruttosozialprodukts.

(Dr. Vogel [SPD]: Das erzählen Sie jedes Jahr!)

Der entscheidende Grund dafür ist die Entwicklung der Zinsausgaben. Ihr Anteil an den Gesamtausgaben des Bundes stieg in den Jahren von 1969 bis 1982 von 2,7 % auf 9 %. Mit verlangsamtem Tempo steigt die Zinsquote bis 1992 auf rund 121/2 % an. Jede Milliarde Nettokreditaufnahme belastet den Bundeshaushalt
mit Zinszahlungen dauerhaft in einer Größenordnung von etwa 60 bis 70 Millionen DM jährlich.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Wo soll das hinführen?)

Die Entscheidungen der Bundesregierung zur Finanzierung des Bundeshaushalts 1989 gewinnen nach meiner Überzeugung dadurch an Gewicht, daß eine in sich schlüssige Alternative in der öffentlichen Diskussion bisher nicht vorgelegt wurde. Vor allem die Opposition ist auch in den Fragen der Gestaltung der öffentlichen Etats in ihren Forderungen und ihrer Kritik in tiefe Widersprüche verstrickt.
Bis ins Frühjahr überboten sich Vertreter der SPD mit angeblich realistischen Vorausschätzungen der drohenden Deckungslücke im Bundeshaushalt. Ich zitiere, Herr Dr. Vogel, Ihren Beitrag aus der „Eßlinger Zeitung" vom 7. April 1988. Das ist nicht lange her. Sie haben damals geschrieben:
In Wahrheit wird die Neuverschuldung
— für 1988 —
jedoch auf mindestens 45 Milliarden DM steigen.
Dann haben Sie gesagt:
Im Jahr 1990 wird selbst bei kräftig erhöhten Verbrauchsteuern das Defizit im Bundeshaushalt bei mindestens 50 Milliarden DM liegen.
Noch am 24. Juni, Herr Vogel, haben Sie Ihre Prognose zur Finanzierungslücke des Bundes in der Debatte über die Regierungserklärung weiter gesteigert. Sie haben gesagt: rund 170 Milliarden DM für die Jahre 1989 bis 1991.

(Dr. Vogel [SPD]: Deckungslücke!)

Wir rechnen mit einer Größenordnung von rund 100 Milliarden DM für diese Zeit, eher etwas weniger als mehr.

(Dr. Vogel [SPD]: Deckungslücke!)

Da muß ich sagen: Die Abweichung zwischen bisherigen Daten und Prognosen ist bei Ihnen ein bißchen zu groß, selbst wenn man der Opposition — selbstverständlich — einen Rabatt einräumt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Man muß genauer lesen, Herr Stoltenberg!)

Ich möchte Ihnen, nachdem ich im Fernsehen Kernsätze Ihrer Parteitagsrede in Münster gesehen habe, auch in einem anderen Punkt zur Vorsicht raten.

(Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Fernsehen bildet!)

Sie verkünden überall, in diesem Jahr hätten wir die
höchste Kreditaufnahme der Nachkriegszeit. Seien
Sie vorsichtig. Es ist nicht sicher, aber es ist möglich,
— ich habe von einer Größenordnung von 38 Milliarden DM nach der letzten Schätzung gesprochen —, daß wir etwas unter den Neuverschuldungszahlen der beginnenden 80er Jahre liegen. Wir wissen das erst Anfang nächsten Jahres. Ich sage Ihnen das aber vorsorglich, um Sie nach so krassen Fehlprognosen



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der letzten Monate vor weiteren falschen Aussagen nach Kräften zu bewahren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Über Prognosen müssen gerade Sie reden!)

Zugleich werden von der SPD ständig Forderungen nach Mehrausgaben und Sonderprogrammen erhoben, die jeden Rahmen vertretbarer Finanzpolitik sprengen. Allein die im Zeitraum der Haushaltsberatungen für dieses Jahr von Ihrer Fraktion gestellten Anträge, Forderungen und Initiativen hätten in diesem Jahr zu Mehrbelastungen von 10 Milliarden DM geführt. Die haben Sie in Ihre schlechten Prognosen wahrscheinlich schon eingerechnet. Glücklicherweise haben wir sie alle abgelehnt, meine Damen und Herren. Das war sicher richtig.
Die wirklichen Grundprobleme der Finanzsituation des Bundes stellen sich in einer ganz anderen Weise. Von der Mitte der 50er bis Anfang der 70er Jahre betrug der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen mehr als 50 %. Das hat mein Vorgänger Fritz Schäffer, überzeugter bayerischer Föderalist, in den Auseinandersetzungen mit Ländern und Gemeinden einmal durchgesetzt. 1982 waren es noch 48,4 % In diesem Jahr wird der Anteil des Zentralstaats am Gesamtsteueraufkommen auf 45,2 % sinken. Im Vergleich zu 1982 sind das 15 Milliarden DM jährlich, die uns jetzt auf der Einnahmeseite fehlen, die an die Länder und Gemeinden und an die EG gegangen sind. Wäre der Anteil des Bundes an den Steuereinnahmen auf dem Stand von 1982 geblieben, würden wir für dieses Jahr nicht von knapp 40 Milliarden DM, sondern von weniger als 25 Milliarden DM Nettokreditaufnahme reden, und für das nächste Jahr würde es nicht um eine Neuverschuldung von etwa 30 Milliarden DM, sondern etwa 15 Milliarden DM gehen.
Meine Damen und Herren, ich sage das in aller Klarheit: Die strukturelle Schwächung der Einnahmebasis des Bundes auch im Verhältnis zu den Steueranteilen von Ländern und Gemeinden kann nicht weitergehen, wenn der Zentralstaat seine wachsenden Aufgaben im internationalen Bereich und seine Verpflichtungen in der Innenpolitik langfristig erfüllen soll; auch dies muß im Deutschen Bundestag einmal angesprochen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Natürlich ist das auch ein maßgebender Grund dafür, daß wir uns im Grundsatz darauf verständigt haben, im Hinblick auf die Steuerabführung an Europa einen Ausgleich bei den indirekten Steuern zu suchen.
Im Vergleich zur Lage des Bundes ist die finanzielle Situation der Gemeinden entgegen vielfachen Klagen im Durchschnitt wesentlich günstiger. Unbestritten, meine Damen und Herren, sind regionale Unterschiede, vor allem die ernsten Probleme und Belastungen mancher Städte in strukturschwachen Regionen. Aber insgesamt gilt folgendes: Der Anteil der kreditfinanzierten Ausgaben der Gemeinden an den Gesamtausgaben lag 1987 mit 1,9 % erheblich unter dem entsprechenden Wert des Bundes, der sich auf 10,2 % belief. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben der Gemeinden in jenem Jahr um 3,8 %; bei uns waren es, wie Sie wissen, 2,9 %.
Im Mittelpunkt finanzpolitischer Entscheidungen wird auch weiterhin die Förderung international konkurrenzfähiger Bedingungen für private Investitionen, für mehr Beschäftigung und wirtschaftliche Expansion stehen müssen. Für die nächste Legislaturperiode haben wir uns eine weiterreichende Reform der Unternehmensteuern vorgenommen. Mit den Vorarbeiten hierfür werden wir noch in diesem Jahr beginnen.
Die Privatisierung industrieller Bundesbeteiligungen konnte in diesem Jahr mit der Veräußerung der verbliebenen VW-Anteile des Bundes und der Vollprivatisierung der VIAG AG vorangebracht werden.

(Beifall des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

Weitere Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Banken, Deutsche Pfandbriefanstalt, bei der wir an eine Vollprivatisierung denken, Deutsche Siedlungs-
und Landesrentenbank — eine Teilprivatisierung —, werden zur Zeit vorbereitet.
Mehr Wettbewerb werden wir auch durch die Stärkung unternehmerischer Strukturen im Bereich der Deutschen Bundespost und die angestrebten beweglicheren Regelungen im Sektor der Dienstleistungen und des Ladenschlusses erreichen.
Die Problematik des Subventionsabbaus haben wir oft diskutiert. Forderungen nach sehr drastischen Einschränkungen sind rasch gestellt, aber Einschnitte im System der zum Teil sozialpolitisch begründeten, zum Teil durch Verträge und Vereinbarungen langfristig festgelegten Zahlungen sind immer wieder sehr mühsam. Das Volumen der Finanzhilfen des Bundes wird durch Sonderentwicklungen von 15 Milliarden DM im Jahre 1988 auf 16,7 Milliarden DM im Jahre 1989 ansteigen. Das ist nicht einer der Glanzpunkte des Haushalts — ich sage es Ihnen ganz offen — , nur muß man dann natürlich auch die Gründe sehen: Allein 1,2 Milliarden DM hiervon sind auf die erhöhte Kokskohlenbeihilfe — auch eine Folge des Wechselkurses — und den als Folge der EG-Beschlüsse neuen soziostrukturellen Einkommensausgleich an die Landwirtschaft zurückzuführen. Dafür gehen allerdings die Steuersubventionen, wie bereits erwähnt, durch die Steuerreform ab 1990 erheblich und zusätzlich durch die parallele Verringerung der Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft ab 1989 noch einmal um 1,1 Milliarden DM zurück. Im Finanzplan wollen wir die Finanzhilfen weiter zurückführen.
Allein die Unterstützung des deutschen Kohlebergbaus erfordert im nächsten Jahr Bundesmittel in Höhe von 3,7 Milliarden DM; ich rechne dabei die Subventionen für die Knappschaft gar nicht mit. Die — inzwischen allerdings wieder etwas günstigere — Entwicklung beim Dollarkurs und bei dem von ihm abhängigen Weltmarktpreis für Kohle läßt angesichts der vertraglichen Verpflichtungen und der im letzten Jahr getroffenen Entscheidungen zur sozialen Flankierung des Kapazitätsabbaus zur Zeit kaum Spielraum für Subventionsabbau in diesem Bereich.
Der optisch starke Anstieg der Agrarausgaben um 11,6 % auf 9,5 Milliarden DM im nächsten Jahr ist im wesentlichen das Ergebnis der genannten haushalts-



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neutralen Umschichtung von einer Steuersubvention auf eine Ausgabensubvention.
Hinzu kommen die während der deutschen Präsidentschaft vereinbarten Maßnahmen zur Begrenzung der Überschußproduktion. Dazu gehören der Einkommensausgleich an bäuerliche Betriebe bei Flächenstillegung und Extensivierung sowie die Produktionsaufgaberente.
Meine Damen und Herren, die Verantwortung für künftiges Wachstum und mehr Beschäftigung liegt nicht allein im Bereich staatlicher Tätigkeit und verbesserter Rahmenbedingungen. Vor allem müssen auch die Tarifvertragspartner ihrer großen Verantwortung für das verstärkte Angebot an bezahlbarer Arbeit noch nachhaltiger Rechnung tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die vielfach beklagten, sicherlich überhöhten Lohnzusatzkosten in der Bundesrepublik Deutschland beruhen zu mehr als der Hälfte auf tarifvertraglichen Regelungen. Vor allem die Tarifpartner haben es in der Hand, durch sachgerechte und differenzierte Lohnabschlüsse zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze beizutragen.
Zwischen 1970 und 1982 sind die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik im Jahresdurchschnitt um 5,7 % gestiegen. Gleichzeitig gingen 600 000 Arbeitsplätze verloren. Demgegenüber hat der wesentlich verhaltenere Anstieg der Lohnstückkosten — plus 1,4 % im Jahresdurchschnitt 1983 bis 1987 — maßgeblich dazu beigetragen, daß in den letzten fünf Jahren die Zahl der Arbeitsplätze um mehr als 800 000 zunahm.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vor allem in einer stärkeren Differenzierung der Tarifabschlüsse nach Branchen und Regionen liegt der Schlüssel zur mittelfristigen Bewältigung der nach wie vor ernsthaften Probleme am Arbeitsmarkt. Wir können Förderprogramme verstärken — soweit die EG das noch ermöglicht, muß man einschränkend sagen — , wir können Strukturhilfen bewilligen: Wenn nicht Arbeitgeber und Gewerkschaften bereit sind, durch differenzierte Tarifabschlüsse Standorte in Grenzlagen attraktiver zu machen, werden wir nicht die gewünschten Erfolge haben, weder in Nordfriesland noch in Ostfriesland, noch im Bayerischen Wald. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist auch nicht vertretbar, daß gerade in einigen hochsubventionierten Branchen mit die höchsten Lohnkosten anfallen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Stratmann [GRÜNE]: Airbus!)

— Ich beziehe alle ein, über die man hier reden kann.

(Stratmann [GRÜNE]: Warum machen Sie das immer wieder?)

Dies gilt für alle, die hier als hochsubventionierte Branchen angesprochen sind. Ich sage das gar nicht nur in eine bestimmte Richtung.
Meine Damen und Herren, die jetzt von der Sozialdemokratischen Partei übernommene Forderung der Industriegewerkschaft Metall nach schrittweiser Einführung der 30-Stunden-Woche ist ein verhängnisvoller Irrtum.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie würde im Ergebnis erhebliche Verluste an Wettbewerbsfähigkeit, an privater Einkommensentwicklung, an Beiträgen für die sozialen Sicherungssysteme und die Gefährdung zahlreicher Betriebe und Arbeitsplätze bewirken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben schon heute im internationalen Vergleich der großen Industrienationen nicht nur sehr hohe Arbeitskosten, sondern auch die kürzeste Arbeitszeit. Während bei uns im Jahresdurchschnitt lediglich noch 1 582 Stunden gearbeitet wird, sind es in den Vereinigten Staaten 1 848 und in Japan sogar 2 166 Stunden.
Wir alle wollen die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes. Fast alle in diesem Hohen Haus bejahen ein offeneres Weltwirtschaftssystem. Dann kann man aber bei den Tarifverträgen, den Kosten, den Arbeitszeitregelungen nicht weiter so tun, als ob wir noch in den autarken, abgeschlossenen Nationalstaaten und Nationalwirtschaften schalten und walten könnten, ohne sich um die Konsequenzen für den Wettbewerb und die Zukunft der Arbeitsplätze zu kümmern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir brauchen auch bei der Nutzung teurer Maschinen mehr Flexibilität. Ich freue mich, daß sich wenigstens bei Herrn Lafontaine die seit langem geäußerten Überzeugungen der Koalitionsparteien schrittweise durchsetzen. Allerdings haben wir gesehen, daß auch er in Ihrer Partei in solchen Dingen nicht mehrheitsfähig ist, was unter anderen Gesichtspunkten auch durchaus zu begrüßen ist. Aber in diesem Zusammenhang muß man anerkennen, daß sich der saarländische Ministerpräsident in einigen Punkten in sehr beachtlicher Weise der Politik der Bundesregierung annähert.
Wir brauchen mehr Mobilität auch auf dem Arbeitsmarkt, wo selbst in Gebieten hoher Arbeitslosigkeit immer kritischer über den Mangel an Fachkräften diskutiert wird. Ein Arbeitsplatz kostet heute im Durchschnitt rund 180 000 DM. Die Frage lautet, wie lange wir es uns noch leisten können, dieses Kapital immer längere Zeit ungenutzt zu lassen. Wir haben die Möglichkeit, mehr zu produzieren und bessere ökonomische und soziale Dienstleistungen anzubieten. Zusätzliches Einkommen bedeutet zusätzliche Nachfrage und Zuwachs an Arbeitsplätzen. Wir dürfen uns deshalb nicht mit defensiven Strategien und der Verteilung des Mangels zufriedengeben.
Es bedarf vielmehr der wirksameren Nutzung der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen — Kapital, Wissen, Ausbildung und Leistungsbereitschaft —, wenn wir die großen Zukunftsaufgaben bewältigen wollen. Im Mittelpunkt steht dabei die weitreichende Veränderung in der Bevölkerungsstruktur der Bun-



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desrepublik Deutschland mit schwerwiegenden Folgen, auch für die künftige Finanzierung der Alterssicherungssysteme. Nur in einer dynamischen Volkswirtschaft können wir die sozialen Anpassungsprozesse für die Arbeitnehmer und die Rentner in humaner Weise meistern.
Steuerreform, Neuordnung unserer Alterssicherungssysteme und Reform des Gesundheitswesens stehen so in einem inneren Zusammenhang. Sie geben Antworten auf die tiefgreifenden Veränderungen in der Altersschichtung unseres Volkes, auf neue ökonomische und soziale Bedingungen.
Die Begrenzung der Abgabenbelastung für die arbeitenden Menschen und die Betriebe bei der Lohn- und Einkommensteuer und bei den Sozialversicherungsbeiträgen ist die wichtigste Voraussetzung für ein größeres Angebot an bezahlbarer Arbeit, für verstärktes Wachstum auf der Grundlage hoher betrieblicher Investitionen. Die Lohnzusatzkosten belaufen sich heute auf rund 80% des direkten Arbeitsentgelts. Was mit der Steuerreform den arbeitenden Menschen zurückgegeben wird, darf ihnen nicht durch immer höhere Zwangsbeiträge wieder weggenommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Wer erhöht denn?)

Das verstärkte Abwandern von Produktion und Arbeitsplätzen in den Bereich der Schwarzarbeit oder in Länder mit wesentlich günstigeren Kostenbedingungen können wir nur abwenden, wenn der Abstand zwischen Brutto- und Nettoeinkommen wieder geringer wird.
Ein weiterer Schwerpunkt im Bereich des Sozialhaushalts ist neben der Rentenversicherung die Finanzierung des in den letzten Jahren erheblich verbesserten Familienlastenausgleichs. Allein für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung wird der Bund im Jahre 1989 rund 3 Milliarden DM zahlen. Bis 1992 wird dieser Betrag auf über 5 Milliarden DM ansteigen. Weitere Maßnahmen sind das Erziehungsgeld für alle Mütter oder Väter, das wir eingeführt haben und das 1989 allein 3,6 Milliarden DM erfordert, und der Kindergeldzuschlag für Familien mit geringem Einkommen. Die Steuerreform 1990 bringt, wie Sie wissen, eine weitere Erhöhung der Kinderfreibeträge.
Meine Damen und Herren, der Sozialhaushalt bleibt mit jetzt 66,9 Milliarden DM auch 1989 der größte Einzelplan. Ihm folgt der Verteidigungsetat mit eingeplanten 53,3 Milliarden DM.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Das wird einfach so hingenommen!?)

Auch unter den Vorzeichen verbesserter Ost-WestBeziehungen soll die Bundeswehr ihren hohen Einsatzstand behalten, um ihre Verpflichtungen im Bündnis für Frieden und Freiheit wahrnehmen zu können;

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

denn bei allen wichtigen neuen Akzenten der Politik in Moskau: Der Ausbau des weit überlegenen Militärpotentials der Sowjetunion geht bis jetzt weiter.
Wir treten für gleichgewichtige Abrüstung im konventionellen Bereich ein.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Das bietet doch Herr Gorbatschow an!)

Wenn sie erreicht ist, wird man über grundlegende Veränderungen der Planungen für unsere Streitkräfte im einzelnen entscheiden.
Jetzt plant die Bundeswehr wegen der abnehmenden Zahl wehrpflichtiger junger Menschen für die 90er Jahre eine höhere Zahl von Berufs- und Zeitsoldaten ein. Rund 60 % des vorgesehenen Zuwachses im Verteidigungshaushalt sind für zusätzliche Personalausgaben vorgesehen. Ein beachtlicher Teil davon dient dazu, den Arbeitsplatz Bundeswehr attraktiver zu machen. Gleichzeitig nehmen die verteidigungsinvestiven Ausgaben zu; allerdings werden wir bei dem Ansatz für militärische Beschaffungen etwa den jetzigen Stand von 11 Milliarden DM halten.
Im Bereich des Umweltschutzes setzen wir konsequent auf die Verwirklichung des Verursacherprinzips. Die Kosten der vorsorgenden Vermeidung und der Beseitigung von Umweltschäden sind grundsätzlich von den dafür Verantwortlichen zu tragen. Zur Durchsetzung dieses Prinzips brauchen wir weiterreichende rechtliche Regelungen, brauchen wir vor allem strengere verbindliche Standards in der Europäischen Gemeinschaft, für die wir uns einsetzen.
Der Etat des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit soll 1989 um 8,3 % steigen. Bei den neuen Finanzhilfen des Bundes an die strukturschwachen Länder erwarten wir, daß der Umweltschutz eine hohe Priorität erhält. Das gilt in der Verantwortung der Küstenländer und ihrer Kommunen vor allem auch für Investitionen zum Schutz der Nord- und Ostsee. Zur besseren Koordination und Überwachung im Bereich der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes hat die Bundesregierung beschlossen, ein Bundesamt für Strahlenschutz einzurichten.

(Stratmann [GRÜNE]: Was sind denn 8,3 % absolut?)

In drei Wochen werden die zuständigen Minister und die Zentralbankpräsidenten aus 151 Mitgliedsländern des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank und darüber hinaus viele Gäste und Beobachter zur jährlichen Versammlung dieser Organisationen nach Berlin kommen. Damit werden die internationale Zusammenarbeit, die Festigung der internationalen finanziellen Beziehungen, die Schuldenkrise und die wirksamere Hilfe für weniger entwickelte Länder stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken.
Die Mitgliederzahl von Währungsfonds und Weltbank hat ständig zugenommen. In den letzten Jahren sind elf weitere Staaten diesen Organisationen beigetreten, darunter Mosambik und Simbabwe sowie Polen und Ungarn, ausnahmslos vergleichsweise arme Entwicklungsländer oder kommunistische Staatshandelsländer. Man will Mitglied in diesen Organisationen werden; man tritt nicht aus. Das ist die Haltung der kommunistischen Länder und der Entwicklungsländer. Ich hebe dies hervor, weil es die Weltfremdheit und Verbohrtheit der sogenannten alternativen Kam-



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pagne gegen diese Institutionen, gegen die Tagung in Berlin mit den bekannten antikapitalistischen Schlagworten eines verstaubten Marxismus um so deutlicher macht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Insbesondere die Situation der hoch verschuldeten Entwicklungs- und Schwellenländer erfordert weiterhin volles Engagement und engste Zusammenarbeit. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank nehmen bei dieser Aufgabe eine hervorragende Rolle ein. Durch erhebliche Mittelbereitstellung, durch Hilfen bei der Strukturanpassung und Projektfinanzierung

(Stratmann [GRÜNE]: Bei der Indianerausrottung!)

und vor allem auch durch fachkundige wirtschaftspolitische Beratung tragen sie maßgeblich dazu bei, die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme dieser Länder zu analysieren und Wege aus einer überhöhten Verschuldung für ökonomischen und sozialen Fortschritt zu suchen.

(Stratmann [GRÜNE]: Heuchelei ist das!)

Mit der Hilfe dieser beiden Organisationen haben inzwischen zahlreiche Länder weitreichende Strukturreformen eingeleitet und vielfach Fortschritte bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten erzielt.
Seit einiger Zeit müssen sich Internationaler Währungsfonds und Weltbank mit dem Vorwurf auseinandersetzen, sie würden die Situation der Menschen in den von ihnen unterstützten Ländern eher noch verschlechtern. Ein Teil der Kritik richtet sich gegen die im Zusammenhang mit der Kreditgewährung vereinbarten strukturellen Anpassungsprogramme. Dabei wird jedoch übersehen, daß die Verbesserung der Kreditfähigkeit der betroffenen Länder, ihre Fähigkeit am Welthandelssystem teilzunehmen — durch mehr Sparsamkeit in den öffentlichen Haushalten, durch Bekämpfung der Inflation und den Abbau wettbewerbshemmender Strukturen — , die Voraussetzung für mehr Wachstum und die Verringerung von Not und Armut ist.
Neue Mittel müssen vor allem in erhöhte volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit umgesetzt werden. Anderenfalls wäre die Bereitstellung zusätzlicher Beiträge langfristig ziemlich sinnlos. Die Armut in der Dritten Welt würde bei einer falschen Verwendung dieser Mittel nur noch erhöht.
Meine Damen und Herren, die Kreditmöglichkeiten von Währungsfonds und Weltbank werden auch weiterhin ausgeweitet. So ist noch in diesem Jahr das Kapital der Weltbank um rund 75 Milliarden amerikanische Dollar erhöht worden. In unserem vorliegenden Haushaltsentwurf sind die für das nächste Jahr erforderlichen Ermächtigungen vorgesehen, damit die Bundesrepublik ihren Anteil an den Einzahlungen von 184 Millionen DM leisten kann. Darüber hinaus sehen wir im Etat des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit einen weiteren Anstieg unserer Beiträge für die regionalen Entwicklungsbanken um 45 Millionen DM auf 915 Millionen DM vor.
Hervorzuheben ist, daß Währungsfonds und Weltbank ihre Kreditvolumina und vor allem ihre Kreditbedingungen für die ärmsten Länder erheblich verbessert haben. So kann das neue strukturelle Anpassungsprogramm des Währungsfonds ihnen sehr langfristige und nahezu zinslose Darlehen gewähren. Wir brauchen diese neuen Instrumente. Es hat keinen Sinn, Ländern, die in extremster Armut leben und deren wirtschaftliche Grundlagen total erschüttert sind, Kredite zu Bedingungen anzubieten, die überhaupt keine Chance auf eine vernünftige Nutzung und Rückzahlung eröffnen.
In Berlin wird darüber beraten werden, in welchem Umfang auch die Eigenmittel des Fonds aufgestockt werden sollen. Die Bundesregierung wird sich für eine beträchtliche Anhebung dieser Mittel einsetzen. Ob wir den Beschluß bereits in Berlin erreichen, ist allerdings offen.
Meine Damen und Herren, über den Bürgschaftshaushalt — jetzt rede ich von einem wirklichen Sorgenpunkt für den Finanzminister — trägt die Bundesregierung dazu bei, daß in den Umschuldungsverhandlungen mit den öffentlichen Kreditgebern im Pariser Club angemessene Lösungen in den Fällen gefunden werden können, in denen hoch verschuldete Länder ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Im Haushaltsentwurf 1989 sind für Zahlungen aus Gewährleistungen insgesamt 2,8 Milliarden DM eingeplant. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß kennen diese Problematik. Bis 1982 haben meine Amtsvorgänger aus der Hermes-Versicherung und den Bürgschaften jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag eingenommen, wie man es auch gerne möchte, wenn man eine gutgehende Versicherung betreibt. Die internationale Schuldenkrise hat dazu geführt, daß wir seit 1983 jährlich einen Milliardenbetrag für notleidend gewordene Bürgschaften verwenden müssen. Wir sehen jetzt, daß bei einem Bürgschaftsvolumen des Bundes von über 200 Milliarden DM in diesem Sektor mit erheblichen Risiken zu rechnen ist. Allein auf Grund des Ergebnisses von Umschuldungsverhandlungen der letzten Wochen müssen wir den Bundestag bitten, den Ansatz der Regierung für 1989 zu erhöhen. Es ist mittelfristig eines unserer schwierigsten Probleme. Wir können auf Bürgschaften nicht verzichten: a) im Interesse unserer Exportwirtschaft und ihrer Arbeiter und b) im Interesse der verschuldeten Länder, die ja nur dadurch ihre Handelsbeziehungen aufrechterhalten können. Aber wir müssen einfach wissen, daß wir ein latentes erhebliches Haushaltsrisiko haben.
Meine Damen und Herren, im Bereich der Kreditvergabe privater Banken an Entwicklungs- und Schwellenländer wird seit längerem nach neuen Wegen gesucht. Schuldenrückkaufmodelle und die Umwandlung von Krediten in Beteiligungen sind die wichtigsten Stichworte aus der jüngsten Entwicklung. Im Kern geht es darum, Belastungen aus Zins und Tilgungen zu verringern — und das ist auch bei Bankkrediten notwendig — , sie an die wirtschaftlichen Möglichkeiten der verschuldeten Länder besser anzupassen, ohne deren Kreditwürdigkeit zu gefährden; das letzte muß man unterstreichen. Das ist auch der Grund, weshalb wir unverändert nichts von Initiativen für globalen Schuldenerlaß halten, denn damit würde



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auch die Kreditwürdigkeit der betroffenen Länder vernichtet.
Wir erwarten, daß sich die deutschen Banken auch weiterhin, ja, einige noch stärker aktiv an solchen Lösungen beteiligen. Deswegen haben wir ihnen vor Jahren, als die Schuldenkrise ausbrach, übrigens auch angemessene Möglichkeiten für steuerliche Wertberichtigungen in diesem Bereich eingeräumt. Sie sind großzügig, aber das heißt auch: Die großen deutschen Banken können sich aus Engagements in Problemländern nicht einfach zurückziehen. Das ist auch ein Teil der Beherrschung der Schuldenstrategie und der mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Probleme.
Meine Damen und Herren, vor allem die Regierungen der Schwellenländer müssen in ihrem eigenen Interesse vertrauensbildende Wirtschaftsreformen durchführen. Immer noch gibt es, vor allem in Lateinamerika, einige Staaten, die nicht die Kraft zur dauerhaften Anpassung aufbringen, obwohl das Potential ihrer Länder an sich beachtlich ist. Das Ergebnis ist eine anhaltende Kapitalflucht aus diesen Ländern mit negativen ökonomischen und sozialen Folgen.
Die ärmsten Entwicklungsländer, vor allem in Afrika südlich der Sahara, sind demgegenüber für lange Zeit überwiegend auf öffentliche Hilfe angewiesen. Nicht nur bei der Bereitstellung von Mitteln für internationale Organisationen hat sich die Bundesregierung besonders engagiert. Sie hat einer größeren Zahl der ärmsten Länder die Schulden aus Entwicklungshilfeleistungen völlig erlassen. Diese Länder erhalten solche Leistungen nur noch als Zuschüsse oder Schenkungen.
Wir haben erst kürzlich den Kreis der so geförderten Länder noch erweitert. Darüber hinaus ist ein Schuldenerlaß für sechs weitere Länder Afrikas unter der Voraussetzung vorgesehen, daß sie vernünftige Anpassungs- und Reformprogramme in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank durchführen. Unser Schuldenerlaß wird dadurch um 3,3 Milliarden DM auf jetzt insgesamt 7,5 Milliarden DM ausgeweitet.
Ich sage auch gegenüber dem deutschen Steuerzahler: Dies ist richtig. Aber wir können es, meine Damen und auch Herren, auch gegenüber dem deutschen Steuerzahler nur vertreten, wenn wir die Überzeugung haben, daß die so geförderten Länder durch eine vernünftige Wirtschaftspolitik alles tun, was ihnen selbst hilft, damit es ein sinnvoller Verzicht ist und eine sinnvolle Hilfe an Länder, die Hilfe brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir wollen weiterhin die internationale Zusammenarbeit aktiv mitgestalten. Wir übersehen bei dem erfreulich aufgehellten Bild, das ich schildern konnte, nicht die Probleme, die es weiterhin gibt. Die großen Herausforderungen und Risiken für die Weltwirtschaft sind die erheblichen Ungleichgewichte in den Handels- und Leistungsbilanzen der Industrienationen und das große Gefälle, das zu große Gefälle zwischen ihrem Wohlstand und der Not der meisten Entwicklungsländer. Beides erfordert Verantwortungsbewußtsein, Kompetenz und Kooperation über die Grenzen der Staaten und Kontinente hinweg.
Meine Damen und Herren, der Ausbau und die Stärkung der Europäischen Gemeinschaft, unsere Verpflichtungen für die Bundeswehr in der Allianz für Frieden und Freiheit, weltweite Mitverantwortung in der engeren Zusammenarbeit der Industrieländer und vor allem auch für die bedrängten Völker der Dritten und Vierten Welt — dies alles spiegelt sich im einzelnen auch im Entwurf unseres Bundeshaushalts 1989 ebenso wider wie die weitgespannten innenpolitischen Aufgaben des Bundes.
Die Erfahrungen seit 1982 zeigen: Eine niedrigere Steuerquote, eine Erweiterung der Gestaltungsräume für die schöpferischen Kräfte mündiger Bürger und damit eine Konzentration des Staates auf seine eigentlichen Aufgaben führen nicht zur Absage an die soziale Verantwortung unseres Gemeinwesens, wie das immer wieder fälschlicherweise behauptet wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie schaffen vielmehr erst bessere Voraussetzungen für mehr Dynamik und Innovation, für Erneuerungsfähigkeit und die Meisterung der Zukunftsaufgaben.
Deshalb müssen wir auch weiterhin vielen überzogenen Forderungen von Interessengruppen an den Bundeshaushalt widerstehen. Es liegen mehr als genug auf dem Tisch; jeder weiß das. Nur so gewährleisten wir stabile Grundlagen, auch um kurzfristig neue Aufgaben — wie jetzt die tatkräftige Hilfe für die ansteigende Zahl deutscher Aussiedler — finanzieren und meistern zu können. Auch hier vertrauen wir neben der Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel durch Bund, Länder und Gemeinden auf die Bereitschaft unserer Mitbürger, in einer ganz überwiegend vom Wohlstand bestimmten Gesellschaft jenen solidarisch zu helfen, die unverschuldet die verhängnisvollen Folgen der nationalsozialistischen Ära länger und härter erleiden mußten als wir. Das ist auch eine moralische Kategorie, die uns hier berührt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nach dem Rückschlag und den Sorgen des vergangenen Winters sind auch in der Finanzpolitik positivere Daten und Perspektiven erkennbar. Ich habe sie geschildert. Aber es gibt keinen Anlaß, nach dem überzogenen Pessimismus der jüngsten Vergangenheit jetzt in einen blauäugigen Optimismus, in Verteilungsmentalität oder Sorglosigkeit zu verfallen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

So glänzend ist das Bild auch nicht, das ich Ihnen für die öffentlichen Finanzen hier zeichnen konnte.
Wir brauchen unverändert Ausgabendisziplin und Vorrang für die weitere Verringerung der Nettokreditaufnahme, nicht nur um die Zinsquote in unseren Haushalten endlich zu stabilisieren, sondern auch um das Vertrauen in stabile Preise und unsere harte Währung weiter zu erhalten und zu festigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist für die soziale und wirtschaftliche Zukunft
unseres Volkes wichtiger als diese oder jene Einzel-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
maßnahme für diese oder jene Gruppe. Ich glaube, davon sind wir alle überzeugt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, große und schwierige Aufgaben liegen weiterhin vor uns — wir wollen sie meistern —, von der Neubestimmung der Finanzbeziehungen des Bundes zur Rentenversicherung — ein Thema der nächsten Wochen — bis zur Förderung der Strukturanpassungen.
Dennoch: Wir stellen mit Befriedigung fest, daß die Vorhersagen der falschen Propheten vom letzten Winter über die Rezession oder über die explodierende Neuverschuldung widerlegt wurden. Der gute Verlauf des Jahres 1988 stärkt unsere Zuversicht, den heute eingebrachten Etat 1989 verantwortungsbewußt zu gestalten und die Herausforderung meistern zu können. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, dabei um Ihre tatkräftige Mitarbeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der FDP)


Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID1108900200
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause. Wir setzen die Beratung um 14 Uhr fort.

