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ID1108902300

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    Plenarprotokoll 11/89 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 89. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Unglücks bei der Flugschau in Ramstein 6059 A Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundesminister a. D. Dr. Johann Baptist Gradl 6059 B Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Professor Dr. Friedrich Schäfer 6059 D Verzicht der Abg. Dr. Wörner, Sauter (Ichenhausen) und Lemmrich auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 6060 A Eintritt der Abg. Jäger (Wangen), Graf Huyn und Frau Dr. Wegner in den Deutschen Bundestag 6060 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Buschfort, Sauter (Epfendorf), Koltzsch, Dr. Stercken und des Vizepräsidenten Stücklen 6060 B Erweiterung der Tagesordnung 6060 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 6060D, 6106B Wieczorek (Duisburg) SPD 6072 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 6080 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 6085 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6088 C Esters SPD 6093 B Dr. Rose CDU/CSU 6096 C Frau Rust GRÜNE 6100A Dr. Solms FDP 6101 D Frau Will-Feld CDU/CSU 6104 A Walther SPD 6108B Nächste Sitzung 6110 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6111 *A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 89. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 6059 89. Sitzung Bonn, den 6. September 1988 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Mitzscherling 6. 9. Niegel* 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oostergetelo 9. 9. Pfuhl 6. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Frau Saibold 6. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Vosen 6. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Würtz 6. 9. Zierer * 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Helmut Esters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Wolfgang Weng sehr dankbar, daß er uns von dem weittragenden Beschluß seiner Fraktion hier unterrichtet hat, den Bundeshaushalt auf der Basis der Regierungsvorlage beraten zu wollen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Ich kann Ihnen für meine Fraktion mitteilen: Auch wir haben diese Absicht

    (Erneute Heiterkeit bei der SPD — Beifall bei der FDP)

    und werden dies, so hoffe ich, genauso kritisch wie in den vergangenen Jahren tun.
    Herr Bundesfinanzminister, die etwas freundlichere Gestaltung des Wirtschaftswachstums, die bescheidenen Einnahmeverbesserungen aus Steuern, die Sie daraus erwarten, und die einstweilen unbekannte Größe des Bundesbankgewinns sind die schwankenden Pfeiler, auf die Sie Ihre positivere Bewertung der Haushaltslage stützen. Ich kann nicht erkennen, daß diese Erwartungen, die allenfalls die reale Tristesse der Situation flüchtig aufhellen und die deutlich spekulativen Charakter tragen, den von Ihnen beanspruchten, aber nicht eingelösten Maßstäben der Solidarität entsprechen.
    Das Grundübel der Haushaltswirtschaft, die Sie betreiben, liegt darin, daß sich die Einnahmenseite in permanentem Ungleichgewicht zur Ausgabenseite befindet. Sie haben über Jahre hin die Wachstumskurve der Wirtschaft überschätzt und tun dies auch in
    diesem Augenblick, obwohl alle Wirtschaftsinstitute auf die erneut ungünstiger werdenden Bedingungen für 1989 hinweisen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen doch, wie schwankend und jederzeit bedroht der weltwirtschaftliche Konjunkturverlauf ist, von dem wir natürlich maßgeblich mit abhängen.
    Sie haben wegen Ihrer Illusionen über Jahre hin die Steuereinnahmen nach unten korrigieren müssen und gleichwohl starr an einer Steuerreform festgehalten, die letztlich ruinöse Folgen für das Haushaltsgleichgewicht hat und die Sie nun durch unausgereifte und politisch willkürlich gewählte Verbrauchsteuererhöhungen notdürftig korrigieren müssen.

    (Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Das ist falsch! Das nehmen Sie sofort zurück!)

    Sie sind — wie in vielen Bereichen — hier längst nicht mehr Herr des Verfahrens, sondern reagieren als ein Getriebener, der mehr schlecht als recht die allerschwersten Defizite stopfen muß.
    Sie haben gleichzeitig die Ausgabendynamik unterschätzt und sich gerühmt, den Ausgabenanstieg unter 3 % zu halten, während 1989 die Erhöhung 4,6 % betragen soll. In Wirklichkeit ist es Ihnen eine Zeitlang gelungen, klar absehbare Ausgaben hinauszuzögern oder zu verdrängen, ohne Vorsorge zu treffen. Das gilt für die Finanzierung der Europäischen Gemeinschaft, die Sie jetzt mit voller Wucht trifft und die langfristig das Ausgabenniveau des Haushalts erheblich steigert.
    Andere Ausgaben haben Sie entweder in leichtsinnigem Vertrauen auf Besserung oder aus der Mißachtung des zentralen Problems unserer Gesellschaft, der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, aus dem Bundeshaushalt schlechthin ausgelagert. Nachdem Sie durch Abwälzung von sachfremden Ausgaben die Zahlungsunfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit mit herbeigeführt haben,

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    können Sie es nun nicht mehr vermeiden, Bundeszuschüsse in den Nachtragshaushalt, in den Bundeshaushalt 1989 und auch in die mittelfristige Finanzplanung einzustellen. Sie haben sich schließlich permanent dagegen gesträubt, daß der Bund seiner Aufgabe gerecht werden muß, strukturelle Ungleichgewichte innerhalb des Bundesgebiets auszugleichen.
    Auch von dieser langjährigen Verkennung der Situation werden Sie im Nachtragshaushalt 1988 und im Haushaltsentwurf 1989 eingeholt. Weil Sie selbst kein Konzept entwickelt haben, Strukturpolitik finanziell zu gestalten, sind Sie nun das Opfer eines Zwangsmanövers des niedersächsischen Ministerpräsidenten geworden, der sich dabei freilich auf eine Notwehrsituation berufen kann, die es auch in anderen Bundesländern gibt.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Nachtragshaushalt 1988, der Haushaltsentwurf 1989 und der neue Finanzplan 1988 bis 1992 dokumentieren haushaltspolitische Führungslosigkeit und Fehlentwicklungen, wie sie spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 1987 für alle offenkundig geworden sind.



