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ID1108901500

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    Plenarprotokoll 11/89 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 89. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Unglücks bei der Flugschau in Ramstein 6059 A Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundesminister a. D. Dr. Johann Baptist Gradl 6059 B Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Professor Dr. Friedrich Schäfer 6059 D Verzicht der Abg. Dr. Wörner, Sauter (Ichenhausen) und Lemmrich auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 6060 A Eintritt der Abg. Jäger (Wangen), Graf Huyn und Frau Dr. Wegner in den Deutschen Bundestag 6060 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Buschfort, Sauter (Epfendorf), Koltzsch, Dr. Stercken und des Vizepräsidenten Stücklen 6060 B Erweiterung der Tagesordnung 6060 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 6060D, 6106B Wieczorek (Duisburg) SPD 6072 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 6080 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 6085 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6088 C Esters SPD 6093 B Dr. Rose CDU/CSU 6096 C Frau Rust GRÜNE 6100A Dr. Solms FDP 6101 D Frau Will-Feld CDU/CSU 6104 A Walther SPD 6108B Nächste Sitzung 6110 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6111 *A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 89. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 6059 89. Sitzung Bonn, den 6. September 1988 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Mitzscherling 6. 9. Niegel* 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oostergetelo 9. 9. Pfuhl 6. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Frau Saibold 6. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Vosen 6. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Würtz 6. 9. Zierer * 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hubert Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser besonders interessanten Rede des Kollegen Carstens

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    will ich auf das zurückkommen, was der Bundesfinanzminister heute früh vorgetragen hat.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Gutes!)

    Herr Stoltenberg hat heute morgen wieder einmal eine Rede abgeliefert, die von Selbstgerechtigkeit und Anmaßung nur so gestrotzt hat. Da haben wir von positiven Daten und positiven Perspektiven in der Finanzpolitik der Bundesregierung gehört.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wir sind froh, daß es so ist!)

    Der solide haushaltspolitische Kurs der Vergangenheit habe sich bewährt, und trotz zwischenzeitlicher Probleme könne man weitermachen.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Ja!)

    Herr Stoltenberg, daß das mit der Wahrheit nicht eben viel zu tun hat, müßten Sie eigentlich am besten wissen. Denn man braucht nicht sehr tief in finanzpolitische Details einzusteigen, damit man erkennen kann, daß es zuallerletzt das Verdienst dieser Regierung ist, wenn der Finanzminister in diesem Herbst tatsächlich noch einmal mit eineinhalb blauen Augen davonkommen sollte.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wessen Verdienst ist es denn?)

    Wenn der Bundeshaushalt 1989 am Ende tatsächlich ohne noch höheren Anstieg der Neuverschuldung auskommen mag, dann liegt das nicht an den großen Erfolgen Ihrer Finanzpolitik,

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Sondern?)

    sondern zum einen an der günstigen konjunkturellen Entwicklung und den damit verbundenen Steuereinnahmen, aber doch nicht an Ihrer Politik — das wissen Sie doch genau; und problematisch genug ist sie obendrein —; und es liegt zum zweiten daran, daß der Bundesbankgewinn

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das ist Grünes Latein! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    voraussichtlich neue Rekordhöhen erreichen wird. — Beruhigen Sie sich doch einmal ein bißchen! Es war anstrengend genug, Ihren Rednern zuhören zu müssen.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Jetzt kann ich doch wenigstens das gleiche von Ihnen erwarten.
    Es sind die Bundesbankgewinne, die Sie dann auf der Einnahmenseite in den Bundeshaushalt hineinmanipulieren, wie wir es seit Jahren kennen.
    Wenn das alles so kommt, dann mag es dem Finanzminister Stoltenberg ja wahrhaftig in diesem Herbst gelingen, seinen Verbleib im Amt doch noch möglich zu machen. Viele hatten ja nicht mehr damit gerechnet.

    (Zuruf des Abg. Dr. Rose [CDU/CSU])




    Kleinert (Marburg)

    Der Beweis für eine Finanzpolitik, die auf dringende gesellschaftliche Probleme Antworten weiß, ist das allerdings nicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, jeder Haushaltsentwurf ist Ausdruck einer politischen Gesamtkonzeption, die sich hinter dem Zahlenwerk verbirgt. Deshalb ist ein Haushalt an seiner Fähigkeit zu messen, Antworten wenigstens auf die wichtigsten gesellschaftlichen Probleme zu geben, die die Zukunft betreffen. Wenn man diesen Haushaltsentwurf daraufhin überprüft, wird man solche Antworten mit der Lupe suchen müssen. Niemand in diesem Hause wird mittlerweile mehr zu bestreiten wagen, daß die ökologische Krise, daß die ökologischen Gefährdungen, denen wir alle ausgesetzt sind, als Zukunftsproblem den allerhöchsten Stellenwert haben.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Sehr wahr!)