(Unterbrechung von 12.23 bis 14.00 Uhr)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1108900300
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich eröffne die Aussprache über die Beratung des Haushaltsgesetzes 1989, des Finanzplanes 1988 bis 1992 und des Nachtragshaushaltsgesetzes 1988.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wieczorek.

Helmut Wieczorek (SPD):
Rede ID: ID1108900400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte war ursprünglich Hans Apel als erster Redner der SPD vorgesehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Tatsächlich?)

Wie Sie wissen, hat Hans Apel gestern sein Amt als finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion niedergelegt. Ich möchte deshalb zu Beginn meiner Rede Hans Apel ausdrücklich für seine großartige Arbeit hier im Deutschen Bundestag danken.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Wir alle haben seine offene und kollegiale Art stets geschätzt. Er hat mit seinem Sachverstand unser aller Hochachtung erworben. Ich spreche für uns alle, wenn ich sage, daß wir diese persönliche Entscheidung von Hans Apel bedauern, aber sie verdient unseren Respekt.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Man kann sie verstehen!)

Ich darf Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, herzlich für die Worte danken, die Sie für Hans Apel gefunden haben.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wer jedoch glaubt, daß damit ein finanzpolitischer Kurswechsel der SPD verbunden wäre, der irrt, meine Damen und Herren.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Hatten Sie überhaupt einen Kurs?)

An unserer Beurteilung der Finanzpolitik dieser Bundesregierung ändert sich durch die Entscheidung von Hans Apel nichts.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundeshaushalt 1989 und der Finanzplan 1988
bis 1992, die der Bundesfinanzminister heute morgen hier eingebracht hat, sind für uns Anlaß zu einer Zwischenbilanz über sechs Jahre konservativer Finanzpolitik.
Diese Bundesregierung ist 1982 mit einer Reihe von Versprechungen angetreten. Die öffentlichen Haushalte sollten grundlegend saniert und die notwendigen Opfer auf alle Bürger sozial gerecht verteilt werden. Die öffentlichen Investitionen sollten verstärkt und die Subventionen abgebaut werden. Die Neuverschuldung sollte „spürbar unter 20 Milliarden DM ohne Bundesbankgewinne" zurückgeführt werden, ohne dabei Steuererhöhungen vorzunehmen — Zitat von Herrn Dr. Stoltenberg am 28. Oktober 1984 in der „Welt am Sonntag".
Am 4. Mai 1983 hat der Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag versprochen:
Aufgabe Nummer eins ist die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat keines ihrer Versprechen gehalten. Die einmalige Chance, die eine seit sechs Jahren anhaltende, weltweit günstige Wirtschaftsentwicklung geboten hat, ist vertan worden. Die öffentlichen Haushalte stecken in einer tiefen Finanzkrise. Die Staatsverschuldung hat ein historisches Rekordniveau erreicht. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert. Während die sozial Schwachen zu Beginn Ihrer Amtszeit große Opfer für die angebliche Konsolidierungspolitik bringen mußten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

werden heute die Steuern für Spitzenverdiener gesenkt.

(Beifall bei der SPD)

Die Struktur der öffentlichen Haushalte war noch nie so schlecht. Während die Investitionsquote weiter zurückgeht, ufern die Subventionen immer mehr aus. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit 1982 um eine halbe Million gestiegen und steigt weiter. 2,3 Millionen Arbeitslose werden von der Teilhabe am wachsenden Wohlstand ausgegrenzt.

(Beifall bei der SPD — Seiters [CDU/CSU]: Und die Arbeitsplätze?)

An Millionen von Bürgern und Familien geht der Aufschwung vorbei.
Die Schulden des Bundes, Herr Bundesfinanzminister, sind noch nie so stark gestiegen wie in diesem Jahr. Die Neuverschuldung von mehr als 39 Milliar-



Wieczorek (Duisburg)

den DM im Nachtragshaushalt 1988 ist die höchste in der Geschichte der Bundesrepublik, auch wenn Sie sie jetzt heruntermanipulieren wollen, um von dieser Rekordziffer wegzukommen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die Rekordziffer des Bundes ist aber nicht einmal ein einmaliger Ausrutscher, sondern dauerhaft.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Bei ein paar hundert Milliarden DM mehr Bruttosozialprodukt!)

Der neue Finanzplan dieser Bundesregierung weist aus, daß in den Jahren 1988 bis 1992 — und ich wiederhole die Zahl von Herrn Vogel, Herr Stoltenberg —171 Milliarden DM mehr neuer Schulden aufgenommen werden sollen.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Das sind durchschnittlich 34 Milliarden DM pro Jahr. Eine höhere Neuverschuldung hat es in der Geschichte unseres Volkes niemals gegeben.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Bei ein paar hundert Milliarden DM mehr Bruttosozialprodukt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Die Bundesregierung wird nach ihrer eigenen Finanzplanung bis 1992 in zehn Jahren — Herr Friedmann, als Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses bitte ich Sie ganz herzlich, zuzuhören —

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Macht der immer!)

genausoviel Schulden machen wie alle Bundesregierungen vorher in 33 Jahren.

(Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! „Weiter so! " — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Der Schuldenstand des Bundes betrug bei der „Wende" 1982 300 Milliarden DM — viel zuviel, wenn Sie mich fragen. Aber er wird am Ende dieses Finanzplanungszeitraums 600 Milliarden DM betragen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Weil wir eure Schulden mitbezahlen müssen, die ihr gemacht habt!)

Man muß sich diese Zahl einmal vor Augen führen.
Es ist mir schlicht unbegreiflich, Herr Dregger, wie der Bundeskanzler angesichts dieser Fakten am 11. Januar vor der Bundespressekonferenz erklären konnte — ich zitiere — : „Unser Markenzeichen ist, daß wir keine Schulden machen."

(Dr. Vogel [SPD]: Hei! — Widerspruch bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [SPD]: Wir bezahlen die Zinsen für eure Schulden!)

Man muß sich so etwas nur einmal vorstellen. Denn das wußte auch der Bundeskanzler, daß diese Aussage schlicht und einfach falsch ist.

(Walther [SPD]: Wohl wahr! — Zander [SPD]: Wer weiß, ob er es wußte! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wie immer!)

In Wahrheit, meine Damen und Herren, machen Sie eine Politik der Schuldenrekorde. Denn ohne Bundesbankgewinne müßte diese Regierung ab 1989 Jahr für Jahr 40 Milliarden DM neue Schulden aufnehmen. Ohne die vorgesehene Verbrauchsteuererhöhung und die massiven Kürzungen bei der Bundesanstalt für Arbeit wären es, wenn Sie korrekt und sauber rechnen, gar 50 Milliarden DM jährlich.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Und bei Ihnen 70 Milliarden!)

Für diese Zahlen hätten Sie heute morgen, Herr Bundesfinanzminister, die Verantwortung übernehmen müssen, wenn Sie ehrlich bilanzieren würden.
Ich erinnere noch einmal an die schlimmen und unredlichen Reden hier im Deutschen Bundestag Anfang der 80er Jahre. Damals malten Sie den drohenden Staatsbankrott an die Wand und stellten Ihre großen Konsolidierungsversprechungen daneben. Vor diesem Hintergrund sind die heutigen Ergebnisse Ihrer Politik so entlarvend, daß jeder weitere Kommentar überflüssig ist.

(Beifall bei der SPD)

Sie wußten damals genausogut, wie wir es heute wissen: Unserem Land drohte damals kein Staatsbankrott, und er droht uns auch heute nicht. Dieses miese Geschäft mit der Angst unserer Sparer betreiben wir nicht. Wir verwerfen Ihre Finanzpolitik, weil sie unredlich und falsch ist. Selbst in einer Phase ohne konjunkturelle Einbrüche und außenwirtschaftliche Störungen sind Sie gescheitert.

(Beifall bei der SPD)

Sie versprechen Steuererleichterungen, erhöhen aber vorher die Steuern. Sie reden von Konsolidierung, präsentieren aber Rekorddefizite. Diese Haushaltsdefizite, meine Damen und Herren, sind doch nicht Ausdruck einer aktiven, berechenbaren Steuer- und Finanzpolitik im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit oder im Kampf für eine bessere Umwelt. Sie sind vielmehr das Ergebnis Ihrer verfehlten Steuerpolitik, Ihrer unberechenbaren Politik der Wohltaten für die Gruppen, denen gegenüber Sie sich abhängig fühlen.

(Beifall bei der SPD)

Weil Ihrer Politik die Perspektive fehlt, häufen Sie Schuldenberge auf, die uns vor schwere Probleme stellen werden.
Auch die drastischen Steuer- und Abgabenerhöhungen im kommenden Jahr haben mit einer vorausschauenden Politik nichts zu tun. Für ein sinnvolles Konzept, für eine ökologische Neuorientierung der Besteuerung könnten Sie jederzeit mit unserer Hilfe rechnen.
Es geht Ihnen aber nicht darum, sondern Sie stopfen nur die gröbsten Haushaltslöcher, die Sie an anderen Stellen mit dem überzogenen Steuerpaket 1990 aufreißen. Genau in diesem Punkt liegt der entscheidende Unterschied zwischen Ihren und unseren steuerpolitischen Vorstellungen.
Sie haben heute morgen so viel über Münster geredet. Ich will Ihnen unsere Position von Münster verdeutlichen. Wir wollen unser Steuersystem so um-



Wieczorek (Duisburg)

strukturieren, daß es den dringenden umweltpolitischen Erfordernissen gerecht wird. Diese ökologische Umstrukturierung unseres Steuersystems wird nicht zu einer höheren Gesamtbelastung für kleine und mittlere Einkommen führen; sie wird in diesem Bereich nicht eine Erhöhung, sondern im Gegenteil Entlastungen bewirken. Wir wollen ein Nullsummenspiel. Wir wollen aber die Einnahmen des Staates anders verteilen. Wir möchten die Leute mit kleinen und geringen Einkommen entlasten und statt dessen jene, die das ökologische Gleichgewicht stören, in größerem Maße belasten. Das ist unsere Grundaussage.

(Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/ CSU]: Sie wollen doch den Benzinpreis verdoppeln!)

Wir wollen das Mehraufkommen bei den einzelnen Energiesteuern in erster Linie zur Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen verwenden. Wir werden damit einen Teil der Umverteilung von unten nach oben, die das Ergebnis Ihrer Steuerpolitik ist, berichtigen.
Sie dagegen nehmen den Arbeitnehmern und Verbrauchern das Geld aus der Tasche, um es den Begüterten zuzuschieben. Was bedeuten denn Ihre Steuerpläne für den durchschnittlichen Verbraucher? Die drastische Verteuerung des Benzins und die Kraftfahrzeugsteuer für Diesel-Pkw kosten jeden Autofahrer 200 DM im Jahr, egal, wieviel er an Einkommensteuer zahlt. Die Vervierfachung der Heizölsteuer kostet den Eigenheimbesitzer noch einmal um die 200 DM. Die Anhebung der Versicherungsteuer, der Tabaksteuer und die Quellensteuer wird Ihnen nach Ihren Berechnungen 51/2 Milliarden DM in die Kasse bringen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Ihr wollt doch den Benzinpreis verdoppeln!)

Unter dem Strich bedeutet das für 1989 13 Milliarden DM mehr Steuern pro Jahr für Bürger und Wirtschaft, Herr Finanzminister.
Das ist das größte Steuererhöhungspaket aller Zeiten.

(Beifall bei der SPD — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wovon redet der Mann? — Beckmann [FDP]: Wie hoch ist denn Ihre Energiesteuer?)

Aber es kommt noch schlimmer, ob es Ihnen paßt oder nicht.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Dagegen war der Apel noch Gold!)

1989 soll auch schon die Gesundheitsreform in Kraft treten. Sie müssen ehrlich sagen, was Sie wollen. Die Gesundheitsreform wird die Menschen draußen schlicht und einfach 3,4 Milliarden DM an zusätzlichen Belastungen kosten, die sie dann für die steigenden Krankenversicherungsbeiträge aufzubringen haben.

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Eigenbeitrag!)

— Zum Eigenbeitrag komme ich noch, Herr Dr. Weng.
Damit noch nicht genug. Denn der Eigenbeitrag wird zu einer weiteren Kostenbelastung der Bürger von 6,5 Milliarden DM jährlich führen. Das sind die Kosten für die Selbstbeteiligung im Krankheitsfall, die die einzelnen Menschen aus ihrer eigenen Tasche zahlen müssen.
Das sind zusammen weitere 10 Miliarden DM an Mehrbelastung für die Bürger.
Insgesamt wollen Sie in den nächsten Jahren also 23 Milliarden DM bei den Bürgern und der Wirtschaft abkassieren. Wir müssen uns darüber klar sein, was das eigentlich bedeutet, was der Herr Bundsfinanzminister heute morgen so vollmundig hier umschrieben hat.
Der Bund der Steuerzahler hat Ihnen im Juni, also noch vor dem Kabinettsbeschluß, ausgerechnet, was das eigentlich bedeutet. Die Abgabenbelastung der Arbeitnehmer und die Nebenkosten der Wirtschaft werden durch Ihre Politik auf neue Rekordhöhen getrieben, und Sie reden hier von Entlastung der Lohnnebenkosten.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem haben Sie die Steuererhöhung beschlossen. Sehenden Auges treiben Sie die Ungerechtigkeiten Ihrer Steuerpolitik auf die Spitze. Sie verstecken die schlimmen Folgen Ihrer Politik so gerne hinter Durchschnittszahlen — heute morgen haben Sie dafür wieder ein Musterbeispiel geliefert — , bei denen die Spitzenverdiener und die Arbeitslosen in einen Topf geworfen werden. Mit dieser Art von Statistik läßt sich alles beweisen.
Aber können Sie denn bestreiten, Herr Finanzminister, daß 17 Millionen Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bei Ihrem Steuerpaket 1990 völlig leer ausgehen, aber in Zukunft von ihrer Rente, ihrem Arbeitslosengeld, ihrer Sozialhilfe auch noch höhere Verbrauchsteuern zahlen müssen?

(Beifall bei der SPD)

Können Sie denn bestreiten, daß Millionen Normalverdiener 1990 von Ihnen weniger zurückbekommen werden, als sie bereits 1989 und in allen weiteren Jahren durch Ihre Beschlüsse bezahlen müssen? Sie können das nicht, Herr Finanzminister; denn sonst hätten Sie uns das schon heute morgen gesagt.

(Becker [Nienberge] [SPD]: Der ADAC hat das schon nachgewiesen!)

Meine Damen und Herren, die von der Bundesregierung geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen sind nicht nur ungerecht, sie sind auch wirtschaftspolitisch völlig verfehlt. Das Hamburger Wirtschaftsforschungsinstitut hat die Verbrauchsteuererhöhung in kaum überbietbarer Deutlichkeit eine ,,Bankrotterklärung der Politik" genannt.
Trotz einer seit sechs Jahren andauernden weltwirtschaftlich bedingten Aufschwungphase ist diese Bundesregierung unfähig, den Bundeshaushalt in Ordnung zu halten. Schlimmer kann man sich überhaupt nicht blamieren.
Da helfen auch die Beschönigungen des Bundesfinanzministers nicht weiter, der heute morgen hier erklärt hat, daß er jetzt 1,5 bis 2 Milliarden DM Steuer-



Wieczorek (Duisburg)

mehreinnahmen für den Bundeshaushalt erwarte. Das wäre erfreulich. Aber wir schreiben heute erst den 6. September. Warten wir also doch einmal ab, wie es bei der zweiten und dritten Lesung sein wird oder besser: wie es am Jahresende sein wird. An den Größenordnungen, Herr Bundesfinanzminister, ändert sich dadurch doch nichts. Die Neuverschuldung beträgt 39 Milliarden DM allein beim Bund, 65 Milliarden DM, wenn Sie Länder und Gemeinden dazunehmen, 75 Milliarden DM, wenn Sie den Schattenhaushalt Bahn und Post dazunehmen. Das ist die richtige Größenordnung. Hier müssen auch Sie bemerken, wie gering die Einnahmeverbesserung durchschlagen wird.
Es ist erstaunlich, wie die Bundesregierung angesichts dieser verheerenden Bilanz Glauben machen will, die Konjunkturentwicklung dieses Jahres sei ihr Verdienst. Da ist am 11. August 1988 sogar dem den Unternehmen nahestehenden Institut der Deutschen Wirtschaft der Kragen geplatzt. Es zeigt sich verwundert, „daß das Hauptverdienst für die konjunkturelle Besserung ausgerechnet von der Wirtschafts- und Finanzpolitik beansprucht wird".
Meine Damen und Herren, auch wenn der Bundeswirtschaftsminister bekanntlich häufiger auf Reisen im Ausland als zu Hause ist, liegt darin wohl kaum der Grund, daß die Exporte in den letzten Monaten wieder angestiegen sind.

(Zander [SPD]: Da richtet er aber weniger Schaden an!)

Dem Bundesfinanzminister hat das Institut der Deutschen Wirtschaft gleich noch ins Stammbuch geschrieben, die Politiker sollten nicht glauben, daß die finanzpolitischen Probleme heute weniger drängend seien als vor Jahresfrist.
Im Klartext: Herr Bundeskanzler, Sie sollten endlich dafür sorgen, daß die Hausaufgaben, die Sie aufgeben, ordentlich erledigt werden, und daß sich Ihre Administration nicht mit fremden Federn schmückt.
Aber dafür gibt es klare Indizien: Die seit Monaten anhaltende Kapitalflucht — 60 Milliarden DM seit Jahresanfang — ist ein eindeutiges Mißtrauensvotum der Kapitalanleger und Investoren im In- und Ausland gegen Ihre unsolide und unberechenbare Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD — Walther [SPD]: Und treibt das Zinsniveau hoch!)

Inzwischen, meine Damen und Herren, bremst die Deutsche Bundesbank nicht mehr den Verfall des Dollars, sondern sie muß mit Milliardenbeträgen gegen eine Abwertung der Deutschen Mark intervenieren. Das wird hier leider verschwiegen.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wir haben es aber ganz gut im Griff, habe ich den Eindruck!)

Das beweist, daß diese Bundesregierung mit ihrer Finanzpolitik im internationalen Vergleich tatsächlich immer schlechtere Noten bekommt.
Es ist auch nicht das Verdienst der Bundesregierung, wenn sie im kommenden Jahr gerade wegen der umfangreichen Stützungsmaßnahmen der Bundesbank zugunsten der Deutschen Mark mit höheren Bundesbankgewinnen rechnen kann.
Meine Damen und Herren, bereits in der Vergangenheit hat der Bundesfinanzminister vor allem vom Bundesbankgewinn gelebt. 1988, als die Milliardengewinne aus Frankfurt plötzlich ausblieben, schnellte die Neuverschuldung im Bundeshaushalt sofort auf Rekordhöhe. Das zeigt doch deutlich, wie fragwürdig diese Art der Haushaltsfinanzierung ist. Die angebliche Konsolidierung war in Wirklichkeit auf Sand gebaut.
Trotzdem sind im Haushalt 1989 wiederum 5 Milliarden DM Bundesbankgewinn eingesetzt worden; offenbar zuwenig, denn gleichzeitig teilt uns der Finanzminister mit, daß er eigentlich 7 bis 8 Milliarden DM einnehmen werde. Ich gehe davon aus, daß die Einnahme deutlich über 10 Milliarden DM betragen wird. Wenn Sie sich mit Ihren Fachleuten unterhielten, würde Ihnen diese Zahl auch bestätigt. Das ist aber pure Augenwischerei; denn dahinter steckt Absicht. Es geht nämlich darum, die vorgesehenen Verbrauchsteuererhöhungen politisch durchzusetzen.

(Walther [SPD]: Richtig!)

Deshalb haben Sie den Bundesbankgewinn bewußt zu niedrig angesetzt und das Haushaltsgesetz geändert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese eigenartige Regelung im Haushaltsgesetz zur Tilgung von Altschulden ist in Wahrheit ein neuer Versuch, die Haushaltskompetenz des Parlaments auszuhöhlen. Das von Ihnen vorgesehene Verfahren führt nämlich dazu, daß der Bundesfinanzminister in dem gleichen Umfang, in dem er 1989 Altschulden tilgt, 1990 ohne Ermächtigung des Parlaments zusätzliche Kredite zum Ausgleich von Haushaltslücken aufnehmen kann. Damit wollen Sie vermeiden, daß Sie 1990 vor der Wahl erneut gezwungen sind, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Dafür bauen Sie sich diese schwarze Sparkasse. Das wollen wir hier schon heute sagen, damit Sie nicht im Wahljahr, von neuen Grundpositionen ausgehend, die Sie sich selbst geschaffen haben, wieder Erfolge feiern, die in Wirklichkeit nicht da sind.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zu einem anderen, aber dieses Haus sehr interessierenden Thema kommen. Die Neuverschuldung von 39,2 Milliarden DM im Nachtragshaushalt verstößt klar gegen das Grundgesetz.

(Walther [SPD]: Sehr richtig!)

Nach der Verfassung darf die Neuverschuldung des Bundes nicht höher als die Summe der Investitionen sein. Tatsächlich betragen die Investitionen jedoch nur 34 Milliarden DM, also 5 Milliarden weniger als die Neuverschuldung.
Der Bundesfinanzminister hat sich dazu bis heute nur sehr ausweichend geäußert. Die Verfassung dagegen ist sehr eindeutig: Die Neuverschuldung darf nur dann die Summe der Investitionen übersteigen, wenn dies zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts notwendig ist. Sie behaupten aber: Unsere Konjunktur läuft prima. Dann



Wieczorek (Duisburg)

aber darf die Neuverschuldung die Investitionen nicht übersteigen, und dann darf dieser Nachtragshaushalt nicht Gesetz werden.
Meine Damen und Herren, ich gehe aber davon aus, daß Sie ihn mit Ihrer Mehrheit trotzdem beschließen werden.

(Seiters [CDU/CSU]: So ist das! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Eine gute Prognose!)

Dann aber bringen sich zumindest die Herren von der CDU/CSU und ihr damaliger Oppositionsführer und heutiger Bundeskanzler in eine unmögliche Situation.
Um was geht es denn? Helmut Kohl und die Bundestagsfraktion der CDU/CSU haben 1982 die sozialliberale Koalition verklagt, weil sie im Krisenjahr 1981 eine höhere Nettokreditaufnahme beschlossen hat, als Ausgaben für Investitionen vorgesehen waren. Das war damals zur Abwehr der Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts auf Grund der weltwirtschaftlichen Probleme erforderlich. Das Grundgesetz läßt dies in einer Notlage — und das war eine Notlage — ausdrücklich zu.
Nun wird diese Klage der CDU/CSU im Dezember dieses Jahres vor dem Verfassungsgericht behandelt. Da kommen also die Kläger der CDU/CSU Ende des Jahres nach Karlsruhe, nachdem sie zuvor für 1988 einen eindeutig verfassungswidrigen Nachtragshaushalt beschlossen haben

(Hört! Hört! bei der SPD)

und damit selber gegen das Grundgesetz verstoßen haben.

(Zuruf von der SPD: Da kennen die nichts!)

Wie wollen Sie eigentlich, Herr Dr. Dregger, vor dem Bundesverfassungsgericht argumentieren?

(Zuruf von der CDU/CSU: Warten Sie doch einmal ab!)

Ich würde Ihnen raten: Sagen Sie einfach die Wahrheit.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Das ist aber schwer! — Dr. Vogel [SPD]: Etwas Unmögliches!)

Denn die Wahrheit ist: Zur Diffamierung Ihrer politischen Gegner waren Ihnen damals alle Mittel recht, und heute, wo Sie sich Ihren eigenen juristischen Fallstricken ausgesetzt sehen und die Klage loswerden müssen, argumentieren Sie nach dem Motto „Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

(Walther [SPD]: Mein dummes Geschwätz von gestern!)

Wir treten heute neu an" .

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich aber zu den Lücken kommen, die sich nach unserer Bewertung jetzt noch im Haushalt zeigen.

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Noch mehr Lücken?)

Wir haben bei den Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres immer wieder darauf hingewiesen, wo Ihre Lücken sind. Sie haben Milliardenrisiken nicht veranschlagt. Da wir eine verbundene Debatte haben, gilt es hier auch noch einmal über den Haushalt 1988 zu reden und über seine Entstehung, also darüber, wie er zu dem geworden ist, was er heute ist, und warum der Finanzminister heute einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr einbringen muß. Wir haben Ihnen das immer gesagt, und Sie haben mit gespielter Empörung immer wieder von Horrormeldungen der Opposition geredet. Wir haben Ihnen die Finanzlükken bei der Bundesanstalt bereits im letzten Sommer aufgezeigt, nachdem Sie nämlich zur Entlastung des Bundeshaushaltes eine Reihe von sachfremden Aufgaben auf die Bundesanstalt für Arbeit verschoben haben. Das war Ihnen bekannt, Herr Stoltenberg.

(Walther [SPD]: Das war sogar verfassungswidrig, Herr Kollege!)

Trotzdem erklärte der Bundesfinanzminister am 2. Juli 1987, die Bundesanstalt könne — ich zitiere — „ihre Verpflichtungen in den nächsten Jahren bei Beachtung der Grundsätze sorgfältiger Haushaltsführung erfüllen". Jetzt muß der Finanzminister selber einräumen, daß bei der Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr 1,1 Milliarden DM und im nächsten Jahr gar 5,1 Milliarden DM fehlen. Jetzt zeigt sich, Herr Finanzminister: In der Finanzpolitik haben Lügen wirklich kurze Beine.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie uns zu dem nächsten für Sie damals unbekannten Risiko kommen: den Milliarden-Mehrbelastungen durch die EG. Diese waren bereits im Sommer 1986 bekannt. Damals haben Sie selber sogar eine Reserve für höhere Abführungen an die EG für 1988 in den Finanzplan eingestellt. Aber Sie haben diese Reserve trotz unserer Warnungen aufgelöst, um andere Löcher im Bundeshaushalt 1988 zu vertuschen.

(Seiters [CDU/CSU]: Ist das nun Ihre Rede oder die von Apel?)

Geben Sie es doch endlich zu: Aus diesem Grund werden jetzt die Verbraucher mit höheren Steuern zur Kasse gebeten. So seriös ist Ihre Finanzpolitik.
Auch noch im November letzten Jahres haben Sie an dem Ansatz für den Bundesbankgewinn festgehalten. Sie haben den Dollarkursverfall einfach ignoriert. Am 7. Januar mußten Sie schon eingestehen, daß das eine reine Luftbuchung war. Daß Ihr Haushalt 1988 keinen Bestand haben würde, war also bereits bei der Verabschiedung im Bundestag und im Bundesrat erkennbar. Trotzdem ist diese Regierungskoalition ihrer Regierung gefolgt und hat den Bundeshaushalt kurz vor Weihnachten des letzten Jahres beschlossen. Das war das vorläufige Ende eines Possenspiels. Drei Wochen später war der Haushalt 1988 in seinen Eckdaten bereits Makulatur, und jetzt beraten wir den Nachtrag für 1988, und weiter geht das Possenspiel.
Auch mit dem Bundeshaushalt 1989 verstößt die Bundesregierung gegen die selbstgesteckten Ziele, gegen öffentlich abgegebene Erklärungen und Versprechungen.



Wieczorek (Duisburg)

Noch am 7. Januar 1988 ist im Zusammenhang mit den Fehlbeträgen für 1988 im Kabinett beschlossen worden: „Im Haushaltsjahr 1989 muß die Nettokreditaufnahme des Bundes um mindestens 10 Milliarden DM zurückgeführt werden. Dies soll durch Subventionsabbau, Erhöhung spezifischer Verbrauchsteuern und konsequente Ausgabenbegrenzung erfolgen."
Und heute? Machen wir wieder einmal Zwischenbilanz : Die Rückführung der Neuverschuldung ist nicht um 10 Milliarden DM, sondern nur um 7 Milliarden DM gelungen, aber sie muß allein von den Verbrauchern bezahlt werden und nicht etwa von den Gruppen, die vorher angesprochen waren.
Meine Damen und Herren, noch im Mai dieses Jahres hat der Finanzminister vor dem Finanzplanungsrat festgestellt, der Bundeshaushalt 1989 werde um weniger als 3 % wachsen.

(Zander [SPD]: Was der schon alles erzählt hat!)

Heute sind es über 4,6 % geworden. Diese höhere Ausgabensteigerung hat nichts mit einer planvoll gestalteten Haushaltspolitik zu tun, im Gegenteil: Die Ausgaben laufen Ihnen davon, weil Ihre Politik so konzeptionslos ist und Sie längst überfällige Weichenstellungen verschlafen haben.
Sie machen über Jahre eine falsche Agrarpolitik, vergeuden gegen unseren Willen Milliarden für die umsatzstarken Betriebe, auch für die Massentierhalter, und müssen immer mehr Subventionen für unsere Bauern nachlegen.

(Beifall bei der SPD)

Sie zerstören mit Ihrer überzogenen und ungerechten Steuerpolitik die Handlungsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden, und daran ändert auch Ihre Durchschnittsrechnung nichts. Vielmehr müssen die strukturschwachen Bundesländer und die darin befindlichen Städte und Gemeinden nun mit Strukturhilfen dafür bezahlt werden.
Sie räumen die Kassen der Arbeitslosenversicherung aus und müssen nun die Defizite ausgleichen.

(Jungmann [SPD]: Das ist ein Kassenplünderer!)

Sie haben die viel zu hohe Ausgabensteigerung im nächsten Jahr in voller Höhe selbst zu verantworten.
Jahrelang haben Sie, Herr Dr. Stoltenberg, die eigentliche Aufgabe des Finanzministers im Kabinett nicht wahrgenommen. Die erste Pflicht des Finanzministers ist es, den Haushalts- und Finanzplan nach den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit aufzustellen. Nur mit einem verläßlichen Zahlenwerk läßt sich eine berechenbare und solide Politik betreiben. Mit Ihren Mogeleien, mit Ihrer Scheinkonsolidierung mit Hilfe der Bundesbankgewinne und Ihren optimistischen Modellrechnungen und Beschwichtigungen haben Sie das heillose Finanzchaos selbst angerichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Von Stetigkeit, Klarheit und Verläßlichkeit ist in Ihrer Finanzpolitik keine Spur.

(Beifall bei der SPD — Jungmann [SPD]: Unzuverlässiger Geselle!)

Auch jetzt ist der Bundesfinanzminister augenscheinlich nicht bereit, alle Haushaltsrisiken nach dem Prinzip der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu veranschlagen. 1989 fehlt eine halbe Milliarde für die Kokskohlenbeihilfe. Wo ist das Geld, um die unbezahlten Rechnungen von 3 Milliarden DM zu begleichen, die bis Ende dieses Jahres bei dem Verstromungsfonds aufgelaufen sein werden

(Walther [SPD]: 4 Milliarden!)

und für die der Bund eintreten muß? Im Haushalt sind bisher noch nicht die Mittel, die Sie für die Eingliederung der vielen deutschen Zuwanderer aus Osteuropa zugesagt haben. Der Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit ist erneut um mindestens 500 Millionen DM zu niedrig angesetzt. 500 Millionen DM gar verlangt die EG für zuviel zugeteilte Milchquoten zurück. Die Post treiben Sie mit überhöhten Ablieferungen an den Bundeshaushalt immer tiefer in die Verschuldung.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wer hat sie denn festgesetzt?)