    Esters
    1987 sind Sie mit einem Haushalt in den Wahlkampf gezogen, der auf dem Papier eine Neuverschuldung von 22,3 Milliarden DM aufwies, ein Irrtum, der angesichts der Warnungen von unserer Seite alle Elemente eines grob fahrlässigen Verhaltens aufwies. Der von Ihnen damals gepriesene — so wörtlich in einer BMF-Pressemitteilung — „Meilenstein" auf dem Weg zur Gesundung der Staatsfinanzen erwies sich im Haushaltsvollzug in Wirklichkeit als ein Mühlstein, der den Absturz der Staatsfinanzen auslöste. Im Ergebnis fehlten 5 Milliarden DM.

    (Beifall bei der SPD)

    Da Sie dieses Menetekel nicht als Warnung verstanden haben, verdoppelte sich das Defizit im Haushalt des laufenden Jahres auf etwa den doppelten Betrag. Die Druckerschwärze des Haushaltsgesetzes war noch nicht getrocknet, da erwies es sich bereits als Makulatur. Es fehlten rund 10 Milliarden DM, so daß sich die Neuverschuldung, wie nun endgültig klar ist, statt auf 30 Milliarden DM auf rund 40 Milliarden DM — Sie haben heute morgen etwas herunterkorrigiert — belaufen wird. Nur mit Hilfe vorzeitiger Verbrauchsteuererhöhungen im Umfang von rund 8 Milliarden DM sowie einer noch nicht nachgewiesenen globalen Minderausgabe von 1,2 Milliarden DM soll es Ihnen 1989 gelingen, die Nettokreditaufnahme, die sonst erneut bei mindestens 40 Milliarden DM läge, auf 32 Milliarden DM zurückzuführen. Auch dies ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß der Bundesbankgewinn, den Sie für 1989 auf 5 Milliarden DM veranschlagen, der vermutlich erheblich höher ausfallen wird, in der Finanzplanung mit jährlich rund 7 Milliarden DM eingesetzt wird, wenn er denn tatsächlich erzielt wird. Ich sage Ihnen, daß eine Haushaltskonsolidierung, die auf dem Bundesbankgewinn aufbaut, in Wirklichkeit ein bloßes Roulettspiel ist. Es muß die allerschwerste Besorgnis erregen, daß sich die Neuverschuldung im Haushaltsvollzug 1988, im Haushalt 1989 und im jüngsten Finanzplan kontinuierlich auf einem beträchtlich höheren Sockel bewegt, als es die bisher gültige Finanzplanung im Finanzbericht 1988, die kaum ein Jahr alt ist, prognostizierte.

    (Dr. Struck [SPD]: Leider wahr! — Beifall bei der SPD)

    Da Haushaltspolitik ein Geschäft mit Zahlen ist, will ich dies an Hand der eben genannten und uns zugegangenen Unterlagen mit Zahlen belegen. Während der Finanzbericht 1988 vor einem Jahr die Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt 1988 noch auf 29,8 Milliarden DM schätzte, beträgt sie nun nach Vorlage des Nachtragshaushalts etwas über 39 Milliarden DM: eine Differenz von rund 10 Milliarden DM. Während der Finanzbericht 1988 vor einem Jahr die Kreditaufnahme für 1989 noch mit 27,2 Milliarden DM schätzte, beträgt sie bereits nach dem Haushaltsentwurf 1989, der uns vorliegt, fast 32 Milliarden DM: eine Differenz von schon jetzt rund 5 Milliarden DM. Für 1990 schätzte der Finanzbericht noch 30,9 Milliarden DM, während der neue Finanzplan nur ein Jahr später bereits von 36 Milliarden DM Nettokreditaufnahme ausgeht: eine Differenz von wiederum rund 5 Milliarden DM. Für 1991 sind dann die Differenzen noch dramatischer. Der Finanzbericht 1988 schätzte 26 Milliarden DM, der jüngste Finanzplan nennt
    34 Milliarden DM: eine Differenz von 8 Milliarden DM.
    Der Finanzminister trägt die Verantwortung dafür, daß trotz einer dank der Weltwirtschaft nicht ungünstigen Normallage der Weltkonjunktur die Neuverschuldung strukturell und dynamisch gegenüber den bisherigen Planungen ansteigt. Da kann ich es — mit Verlaub — nur als Possenspiel bezeichnen, wenn der Parlamentarische Staatssekretär Häfele einen Abbau der Altverschuldung des Bundes ankündigt.

    (Walther [SPD]: Gibt es Häfele noch?)

    — Offensichtlich ja. Hin und wieder gibt es Erklärungen von ihm.

    (Uldall [CDU/CSU]: Bringen Sie Ihren Redner nicht durcheinander! Das ist unfair! — Gegenruf Frau Traupe [SPD]: Der ist nicht durcheinanderzubringen!)

    — So leicht bringen Sie den nicht durcheinander.

    (Walther [SPD]: Daß es den Häfele gibt, habe ich schon lange nicht mehr gehört!)