    Daß wir als GRÜNE mit dieser Auffassung noch vor wenigen Jahren ziemlich allein standen, ist mittlerweile Schnee von gestern und bedarf keiner weiteren Erwähnung. Man mag es ja schon als Fortschritt ansehen, daß wenigstens verbal alle in diesem Hause diese Einschätzung angeblich teilen.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Das reicht nur nicht!)

    Nun haben wir in den letzten Monaten eine dramatische Verschärfung der sichtbaren Anzeichen für die Zuspitzung der ökologischen Probleme erlebt. Selten vorher sind in so kurzer Zeit so viele neue Umweltprobleme ins öffentliche Bewußtsein getreten wie in der kurzen Phase seit Beginn des Sommers. Die Stichworte sind jedem Zeitungsleser bekannt: Nordseesterben, Trinkwassergefährdung, Ozonloch. Die Reihe ließe sich lange fortsetzen.
    Grund genug also, diesen Haushalt daraufhin abzuklopfen, was er denn nun beitragen soll und was er beitragen kann zur Lösung dieser Probleme. Und wenn man dann genauer hinsieht, dann wird man entdecken: Fehlanzeige. Solche Lösungen und neue Wege in der Umweltpolitik wird man in diesem Bundeshaushalt vergeblich suchen. Ganze 495 Millionen DM soll Umweltminister Töpfer im nächsten Jahr zur Verfügung haben, lächerliche 34 Millionen DM mehr als im Jahre 1988. Lächerliche 34 Millionen DM mehr, das ist alles, was dieser Bundesregierung als Antwort auf die Entwicklungen der letzten Monate einfällt.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Traurig! Traurig!)

    Auch der Hinweis auf die paar Millionen DM an Umweltausgaben, die in anderen Einzelplänen auftauchen, wird Ihre umweltpolitische Bilanz nicht besser machen.
    Herr Töpfer darf im Lande herumreisen und mit ernster Miene umweltpolitische Nachdenklichkeit demonstrieren. Wenn es dann an die harten finanzpolitischen Fakten geht, wird er von Ihnen, Herr Stoltenberg, zum umweltpolitischen Hanswurst degradiert. Das ist die umweltpolitische Linie dieser Regierung, wenn man sie an der Alltagsrealität mißt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nun sagt Herr Stoltenberg in seiner Rede, im Bereich des Umweltschutzes setze diese Regierung konsequent auf die Verwirklichung des Verursacherprinzips. Verursacherprinzip, Herr Stoltenberg, dafür sind auch wir. Wenn es denn wenigstens konsequent angewandt würde. Aber selbst dafür sorgt diese Regierung nicht. Aber selbst wenn es das würde — und wir alle wissen, daß das nicht der Fall ist — , könnte das doch nicht bedeuten, daß sich die öffentliche Hand, daß sich die Politik völlig gegenüber den Notwendigkeiten, den ökologischen Umbau dieser Gesellschaft voranzubringen, zurückzieht. Im Gegenteil. Deshalb ist aus ökologischer Sicht dieser Haushaltsentwurf eine einzige Bankrotterklärung dieser Bundesregierung;

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    denn wo ist das Programm zur Bekämpfung der Trinkwasserverseuchung? Wo sind die finanziellen Mittel, um gegen das Nordseesterben in einer konzertierten Aktion mit den Ländern schleunigst vorzugehen? Was ist eigentlich aus den Vorschlägen, zur Einführung der dritten Klärstufe 20 Milliarden DM aufzuwenden, von denen Herr Töpfer vor wenigen Wochen öffentlich gesprochen hat, geworden? Nichts davon, nicht einmal in Ansätzen, findet sich in diesem Bundeshaushalt. Wo sind die Markthilfen für alternative Energieformen? Wo ist das Bodenschutzprogramm der Bundesregierung? Alternative Energieträger werden unter ausdrücklicher Berufung auf marktwirtschaftliche Grundprinzipien gerade nicht subventioniert. Markteinführungshilfen gibt es nicht. Hier wird die Marktwirtschaft hochgehalten. Bei den milliardenschweren Subventionen für den Airbus dagegen stört Sie die Unvereinbarkeit mit marktwirtschaftlichen Grundprinzipien nicht im geringsten, aber dahinter sitzt ja auch Herr Strauß. Statt neuer Wege in der Umweltpolitik hat sich diese Bundesregierung den ökologischen Irrsinn mit der Erdgassteuer einfallen lassen.
    Gewiß wäre es richtig, alle fossilen Energieträger zu besteuern. Deshalb fordern die GRÜNEN seit längerem eine Primärenergieabgabe. Es ist aber eine schallende Ohrfeige für die Ökologie, ausgerechnet unter den derzeit von dieser Bundesregierung gesetzten energiepolitischen Rahmenbedingungen eine Erdgassteuer einzuführen; denn mit der Einführung einer solchen Steuer würde lediglich ein Wettbewerbsvorteil für solche fossilen Energieträger wie Kohle und Öl entstehen, die weit mehr umweltpolitische Risiken aufwerfen als das Erdgas.
    Meine Damen und Herren, was Sie da vorhaben, ist nicht nur eine Ohrfeige für die Ökologie, es ist auch eine Ohrfeige für Herrn Töpfer, der von diesen Planungen der Bundesregierung zur Erdgassteuer im Juli vermutlich ebenso wie wir erst aus den Zeitungen erfahren haben wird. Aber so sind die Kräfteverhältnisse bei Ihnen.
    Grotesk ist auch die fiskalpolitische Begründung, mit der diese neue Verbrauchsteuer eingeführt werden soll. Ihr Ausgangspunkt ist der: Sie stehen vor der Frage „Wo könnte man denn noch ein bißchen Geld zusammenkratzen, um die Löcher zu stopfen?", die Löcher, die Ihre grandiose Steuerreform reißt, und dann verfallen Sie gegen jede energiepolitische Ver-