Die Gebührenerhöhung im nächsten Jahr muß in Wirklichkeit der Finanzminister verantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Zuweisungen an die Bundesbahn sind seit 1982 um keine einzige Mark gestiegen. Auch die steigenden Bahnschulden sind in Wahrheit Schulden des Bundesfinanzministers.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden, meine Damen und Herren, hoffentlich auch mit Unterstützung der Abgeordneten der Koalition, in den Fachausschüssen und vor allen Dingen im Haushaltsausschuß alle Anstrengungen unternehmen, um Ihre Vorlage zu dem zu machen, was ein Haushalt zu sein hat: das Schicksalsbuch der Nation, in dem alle Ausgaben und Einnahmen des Bundes korrekt verzeichnet sind.

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Die GRÜNEN werden euch helfen!)

Die mittelfristige Finanzplanung ist bei Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, leider zu einem Muster ohne Wert verkommen.

(Zuruf von der SPD: Makulatur!)

Das haben wir Ihnen bereits vor einem Jahr für Ihre Finanzplanung bis 1991 vorgeworfen. Ihre neue Finanzplanung bis 1992 bestätigt die Richtigkeit unserer damaligen Feststellungen. Vor einem Jahr hatten Sie in Ihrer Finanzplanung für das Jahr 1989 eine Neuverschuldung von 27,2 Milliarden DM angesetzt, und das ohne Verbrauchsteuererhöhung. Jetzt planen Sie für 1989 eine Neuverschuldung von 32 Milliarden DM. Das sind 5 Milliarden DM mehr, trotz massiver Verbrauchsteuererhöhung. Wo ist da bei Ihnen eine klare Planung zu erkennen? Sie wursteln sich durch, Herr Finanzminister.

(Beifall bei der SPD)




Wieczorek (Duisburg)

Für 1990 hatten Sie noch vor einem Jahr eine Neuverschuldung von 30,9 Milliarden DM geplant. In Ihrer neuen Finanzplanung gehen Sie jetzt auf 36 Milliarden DM. Das sind wiederum 5 Milliarden DM mehr als veranschlagt. Das alles geschah innerhalb eines Jahres. Für 1991 hatten Sie noch vor einem Jahr eine Neuverschuldung des Bundes von 26,1 Milliarden DM veranschlagt. Jetzt haben Sie in Ihrer neuen Finanzplanung für 1991 eine Neuverschuldung von 34 Milliarden DM.

(Walther [SPD]: Das reicht ja nicht!)

Das sind 8 Milliarden DM mehr, als noch vor einem Jahr geschätzt.
Wie lange werden die Eckwerte dieser Finanzplanung nun Geltung haben?

(Jungmann [SPD]: Bis morgen!)

Werden Ihnen erneut Bundesbankgewinne aus der Patsche helfen, oder werden Sie uns im nächsten Jahr neue Schuldenrekorde präsentieren müssen?

(Zander [SPD]: Lotto spielen!)

Denn für milliardenschwere Ansprüche an den Bundeshaushalt haben Sie keine Vorsorge getroffen. Die CDU/CSU ist bei den Bürgern im Wort, noch in dieser Legislaturperiode das Kindergeld und das Erziehungsgeld anzuheben: 6 Milliarden DM. Dafür sind in Ihrer Finanzplanung keine Mittel vorgesehen. Selbst wenn die Zahl der Arbeitslosen bis 1992 nicht wächst, sondern bei 2,3 Millionen stagniert, muß der Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit und die Arbeitslosenhilfe bis 1992 um 10 Milliarden DM höher sein, als vom Finanzminister geplant.
Im Verteidigungsetat fehlen bis 1992 3 Milliarden DM gegenüber der Bundeswehrplanung. Wessen Zahlen sind nun eigentlich richtig? Plant die Bundeswehr richtig, oder muß die Bundeswehr ihre Gefährdungsanalyse den finanziellen Bedingungen des Bundesfinanzministers anpassen?

(Jungmann [SPD]: Die haben beide keine Ahnung!)

Aber wir sind ja noch nicht fertig. Die Rentenversicherung braucht auf jeden Fall einen erhöhten Bundeszuschuß, wenn massive Beitragsanhebungen vermieden werden müssen. Im neuen Finanzplan findet sich dafür keine Mark. Im Gegenteil, der Zuschuß ist 1990 und 1991 jeweils um 340 Millionen DM niedriger angesetzt als bisher.

(Walther [SPD]: Das ist unglaublich!)

Da fehlen spätestens 1991 Milliarden, wenn die Renten sicher bleiben sollen.
Wo sind, Herr Finanzminister, eigentlich die Milliarden für den Airbus, die noch bis 1992 aus dem Bundeshaushalt fällig werden, wenn Sie Ihr Konzept der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Verluste durchziehen wollen?

(Beifall bei der SPD)

Was wird denn aus dem Programm zur Rettung der Nordsee, das der Bundesumweltminister angekündigt hat?

(Jungmann [SPD]: Keine müde Mark!)

Der Deutsche Städtetag hat ein Finanzierungskonzept des Bundes bereits angemahnt. Wir werden mit eigenen Vorschlägen in dieser Richtung kommen, wenn hier die zweite Lesung ansteht.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Wir auch!)

Die Zahl der Zivildienstleistenden — wir sind noch gar nicht fertig, Sie brauchen sich noch nicht zu freuen — wird viel höher werden, als in der Finanzplanung eingestellt. Auch hier fehlt bis 1992 schlicht und einfach eine halbe Milliarde DM. Oder haben Sie insgeheim schon vorgesehen, das Anerkennungsverfahren wieder zu verschärfen? Man muß diese Fragen ja stellen, weil der Bundesfinanzminister die politischen Zielvorstellungen eigentlich in Geld ummünzen muß. Wenn er es nicht tut, kann man vermuten, daß dahinter eine politische Absicht steht.
Wo sind eigentlich die internationalen Verpflichtungen eingestellt, die Sie für die Raumfahrt eingegangen sind? Der Bundesforschungsminister mußte selbst zugeben, daß die Finanzierung nicht gesichert ist, und bei Ihrer globalen Minderausgabe muß der Bundesforschungsminister seine Programme in unangemessener Weise reduzieren.
Das Zahlengerüst des Finanzplans, den der Bundesfinanzminister heute morgen hier eingebracht hat, bietet schon heute mittag keine verläßliche Orientierung mehr. Den Kassensturz, den die Bundesregierung für Mitte dieser Legislaturperiode angekündigt hat, hat der Bundesfinanzminister mit seiner Finanzplanung jedenfalls nicht geleistet. Er wird auch weiterhin versuchen, mit geschönten Zahlen den Tag der Wahrheit so lange wie möglich vor sich herzuschieben.
Die Bundesregierung ist mit dem Anspruch angetreten, die öffentlichen und privaten Investitionen zu steigern, um Arbeitsplätze zu schaffen und Massenarbeitslosigkeit abzubauen. Tatsache ist heute: Während Ihrer Regierungszeit ist die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote auf einen historischen Tiefstand gesunken.

(Dr. Vogel [SPD]: Leider wahr!)

Ein gut Teil der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit ist damit hausgemacht. Gerade der Bund ist mit seinen Investitionen mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Der Anteil der Investitionen am Bundeshaushalt ist von 13,1 % im Jahre 1982 auf 12,4 % in diesem Jahr zurückgefallen. Bis 1992 soll die Investitionsquote des Bundes nach Ihrer Finanzplanung auf gar nur noch 11,51)/0 fallen. Das wird die niedrigste Investitionsquote sein, die jemals ein Bundeshaushalt aufwies.
Nicht besser sieht es bei den Investitionen von Ländern und Gemeinden aus. Besonders schlimm ist es bei den Gemeinden, die zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen tragen. Die kommunalen Investitionen liegen heute real auf dem Niveau der frühen 60er Jahre, und Sie freuen sich hier heute morgen über die Investitionskraft der Städte und Gemeinden. Herr Minister, das ist unredlich.

(Dr. Struck [SPD]: Das ist falsch!)

Wenn die explosionsartig gestiegenen Sozialhilfeaufwendungen für Langzeitarbeitslose ausgeglichen



Wieczorek (Duisburg)

werden sollen, müssen Sie, auch wegen der Einnahmeverluste durch Ihre Steuerpolitik, da eingreifen. Das schadet nämlich sonst der örtlichen Beschäftigung und verhindert notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt. So darf das nicht weitergehen. Deshalb haben wir Sozialdemokraten die Übernahme der Sozialhilfekosten von den Gemeinden für Langzeitarbeitslose in Höhe von 4 Milliarden DM jährlich durch den Bund gefordert.

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Ohne Finanzierung natürlich!)

Deshalb führt an einer Entlastung der Kommunen von den Sozialhilfeaufwendungen für Pflegefälle kein Weg vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb war auch die Forderung der sieben nord- und westdeutschen Länder nach Übernahme von Sozialhilfeaufwendungen durch den Bund ein Schritt in die richtige Richtung. Leider ist der Ministerpräsident Albrecht ohne sachlichen Grund aus der gemeinsamen Front der sieben Länder ausgeschert, nur um das Steuerpaket der Bundesregierung, das auch Niedersachsen schwer trifft, nicht zu gefährden.
Natürlich werden die Länder, Herr Finanzminister, die 2,4 Milliarden DM Strukturhilfen des Bundes nehmen, aber gemessen an der ursprünglichen Forderung ist das für Herrn Albrecht eine herbe Niederlage und für die strukturschwachen Länder eine schwere Enttäuschung.

(Beifall bei der SPD — Walther [SPD]: Für die Gemeinden vor allem!)

Wir Sozialdemokraten werden genau darauf achten, daß die Strukturhilfen des Bundes nicht zur Sanierung der Länderhaushalte verwandt werden. Es geht nicht an, daß Hilfen, wie im Haushaltsentwurf des Landes Niedersachsen vorgesehen, zum großen Teil einkassiert werden, nur um die Steuerausfälle aus der Steuerreform 1990 auszugleichen. Die Mittel sind für Städte und Gemeinden in Regionen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und hohen Sozialaufwendungen bestimmt. Gerade diese Städte und Gemeinden brauchen dieses Geld dringend, damit durch eigene Anstrengung etwas zur Überwindung der Strukturschwäche getan werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Seit seinem Amtsantritt hat der Bundesfinanzminister systematisch eine Finanzpolitik auf dem Rücken der Länder und Gemeinden betrieben. Nicht nur die Kosten der Massenarbeitslosigkeit müssen zu einem wachsenden Teil von ihnen getragen werden, auch durch die Steuerpolitik werden sie weiterhin belastet. Während die Einnahmeausfälle aus der Steuerreform 1990 zu fast 60 % von den Ländern und Gemeinden getragen werden müssen, gehen die Mehreinnahmen aus den Verbrauchsteuererhöhungen nahezu vollständig an den Bund.

(Walther [SPD]: Unglaublich!)

Bis Ende 1992 bleibt dem Bund aus den steuerlichen Maßnahmen der Jahre 1989 und 1990 ein Einnahmeüberschuß von 9 Milliarden DM, die Länder dagegen verlieren 26 Milliarden DM und die Gemeinden zusätzlich noch einmal 9 Milliarden DM. Dabei ist die Verringerung des kommunalen Finanzausgleichs, die zwangsläufig eintritt, noch nicht einmal berücksichtigt. Das ist massive Umverteilung von unten nach oben, auch in der Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Mit einem fairen Miteinander hat das nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie machen sich etwas vor, wenn Sie glauben, daß Sie mit dieser einseitigen und kommunalfeindlichen Finanzpolitik auf Dauer durchkommen.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Kommunalfreundliche Finanzpolitik!)

Die Länder werden Ihnen ihre Forderungen präsentieren, und das wird dann zusätzliche Löcher in Ihre Finanzplanung reißen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie sind 1982 mit dem Versprechen angetreten, die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger zu senken. Für die Bürger ist das Gegenteil herausgekommen: Der Bund der Steuerzahler hat Ihnen nachgewiesen, daß die durchschnittliche Abgabenbelastung der Arbeitnehmer seit 1982 von 39,8 % auf 42,2 % in diesem Jahr angestiegen ist. Trotz des beschlossenen Steuerpaketes wird 1990 die Abgabenbelastung nicht niedriger sein als heute. 1992 wird sie sogar bei 43,7 % liegen. Dieser massive Anstieg der Abgabenquote von 1982 bis 1992 bedeutet für die Arbeitnehmer eine Erhöhung ihrer Abgabenbelastung um 40 Milliarden DM jährlich. Da Sie mit Ihrer Steuerpolitik vor allem Bezieher hoher Einkommen entlasten, steigt die Lohn- und Einkommensteuer nach 1990 in Wirklichkeit höher als nach dem alten Tarif. Hören Sie also endlich auf, wahrheitswidrig von einer dauerhaften Entlastung der Bürger durch Ihre Steuerpolitik zu sprechen! Das Gegenteil ist richtig!

(Beifall bei der SPD)

Sie setzen mit Ihrer Steuerpolitik den Marsch in den Lohnsteuerstaat faktisch ungebremst fort.
Die schmerzhafteste Verfehlung Ihrer eigenen Ziele liegt aber darin, daß Sie die Arbeitslosigkeit nicht abgebaut, sondern weiter erhöht haben. „Die schlimmste soziale Unausgewogenheit wäre eine andauernde Arbeitslosigkeit von 2 Millionen Erwerbsfähigen oder gar noch mehr." Das hat Graf Lambsdorff in seinem Wende-Papier vom 9. September 1982 geschrieben.

(Walther [SPD]: Otto, der Kandidat!)

Das gilt! Recht hat er! Der Bundeskanzler Kohl hat damals den Abbau der Massenarbeitslosigkeit zum Schwerpunkt seiner Regierungstätigkeit erklärt. Noch 1985, vor drei Jahren, hat uns Herr Stoltenberg für 1990 die Vollbeschäftigung versprochen. So leichtfertig gehen Sie mit Ihrem Wort um!

(Beifall bei der SPD)

In den sechs Jahren Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Arbeitslosen nicht zurückgegangen, sondern um eine knappe halbe Million gestiegen. Mit Ihren Kürzungen der Mittel für Umschulung und Weiterbildung



Wieczorek (Duisburg)

bei der Bundesanstalt für Arbeit sorgen Sie selber dafür, daß die Massenarbeitslosigkeit dauerhaft über 2 Millionen bleibt. Die Bundesregierung hat hinsichtlich ihres wichtigsten Zieles, der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, kläglich versagt.

(Beifall bei der SPD)

Diese Bundesregierung hat ihre wichtigsten Versprechungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gebrochen. Sie hat ohne Not in einer Zeit weltweit günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen vollkommen versagt. Nach sechs Jahren konservativer Finanzpolitik bieten die öffentlichen Haushalte ein Bild der Zerrüttung. Es ist keine Perspektive erkennbar, wie die großen anstehenden Reformvorhaben, der Abbau der Massenarbeitslosigkeit und die Bewältigung wachsender ökologischer Probleme, sachgerecht bewältigt werden können.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Glauben Sie nicht, Sie seien mit Ihrer Steuer- und Finanzpolitik aus dem Gröbsten heraus, wenn Sie die Steuerbefreiung des Flugbenzins rückgängig gemacht und die Verbrauchsteuererhöhungen beschlossen haben. Glauben Sie nicht, Sie seien Ihre finanzpolitischen Probleme los, wenn Sie diesen Haushalt beschlossen haben! Die schlimmen Konsequenzen Ihrer verfehlten Steuer- und Finanzpolitik werden Sie weiter verfolgen.
Unser Land kann sich den fortschreitenden Verfall politischer Führung nicht länger leisten.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen einen Neuanfang in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1108900500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Carstens (Emstek).

Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID1108900600
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem beginnen, mit dem mein Vorredner aufgehört hat. Er hat von der Notwendigkeit eines Neuanfangs gesprochen.

(Beifall bei der SPD)

Er ist in der Tat notwendig für die SPD-Bundestagsfraktion.
Wir hörten soeben eine Aneinanderreihung von Vorwürfen und Behauptungen.

(Becker [Nienberge] [SPD]: Aber auch Wahrheiten!)

die kaum bis gar nicht mit Fakten untermauert worden sind. Die Berechtigung dieser Vorwürfe bricht in den meisten Fällen in sich zusammen, wenn man nur ein einziges Argument dagegen vorbringt: Wir müssen 1989 etwa 32 Milliarden DM neue Schulden — leider — aufnehmen. Im Jahre 1989 müssen wir aber allein für Zinsen 32,1 Milliarden DM aufbringen. Im Durchschnitt der letzten fünf, sechs Jahre haben wir
nicht mehr Kredite aufgenommen, als wir Zinsen gezahlt haben.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Für deren Schulden! — Zuruf von der SPD: Unsinn!)

Diese Zinsen sind für die Schulden aufzuwenden gewesen, die wir von der SPD übernommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: 011e Kamellen!)

Das heißt, wenn wir nicht die Schulden mit der Zinslast hätten übernehmen müssen; hätten wir in den letzten Jahren überhaupt keine neuen Kredite aufzunehmen brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD Dr. Struck [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Diese Haushaltsdebatte — das darf man schon sagen — begann ja doch mit einer nicht sehr kleinen Überraschung; denn am gestrigen Vormittag war man noch allgemein davon ausgegangen, daß der Kollege Apel nach der Einbringung des Haushalts durch den Bundesfinanzminister als erster in der Debatte reden würde.

(Dr. Vogel [SPD]: Und nun will die FDP Herrn Stoltenberg auswechseln!)

Das kam nun anders. Ich kann mir vorstellen, daß Kollege Apel mit großer Bitternis und Enttäuschung von seinen Fraktionsämtern zurückgetreten ist. Nun weiß jeder, daß ich mit seiner finanzpolitischen Auffassung nie übereingestimmt habe; aber ich finde es doch schade und auch bezeichnend, daß offensichtlich für solche Männer wie Hans Apel mit seiner integren Persönlichkeit in der heutigen SPD, zumindest an angemessener Stelle, kein Platz mehr ist. Das ist höchst bedauerlich; mir persönlich tut das leid.
Man kann annehmen, daß Kollege Apel nicht nur aus persönlichen Gründen zu diesem Rücktritt gekommen ist. Es werden auch sachpolitische Gründe vorhanden sein; ich denke allein an die Auseinandersetzungen und die Diskussionen auf Ihrem Bundesparteitag in Münster. Sie haben kein finanzpolitisches Konzept, und da ist es natürlich mißlich, finanzpolitischer Sprecher zu sein. Wie soll man aber auch mit solch unterschiedlichen Persönlichkeiten, wie es z. B. Herr Steinkühler und Herr Lafontaine sind, zu einem Gesamtkonzept kommen?

(Dr. Vogel [SPD]: Immerhin Persönlichkeiten!)

Herr Steinkühler weiß zwar genau, was er finanzpolitisch will. Aber das sind ausgetretene Pfade, die nicht einmal für Oppositionszwecke herhalten können. Herr Lafontaine scheint noch nicht genau zu wissen, was er will. Aber er weiß genau, daß das, was Herr Steinkühler für sein Konzept hält, auf keinen Fall funktionieren kann. Wie wollen Sie da zu einem Lösungsansatz für ein finanzpolitisches Gesamtkonzept kommen?
Der heutige Tag und auch schon die letzten Wochen und Monate haben eindeutig bewiesen, daß sich die Finanzpolitik der SPD sowohl sachlich als auch personell in einer erheblichen Krise befindet. Auch die An-



Carstens (Emstek)

einanderreihung von Vorwürfen konnte heute ja nicht das Gegenteil beweisen.
Demgegenüber möchte ich hier aus fester innerer Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß diese Bundesregierung und die sie tragende Koalition heute und nicht nur heute ihre Handlungsfähigkeit bewiesen haben mit den Beschlüssen für das Haushaltsjahr 1989, für das laufende Rechnungsjahr und mit den steuerpolitischen Entscheidungen, die notwendig waren, die wir rechtzeitig angekündigt haben und die wir auch durchziehen werden. Allen Unkenrufen zum Trotz und trotz gezielter Meinungsmache wird bei uns rechtzeitig entschieden, ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Na, na! — Walther [SPD]: Auch wenn es falsch ist!)

Ich denke an die vielen unterschiedlichen Vorschläge, die uns über Jahre ständig neu gemacht worden sind: Steuern vorziehen, höhere Steuerentlastung, geringere Steuerentlastung, Konjunkturprogramme auflegen. Die SPD hat uns über Jahre hinweg vorgeworfen, wir wollten die Mehrwertsteuer erhöhen. Ich kann dazu heute feststellen, daß wir unsere Linie eingehalten haben, daß die Bevölkerung weiß, worauf sie sich einstellen kann, und daß das auch in den nächsten Jahren so bleiben wird. Denn gerade diese finanzpolitische Linie trägt in entscheidendem Umfang dazu bei — ich möchte gleich erläutern, wie —, daß wir uns in einer gesunden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung befinden mit all den Vorzügen, die der Großteil unserer Bevölkerung davon hat.
Auch wenn es unangenehm wird, auch dann, wenn wir in eine relativ schwierige Situation kommen — z. B. auf Grund weltwirtschaftlicher Ereignisse, auf Grund des ausgefallenen Bundesbankgewinns —, reagieren wir, sobald es möglich ist. So geschah es z. B. Anfang des Jahres 1988, als wir bewußt eine höhere Neuverschuldung in Kauf genommen haben, wobei wir aber auch verdeutlichen, daß wir sie dort begrenzen, wo es möglich ist — auf Grund eines relativ geringen Ausgabenanstiegs — , und dann auch gleichzeitig hinzufügen, daß wir schon im Jahre 1989 wieder in die Nähe von 30 Milliarden DM zurückkommen wollen.
Nun hat der Finanzminister heute morgen zum Ausdruck gebracht, daß man noch nicht klar absehen kann, wo wir bei der Aufnahme der Neuverschuldung im Jahre 1988 abschließend landen werden, aber er hat auch zum Ausdruck gebracht, daß es sehr gute Chancen dafür gibt, daß wir in etwa die Höhe erreichen werden, die wir 1981 und 1982 — in einer gänzlich anderen Situation — gehabt haben. Wenn der Kollege Wieczorek soeben von einer „Notlage" gesprochen hat, dann mag er mit der Bezeichnung der Lage, die 1981/82 für die SPD vorgelegen hat, nicht ganz falsch liegen; sie ist aber richtiger bezeichnet, wenn ich sage, es war eine ausweglose, aussichtslose Lage mit ständig steigender Neuverschuldung. Wir aber haben mit dieser Summe für ein Jahr zu tun gehabt, weil wir — das wollten wir; das ist bewußt gemacht worden — schon zweimal, 1986 und 1988, die Steuern ganz erheblich gesenkt haben und den Bürgern das Geld zurückgegeben haben. Es gab einen, fast gänzlich entfallenen Bundesbankgewinn, es
gab zusätzliche EG-Abführungen, und wir haben — das muß man bedenken — ein erheblich größeres Volumen des gesamten Haushalts, d. h. der prozentuale Anteil der Kredite liegt erheblich niedriger. Ähnlich verhält es sich mit dem viel größeren Bruttosozialprodukt unseres Landes. Wie gesagt, wir führen die Neuverschuldung innerhalb eines Jahres wieder in die Nähe von 30 Milliarden DM zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Fakten beweisen eindeutig den gewaltigen qualitativen Unterschied zwischen der Neuverschuldung von 1981 und der Neuverschuldung des Jahres 1988, und sie machen auch den qualitativen Unterschied zwischen Ihrer Finanzpolitik und unserer Finanzpolitik deutlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe soeben zum Ausdruck gebracht, daß unsere Finanzpolitik seit der Regierungsübernahme im Herbst 1982 für Stetigkeit und Klarheit, für Kontinuität und Verläßlichkeit gesorgt hat. Ich habe hinzugefügt, daß das auch in Zukunft so bleiben wird. Das hängt damit zusammen, daß wir eine ganz klare haushaltspolitische und finanzpolitische Vorstellung haben, und die sieht so aus, daß wir die Ausgabenzuwächse sehr eng begrenzen. Wir wollen den Staatsanteil zurückführen und den Privatanteil ausbauen. Wir tun das deswegen, weil wir glauben, daß es in den wirtschaftlichen Abläufen ohne erhöhte Privatinitiative keine Erfolge geben kann. Dadurch, daß wir die Ausgabenzuwächse abbremsen, und zwar ganz erheblich — im Laufe der letzten sechs Jahre auf durchschnittlich 2 % —, schaffen wir Spielräume in der Finanzpolitik, um zum einen die Neuverschuldung abzubauen, was wir in den ersten drei, vier Jahren der Regierungstätigkeit getan haben, und zum anderen, um die Steuern in gewissen Abständen regelmäßig zu senken. Diese Linie kann im Prinzip auch in den nächsten Jahren so beibehalten werden. Das Motto der damaligen Finanzminister Schmidt, Apel und Matthöfer hieß: mehr ausgeben als einnehmen.
Meine Damen und Herren, unsere Politik, die wir nun seit 1982 so betreiben, ist nicht immer populär und kann auch nicht so ohne weiteres in Einzelheit erläutert werden, aber der Erfolg spricht für sie. Ich möchte an Hand von Einzelbeispielen deutlich machen, wie diese Politik wirkt. Selbstverständlich ist es einfacher, auf kurze Sicht zu neuen ausgabewirksamen Beschlüssen zu kommen, d. h. hier in diesem Hohen Hause zu beschließen: Dieser oder jener Bevölkerungsteil bekommt mehr Geld. Dann kann man durch die Lande fahren, um sich für die Wohltaten feiern zu lassen. Das haben Sie ein paar Jahre versucht, und das Ergebnis haben Sie genauso wie die Bevölkerung unseres Landes feststellen können.
Wir setzen auf Steuersenkungen und auf zurückhaltende Ausgabenzuwächse, um die Privatinitiative anzuregen.
Dabei ist der Neid, den Sie im Lande ausstreuen, als Argumentationshilfe kein guter Ratgeber. Selbstverständlich — das wissen wir auch — gibt es bei Steuerentlastungen immer wieder auch Bürger, die davon



Carstens (Emstek)

kaum Vorteile haben, und es gibt auch immer wieder Bürger, die nur wenige Vorteile davon haben.

(Walther [SPD]: Und andere, die gar keine haben!)

Daran muß man bei der Haushaltspolitik denken, wie wir es beispielsweise 1986 gemacht haben, als wir für diejenigen, die Kinder haben und kaum Steuerentlastungen wahrnehmen konnten, das Kindergeld angehoben haben. Das kann man aber nicht über die Steuerpolitik regeln.
Man muß hierbei auch die Kehrseite der Medaille in Betracht ziehen. Der Staat hat die Pflicht, darauf zu achten, daß diejenigen, die soziale Leistungen erst ermöglichen, gerecht behandelt werden.

(Zustimmung des Abg. Dr. Friedmann [CDU/ CSU])

Beide Seiten müssen in der Politik ihren Platz haben.
Wir haben bei der Befolgung dieses Weges darauf geachtet, daß wir fast von Jahr zu Jahr neu diesen Anteil des Staates um ein halbes Prozent zurückgeführt haben. Es ist etwas unterschiedlich gelaufen, aber im Durchschnitt der Jahre war es so. 0,5 % des Sozialprodukts bedeuten 10 bis 12 Milliarden DM. Die Schere zwischen Staatsanteil und Privatanteil geht dadurch jedes Jahr um etwa 20, 25 Milliarden DM auseinander. Es ist ein ständig wiederkehrendes Konjunkturprogramm, es sind ständig neue Möglichkeiten für zusätzliche Privatinitiativen.
Um das noch zu verdeutlichen: Wäre beispielsweise die Staatsquote 1988 noch so hoch wie 1982, dann würden die öffentlichen Haushalte allein im Jahre 1988 60 Milliarden DM mehr ausgeben, als sie es jetzt tun. Wäre die Steuerquote noch so hoch wie 1982, dann würden die Bürger allein in diesem Jahr 25 Milliarden DM mehr Steuern zahlen, als sie es jetzt tun. Das heißt, wenn man es auf die Neuverschuldung bezieht, zahlten unsere Steuerzahler 25 Milliarden DM mehr Steuern, und die Neuverschuldung bei allen öffentlichen Haushalten wäre um 35 Milliarden DM höher, als sie es jetzt ist.
Stellen Sie sich eimal vor, meine Damen und Herren, was das hieße für die Zinshöhe, was das hieße für die Inflationsrate und was das heißen müßte für die realen Einkommen. Wie will man bei hohen Inflationsraten auf Dauer noch Realeinkommen erzielen? Was würden die Häuslebauer sagen, die ihre Abträge zu zahlen haben, wenn die Zinsrate 11, 12 oder 13 % wäre? Das wäre eine katastrophale Situation, in der wir uns befinden müßten, falls diese verhängnisvolle Politik von 1982 fortgesetzt worden wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insofern kann man sagen, daß diese Haushalts- und Finanzpolitik mehr zur Stabilisierung des wirtschaftlichen Wachstums und zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft beiträgt als alles andere sonst.
Wir setzen nicht auf mehr staatliche Investitionen. Das Notwendige muß getan werden, und der Staatsapparat muß auch das nötige Geld zur Verfügung haben, um seine Aufgaben bewältigen zu können. Aber wenn es um neue zusätzliche wirtschaftliche
Betätigung geht, um Investitionen, um die Schaffung von Arbeitsplätzen, dann setzen wir nicht auf den Staat, sondern dann wollen wir den Freiraum für die Privaten ausweiten; denn diese verstehen vom Wirtschaften viel mehr als jeder Staatsapparat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie sich einmal vorstellen, wie wir die Steuerentlastungen finanziert haben, dann spricht das allein für sich. Da verblaßt alles, was hier seitens der SPD vorgetragen wurde Ich erlebe oft auf Veranstaltungen, daß die Bürger erstaunt fragen: Wie konnten Sie denn zweimal — 1986 und 1988 — die Steuern um 25 Milliarden DM senken, ohne daß Sie bisher die Verbrauchsteuern erhöht haben? Wir haben schon zweimal die Steuer gesenkt, ohne daß wir auf der anderen Seite irgendwo Steuern angehoben hätten. Meine Damen und Herren, das hängt einzig und allein damit zusammen, daß die öffentlichen Haushalte — in der Federführung und an der Spitze mit dem Bundeshaushalt — nicht wie bisher alles das, was in der Wirtschaft neu erarbeitet wird, für sich in Anspruch nehmen, sondern sich bescheiden zurückhalten und nur das Nötigste für sich in Anspruch nehmen, um den Rest den Steuerzahlern zurückzugeben, wiederum zur Ausweitung der Privatinitiative.
Die Wirtschaft ist in den letzten Jahren im Durchschnitt um sage und schreibe nominell 4,5 % gewachsen, der Bundeshaushalt nur um 2 %. Die Länderhaushalte und die Kommunen haben eine etwas größere Steigerung gehabt, aber das blieb zusammengenommen so um 3 %. Wenn man eineinhalb Prozent von der Wirtschaftsleistung seitens der öffentlichen Haushalte nicht selbst in Anspruch nimmt, dann sind das jährlich so etwa 8 bis 10 Milliarden DM. Wenn man die Jahre 1986, 1987 und 1988 zusammenzählt, dann haben wir damit ein Volumen von um die 25 Milliarden DM. Das ist genau der Betrag, den wir den Bürgern zur Verfügung gestellt haben. Das haben wir denen auf der anderen Seite nicht aus der Tasche gezogen, das haben wir niemandem sonst weggenommen, sondern dadurch, daß der Staat nicht — wie das bisher bei der SPD üblich war — alles selbst mit großen Händen in Anspruch genommen hat, konnten wir die Bürger schon zweimal hintereinander steuerlich entlasten, und das wird 1990 fortgesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dann betrachte man bitte einmal, wie Steuersenkungen wirken. Es wird oft gesagt, sie seien nicht sozial ausgewogen. Ja, meine Damen und Herren, wir haben bei Familien mit zwei Kindern dafür gesorgt, daß bei etwa 24 000 DM die Besteuerung anfängt. Das war bei der SPD noch etwa bei 14 000 DM. Man muß sich das einmal vorstellen: Bei Familien mit zwei Kindern bei rund 14 000 DM. Da mußten sie feste Steuern bezahlen.

(Walther [SPD]: Wann war das?) — Noch 1985, aus Ihrem Tarif.

Jetzt haben wir bei Familien mit vier Kindern dafür gesorgt, daß sie den ersten Pfennig Steuern erst ab 31 000 DM Jahreseinkommen brutto zahlen müssen. Das war bei der SPD noch nach dem alten Steuertarif bei etwa 15 000 DM. Diese Familie mit einem Brut-



Carstens (Emstek)

toeinkommen von rund 31 000 DM mit vier Kindern wird aber um 2- bis 3 000 DM entlastet. Ich habe die Zahl gerade nicht im Kopf, aber es sind über 2 000 DM und unter 3 000 DM. Wenn ich nun eine solche Familie mit 2 000 DM bei den Steuern entlaste, dann ist das netto bar in der Tasche. Wenn ich das über Lohnerhöhung bringen wollte, dann müßte ich zunächst einmal den Bruttolohn um etwa 4 000 DM anheben, weil die andere Hälfte für Steuern und Sozialabgaben weggeht. Wenn ich dann aber diese Firma mit rund 4 000 DM belaste, dann kommen die Lohnnebenkosten mit ca. 80 % dazu.