    — Es wird allerhöchste Zeit, daß Sie ein Gespräch mit Herrn Staatssekretär Häfele bekommen, Herr Vorsitzender.
    Bei dem Zahlenvergleich, den ich angeführt habe, stehen natürlich noch nicht die Aufgaben wie die Rentenreform oder die Entschuldung der Bundesbahn auf der Tagesordnung. Sie sind unberücksichtigt; denn im Finanzplan fehlt dazu jegliche Aussage.
    Ich möchte hier voraussagen, daß Sie, um der klaffenden Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben Herr zu werden, künftig weiter indirekte Steuern werden erhöhen müssen. Sie verbrämen dies im jüngsten Finanzplan unter dem Stichwort einer — wörtlich —„Harmonisierung der indirekten Steuern in der Europäischen Gemeinschaft". Ich wäre dankbar, wenn diese sibyllinische Andeutung hier präzisiert werden könnte. Gibt es Schubladenpläne für solche erneuten Steuererhöhungen im Verbrauchsteuerbereich, namentlich auch im Bereich der Mehrwertsteuer nach 1990?
    Ich komme auf den Haushalt 1989 zurück. Der Globalansatz für vorgesehene Steuererhöhungen im Einzelplan 60 über 8 Milliarden DM ist zur Zeit im Umfang ungesichert, da das Gesetzgebungsverfahren erst beginnt und sich die Koalition in gewohnten Mißklängen weder über den Zeitpunkt noch über den Umfang einig ist.

    (Dr. Struck [SPD]: Sehr wahr!)

    Die Klage des Vorstandsvorsitzenden der Esso AG, daß — ich zitiere — die deutsche Wirtschaft sich auf diese Bundesregierung nicht verlassen könne,

    (Walther [SPD]: Sehr gut!)

    weil es weder eine zielgerichtete Wirtschaftspolitik noch eindeutige, auf Dauer geltende Rahmenbedingungen gebe, bestätigt sich auch hier exemplarisch.

    (Strube [CDU/CSU]: War das der Esso-Chef? Wie heißt der eigentlich?)




    Esters
    — Wie der heißt, Herr Kollege? Auch dies kann ich Ihnen sagen: Er heißt Herr Kohlmorgen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das ist keine Empfehlung für Esso!)

    Es ist dem Herrn Bundesfinanzminister unbekannt. Ihnen ist er jetzt bekannt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Spricht nicht für seine Marke!)

    Ein weiteres Haushaltsrisiko ist die globale Minderausgabe von rund 1,2 Milliarden DM, deren Erwirtschaftung ungesichert ist. Wenn der Haushaltsausschuß seine früheren Beschlüsse zum Instrument der globalen Minderausgabe ernst nimmt, so muß er
    — daß heißt namentlich die Koalitionsmehrheit — versuchen, die Einsparungen an konkreten Positionen vorzunehmen oder darauf zu verzichten. Es geht nicht an, daß über die globale Minderausgabe Teile des parlamentarischen Budgetrechts an den Bundesfinanzminister abgetreten werden.

    (Walther [SPD]: Unerhört!)

    Es ist bedauerlich, daß auch der Nachtragshaushalt 1988 eine solche globale Minderausgabe von 300 Millionen DM vorsieht — ich weiß, daß dies in der Relation ein kleiner Betrag ist —, offenbar um aus kosmetischen Gründen unter einer bestimmten Zahlengröße
    — ich nenne einmal 10 Milliarden DM — bleiben zu können.
    Jede globale Minderausgabe desavouiert aber die mühsame Arbeit der Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuß. Es ist jedoch bezeichnend, daß der Bundesfinanzminister seit Jahren auf die Keule der globalen Minderausgabe entweder bei Einzelplänen oder insgesamt nicht verzichten kann, um die Dynamik der Neuverschuldung abzubremsen.
    Unverändert ein Haushaltsrisiko ist der Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit, der mit 3,3 Milliarden DM knapp veranschlagt wird. Obwohl durch die Entwicklung in den Vorjahren wiederholt widerlegt, unterstellt der Bundesfinanzminister, daß die Defizite der Bundesanstalt durch gesetzliche Anpassung des Leistungsrechts vermindert werden und daß es erhebliche Einschränkungen bei den Ermessensleistungen, ABM-Maßnahmen und Qualifizierungsoffensive, geben wird. Dabei gehen die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, so der jüngste Ifo-Bericht, davon aus, daß es Ende 1988 rund 50 000 Arbeitslose mehr als 1987 und 1989 weitere rund 30 000 mehr geben wird.

    (Walther [SPD]: Das sind ja traurige Zahlen!)

    Man muß schon ein hartgesottener Fiskalist sein,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wie dieser Weng!)

    um auf die Zunahme der Arbeitslosigkeit mit Leistungskürzungen und knappen Haushaltsansätzen zu antworten. Während in der Koalition über neue sozialpolitische Leistungen Scheingefechte geführt werden, findet hier der soziale Abbau zu Lasten der am schwersten benachteiligten Mitbürger statt.

    (Beifall bei der SPD)

    Einzustellen sind in den Haushaltsentwurf aus verständlichen Gründen die bislang noch nicht berücksichtigten Kosten des Sonderprogramms zur Eingliederung der aus Osteuropa kommenden Aussiedler. Ungewiß ist ferner das ganze Ausmaß der Verpflichtungen, die der Bund für die Airbus-Förderung aufwenden will. Am 28. Oktober 1984 hat der Bundesfinanzminister in der „Welt am Sonntag" erklärt: Von einer wirklichen Konsolidierung kann man erst sprechen, wenn die jährliche Neuverschuldung des Bundes ohne Bundesbankgewinn spürbar unter 20 Milliarden liegt. — Ich glaube, da hat er recht. Sie sind seither, Herr Minister, etappenweise kleinlauter geworden. Und wir hören seit Jahren, daß hier konsolidiert wird. Nur, der Schuldenberg wird nicht kleiner, sondern größer.