    Kleinert (Marburg)

    nunft auf die Idee, den Einsatz von Erdgas zu besteuern. Damit wird Energiepolitik zum bloßen Instrument kurzatmiger Fiskalpolitik. Die Ökologie wird benutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Auch das macht noch einmal schlagend klar, welchen Stellenwert diese Regierung der Umweltpolitik zuweist. Die Umweltpolitik kommt ganz zuletzt, und das kann man an diesem Haushaltsentwurf einmal mehr nachweisen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das ist längst nicht alles. Sie wollen den WAA-
    Wahnsinn in Wackersdorf weiterfinanzieren. Sie wollen, daß der Schnelle Brüter unbedingt ans Netz geht. Für gigantische Prestigeprojekte im Weltraum ist genug Geld in diesem Haushalt. Der Rüstungsetat soll um gut 2 Milliarden DM steigen, und das in einer politischen Konstellation, die neue, ungeahnte Abrüstungschancen bieten würde. Wie wollen Sie eigentlich auf dem Hintergrund diverser Abrüstungsofferten aus dem Osten auch im konventionellen Bereich noch jemandem plausibel machen, wieso die Bundeswehr eigentlich dauernd weiter aufrüsten soll?
    An diesen und an vielen anderen Stellen wäre das Geld schon zu holen, das für die dringenden umweltpolitischen Maßnahmen nötig ist, aber Sie wollen das alles nicht, weil es nicht der politischen Linie dieser Bundesregierung entspricht. Ihr Umweltminister ist nicht mehr als ein Alibi in dieser Bundesregierung. Er darf in schöngeistigen Sonntagsreden auch einmal Problembewußtsein zeigen; die nüchterne Wirklichkeit sieht aber ganz andere politische Prioritäten bei Ihnen im Vordergrund.
    Welche Prioritäten das sind, hat nicht zuletzt Ihr grandioser Flop mit der Steuerreform einmal mehr deutlich gemacht, jener Steuerreform, die nun auf Jahre hinaus restriktive Rahmenbedingungen für den finanzpolitischen Handlungsspielraum der öffentlichen Hand setzen soll und die ganz besonders die Möglichkeiten von Ländern und Kommunen drastisch beschneidet. Die Steuersenkung entzieht der öffentlichen Hand 19 Milliarden, nur damit diejenigen, die ohnehin schon genug haben, die Taschen noch voller kriegen; dafür fehlt dann das Geld für soziale und ökologische Aufgaben. Eine Mischung aus knallharter Interessenpolitik und ideologischer Verbohrtheit hat Sie dazu gebracht, diesen Unsinn hier durchzuziehen. Wir alle erinnern uns ja noch an den traurigen Höhepunkt des Frühsommertheaters, an die Steuerbefreiung für das Flugbenzin, jenes Geschenk an den bekannten Münchener Hobbypiloten, mit dem Sie dann allerdings eine anständige Bruchlandung erlebt haben. Um diesen Flop „Steuerreform" zu finanzieren, ohne allzu große Haushaltslöcher entstehen zu lassen, sollen nun diverse Verbrauchsteuern erhöht werden. Bezahlen sollen, hübsch sozial ausgewogen, alle.
    Meine Damen und Herren, wir als GRÜNE sind natürlich nicht gegen eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Wir fordern das seit langem, weil es dafür sehr gute umweltpolitische Gründe gibt. Aber wir wollen keine Erhöhung der Mineralölsteuer bloß deshalb, damit Sie ein paar Haushaltslöcher stopfen können, die Sie mit Ihrer verfehlten Finanzpolitik aufgerissen haben. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer ist sinnvoll und nötig, aber nur dann, wenn das Geld für ökologische Sanierung und ökologischen Umbau dieser Gesellschaft aufgewendet wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, längst überfällig wäre eine grundlegende Neuorientierung in der Finanzpolitik. In der Tat brauchen wir eine Steuerreform, aber eine Steuerreform, die nicht auf Umverteilung von unten nach oben aus ist, sondern ökologische Kriterien in den Vordergrund rückt. Wir brauchen eine ökologische Steuerreform, eine Steuerreform, die das Instrument der Steuerpolitik einsetzt, damit durch gezielte finanzielle Belastungen und Entlastungen Anreize zu ökologischer Produktionsumstellung und zu umweltverträglichem Konsum geliefert werden.
    Dazu gehört z. B. eine Primärenergieabgabe; dazu gehört eine Steuer auf den Einsatz bestimmter Chemikalien; dazu gehört eine Reihe von zweckgebundenen Sonderabgaben, z. B. zur Eindämmung von Plastikverpackungen, eine Grundwasserabgabe, eine Stickstoffabgabe und dergleichen mehr.
    Ökosteuern und ökologische Abgaben, deren Aufkommen zweckgebunden zur Beseitigung ökologischer Schäden einzusetzen wären, das wären die steuerpolitischen Notwendigkeiten, die sich heute stellen.
    Natürlich wären auch solche Maßnahmen einer ökologischen Steuerreform kein Allheilmittel zur Lösung sämtlicher Umweltprobleme; aber sie wären ein wichtiges Instrument beim ökologischen Umbau dieser Gesellschaft. Denn ökologische Besteuerung könnte umweltschädliche Produktionsverfahren und nicht regenerierbare Ressourcen verteuern, umweltverträgliche Alternativen dagegen rentabler machen. Von solchen ökologischen Lösungsansätzen ist diese Regierung meilenweit entfernt. Solche Konzepte werden rundweg abgelehnt.
    In diesem Zusammenhang muß auch ein Wort zur SPD gesagt werden.