(Stratmann [GRÜNE]: Jetzt rechnen Sie doppelt!)

Dann liege ich bei gut 7 000 DM, mit denen die Firma kostenmäßig belastet würde, damit die Familie 2 000 DM netto hat. Wenn ich aber die Steuern senke, wie wir es tun und wie wir es tun können, weil der Staat sich bei den Ausgaben zurückhält, dann kommen diese 2 000 DM bar in die Taschen der Familien, und Kosten entstehen nirgendwo.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In diesem Zusammenhang kommt manchmal der Vorwurf, es nähmen aber nicht alle teil. Das stimmt zwar; aber bei Umfragen ergibt sich, daß auf die Frage, ob sie mit ihrer eigenen finanziellen Lage zufrieden sind, nahezu 80 % sagen, sie seien zufrieden. Das hat es ja kaum gegeben.

(Walther [SPD]: Das kann nur von Aliensbach kommen!)

Nun sind immer noch 20 % da, die von sich aus sagen, sie seien nicht zufrieden. Wir wollen einmal die Hälfte streichen, denn 50 % kritisieren, auch ohne daß sie einen eigentlichen Grund dafür haben. Der Rest sind aber immer noch 6 Millionen in unserem Lande. Ich kann mir schon vorstellen, daß nicht wenige Landwirte dabei sind, kann mir schon vorstellen, daß auch Sozialhilfeempfänger dabei sind, auch Arbeitslose, die Arbeit haben möchten, selbstverständlich. Aber in dem Maße, wie die Regierung erfolgreiche Politik macht, in dem Maße, wie die Wirtschaft läuft, zu neuen Erträgnissen führt, in dem Maße kann auch unsere Politik auf Dauer denen helfen, die heute zu Recht noch nicht zufrieden sein können mit ihrer eigenen finanziellen Lage.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1108900700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID1108900800
Herr Kollege Carstens, Sie haben uns nun freundlicherweise ein Umfrageergebnis zu dem sozialen und finanziellen Wohlbefinden der Bevölkerung hier vorgeführt. War dies die gleiche Umfrage, wo 96 % der Befragten gesagt haben, sie würden den Sinn Ihrer angeblichen Steuerreform nicht verstehen?

Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID1108900900
Ich nehme an, meine Damen und Herren, daß dieses Umfrageergebnis von 96 % auf Ihrem Bundesparteitag in Münster zutande gekommen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Oh-Rufe bei der SPD)

Jedenfalls habe ich von solchen Umfragen in der Bevölkerung noch nichts gehört.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Auch da ist es nicht so!)

Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß diese Politik auf vielfache Weise Vorteile für die große Masse der Bevölkerung direkt und indirekt bringt. Ich denke z. B. an den Umweltschutz: Wie wollte man denn erfolgreiche Umweltschutzpolitik betreiben, wenn kein Geld in der Kasse ist, wenn die Wirtschaft nicht läuft, wenn man den an der Wirtschaft Beteiligten — auch den Privaten — diese Belastungen nicht zumuten könnte?
Wir haben der Wirtschaft Auflagen durch Gesetz doch nur machen können, weil wir sicher waren, daß diese Auflagen finanziell auch erfüllt werden konnten. Ich denke einmal an die GroßfeuerungsanlagenVerordnung. Ich denke daran, daß wir dazu angeregt haben, mit Katalysator zu fahren. Das ist durch finanzielle Anreize angeregt worden. Wenn kein Geld in der Kasse ist, kann man so etwas kaum anregen. Wir haben sehr dafür geworben und die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen, daß man mehr bleifrei fährt.
Wir können jetzt mit der EG dafür sorgen, daß viele Flächen innerhalb der Landwirtschaft umweltschonend behandelt werden, daß sie zum Teil stillgelegt werden, daß in großem Umfang Wald angepflanzt wird. Das alles kann man sich doch nur erlauben, wenn die Wirtschaft läuft. Wenn kein Geld in der Kasse ist — beim Staat wie bei den Privaten — , dann kann man sich all diese Dinge nicht erlauben. Es ist also außerordentlich wichtig, daß man Leistungen erreicht, die dann wiederum dazu führen, daß die gesamte Bevölkerung auch dauerhaft etwas davon hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1108901000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann? — Bitte schön.

Eckhard Stratmann (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1108901100
Herr Kollege, ich habe eine Frage zur Logik Ihres Arguments: mehr Wirtschaftswachstum und Aufschwung dienen auch dem Umweltschutz. Wie kommentieren Sie das Faktum, daß trotz vermehrten Einbaus von Katalysatoren in die Autos der dadurch erreichte Umweltentlastungseffekt — unbestritten — durch zweierlei mehr als überkompensiert wurde: einmal durch wieder größere Raserei der Kat-Autos und anderer Autos auf den Straßen und zweitens durch eine Zunahme des Automobilverkehrs auf den Straßen? Das ist Wirtschaftswachstum in der Automobilindustrie und auf den Straßen.

Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID1108901200
Ich will nicht dafür plädieren, daß auf den Autobahnen gerast wird. Mir ist aber bekannt, daß vom gesamten Verkehrsaufkommen nur wenige Prozent auf der Autobahn sind, so daß die Gesamtbelastung, von der Sie sprechen, sicherlich nicht überwiegend daher rühren kann.



Carstens (Emstek)

Aber wir hören ja von neuen Zulassungszahlen, von neuen Autos, die täglich auf die Straße kommen. Das wird wohl in erster Linie als Grund zu sehen sein. Nur, gestatten Sie, bitte: Wenn Sie diese Debatte führen wollen, dann tun Sie es, wenn hier Umweltschutzthemen in Einzelheit diskutiert werden. Ich bin sicher, daß dort in größerer Klarheit und Eindeutigkeit auf Ihre Frage eingegangen werden kann.
Ich habe zum Ausdruck gebracht — ich möchte das fortsetzen — , daß von einer guten Wirtschafts- und Finanzpolitik die große, breite Masse ihren Anteil hat. Ich brauche nur einmal an die Arbeitnehmer zu denken. Wir haben nun seit Jahren reale Lohnzuwächse in einer Größenordnung, wie wir sie über Jahre vorher nicht mehr gehabt haben. Wenn heute die Wirtschaft im Stande ist, im Durchschnitt um 3 % mehr Lohn zu gewähren und bei Tarifverhandlungen mit zu unterschreiben, dann ist das bar mehr in der Tasche, zumindest in bezug auf die Inflationsrate.
Die Renten sind in ähnlicher Weise wie die Löhne und Gehälter angepaßt, jeweils versetzt um ein Jahr. So können wir auch hier feststellen, daß wir schon seit einigen Jahren reale Lohn- und reale Rentenerhöhungen haben. Das wirkt sich insbesondere bei den Bevölkerungsgruppen aus, die regelmäßige Anpassungen erhalten, wie wir das bei den Rentnern und bei den Arbeitnehmern jeweils feststellen können. Ich wage hier die Behauptung, daß gerade der kleine Mann wie kaum jemals zuvor in den letzten Jahren Anteil an dieser Entwicklung hat.
Es gibt hier und da sicherlich noch Schwierigkeiten. Sicherlich gibt es Bevölkerungsgruppen, die mit dem, was sie an Anpassung erhalten haben, nicht zufrieden sein können. Aber, wie gesagt: Wir werden auch das Stück um Stück aufarbeiten. Und unter der Voraussetzung, daß man auch selbst bereit ist, mitzumachen, selbst bereit ist, die Chancen, die man hat, zu ergreifen, glaube ich, daß nach nicht allzu langer Zeit immer mehr Teile der Bevölkerung in diese wirtschaftliche Entwicklung, von der ich soeben berichtet habe, einbezogen sind.
Meine Damen und Herren, wir haben vor, den Entwurf der Bundesregierung im Haushaltsausschuß, wenn möglich, noch ein wenig zu verbessern. Das wird nur sehr schwer möglich sein, da wir in den letzten Jahren schon sehr stark gekürzt haben.

(Dr. Struck [SPD]: Das wird nicht schwierig sein, da helfen wir euch mit! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich glaube nicht, daß noch erhebliche Verbesserungen möglich sind. Ich möchte die Erwartungen da nicht zu hoch schrauben. Aber ich sage genauso deutlich, daß wir diese Politik der Bundesregierung im Haushaltsausschuß und in den Fraktionen von CDU/ CSU und FDP tatkräftig unterstützen, daß wir diese Politik mit den nötigen Arbeiten und Beschlüssen flankieren werden, die bis zum Ende dieses Jahres noch durchzuführen sind.
Wir sind stolz darauf, daß die Rahmenbedingungen in unserem Lande stimmen, daß sich die Wirtschaft orientieren kann,

(Walther [SPD]: Woran soll sie sich orientieren?)

daß auch die privaten Haushalte wissen, wie sie dran sind und daß sie sich auf eine relativ gute zukünftige Entwicklung einstellen können. Bei einer solchen Arbeit mitzumachen — das macht Freude, an welcher Stelle diese Arbeit auch immer abgefordert wird.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist Satire!)

Von daher können Sie sicher davon ausgehen, daß wir die Arbeit dieser Bundesregierung auch bei den Haushaltsberatungen in vier Punkten nachhaltig unterstützen werden:
Erstens. Mit dem Haushaltsentwurf 1989 und den steuerpolitischen Beschlüssen wird der Weg dieser angebotsorientierten Haushaltspolitik weiter fortgeführt, die Nachfrageseite dabei aber nicht aus dem Auge verloren.
Zweitens. Die Voraussetzungen für dauerhaftes, wirtschaftliches Wachstum, stabile Preise und zusätzliche Arbeitsplätze werden gefestigt werden.
Drittens. Die Bedingungen für die jetzt beginnenden Haushaltsberatungen sind wegen der recht guten wirtschaftlichen Entwicklung relativ günstig.

(Frau Garbe [GRÜNE]: „Relativ"!)

Und ich freue mich darüber, daß der Herr Bundesfinanzminister gerade hierzu ein deutliches Zeichen gesetzt hat, in erster Linie dadurch, daß er dafür gesorgt hat, daß der Bundesbankgewinn dem Haushalt in Zukunft nur in einer sehr begrenzten Höhe zur Verfügung steht. Im Jahre 1989 sollen es 5 Milliarden DM sein. Der darüber hinaus erzielte Bundesbankgewinn, den auch ich erwarte, wird nicht für neue Ausgaben zur Verfügung stehen, weil das keine dauerhafte Finanzierungsgrundlage ist, sondern wird dazu herangezogen, Altschulden zurückzuzahlen. Das hätte sich die SPD vor sieben oder zehn Jahren niemals einfallen lassen, mit dem Bundesbankgewinn Altschulden zurückzuzahlen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

Wir wollen neue Ausgaben nur auf dauerhaften neuen Einnahmen aufbauen. Und diese neuen Ausgaben wollen wir auch noch in einer bescheidenen Größenordnung halten. Aber auf nur mit größter Unsicherheit zu erwartenden Einnahmen bauen wir keine dauerhaften Ausgaben auf.
Die CDU/CSU-Fraktion wird versuchen — viertens —, den vorgelegten Entwurf etwas zu verbessern. Dabei werden wir jeden Einzeltitel genau und kritisch überprüfen. Und am Ende der Haushaltsberatungen dann, im November, sollte die Nettokreditaufnahme im Haushaltssoll die im Haushaltsentwurf des Finanzministers ein wenig unterschreiten. In welchem Umfang — das muß abgewartet werden, das kann heute noch niemand sagen. Aber es sollte unser Ziel sein, diese Nettokreditaufnahme von 32 Milliarden DM, wie sie im Entwurf steht, ein wenig zu senken.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Jawohl!)




Carstens (Emstek)

Eventuelle Mehreinnahmen — nicht nur die aus dem Bundesbankgewinn, sondern möglicherweise auch die auf Grund höheren Steueraufkommens oder aus zusätzlichen Privatisierungserlösen — stehen für neue Ausgaben im Jahre 1989 nicht zur Verfügung, sondern müssen logischerweise — logischerweise! — zur Rückführung der Nettoneuverschuldung herangezogen werden, da wir im Jahre 1987, als es urplötzlich Steuerausfälle gab, auch damals logischerweise gesagt haben, daß wir nicht die Ausgaben weiter begrenzen wollen, sondern daß in dem Fall die Neuverschuldung ein wenig ansteigen soll. Insofern müssen wir also jetzt konsequent bleiben — und wir werden konsequent sein — , um Mehreinnahmen zur Rückführung der Neuverschuldung zu verwenden.

(Dr. Vogel [SPD]: Sie streichen doch dauernd!)

Bei den Finanzhilfen, den sogenannten Subventionen, die im Haushalt stehen — anders als bei den steuerlichen Subventionen, die jetzt ja sehr zurückgeführt werden — , sollte man nicht allzuviel erwarten. Wenn die Opposition das von uns fordert, dann muß die Opposition Roß und Reiter nennen.

(Walther [SPD]: Das sollte man immer! — Dr. Struck [SPD]: Wer ist Roß, wer Reiter?)

Man soll das einmal durchgehen und sagen, wo man denn kürzen möchte. Wir sind Jahr für Jahr an der Arbeit gewesen und haben jedes Jahr etwas erbracht, und wir werden das mit Sicherheit jetzt auch für 1989 tun. Aber wer glaubt, daß sich da Milliardenbeträge auftun könnten, der setzt aufs völlig falsche Pferd. Das wird nicht möglich sein. Dabei ginge man so sehr in soziale Maßnahmen hinein, daß das die Opposition nicht mittragen würde, und auch wir würden es nicht mittragen. Das steht nicht an. Wir bringen die Dinge auch so gut ins Lot, so daß auch in der Bevölkerung niemand zu erwarten braucht, daß wir an irgendwelche gesetzliche Zusagen herangehen. Das haben wir nicht nötig. Aber wir wollen den Haushalt des Bundes, den der Bundesfinanzminister vorgelegt hat, noch ein Stück verbessern.
Abschließend sage ich: Gelingt uns das gemeinsam mit dem Koalitionspartner, mit dem wir ja sehr eng und vertrauensvoll in jeder Beziehung zusammenarbeiten

(Dr. Struck [SPD]: Das merkt man!)

— ich erwähne den Namen Wolfgang Weng in diesem Zusammenhang —,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

dann ist der Haushalt 1989 eine solide Basis, um auch die dritte Stufe der Steuerreform 1990 verantwortlich bezahlen zu können, ohne unsere haushaltspolitischen Grundpositionen in Frage zu stellen. Ich sage Ihnen voraus: es wird uns gelingen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1108901300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Hubert Kleinert (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1108901400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser besonders interessanten Rede des Kollegen Carstens

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

will ich auf das zurückkommen, was der Bundesfinanzminister heute früh vorgetragen hat.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Gutes!)

Herr Stoltenberg hat heute morgen wieder einmal eine Rede abgeliefert, die von Selbstgerechtigkeit und Anmaßung nur so gestrotzt hat. Da haben wir von positiven Daten und positiven Perspektiven in der Finanzpolitik der Bundesregierung gehört.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wir sind froh, daß es so ist!)

Der solide haushaltspolitische Kurs der Vergangenheit habe sich bewährt, und trotz zwischenzeitlicher Probleme könne man weitermachen.

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Ja!)

Herr Stoltenberg, daß das mit der Wahrheit nicht eben viel zu tun hat, müßten Sie eigentlich am besten wissen. Denn man braucht nicht sehr tief in finanzpolitische Details einzusteigen, damit man erkennen kann, daß es zuallerletzt das Verdienst dieser Regierung ist, wenn der Finanzminister in diesem Herbst tatsächlich noch einmal mit eineinhalb blauen Augen davonkommen sollte.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wessen Verdienst ist es denn?)

Wenn der Bundeshaushalt 1989 am Ende tatsächlich ohne noch höheren Anstieg der Neuverschuldung auskommen mag, dann liegt das nicht an den großen Erfolgen Ihrer Finanzpolitik,

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Sondern?)

sondern zum einen an der günstigen konjunkturellen Entwicklung und den damit verbundenen Steuereinnahmen, aber doch nicht an Ihrer Politik — das wissen Sie doch genau; und problematisch genug ist sie obendrein —; und es liegt zum zweiten daran, daß der Bundesbankgewinn

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das ist Grünes Latein! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

voraussichtlich neue Rekordhöhen erreichen wird. — Beruhigen Sie sich doch einmal ein bißchen! Es war anstrengend genug, Ihren Rednern zuhören zu müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Jetzt kann ich doch wenigstens das gleiche von Ihnen erwarten.
Es sind die Bundesbankgewinne, die Sie dann auf der Einnahmenseite in den Bundeshaushalt hineinmanipulieren, wie wir es seit Jahren kennen.
Wenn das alles so kommt, dann mag es dem Finanzminister Stoltenberg ja wahrhaftig in diesem Herbst gelingen, seinen Verbleib im Amt doch noch möglich zu machen. Viele hatten ja nicht mehr damit gerechnet.

(Zuruf des Abg. Dr. Rose [CDU/CSU])




Kleinert (Marburg)

Der Beweis für eine Finanzpolitik, die auf dringende gesellschaftliche Probleme Antworten weiß, ist das allerdings nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jeder Haushaltsentwurf ist Ausdruck einer politischen Gesamtkonzeption, die sich hinter dem Zahlenwerk verbirgt. Deshalb ist ein Haushalt an seiner Fähigkeit zu messen, Antworten wenigstens auf die wichtigsten gesellschaftlichen Probleme zu geben, die die Zukunft betreffen. Wenn man diesen Haushaltsentwurf daraufhin überprüft, wird man solche Antworten mit der Lupe suchen müssen. Niemand in diesem Hause wird mittlerweile mehr zu bestreiten wagen, daß die ökologische Krise, daß die ökologischen Gefährdungen, denen wir alle ausgesetzt sind, als Zukunftsproblem den allerhöchsten Stellenwert haben.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Sehr wahr!)

Daß wir als GRÜNE mit dieser Auffassung noch vor wenigen Jahren ziemlich allein standen, ist mittlerweile Schnee von gestern und bedarf keiner weiteren Erwähnung. Man mag es ja schon als Fortschritt ansehen, daß wenigstens verbal alle in diesem Hause diese Einschätzung angeblich teilen.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Das reicht nur nicht!)

Nun haben wir in den letzten Monaten eine dramatische Verschärfung der sichtbaren Anzeichen für die Zuspitzung der ökologischen Probleme erlebt. Selten vorher sind in so kurzer Zeit so viele neue Umweltprobleme ins öffentliche Bewußtsein getreten wie in der kurzen Phase seit Beginn des Sommers. Die Stichworte sind jedem Zeitungsleser bekannt: Nordseesterben, Trinkwassergefährdung, Ozonloch. Die Reihe ließe sich lange fortsetzen.
Grund genug also, diesen Haushalt daraufhin abzuklopfen, was er denn nun beitragen soll und was er beitragen kann zur Lösung dieser Probleme. Und wenn man dann genauer hinsieht, dann wird man entdecken: Fehlanzeige. Solche Lösungen und neue Wege in der Umweltpolitik wird man in diesem Bundeshaushalt vergeblich suchen. Ganze 495 Millionen DM soll Umweltminister Töpfer im nächsten Jahr zur Verfügung haben, lächerliche 34 Millionen DM mehr als im Jahre 1988. Lächerliche 34 Millionen DM mehr, das ist alles, was dieser Bundesregierung als Antwort auf die Entwicklungen der letzten Monate einfällt.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Traurig! Traurig!)

Auch der Hinweis auf die paar Millionen DM an Umweltausgaben, die in anderen Einzelplänen auftauchen, wird Ihre umweltpolitische Bilanz nicht besser machen.
Herr Töpfer darf im Lande herumreisen und mit ernster Miene umweltpolitische Nachdenklichkeit demonstrieren. Wenn es dann an die harten finanzpolitischen Fakten geht, wird er von Ihnen, Herr Stoltenberg, zum umweltpolitischen Hanswurst degradiert. Das ist die umweltpolitische Linie dieser Regierung, wenn man sie an der Alltagsrealität mißt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun sagt Herr Stoltenberg in seiner Rede, im Bereich des Umweltschutzes setze diese Regierung konsequent auf die Verwirklichung des Verursacherprinzips. Verursacherprinzip, Herr Stoltenberg, dafür sind auch wir. Wenn es denn wenigstens konsequent angewandt würde. Aber selbst dafür sorgt diese Regierung nicht. Aber selbst wenn es das würde — und wir alle wissen, daß das nicht der Fall ist — , könnte das doch nicht bedeuten, daß sich die öffentliche Hand, daß sich die Politik völlig gegenüber den Notwendigkeiten, den ökologischen Umbau dieser Gesellschaft voranzubringen, zurückzieht. Im Gegenteil. Deshalb ist aus ökologischer Sicht dieser Haushaltsentwurf eine einzige Bankrotterklärung dieser Bundesregierung;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn wo ist das Programm zur Bekämpfung der Trinkwasserverseuchung? Wo sind die finanziellen Mittel, um gegen das Nordseesterben in einer konzertierten Aktion mit den Ländern schleunigst vorzugehen? Was ist eigentlich aus den Vorschlägen, zur Einführung der dritten Klärstufe 20 Milliarden DM aufzuwenden, von denen Herr Töpfer vor wenigen Wochen öffentlich gesprochen hat, geworden? Nichts davon, nicht einmal in Ansätzen, findet sich in diesem Bundeshaushalt. Wo sind die Markthilfen für alternative Energieformen? Wo ist das Bodenschutzprogramm der Bundesregierung? Alternative Energieträger werden unter ausdrücklicher Berufung auf marktwirtschaftliche Grundprinzipien gerade nicht subventioniert. Markteinführungshilfen gibt es nicht. Hier wird die Marktwirtschaft hochgehalten. Bei den milliardenschweren Subventionen für den Airbus dagegen stört Sie die Unvereinbarkeit mit marktwirtschaftlichen Grundprinzipien nicht im geringsten, aber dahinter sitzt ja auch Herr Strauß. Statt neuer Wege in der Umweltpolitik hat sich diese Bundesregierung den ökologischen Irrsinn mit der Erdgassteuer einfallen lassen.
Gewiß wäre es richtig, alle fossilen Energieträger zu besteuern. Deshalb fordern die GRÜNEN seit längerem eine Primärenergieabgabe. Es ist aber eine schallende Ohrfeige für die Ökologie, ausgerechnet unter den derzeit von dieser Bundesregierung gesetzten energiepolitischen Rahmenbedingungen eine Erdgassteuer einzuführen; denn mit der Einführung einer solchen Steuer würde lediglich ein Wettbewerbsvorteil für solche fossilen Energieträger wie Kohle und Öl entstehen, die weit mehr umweltpolitische Risiken aufwerfen als das Erdgas.
Meine Damen und Herren, was Sie da vorhaben, ist nicht nur eine Ohrfeige für die Ökologie, es ist auch eine Ohrfeige für Herrn Töpfer, der von diesen Planungen der Bundesregierung zur Erdgassteuer im Juli vermutlich ebenso wie wir erst aus den Zeitungen erfahren haben wird. Aber so sind die Kräfteverhältnisse bei Ihnen.
Grotesk ist auch die fiskalpolitische Begründung, mit der diese neue Verbrauchsteuer eingeführt werden soll. Ihr Ausgangspunkt ist der: Sie stehen vor der Frage „Wo könnte man denn noch ein bißchen Geld zusammenkratzen, um die Löcher zu stopfen?", die Löcher, die Ihre grandiose Steuerreform reißt, und dann verfallen Sie gegen jede energiepolitische Ver-



Kleinert (Marburg)

nunft auf die Idee, den Einsatz von Erdgas zu besteuern. Damit wird Energiepolitik zum bloßen Instrument kurzatmiger Fiskalpolitik. Die Ökologie wird benutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Auch das macht noch einmal schlagend klar, welchen Stellenwert diese Regierung der Umweltpolitik zuweist. Die Umweltpolitik kommt ganz zuletzt, und das kann man an diesem Haushaltsentwurf einmal mehr nachweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist längst nicht alles. Sie wollen den WAA-
Wahnsinn in Wackersdorf weiterfinanzieren. Sie wollen, daß der Schnelle Brüter unbedingt ans Netz geht. Für gigantische Prestigeprojekte im Weltraum ist genug Geld in diesem Haushalt. Der Rüstungsetat soll um gut 2 Milliarden DM steigen, und das in einer politischen Konstellation, die neue, ungeahnte Abrüstungschancen bieten würde. Wie wollen Sie eigentlich auf dem Hintergrund diverser Abrüstungsofferten aus dem Osten auch im konventionellen Bereich noch jemandem plausibel machen, wieso die Bundeswehr eigentlich dauernd weiter aufrüsten soll?
An diesen und an vielen anderen Stellen wäre das Geld schon zu holen, das für die dringenden umweltpolitischen Maßnahmen nötig ist, aber Sie wollen das alles nicht, weil es nicht der politischen Linie dieser Bundesregierung entspricht. Ihr Umweltminister ist nicht mehr als ein Alibi in dieser Bundesregierung. Er darf in schöngeistigen Sonntagsreden auch einmal Problembewußtsein zeigen; die nüchterne Wirklichkeit sieht aber ganz andere politische Prioritäten bei Ihnen im Vordergrund.
Welche Prioritäten das sind, hat nicht zuletzt Ihr grandioser Flop mit der Steuerreform einmal mehr deutlich gemacht, jener Steuerreform, die nun auf Jahre hinaus restriktive Rahmenbedingungen für den finanzpolitischen Handlungsspielraum der öffentlichen Hand setzen soll und die ganz besonders die Möglichkeiten von Ländern und Kommunen drastisch beschneidet. Die Steuersenkung entzieht der öffentlichen Hand 19 Milliarden, nur damit diejenigen, die ohnehin schon genug haben, die Taschen noch voller kriegen; dafür fehlt dann das Geld für soziale und ökologische Aufgaben. Eine Mischung aus knallharter Interessenpolitik und ideologischer Verbohrtheit hat Sie dazu gebracht, diesen Unsinn hier durchzuziehen. Wir alle erinnern uns ja noch an den traurigen Höhepunkt des Frühsommertheaters, an die Steuerbefreiung für das Flugbenzin, jenes Geschenk an den bekannten Münchener Hobbypiloten, mit dem Sie dann allerdings eine anständige Bruchlandung erlebt haben. Um diesen Flop „Steuerreform" zu finanzieren, ohne allzu große Haushaltslöcher entstehen zu lassen, sollen nun diverse Verbrauchsteuern erhöht werden. Bezahlen sollen, hübsch sozial ausgewogen, alle.
Meine Damen und Herren, wir als GRÜNE sind natürlich nicht gegen eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Wir fordern das seit langem, weil es dafür sehr gute umweltpolitische Gründe gibt. Aber wir wollen keine Erhöhung der Mineralölsteuer bloß deshalb, damit Sie ein paar Haushaltslöcher stopfen können, die Sie mit Ihrer verfehlten Finanzpolitik aufgerissen haben. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer ist sinnvoll und nötig, aber nur dann, wenn das Geld für ökologische Sanierung und ökologischen Umbau dieser Gesellschaft aufgewendet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, längst überfällig wäre eine grundlegende Neuorientierung in der Finanzpolitik. In der Tat brauchen wir eine Steuerreform, aber eine Steuerreform, die nicht auf Umverteilung von unten nach oben aus ist, sondern ökologische Kriterien in den Vordergrund rückt. Wir brauchen eine ökologische Steuerreform, eine Steuerreform, die das Instrument der Steuerpolitik einsetzt, damit durch gezielte finanzielle Belastungen und Entlastungen Anreize zu ökologischer Produktionsumstellung und zu umweltverträglichem Konsum geliefert werden.
Dazu gehört z. B. eine Primärenergieabgabe; dazu gehört eine Steuer auf den Einsatz bestimmter Chemikalien; dazu gehört eine Reihe von zweckgebundenen Sonderabgaben, z. B. zur Eindämmung von Plastikverpackungen, eine Grundwasserabgabe, eine Stickstoffabgabe und dergleichen mehr.
Ökosteuern und ökologische Abgaben, deren Aufkommen zweckgebunden zur Beseitigung ökologischer Schäden einzusetzen wären, das wären die steuerpolitischen Notwendigkeiten, die sich heute stellen.
Natürlich wären auch solche Maßnahmen einer ökologischen Steuerreform kein Allheilmittel zur Lösung sämtlicher Umweltprobleme; aber sie wären ein wichtiges Instrument beim ökologischen Umbau dieser Gesellschaft. Denn ökologische Besteuerung könnte umweltschädliche Produktionsverfahren und nicht regenerierbare Ressourcen verteuern, umweltverträgliche Alternativen dagegen rentabler machen. Von solchen ökologischen Lösungsansätzen ist diese Regierung meilenweit entfernt. Solche Konzepte werden rundweg abgelehnt.
In diesem Zusammenhang muß auch ein Wort zur SPD gesagt werden.

(Walther [SPD]: Muß nicht!)

— Doch, doch, nach Ihrem grandiosen Parteitag, Herr Kollege Walther.
Natürlich ist es nur zu begrüßen, wenn neuerdings auch von Ihrer Seite von ökologischer Umgestaltung des Steuersystems die Rede ist. Wir beanspruchen ja schließlich kein Copyright auf Begriffe. Nun habe ich aber bislang in Ihren Papieren vom Münsteraner Parteitag leider vergeblich nach einem konkreten Konzept gesucht, wie das im einzelnen mit der ökologischen Steuerreform dann aussehen soll.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das haben sie mit euch gemeinsam!)

— Nein, ich habe doch einiges hier vorgetragen, Herr Bötsch; vielleicht haben Sie nicht zugehört.
Ich will nun nicht hoffen, daß es bei Ihnen wieder mit den Überschriften schon sein Bewenden hat, daß Sie bei uns die Überschriften abschreiben, daß dann schon der ganze Blätterwald rauscht und den ökologischen Sinneswandel der SPD verkündet und daß es das dann auch schon war. Das hoffe ich nicht; ich sage das ausdrücklich. Ich hoffe, daß es bei dieser Sache anders ist. Wir werden jedenfalls mit großem Interesse



Kleinert (Marburg)

abwarten, was an konkreten Konzepten außer der Überschrift dann noch nachkommt.

(Walther [SPD]: Dazu habt ihr ja vor lauter Streit gar keine Zeit mehr!)

Meine Damen und Herren, auch auf das zweite der großen gesellschaftlichen Probleme, die Massenarbeitslosigkeit, hat dieser Haushalt keine Antwort parat. Fast noch schlimmer: Die 2,2 Millionen Menschen, die trotz günstiger Konjunkturlage als registrierte Arbeitslose heute einen Job suchen müssen, sind in Stoltenbergs Haushaltsrede nicht mit einem Wort überhaupt aufgetaucht. Sie handeln nicht nur nicht, Sie reden schon gar nicht mehr davon, meine Damen und Herren. In diesem Haushalt wird man einen Beitrag zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit vergeblich suchen. Statt dessen wollen Sie weitere Leistungskürzungen bei der Bundesanstalt für Arbeit durchziehen, die die Chancen für die Arbeitslosen nur noch weiter beschneiden werden. 1,8 Milliarden DM sollen insgesamt dadurch hereinkommen. Dafür wird dann in die Finanzierung des Jäger 90 eingestiegen. So, meine Damen und Herren, sind die politischen Prioritäten dieser Bundesregierung.
Die Finanzierung des ökologischen Umbaus zu sozial gerechten Bedingungen ist die zentrale politische Zukunftsaufgabe für die Finanzpolitik. Zu dieser Zukunftsaufgabe gibt dieser Haushaltsentwurf fast nichts her. Weder tote Robbenbabys noch vergiftetes Trinkwasser sind für diese Regierung Anlaß zu wirksamem Handeln, das im harten finanzpolitischen Alltag seinen Niederschlag finden würde. Zu all den ökologischen Zukunftsaufgaben haben Sie wenig anzubieten, zur Bekämpfung der Massenerwerbslosigkeit gar nichts. Sie haben wenig anzubieten zur Frage der Umverteilung von Arbeit, und Sie haben wenig bis gar nichts anzubieten zu der Frage neuer Wege in der Sozialpolitik.
Herr Stoltenberg, statt die Zukunftsaufgaben wenigstens im Ansatz anzugehen, haben Sie uns hier einmal mehr das Dokument einer ideologisch verbohrten neoliberalen Finanzpolitik vorgelegt, die nicht einmal die zarten Pflänzchen ökologisch-marktwirtschaftlichen Denkens aufnimmt, die man selbst am Rande der Regierungsparteien dann und wann finden kann.
Die ganze Grundrichtung dieser Politik ist falsch. Über diese Grundrichtung werden wir in den nächsten Wochen und Monaten den Streit mit Ihnen zu führen haben.

(Walther [SPD]: Aber nur, wenn du in den Ausschuß kommst!)