    (Kühbacher [SPD]: Das ist wohl wahr! Und die Zinsen werden immer höher!)

    In Ihrer gesamten bisherigen Amtszeit sind Sie nicht einmal annähernd an diese Zielmarke, die Sie selbst gesetzt haben, herangekommen. Ihr bestes Ergebnis waren 34,8 Milliarden DM im letzten Jahr. 1988 sind es dann wieder knapp 40 Milliarden DM, und nach Ihrem eigenen Finanzplan sind es — trotz massiver Verbrauchsteuererhöhungen — 1989 37 Milliarden DM, 1990 43 Milliarden DM, 1991 41 Milliarden DM und 1992 37 Milliarden DM.

    (Kühbacher [SPD]: Schulden sind das!)

    Verstärkt verstecken Sie darüber hinaus Ausgaben und Schulden in Schattenhaushalten,

    (Dr. Struck [SPD]: Unerhört ist so etwas! — Weitere Zurufe von der SPD)

    die zu einer Zeitbombe geworden sind und früher oder später neben der im Haushalt offen ausgewiesenen steigenden Neuverschuldung unsere Finanzkraft sprengen können.
    Ich nenne Beispiele: 1983 hatte die Bundesbahn einen Schuldenstand von knapp 36 Milliarden DM und konnte in dem Jahr sogar noch einen Teil ihrer Schulden netto tilgen. Im nächsten Jahr werden es mehr als 46 Milliarden DM sein, 1991 bereits 54 Milliarden DM. Diese steigende Verschuldung wird sich früher oder später im Bundeshaushalt in irgendeiner Form niederschlagen müssen.
    Auch die Deutsche Bundespost wird Jahr für Jahr stärker zur Ader gelassen, um Haushaltsdefizite zu schließen.

    (Walther [SPD]: Telefonsteuer!)

    — Ihre Anregung, Herr Kollege Walther, werden wir der zuständigen Enquete-Kommission weitergeben. —

    (Walther [SPD]: Nein, das ist eine Telefonsteuer, die der Stoltenberg da erhebt!)

    Von 1983 bis 1988 mußte die Post 28 Milliarden DM an Ablieferungen an den Bund überweisen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die ihr beschlossen habt! Die 10 % sind zu eurer Zeit beschlossen worden!)

    — Ihr wart doch sonst immer so schnell dabei, lieber Kollege Friedmann, Dinge, die wir beschlossen hatten
    6096 Deutscher Bundestag — l 1. Wahlperiode — 89. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. September 1988
    Esters
    und die ihr für dusselig hieltet, abzuschaffen. Weshalb denn hier nicht? Weshalb hat's denn hier so lang gedauert? Ihr hattet doch Zeit genug dazu.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/ CSU]: Ihr habt soviel hinterlassen! Es geht nicht auf einmal!)

    — Ach!

    (Walther [SPD]: Ihr hattet schon sechs Jahre Zeit! Wie lang wollt ihr jetzt noch Zeit haben? — Dr. Struck [SPD]: Sehr gut! Jetzt sagt er nichts mehr, der Herr Friedmann; jetzt hat er kein Argument mehr!)

    Entsprechend konnte der Bund natürlich seine Neuverschuldung verkürzen.
    Bei der Post mußten jedoch genau 28,2 Milliarden neue Schulden aufgenommen werden. Auch diese 28 Milliarden fehlen in jeder Bilanz des Bundesfinanzministers.
    Die Liste läßt sich verlängern. 1987 wurde beim Verstromungsfonds ein neuer Schuldentopf von 2 Milliarden DM zur Entlastung des Bundeshaushalts aufgemacht. Auch dieser Topf läuft schon über.

    (Walther [SPD]: Ja!)

    Bis Ende 1988 werden über die 2 Milliarden DM hinaus weitere 2 Milliarden für unbezahlte Rechnungen aufgelaufen sein,

    (Walther [SPD]: 4 Milliarden DM Schulden!)

    für die der Bund haftet. So die jüngsten Prüfungen des Bundesrechnungshofs.

    (Walther [SPD]: Richtig! Und was sagt jetzt der kluge Kopf?)

    Das sind Risiken im Bundeshaushalt, für die nirgendwo Vorsorge getroffen worden ist.
    Weitere 1,6 Milliarden Schulden wurden ebenfalls 1987 bei der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung untergebracht. Mit dieser Aktion konnte der Finanzminister vermeiden, bereits 1987 einen Nachtragshaushalt vorlegen zu müssen.
    Auch diese Beispiele sind fortsetzungsfähig. Nicht nur der Bund, sondern auch andere öffentliche Gebietskörperschaften sind in einer tiefen Schuldensituation. In diesem Sommer hat die Staatsverschuldung insgesamt, also im öffentlichen Gesamthaushalt einschließlich Bahn und Post, die Grenze von 1 Billion DM überschritten — eine Zahl, die jede Vorstellungskraft übersteigt. Im Bundeshaushalt müssen bereits jetzt rund 11,8 % — das ist jede zehnte Mark — für Zinsen ausgegeben werden. Dieses Geld fehlt zwangsläufig bei den sozialen Leistungen, bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, im Umweltschutz oder bei den Investitionen. Allein 1988 steigen die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden um 65 Milliarden DM — so der Finanzplanungsrat im Mai. Bahn und Post kommen mit zusammen weiteren 10 Milliarden DM Schulden hinzu.
    Sie versuchen, die Bedrohlichkeit der Lage zu kaschieren, indem Sie etliches, was eigentlich aus dem
    Bundeshaushalt kommen müßte, Herr Minister, anderswohin verlagern.