    (Walther [SPD]: Muß nicht!)

    — Doch, doch, nach Ihrem grandiosen Parteitag, Herr Kollege Walther.
    Natürlich ist es nur zu begrüßen, wenn neuerdings auch von Ihrer Seite von ökologischer Umgestaltung des Steuersystems die Rede ist. Wir beanspruchen ja schließlich kein Copyright auf Begriffe. Nun habe ich aber bislang in Ihren Papieren vom Münsteraner Parteitag leider vergeblich nach einem konkreten Konzept gesucht, wie das im einzelnen mit der ökologischen Steuerreform dann aussehen soll.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das haben sie mit euch gemeinsam!)

    — Nein, ich habe doch einiges hier vorgetragen, Herr Bötsch; vielleicht haben Sie nicht zugehört.
    Ich will nun nicht hoffen, daß es bei Ihnen wieder mit den Überschriften schon sein Bewenden hat, daß Sie bei uns die Überschriften abschreiben, daß dann schon der ganze Blätterwald rauscht und den ökologischen Sinneswandel der SPD verkündet und daß es das dann auch schon war. Das hoffe ich nicht; ich sage das ausdrücklich. Ich hoffe, daß es bei dieser Sache anders ist. Wir werden jedenfalls mit großem Interesse



    Kleinert (Marburg)

    abwarten, was an konkreten Konzepten außer der Überschrift dann noch nachkommt.

    (Walther [SPD]: Dazu habt ihr ja vor lauter Streit gar keine Zeit mehr!)