Wir werden das an Hand von konkreten Anträgen tun, die wir mit konkreten Finanzierungsvorschlägen verbinden. Wir werden nicht nur ein Konzept für eine ökologische Steuerreform vorlegen, wir werden ökologische Sofortmaßnahmen vorschlagen: im Bereich der Abwasserentgiftung, zur Altlastensanierung, zur Kraftwerksentschwefelung, zur Energieeinsparung. Wir werden Maßnahmen zur rationelleren Energienutzung und zur Förderung alternativer Energieformen vorschlagen. Wir werden die Steigerung investiver Ausgaben in diesem Bundeshaushalt da vorschlagen, wo es sinnvoll ist: bei der Bundesbahn etwa, beim Städtebau, im Etat der Frau Süssmuth und anderswo. Wir werden konkrete Schritte zur konventionellen Abrüstung in der Bundesrepublik in diesem Bundestag einbringen. Wir werden Maßnahmen zur Bekämpfung der neuen Armut vorlegen, und wir werden Ihnen nachweisen, daß unsere Alternativen sinnvolle Wege zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit aufzeigen.
Meine Damen und Herren, das ist die Grundrichtung der Politik, um die es heute gehen muß. Das ist allerdings nicht die Grundrichtung, die Sie vorschlagen. Ihr Weg weist in eine Zukunft, die wir so nicht wollen.
Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1108901500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weng.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1108901600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der FDP hat in ihrer gestrigen Sitzung beschlossen, den Bundeshaushalt 1989 auf der Basis der vorliegenden Kabinettsentscheidung zu beraten.

(Esters [SPD]: Das ist aber toll!)

— Herr Kollege Esters, wenn Sie den Nachsatz hören, werden Sie diesen Zwischenruf gleich wiederholen können.

(Walther [SPD]: Ganz was Neues!)

Wer, meine Damen und Herren, die öffentliche Debatte über einzelne Positionen des Haushalts in den vergangenen Wochen verfolgt hat, wird sich vorstellen können, daß diese Entscheidung nicht ohne harte Diskussionen, nicht ohne deutliche Kritik und auch nicht ohne abweichende Einzelpositionen zustande gekommen ist. Unsere selbst gesetzte Aufgabe, die Aufgabe der Koalition — sorgfältige und sparsame Haushaltsführung — , macht es aber notwendig, auf der Basis der durch das Kabinett getroffenen Entscheidungen zu verhandeln.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir vorab eine persönliche Anmerkung. Zum erstenmal seit meiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag führen wir heute eine Haushaltsdebatte ohne den Kollegen Apel von der SPD. Das ist eine direkte Konsequenz aus der unsinnigen und rechtlich fragwürdigen Quotenregelung, die die SPD auf ihrem letzten Parteitag beschlossen hat. Bei allem Wohlwollen für die Förderung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen und dabei natürlich auch im Bereich der Politik: Wenn sich eine solche Förderung von unten nach oben aufbaut und dann zu gleichgewichtigen Ergebnissen kommt,

(Walther [SPD]: Was heißt das denn?)

dann ist sie vernünftig. Von oben kann man im Leben bekanntlich fast nirgendwo anfangen, sondern überall werden die Dinge von unten aufgebaut.

(Stratmann [GRÜNE]: Ist das ein Plädoyer für Lambsdorff?)




Dr. Weng (Gerlingen)

Der einzige Bereich, von dem mir bekannt ist, daß man von oben anfangen kann, ist das Umgraben des Gartens.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

Spaß beiseite! Meine Damen und Herren, wenn eine Regelung dazu führt, daß sachkundige, erfahrene und profilierte Politiker abgewählt werden, nur weil sie Männer sind, kann dies keine vernünftige Regelung sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Rose [CDU/CSU]: Durch Frauenquote gibt es Männertote! — Walther [SPD]: Nur die Machos klatschen!)

Obwohl das Haushaltsrecht eines der ganz wesentlichen Rechte eines demokratischen Parlaments ist, dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, daß die Haushaltsberatung nur eine eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit beinhaltet. Ein Haushalt ist auch und ganz wesentlich Bilanz getroffener Entscheidungen. Deshalb ist die Haushaltsberatung der Zeitpunkt zum Rückblick ebenso wie zum Ausblick. Wenn auch die rein buchhalterische Fortschreibung von Haushaltsdaten einen Politiker niemals wird befriedigen können, meine Damen und Herren: An den Fakten kann trotzdem niemand vorbeigehen. Deshalb muß auch der Zusammenhang zwischen Einnahmen, Ausgaben und Schulden immer wieder deutlich gemacht werden.

(Zuruf des Abg. Walther [SPD])

Wer dieses Dreieck, Herr Kollege Walther, wie es von Seiten der Opposition sehr gern geschieht, dadurch auflösen will, daß er nur Erhöhung der Ausgaben und Senkung der Schulden fordert, der muß an sich ein Viereck konstruieren. Die vierte Position ist dann eine Banknotenpresse, die ständig in Bewegung sein müßte.

(Walther [SPD]: Die hat der Stoltenberg bei der Bundesbank!)

Diese Banknotenpresse würde aber dazu führen, daß die Solidität, daß die Stabilität unseres Geldwertes verlorenginge. Gerade die Geldwertstabilität aber, meine Damen und Herren, und dies in allen vergangenen Jahren, wurde nicht unwesentlich durch die Haushaltspolitik der Koalition erreicht. Ich sage das auch im Blick darauf, daß der Kollege Wieczorek in seiner Rede erklärt hat, daß die Wirtschaft im Moment gut laufe und das nichts mit der politischen Arbeit der Koalition hier in Bonn zu tun habe. Meine Damen und Herren, was hätte er wohl gesagt, wenn es zur Zeit schlecht laufen würde?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Dann wäre die Regierung schuld!)

Wer Steuern senkt, wer damit in gewissem Maße, politisch wünschenswert, auch noch verbindet, von direkten auf indirekte Steuern umzustellen, wie wir es getan haben und tun werden, der kann im Rahmen gestaltender Politik auch eine zeitlich begrenzte Schuldenerhöhung für erforderlich halten und diese dann politisch akzeptieren. Natürlich kann die verfassungsmäßige Regelung, daß die Verschuldung die Investitionen nicht überschreiten darf — eine Regelung,
die übrigens von manchen politisch Tätigen als solche beklagt wird — , nicht die angestrebte Zielvorgabe für die jeweilige Haushaltsberatung sein. Unser Bemühen, nach dem Ausreißer des laufenden Jahres, den der Finanzminister in seinen Ursachen und Gründen heute morgen sehr deutlich beschrieben hat, diese Grenze künftig nicht mehr zu überschreiten, sondern deutlich darunter wegzukommen, bleibt deshalb erhalten. Auch hier, Herr Kollege Wieczorek, erinnere ich mich wieder an einen Satz in Ihrer Rede, als Sie vom gesamten Ablauf der letzten Jahre unter hervorragenden Gesamtrahmenbedingungen auch der Weltwirtschaft und ohne außenwirtschaftliche Störungen gesprochen haben. Haben Sie denn tatsächlich schon vergessen, was im Herbst letzten Jahres war, welche Entwicklung an den Börsen international, welche Entwicklung des Dollarkurses dazu geführt hat, daß wir zu Beginn dieses Jahres eben davon ausgehen mußten, die Verschuldung unseres Landes aus gesamtwirtschaftlichen Gründen höher anzusetzen, als es die ursprüngliche Konzeption vorsah.

(Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ihr habt gewurstelt, gepfuscht!)

„Ohne außenwirtschaftliche Störungen", dies kann wirklich nur als lächerlich bezeichnet werden.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Dann muß man auch einmal über den Investitionsbegriff nachdenken!)

Herr Friedmann, ich gebe Ihnen auf Ihren Zwischenruf hin gerne recht, daß die Frage, wie die Investitionen im Bundeshaushalt begründet und aufgelistet sind, wirklich einer Diskussion bedürfte und man hier gegebenenfalls Änderungen vornehmen sollte, um ganz konsequent tatsächliche Investitionen als solche zu bezeichnen und andere Dinge davon zu trennen. Aber da wir in der Vergangenheit immer an den Grundlagen der jetzt zu erstellenden Zahl gemessen haben, will ich das nicht an dieser Stelle in die Debatte einbringen; wir können uns hierüber gerne unterhalten.

(Walther [SPD]: Da sind wir mit dabei!)

Der Haushaltsentwurf 1989, meine Damen und Herren, den uns der Finanzminister heute morgen als Entscheidung des Kabinetts vorgelegt hat, hat aus Sicht des Parlamentariers eine Reihe von Schwächen, die über das reine Zahlenwerk hinausgehen.

(Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Richtig!)

Der Umfang der Ausgabensteigerung ist, gemessen an dem, was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben, natürlich unerwünscht; ich sage dies, auch wenn mir bewußt ist, daß der Steigerungstitel „Erhöhter Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit" eine ausdrückliche Konsequenz des Wunsches meiner Fraktion ist, die Beiträge für die Bundesanstalt für Arbeit nicht ansteigen zu lassen, wie es sonst notwendig gewesen wäre.

(Walther [SPD]: Weil ihr Aufgaben auf die Bundesanstalt verlagert habt! — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aufgaben habt ihr verschoben!)

Auch hier — Herr Kollege Walther, deshalb ist der
Zwischenruf zum richtigen Zeitpunkt erfolgt, auch



Dr. Weng (Gerlingen)

wenn er inhaltlich falsch ist — wird nämlich wieder ein Finanzdreieck deutlich,

(Walther [SPD]: Ihr habt verfassungsmäßige Aufgaben des Bundes verschoben!)

an dem sich die Opposition messen lassen müßte. Wer einerseits Leistungsverringerungen der Bundesanstalt moniert und ablehnt, andererseits Beitragserhöhungen nicht wünscht, der kann seine Forderung nach einem höheren Bundeszuschuß nur dann seriös vortragen, wenn er die notwendigen Einnahmen im Bundeshaushalt auch mitträgt und mitbeschließt. Hierzu habe ich von seiten der Opposition nichts gehört.

(Walther [SPD]: Wieso sind wir für die Folgen eurer Politik verantwortlich?)

Jeder weiß, meine Damen und Herren, daß die Einführung der Erdgassteuer mit dem Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit in ganz direktem Zusammenhang steht; das Zahlenwerk ist völlig klar. Die Aufschlüsselung: Einsparung im Bundeshaushalt, Reduzierung überzogener Leistungen bei der Bundesanstalt und erhöhter Bundeszuschuß für das kommende Jahr.

(Walther [SPD]: Jetzt sind die Arbeitslosen für die Erdgassteuer zuständig! Jetzt wird es aber verrückt!)

Da braucht man nicht zu versuchen, durch Zwischenrufe etwas davon wegzureden.

(Walther [SPD]: Die Erdgassteuer für die Arbeitslosen!)

Der zweite große Ausgabebrocken ist das Ergebnis der sogenannten Albrecht-Initiative. Hier haben Politiker aller Couleur — ich sage dies auch selbstkritisch an die Adresse meiner eigenen Partei — unter Federführung des niedersächsischen Ministerpräsidenten einen Wettlauf veranstaltet, dem „nackten Mann" Bundeshaushalt heftig in die Tasche zu greifen. Dies ist vor allem dann kein positives Beispiel gesamtpolitischer Verantwortung, wenn man sich vor Augen hält, daß die Steuermehreinnahmen der vergangenen Jahre in wesentlich größerem Umfang Ländern und Gemeinden als dem Bund zugegangen sind. Herr Wieczorek, Sie haben hier heute nachmittag andere Zahlen genannt. Tatsache ist: Der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen betrug bis Mitte der 70er Jahre etwa 50 %, zeitweise sogar mehr als 50 %, 1988 liegt er nur noch bei ca. 45 %.
Ich darf hier die Äußerung von Lothar Späth aus der Wochenzeitschrift „Die Zeit" zitieren. Späth: „Ich halte es für sehr problematisch, wenn zehn von elf Ländern im wirtschaftsstärksten Staat Europas quasi erklären, sie seien ohne ernsthafte Strukturhilfen des Zentralstaates gar nicht mehr fähig, ihre Probleme und ihre Aufgaben zu lösen." Er hat das in anderem Zusammenhang gesagt, aber es paßt natürlich auch hier sehr gut hinein. Allerdings ist Lothar Späth ein schlechter Kronzeuge, denn sein eigenes Verhalten bei der Besteuerung betrieblicher Zuwendungen — Stichwort: Jahreswagen von Daimler-Benz — liegt ja auf dem gleichen Niveau, und das gilt um so mehr für die heftig diskutierte — die Diskussion ist nicht beendet — Flugzeugbenzinsteuerbefreiung für Privatflieger auf Initiative von Franz Josef Strauß, auch wenn diese Steuerbefreiung wieder zurückgenommen werden soll.

(Zuruf von den GRÜNEN: Teilweise!)

Ob Strauß Ananas in Alaska oder Wombats in Wildbad Kreuth züchtet,

(Frau Seiler-Albring [FDP]: Was ist das?)

er möge bitte künftig darauf verzichten, uns solche faulen Fier ins Nest zu legen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wieso haben Sie denn dafür gestimmt?)

Ich bin für die Zwischenfrage, Frau Kollegin, ausdrücklich dankbar. Der Wombat ist ein australisches Beuteltier, das so ähnlich aussieht wie ein Biber ohne Schwanz, ungefähr diese Größe hat und ein ausgesprochen liebenswertes Tier ist. Ich weiß nicht, ob es als Haustier geeignet ist. Die deutsche Bezeichnung habe ich dem Brockhaus entnommen — beide Namen sind an sich nicht richtig — : entweder Beutelmaus, worunter man sich etwas ganz Kleines vorstellt, oder Plumpbeutler, und das wird diesem liebenswerten Tier wirklich nicht gerecht.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Man erkennt sofort den weitgereisten Parlamentarier! — Dr. Rose [CDU/CSU]: Dafür war der zweimal in Australien!)

Meine Damen und Herren, die Flugzeugambitionen von Franz Josef Strauß führen ja auch beim Bundeshaushalt — jedenfalls kann man es vermuten — unter dem Stichwort „Airbus" ab und zu einmal zu Konsequenzen, die an seinem direkten Industrieengagement als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Airbusindustrie nach meiner Überzeugung Kritik begründen.
Ich will aber im Zusammenhang mit Airbus etwas anderes vortragen. Unsere Fraktion begrüßt ausdrücklich die Bemühungen des Bundeswirtschaftsministers, die enorm anwachsenden Subventionen beim Airbus dadurch mittelfristig abzusenken, daß ein geeigneter industrieller Partner den nötigen Schub an Managementerfahrung in dieses Unternehmen bringt. Natürlich sehen auch wir die Probleme, die presseöffentlich massiv diskutiert werden, die aus einer möglichen Beteiligung von Daimler-Benz an MBB in anderem Zusammenhang entstehen können. Natürlich wird auch die Frage der möglichen Konditionen und vor allem die der Risikoverteilung bei einer künftig möglicherweise anstehenden Entscheidung eine Rolle spielen und sorgfältiger Prüfung unterzogen werden. Das Grundkonzept des Bundeswirtschaftsministers, öffentliche Verantwortung in einem sehr schwierigen Industriebereich wenigstens teilweise in private Verantwortung zu überführen, ist aber ausdrücklich richtig.

(Beifall bei der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aber ihr nehmt den Privaten das Risiko! — Kühbacher [SPD]: Wolfgang, aber Subventionen gebt ihr nicht!)




Dr. Weng (Gerlingen)

— Herr Kollege, wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt wären,

(Kühbacher [SPD]: Bin ich!)

dann wüßten Sie, daß ich genau hierzu im Vorsatz etwas gesagt habe. Ich will das jetzt nicht noch einmal wiederholen, aber es wäre natürlich doch wünschenswert, nicht auf Grund eines gehörten Halbsatzes mit Zwischenrufen zu kommen, wenn man den Gesamtzusammenhang nicht gehört oder gar nicht begriffen hat.

(Dr. Struck [SPD]: Der Gesamtzusammenhang war überhaupt nicht erkennbar! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Doch. Es war doch durchaus so, daß es deutlich verständlich war, Herr Kollege. Andere haben ja Eile gehabt, nämlich ihre vorbereitete Rede schnell genug durchzulesen. Und was da alles an Anfeindungen drin war. Aber das Konzept war trotzdem ganz interessant und lustig; denn in der Presseerklärung, die die SPD verteilt hat, war ausdrücklich eine Zwischenfrage formuliert. Leider hat sie trotzdem keiner von Ihnen gestellt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir haben das Papier hier.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Ein Regiefehler!)

Meine Damen und Herren, wenn wir gerade beim Fliegen sind: Der immer stärker belastete Luftraum
— das gilt gerade auch für den Kurzstreckenflugverkehr — und auch die zunehmende Umweltbelastung durch Abgase der besonders hoch fliegenden Maschinen — mit noch unbekannten, aber schon vermuteten und umweltmäßig sicherlich nicht ungefährlichen Auswirkungen — sollten die Überlegungen im Zusammenhang mit dem schnellen Personenverkehr auf andere Gleise führen. Ich sage ausdrücklich Gleise.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1108901700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Esters?

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1108901800
Ich vermute, daß die Zwischenfrage nicht im Zusammenhang mit dem steht, was ich gerade angerissen habe. Aber vielleicht können wir es trotzdem dazwischenpacken, Herr Kollege Esters. Bitte.

Helmut Esters (SPD):
Rede ID: ID1108901900
Ich hatte mich schon eine ganze Zeit gemeldet, Herr Kollege.
Ich wollte nur fragen, ob Sie mir sagen können, wieso die Frau Kollegin Seiler-Albring so genau wissen konnte, daß Sie wissen, was ein australisches Wombat ist.

(Heiterkeit)


Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1108902000
Herr Kollege Esters, der guten Ordnung halber: ein australischer Wombat.
Die Kollegin Seiler-Albring konnte das deswegen wissen, weil ich ihr von diesem Tier begeistert berichtet habe. Insbesondere habe ich davon berichtet, mit
welcher Freude Harald und Daniel, meine zwei kleinen Jungen, das mitgebrachte Plüschtier aufgenommen haben.
Ich komme auf meinen Gedanken zurück: Der schnelle Personenverkehr auf andere Gleise. Eine Arbeitsgruppe der Koalition hat ja dem Bau einer Referenzstrecke der Magnetschnellbahn im Grundsatz zugestimmt und damit auch — so hoffe ich doch — eine gewisse Bewegung in dieses Projekt gebracht. Bei einer solchen Referenzstrecke brauchen wir natürlich etwas mehr: Wir brauchen eine Vision bezüglich künftiger Verkehrsführung und natürlich eine Konzeption für das, was diese Magnetschnellbahn tun könnte.
Unter der Voraussetzung — ich glaube, wir können davon ausgehen — , daß die technischen Probleme vollends gelöst werden, wäre es sicher wünschenswert, wenn dieses System flächendeckend betrieben werden könnte, vielleicht in Form einer ungefähren Acht mit dem Knotenpunkt im Bereich des Frankfurter Flughafens, wenn es darüber hinaus die bundesdeutschen Flughäfen miteinander verbinden würde und hierdurch eben der vorhin genannte Kurzstrekkenflugverkehr reduziert werden könnte. Das könnte in der Zukunft eine echte Ergänzung der Verkehrsträger sein. Wie gesagt, die technischen Probleme müssen gelöst werden.
Wir sollten solche Visionen durchaus haben; denn wenn wir uns vor Augen halten, welche Anstrengungen vergangene Generationen beim Bau des Schienennetzes der Eisenbahn geleistet, was sie dafür investiert haben, dann sollte es, meine ich, in einem wirtschaftsstarken Land auch möglich sein — wenn nicht ganz problemlos, so doch im Grundsatz —, ein solches ausdrücklich umweltschonendes, aber den Erfordernissen künftigen Transports gerecht werdendes System voranzubringen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Struktur sollte so sein, daß es als Teilersatz bei künftig noch wachsendem Luftverkehr — das ist ja konzipiert — den vernünftigen Ausbau und die Auslastung der Bundesbahnstrecken möglichst wenig beeinträchtigt.
Meine Damen und Herren, Verschuldung in Grenzen zu halten ist ein schwieriges Geschäft.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich habe vorhin schon einmal auf Art. 115 des Grundgesetzes hingewiesen und will auch mit dem Hinweis auf § 96 unserer Geschäftsordnung auf die besondere Verantwortung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages aufmerksam machen.

(Walther [SPD]: Endlich!)

Nur wenn bei ausgabenwirksamen Entscheidungen Notwendiges vom Wünschenswerten getrennt wird, können wir die Dinge im Griff behalten. Ich sage das auch im Blick auf die künftige Gestaltung des Bundeszuschusses für die Rentenversicherung. Dieser Bundeszuschuß wird steigen müssen; das weiß jeder. Aber die Frage, in welchem Umfang, kann nach meiner Überzeugung nicht nur zu Lasten des Bundeshaushalts entschieden werden.



Dr. Weng (Gerlingen)

Dies sage ich auch mit Blick auf die geforderte Gemeinsamkeit mit der SPD. Meine Damen und Herren, Gemeinsamkeit kann bei Sachthemen kein Wert an sich sein. Sie ist nur dann sinnvoll, wenn sie auch bessere Lösungen beinhaltet. Denn in einer Demokratie entscheiden nachher wiederum die Bürger über Mehrheiten, und die Mehrheiten entscheiden, wenn sie der Meinung sind, daß die von ihnen konzipierte Lösung die bestmögliche ist.
Erfahrungsgemäß haben die Bürger ein gutes Gespür dafür, wer die Gesamtverantwortung für eine bessere Politik sinnvollerweise garantiert, wer diese Verantwortung haben sollte. Dies ist im Normalfall, jedenfalls bei dem Bürger, der sich wirklich eine Meinung bildet, nicht derjenige, der jedem alles verspricht. Ich erinnere hier an das vielzitierte Wort von Theodor Heuss: In der Politik gilt nicht das Versprochene, sondern das Gehaltene.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD — V o r s i t z : Vizepräsident Cronenberg)

Für meine Fraktion ist klar, daß das Gesamtpaket Haushalt nur so lange getragen werden kann, wie alle drei Regierungsparteien hierzu stehen. Das heißt auch — dies ist erfreulicherweise Vorgabe des Kabinetts — , daß durch die positive Wirtschaftsentwicklung möglicherweise entstehende Steuermehreinnahmen zur Minderung der sowieso zu hohen Schulden herangezogen werden und nicht als verfügbare Masse für Ausgaben angesehen werden können. Dies gilt auch für einen möglicherweise etwas höheren Bundesbankgewinn als angesetzt.
Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht die Ausgangsbasis, von der wir diskutieren, aus dem Auge verlieren. Man muß sich vor Augen halten, daß wir den Haushalt des laufenden Jahres mit einer Verschuldung von 29,2 Milliarden DM konzipiert und verabschiedet haben und daß wir, wenn es gut läuft, tatsächlich eine Größenordnung von 37 bis 38 Milliarden DM in diesem Jahr erreichen werden. Man kann doch dann nicht so tun, als ob man 1 Millarde DM Mehreingang ausgeben könnte. Das heißt dann immer noch 8 Milliarden DM mehr Nettoneuverschuldung, als wir ursprünglich konzipiert haben. Hier, meine ich, muß man wirklich konsequent sein, um so mehr — ich sage das mit Blick auf den möglichen Bundesbankgewinn — , wenn gegebenenfalls durch eine kurzfristige oder einmalige Einnahme auf der anderen Seite langfristig wirkende Ausgaben beschlossen werden sollen. Diese Verantwortung, der das Kabinett Rechnung getragen hat, tragen wir mit. Wer glaubt, hier gäbe es Spielräume, wenn, wie gesagt, Steuereinnahmen plötzlich etwas ansteigen, der muß sich diese Überlegung vor Augen halten.
Die Finanzplanung ist leider — auch in der Projektion auf künftige Jahre — in den letzten Jahren ständig schlechter geworden. Wenn wir das Ergebnis der Steuerreform im kommenden Jahr in den Haushalt von 1990 einbauen und beraten wollen, müssen wir wissen, daß auf Grund unabweisbarer Entwicklungen schon heute abzusehen ist, daß wir sehr hart an der Verschuldensgrenze, die uns die Verfassung vorgibt, vorbeischrammen werden. Wie gesagt, 1988 ist das begründet durch den einmaligen Ausreißer auf Grund
von Entwicklungen, die wir als Bundesrepublik und als Regierungskoalition nicht zu vertreten hatten; aber dies kann darüber hinaus natürlich nicht der Normalfall werden.
Daß die Gesamtverschuldung aller öffentlichen Haushalte und der Sondervermögen im laufenden Jahr die ominöse Grenze von 1 000 Milliarden DM Gesamtverschuldung überschreiten wird, ist ein warnendes Symbol, das die Ausgabenfreude von Ministern und Fachpolitikern stärker dämpfen sollte, als es üblicherweise der Fall ist.
Wir, die Koalition aus CDU/CSU und FDP, aber insbesondere die FDP, haben der Öffentlichkeit Sparsamkeit und Haushaltskonsolidierung versprochen. Dies müssen und werden wir fortführen.
Zum Stichwort „versprochen" und „müssen wir fortführen" : Meine Damen und Herren, bei Privatisierung ist im Bundeshaushalt vom Geldvolumen her jetzt natürlich nicht mehr das eingestellt, was in vergangenen Jahren eingestellt war. Aber wir sollten nicht vergessen, daß für uns Privatisierung bei dem, was tatsächlich durchgeführt wurde, immer ein ordnungspolitisches Anliegen mit erfreulichen haushaltspolitischen Nebeneffekten war. Die ordnungspolitische Frage und Forderung besteht fort, auch wenn jetzt die großen und in der Veräußerung vielleicht ertragversprechenden Bereiche im großen und ganzen privatisiert sind.
Jetzt, nachdem nicht mehr so viel Geld durch Privatisierung einzunehmen ist, dürfen das ordnungspolitische Anliegen und die Zusage der Koalition in diesem Punkt nicht plötzlich einschlafen. Auch hier geht mein Appell insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen des Koalitionspartners: Den öffentlichen Erklärungen, die, wenn ich an einen Brief, den mir Franz Josef Strauß vor Jahren geschrieben hat, denke, in der ganzen Koalition offensichtlich unbestritten sind, sollen eben auch wieder Taten folgen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was ist z. B. mit den Bahnbeteiligungen, die schon in der vorigen Wahlperiode Beschlußlage des Kabinetts waren? Schenker, die Spedition der Deutschen Bundesbahn, die aus ordnungspolitischen Gründen unbedingt privatisiert werden sollte, ist immer noch zu 100 % in öffentlicher Hand. Hier ist der Verkehrsminister in der Pflicht. Ich sage es ausdrücklich und erneut von dieser Stelle, obwohl es langsam schon fast peinlich wird, daran zu erinnern: Was ist mit der lange gegebenen Zusage, an der technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen verstärkt freiberufliche Ingenieure zu beteiligen? Dies sind einige wenige Beispiele. Ich meine, Herr Finanzminister, Sie oder der von Ihnen damit befaßte Staatssekretär sollten sich wieder einmal das dicke Buch der Bundesbeteiligungen als Lektüre vornehmen.

(Dr. Struck [SPD]: Das alles hat aber seine Grenzen, Herr Kollege Weng!)

Wir, unsere Fraktion, bleiben bei diesem Thema am
Ball. — Herr Kollege Struck, den Zwischenruf, hier
habe alles seine Grenzen, nehme ich gerne auf. Die



Dr. Weng (Gerlingen)

Privatisierung hat dort ihre Grenzen, wo eben alles privatisiert ist.

(Heiterkeit — Beifall bei der FDP)

Die Zusagen aus der Regierungserklärung sowohl der vergangenen als auch der laufenden Wahlperiode sind uns hier Verpflichtung.
Meine Damen und Herren, wir werden den Bundeshaushalt jetzt nach vorbereitenden Berichterstattergesprächen in gewohnter Sorgfalt im Haushaltsausschuß beraten, Position um Position, in enger Kooperation mit den Freunden des Koalitionspartners. Kollege Carstens, Sie haben dankenswerterweise auf die gute Kooperation, auf die auch menschlich gute Atmosphäre hingewiesen. Wir sind bereit, hier in gleicher Weise wie in den vergangen Jahren fortzufahren. Denn wir wollen unser Beratungsergebnis in zweiter und dritter Lesung hier im Plenum im Rahmen der dann gegebenen Gesamtdaten, die wir heute noch nicht alle absehen können, neu diskutieren und den Haushalt dann — genauso wie in früheren Jahren — ordnungsgemäß verabschieden. Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, wir werden — wie in all den Jahren der Koalition aus CDU/CSU und FDP — ein Beratungsergebnis vorlegen, das unserer Verantwortung gerecht wird und auch die berechtigte öffentliche Anerkennung findet.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/ CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108902100
Das Wort hat der Abgeordnete Esters.

Helmut Esters (SPD):
Rede ID: ID1108902200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Wolfgang Weng sehr dankbar, daß er uns von dem weittragenden Beschluß seiner Fraktion hier unterrichtet hat, den Bundeshaushalt auf der Basis der Regierungsvorlage beraten zu wollen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich kann Ihnen für meine Fraktion mitteilen: Auch wir haben diese Absicht

(Erneute Heiterkeit bei der SPD — Beifall bei der FDP)

und werden dies, so hoffe ich, genauso kritisch wie in den vergangenen Jahren tun.
Herr Bundesfinanzminister, die etwas freundlichere Gestaltung des Wirtschaftswachstums, die bescheidenen Einnahmeverbesserungen aus Steuern, die Sie daraus erwarten, und die einstweilen unbekannte Größe des Bundesbankgewinns sind die schwankenden Pfeiler, auf die Sie Ihre positivere Bewertung der Haushaltslage stützen. Ich kann nicht erkennen, daß diese Erwartungen, die allenfalls die reale Tristesse der Situation flüchtig aufhellen und die deutlich spekulativen Charakter tragen, den von Ihnen beanspruchten, aber nicht eingelösten Maßstäben der Solidarität entsprechen.
Das Grundübel der Haushaltswirtschaft, die Sie betreiben, liegt darin, daß sich die Einnahmenseite in permanentem Ungleichgewicht zur Ausgabenseite befindet. Sie haben über Jahre hin die Wachstumskurve der Wirtschaft überschätzt und tun dies auch in
diesem Augenblick, obwohl alle Wirtschaftsinstitute auf die erneut ungünstiger werdenden Bedingungen für 1989 hinweisen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen doch, wie schwankend und jederzeit bedroht der weltwirtschaftliche Konjunkturverlauf ist, von dem wir natürlich maßgeblich mit abhängen.
Sie haben wegen Ihrer Illusionen über Jahre hin die Steuereinnahmen nach unten korrigieren müssen und gleichwohl starr an einer Steuerreform festgehalten, die letztlich ruinöse Folgen für das Haushaltsgleichgewicht hat und die Sie nun durch unausgereifte und politisch willkürlich gewählte Verbrauchsteuererhöhungen notdürftig korrigieren müssen.

(Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Das ist falsch! Das nehmen Sie sofort zurück!)

Sie sind — wie in vielen Bereichen — hier längst nicht mehr Herr des Verfahrens, sondern reagieren als ein Getriebener, der mehr schlecht als recht die allerschwersten Defizite stopfen muß.
Sie haben gleichzeitig die Ausgabendynamik unterschätzt und sich gerühmt, den Ausgabenanstieg unter 3 % zu halten, während 1989 die Erhöhung 4,6 % betragen soll. In Wirklichkeit ist es Ihnen eine Zeitlang gelungen, klar absehbare Ausgaben hinauszuzögern oder zu verdrängen, ohne Vorsorge zu treffen. Das gilt für die Finanzierung der Europäischen Gemeinschaft, die Sie jetzt mit voller Wucht trifft und die langfristig das Ausgabenniveau des Haushalts erheblich steigert.
Andere Ausgaben haben Sie entweder in leichtsinnigem Vertrauen auf Besserung oder aus der Mißachtung des zentralen Problems unserer Gesellschaft, der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, aus dem Bundeshaushalt schlechthin ausgelagert. Nachdem Sie durch Abwälzung von sachfremden Ausgaben die Zahlungsunfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit mit herbeigeführt haben,

(Walther [SPD]: Richtig!)

können Sie es nun nicht mehr vermeiden, Bundeszuschüsse in den Nachtragshaushalt, in den Bundeshaushalt 1989 und auch in die mittelfristige Finanzplanung einzustellen. Sie haben sich schließlich permanent dagegen gesträubt, daß der Bund seiner Aufgabe gerecht werden muß, strukturelle Ungleichgewichte innerhalb des Bundesgebiets auszugleichen.
Auch von dieser langjährigen Verkennung der Situation werden Sie im Nachtragshaushalt 1988 und im Haushaltsentwurf 1989 eingeholt. Weil Sie selbst kein Konzept entwickelt haben, Strukturpolitik finanziell zu gestalten, sind Sie nun das Opfer eines Zwangsmanövers des niedersächsischen Ministerpräsidenten geworden, der sich dabei freilich auf eine Notwehrsituation berufen kann, die es auch in anderen Bundesländern gibt.