    (Walther [SPD]: Der Minister ist gar nicht mehr da!)

    Ermessen Sie bitte doch einmal selber, inwieweit Sie ihre eigenen Ziele verfehlt haben. Die Öffentlichkeit hat davon offenbar einen stärkeren Begriff als Sie selbst.
    Der Nachtragshaushalt 1988, der Haushalt 1989 und der Finanzplan machen nicht sichtbar, wie Sie die haushaltspolitische Zeitbombe des permanenten und wachsenden Haushaltsungleichgewichts entschärfen wollen. Wir wären dankbar, wenn wir im Lauf dieser Beratungen oder der Beratungen im Haushaltsausschuß auf all diese Fragen konkrete Antworten bekommen könnten.

    (Beifall bei der SPD — Walther [SPD]: Da hoffen wir leider vergebens!)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rose.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Rose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrte Damen! Meine Herren! Ich knüpfe an jene Passagen der Rede des Herrn Bundesfinanzministers an, die die düsteren Prophezeiungen der Sozialdemokraten für die Wirtschafts- und Finanzpolitik widerlegten. Es ist in der Tat entlarvend, mit welchen Horrorzahlen die deutsche Opposition immer wieder Politik zu machen versucht.
    Nichts von alledem, was jahrlang angekündigt wurde und auch zu Beginn dieses Jahres Inhalt Ihrer Attacken war, ist eingetreten. Aber das hinderte die Kollegen mit der anderen Feldpostnummer auch heute nicht, den Untergang zu predigen. Kollege Wieczorek hat extra davon gesprochen, daß er, obwohl er Ersatzredner sei, keinen Kurswechsel garantieren könne.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ersatzreserve I!)

    Ich weiß nicht, ob das eine Drohung war, aber auf jeden Fall, lieber Kollege Helmut Wieczorek, hoffe ich, daß, nachdem Sie einer der drei Namensträger in Ihrer Fraktion sind, bei Ihnen der Vorname Helmut für bessere Qualität bürgt.

    (Walther [SPD]: Soll das ein Witz gewesen sein?)

    In Wahrheit ist eine zwar verhaltene, aber durchaus optimistische Zukunftsperspektive in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gegeben. Ich möchte Beispiele nennen.
    Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft günstiger als erwartet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Wir haben nun schon sechs Jahre lang Wachstum. Selbst schlimmste Ereignisse wie der Schwarze Montag des vergangenen Jahres konnten uns wirtschaftspolitisch nicht aus der Bahn werfen. Das war aber nur durch eine konsequente und nicht durch eine wankelmütige Gegenstrategie möglich.

    (Uldall [CDU/CSU]: Sehr gut!)




    Dr. Rose
    Zweitens. Den entscheidenden Impuls für die gute Konjunktur gab und gibt unsere traditionelle Stärke beim Export von Investitionsgütern. Ich möchte an dieser Stelle deshalb ein Lob unseren Unternehmern und den in den Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber auch die von der Bundesregierung getätigte Wirtschaftspolitik trägt dazu bei, daß sich auf diesem Feld positive Zahlen eingestellt haben.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Auch auf dem Inlandsmarkt stieg die Nachfrage und hier wiederum besonders der private Verbrauch. Das hängt natürlich auch mit der Steuerreform zusammen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Eben zusätzliche Kaufkraft!)

    Doch es ist nicht so, wie Spötter sagen, daß man aus Angst vor der Quellensteuer noch schnell die Sparbücher geplündert hätte. Es sind insgesamt einfach mehr Mittel zum Verbrauch in der Öffentlichkeit vorhanden; deshalb konnte der Verbrauch angekurbelt werden.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: 14 Milliarden DM mehr Kaufkraft!)

    Drittes Beispiel: Die Bausparkassen melden überraschend viel Schwung im Bauspargeschäft. Dieser Schwung ermöglicht zusätzliche Impulse beim Bau. Ich las heute in der „Süddeutschen Zeitung", daß besonders in Bayern und vor allem beim Eigenheimbau große Zuwachsraten, zum Teil bis zu 20 %, zu verzeichnen sind. Hier greift also nicht nur die Wirtschaftspolitik, sondern auch die soziale Komponente. Ich möchte hier auch sagen: Wir wollen die Eigentumsquote beim Wohnraumbau noch deutlich steigern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertes Beispiel: In manchen Wirtschaftsbranchen boomt es geradezu.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Was?)

    — Es boomt geradezu. Das kann sich ein Norddeutscher vielleicht nicht so vorstellen.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das ist doch Englisch, Herr Rose!)

    Aber in südlichen Bundesländern merkt man das sehr deutlich. Nur haben wir große regionale Unterschiede. Ich kann in diesem Zusammenhang dem Norden, besonders dort, wo er von den Sozialdemokraten regiert wird, deshalb nur wünschen, daß er mit seiner Industriefeindlichkeit aufhört und damit für Industrieansiedlungen attraktiv wird, so daß Arbeitsplätze geschaffen werden können.

    (Büchler [Hof] [SPD]: Sie reden doch nur vom Münchener Raum, aber nicht von Oberfranken oder sonstwo in Bayern!)