    Meine Damen und Herren, auch auf das zweite der großen gesellschaftlichen Probleme, die Massenarbeitslosigkeit, hat dieser Haushalt keine Antwort parat. Fast noch schlimmer: Die 2,2 Millionen Menschen, die trotz günstiger Konjunkturlage als registrierte Arbeitslose heute einen Job suchen müssen, sind in Stoltenbergs Haushaltsrede nicht mit einem Wort überhaupt aufgetaucht. Sie handeln nicht nur nicht, Sie reden schon gar nicht mehr davon, meine Damen und Herren. In diesem Haushalt wird man einen Beitrag zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit vergeblich suchen. Statt dessen wollen Sie weitere Leistungskürzungen bei der Bundesanstalt für Arbeit durchziehen, die die Chancen für die Arbeitslosen nur noch weiter beschneiden werden. 1,8 Milliarden DM sollen insgesamt dadurch hereinkommen. Dafür wird dann in die Finanzierung des Jäger 90 eingestiegen. So, meine Damen und Herren, sind die politischen Prioritäten dieser Bundesregierung.
    Die Finanzierung des ökologischen Umbaus zu sozial gerechten Bedingungen ist die zentrale politische Zukunftsaufgabe für die Finanzpolitik. Zu dieser Zukunftsaufgabe gibt dieser Haushaltsentwurf fast nichts her. Weder tote Robbenbabys noch vergiftetes Trinkwasser sind für diese Regierung Anlaß zu wirksamem Handeln, das im harten finanzpolitischen Alltag seinen Niederschlag finden würde. Zu all den ökologischen Zukunftsaufgaben haben Sie wenig anzubieten, zur Bekämpfung der Massenerwerbslosigkeit gar nichts. Sie haben wenig anzubieten zur Frage der Umverteilung von Arbeit, und Sie haben wenig bis gar nichts anzubieten zu der Frage neuer Wege in der Sozialpolitik.
    Herr Stoltenberg, statt die Zukunftsaufgaben wenigstens im Ansatz anzugehen, haben Sie uns hier einmal mehr das Dokument einer ideologisch verbohrten neoliberalen Finanzpolitik vorgelegt, die nicht einmal die zarten Pflänzchen ökologisch-marktwirtschaftlichen Denkens aufnimmt, die man selbst am Rande der Regierungsparteien dann und wann finden kann.
    Die ganze Grundrichtung dieser Politik ist falsch. Über diese Grundrichtung werden wir in den nächsten Wochen und Monaten den Streit mit Ihnen zu führen haben.

    (Walther [SPD]: Aber nur, wenn du in den Ausschuß kommst!)

    Wir werden das an Hand von konkreten Anträgen tun, die wir mit konkreten Finanzierungsvorschlägen verbinden. Wir werden nicht nur ein Konzept für eine ökologische Steuerreform vorlegen, wir werden ökologische Sofortmaßnahmen vorschlagen: im Bereich der Abwasserentgiftung, zur Altlastensanierung, zur Kraftwerksentschwefelung, zur Energieeinsparung. Wir werden Maßnahmen zur rationelleren Energienutzung und zur Förderung alternativer Energieformen vorschlagen. Wir werden die Steigerung investiver Ausgaben in diesem Bundeshaushalt da vorschlagen, wo es sinnvoll ist: bei der Bundesbahn etwa, beim Städtebau, im Etat der Frau Süssmuth und anderswo. Wir werden konkrete Schritte zur konventionellen Abrüstung in der Bundesrepublik in diesem Bundestag einbringen. Wir werden Maßnahmen zur Bekämpfung der neuen Armut vorlegen, und wir werden Ihnen nachweisen, daß unsere Alternativen sinnvolle Wege zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit aufzeigen.
    Meine Damen und Herren, das ist die Grundrichtung der Politik, um die es heute gehen muß. Das ist allerdings nicht die Grundrichtung, die Sie vorschlagen. Ihr Weg weist in eine Zukunft, die wir so nicht wollen.
    Danke.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weng.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Weng


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der FDP hat in ihrer gestrigen Sitzung beschlossen, den Bundeshaushalt 1989 auf der Basis der vorliegenden Kabinettsentscheidung zu beraten.

    (Esters [SPD]: Das ist aber toll!)

    — Herr Kollege Esters, wenn Sie den Nachsatz hören, werden Sie diesen Zwischenruf gleich wiederholen können.

    (Walther [SPD]: Ganz was Neues!)

    Wer, meine Damen und Herren, die öffentliche Debatte über einzelne Positionen des Haushalts in den vergangenen Wochen verfolgt hat, wird sich vorstellen können, daß diese Entscheidung nicht ohne harte Diskussionen, nicht ohne deutliche Kritik und auch nicht ohne abweichende Einzelpositionen zustande gekommen ist. Unsere selbst gesetzte Aufgabe, die Aufgabe der Koalition — sorgfältige und sparsame Haushaltsführung — , macht es aber notwendig, auf der Basis der durch das Kabinett getroffenen Entscheidungen zu verhandeln.
    Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir vorab eine persönliche Anmerkung. Zum erstenmal seit meiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag führen wir heute eine Haushaltsdebatte ohne den Kollegen Apel von der SPD. Das ist eine direkte Konsequenz aus der unsinnigen und rechtlich fragwürdigen Quotenregelung, die die SPD auf ihrem letzten Parteitag beschlossen hat. Bei allem Wohlwollen für die Förderung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen und dabei natürlich auch im Bereich der Politik: Wenn sich eine solche Förderung von unten nach oben aufbaut und dann zu gleichgewichtigen Ergebnissen kommt,

    (Walther [SPD]: Was heißt das denn?)

    dann ist sie vernünftig. Von oben kann man im Leben bekanntlich fast nirgendwo anfangen, sondern überall werden die Dinge von unten aufgebaut.

    (Stratmann [GRÜNE]: Ist das ein Plädoyer für Lambsdorff?)