(Beifall bei der SPD)

Der Nachtragshaushalt 1988, der Haushaltsentwurf 1989 und der neue Finanzplan 1988 bis 1992 dokumentieren haushaltspolitische Führungslosigkeit und Fehlentwicklungen, wie sie spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 1987 für alle offenkundig geworden sind.



Esters
1987 sind Sie mit einem Haushalt in den Wahlkampf gezogen, der auf dem Papier eine Neuverschuldung von 22,3 Milliarden DM aufwies, ein Irrtum, der angesichts der Warnungen von unserer Seite alle Elemente eines grob fahrlässigen Verhaltens aufwies. Der von Ihnen damals gepriesene — so wörtlich in einer BMF-Pressemitteilung — „Meilenstein" auf dem Weg zur Gesundung der Staatsfinanzen erwies sich im Haushaltsvollzug in Wirklichkeit als ein Mühlstein, der den Absturz der Staatsfinanzen auslöste. Im Ergebnis fehlten 5 Milliarden DM.

(Beifall bei der SPD)

Da Sie dieses Menetekel nicht als Warnung verstanden haben, verdoppelte sich das Defizit im Haushalt des laufenden Jahres auf etwa den doppelten Betrag. Die Druckerschwärze des Haushaltsgesetzes war noch nicht getrocknet, da erwies es sich bereits als Makulatur. Es fehlten rund 10 Milliarden DM, so daß sich die Neuverschuldung, wie nun endgültig klar ist, statt auf 30 Milliarden DM auf rund 40 Milliarden DM — Sie haben heute morgen etwas herunterkorrigiert — belaufen wird. Nur mit Hilfe vorzeitiger Verbrauchsteuererhöhungen im Umfang von rund 8 Milliarden DM sowie einer noch nicht nachgewiesenen globalen Minderausgabe von 1,2 Milliarden DM soll es Ihnen 1989 gelingen, die Nettokreditaufnahme, die sonst erneut bei mindestens 40 Milliarden DM läge, auf 32 Milliarden DM zurückzuführen. Auch dies ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß der Bundesbankgewinn, den Sie für 1989 auf 5 Milliarden DM veranschlagen, der vermutlich erheblich höher ausfallen wird, in der Finanzplanung mit jährlich rund 7 Milliarden DM eingesetzt wird, wenn er denn tatsächlich erzielt wird. Ich sage Ihnen, daß eine Haushaltskonsolidierung, die auf dem Bundesbankgewinn aufbaut, in Wirklichkeit ein bloßes Roulettspiel ist. Es muß die allerschwerste Besorgnis erregen, daß sich die Neuverschuldung im Haushaltsvollzug 1988, im Haushalt 1989 und im jüngsten Finanzplan kontinuierlich auf einem beträchtlich höheren Sockel bewegt, als es die bisher gültige Finanzplanung im Finanzbericht 1988, die kaum ein Jahr alt ist, prognostizierte.

(Dr. Struck [SPD]: Leider wahr! — Beifall bei der SPD)

Da Haushaltspolitik ein Geschäft mit Zahlen ist, will ich dies an Hand der eben genannten und uns zugegangenen Unterlagen mit Zahlen belegen. Während der Finanzbericht 1988 vor einem Jahr die Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt 1988 noch auf 29,8 Milliarden DM schätzte, beträgt sie nun nach Vorlage des Nachtragshaushalts etwas über 39 Milliarden DM: eine Differenz von rund 10 Milliarden DM. Während der Finanzbericht 1988 vor einem Jahr die Kreditaufnahme für 1989 noch mit 27,2 Milliarden DM schätzte, beträgt sie bereits nach dem Haushaltsentwurf 1989, der uns vorliegt, fast 32 Milliarden DM: eine Differenz von schon jetzt rund 5 Milliarden DM. Für 1990 schätzte der Finanzbericht noch 30,9 Milliarden DM, während der neue Finanzplan nur ein Jahr später bereits von 36 Milliarden DM Nettokreditaufnahme ausgeht: eine Differenz von wiederum rund 5 Milliarden DM. Für 1991 sind dann die Differenzen noch dramatischer. Der Finanzbericht 1988 schätzte 26 Milliarden DM, der jüngste Finanzplan nennt
34 Milliarden DM: eine Differenz von 8 Milliarden DM.
Der Finanzminister trägt die Verantwortung dafür, daß trotz einer dank der Weltwirtschaft nicht ungünstigen Normallage der Weltkonjunktur die Neuverschuldung strukturell und dynamisch gegenüber den bisherigen Planungen ansteigt. Da kann ich es — mit Verlaub — nur als Possenspiel bezeichnen, wenn der Parlamentarische Staatssekretär Häfele einen Abbau der Altverschuldung des Bundes ankündigt.

(Walther [SPD]: Gibt es Häfele noch?)

— Offensichtlich ja. Hin und wieder gibt es Erklärungen von ihm.

(Uldall [CDU/CSU]: Bringen Sie Ihren Redner nicht durcheinander! Das ist unfair! — Gegenruf Frau Traupe [SPD]: Der ist nicht durcheinanderzubringen!)

— So leicht bringen Sie den nicht durcheinander.

(Walther [SPD]: Daß es den Häfele gibt, habe ich schon lange nicht mehr gehört!)

— Es wird allerhöchste Zeit, daß Sie ein Gespräch mit Herrn Staatssekretär Häfele bekommen, Herr Vorsitzender.
Bei dem Zahlenvergleich, den ich angeführt habe, stehen natürlich noch nicht die Aufgaben wie die Rentenreform oder die Entschuldung der Bundesbahn auf der Tagesordnung. Sie sind unberücksichtigt; denn im Finanzplan fehlt dazu jegliche Aussage.
Ich möchte hier voraussagen, daß Sie, um der klaffenden Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben Herr zu werden, künftig weiter indirekte Steuern werden erhöhen müssen. Sie verbrämen dies im jüngsten Finanzplan unter dem Stichwort einer — wörtlich —„Harmonisierung der indirekten Steuern in der Europäischen Gemeinschaft". Ich wäre dankbar, wenn diese sibyllinische Andeutung hier präzisiert werden könnte. Gibt es Schubladenpläne für solche erneuten Steuererhöhungen im Verbrauchsteuerbereich, namentlich auch im Bereich der Mehrwertsteuer nach 1990?
Ich komme auf den Haushalt 1989 zurück. Der Globalansatz für vorgesehene Steuererhöhungen im Einzelplan 60 über 8 Milliarden DM ist zur Zeit im Umfang ungesichert, da das Gesetzgebungsverfahren erst beginnt und sich die Koalition in gewohnten Mißklängen weder über den Zeitpunkt noch über den Umfang einig ist.

(Dr. Struck [SPD]: Sehr wahr!)

Die Klage des Vorstandsvorsitzenden der Esso AG, daß — ich zitiere — die deutsche Wirtschaft sich auf diese Bundesregierung nicht verlassen könne,

(Walther [SPD]: Sehr gut!)

weil es weder eine zielgerichtete Wirtschaftspolitik noch eindeutige, auf Dauer geltende Rahmenbedingungen gebe, bestätigt sich auch hier exemplarisch.

(Strube [CDU/CSU]: War das der Esso-Chef? Wie heißt der eigentlich?)




Esters
— Wie der heißt, Herr Kollege? Auch dies kann ich Ihnen sagen: Er heißt Herr Kohlmorgen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das ist keine Empfehlung für Esso!)

Es ist dem Herrn Bundesfinanzminister unbekannt. Ihnen ist er jetzt bekannt.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Spricht nicht für seine Marke!)

Ein weiteres Haushaltsrisiko ist die globale Minderausgabe von rund 1,2 Milliarden DM, deren Erwirtschaftung ungesichert ist. Wenn der Haushaltsausschuß seine früheren Beschlüsse zum Instrument der globalen Minderausgabe ernst nimmt, so muß er
— daß heißt namentlich die Koalitionsmehrheit — versuchen, die Einsparungen an konkreten Positionen vorzunehmen oder darauf zu verzichten. Es geht nicht an, daß über die globale Minderausgabe Teile des parlamentarischen Budgetrechts an den Bundesfinanzminister abgetreten werden.

(Walther [SPD]: Unerhört!)

Es ist bedauerlich, daß auch der Nachtragshaushalt 1988 eine solche globale Minderausgabe von 300 Millionen DM vorsieht — ich weiß, daß dies in der Relation ein kleiner Betrag ist —, offenbar um aus kosmetischen Gründen unter einer bestimmten Zahlengröße
— ich nenne einmal 10 Milliarden DM — bleiben zu können.
Jede globale Minderausgabe desavouiert aber die mühsame Arbeit der Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuß. Es ist jedoch bezeichnend, daß der Bundesfinanzminister seit Jahren auf die Keule der globalen Minderausgabe entweder bei Einzelplänen oder insgesamt nicht verzichten kann, um die Dynamik der Neuverschuldung abzubremsen.
Unverändert ein Haushaltsrisiko ist der Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit, der mit 3,3 Milliarden DM knapp veranschlagt wird. Obwohl durch die Entwicklung in den Vorjahren wiederholt widerlegt, unterstellt der Bundesfinanzminister, daß die Defizite der Bundesanstalt durch gesetzliche Anpassung des Leistungsrechts vermindert werden und daß es erhebliche Einschränkungen bei den Ermessensleistungen, ABM-Maßnahmen und Qualifizierungsoffensive, geben wird. Dabei gehen die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, so der jüngste Ifo-Bericht, davon aus, daß es Ende 1988 rund 50 000 Arbeitslose mehr als 1987 und 1989 weitere rund 30 000 mehr geben wird.

(Walther [SPD]: Das sind ja traurige Zahlen!)

Man muß schon ein hartgesottener Fiskalist sein,

(Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wie dieser Weng!)

um auf die Zunahme der Arbeitslosigkeit mit Leistungskürzungen und knappen Haushaltsansätzen zu antworten. Während in der Koalition über neue sozialpolitische Leistungen Scheingefechte geführt werden, findet hier der soziale Abbau zu Lasten der am schwersten benachteiligten Mitbürger statt.

(Beifall bei der SPD)

Einzustellen sind in den Haushaltsentwurf aus verständlichen Gründen die bislang noch nicht berücksichtigten Kosten des Sonderprogramms zur Eingliederung der aus Osteuropa kommenden Aussiedler. Ungewiß ist ferner das ganze Ausmaß der Verpflichtungen, die der Bund für die Airbus-Förderung aufwenden will. Am 28. Oktober 1984 hat der Bundesfinanzminister in der „Welt am Sonntag" erklärt: Von einer wirklichen Konsolidierung kann man erst sprechen, wenn die jährliche Neuverschuldung des Bundes ohne Bundesbankgewinn spürbar unter 20 Milliarden liegt. — Ich glaube, da hat er recht. Sie sind seither, Herr Minister, etappenweise kleinlauter geworden. Und wir hören seit Jahren, daß hier konsolidiert wird. Nur, der Schuldenberg wird nicht kleiner, sondern größer.

(Kühbacher [SPD]: Das ist wohl wahr! Und die Zinsen werden immer höher!)

In Ihrer gesamten bisherigen Amtszeit sind Sie nicht einmal annähernd an diese Zielmarke, die Sie selbst gesetzt haben, herangekommen. Ihr bestes Ergebnis waren 34,8 Milliarden DM im letzten Jahr. 1988 sind es dann wieder knapp 40 Milliarden DM, und nach Ihrem eigenen Finanzplan sind es — trotz massiver Verbrauchsteuererhöhungen — 1989 37 Milliarden DM, 1990 43 Milliarden DM, 1991 41 Milliarden DM und 1992 37 Milliarden DM.

(Kühbacher [SPD]: Schulden sind das!)

Verstärkt verstecken Sie darüber hinaus Ausgaben und Schulden in Schattenhaushalten,

(Dr. Struck [SPD]: Unerhört ist so etwas! — Weitere Zurufe von der SPD)

die zu einer Zeitbombe geworden sind und früher oder später neben der im Haushalt offen ausgewiesenen steigenden Neuverschuldung unsere Finanzkraft sprengen können.
Ich nenne Beispiele: 1983 hatte die Bundesbahn einen Schuldenstand von knapp 36 Milliarden DM und konnte in dem Jahr sogar noch einen Teil ihrer Schulden netto tilgen. Im nächsten Jahr werden es mehr als 46 Milliarden DM sein, 1991 bereits 54 Milliarden DM. Diese steigende Verschuldung wird sich früher oder später im Bundeshaushalt in irgendeiner Form niederschlagen müssen.
Auch die Deutsche Bundespost wird Jahr für Jahr stärker zur Ader gelassen, um Haushaltsdefizite zu schließen.

(Walther [SPD]: Telefonsteuer!)

— Ihre Anregung, Herr Kollege Walther, werden wir der zuständigen Enquete-Kommission weitergeben. —

(Walther [SPD]: Nein, das ist eine Telefonsteuer, die der Stoltenberg da erhebt!)

Von 1983 bis 1988 mußte die Post 28 Milliarden DM an Ablieferungen an den Bund überweisen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die ihr beschlossen habt! Die 10 % sind zu eurer Zeit beschlossen worden!)

— Ihr wart doch sonst immer so schnell dabei, lieber Kollege Friedmann, Dinge, die wir beschlossen hatten
6096 Deutscher Bundestag — l 1. Wahlperiode — 89. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. September 1988
Esters
und die ihr für dusselig hieltet, abzuschaffen. Weshalb denn hier nicht? Weshalb hat's denn hier so lang gedauert? Ihr hattet doch Zeit genug dazu.

(Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/ CSU]: Ihr habt soviel hinterlassen! Es geht nicht auf einmal!)

— Ach!

(Walther [SPD]: Ihr hattet schon sechs Jahre Zeit! Wie lang wollt ihr jetzt noch Zeit haben? — Dr. Struck [SPD]: Sehr gut! Jetzt sagt er nichts mehr, der Herr Friedmann; jetzt hat er kein Argument mehr!)

Entsprechend konnte der Bund natürlich seine Neuverschuldung verkürzen.
Bei der Post mußten jedoch genau 28,2 Milliarden neue Schulden aufgenommen werden. Auch diese 28 Milliarden fehlen in jeder Bilanz des Bundesfinanzministers.
Die Liste läßt sich verlängern. 1987 wurde beim Verstromungsfonds ein neuer Schuldentopf von 2 Milliarden DM zur Entlastung des Bundeshaushalts aufgemacht. Auch dieser Topf läuft schon über.

(Walther [SPD]: Ja!)

Bis Ende 1988 werden über die 2 Milliarden DM hinaus weitere 2 Milliarden für unbezahlte Rechnungen aufgelaufen sein,

(Walther [SPD]: 4 Milliarden DM Schulden!)

für die der Bund haftet. So die jüngsten Prüfungen des Bundesrechnungshofs.

(Walther [SPD]: Richtig! Und was sagt jetzt der kluge Kopf?)

Das sind Risiken im Bundeshaushalt, für die nirgendwo Vorsorge getroffen worden ist.
Weitere 1,6 Milliarden Schulden wurden ebenfalls 1987 bei der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung untergebracht. Mit dieser Aktion konnte der Finanzminister vermeiden, bereits 1987 einen Nachtragshaushalt vorlegen zu müssen.
Auch diese Beispiele sind fortsetzungsfähig. Nicht nur der Bund, sondern auch andere öffentliche Gebietskörperschaften sind in einer tiefen Schuldensituation. In diesem Sommer hat die Staatsverschuldung insgesamt, also im öffentlichen Gesamthaushalt einschließlich Bahn und Post, die Grenze von 1 Billion DM überschritten — eine Zahl, die jede Vorstellungskraft übersteigt. Im Bundeshaushalt müssen bereits jetzt rund 11,8 % — das ist jede zehnte Mark — für Zinsen ausgegeben werden. Dieses Geld fehlt zwangsläufig bei den sozialen Leistungen, bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, im Umweltschutz oder bei den Investitionen. Allein 1988 steigen die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden um 65 Milliarden DM — so der Finanzplanungsrat im Mai. Bahn und Post kommen mit zusammen weiteren 10 Milliarden DM Schulden hinzu.
Sie versuchen, die Bedrohlichkeit der Lage zu kaschieren, indem Sie etliches, was eigentlich aus dem
Bundeshaushalt kommen müßte, Herr Minister, anderswohin verlagern.

(Walther [SPD]: Der Minister ist gar nicht mehr da!)

Ermessen Sie bitte doch einmal selber, inwieweit Sie ihre eigenen Ziele verfehlt haben. Die Öffentlichkeit hat davon offenbar einen stärkeren Begriff als Sie selbst.
Der Nachtragshaushalt 1988, der Haushalt 1989 und der Finanzplan machen nicht sichtbar, wie Sie die haushaltspolitische Zeitbombe des permanenten und wachsenden Haushaltsungleichgewichts entschärfen wollen. Wir wären dankbar, wenn wir im Lauf dieser Beratungen oder der Beratungen im Haushaltsausschuß auf all diese Fragen konkrete Antworten bekommen könnten.

(Beifall bei der SPD — Walther [SPD]: Da hoffen wir leider vergebens!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108902300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rose.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1108902400
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrte Damen! Meine Herren! Ich knüpfe an jene Passagen der Rede des Herrn Bundesfinanzministers an, die die düsteren Prophezeiungen der Sozialdemokraten für die Wirtschafts- und Finanzpolitik widerlegten. Es ist in der Tat entlarvend, mit welchen Horrorzahlen die deutsche Opposition immer wieder Politik zu machen versucht.
Nichts von alledem, was jahrlang angekündigt wurde und auch zu Beginn dieses Jahres Inhalt Ihrer Attacken war, ist eingetreten. Aber das hinderte die Kollegen mit der anderen Feldpostnummer auch heute nicht, den Untergang zu predigen. Kollege Wieczorek hat extra davon gesprochen, daß er, obwohl er Ersatzredner sei, keinen Kurswechsel garantieren könne.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ersatzreserve I!)

Ich weiß nicht, ob das eine Drohung war, aber auf jeden Fall, lieber Kollege Helmut Wieczorek, hoffe ich, daß, nachdem Sie einer der drei Namensträger in Ihrer Fraktion sind, bei Ihnen der Vorname Helmut für bessere Qualität bürgt.

(Walther [SPD]: Soll das ein Witz gewesen sein?)

In Wahrheit ist eine zwar verhaltene, aber durchaus optimistische Zukunftsperspektive in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gegeben. Ich möchte Beispiele nennen.
Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft günstiger als erwartet.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Wir haben nun schon sechs Jahre lang Wachstum. Selbst schlimmste Ereignisse wie der Schwarze Montag des vergangenen Jahres konnten uns wirtschaftspolitisch nicht aus der Bahn werfen. Das war aber nur durch eine konsequente und nicht durch eine wankelmütige Gegenstrategie möglich.

(Uldall [CDU/CSU]: Sehr gut!)




Dr. Rose
Zweitens. Den entscheidenden Impuls für die gute Konjunktur gab und gibt unsere traditionelle Stärke beim Export von Investitionsgütern. Ich möchte an dieser Stelle deshalb ein Lob unseren Unternehmern und den in den Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber auch die von der Bundesregierung getätigte Wirtschaftspolitik trägt dazu bei, daß sich auf diesem Feld positive Zahlen eingestellt haben.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Auch auf dem Inlandsmarkt stieg die Nachfrage und hier wiederum besonders der private Verbrauch. Das hängt natürlich auch mit der Steuerreform zusammen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Eben zusätzliche Kaufkraft!)

Doch es ist nicht so, wie Spötter sagen, daß man aus Angst vor der Quellensteuer noch schnell die Sparbücher geplündert hätte. Es sind insgesamt einfach mehr Mittel zum Verbrauch in der Öffentlichkeit vorhanden; deshalb konnte der Verbrauch angekurbelt werden.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: 14 Milliarden DM mehr Kaufkraft!)

Drittes Beispiel: Die Bausparkassen melden überraschend viel Schwung im Bauspargeschäft. Dieser Schwung ermöglicht zusätzliche Impulse beim Bau. Ich las heute in der „Süddeutschen Zeitung", daß besonders in Bayern und vor allem beim Eigenheimbau große Zuwachsraten, zum Teil bis zu 20 %, zu verzeichnen sind. Hier greift also nicht nur die Wirtschaftspolitik, sondern auch die soziale Komponente. Ich möchte hier auch sagen: Wir wollen die Eigentumsquote beim Wohnraumbau noch deutlich steigern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viertes Beispiel: In manchen Wirtschaftsbranchen boomt es geradezu.

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Was?)

— Es boomt geradezu. Das kann sich ein Norddeutscher vielleicht nicht so vorstellen.

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das ist doch Englisch, Herr Rose!)

Aber in südlichen Bundesländern merkt man das sehr deutlich. Nur haben wir große regionale Unterschiede. Ich kann in diesem Zusammenhang dem Norden, besonders dort, wo er von den Sozialdemokraten regiert wird, deshalb nur wünschen, daß er mit seiner Industriefeindlichkeit aufhört und damit für Industrieansiedlungen attraktiv wird, so daß Arbeitsplätze geschaffen werden können.

(Büchler [Hof] [SPD]: Sie reden doch nur vom Münchener Raum, aber nicht von Oberfranken oder sonstwo in Bayern!)

Meine Damen und Herren, die noch gar nicht — um ein weiteres Beispiel zu bringen — so lange zurückliegende Misere auf dem Ausbildungsstellensektor durch das Vorhandensein zu weniger Plätze droht nun zu einer Misere wegen zu wenig Jugendlicher umzukippen. Beispiel: Das Bäcker-, das Bau- oder auch das Friseurgewerbe zahlen schon Prämien, damit sie überhaupt Jugendliche für ihre Lehrstellen bekommen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Das ging also alles ohne die von der SPD gewünschte Ausbildungsplatzabgabe. Man merkt hier, daß man zwar im Erfinden von zusätzlichen Steuern und Abgaben stark sein kann, damit aber keinen Erfolg hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, gerade die 44 Beispiele von Steuern und Abgaben, die die SPD im Laufe ihrer Regierungszeit und auch noch in der Opposition erfunden hat, sollten uns abschrecken, sowohl 1989 als auch in den 90er Jahren zur SPD zurückzukehren.
Meine Damen und Herren, so gingen also die Angstphantasien der Opposition deutlich an der Wirklichkeit vorbei. Kompetenz haben Sozialdemokraten und GRÜNE auf dem Felde der Wirtschafts- und Finanzpolitik immer noch nicht bewiesen.

(Frau Traupe [SPD]: Und ihr?)

Daran änderte auch der SPD-Parteitag nichts. Was hatte denn Peter von Oertzen schon vor dem Parteitag über den wirtschaftspolitischen Leitantrag gesagt? Er nannte ihn Kunstfleisch mit Ketchupsoße. Ich habe das zwar nicht ganz verstanden, aber vielleicht meinte er, daß man jetzt sagen muß, daß Hackfleisch mit Appelmus das traurige Endergebnis ist; denn zerhackt muß sich die SPD vorkommen, wenn sie ihre eigene, widersprüchliche Haltung betrachtet.

(Zuruf von der SPD: Schwach heute!)

Da befeindet sie einerseits die maßvollen und wegen konkreter Aufgaben notwendigen Verbrauchsteuererhöhungen und will andererseits Riesenbelastungen beim Energieverbrauch.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Doppelter Bezinpreis!)

Da verkündet der Ministerpräsident von der Saar dieses und der Gewerkschaftspräsident vom Neckar jenes, da will man bei den Reichen abkassieren und den Armen mehr geben — oder zumindest so tun — und übersieht, daß Robin Hoods Methoden — oder weil in diesem Jahr ein Jubiläum stattfindet, gar Jack-theRipper-Methoden — heute ebenso fehl am Platze sind wie der Schrei nach mehr Staat.

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Jack the Ripper? Das ist nun aber wirklich dümmlich!)

Die SPD mag zwar auf eine gerechte Verteilung des Sozialprodukts stolz sein, aber, verehrte Frau Matthäus-Maier, Sie sollten sich auch klarmachen, daß es zunächst jemanden braucht, der dieses Sozialprodukt erwirtschaftet. Sie dürfen nicht vergessen, daß unser Industriestandort Bundesrepublik gepflegt werden muß, so stark es irgend geht, und dazu brauchen wir eine marktwirtschaftliche Erneuerung, nicht eine gewerkschaftliche Erstarrung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Manches auf dem SPD-Parteitag war — das gestehe ich durchaus zu — in dieser Hinsicht erfreulich, doch zu einem Regierungsprogramm, lieber Kollege Küh-



Dr. Rose
hacher, reicht es noch lange nicht, und das haben nicht bloß Sie erkannt, sondern auch Ihr Kollege Erhard Eppler, der von einem deutlichen Manko beim Kompetenzzuwachs auf dem wirtschaftspolitischen Felde sprach.
Meine Damen und Herren, ich komme zurück zur Haushaltspolitik. Auch beim eigentlichen Zahlenspiel der 288 Milliarden sieht die Wirklichkeit besser aus, als von der SPD orakelt und als auch von Ihnen, lieber Kollege Esters, dessen Sachverstand ich ja durchaus sehr schätze, eben in anderem Zusammenhang nochmals vorgetragen worden ist. Denn wir haben eine strenge Ausgabendisziplin. Sie können ja der Bundesregierung dann, wenn Sie Ausgaben tätigen muß, die zugunsten anderer Haushalte erfolgen, z. B. beim EG-Haushalt, z. B. bei den strukturschwachen Ländern, nicht vorwerfen, daß sie als Bundesregierung unredlich wirtschaftet. Das kann man auf keinen Fall miteinander in Zusammenhang bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Esters [SPD]: Das habe ich auch nicht gesagt!)

In diesem Zusammenhang sollte man auch die Höhe der Neuverschuldung sehen. Man muß sehen, für was Neuverschuldung erforderlich ist, wo die neuen Aufgaben liegen und warum man also vorübergehend höhere Zahlen in Kauf nehmen muß.

(Frau Garbe [GRÜNE]: Für den Airbus z. B.!)

Eine strenge Ausgabendisziplin im laufenden Jahr macht es möglich, daß die geplante Ausgabensteigerung trotz Nachtragshaushalt nicht überschritten wird. Da verstehe ich überhaupt nicht, daß der Kollege Helmut Wieczorek vorhin von einem Heruntermanipulieren sprach. Wir sollten doch froh darüber sein, daß sich die realen Zahlen besser darstellen als die zuvor geplanten. Das ist doch besser als umgekehrt. Wir sollten deshalb dafür dankbar sein, daß die Bundesregierung eine sehr strenge Ausgabendisziplin gefahren hat, um damit auch manches wieder einzusammeln, was man vorher vielleicht meinte ausgeben zu müssen. Mit 2,4 % ist die Ausgabensteigerung im Jahre 1988 also trotz Nachtragshaushalt äußerst maßvoll.
Blicken wir auf die ersten fünf Jahre unserer Regierungszeit zurück: Wir gingen im Jahresdurchschnitt nicht über 2 % Zuwachs hinaus. Das muß uns erst einmal einer nachmachen. Das war auch ein deutliches Signal dafür, daß der Staat nicht mehr der Moloch sein wollte, der er unter der SPD-geführten Regierung noch war. Niemals in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik ist auch nur annäherend so lange so sparsam gewirtschaftet worden, und dagegen spricht auch nicht der Anstieg der Schulden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn jetzt für 1989 eine Steigerungsrate von 4,6 % vorgesehen ist, dann weiß jeder warum und vor allen Dingen auch, daß dies einmalig ist. Denn in der Finanzplanung der kommenden Jahre sind wiederum nur zwischen jeweils 2 und 2,5 % Mehrausgaben vorgesehen. Die Staatsquote, die von rund 40 % anfangs der siebziger Jahre auf tast 50 %
am Ende der SPD-Zeit im Jahre 1982 hochgeschnellt war, kam 1987 schon wieder auf unter 47 % zurück.
Unser Ziel ist es, diesen Entstaatlichungskurs fortzusetzen, und unser fester Wille ist es auch, die Steuer- und Abgabenquote deutlich zu senken. Uns ist es lieber, stabile Preise, niedrige Zinsen und marktwirtschaftliche Freiräume zu haben, als mit Umverteilungshänden den deutschen Steuerzahler auszuplündern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Bundeshaushalt soll die großen Linien aufzeigen. Er soll einen Beitrag zur Finanzsolidität und zum Wirtschaftswachstum leisten; er soll einen Beitrag zur Investitionsanregung und zur Arbeitsmarktbelebung, zur Zukunftsteuerung und zur Steuergerechtigkeit leisten. Er soll aber auch der regionalen Ausgewogenheit dienen und weltwirtschaftliche Aspekte ausstrahlen.
Dr. Stoltenberg hat in nüchternen Zahlen diese Grundlinien gezogen. Er hat vor allem deutlich gemacht, daß es am Willen zur Sparsamkeit nicht mangelt. Auf diesem Weg kann ich ihn nur bestärken. Es ist auch vorhin von unseren Rednern, von Herrn Carstens und von Herrn Dr. Weng, so gesagt worden.
Risiken gibt es genug. Wir werden bei den jetzt beginnenden Einzelberatungen im Haushaltsausschuß diese Risiken gründlich erörtern, egal ob es sich um Mindereinnahmen oder Umschuldungsverluste zugunsten von Ländern der Dritten Welt handelt, ob es um das Aussiedlerprogramm oder um die Bundesbahn geht, ob es sich um die Schwierigkeiten beim Airbus, bei der Kohle oder bei der Bundesanstalt für Arbeit dreht. Alle Punkte müssen sorgfältig beraten und auf ihre Haushaltsvereinbarkeit abgeklopft werden. Wer diese Risiken bedenkt, spürt, daß keine neuen Verteilungsspielräume in Sicht sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von der Koalition, ich kann in diesem Zusammenhang nur jetzt schon, also rechtzeitig, davor warnen, aus momentanen Silberstreifen gleich goldene Kälber zu formen. Ich muß deshalb auch unsere grundsätzliche Zustimmung zu den maßvollen Steuererhöhungsplänen der Bundesregierung geben. Denn dabei handelt es sich um Einnahmen, damit man längerfristige Aufgaben und Ausgaben tätigen kann, die auch bei größter Sparsamkeit nicht anders gedeckt werden können, die aber notwendig und sinnvoll sind.
Niemand wird behaupten, daß z. B. ein etwas höherer Benzinpreis die Konjunktur abwürgt. Wenn man bei 1,50 DM noch fahren konnte und wollte, dann wird man bei 1,10 DM — wie der Benzinpreis nach der Mineralölsteuererhöhung vielleicht sein wird — ebenfalls fahren. Ganz im Gegenteil: Wenn man die zusätzlichen Einkommen sieht, dürfte 1,10 DM weit weniger belasten als früher 1,50 DM.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die SPD will den Preis verdoppeln!)

— Danke, Kollege Friedmann; das habe ich ja vorhin schon erwähnt. — Sie machen ja mit ihrer Energieverbrauchsteuer etwa viel Schlimmeres.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist bei denen eine soziale Wohltat!)




Dr. Rose
Auf jeden Fall tragen diese notwendigen, aber sehr maßvollen indirekten Steuern auch zu einer Gleichgewichtung von direkten und indirekten Steuern bei, so daß man auch hier sagen muß: Finanzpolitisch gesehen ist diese Maßnahme ausgewogen.
Betrachtet man, meine Damen und Herren, nicht bloß den Bundeshaushalt 1989, sondern auch den neuen Finanzplan, so wird der Zwang zum Sparen noch deutlicher. Insofern kann ich der Opposition nur dankbar sein, daß sie heute auch diese Risiken, vielleicht sogar auch so versteckte Sparkassen und manchen vielleicht so zu bezeichnenden Schattenhaushalt angeführt hat. Denn man muß wirklich Begehrlichkeiten schon am Anfang bremsen, und der Zwang zum Sparen wird immer deutlicher.

(Frau Traupe [SPD]: Das ist richtig, Herr Kollege! Wir messen Sie 1990 an Ihren Worten!)

Verschiedene neue Schwerpunkte sollten trotzdem neue Akzente setzen. Um diese aber zu finanzieren, muß andernorts abgespeckt werden.
Ich möchte einige vernünftige Zweckbestimmungen aus meiner Sicht, auch aus der Sicht des dritten Koalitionspartners nennen. Wir glauben, daß der Ausbau beim Hochschulwesen durchaus noch zusätzliche Ausgaben verträgt. Der Hochschulbau ist für uns eine wichtige Aufgabe.