    Meine Damen und Herren, die noch gar nicht — um ein weiteres Beispiel zu bringen — so lange zurückliegende Misere auf dem Ausbildungsstellensektor durch das Vorhandensein zu weniger Plätze droht nun zu einer Misere wegen zu wenig Jugendlicher umzukippen. Beispiel: Das Bäcker-, das Bau- oder auch das Friseurgewerbe zahlen schon Prämien, damit sie überhaupt Jugendliche für ihre Lehrstellen bekommen.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Das ging also alles ohne die von der SPD gewünschte Ausbildungsplatzabgabe. Man merkt hier, daß man zwar im Erfinden von zusätzlichen Steuern und Abgaben stark sein kann, damit aber keinen Erfolg hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, gerade die 44 Beispiele von Steuern und Abgaben, die die SPD im Laufe ihrer Regierungszeit und auch noch in der Opposition erfunden hat, sollten uns abschrecken, sowohl 1989 als auch in den 90er Jahren zur SPD zurückzukehren.
    Meine Damen und Herren, so gingen also die Angstphantasien der Opposition deutlich an der Wirklichkeit vorbei. Kompetenz haben Sozialdemokraten und GRÜNE auf dem Felde der Wirtschafts- und Finanzpolitik immer noch nicht bewiesen.

    (Frau Traupe [SPD]: Und ihr?)

    Daran änderte auch der SPD-Parteitag nichts. Was hatte denn Peter von Oertzen schon vor dem Parteitag über den wirtschaftspolitischen Leitantrag gesagt? Er nannte ihn Kunstfleisch mit Ketchupsoße. Ich habe das zwar nicht ganz verstanden, aber vielleicht meinte er, daß man jetzt sagen muß, daß Hackfleisch mit Appelmus das traurige Endergebnis ist; denn zerhackt muß sich die SPD vorkommen, wenn sie ihre eigene, widersprüchliche Haltung betrachtet.

    (Zuruf von der SPD: Schwach heute!)

    Da befeindet sie einerseits die maßvollen und wegen konkreter Aufgaben notwendigen Verbrauchsteuererhöhungen und will andererseits Riesenbelastungen beim Energieverbrauch.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Doppelter Bezinpreis!)

    Da verkündet der Ministerpräsident von der Saar dieses und der Gewerkschaftspräsident vom Neckar jenes, da will man bei den Reichen abkassieren und den Armen mehr geben — oder zumindest so tun — und übersieht, daß Robin Hoods Methoden — oder weil in diesem Jahr ein Jubiläum stattfindet, gar Jack-theRipper-Methoden — heute ebenso fehl am Platze sind wie der Schrei nach mehr Staat.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Jack the Ripper? Das ist nun aber wirklich dümmlich!)

    Die SPD mag zwar auf eine gerechte Verteilung des Sozialprodukts stolz sein, aber, verehrte Frau Matthäus-Maier, Sie sollten sich auch klarmachen, daß es zunächst jemanden braucht, der dieses Sozialprodukt erwirtschaftet. Sie dürfen nicht vergessen, daß unser Industriestandort Bundesrepublik gepflegt werden muß, so stark es irgend geht, und dazu brauchen wir eine marktwirtschaftliche Erneuerung, nicht eine gewerkschaftliche Erstarrung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Manches auf dem SPD-Parteitag war — das gestehe ich durchaus zu — in dieser Hinsicht erfreulich, doch zu einem Regierungsprogramm, lieber Kollege Küh-



    Dr. Rose
    hacher, reicht es noch lange nicht, und das haben nicht bloß Sie erkannt, sondern auch Ihr Kollege Erhard Eppler, der von einem deutlichen Manko beim Kompetenzzuwachs auf dem wirtschaftspolitischen Felde sprach.
    Meine Damen und Herren, ich komme zurück zur Haushaltspolitik. Auch beim eigentlichen Zahlenspiel der 288 Milliarden sieht die Wirklichkeit besser aus, als von der SPD orakelt und als auch von Ihnen, lieber Kollege Esters, dessen Sachverstand ich ja durchaus sehr schätze, eben in anderem Zusammenhang nochmals vorgetragen worden ist. Denn wir haben eine strenge Ausgabendisziplin. Sie können ja der Bundesregierung dann, wenn Sie Ausgaben tätigen muß, die zugunsten anderer Haushalte erfolgen, z. B. beim EG-Haushalt, z. B. bei den strukturschwachen Ländern, nicht vorwerfen, daß sie als Bundesregierung unredlich wirtschaftet. Das kann man auf keinen Fall miteinander in Zusammenhang bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Esters [SPD]: Das habe ich auch nicht gesagt!)

    In diesem Zusammenhang sollte man auch die Höhe der Neuverschuldung sehen. Man muß sehen, für was Neuverschuldung erforderlich ist, wo die neuen Aufgaben liegen und warum man also vorübergehend höhere Zahlen in Kauf nehmen muß.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Für den Airbus z. B.!)