    Dr. Weng (Gerlingen)

    Der einzige Bereich, von dem mir bekannt ist, daß man von oben anfangen kann, ist das Umgraben des Gartens.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Spaß beiseite! Meine Damen und Herren, wenn eine Regelung dazu führt, daß sachkundige, erfahrene und profilierte Politiker abgewählt werden, nur weil sie Männer sind, kann dies keine vernünftige Regelung sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Rose [CDU/CSU]: Durch Frauenquote gibt es Männertote! — Walther [SPD]: Nur die Machos klatschen!)

    Obwohl das Haushaltsrecht eines der ganz wesentlichen Rechte eines demokratischen Parlaments ist, dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, daß die Haushaltsberatung nur eine eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit beinhaltet. Ein Haushalt ist auch und ganz wesentlich Bilanz getroffener Entscheidungen. Deshalb ist die Haushaltsberatung der Zeitpunkt zum Rückblick ebenso wie zum Ausblick. Wenn auch die rein buchhalterische Fortschreibung von Haushaltsdaten einen Politiker niemals wird befriedigen können, meine Damen und Herren: An den Fakten kann trotzdem niemand vorbeigehen. Deshalb muß auch der Zusammenhang zwischen Einnahmen, Ausgaben und Schulden immer wieder deutlich gemacht werden.

    (Zuruf des Abg. Walther [SPD])

    Wer dieses Dreieck, Herr Kollege Walther, wie es von Seiten der Opposition sehr gern geschieht, dadurch auflösen will, daß er nur Erhöhung der Ausgaben und Senkung der Schulden fordert, der muß an sich ein Viereck konstruieren. Die vierte Position ist dann eine Banknotenpresse, die ständig in Bewegung sein müßte.

    (Walther [SPD]: Die hat der Stoltenberg bei der Bundesbank!)

    Diese Banknotenpresse würde aber dazu führen, daß die Solidität, daß die Stabilität unseres Geldwertes verlorenginge. Gerade die Geldwertstabilität aber, meine Damen und Herren, und dies in allen vergangenen Jahren, wurde nicht unwesentlich durch die Haushaltspolitik der Koalition erreicht. Ich sage das auch im Blick darauf, daß der Kollege Wieczorek in seiner Rede erklärt hat, daß die Wirtschaft im Moment gut laufe und das nichts mit der politischen Arbeit der Koalition hier in Bonn zu tun habe. Meine Damen und Herren, was hätte er wohl gesagt, wenn es zur Zeit schlecht laufen würde?

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Dann wäre die Regierung schuld!)

    Wer Steuern senkt, wer damit in gewissem Maße, politisch wünschenswert, auch noch verbindet, von direkten auf indirekte Steuern umzustellen, wie wir es getan haben und tun werden, der kann im Rahmen gestaltender Politik auch eine zeitlich begrenzte Schuldenerhöhung für erforderlich halten und diese dann politisch akzeptieren. Natürlich kann die verfassungsmäßige Regelung, daß die Verschuldung die Investitionen nicht überschreiten darf — eine Regelung,
    die übrigens von manchen politisch Tätigen als solche beklagt wird — , nicht die angestrebte Zielvorgabe für die jeweilige Haushaltsberatung sein. Unser Bemühen, nach dem Ausreißer des laufenden Jahres, den der Finanzminister in seinen Ursachen und Gründen heute morgen sehr deutlich beschrieben hat, diese Grenze künftig nicht mehr zu überschreiten, sondern deutlich darunter wegzukommen, bleibt deshalb erhalten. Auch hier, Herr Kollege Wieczorek, erinnere ich mich wieder an einen Satz in Ihrer Rede, als Sie vom gesamten Ablauf der letzten Jahre unter hervorragenden Gesamtrahmenbedingungen auch der Weltwirtschaft und ohne außenwirtschaftliche Störungen gesprochen haben. Haben Sie denn tatsächlich schon vergessen, was im Herbst letzten Jahres war, welche Entwicklung an den Börsen international, welche Entwicklung des Dollarkurses dazu geführt hat, daß wir zu Beginn dieses Jahres eben davon ausgehen mußten, die Verschuldung unseres Landes aus gesamtwirtschaftlichen Gründen höher anzusetzen, als es die ursprüngliche Konzeption vorsah.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Ihr habt gewurstelt, gepfuscht!)

    „Ohne außenwirtschaftliche Störungen", dies kann wirklich nur als lächerlich bezeichnet werden.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Dann muß man auch einmal über den Investitionsbegriff nachdenken!)