(Beifall des Abg. Gattermann [FDP])

Meine Damen und Herren, wir glauben auch, daß für überbetriebliche berufliche Ausbildung sowie für die Grundlagenforschung oder für die Umweltvorsorge Schwerpunkte gesetzt werden sollten. Genauso wichtig erscheinen mir die modernen Schlüsseltechnologien, die Weltraumprojekte, aber auch die äußere Sicherheit zu sein.
Man kann zwar viel vom ewigen Frieden reden — darüber gab es schon im 18. Jahrhundert philosophische Abhandlungen — , man kann auch heute viel von Abrüstung reden, aber zum Nulltarif bekommt man diesen ewigen Frieden garantiert nicht. Das beliebte Spiel, das auch wir im Haushaltsausschuß gerne gemacht haben, bei den Streichorgien zunächst einmal den Verteidigungshaushalt zu betrachten, scheint mir in diesem Jahr zumindest überprüfungsnötig zu sein, auch unter dem Aspekt, nicht im investiven Teil zu kürzen, sondern höchstens, wenn überhaupt, im konsumtiven. Das gilt im übrigen auch beim Fernstraßenbau und bei verschieden anderen Maßnahmen, die ich gerade aus bayerischer Sicht betone.
Wenn ich, meine Damen und Herren, schon jetzt eine Bewertung des Haushalts 1989 vornehmen darf: Mich versöhnt der strikte Sparkurs, der trotz der einmaligen Steigerung um 4,6 % festzustellen ist. Der Aufwuchs ist — ich sage es nochmals — bekanntlich wegen der Unterstützung strukturschwacher Bundesländer entstanden, hat also nichts mit staatlicher Verschwendungssucht und schon gar nichts mit Verschwendungslust bei der Bundesregierung oder beim Bundeshaushalt zu tun. Etwaige Mehreinnahmen, wie sie in der letzten Zeit durch die Öffentlichkeit gegeistert sind — durch Bundesbankgewinn oder höhere Steuern oder was sonst immer — , müssen zur
Rückführung der Neuverschuldung und vor allen Dingen zur Tilgung der Altschulden verwendet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dann geht auch die Zinsbelastung zurück, die sonst ab 1991 zu einem größeren Betrag führen würde, als sie nach dem Investitionsvolumen sein dürfte. Meine Damen und Herren, das darf nicht eintreten. Der Haushaltsausschuß hat deshalb erneut ein gewaltiges Stück Arbeit vor sich.
Vielleicht darf ich zum Schluß noch einige Sätze zur Stimmung im Lande sagen. Die „Frankfurter Rundschau" , die ja nicht unbedingt sehr regierungsfreundlich oder gar CSU-freundlich ist, schreibt heute, daß bei den Koalitionären, also bei der CDU, CSU und FDP, die Stimmung sehr viel schlechter sei als die Lage und umgekehrt bei der SPD und den GRÜNEN die Stimmung sehr viel besser als gerechtfertigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Blatt meint weiter, das Stimmungshoch kam wohl zwei Jahre zu früh. Es kam sogar nur ein paar Tage zu früh, denn der Parteitag selber hat nach den Umfrageergebnissen dieses Stimmungshoch deutlich umgekehrt. Aber darauf kann man sich sowieso nie verlassen. Ich möchte Ihnen deshalb durchaus Mut machen: Wenn Sie so weitermachen, wird sich dieses Stimmungshoch bei Ihnen noch halten.

(Esters [SPD]: Das ist reizend von Ihnen!)

Die Stimmungsergebnisse, d. h. die Stimmergebnisse des Jahres 1990 werden dann mit Sicherheit anders sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genau so ist aber die Lage. Für die Koalition besteht die Aufforderung, wirtschaftspolitischen Optimismus zu zeigen. Für die Opposition aber ist der Rat angebracht, die Zeichen der modernen Zeit zu erkennen.

(Esters [SPD]: Ja!)

— Will die Bundesrepublik, lieber Kollege Esters, auch im Europa der 90er Jahre bestehen, dann braucht sie mehr wirtschaftlichen Spielraum und weniger Gängelung, dann braucht sie mehr steuerliche Unternehmensentlastung und weniger Umverteilung,

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Intelligenz statt Quoten!)

dann braucht sie mehr Arbeitsflexibilität und weniger Erstarrung. Lafontaine als Grenzland-Ministerpräsident spürt offenbar eher — allerdings glaube ich, daß Herr Apel, das auch schon wußte; aber deshalb ist er in die Wüste geschickt worden — , was die Stunde geschlagen hat. Auch andere Sozialisten spüren es. Ich selber wohne an der Grenze zu Österreich. Das berühmte Beispiel, daß die Spitzensteuer von den Sozialisten Österreichs rechtzeitig abgesenkt wurde, ließe sich fortsetzen: Die sozialistische Bundesregierung in Österreich führt inzwischen Arbeitszeitflexibilität ein, möchte Dienstleistungsstunden am Abend einführen, die Wochenendarbeitszeit überprüfen und vieles andere mehr. Das sind genau jene Forderun-



Dr. Rose
gen, die Lafontaine gestellt hat und die an eine moderne Wirtschaft zu stellen sind.
Ich kann deshalb nur hoffen, daß die Opposition ihre historische, aber auch ihre europäische Verantwortung erkennt und deshalb nicht bloß den Bundeshaushalt kritisch begleitet, sondern auch wirtschaftspolitisch auf einen vernünftigen Kurs einschwenkt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Esters [SPD]: Worauf du dich verlassen kannst!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108902500
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Rust.

Bärbel Rust (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1108902600
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! 52 % der Bevölkerung sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehr und mehr dazu übergegangen, offensiv eine drastische Verbesserung ihres Lebens einzufordern. Diese 52 % unterscheiden sich vom Rest durch ihr Geschlecht: sie sind Frauen. Es ist also an der Zeit, die Finanz- und Haushaltspolitik dieser Regierung endlich auch am Anspruch der weiblichen Bevölkerungsmehrheit zu messen. Denn: Immer noch ist die übergroße Mehrheit aller Sozialhilfeempfänger Frauen, immer noch liegen Frauenrenten viel zu oft unter Sozialhilfeniveau, immer noch sind Frauen in Ausbildung und Beruf benachteiligt. Also ein lohnendes Betätigungsfeld für eine tatkräftige Regierung: Einschneidende Maßnahmen sind angesagt, viel Geld ist für eine wirklich schwungvolle Frauenpolitik erforderlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nehmen wir uns als Beispiel das Problem der beruflichen Wiedereingliederung vor. Derzeit kehren rund 320 000 Frauen nach Kindererziehungs- oder Pflegephasen auf den Arbeitsmarkt zurück. Ca. 2 Millionen planen ihre Rückkehr in den kommenden fünf Jahren. Die meisten dieser Frauen haben während ihrer Berufspause einen spürbaren Qualifikationsverlust erlitten; nach längerer Unterbrechung ist ihre Berufsausbildung sogar keinen Pfifferling mehr wert. Ergebnis: Sie sind nur weit unter Qualifikation oder überhaupt nicht vermittelbar. Hier wären also massive Qualifikationsmaßnahmen angesagt. Doch einer solchen Forderung ergeht es wie vielen anderen. Es erschallt von allen Seiten sofort der Ruf: „Nicht finanzierbar. " Warum eigentlich?

(Frau Garbe [GRÜNE]: Weil sie nicht hinhören! Die kennen das Problem nicht!)

Gibt es nicht eine männliche Vergleichsgruppe, bei der dergleichen sehr wohl finanzierbar ist? Es gibt sie, nämlich Soldaten, und zwar die, die sich als Zeitsoldaten bei der Bundeswehr verpflichten. Nach Unterbrechung ihres Berufslebens zwischen 2 und 12 Jahren wird ihnen selbstverständlich nicht zugemutet, mit leeren Händen und Qualifikationsverlust auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Sie werden mit Abfindungen verabschiedet, machen Vorbereitungskurse, werden umgeschult und machen Ausbildungen bis hin zur Finanzierung eines Hochschulstudiums; auf Kosten der Steuerzahler, versteht sich. An Klagelieder angesichts der Kosten dieser Wiedereingliederungshilfe kann ich mich nicht erinnern.
Also will ich einmal mutig sein und fordern: Das will ich für Frauen auch.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Frau Matthäus-Maier [SPD])

Personen, die wegen Kinderbetreuung oder Krankenpflege befristet aus dem Berufsleben ausscheiden, sollen das Recht haben, den Arbeitsmarkt mit mindestens der gleichen Qualifikation wieder zu betreten, mit der sie ihn verlassen haben. Wohlgemerkt: Personen, nicht Frauen; denn ich will ja die Männer nicht daran hindern, in Zukunft unverdrossen in Kindererziehung und Krankenpflege einzusteigen. Nichts liegt mir ferner.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Realisiert werden könnte ein solches Recht etwa folgendermaßen: Drei Jahre lang Wiedereinstellungsgarantien, bei mehreren zu betreuenden Personen sechs Jahre, bei längerer Unterbrechung der Berufstätigkeit Recht auf Finanzierung einer Berufsausbildung oder eines Studiums z. B. über BAföG-Höchstsatz. Kostenpunkt: ca. 1 Milliarde DM. Traumtänzerei? Bei Zeitsoldaten doch offenbar nicht, warum also bei Frauen?
Doch nun zum ernüchternden Blick auf die Politik dieser Bundesregierung. Frau Süssmuth kündigt ein Modellprojekt für Berufsrückkehrerinnen an, Volumen 30 Millionen DM. Die Beratung der rückkehrwilligen Frauen ist mit 6 Millionen DM in ihrem Haushaltsplan abgesichert. Darüber hinaus kündigt sie Lohnkostenzuschüsse bei Wiedereintritt ins Berufsleben über eine Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes an. Bezahlt werden diese Zuschüsse dann von der Bundesanstalt für Arbeit. Gleichzeitig überrascht uns aber Herr Blüm mit der Ankündigung, die Leistungen genau derselben Bundesanstalt für Arbeit um ca. 1,8 Milliarden DM einzuschränken. Damit fallen also auch diese Mittel zur beruflichen Wiedereingliederung einer drastischen Kürzung anheim. Unter dem Strich bleibt für Frau Süssmuths Reform also weniger als vorher. Eine wahrhaft überzeugende Regierungspolitik!
Wem sollen wir nun glauben, Frau Süssmuth, die ihren guten Willen bekundet, oder Herrn Blüm, der guten Willen und Optimismus herauskehrt, bei gleichzeitiger Radikalamputation der erforderlichen Mittel? Oder scheitert die Frauenpolitik am Finanzminister, und was sagt eigentlich der Kanzler dazu?

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Der ist gar nicht da!)

Es wird klar, für Sonntagsreden beliebiger Couleur bleibt den einzelnen Regierungsmitgliedern beachtlicher Spielraum, für Frauenpolitik allerdings bleibt Finanzvolumen eine Marginalie.
Nun sollte „frau" annehmen, daß zumindest für Reformen, die überhaupt kein Geld kosten, ein gewisser Spielraum vorhanden ist. Doch weit gefehlt! Unser kostenneutrales Quotierungsgesetz und die mehr als 30 frauenpolitischen Anträge, die wir zum letzten Haushaltsjahr einbrachten, wurden mit großer Mehrheit abgelehnt. Ein einziger Antrag kam durch.
Es wurde im Haushaltsausschuß beschlossen, in die Stellenpläne des Bundes auch die weibliche Amtsbe-



Frau Rust
zeichnung aufzunehmen: Statt „Bezüge des Bundesministers" sollte es ab 1989 heißen: „Bezüge des Bundesministers/der Bundesministerin". Doch selbst diese absolut kostenneutrale Änderung droht am Einspruch der Regierung zu scheitern.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Hauptsache, sie kriegen das gleiche Geld!)

Mit Schreiben vom 30. Juni 1988 läßt der Finanzminister dem Ausschuß mitteilen, der Beschluß werde wegen mannigfaltiger Schwierigkeiten nicht umgesetzt. Die Benennung eines weiblichen Ministers mit der schlichten Formulierung „Ministerin" sei nämlich gar nicht so einfach, wie unbedarfte Parlamentarierinnen in ihrem naiven Gemüt annehmen. Zum Beispiel lasse sich noch nicht absehen — Zitat — , „wie sich die mit Schrägstrichen versehenen männlichen und weiblichen Amtsbezeichnungen auf die Fassung anderer Vorschriften auswirken und deren äußere Gestaltung präjudizieren würden".

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Eine wirklich heimtückische Gefahr, auf die uns die Regierung hier hinweist!

(Beifall der Abgeordneten Frau MatthäusMaier [SPD])

Man stelle sich vor, es könnte einfach so Usus werden, überall per männliche/weibliche Amtsbezeichnung zu dokumentieren, daß auch die Besetzung von hochdotierten Posten mit Frauen in den Bereich des Denkbaren gerückt ist, oder aber weibliche Minister würden nicht mehr täglich durch ihren Briefkopf mit der Amtsbezeichnung „Der Bundesminister für ... " daran erinnert, daß sie auf diesem Posten ursprünglich nicht vorgesehen waren und nur die Ausnahme sind, die ja bekanntlich die Regel bestätigt!

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier [SPD])

Es wäre gar nicht auszudenken, die betreffenden Damen würden nachgerade übermütig. Frau Wilms würde über die Stränge schlagen, von Frau Süssmuth wollen wir gar nicht reden.
Ganz abgesehen von diesen Problemen gilt es laut Regierung auch noch Formalien zu beachten, denn der Rechtsausschuß meldet „Beteiligungsrechte" an und ist darüber hinaus auch noch „federführend", zwei weitere Ausschüsse sind in die höchst komplizierten Beratungen einzubeziehen, und auch „aus den Reihen der Länder" wird auf die nötige Absprache vor „grundlegenden Änderungen" hingewiesen. Frage an die Bundesregierung: Können wir noch vor der Jahrtausendwende mit ersten Zwischenergebnissen rechnen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

oder sollen wir jetzt schon unseren Töchtern den Rat geben, sich mit ganz viel Geduld zu wappnen?

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Aber die könnten doch auch so ihr Briefpapier ändern!)

Weitere Frage: Wie lange soll der weibliche Teil der Bevölkerung diese Erbsenzählerei eigentlich noch ernst nehmen? Es geht um die Durchsetzung von Selbstverständlichkeiten, die hier durch bürokratische Schikanen auf die lange Bank geschoben werden. Ich fordere die Regierung auf: Unterlassen Sie ab sofort Ihre Bremsversuche! Weibliche Amtsbezeichnungen gehören in die Stellenpläne aufgenommen, und zwar sofort und ohne weiteres Lamento.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Frau Matthäus-Maier [SPD])

Ich fordere einen Haushalt für Frauen, der die Lebensrealität für Frauen verbessert, der Taten statt leerer Versprechungen bietet. Ich fordere Erhöhung der Sozialhilfe um 30 %, Einführung einer Mindestrente von 1 200 DM monatlich, Gewährleistung der Rückkehr von Frauen ins Berufsleben, spürbare Verbesserungen für Alleinerziehende, Gleichberechtigung der Frauen in Ausbildung und Beruf, Quotierung der Erwerbsarbeitsplätze.
All das bietet dieser Haushalt nicht, all das will diese Regierung auch gar nicht. Wohin der Weg mit dieser Regierung geht, zeigt das Wachstum des Frauenanteils an den Beschäftigten der obersten Bundesbehörden, auf das so gern und stolz verwiesen wird. Ich habe mal nachgerechnet, wie lange es dauern wird, bis auch in den höheren Besoldungsgruppen ein Frauenanteil von 50% erreicht sein wird. Ergebnis: Behält die Regierung ihr atemberaubendes Tempo bei, dann dauert es noch 473 Jahre. 500 Jahre! Dazu kann ich nur sagen: Nein, danke. Ich fordere die Quotierung der Erwerbsarbeitsplätze, und zwar jetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108902700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1108902800
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist interessant, über welche Themen man im Rahmen der Haushaltsdebatte alles sprechen kann. Wenn man die Quotierung der Arbeitsplätze vornimmt, so gibt es einen Bereich, wo es überhaupt keine Vorbestimmung gibt, nämlich den Bereich der Selbständigen. Wenn sich also die Frauen besonders betätigen wollen, gibt es keinerlei Hinderungsgrund, sich als Selbständige zu betätigen.

(Frau Vennegerts [GRÜNE]: Keine Ahnung hat der Junge!)

Aber ich kann Ihnen sagen: Die SPD ist in Ihrem Sinne auf gutem Wege; denn die SPD-Bundestagsfraktion wird jetzt nur noch, nämlich zu 100 %, von Frauen vertreten. Insgesamt zwei sind anwesend.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das zeigt, daß die Quotenregelung anscheinend noch ernster genommen wird, als sie seinerzeit eigentlich gedacht war.

(Erneute Heiterkeit — Frau Traupe [SPD]: Hinter Ihnen steht ein männliches Mitglied unserer Fraktion!)

Meine Damen und Herren, der Pep ist aus dieser Haushaltsdebatte ja etwas heraus. Das zeigt ja auch diese schwache Beteiligung. Im Grunde genommen müssen die Koalitionsfraktionen auch noch die Aufgabe der Opposition übernehmen. Die Opposition versagt ihren Dienst. Sie hat uns im Stich gelassen.



Dr. Solms
Die entscheidenden Oppositionsvertreter in der Finanzpolitik haben sich ja abgemeldet oder sind dazu gezwungen worden, sich abzumelden.

(Frau Traupe [SPD]: O Gott!)

Nun müssen wir die Sache von beiden Seiten übernehmen. Das ist natürlich hinderlich, weil wir auch eine Herausforderung brauchen. Wenn wir von der Opposition nicht herausgefordert werden, könnte es ja sein, daß wir in unseren eigenen Anstrengungen nachlassen. Das würde natürlich zu einer schlechten Politik führen.
Ich will diese Oppositionsaufgabe aber auch deshalb nicht übernehmen, weil ich meine, daß der Haushalt, der vorgelegt worden ist, vernünftig ist und daß wir ihm zustimmen können. Wir sollten, und zwar alle Seiten dieses Hauses, die Anstrengungen insbesondere zur Sanierung des Haushalts, zur gesünderen Gestaltung des Haushalts in der Zukunft voll unterstützen.
Wir können ja bei der Sanierung der Staatsfinanzen, dem Abbau der öffentlichen Neuverschuldung, der Rückführung des Staatsanteils und der Senkung der Abgabenlast bis 1987 auf eindrucksvolle Erfolge verweisen. Die Staatsquote, der Anteil der Staatsausgaben an der gesamtwirtschaftlichen Leistung, ist von 1982 bis 1987 von 50% auf 46,8 % gesunken. Gemessen am Bruttosozialprodukt konnte der Umfang der öffentlichen Defizite von 4,9 % im Jahr 1981 auf 2,5 % im Jahr 1987 abgebaut werden.
Der Ausgabenzuwachs betrug in den Jahren 1983 bis 1987 im Jahresdurchschnitt weniger als 2 %. Insbesondere durch die Steuersenkungen 1986 bis 1988 ist es gelungen, die Steuer- und Abgabenquote deutlich zu senken. Das hat ja den entscheidenden Beitrag dazu geleistet, daß wir so gesunde Wirtschaftszahlen erkennen und vorweisen können, wie sie der Bundesfinanzminister heute morgen ganz aktuell vorgetragen hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das ist ein Ergebnis dieser Politik. Deshalb müssen wir diese Politik fortsetzen; denn das ist eine Politik für den Bürger und eine Politik gegen Bürokratie und gegen Umverteilung.
Wir dürfen natürlich nicht dem Glauben verfallen, daß wir, wenn sich bessere Einnahmen abzeichnen — wo auch immer — , sofort neue Ansprüche wecken könnten. Wir, die Politiker auf allen Seiten dieses Hauses, haben viele Jahre lang immer wieder Ansprüche in der Bevölkerung geweckt, die wir langfristig nicht erfüllen können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Leider!)

Deswegen ist diese Art der Verführung des Bürgers, um Wahlstimmen zu bekommen, ein falscher politischer Ansatz.

(Schulhoff [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir müssen darauf hinweisen, daß wir uns nur das leisten können, was vorher die Bürger verdient haben; denn von deren Steuergeldern müssen wir ja die staatlichen Ausgaben finanzieren.
Die FDP ist deshalb auch dafür — das will ich ganz offen erklären — , daß die Verbrauchsteuern wie geplant angehoben bzw. eingeführt werden, wenn uns auch die Einführung einer neuen Steuer, nämlich der Erdgassteuer, schwergefallen ist. Aber wir stehen in der Gesamtverantwortung. Wir haben bereits bei den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr letzten Jahres darauf hingewiesen, daß wir zur Finanzierung der europäischen Kosten, die neu auf uns zukommen, die Verbrauchsteuern heranziehen müssen. Wie Sie wissen, steigen die Kosten aus Europa bis zum Jahre 1992 stufenweise auf ein Volumen von über 9 Milliarden DM im Jahr an. Das ist aus dem Haushalt zusätzlich zur Steuerreform nicht finanzierbar. Dazu müssen diese Verbrauchsteuern angehoben werden. Das müssen wir dem Bürger ganz offen sagen, und das tun wir hiermit. Ich glaube, es ist dem Bürger lieber, es wird ihm klar und deutlich gesagt, was er zu leisten hat, was wir leisten und war wir ihm durch den Abbau der Steuern wieder zur Verfügung stellen, als wenn wir versuchen würden, alles zu verbergen, zu verschleiern, und im Endeffekt der Bürger sehen müßte, daß er es über die schlecht finanzierten Haushalte wieder neu finanzieren müßte.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben darüber hinaus unausweichliche Ausgaben zu finanzieren, beispielsweise das Programm für die strukturschwachen Räume in der Bundesrepublik, beispielsweise zusätzliche Lasten zur Eingliederung der Aussiedler — eine Aufgabe, der wir uns nicht verschließen können —, beispielsweise den höheren Bundeszuschuß zur gesetzlichen Rentenversicherung oder auch die Programme zur Flächenstillegung bzw. zur Produktionsaufgaberente für die Landwirtschaft, die sich in einem äußerst schwierigen Strukturanpassungsprozeß befindet.
Aber darüber hinaus gibt es keinen Anlaß, jetzt über neue Leistungsgesetze nachzudenken.

(Beifall bei bei der FDP)

Nach Meinung der FDP muß eines ganz klar sein: Wenn es zusätzliche Einnahmen gibt, wenn die Steuerquellen noch besser fließen, als man es im Moment sieht, oder wenn es einmalig einen höheren Bundesbankgewinn geben sollte — das weiß heute kein Mensch —, dann müssen diese zusätzlichen finanziellen Mittel genutzt werden, um die Neuverschuldung des Staates zu reduzieren bzw. um die Staatsschulden abzubauen. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt,

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das ist ganz klar; darauf muß sich alles richten. Denn zur Zeit der Koalitionsverhandlungen war die Grundlage der Verhandlungen die Finanzplanung 1986. Noch 1986 sind wir von einer Neuverschuldung für 1989 und 1990 von jeweils etwa 25 Milliarden DM ausgegangen. Wenn wir also heute für das nächste Jahr eine Neuverschuldung von 32 Milliarden DM planen, so sind wir noch weit von dem Betrag entfernt, der damals Verhandlungsgrundlage für den Koalitionsvertrag war. Im Koalitionsvertrag steht, daß wir abgesprochen hätten, nach zwei Jahren dieser Legislaturperiode sollte über neue Leistungsgesetze disku-



Dr. Solms
tiert werden und man sollte sehen, ob da ein Bewegungsspielraum vorhanden sei. Dazu muß man wissen, daß ein Bewegungsspielraum theoretisch nur dann vorhanden ist, wenn die Neuverschuldung im nächsten Jahr unter 25 Milliarden DM sinken würde — nicht unter 32 Milliarden DM, sondern unter 25 Milliarden DM!

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur das wäre die Basis für solche zusätzlichen Leistungsgesetze.
Dies alles ist wichtig vor dem Hintergrund der eindrucksvollen Zahl einer Gesamtverschuldung aller öffentlichen Kassen, auch der Sondervermögen, von 1 000 Milliarden DM; denn das führt dazu, daß die öffentlichen Haushalte im Jahr nahezu 70 Milliarden DM an Zinsen zahlen müssen. Das ist eine sehr eindrucksvolle Zahl. Das zeigt, daß der Weg in dieser Weise nicht weiter beschritten werden darf, sondern daß dieses Ausreißerjahr 1988 ein einmaliger Sonderfall im Rahmen der Politik dieser Koalition sein muß und daß wir wieder an die langfristige Entwicklung von 1983 bis 1987 anknüpfen müssen, die nämlich dazu beigetragen hat, daß die wirtschaftliche Erholung und die Erholung der verfügbaren Einnahmen der Bürger so deutlich spürbar wurden.
Meine Damen und Herren, wenn es um die Zukunftsaufgaben geht und wenn es um die Frage geht: Was müssen wir für die letzten zehn Jahre dieses Jahrtausends wirklich finanzieren?, dann müssen wir uns überlegen, wie wir den Strukturwandel in der Bundesrepublik deutlich unterstützen und begleiten können, damit unsere Kinder auch noch in der Zeit, wo sie im Arbeitsleben sind, dauerhafte, sichere und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze erwarten können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir können das Geld nicht heute ausgeben ohne Rücksicht darauf, was dann in zehn Jahren sein wird. Sie sehen ja die Entwicklung in den anderen industriellen Ländern: Der Wettbewerb zwischen den Nationen um die Investitionsbedingungen in den Ländern wird immer stärker. In vielen anderen Ländern werden die Steuern gesenkt, sind die Arbeitsbedingungen flexibler und ist man anpassungsfähiger geworden. Diesem Wettbewerb müssen wir uns stellen. Das ist die eigentliche Aufgabe für die nächste Legislaturperiode. Sie liegt nämlich darin, die Bundesrepublik als Investitionsstandort genauso wie als Finanzplatz zu stärken; denn nur ein gesunder Finanzplatz, der leistungsfähig ist und eine billige Finanzierung für die mittelständische Wirtschaft ermöglicht, kann auch von dieser Seite her die Voraussetzung bieten, daß wir auf Dauer wettbewerbsfähig sind.
Dazu gehört natürlich ein weiterer Abbau der Subventionen, und zwar nicht nur im Bereich der steuerlichen Subventionen, wo wir ja einen einmaligen Fortschritt erzielt haben, sondern auch im Bereich der direkten Finanzhilfen. Ich möchte den Bundesfinanzminister daran erinnern, daß ursprünglich einmal ausgemacht worden ist, daß dazu auch ein Vorschlag gemacht wird. Ich meine, wenn man sich schon nicht auf den Vorschlag einigen kann, mit der Rasenmähermethode einen bestimmten Prozentsatz bei allen abzubauen,

(Zuruf von der FDP: Das kommt noch!)

dann muß man sich darauf konzentrieren, in den Feldern, auf denen Abbaumöglichkeiten, Einsparmöglichkeiten bestehen, auch die — wenn auch unpopulären — Maßnahmen zu treffen. Ich glaube, damit müssen wir uns noch in dieser Legislaturperiode befassen.
Zu den Forderungen der FDP zur Gesundung des Investitionsstandorts Bundesrepublik Deutschland oder, sagen wir besser: zur Wettbewerbsfähigkeit, gehört beispielsweise eine Begrenzung der Lohnnebenkosten. Wir haben ja bereits bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung den einfachen Weg vermieden, die Beiträge anzuheben. Das ist eine wichtige Entscheidung gewesen. Dazu gehört die Absenkung der Steuer- und Abgabenlast der Unternehmen. Eine Reform der Unternehmensbesteuerung in der nächsten Legislaturperiode ist aus der Sicht der FDP ein zentrales Anliegen für die Finanz- und Wirtschaftspolitik. Ich nenne weiter die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Einschränkung der Bürokratie, Fortschritte bei der Privatisierung. Dazu gehören kapitalmarktpolitische Anliegen wie beispielsweise die Beseitigung der Börsenumsatzsteuer und der Gesellschaftsteuer. Dazu gehört eine Reform des Aktienrechts. Noch in dieser Legislaturperiode werden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um einen Termin- und Optionsmarkt auch in der Bundesrepublik zu erlauben. Wir wollen aber auch eine Gesamtreform des Börsenrechts durchführen. Dazu gehört auch die Reform des Kapitalanlagegesellschaftengesetzes, also eine Reform der Investmentfonds.
Oskar Lafontaine hat — das ist mein Eindruck — wohl erkannt, daß die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Zukunft so aussehen muß, wie ich es mit wenigen einzelnen Stichworten angesprochen habe. Die SPD als Ganzes kämpft noch mit der Vergangenheit. Das ist mein Eindruck vom Parteitag in Münster. Sie kann sich bis jetzt nicht aus der Umklammerung der Gewerkschaften lösen, die aber nicht das Interesse der Bevölkerung, sondern allein eigene Organisationsinteressen im Sinne haben. Es kann nicht Aufgabe einer Volkspartei sein, sich hinter die Ziele einer Interessenorganisation zu stellen, die nicht die Interessen der Gesamtbevölkerung vertritt. Ich bedauere, daß diese Entwicklung so ist. Mir wäre es lieber, die SPD würde sich diesen Zukunftsgedanken öffnen, aber wir müssen mit der SPD leben, wie sie sich uns bietet.
Wir müssen unsere finanziellen Reserven für die Lösung der Zukunftsaufgaben aufbauen und einsetzen. Es gibt keine Alternative zu einer äußerst sparsamen Haushaltspolitik. Wir dürfen nicht jedesmal, wenn wir einen finanzpolitischen Silberstreif sehen, in den alten Fehler der Umverteilungspolitik zurückverfallen.

(Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Sparen um des Sparens willen ist kein Konzept. Wir wissen jedoch, wofür wir sparen wollen. Es lohnt sich, die Mittel zur Finanzierung der von mir genannten I Maßnahmen einzusetzen und anzusparen. Ich würde das nicht sagen, wenn ich mir davon nicht die ent-



Dr. Solms
scheidende und deutliche Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik versprechen würde.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108902900
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Will-Feld.

Waltrud Will-Feld (CDU):
Rede ID: ID1108903000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ich freue mich, daß nun etwas mehr Mitglieder der SPD-Fraktion an der Debatte teilnehmen; denn ich hatte mir doch eine so schöne Rede gegen Sie vorbereitet.
Aber zuerst zu Herrn Dr. Solms. Ich bin mit Ihnen völlig einig, wenn Sie sagen: Der Steuerkuchen kann nur einmal verteilt werden. Ich bin mit Ihnen auch einig, daß wir eine umfassende Steuerreform, die die Reform der Unternehmensbesteuerung einschließt, benötigen, allerdings immer in kleineren Schritten, weil wir nämlich, Herr Wieczorek, nicht bereits im Jahre 1975 anläßlich der großen Steuerreform damit begonnen haben. Hätten wir damals damit begonnen, Herr Kollege, wären wir heute mit einer umfassenden Steuerreform längst viel weiter. Jetzt aber, bei den wirtschaftlichen Herausforderungen der 80er Jahre und der angespannten Haushaltslage von Bund, Ländern und Kommunen, sind wir gezwungen, eine solche Steuerreform in kleineren Schritten vorzunehmen.
Die Reform der Unternehmensbesteuerung ist nach den Zusagen der Regierung und der Koalitionsfraktionen vorrangiges steuerpolitisches Ziel der nächsten Legislaturperiode.

(Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Und Sie glauben denen? — Zander [SPD]: Die sagen doch alles zu!)

— Ich will immer wieder sagen: Für jede Regierung, Herr Kollege, gilt, daß der Steuerkuchen immer nur einmal verteilt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nun sage ich Ihnen im übrigen zu unserer Tarifreform als dem ersten großen Schritt beim Einstieg in ein umfassendes Steuerkonzept: Ich bin persönlich zutiefst davon überzeugt, daß Sie, die SPD, außer vielleicht einigen kosmetischen Änderungen trotz aller gegenteiligen Bekundungen nichts, aber auch gar nichts ändern würden, wenn Sie dazu in die Lage versetzt würden, denn Sie werden froh und dankbar sein, daß wir diesen ersten umfassenden Schritt der Tarifreform gemacht haben. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Flugbenzin hätten wir nicht gemacht!)

Ich will Ihnen auch sagen, weshalb. Es sind vor allen Dingen drei Steuerarten, die den Bürger belasten: die Einkommen-, die Lohn- und die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer sowie die Gewerbesteuer.
Es gibt natürlich mehrere Möglichkeiten, die Belastungen durch die Einkommensteuer und die Lohnsteuer zu vermindern. Wir haben eine Möglichkeit herausgesucht, wir haben eine Möglichkeit angepeilt und sie auch durchgeführt: die Tarifsenkung bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Auch Sie streben ja eine solche Tarifreform an, obwohl Sie sich mit der Absenkung der Spitzensteuersätze ein wenig schwertun.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß Ihre Bruderparteien in anderen Ländern

(Schulhoff [CDU/CSU]: Schwesterparteien!)

anders handeln würden, und wenn Sie regieren würden, dann müßten Sie eine ganz andere Einstellung dazu haben. Das jüngste Beispiel — der Kollege Rose hat es erwähnt — ist Österreich. Ich sage Ihnen: Internationale Unterschiede bei den Spitzensteuersätzen spielen nun einmal eine bedeutende Rolle bei den Veränderungen der internationalen Kapitalströme und bei den Wettbewerbschancen. Man mag dies bedauern, aber es ist nicht zu ändern. Der Wettbewerb um niedrige Steuern ist weltweit in Gang gekommen. Auch Sie als Opposition halten dies nicht auf. Deswegen werden Sie auch eine Änderung des Spitzensteuersatzes überhaupt nicht vornehmen. Sie werden froh sein, daß wir dies getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber ganz gleichgültig, welchem Konzept man nun folgt: In allen Fällen führt — das ist eine simple Schlußfolgerung — eine Steuerreform zu Ausfällen des Steueraufkommens. Die Haushaltslage von Bund, Ländern und Gemeinden setzt natürlich jedem Reformwillen auch gewisse Grenzen. Das bestätigen im übrigen auch die Konzepte, die Sie vorlegen. Der Haushalt kann nicht alle Ausfälle verkraften. Eine ausschließliche Kreditfinanzierung kann für niemanden in Frage kommen. Die Erfahrungen aus den Zeiten der SPD-Regierung — steigende Kreditnachfragen — haben dies gezeigt.
Auch die Kürzung von Subventionen ist außerordentlich schwierig. Sie werfen uns dies immer wieder vor. Uns wird gesagt: Hätten Sie die Subventionen gekürzt, dann wäre eine neuerliche Ausweitung des öffentlichen Defizits verhindert worden.