    Eine strenge Ausgabendisziplin im laufenden Jahr macht es möglich, daß die geplante Ausgabensteigerung trotz Nachtragshaushalt nicht überschritten wird. Da verstehe ich überhaupt nicht, daß der Kollege Helmut Wieczorek vorhin von einem Heruntermanipulieren sprach. Wir sollten doch froh darüber sein, daß sich die realen Zahlen besser darstellen als die zuvor geplanten. Das ist doch besser als umgekehrt. Wir sollten deshalb dafür dankbar sein, daß die Bundesregierung eine sehr strenge Ausgabendisziplin gefahren hat, um damit auch manches wieder einzusammeln, was man vorher vielleicht meinte ausgeben zu müssen. Mit 2,4 % ist die Ausgabensteigerung im Jahre 1988 also trotz Nachtragshaushalt äußerst maßvoll.
    Blicken wir auf die ersten fünf Jahre unserer Regierungszeit zurück: Wir gingen im Jahresdurchschnitt nicht über 2 % Zuwachs hinaus. Das muß uns erst einmal einer nachmachen. Das war auch ein deutliches Signal dafür, daß der Staat nicht mehr der Moloch sein wollte, der er unter der SPD-geführten Regierung noch war. Niemals in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik ist auch nur annäherend so lange so sparsam gewirtschaftet worden, und dagegen spricht auch nicht der Anstieg der Schulden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wenn jetzt für 1989 eine Steigerungsrate von 4,6 % vorgesehen ist, dann weiß jeder warum und vor allen Dingen auch, daß dies einmalig ist. Denn in der Finanzplanung der kommenden Jahre sind wiederum nur zwischen jeweils 2 und 2,5 % Mehrausgaben vorgesehen. Die Staatsquote, die von rund 40 % anfangs der siebziger Jahre auf tast 50 %
    am Ende der SPD-Zeit im Jahre 1982 hochgeschnellt war, kam 1987 schon wieder auf unter 47 % zurück.
    Unser Ziel ist es, diesen Entstaatlichungskurs fortzusetzen, und unser fester Wille ist es auch, die Steuer- und Abgabenquote deutlich zu senken. Uns ist es lieber, stabile Preise, niedrige Zinsen und marktwirtschaftliche Freiräume zu haben, als mit Umverteilungshänden den deutschen Steuerzahler auszuplündern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Bundeshaushalt soll die großen Linien aufzeigen. Er soll einen Beitrag zur Finanzsolidität und zum Wirtschaftswachstum leisten; er soll einen Beitrag zur Investitionsanregung und zur Arbeitsmarktbelebung, zur Zukunftsteuerung und zur Steuergerechtigkeit leisten. Er soll aber auch der regionalen Ausgewogenheit dienen und weltwirtschaftliche Aspekte ausstrahlen.
    Dr. Stoltenberg hat in nüchternen Zahlen diese Grundlinien gezogen. Er hat vor allem deutlich gemacht, daß es am Willen zur Sparsamkeit nicht mangelt. Auf diesem Weg kann ich ihn nur bestärken. Es ist auch vorhin von unseren Rednern, von Herrn Carstens und von Herrn Dr. Weng, so gesagt worden.
    Risiken gibt es genug. Wir werden bei den jetzt beginnenden Einzelberatungen im Haushaltsausschuß diese Risiken gründlich erörtern, egal ob es sich um Mindereinnahmen oder Umschuldungsverluste zugunsten von Ländern der Dritten Welt handelt, ob es um das Aussiedlerprogramm oder um die Bundesbahn geht, ob es sich um die Schwierigkeiten beim Airbus, bei der Kohle oder bei der Bundesanstalt für Arbeit dreht. Alle Punkte müssen sorgfältig beraten und auf ihre Haushaltsvereinbarkeit abgeklopft werden. Wer diese Risiken bedenkt, spürt, daß keine neuen Verteilungsspielräume in Sicht sind.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von der Koalition, ich kann in diesem Zusammenhang nur jetzt schon, also rechtzeitig, davor warnen, aus momentanen Silberstreifen gleich goldene Kälber zu formen. Ich muß deshalb auch unsere grundsätzliche Zustimmung zu den maßvollen Steuererhöhungsplänen der Bundesregierung geben. Denn dabei handelt es sich um Einnahmen, damit man längerfristige Aufgaben und Ausgaben tätigen kann, die auch bei größter Sparsamkeit nicht anders gedeckt werden können, die aber notwendig und sinnvoll sind.
    Niemand wird behaupten, daß z. B. ein etwas höherer Benzinpreis die Konjunktur abwürgt. Wenn man bei 1,50 DM noch fahren konnte und wollte, dann wird man bei 1,10 DM — wie der Benzinpreis nach der Mineralölsteuererhöhung vielleicht sein wird — ebenfalls fahren. Ganz im Gegenteil: Wenn man die zusätzlichen Einkommen sieht, dürfte 1,10 DM weit weniger belasten als früher 1,50 DM.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die SPD will den Preis verdoppeln!)

    — Danke, Kollege Friedmann; das habe ich ja vorhin schon erwähnt. — Sie machen ja mit ihrer Energieverbrauchsteuer etwa viel Schlimmeres.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist bei denen eine soziale Wohltat!)




    Dr. Rose
    Auf jeden Fall tragen diese notwendigen, aber sehr maßvollen indirekten Steuern auch zu einer Gleichgewichtung von direkten und indirekten Steuern bei, so daß man auch hier sagen muß: Finanzpolitisch gesehen ist diese Maßnahme ausgewogen.
    Betrachtet man, meine Damen und Herren, nicht bloß den Bundeshaushalt 1989, sondern auch den neuen Finanzplan, so wird der Zwang zum Sparen noch deutlicher. Insofern kann ich der Opposition nur dankbar sein, daß sie heute auch diese Risiken, vielleicht sogar auch so versteckte Sparkassen und manchen vielleicht so zu bezeichnenden Schattenhaushalt angeführt hat. Denn man muß wirklich Begehrlichkeiten schon am Anfang bremsen, und der Zwang zum Sparen wird immer deutlicher.

    (Frau Traupe [SPD]: Das ist richtig, Herr Kollege! Wir messen Sie 1990 an Ihren Worten!)

    Verschiedene neue Schwerpunkte sollten trotzdem neue Akzente setzen. Um diese aber zu finanzieren, muß andernorts abgespeckt werden.
    Ich möchte einige vernünftige Zweckbestimmungen aus meiner Sicht, auch aus der Sicht des dritten Koalitionspartners nennen. Wir glauben, daß der Ausbau beim Hochschulwesen durchaus noch zusätzliche Ausgaben verträgt. Der Hochschulbau ist für uns eine wichtige Aufgabe.