    Herr Friedmann, ich gebe Ihnen auf Ihren Zwischenruf hin gerne recht, daß die Frage, wie die Investitionen im Bundeshaushalt begründet und aufgelistet sind, wirklich einer Diskussion bedürfte und man hier gegebenenfalls Änderungen vornehmen sollte, um ganz konsequent tatsächliche Investitionen als solche zu bezeichnen und andere Dinge davon zu trennen. Aber da wir in der Vergangenheit immer an den Grundlagen der jetzt zu erstellenden Zahl gemessen haben, will ich das nicht an dieser Stelle in die Debatte einbringen; wir können uns hierüber gerne unterhalten.

    (Walther [SPD]: Da sind wir mit dabei!)

    Der Haushaltsentwurf 1989, meine Damen und Herren, den uns der Finanzminister heute morgen als Entscheidung des Kabinetts vorgelegt hat, hat aus Sicht des Parlamentariers eine Reihe von Schwächen, die über das reine Zahlenwerk hinausgehen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Richtig!)

    Der Umfang der Ausgabensteigerung ist, gemessen an dem, was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben, natürlich unerwünscht; ich sage dies, auch wenn mir bewußt ist, daß der Steigerungstitel „Erhöhter Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit" eine ausdrückliche Konsequenz des Wunsches meiner Fraktion ist, die Beiträge für die Bundesanstalt für Arbeit nicht ansteigen zu lassen, wie es sonst notwendig gewesen wäre.

    (Walther [SPD]: Weil ihr Aufgaben auf die Bundesanstalt verlagert habt! — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aufgaben habt ihr verschoben!)

    Auch hier — Herr Kollege Walther, deshalb ist der
    Zwischenruf zum richtigen Zeitpunkt erfolgt, auch



    Dr. Weng (Gerlingen)

    wenn er inhaltlich falsch ist — wird nämlich wieder ein Finanzdreieck deutlich,

    (Walther [SPD]: Ihr habt verfassungsmäßige Aufgaben des Bundes verschoben!)

    an dem sich die Opposition messen lassen müßte. Wer einerseits Leistungsverringerungen der Bundesanstalt moniert und ablehnt, andererseits Beitragserhöhungen nicht wünscht, der kann seine Forderung nach einem höheren Bundeszuschuß nur dann seriös vortragen, wenn er die notwendigen Einnahmen im Bundeshaushalt auch mitträgt und mitbeschließt. Hierzu habe ich von seiten der Opposition nichts gehört.

    (Walther [SPD]: Wieso sind wir für die Folgen eurer Politik verantwortlich?)

    Jeder weiß, meine Damen und Herren, daß die Einführung der Erdgassteuer mit dem Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit in ganz direktem Zusammenhang steht; das Zahlenwerk ist völlig klar. Die Aufschlüsselung: Einsparung im Bundeshaushalt, Reduzierung überzogener Leistungen bei der Bundesanstalt und erhöhter Bundeszuschuß für das kommende Jahr.

    (Walther [SPD]: Jetzt sind die Arbeitslosen für die Erdgassteuer zuständig! Jetzt wird es aber verrückt!)

    Da braucht man nicht zu versuchen, durch Zwischenrufe etwas davon wegzureden.

    (Walther [SPD]: Die Erdgassteuer für die Arbeitslosen!)

    Der zweite große Ausgabebrocken ist das Ergebnis der sogenannten Albrecht-Initiative. Hier haben Politiker aller Couleur — ich sage dies auch selbstkritisch an die Adresse meiner eigenen Partei — unter Federführung des niedersächsischen Ministerpräsidenten einen Wettlauf veranstaltet, dem „nackten Mann" Bundeshaushalt heftig in die Tasche zu greifen. Dies ist vor allem dann kein positives Beispiel gesamtpolitischer Verantwortung, wenn man sich vor Augen hält, daß die Steuermehreinnahmen der vergangenen Jahre in wesentlich größerem Umfang Ländern und Gemeinden als dem Bund zugegangen sind. Herr Wieczorek, Sie haben hier heute nachmittag andere Zahlen genannt. Tatsache ist: Der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen betrug bis Mitte der 70er Jahre etwa 50 %, zeitweise sogar mehr als 50 %, 1988 liegt er nur noch bei ca. 45 %.
    Ich darf hier die Äußerung von Lothar Späth aus der Wochenzeitschrift „Die Zeit" zitieren. Späth: „Ich halte es für sehr problematisch, wenn zehn von elf Ländern im wirtschaftsstärksten Staat Europas quasi erklären, sie seien ohne ernsthafte Strukturhilfen des Zentralstaates gar nicht mehr fähig, ihre Probleme und ihre Aufgaben zu lösen." Er hat das in anderem Zusammenhang gesagt, aber es paßt natürlich auch hier sehr gut hinein. Allerdings ist Lothar Späth ein schlechter Kronzeuge, denn sein eigenes Verhalten bei der Besteuerung betrieblicher Zuwendungen — Stichwort: Jahreswagen von Daimler-Benz — liegt ja auf dem gleichen Niveau, und das gilt um so mehr für die heftig diskutierte — die Diskussion ist nicht beendet — Flugzeugbenzinsteuerbefreiung für Privatflieger auf Initiative von Franz Josef Strauß, auch wenn diese Steuerbefreiung wieder zurückgenommen werden soll.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Teilweise!)