(Zander [SPD]: Das haben Sie doch vorher versprochen!)

Aber ich will Ihnen doch sagen: Was heißt denn hier politischer Mut? Wo ist denn Ihr Aufschrei, wenn es um Subventionen für Werften, Kohle und Stahl geht? Ich wage die These, daß Sie selbst bei der Landwirtschaft überhaupt nichts machen würden, wenn es denn soweit wäre.
Wenn jetzt jemand — Herr Kleinert hat das, glaube ich, heute nachmittag hier gefordert — eine ökologische Umgestaltung des Steuerrechts will, dann geht dies, Herr Kleinert, überhaupt nicht — die Belastung der Bürger hat nämlich die Schallgrenze erreicht — ohne massive Herabsetzung der direkten Steuern. Anders kann ich mir es überhaupt nicht vorstellen. Genau dazu haben wir mit der Tarifreform, die jetzt von Ihnen so angefeindet wird, beigetragen.




Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108903100
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Esters?

Helmut Esters (SPD):
Rede ID: ID1108903200
Frau Kollegin Will-Feld, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß auch wir wissen, daß eine Reihe von Subventionen über einen längeren Zeitraum hinweg bestehenbleiben werden, auch in unserer Zeit, und daß Sie es waren, die uns immer empfohlen haben, mit der Rasenmähermethode bei allen Subventionen 10 % wegzunehmen, daß wir das damals für dummes Zeug gehalten haben und dies auch heute noch tun?

Waltrud Will-Feld (CDU):
Rede ID: ID1108903300
Ich kann nur die Einladung wiederholen, Herr Kollege: Bitte, machen wir gemeinsam Vorschläge. Es ist unser aller Anliegen, die Subventionen zu kürzen. Sie sind herzlich dazu eingeladen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Wer regiert, muß Vorschläge machen!)

Jetzt lassen Sie mich aber noch ein Wort zu den Verbrauchsteuern sagen. Bereits in der Koalitionsvereinbarung vom März 1987 ist angekündigt worden, daß ab 1989 zum Ausgleich für steigende EG-Anforderungen einzelne Verbrauchsteuern angehoben werden sollen. Angesichts der Ansprüche an den Bundeshaushalt bleibt dem Bund keine andere Wahl, als die Möglichkeit der Verbrauchsteuererhöhung tatsächlich auszuschöpfen. Insofern kann eigentlich niemand überrascht sein. Die massive Kritik der Opposition an diesem Vorhaben ist für mich nicht ganz verständlich, hat doch die damalige Bundesregierung — ist nicht eben einmal das Wort vom saudummen Geschwätz von vorgestern gefallen? — im Finanzbericht 1980 ihre Absicht dokumentiert, auf lange Sicht das Steuersystem so umzugestalten, daß die indirekten Steuern ein stärkeres Gewicht erhalten gegenüber den direkten Steuern — so die damalige Bundesregierung in ihrem Finanzbericht. Auch wir sind der Meinung, daß zu einer Steuerstrukturreform ein ausgewogenes Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern gehört.

(Esters [SPD]: Und dies geht nicht national allein!)

In der Steuerwissenschaft ist es unbestritten, daß man ein Verhältnis von 50 zu 50 herstellen sollte, 50 vom Hundert Steuern vom Ertrag und Vermögen und 50 vom Hundert Steuern vom Umsatz und Verbrauch. Die Bundesrepublik hat Ende der 60er Jahre auch einmal ein Verhältnis von 55 zu 45% gehabt. Dann aber ist der Anteil der direkten Steuern erheblich gestiegen, nämlich auf 70 %. Jetzt liegen wir etwa bei 57 direkten Steuern und 43% indirekten Steuern, allerdings mit einer Tendenz zu 60 zu 40.
Das heißt, hier ist durchaus die Möglichkeit gegeben, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern zu erhalten, bei den Verbrauchsteuern anzusetzen. Ich bin mir darüber klar, daß eine Verbrauchsteuererhöhung außerordentlich unpopulär ist. Aber wie sehr die Meinung des Bürgers und die Meinung derjenigen auseinanderfallen, die es wissen müssen, d. h. die Fach- und Sachkundigen der Finanzwissenschaft, zeigt auch die Stellungnahme des Sachverständigenrates in seinem Jahresgutachten von 1985/86, worin der Sachverständigenrat ausdrücklich betont, daß die Besteuerung wachstumsfreundlicher gestaltet würde, indem die Verbrauchsteuerbelastung erhöht und die Einkommensteuerbelastung vermindert wird.
Folgendes aber macht mich ein bißchen stutzig — das sage ich jetzt an die Adresse der Opposition — Ich las dieser Tage den Bericht — allerdings in der Presse — , den der Vorsitzende der SPD-Parteikommission Energie und Umwelt der Öffentlichkeit vorgestellt hat, in dem er forderte, daß zukünftig zu den bestehenden Belastungen auf Energie in Höhe von 40 Milliarden DM zusätzliche Energiesteuern in Höhe von 40 bis 80 Milliarden DM kommen müssen. Dazu zitiere ich:
Wir verlangen eine Besteuerung des Verbrauchs von Mineralöl und seinen Produkten, von Erdgas und Strom.
Hier schimpfen Sie über unsere 8 Milliarden DM und beschimpfen uns, und gleichzeitig fordern Sie dort in diesem Bericht 40 bis 80 Milliarden DM.
In einem allerdings scheint Übereinstimmung zu bestehen. Es wird von seiten der Opposition zugestanden, daß bei den Verbrauchsteuern ein EG-Harmonisierungsbedarf besteht. Dies ist schon einmal ein Fortschritt. Auch dies haben Sie ja bis vor einiger Zeit ein wenig bestritten. Dieser Vorschlag ist in der öffentlichen Diskussion um die Verbrauchsteuer insofern von Bedeutung, als Sie unsere 8 Milliarden DM in der Öffentlichkeit dauernd angegriffen haben.
Aber auch Ihnen ist ja wohl klar, daß eine solche Belastung für den einzelnen Bürger fast unmöglich ist. Ich zitiere aus diesem Kommissionspapier: Man will eine sozial verträgliche Ausgestaltung, es sollen nach Meinung dieser Kommission keine neuen sozialen Ungerechtigkeiten entstehen. Ich weiß nicht, wie Sie das im einzelnen wollen. Wollen Sie verschiedene Abstufungen je nach Einkommen? Dazu kann ich Ihnen immer nur sagen: Der Heilige Bürokratius läßt grüßen.

(Esters [SPD]: Wie bei der Quellensteuer!)

Ich zitiere weiter: Deshalb — jetzt kommt das Abenteuerliche — wird das Aufkommen nicht dem Fiskus zugeführt. Es soll vielmehr an anderer Stelle zur Entlastung der Bürger beitragen. Heute morgen habe ich etwas von einer „schwarzen" Sparkasse gehört. Hier in diesem Papier aber fordern Sie — wenn ich richtig gelesen habe —, daß dieses Aufkommen nicht dem Fiskus zugeführt werden soll, sondern an einer anderen Stelle zur Entlastung des Bürgers beitragen soll.
Ich frage nur, weil ich es anscheinend noch nicht ganz verstanden habe, was Sie eigentlich wollen. Sie wollen nämlich als Gegenleistung für den Bürger — so war es in den Pressemeldungen zu lesen — die Steuern auf Arbeit entlasten. Ich frage mich, was das heißt. Wir haben im Steuerrecht sieben Einkunftsarten. Bedeutet eine Senkung der Steuer auf Arbeit, daß der Arbeitnehmer — als Ministerpräsident, als Manager — entlastet wird, daß aber der Einzelhändler oder die Personengesellschaft mit gleich hohem Einkommen nicht daran partizipieren, weil Sie glauben, daß diese nicht arbeiten, weil sie keine Einkünfte aus



Frau Will-Feld
nichtselbständiger Arbeit haben? Oder bedeutet das beispielsweise, daß der Bezieher einer Pension — in der Regel die Beamten, die ja Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit haben — begünstigt wird, aber bei anderen, die ihre Altersversorgung anderweitig aufgebaut haben oder anderweitig haben aufbauen müssen, beispielsweise durch Zinsen aus Kapitalvermögen, diese als arbeitsloses Einkommen bezeichnet und in Zukunft dann stärker belastet werden sollen? Dies ist also für mich noch alles sehr verschleiert und sehr undurchsichtig,

(Zander [SPD] : Das merkt man auch an Ihrer Darstellung!)

weil ich mit diesen Dingen, so wie Sie es darstellen, in ihrer Konzeptionslosigkeit einfach nichts anzufangen weiß.

(Zuruf von der SPD: Sie müssen nur richtig lesen!)

In der öffentlichen Diskussion wird im Zusammenhang mit der Verbrauchsteuererhöhung das Problem der Steuergerechtigkeit heftig angesprochen. Auch das wird diskutiert. Nur, Steuergerechtigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Grundsatz der direkten Steuern. Die Einkommensverwendung ist die Grundlage für die Verbrauchsteuern, und das Leistungsfähigkeitsprinzip und die Gerechtigkeit sind Grundsätze der direkten Besteuerung.
Bei der gesamten Diskussion um die Erhöhung der Verbrauchsteuer wird dabei übersehen, daß sich das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern in der Bundesrepublik ständig in die Richtung direkte Steuern verschoben hat. Aber wir haben schon in der dreistufigen Steuerreform die Belastung der Bürger und der Wirtschaft mit direkten Steuern nachhaltig zurückgeführt. Und das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern wird auch verbessert, wenn die vorgesehene Anhebung der Verbrauchsteuern vorgenommen wird.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108903400
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Stoltenberg.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1108903500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ja am Freitagvormittag noch Gelegenheit — auch unter Einbeziehung der Ergebnisse der Debatte der nächsten Tage —, die finanzpolitische und haushaltspolitische Diskussion aufzunehmen und weiterzuführen. Ich möchte mich deshalb heute abend auch in diesem kleinen — natürlich besonders erlesenen — Kreis auf einige wenige Bemerkungen beschränken und will dann am Freitag gern andere Stichworte noch einmal aufnehmen.
Ich möchte gegen Schluß des ersten Debattentages den Rednern der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU und FDP, dafür danken, daß sie das Konzept der Regierung in seinen wesentlichen Zielen und Punkten bejaht und unterstützt haben. Das gilt, wie die Ausführungen von Herrn Kollegen Carstens, Herrn Kollegen Weng, Herrn Kollegen Dr. Solms und Herrn Kollegen Rose klargemacht haben, auch für die Steuervorlagen.

(Zurufe von der SPD)

— Ja, ich unterstreiche das, weil es da ja ganz andere Erwartungen auf den Seiten der Opposition in den letzten Tagen gegeben hat.

(Zuruf des Abg. Walther [SPD])

— Ja, ich sag' ja: Erwartungen bei Ihnen.

(Jungmann [SPD]: Lambsdorff! — Weitere Zurufe von der SPD)

Mit dem Beginn der Parlamentsarbeit werden die Einsichten in der Koalition immer besser, wird das Einvernehmen immer größer, während Sie nach Ihrem Parteitag da noch einiges aufzuarbeiten haben. Das ist der Unterschied, meine Herren der Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sicher ist in der Ausgestaltung manches zu erörtern, was den Haushalt betrifft. Und ich begrüße auch die Erklärungen der Koalitionsfraktionen, der Sprecher im Haushaltsausschuß, daß im Haushaltsverfahren die Einzeltitel einer sorgfältigen Prüfung unterworfen werden, auch unter den Gesichtspunkten eines Optimums an sparsamer Gestaltung.

(Zuruf des Abg. Jungmann [SPD])

— Ich erlaube mir, würdigend auf einige Beiträge einzugehen, wenn Sie nichts dagegen haben.

(Jungmann [SPD]: Die müssen aber schwach gewesen sein!)

— Sie brauchen das jetzt gar nicht zu zensieren, Herr Kollege.

(Jungmann [SPD]: Sie machen das doch!)

Sie haben noch Gelegenheit, in den nächsten Tagen zu sprechen.
Ich möchte auch ausdrücklich begrüßen, daß die Sprecher der Koalitionsfraktionen den Vorrang einer weiteren Rückführung der Nettokreditaufnahme so nachdrücklich unterstrichen haben.

(Schulhoff [CDU/CSU]: Das ist ganz wichtig!)

Herr Kollege Wieczorek, ich glaube, daß Ihre Beurteilung — bei voller Anerkennung der kritischen Funktion der Opposition — in einer Reihe von Punkten zu pessimistisch war.
Das gilt für die Finanzsituation des Bundes, die sich, verglichen mit unseren Diskussionen im Januar und Februar, spürbar verbessert hat: in den erkennbaren Zahlen für 1988, vor allem aber in den Voraussetzungen für 1989. Das gilt auch für eine Reihe anderer Punkte.
Risiken gibt es. Auf sie habe ich auch in meiner Einbringungsrede hingewiesen. Das gilt auch für einige Punkte des Haushaltsentwurfs und die weiter in der Zukunft liegenden Perspektiven und Probleme.
Aber ich glaube, der Hinweis auf Risiken wird ein bißchen entwertet, wenn man in die Kritik auch solche Positionen einbezieht, in denen sie in dieser Form jedenfalls überhaupt nicht erkennbar sind.



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Ich nenne Beispiele. Der Kollege Wieczorek hat hier gesagt, bei der Kokskohle bräuchten wir mindestens eine halbe Milliarde mehr. Ich halte es sogar für möglich, daß die Prüfungen im Haushaltsausschuß ergeben, daß man auf Grund der Wechselkursentwicklung den Ansatz etwas reduzieren kann. Ich halte es für möglich; ich will es heute nicht vorhersagen. Aber eine halbe Milliarde Risiko ist überhaupt nicht erkennbar.
Herr Kollege Wieczorek hat nun gemeint, wir hätten da 500 Millionen für Milchquoten an die EG nicht eingesetzt. Darüber gibt es eine intensive Debatte mit der EG. Nach dem heutigen Stand gibt es keinen Grund, Beträge in diesem Zusammenhang einzusetzen. Ich sage das, ohne auf die Einzelheiten einzugehen.
Er hat uns, was mich noch mehr überrascht hat — alles im Manuskript nachlesbar — , vorgeworfen, daß wir durch die Entwicklung der Postabgabe dieses wichtige Bundesunternehmen zu stark in Anspruch nähmen, zu stark zur Ader ließen. Ich bin sehr erstaunt. Die Neuregelung der Postabgabe nach geltendem Recht entsprach einer Initiative der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung 1981, mit Ihrer Zustimmung verabschiedet. Was wir jetzt im Haushalt einsetzen, ist die Folge Ihrer Gesetzgebung. Ich bin über solche Bemerkungen noch erstaunter, weil Sie doch wissen müssen, daß wir in dem Reformgesetz für die Bundespost nach einer Übergangszeit eine Neuregelung vorsehen, die zu einer gewissen Entlastung der Bundespost führt. Da ein solches Gesetz dem Deutschen Bundestag zur Beratung vorliegt, ist es völlig unverständlich, daß wir zum einen wegen der Folgen einer sozialdemokratischen Gesetzgebung kritisiert werden und zum anderen die Änderung hierbei überhaupt nicht in die Betrachtung einbezogen wird.
So kann man weitergehen, wenn ich von Überzeichnungen und Übertreibungen rede.
Aber mir scheint noch schwerwiegender, daß vor allem in der Rede Ihres neuen finanzpolitischen Sprechers, des Herrn Kollegen Wieczorek, der im Augenblick verhindert ist — ich sage das zu Protokoll, ich komme vielleicht am Freitag in seiner Anwesenheit noch einmal darauf zurück — , daß die bekannten Widersprüche in der Steuerpolitik hier erneut sichtbar geworden sind.
Auf der einen Seite haben Sie sich in den Parteitagsbeschlüssen von Münster für eine erhebliche Erhöhung der Energiesteuern eingesetzt. Das ist in der Sprache etwas verschwommener gegenüber den Anträgen. Der Antrag der Hauff-Kommission etwa, von Herrn Hauff ja noch kurz vor Münster auf einer Pressekonferenz vorgestellt, nennt ja auch die Größenordnungen. Frau Will-Feld hat soeben darauf hingewiesen; auch Herr Solms hat das angesprochen. Energiesteuern in der Größenordnung bis zu 4 % des Bruttosozialprodukts wären über 80 Milliarden DM. Jetzt haben wir etwas über 40 Milliarden DM. Sie haben das in der Tendenz beschlossen und wegen der heftigen Kritik die Prozentzahl herausgelassen. Aber Materialien zur Gesetzgebung sind immer wichtig, um den Willen des Gesetzgebers zu erkennen. Und Materialien zu Parteitagsbeschlüssen sind manchmal aufschlußreicher als die dann etwas verschwommenen Kompromißtexte.
Da Sie eine solche Beschlußlage haben, können Sie uns eigentlich nicht ernsthaft vorhalten, daß unsere wesentlich zurückhaltenderen Verbrauchsteuererhöhungen Arbeitslose und Rentner in unvertretbarer Weise belasten. Das ist ein fundamentaler Widerspruch, der Ihnen nicht mehr abgenommen werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108903600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roth?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1108903700
Ja. Vizepräsident Cronenberg: Bitte schön.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1108903800
Sind Sie so liebenswürdig, zuzustimmen, daß Herr Hauff vorgeschlagen hat, im gleichen Umfang — die Zahlen sind korrekt — Entlastungen bei der Lohnsteuer vorzunehmen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1108903900
Herr Kollege Roth, ich hatte heute morgen darauf hingewiesen, allerdings in Verbindung mit den Ausführungen von Herrn Spöri: Dann entfällt doch der Vorwurf, daß durch eine Anhebung von Verbrauchsteuern Rentner und Arbeitslose, die kein Erwerbseinkommen haben, in unerträglicher Weise belastet werden. Ihre Zwischenfrage unterstreicht doch eigentlich den Widerspruch, auf den ich soeben eingegangen bin.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Da das heute nachmittag noch einmal so gesagt wurde, wie wir das seit einem Jahr hören, erlaube ich mir noch einmal auf diesen Widerspruch hinzuweisen, der durch Ihre Zwischenfrage eigentlich nur unterstrichen wurde.
Meine Damen und Herren, ich empfehle Herrn Kollegen Wieczorek als dem neuen finanzpolitischen Sprecher, von den traditionellen Begriffen, in denen wir Defizite berechnen, nicht abzuweichen. Es gibt doch über den Wechsel der Regierung hinaus eine gleichbleibende Staatspraxis. Das hat auch etwas Gutes. So ist z. B. unbestritten, daß wir in die Defizitrechnungen der öffentlichen Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden hineinnehmen, aber nicht Bahn und Post. Das haben meine Vorgänger nicht getan, das tue auch ich nicht. Deswegen ist es nicht ganz förderlich und nicht ganz überzeugend — ich will das ganz höflich sagen — , wenn nun plötzlich noch die Kreditaufnahme von Bahn und Post unserer Neuverschuldung aufgelastet wird. Nur so kann man zu der Zahl 75 Milliarden DM kommen. Ich halte sie auch für überhöht.
Der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz, Carl-Ludwig Wagner, hat in der Sommerpause in einer sehr interessanten Pressekonferenz in seiner Verantwortung Berechnungen vorgelegt, wie hoch denn etwa die Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Jahr, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der bei den Gemeinden in diesem Jahr spürbar verbesserten, bei uns etwas verhalten verbes-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
serten Steuereinnahmen sein könnte. Er kam auf etwa 60 Milliarden DM. Das ist eine gut überlegte Prognose, mit einer gewissen Unschärfe natürlich.
Unterstellen wir einmal, daß es etwa 60 Milliarden DM werden: Das wären dann 2,9 % des Bruttosozialprodukts. Anfang der 80er Jahre — Herr Kollege Solms hat daran erinnert —, in den letzten Jahren Ihrer Regierungstätigkeit, hatten wir eine Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden von 4,9 % bzw. 4,5 %. — Meine Damen und Herren, wir werden Freitag sicher Gelegenheit haben, das noch einmal zu vertiefen. Wenn man wirklich exakt und überzeugend über vertretbare Neuverschuldung redet, darf man doch die Entwicklung unseres Bruttosozialprodukts nicht außer acht lassen. Wir haben nun ein um 40 % höheres Bruttosozialprodukt als 1980/81. Und so darf man — bei aller Warnung, die ich heute morgen ausgesprochen habe, diese erhebliche Nettokreditaufnahme auf die leichte Schulter zu nehmen; sie ist mir auch in der Momentaufnahme und im Trend zu hoch — die Frage, was vertretbar ist, nicht von der Entwicklung unserer Wirtschaftskraft abkoppeln. Jedermann weiß: Wenn sich das Einkommen eines Bürgers in acht Jahren oder in zehn Jahren um 50 % erhöht, also z. B. von 100 000 auf 150 000 DM oder von 50 000 auf 75 000 DM, steigt seine Kreditfähigkeit. Das ist ein Vorgang, den jeder selbst erleben kann, wenn er für den Hausbau oder eine andere Form wichtiger Investitionen einen Kredit aufnimmt. Deswegen müssen wir, wenn wir eine vertiefte Debatte führen — und alle von Ihnen, die hier sind, wissen das ganz genau — , die vertretbare Neuverschuldung auch im Vergleich zu der früherer Zeiten an der Entwicklung des Bruttosozialprodukts messen. Das ist keine Bagatellisierung des zugrunde liegenden Problems — ich brauche mich nicht zu wiederholen —, aber es macht die Diskussion, wie ich glaube, etwas ergiebiger.
Meine Damen und Herren, vieles andere wird in der Diskussion der kommenden Tage zu vertiefen sein. Freitagvormittag haben wir dann die Chance, noch einmal zu den wesentlichen finanzpolitischen und haushaltspolitischen Themen zurückzukommen. Aber ich glaube, daß schon in dem, was hier gesagt wurde, bestimmte Alternativen zwischen der Koalition und der Opposition deutlich geworden sind. Ich glaube, daß wir vor allem nach den Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen mit Zuversicht in die Ausschußberatungen gehen und dann einen Haushalt verabschieden können, der wirklich Fortschritt für uns bedeutet.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108904000
Das Wort hat der Abgeordnete Walther.

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID1108904100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß ich hier noch ein paar Worte der Erwiderung auf den Bundesfinanzminister sagen darf, hängt damit zusammen, daß meine beiden Vorredner aus meiner Fraktion heute schneller gesprochen haben als gewohnt. So bleiben mir also noch ein paar Minuten übrig.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie hatten weniger zu sagen!)

Nein, sie haben schneller gesprochen, lieber Harry. Aber ich will mich durch deinen lustigen Zwischenruf jetzt nicht davon abbringen lassen, noch ein paar Dinge aufzugreifen, die der Bundesfinanzminister hier angeschnitten hat.
Herr Kollege Stoltenberg, daß Sie die Sprecher der Koalition loben, das verstehe ich ja gut. Es wäre ja auch ganz merkwürdig gewesen, wenn Sie die getadelt hätten. Insofern ist das vüllig überflüssig und nur eine unnötige Inanspruchnahme von Redezeit gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Nur, Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie davon gesprochen haben — Wolfgang Weng hat in seiner liebenswürdigen Art ja gesagt, es würde auf der Basis des vorliegenden Regierungsentwurfs beraten werden; das war die neue Erkenntnis von heute nachmittag — , daß an Erwartungen, die wir hatten, Spekulationen zu knüpfen seien, sage ich Ihnen: Wer hat eigentlich in der Sommerpause vieles von dem in Frage gestellt, was Sie auf den Weg gebracht haben? War das nicht Graf Lambsdorff? Waren das nicht andere aus der Fraktion der FDP? Hatten die nicht angekündigt, sie wollten gegen die Erdgassteuer Sturm laufen?
Nun habe ich heute von Wolfgang Weng gehört: Wir brauchen die Erdgassteuer für die Arbeitslosen. Ich verkürze jetzt einmal sein Argument. Lieber Herr Bundesfinanzminister, waren Sie es nicht, der verfassungswidrig Bundesaufgaben in Milliardenhöhe bei der Bundesanstalt für Arbeit abgeliefert hat

(Sehr wahr! bei der SPD)

und der auf diese Art und Weise dazu beigetragen hat, daß das Defizit bei der Bundesanstalt für Arbeit erst entstanden ist?

(Beifall bei der SPD)

Sie haben doch der Bundesanstalt Aufgaben aufgebürdet, für die sie überhaupt nicht zuständig ist und für die die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber überhaupt keine Beiträge gezahlt haben!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn das so ist, können Sie doch jetzt nicht sagen: Weil ich der Bundesanstalt — auf verfassungsrechtlich bedenkliche Weise — Aufgaben in Milliardenhöhe übertragen habe, muß jetzt die Erdgassteuer eingeführt werden. Sie sind doch der Verursacher dieses Defizits bei der Bundesanstalt!
Deswegen, lieber Kollege Weng, halte ich den Hinweis „Weil wir Arbeitslose haben, die so teuer sind, müssen wir die Erdgassteuer einführen" für — ich sage es ganz zurückhaltend — sehr makaber.

(Frau Traupe [SPD]: Zumindest sehr seiltänzerisch!)

Eine zweite Bemerkung, die Sie, Herr Bundesfinanzminister, eben gemacht haben, möchte ich gerne



Walther
aufgreifen. — Vielleicht kann er einmal zuhören, damit er etwas lernt.

(Zander [SPD]: Er packt gerade!)

Ich vermute einmal, daß Sie quadrophonisch auch nicht hören können. — Sie haben hier meinen Kollegen Wieczorek angegriffen, indem Sie zu den hohen Abgaben, die Sie auch in Zukunft von der Deutschen Bundespost erheben wollen, gesagt haben, dies sei zu unserer Zeit eingeführt worden. Das ist wahr. Das war in einer schwierigen Zeit; ich komme darauf gleich noch zurück. Nur, Sie sind damals gegen das, was wir beschlossen hatten, massiv Sturm gelaufen, und nun sage ich Ihnen: Seit 1982 sind sechs Jahre vergangen, und Sie hätten das korrigieren können, wenn Sie es für so falsch gehalten hätten, wie Sie es damals hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der SPD)

Warum haben Sie nicht korrigiert? Sie hatten sechs Jahre Zeit!

(Jungmann [SPD]: Mit der Bundesbank ist es dasselbe!)

Sie haben 50, 60 Milliarden für Steuerentlastungen — im wesentlichen für die Spitzenverdiener — ausgegeben und haben jetzt kein Geld, um der Post die Mittel zu geben, die sie braucht, um sich im Wettbewerb behaupten zu können. Sie wollen doch mehr Wettbewerb für die Bundespost; dann müssen Sie auch weg von jenen Belastungen, die die Deutsche Bundespost im Wettbewerb in Zukunft behindern werden. Deshalb sage ich Ihnen: Auch da wird ein neues Haushaltsrisiko auf Sie zukommen, insbesondere wenn Sie als Folge der Trennung von Hoheit und Betrieb das halbe Bundespostministerium ab nächstes Jahr aus dem Bundeshaushalt bezahlen müssen. Dafür haben Sie auch keine Vorsorge getroffen.
Herr Bundesfinanzminister, ich will noch eine letzte Bemerkung machen. Über Zahlen läßt sich ja trefflich streiten, und Zusammenhänge kann man herstellen, wie man will. Sie haben auf den Zusammenhang zwischen Bruttosozialprodukt und öffentlicher Schuldenaufnahme abgehoben. Ich sage Ihnen: Das war in einer Zeit, in der wir auf dem Höhepunkt der weltwirtschaftlichen Krise waren. In dieser Zeit war es gerechtfertigt, daß die öffentlichen Hände durch zusätzliche Nachfrage verhindert haben, daß die Krise bei uns noch größer wurde. Sie erzählen uns aber seit sechs Jahren, wie wunderbar die Wirtschaft hier läuft, und dann können Sie das doch nicht mit Zahlen verbinden, die im Jahre 1981 aktuell waren. Sie müssen sich an Ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Wenn ich mir Ihre mittelfristige Finanzplanung der letzten Jahre anschaue, stelle ich fest, daß Sie für jedes Jahr, über das wir aktuell reden, erheblich weniger Nettokreditaufnahme vorgesehen hatten, als Sie dann tatsächlich gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

An Ihren eigenen Ansprüchen gemessen — nicht an unseren, Herr Bundesfinanzminister — , haben Sie selber das nicht eingehalten, was Sie der Offentlichkeit versprochen hatten.
Dann doch noch eine Bemerkung: Wir haben Ihnen im letzten Jahr gesagt, welche Risiken im Bundeshaushalt 1988 nicht enthalten sind. Sie haben das hier an diesem Mikrofon vehement bestritten.

(Zustimmung bei der SPD)

Vierzehn Tage später mußte dann der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Manfred Carstens, einräumen, daß wir recht hatten und nicht Sie.
Die Belastungen durch die EG sind ja nicht über Nacht über Sie hereingebrochen. Wir haben Ihnen im Haushaltsausschuß jahrelang prophezeit, daß diese Milliardenbeträge kommen würden. Sie haben sich geweigert, Vorsorge dafür zu treffen. Nun kommen Sie hierher und sagen: Weil uns die EG leider Milliarden wegnimmt — von denen wir wußten, daß sie schon lange aufgelaufen waren — , müssen wir nun Verbrauchsteuererhöhungen beschließen. Dieser Zusammenhang ist logisch nicht herzustellen, Herr Bundesfinanzminister.
Ein allerletztes Wort: Frau Kollegin Will-Feld und Sie selber haben hier auf ein Diskussionspapier hingewiesen, das die zuständige Kommission beim Parteivorstand der SPD über den Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und Energiesteuern erstellt hat. Sie haben gesagt, das sei Beschlußlage. Das ist ein Diskussionspapier.

(Zuruf des Bundesministers Dr. Stoltenberg)

— Nein, nein, Herr Bundesfinanzminister, ich habe mitgeschrieben, was Sie hier gesagt haben. Sie haben gesagt, dies sei Beschlußlage des SPD-Parteitages gewesen. Ich sage: Es war ein Diskussionspapier. Daß wir darüber noch reden müssen, auch in der eigenen Partei, ist doch völlig klar, Frau Kollegin Will-Feld. Nur, wir versuchen jetzt, durch ein eigenes Konzept den Zusammenhang zwischen Wachstum und ökologischer Erneuerung herzustellen. Wenn man das marktwirtschaftlich machen will, dann muß man auch das marktwirtschaftliche Instrument der Verteuerung von Energieumwandlungskosten nutzen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Entschuldigen Sie, darüber kann man doch lange reden. Nur sollte man nicht heute sagen, das sei alles falsch, obwohl Sie überhaupt nichts tun.

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Es ging um die Höhe!)

— Darüber können wir noch lange miteinander diskutieren.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Erst wird stranguliert, und dann wird diskutiert!)

— Ja, natürlich; wir sind eine Partei, die diskutiert, Herr Kollege Bötsch;

(Beifall bei der SPD)

wir sind nicht die CSU, in der ein alter Herr befiehlt und die ganze Mannschaft inklusive Bötsch strammsteht; das sind wir nicht.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ich bin zu unbeweglich zum Strammstehen!)

Wir sind eine demokratische Partei; bei uns werden Beschlüsse ausdiskutiert.

(Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])




Walther
— Ach, Herr Bötsch, reden Sie doch nicht immer dazwischen. Es ist doch sowieso unverständlich, was Sie da sagen.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wer das Mikrofon hat, hat den Vorteil; das ist mir schon klar!)

Also warten Sie einmal ab. Wir werden mit einem vernünftigen Konzept überkommen. Daß dies ein erster Diskussionsentwurf ist, Frau Kollegin Will-Feld, daß er manche Mängel hat, über die Sie selber gesprochen haben, ist völlig unbestritten. Nur, fangen Sie endlich an — Kollege Kleinert hat es ja zu Recht gesagt —, nicht nur, wie der Klaus Töpfer, über Umweltschutz zu reden, sondern einmal darüber nachzudenken, wie wir ihn endlich in Gang bringen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1108904200
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen für die heutige Sitzung liegen mir nicht vor. Ich kann also die Sitzung schließen und rufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Mittwoch, den 7. September, um 9 Uhr ein. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Abend.