    (Beifall des Abg. Gattermann [FDP])

    Meine Damen und Herren, wir glauben auch, daß für überbetriebliche berufliche Ausbildung sowie für die Grundlagenforschung oder für die Umweltvorsorge Schwerpunkte gesetzt werden sollten. Genauso wichtig erscheinen mir die modernen Schlüsseltechnologien, die Weltraumprojekte, aber auch die äußere Sicherheit zu sein.
    Man kann zwar viel vom ewigen Frieden reden — darüber gab es schon im 18. Jahrhundert philosophische Abhandlungen — , man kann auch heute viel von Abrüstung reden, aber zum Nulltarif bekommt man diesen ewigen Frieden garantiert nicht. Das beliebte Spiel, das auch wir im Haushaltsausschuß gerne gemacht haben, bei den Streichorgien zunächst einmal den Verteidigungshaushalt zu betrachten, scheint mir in diesem Jahr zumindest überprüfungsnötig zu sein, auch unter dem Aspekt, nicht im investiven Teil zu kürzen, sondern höchstens, wenn überhaupt, im konsumtiven. Das gilt im übrigen auch beim Fernstraßenbau und bei verschieden anderen Maßnahmen, die ich gerade aus bayerischer Sicht betone.
    Wenn ich, meine Damen und Herren, schon jetzt eine Bewertung des Haushalts 1989 vornehmen darf: Mich versöhnt der strikte Sparkurs, der trotz der einmaligen Steigerung um 4,6 % festzustellen ist. Der Aufwuchs ist — ich sage es nochmals — bekanntlich wegen der Unterstützung strukturschwacher Bundesländer entstanden, hat also nichts mit staatlicher Verschwendungssucht und schon gar nichts mit Verschwendungslust bei der Bundesregierung oder beim Bundeshaushalt zu tun. Etwaige Mehreinnahmen, wie sie in der letzten Zeit durch die Öffentlichkeit gegeistert sind — durch Bundesbankgewinn oder höhere Steuern oder was sonst immer — , müssen zur
    Rückführung der Neuverschuldung und vor allen Dingen zur Tilgung der Altschulden verwendet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dann geht auch die Zinsbelastung zurück, die sonst ab 1991 zu einem größeren Betrag führen würde, als sie nach dem Investitionsvolumen sein dürfte. Meine Damen und Herren, das darf nicht eintreten. Der Haushaltsausschuß hat deshalb erneut ein gewaltiges Stück Arbeit vor sich.
    Vielleicht darf ich zum Schluß noch einige Sätze zur Stimmung im Lande sagen. Die „Frankfurter Rundschau" , die ja nicht unbedingt sehr regierungsfreundlich oder gar CSU-freundlich ist, schreibt heute, daß bei den Koalitionären, also bei der CDU, CSU und FDP, die Stimmung sehr viel schlechter sei als die Lage und umgekehrt bei der SPD und den GRÜNEN die Stimmung sehr viel besser als gerechtfertigt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das Blatt meint weiter, das Stimmungshoch kam wohl zwei Jahre zu früh. Es kam sogar nur ein paar Tage zu früh, denn der Parteitag selber hat nach den Umfrageergebnissen dieses Stimmungshoch deutlich umgekehrt. Aber darauf kann man sich sowieso nie verlassen. Ich möchte Ihnen deshalb durchaus Mut machen: Wenn Sie so weitermachen, wird sich dieses Stimmungshoch bei Ihnen noch halten.

    (Esters [SPD]: Das ist reizend von Ihnen!)

    Die Stimmungsergebnisse, d. h. die Stimmergebnisse des Jahres 1990 werden dann mit Sicherheit anders sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Genau so ist aber die Lage. Für die Koalition besteht die Aufforderung, wirtschaftspolitischen Optimismus zu zeigen. Für die Opposition aber ist der Rat angebracht, die Zeichen der modernen Zeit zu erkennen.

    (Esters [SPD]: Ja!)

    — Will die Bundesrepublik, lieber Kollege Esters, auch im Europa der 90er Jahre bestehen, dann braucht sie mehr wirtschaftlichen Spielraum und weniger Gängelung, dann braucht sie mehr steuerliche Unternehmensentlastung und weniger Umverteilung,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Intelligenz statt Quoten!)

    dann braucht sie mehr Arbeitsflexibilität und weniger Erstarrung. Lafontaine als Grenzland-Ministerpräsident spürt offenbar eher — allerdings glaube ich, daß Herr Apel, das auch schon wußte; aber deshalb ist er in die Wüste geschickt worden — , was die Stunde geschlagen hat. Auch andere Sozialisten spüren es. Ich selber wohne an der Grenze zu Österreich. Das berühmte Beispiel, daß die Spitzensteuer von den Sozialisten Österreichs rechtzeitig abgesenkt wurde, ließe sich fortsetzen: Die sozialistische Bundesregierung in Österreich führt inzwischen Arbeitszeitflexibilität ein, möchte Dienstleistungsstunden am Abend einführen, die Wochenendarbeitszeit überprüfen und vieles andere mehr. Das sind genau jene Forderun-



    Dr. Rose
    gen, die Lafontaine gestellt hat und die an eine moderne Wirtschaft zu stellen sind.
    Ich kann deshalb nur hoffen, daß die Opposition ihre historische, aber auch ihre europäische Verantwortung erkennt und deshalb nicht bloß den Bundeshaushalt kritisch begleitet, sondern auch wirtschaftspolitisch auf einen vernünftigen Kurs einschwenkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Esters [SPD]: Worauf du dich verlassen kannst!)