    Ob Strauß Ananas in Alaska oder Wombats in Wildbad Kreuth züchtet,

    (Frau Seiler-Albring [FDP]: Was ist das?)

    er möge bitte künftig darauf verzichten, uns solche faulen Fier ins Nest zu legen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wieso haben Sie denn dafür gestimmt?)

    Ich bin für die Zwischenfrage, Frau Kollegin, ausdrücklich dankbar. Der Wombat ist ein australisches Beuteltier, das so ähnlich aussieht wie ein Biber ohne Schwanz, ungefähr diese Größe hat und ein ausgesprochen liebenswertes Tier ist. Ich weiß nicht, ob es als Haustier geeignet ist. Die deutsche Bezeichnung habe ich dem Brockhaus entnommen — beide Namen sind an sich nicht richtig — : entweder Beutelmaus, worunter man sich etwas ganz Kleines vorstellt, oder Plumpbeutler, und das wird diesem liebenswerten Tier wirklich nicht gerecht.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Man erkennt sofort den weitgereisten Parlamentarier! — Dr. Rose [CDU/CSU]: Dafür war der zweimal in Australien!)

    Meine Damen und Herren, die Flugzeugambitionen von Franz Josef Strauß führen ja auch beim Bundeshaushalt — jedenfalls kann man es vermuten — unter dem Stichwort „Airbus" ab und zu einmal zu Konsequenzen, die an seinem direkten Industrieengagement als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Airbusindustrie nach meiner Überzeugung Kritik begründen.
    Ich will aber im Zusammenhang mit Airbus etwas anderes vortragen. Unsere Fraktion begrüßt ausdrücklich die Bemühungen des Bundeswirtschaftsministers, die enorm anwachsenden Subventionen beim Airbus dadurch mittelfristig abzusenken, daß ein geeigneter industrieller Partner den nötigen Schub an Managementerfahrung in dieses Unternehmen bringt. Natürlich sehen auch wir die Probleme, die presseöffentlich massiv diskutiert werden, die aus einer möglichen Beteiligung von Daimler-Benz an MBB in anderem Zusammenhang entstehen können. Natürlich wird auch die Frage der möglichen Konditionen und vor allem die der Risikoverteilung bei einer künftig möglicherweise anstehenden Entscheidung eine Rolle spielen und sorgfältiger Prüfung unterzogen werden. Das Grundkonzept des Bundeswirtschaftsministers, öffentliche Verantwortung in einem sehr schwierigen Industriebereich wenigstens teilweise in private Verantwortung zu überführen, ist aber ausdrücklich richtig.

    (Beifall bei der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aber ihr nehmt den Privaten das Risiko! — Kühbacher [SPD]: Wolfgang, aber Subventionen gebt ihr nicht!)




    Dr. Weng (Gerlingen)

    — Herr Kollege, wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt wären,

    (Kühbacher [SPD]: Bin ich!)

    dann wüßten Sie, daß ich genau hierzu im Vorsatz etwas gesagt habe. Ich will das jetzt nicht noch einmal wiederholen, aber es wäre natürlich doch wünschenswert, nicht auf Grund eines gehörten Halbsatzes mit Zwischenrufen zu kommen, wenn man den Gesamtzusammenhang nicht gehört oder gar nicht begriffen hat.

    (Dr. Struck [SPD]: Der Gesamtzusammenhang war überhaupt nicht erkennbar! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Doch. Es war doch durchaus so, daß es deutlich verständlich war, Herr Kollege. Andere haben ja Eile gehabt, nämlich ihre vorbereitete Rede schnell genug durchzulesen. Und was da alles an Anfeindungen drin war. Aber das Konzept war trotzdem ganz interessant und lustig; denn in der Presseerklärung, die die SPD verteilt hat, war ausdrücklich eine Zwischenfrage formuliert. Leider hat sie trotzdem keiner von Ihnen gestellt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir haben das Papier hier.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Ein Regiefehler!)

    Meine Damen und Herren, wenn wir gerade beim Fliegen sind: Der immer stärker belastete Luftraum
    — das gilt gerade auch für den Kurzstreckenflugverkehr — und auch die zunehmende Umweltbelastung durch Abgase der besonders hoch fliegenden Maschinen — mit noch unbekannten, aber schon vermuteten und umweltmäßig sicherlich nicht ungefährlichen Auswirkungen — sollten die Überlegungen im Zusammenhang mit dem schnellen Personenverkehr auf andere Gleise führen. Ich sage ausdrücklich Gleise.